Project Gutenberg's Gerichtliche Leichen-Oeffnungen., by Johann Ludwig Casper This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook. Title: Gerichtliche Leichen-Oeffnungen. Zweites Hundert. Author: Johann Ludwig Casper Release Date: September 27, 2014 [EBook #46979] Language: German Character set encoding: ISO-8859-1 *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GERICHTLICHE LEICHEN-OEFFNUNGEN. *** Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive)
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Verrichtet und erläutert
von
Johann Ludwig Casper.
Berlin, 1853.
Verlag von August Hirschwald.
69 U. d. Linden, Ecke der Schadow-Str.
Die zweite Centurie gerichtlicher Leichenöffnungen, deren Schilderung ich hier veröffentliche, steht an Mannigfaltigkeit des thatsächlichen Inhaltes dem ersten Hundert nicht nach, und ich darf hoffen, dass auch die wissenschaftlichen Beurtheilungen der beleuchteten Fälle, die vergleichenden und kritischen Bemerkungen zu den betreffenden Stellen des neuen und des ältern Strafgesetzbuches, die angehängten Corollarien u. s. w. das Interesse des Lesers erregen werden. Die äussere Form, und die Eintheilung des Stoffes sind dieselben geblieben wie im ersten Hundert, weil sie sich in wiederholten Auflagen als zweckmässig bewährt haben, und namentlich auch mit Hülfe des auch hier wieder beigefügten vollständigen Sachregisters, das Nachschlagen und die Vergleichung analoger Fälle in beiden Centurien dadurch sehr erleichtert wird.
Für das zunächst folgende dritte Hundert liegen die Materialien bereits vollständig geordnet mir vor, und gedenke ich zur Bearbeitung derselben vorzuschreiten, wenn Musse und Umstände dazu günstig sind.
Berlin, im August 1853.
Seit dem Erscheinen der ersten Auflage des „Ersten Hundert“ meiner „gerichtlichen Leichenöffnungen“ (August 1850) ist die grosse Veränderung im Preussischen peinlichen Gerichtsverfahren eingetreten, deren nahes Bevorstehen schon damals mit Sicherheit vorausverkündet werden konnte, indem bekanntlich mit dem 1. Juli 1851 das neue Strafgesetzbuch für die Königlich Preussischen Staaten in Kraft getreten ist. Wie wesentlich überhaupt der Einfluss der, zum Theil vom ältern sehr erheblich abweichenden Bestimmungen dieses neuen Strafgesetzes auf die gerichtsärztliche Praxis, so äussert sich dieser Einfluss in keiner andern Materie mehr in die Augen springend, als gerade in Betreff der gerichtlichen Leichenöffnungen. Denn, wie bekannt, hat endlich auch bei uns die alte verrottete Lethalitätslehre ihr Ende gefunden, und wenn auch in diesem Augenblick thatsächlich noch die „Criminal-Ordnung“ und mit ihr der §. 169. mit seinen berüchtigten drei Fragen (Lethalitätsgraden) besteht, da der neue Strafprocess noch immer auf sich warten lässt, so kann doch sein Bestehen keinen praktischen Werth mehr haben. Denn wenn das Strafgesetzbuch in seinem klaren, erschöpfenden §. 185. verordnet:
„Bei Feststellung des Thatbestandes der Tödtung kommt es nicht in Betracht, ob der tödtliche Erfolg einer Verletzung durch zeitige oder zweckmässige Hülfe hätte verhindert werden können, oder ob eine Verletzung dieser Art in andern Fällen durch Hülfe der Kunst geheilt worden, ingleichen ob die Verletzung nur wegen der eigenthümlichen Leibesbeschaffenheit des Getödteten, oder wegen der zufälligen Umstände, unter welchen sie zugefügt wurde, den tödtlichen Erfolg gehabt hat“,
so kann natürlicherweise der Richter gar kein Interesse mehr haben, in einem Falle von tödtlich gewordener Verletzung dem Gerichtsarzte Fragen vorzulegen, die gerade solche Umstände betreffen, die „nicht in Betracht kommen sollen“. In der That habe ich in den zahlreichen Obductionsfällen seit dem 1. Juli vorvorigen Jahres bis heute vor verschiedenen Gerichtsbehörden auch nicht ein einziges Mal mehr die unerfreuliche Aufgabe gehabt, die drei Fragen der Criminal-Ordnung, betreffend die absolute, die individuelle und die zufällige Tödtlichkeit, beantworten zu müssen. Mit dieser Reform ist eine Einfachheit und Bestimmtheit im Gutachten des Gerichtsarztes begründet, wie andererseits ein widerwärtiges Verschleppen sehr vieler solcher Fälle oft durch alle drei gesetzliche technische Instanzen beseitigt worden, was praktische Gerichtsärzte und Mitglieder unserer Medicinalbehörden aller Orten in der Monarchie seit dem 1. Juli 1851 gewiss bereits oft genug mit Genugthuung und Freude begrüsst haben.
Eine andere Erwägung scheint weniger zweifellos zu sein. Nachdem die sogenannte individuelle Lethalität gleichfalls „nicht mehr in Betracht kommen soll“, kann man[S. 3] fragen, ob nicht das ganze Obductionsverfahren jetzt wesentlich zu vereinfachen sei? Genügt es am Ende nicht, die eigentliche causa mortis zu erforschen? Ist der Schuss in die Lunge, der Stich in das Herz, die erhebliche Kopfverletzung u. s. w. ermittelt, so ist doch wohl der jetzt allein geforderte „Thatbestand der Tödtung“ festgestellt, und da alles Uebrige „nicht in Betracht kommt“, wozu die Untersuchung der resp. übrigen Höhlen und Organe? Und vollends die Untersuchung und Schilderung im Obductionsprotokoll der Haare, Augen, Zähne u. dgl., die ohnedies sehr nach veraltetem Formenwesen schmeckt! — Indess, abgesehen davon, dass die amtliche Vorschrift für das Verfahren bei gerichtlichen Leichenöffnungen, das Regulativ vom 21. October 1844, noch nicht aufgehoben, der einzelne Gerichtsarzt daher nicht befugt ist, vom bisherigen Verfahren abzuweichen, würde auch eine wesentliche Aenderung desselben grossem Bedenken unterliegen. Allerdings nämlich ist der Befund z. B. einer durchdringenden Herzverletzung zweifellos ausreichend zur Feststellung des Thatbestandes der Tödtung. Wie aber, wenn man später im Magen derselben Leiche noch Arsenik fände, weil eine Complication von tödtlichen Ursachen und eine Complicität mehrerer Thäter vorliegt? Oder wenn sich ausser einer tödtlichen Schusswunde bei der weiteren Untersuchung noch die Zeichen des Ertrinkungstodes vorfinden, wie im 20. Falle unserer ersten Centurie[1]? Was aber die Untersuchung von Theilen wie Haare, Augen, Zähne betrifft, so ist diese allerdings oft, vielleicht meistens, ganz überflüssig, doch ist im Augenblicke der gerichtlichen Section allermeist der concrete Fall noch gar[S. 4] nicht klar zu übersehen, und man ahnet oft nicht, auf welche anscheinend geringfügige Umstände im spätern Verlaufe der Untersuchung das grösste Gewicht gelegt werden wird, deren früheres Unbeachtetlassen man dann aufs Tiefste beklagen würde. Die Verbrecherin, die das Kind auf die grässliche Art, wie sie im 37. Falle des ersten Hundert geschildert ist, tödtlich gemisshandelt hatte, und doch nur behauptete, dem Mädchen über dem Strohhut eine Ohrfeige gegeben zu haben, hatte unter Anderm dem Kinde auch die Krone eines Backzahns ausgeschlagen. Dieses Defectes hatten wir im Obductionsprotokoll Erwähnung gethan. Die Verbrecherin wollte auch von dieser Beschädigung nichts wissen. Drei Tage nach der Section aber fand sich die Krone dieses Zahnes im Kehricht des Zimmers, in welchem sie die Tödtung verübt hatte, und dieser Umstand ward natürlich von grosser Erheblichkeit. — Auch in Betreff der Farbe der Haare und Augen kann ich ein lehrreiches Beispiel citiren. Es betrifft den unten (Nr. 62) mitzutheilenden Fall, in welchem es sich um die Feststellung der Identität des unzweifelhaft Ermordeten handelte. Wir hatten natürlich bei der Inspection der Leiche auch die Haare und Augen geschildert. Später wurde die Identität des Vermissten mit dieser Leiche zweifelhaft, und die Ehefrau des Ersteren im Audienztermine auch über Farbe der Haare und Augen ihres verschollenen Mannes vernommen. Sie konnte dieselbe aber nicht angeben, und äusserte, zur grossen Erheiterung der ganzen Zuhörerschaft: „Sie habe ihrem Manne (während ihrer dreiundzwanzigjährigen Ehe!) nie so in die Augen gesehen, auch die Farbe seiner Haare nicht so betrachtet, um darüber Rechenschaft geben zu können!“ Die Farbe wurde aber durch andere Zeugen[S. 5] festgestellt, und mit unserer Schilderung übereinstimmend gefunden. Wie viel endlich bei ganz unbekannten Leichen auf die genaueste Feststellung aller, auch der geringfügigst scheinenden Merkmale an denselben, ankommt, dafür ist wohl kaum ein schlagenderes Beispiel vorgekommen, als jenes, betreffend die Leiche des ermordeten Viehhändlers Ebermann, welcher im Leben Tätowirungen und Schröpfnarben gehabt haben sollte, welche die Obducenten an der Leiche nicht beachtet hatten, woraus eine weitläuftige Untersuchung und Erörterung entstand[2].
Aber auch der erfreuliche Umstand, dass die sogenannten individuell-tödtlichen Verletzungen keine amtliche Geltung mehr haben, kann den Preussischen Gerichtsarzt nicht von der Nothwendigkeit entbinden, die gerichtliche Leichenöffnung nach wie vor mit der grössten Genauigkeit und mit Beachtung aller Organe zu verrichten. Denn es versteht sich von selbst, dass der Gesetzgeber, wenn er den obigen §. 185. in das neue Strafgesetzbuch aufnahm, nicht gemeint sein konnte, zwei der Tödtung Beschuldigte mit demselben Maasse zu messen, von denen der Eine z. B. beim Streite einem Menschen mit einem stumpfen Werkzeuge den Kopf einschlug, der Andere beim Streite einem, mit Aortenaneurysma Behafteten einen derben Stoss vor die Brust gab, und ihn dadurch ebenfalls tödtete. Der „Thatbestand der Tödtung“ steht in beiden Fällen fest. Aber die Strafe kann und soll in beiden Fällen nicht dieselbe sein. Der §. 44. des Strafgesetzbuches bestimmt, dass, „wenn die Strafbarkeit einer Handlung abhängig ist (entweder) von besondern Eigenschaften (in der[S. 6] Person des Thäters oder) desjenigen, auf welchen sich die That bezog“ u. s. w., eine solche Handlung demjenigen als Verbrechen nicht zuzurechnen sei, welchem jene Verhältnisse oder Umstände zur Zeit der That unbekannt waren. Es spricht das Strafgesetzbuch ferner von „mildernden Umständen“, und es ist einleuchtend, dass Verhältnisse, die die sogenannte individuelle Lethalität betreffen, zu jenen „besondern Eigenschaften“, zu diesen „mildernden Umständen“ gehören, einleuchtend, dass der obducirende Gerichtsarzt es ist, der diese Verhältnisse und Umstände zu erheben, und dem (Geschwornen-) Richter für sein Strafurtheil zu unterbreiten hat.
Ich habe in der frühern Centurie auf die Schwierigkeit aufmerksam gemacht, den Ursprung des sonderbaren Wortes obductio für die bekannte Handlung sprachlich genügend zu erklären, und die Meinung einiger hiesiger berühmten Philologen angeführt. Vor Kurzem nun habe ich durch die Güte eines pädagogischen Sprachkenners, den die Sache interessirte, ein Schreiben erhalten, worin derselbe seine Ansicht über das Wort obducere mittheilte, die ich den Lesern nicht vorenthalten will.
„Eine Benennung ist entweder vom Hauptumstande genommen oder von einem Nebenumstande. Wir müssen uns dabei aber wohl zunächst an die gangbarste Bedeutung des Wortes halten, wenn wir dem Ursprunge der Benennung auf die Spur kommen wollen. Denn meines Wissens sind nicht die seltenen, sondern die gewöhnlichen Bedeutungen der lateinischen oder griechischen Wörter zur Bezeichnung neuerer Begriffe genommen worden und werden noch stets genommen.“
„Demnach wäre die Bedeutung offerre, afferre, welche Böckh annimmt, ebenso wenig wahrscheinlich, wie die[S. 7] auch vorgeschlagene aperire, wiewohl nicht geläugnet werden kann, dass ob in der Zusammensetzung ursprünglich den Begriff „entgegen“ führt, wie in offerre. Die Stelle des Lucilius aber ist schon wegen des aulaea sehr bedenklich, da es bekanntlich bei den Alten hiess: aulaeum mittitur, wo wir sagen: der Vorhang geht auf, und ebenso umgekehrt, wo wir sagen: er fällt, heisst es: aulaeum tollitur. Zudem könnte das aperire des Nonius auch verschrieben sein statt operire.“
„Wir müssen also wohl an die Bedeutung „verhüllen“ uns halten. Es wäre dann freilich vielleicht gewagt, gerade den Hauptumstand, die Untersuchung des Leichnams, eine „Verhüllung“ zu nennen, im Gegensatze zu dem aperire, dem deutlich, kenntlich machen, wogegen der Leichnam durch Obduction, wenn diese Section ist, mehr oder minder unkenntlich gemacht, oder bildlich gesprochen, verhüllt wird. Aber es giebt noch viel wahrscheinlichere Hülfe.“
„Doch müssen wir uns nun an Nebenumstände wenden, von denen ja so viele Benennungen herrühren, wie besonders die Euphemismen in sprechendster Weise darthun. Zu diesen rechne ich aber auch z. B. efferre, zur Ruhe bringen, für den eigentlichen Ausdruck humare, beerdigen, begraben; das deutsche „bestatten“ für „begraben“. Wenn wir nun hier für unsern Fall das Gegentheil setzen, nämlich das producere, proferre, so wird die Sache ganz klar. Vor der gerichtlichen oder gerichtsärztlichen Besichtigung liegt der Leichnam des Verunglückten, Umgebrachten u. s. w. meist ganz offen da, ist oder wird gleichsam Allen vorgeführt durch die Umstände selbst, producitur. Dies nimmt ein Ende, wenn die Leute des Faches, Juristen und Mediciner, erscheinen, denen allein[S. 8] dann die Sache angehört. Der Leichnam wird den Blicken entzogen, vorläufig, wenn auch nicht mit Vorhängen oder Tüchern, so doch schon durch das erscheinende Personal; er wird nicht weiter producirt, er wird eigends obducirt, nicht mehr vorgeführt, sondern entführt.“
„Nehmen wir dazu, dass die gefundene Leiche gewöhnlich von draussen weggeschafft wird, dass sie aufgehoben und behufs der vorzunehmenden Untersuchung bis an Ort und Stelle verhüllt fortgeschafft, sorgfältig weggebracht wird, dass die Leiche im Zimmer gefunden oder von draussen dahin gebracht, dort obducirt, d. i. verschlossen, abgeschlossen, nicht zugänglich ist — denn obducere heisst auch ziemlich häufig „verschliessen“ — so ist wohl kein Zweifel mehr vorhanden, weshalb man eine gerichtliche oder eine vom Gericht verordnete Untersuchung eines Leichnams eine Obduction, eine Verhüllung, Verdeckung, Bedeckung, Verschliessung, Unzugänglichmachung desselben nannte.“
„Freilich ist es sehr schwer, das obducere geradezu auf die eben vorzunehmende eigentliche Untersuchung zu deuten, aber auch wohl gar nicht möglich. Ich will mich durchaus nicht über Andere stellen; aber in der Wissenschaft gilt kein Ansehen der Person, sondern nur das der Sache u. s. w.“
Die hier zu analysirenden Hundert Leichenöffnungen betreffen 66 Individuen männlichen, und 34 weiblichen Geschlechts, und die Feststellung folgender Todesarten, denen ich die gleichnamigen aus dem ersten Hundert gegenüberstelle:
nach | Verletzungen | in | 43, | im | 1. | Hundert | in | 36 | Fällen, |
„ | Misshandlungen | „ | 6, | „ | „ | „ | „ | 9 | „ |
„ |
Erstickung und Schlagfluss (incl. Erhängen und Erdrosseln) |
„ | 11, | „ | „ | „ | „ | 10 | „ |
von | Ertrunkenen | „ | 3, | „ | „ | „ | „ | 6 | „ |
„ | Neugebornen | „ | 25, | „ | „ | „ | „ | 21 | „ |
nach | Vergiftungen | „ | 4, | „ | „ | „ | „ | 8 | „ |
„ |
angeblichen Kunstfehlern |
„ | 4, | „ | „ | „ | „ | 5 | „ |
„ | Verbrennungen | „ | 3, | „ | „ | „ | „ | 4 | „ |
„ | Erhungern | „ | 1, | „ | „ | „ | „ | — | „ |
einer | Schwangern | „ | — | „ | „ | „ | „ | 1 | „ |
100 | 100 |
Die grosse Gleichförmigkeit in den resp. Zahlenverhältnissen beider Centurien würde sehr auffallend erscheinen müssen, wenn man doch erwägt, dass Nichts zufälliger scheint, als dass ein Mensch durch eine Misshandlung getödtet wird, oder an Stick- und Schlagfluss stirbt, oder verbrennt, oder dass ein neugeborenes Kind von der Mutter getödtet, oder das todtgeborene ausgesetzt, weggeworfen, beseitigt wird u. s. w., wenn nicht die Statistik, die medicinische wie die Criminalstatistik, längst erwiesen hätte, dass eben — Nichts Zufall ist. Hat doch Quetelet sogar bewiesen, dass alle Verbrechen sich in einer gegebenen Bevölkerung in ganz bestimmten Procentsätzen stets wiederholen. Doch dies führt zu weit von dem hier vorgesteckten Ziele ab, dem wir uns wieder nähern, indem wir an die Analyse der einzelnen der hier zu betrachtenden Obductionsfälle gehen.
Unter den dreiundvierzig Fällen von tödtlichen Verletzungen, also fast der Hälfte aller in dieser Centurie, kamen uns, genau wie in der ersten, achtmal Tödtung durch die Verletzungen der verschiedensten Organe veranlasst durch Ueberfahren vor. Ich wiederhole, hier wie überall, nicht die Bemerkungen, die ich bei Gelegenheit jeder einzelnen Todesart in der früheren Sammlung mitgetheilt habe, und will deshalb in Betreff des Uebergefahrenwerdens nur Folgendes zu dem früher Gesagten hinzufügen. Abgesehen von denjenigen Fällen von Selbstmördern, die sich durch eine Locomotive überfahren liessen, und von denen ich ausseramtlich mehrere zu sehen Gelegenheit hatte, habe ich meinerseits nicht in einem einzigen Falle ein eigentliches Zermalmtwerden des Körpers oder einzelner Theile, der Brust, des Kopfes u. s. w. beobachtet, vielmehr war, wie man sehen wird, auch in den folgenden acht, wie in den früheren acht Fällen, der Tod durch Erschütterung, Gefäss- oder Eingeweide-Ruptur, oder durch Brüche einzelner Knochen, oder durch Quetschung einzelner Theile erfolgt.
Seltene Schädelsprengungen.
Ein dreijähriges Mädchen war übergefahren, und auf der Stelle getödtet worden. Der Schädel zeigte die seltene Verletzung einer Absprengung des Schuppentheils[S. 11] vom Schlafbein (rechterseits), ferner eine Queerfissur im occiput, die sich bis in das foramen magnum erstreckte, und endlich war noch der Felsentheil des linken Schlafbeins durch eine Fissur gespalten. Das Gutachten, das damals noch die absolute Lethalität erwägen musste, war natürlich sehr leicht. — Merkwürdiger war der in demselben Monat vorgekommene
Berstung des Mittelfleisches.
einen siebenjährigen Knaben betreffend, welcher durch die ungeheuere Last eines Omnibus, die in Berlin von einer Grösse und Schwere sind, wie man sie in andern Hauptstädten nicht findet, übergefahren worden war. Ein Rad des Wagens war über den Unterleib fortgegangen. Bei der Section fanden wir die ganze regio iliaca dextra äusserlich dunkelroth und, wie Einschnitte ergaben, sugillirt. Das Mittelfleisch war in der Art geplatzt, dass eine Wunde mit glatten, nicht sugillirten Rändern im Zickzack fünf Zoll lang vom Scrotum an bis zur Gegend des Steissbeins verlief, welche zwei Zoll weit klaffte, und durch die man in die Beckenhöhle hineinsehen konnte. Auch der sphincter ani war zerrissen, aber im ganzen Körper keine weitere Verletzung sichtbar. Die Harnblase war strotzend gefüllt, und stand hoch über dem Schaambogen, was erklärlich war, da der Knabe noch zwanzig Stunden gelebt hatte, und die fürchterliche Quetschung natürlich eine Lähmung der Blase veranlasst haben musste. Auch in diesem Falle konnten wir keinen Anstand nehmen, die absolute Tödtlichkeit der Verletzung im Sinne der ersten Frage des §. 169. der Criminal-Ordnung anzunehmen.
Ruptur der Leber.
Leberrisse kommen fast in allen Fällen nur als Längenrisse vor, entweder so, dass die Ruptur sich im rechten oder linken Lappen, oder in deren Mitte befindet, und gewöhnlich den Lappen seiner ganzen Länge nach trennt, oder in der Art, wie wir es aber nur einige Male gesehen, dass in beiden Lappen sich mehrere kleinere Längenrisse zeigen; sehr selten werden Queerrisse beobachtet. Eine ganz eigenthümliche Form einer Leberruptur aber fand sich bei einem drittehalbjährigen durch Ueberfahren getödteten Knaben, der noch eine halbe Stunde gelebt hatte. Von der Mitte des Unterleibes bis zu dem dritten Lendenwirbel rechts hinüber erstreckte sich ein, einen halben Zoll breiter, rothbrauner, pergamentartig zu schneidender Streifen. Im Bauche fanden sich vier Unzen dunkelflüssigen Blutes ergossen, das aus einem Risse der Leber geflossen, die so eingerissen war, dass der ganze Rand des rechten Leberlappens wie von Thieren zernagt erschien. Auch die Duplicaturen des Bauchfells in der Beckenhöhle waren stark sugillirt. Dagegen war natürlich Anhämie im ganzen übrigen Körper vorhanden. Die Vena cava war leer, ganz leer das Herz, die Lungen wegen der fast völligen Blutleere weissgrau von Farbe. Nichts desto weniger waren die Venen der pia mater auch in diesem Falle, wie in so vielen früheren[3], recht stark gefüllt. Hieran reiht sich der pikante
Ruptur der Leber.
Ein Arbeiter war durch Ueberfahren getödtet, aber bereits privatärztlich secirt worden, als uns die Leiche im folgenden Zustande vorgelegt ward. Der Kopf war ungeöffnet geblieben, Brust und Unterleib waren auf die gewöhnliche Weise nach der Section zugenäht worden. Neben der Leiche lag eine Leber, welche in ihrer Mitte durch einen Längenriss in zwei Theile getrennt war. Magen und Darmkanal lagen unterbunden (weshalb?) frei in der Leiche. In der Brusthöhle zeigten sich die blutleeren Lungen vielfach eingeschnitten, ebenso das ganz leere Herz. Die Venen der pia mater waren auch hier noch ziemlich blutgefüllt. Von Bluterguss in die Unterleibshöhle war nichts mehr wahrzunehmen. Dagegen fanden wir auch hier wieder[4] bei gänzlichem Fehlen aller Sugillation u. dgl. an der Oberfläche der Leiche (ausser der Leberruptur) noch einen Bruch von vier Rippen vor.
Wie sollte in diesem Falle ein amtliches Gutachten abgegeben werden? Wir glaubten, das Rechte zu treffen, indem wir erklärten: dass wenn die vorgezeigte Leber wirklich die des denatus gewesen, und wenn der Riss darin im Leben erfolgt sein sollte, was beides nach den Umständen allerdings höchst wahrscheinlich, dass dann die erste Frage des §. 169. der Crim.-Ordng. (absolute Lethalität) bejaht werden müsste.
Ruptur des Gehirns.
Wir werden auch in dieser Centurie ausser dem soeben Erzählten Beläge für die Richtigkeit meiner früheren Behauptung finden, dass man in Leichen sehr oft die allererheblichsten innern, ohne irgend eine Spur einer äusserlich sichtbaren Verletzung findet. Gleich dieser Fall bot ein abermaliges Beispiel (vergl. Fall 4, 36, 38 und 39). Ein 65 Jahre alter Schneider war durch Ueberfahren getödtet worden. Die ganze Leiche nicht nur, sondern namentlich auch der Kopf, boten nicht das geringste von der Norm Abweichende dar. Und dennoch fand sich eine Fissur vom Ende der Pfeilnath bis zur Mitte des Schuppentheils des linken Schlafbeins, und darunter auf der Gehirnhemisphäre lagen drei Loth schwarzen, geronnenen Blutes. Unter demselben fand sich endlich noch der sehr seltene Befund einer (Zoll langen) klaffenden Ruptur des Gehirns, die mit zwei Unzen eben solchen Blutes ganz ausgestopft war. Ich erinnere mich nicht, bei Hunderten von Leichenöffnungen noch einen zweiten Fall von Riss in das Gehirn gesehen zu haben. Dass derselbe, wie alle Organrupturen, eine höchst erhebliche äussere Gewalt voraussetzt, ist bekannt, denn gesunde Organe reissen überhaupt nur in Folge einer solchen. — Der Getödtete in diesem Falle hatte noch sieben Stunden gelebt, und es waren ihm noch blutige Schröpfköpfe in den Nacken gesetzt worden, wie die Leiche ergab. Das Gutachten konnte natürlich ebenso wenig zweifelhaft sein, als im folgenden
Bruch von Halswirbeln, Zerreissung der Luft- und Speiseröhre,
der eine Reihe der allerfurchtbarsten Verletzungen darbot, wie sie nicht leicht so vereinigt vorkommen. Ein 30jähriger Knecht war durch Ueberfahren getödtet worden. Der Hals der Leiche war ringsum, und ausserdem auch der ganze obere Theil der Brust mit bedeutenden Sugillationen bedeckt, und man fühlte schon äusserlich Brüche der Halswirbel und des rechten Schlüsselbeins durch. Es ergab sich (ausser einem Queerbruch dieser clavicula), dass der Processus odontoideus abgebrochen und der Epistropheus vom Atlas getrennt war, so dass beim Trennen der Weichtheile die Halswirbelsäule sogleich hervordrang. Aus der Trennungsstelle liess sich das zermalmte Halsrückenmark als blutiger Brei hervordrücken. Aber ausserdem fanden sich noch Kehlkopf und Speiseröhre abgerissen, und Ersterer lag in der Brust hinter dem Manubrium sterni, und endlich war noch die rechte Carotis zerrissen. In der Brust lagen in beiden Pleurasäcken Massen von schwarzen Blutklumpen. Lungen, Herz, Nieren und Vena cava waren vollkommen blutleer (die Milz um das Fünffache, muthmaasslich in Folge von kalten Fiebern, vergrössert und indurirt). Die Seitenventrikeln enthielten dickflüssiges Blut, womit auch das kleine Gehirn überzogen war. Ohne Zweifel waren in diesem Falle die Wagenräder über den Hals und den obern Theil der Brust weggegangen und hatten so diese furchtbaren Zerstörungen bewirkt.
Tödtlicher Oberschenkelbruch.
Zu welchen seltsamen Aussprüchen der Gerichtsarzt unter der früheren Herrschaft der absurden Lethalitätslehre und der auf sie begründeten drei Fragen der Criminal-Ordnung gedrängt wurde, dafür giebt der Fall eines 5jährigen Knaben, der durch Ueberfahren getödtet war, einen merkwürdigen Beweis. Ein einfacher Oberschenkelbruch, von kunstgeübter Hand von Anfang an lege artis behandelt, und dennoch tödtlicher Ausgang. Und nun die Beurtheilung der Verletzung nach sogenannten Lethalitätsgraden! Da in diesem Falle das Gutachten wichtiger war, als der Obductionsbefund, so führe ich von letzterem nur an, dass sich ein einfacher, nicht gesplitterter Queerbruch des rechten Oberschenkels, innerlich aber gar nichts Abnormes, als eine sichtliche Blutüberfüllung der pia mater und — accidentell — Hypertrophie der rechten und Atrophie der linken Niere fand, die als etwanige sogenannte individuelle Lethalitätsbedingungen natürlich nicht in Betracht kommen konnten. Ebenso wenig konnte von einer absoluten Lethalität die Rede sein, und so war zunächst eine Verneinung der beiden ersten Fragen des §. 169. der Criminal-Ordnung keinen Augenblick zweifelhaft. Die Schwierigkeit lag in der Anwendung der dritten Frage, nachdem die eingesandten Akten ergeben hatten, dass der Knabe nach seiner Aufnahme in die Charité bald vom — Hospitalbrande ergriffen worden und an diesem gestorben war. Wir äusserten uns im Obductionsberichte in Beziehung hierauf wie folgt: „Eine Vergleichung und Prüfung der nach der Verletzung alsbald entstandenen Krankheitszufälle, und der dagegen unmittelbar eingeleiteten ärztlichen[S. 17] Behandlung zeigt, dass letztere den allgemeinen Regeln der Schule und Erfahrung vollkommen entsprechend gewesen, und dass vom ersten Augenblicke nach der Aufnahme des Kranken in die Heilanstalt an, bis zur Zeit, wo er als rettungslos aufzugeben war, kein einziger „ „Mangel eines zur Heilung erforderlichen Umstandes“ “ eingewirkt habe. In Hunderten ähnlicher Fälle würde ein ganz gleiches ärztliches Verfahren zum erwünschten Ziele geführt haben. Wenn dies hier nicht geschah, so war lediglich — wie die Krankheitsgeschichte ergiebt — das frühe Eintreten, oder vielmehr „ „Hinzutreten“ “ einer Krankheit daran Schuld, die ausserhalb der Einwirkung der ärztlichen Kunst liegt, wir meinen das Hinzutreten des sogenannten Hospitalbrandes. Schon am folgenden Tage nach der Verletzung hatten sich am verletzten (abgeschundenen) rechten Oberarm „ „kleine Brandblasen“ “ gebildet, und wenn auch dagegen sogleich kunstmässig eingeschritten ward, so war doch das Krankheitsgift nicht mehr zu vertilgen, und schon am folgenden Tage war das Glied „ „stellenweise missfarbig“ “, und das Fieber stieg schon an diesem Tage zur bedenklichen Höhe von 136, ja Abends von 152 Pulsschlägen in der Minute, unter den entsprechenden Erscheinungen von Schlummersucht und Krämpfen. Der Kranke musste jetzt für verloren erachtet werden, wie er denn auch am folgenden Mittag verstarb. Der zu den an sich nicht tödtlichen Verletzungen hinzutretende Hospitalbrand hat demnach den Tod des denatus bedingt.“ — Hiernach verneinten wir die beiden ersten Fragen des §. 169. der Crim.-Ordn. (absolute und individuelle Lethalität), und bejahten den zweiten Theil der dritten, dass nämlich die Verletzung „nicht wegen Mangels eines zur Heilung erforderlichen[S. 18] Umstandes, vielmehr durch Hinzutritt einer äussern Schädlichkeit den Tod zur Folge gehabt habe“. Das Gutachten wurde zwar angenommen, musste aber natürlich dem Richter als Laien sehr auffallend sein; denn mit andern Worten war doch darin ausgesprochen, dass der Verletzte am — Krankenhause gestorben sei! Abgesehen aber, dass dies in der That der Fall gewesen war, folglich ausgesprochen werden musste, so frage ich, wie unter der Herrschaft der drei Fragen, die die Gerichtsärzte fortwährend in ein Procrustes-Bette spannten, der Fall anders hätte beurtheilt werden sollen? Wir sind aber gegenwärtig von diesen Fragen erlöst. Requiescant in pace!
Leichter war die Begutachtung im
Bruch des Schaambeins,
dem letzten betreffend durch Ueberfahren Getödtete in dieser Centurie, der aber wieder eine nicht gewöhnliche Verletzung darbot. Er betraf einen Jüngling von 16 Jahren, dem die Räder über die Leistenbugen hinweggegangen waren. Auf beiden Seiten waren starke Sugillationen, und in der linken Inguinalgegend waren die weichen Bedeckungen aufgeplatzt, so dass man in die Bauchhöhle hineinsehen konnte. Ausserdem fanden sich Zerreissungen der Muskeln beider Oberschenkel in der Nähe des Beckens, und ein Bruch des ramus horizont. ossis pubis linker Seits, der bis in’s foramen ovale ging. Auch an Rücken, Kreutzbein und Hinterbacken waren die weichen Bedeckungen abgesprengt, und lagen nur lose auf, und in der Tiefe fand sich Alles mit ergossenem Blute infiltrirt.
Wir haben hier diesmal nicht weniger als 19 Fälle von Erschossenen zu verzeichnen, die fast sämmtlich das Frühjahr und der Sommer des Jahres 1848 geliefert haben, und von denen die Mehrzahl bei den verschiedenen Strassenaufläufen am Zeughause, dem Köpnikerfelde u. s. w., die Minderzahl bei den Schiessübungen der Bürgerwehr (!) oder durch zweifelhaften Selbstmord ihren Tod gefunden hatten. Die eigentlichen „Barrikadenhelden“ sind hier nicht eingerechnet, denn in den Tagen des 18. März ruhte das Schwert der Themis in der Scheide! Keine einzige dieser Leichen ist gerichtlich secirt, vielmehr sind sie alle nur besichtigt worden, bei welcher Gelegenheit auch mir Veranlassung ward, meine Erfahrungen über Schusswunden im Grossen zu bereichern!
Die Erfindung der Spitzkugeln hat auch für die gerichtliche Medicin ein Interesse. Ob sie als Projectil sicherer, d. h. leichter tödtend sind, müssen anderweitige Versuche, Schiessübungen gegen verschiedenartiges Material u. s. w. erwiesen haben. Aber ihre an der Oberfläche des Leichnams ersichtliche Wirkung ist, wenigstens in vielen Fällen, eine ganz andere, als die von runden Kugeln, Schroot oder gehacktem Blei, denn man findet in vielen solchen Fällen nur eine ganz unerhebliche, kleine äussere Schussöffnung, durch die die Spitzkugel eindrang, nach welcher man die Zerstörungen, welche man im Inneren findet, nicht sollte vermuthen können. In einem Falle war dies besonders auffallend. Der denatus musste durch einen Schuss getödtet worden sein. Aber der Leichnam wurde gewendet und wieder gewendet, und nirgends fand sich eine Verletzung. Endlich zeigte sich an der[S. 20] innern Fläche des rechten Oberarms in der Nähe der Achselhöhle eine erbsengrosse Oeffnung ohne verbrannte Wundränder. Hier war die Spitzkugel, wahrscheinlich während der Arm aufgehoben war, eingedrungen. (S. 21. Fall.)
Wieder bin ich in der Lage, gegen Tradition und Doctrin auftreten zu müssen. Nichts ist leichter, wird gelehrt und geschrieben, als die Stellen, wo die Kugel oder das Schroot eindrangen und hinausgingen, am Leichnam zu bestimmen. Jene, die Eingangsstelle, hat nach innen gestülpte, diese, der Ausgang, nach aussen aufgeworfene Ränder. Nach dieser Doctrin lässt sich dann auch in zweifelhaften Fällen eine Vermuthung, ein Gutachten aufstellen, über die Richtung, aus welcher der tödtende Schuss gekommen sei, über die Stellung, in welcher der Thäter sich befunden haben musste. In einem, mir neuerlichst vorgekommenen Ermordungsfalle, in welchem ich als Sachverständiger requirirt worden war, hatten die Obducenten, die ich deshalb nicht tadeln will, nach diesem Kriterium sehr bestimmt angegeben, dass der Schuss in den Kopf von hinten und unten gekommen sein musste. Aber leider! ist der ganze Lehrsatz nicht richtig. Die Beschaffenheit der Wundränder hängt, ausser von dem Eindringen der Kugel, auch noch von andern Umständen ab. Beobachtungen an einer grossen Anzahl von Erschossenen, bei welchen, nach den Umständen, über die Stellung, die der Erschossene im Augenblicke der Verwundung gehabt hatte, gar kein Zweifel obwalten konnte, da die Tödtung, eben bei Strassenaufläufen oder hinter Barrikaden, vor Zeugen stattgefunden, haben mich darüber ausser Zweifel gesetzt. Wenn z. B. die Kugel bei einem sehr fetten Menschen, und an einer besonders[S. 21] fettreichen Stelle, z. B. an den Bauchdecken, eindringt, so quillt sehr bald das Fett aus der Schussöffnung hervor, und man findet sie wulstig und nichts weniger als eingestülpt. In andern Fällen ist es der Verwesungsprocess, der die Ränder beider Oeffnungen, wenn zwei vorhanden, aufbläht, und sie sind dann aus diesem Grunde als Ein- und Ausgangsöffnung nicht von einander zu unterscheiden. Dazu kommt endlich, dass oft die weichen Bedeckungen an Eingangs- wie Ausgangsstellen so zerfetzt und zerrissen sind — wofür gleich der folgende Fall ein Beispiel liefert — dass auch schon deshalb von einer Umstülpung der Ränder der Wunde keine Rede sein kann. Ich rathe deshalb in Fällen, wie der obige, zu Vorsicht im Urtheile, und deducirte in eben diesem Falle dem Schwurgericht, gegen die Behauptung der Obducenten, dass aus den hier entwickelten Gründen sich über die Stellung des Mörders beim Schusse um so weniger etwas Bestimmtes oder selbst nur Wahrscheinliches angeben lasse, als der Kopf ganz zerfetzt und zerschmettert gefunden worden war, die Beschaffenheit der Wundränder also vollends sich gar nicht genauer hatte ermitteln lassen. Bei Spitzkugelschüssen vollends, die nur geringere Quetschung der Weichtheile veranlassen, getraue ich mir, nach dem, was ich gesehen, nicht, mit Sicherheit die Eingangs- von der Ausgangsstelle zu unterscheiden.
Tödtliche Kopf-Schusswunde. Zweifelhafter Selbstmord.
Ein junger Mann (Kellner) von 19 Jahren hatte sich durch den Kopf geschossen. Während die Uhr in der Tasche der Leiche gefunden worden, fehlte das Pistol,[S. 22] und dieser Umstand veranlasste das gerichtliche Einschreiten und die Obduction, die bekanntlich bei notorischen Selbstmördern nicht verfügt wird, hier aber, eben jenes Umstandes wegen, der Verdacht auf Tödtung durch fremde Hand erregt hatte, verfügt ward. Die Kugel war auf der Mitte der Stirn eingedrungen, wo sie die Weichtheile in Form eines M zerrissen hatte. Kein eingebranntes Pulver zeigte sich an den Rändern der Stirnwunde, ebenso wenig wie eingebranntes Pulver in beiden Händen. Die Ausgangsöffnung der Kugel befand sich am Hinterhauptsbein. Die Knochenöffnung an der Stirn hatte einen Zoll im Durchmesser, während die Ausgangsstelle kaum die Spitze des Zeigefingers durchliess. Das ganze Schädelgewölbe fand sich abgesprengt, und hing nur am Hinterkopf noch in der Länge von zwei Zollen fest zusammen. Die ganze Oberfläche des Gehirns war mit Blut bedeckt, und das ganze Gehirn zerfetzt. Die Umstände des Falles sprachen für Selbstmord, und wir urtheilten, dass die Obduction keine Ergebnisse geliefert habe, die dieser Annahme widersprächen.
Schuss durch Netz und Dünndarm.
Bei den Schiessübungen der Bürgerwehr war eine 50jährige Frau erschossen worden. Sie hatte 20 Schritt vom Schiessstande entfernt gestanden. Die Flintenkugel war in der rechten regio hypogastrica ein- und hinten am rechten Rande des Kreutzbeins hinausgedrungen, und die Verwundete hatte noch zwei Stunden gelebt. Die Bauchwunde hatte aufgewulstete (nicht eingestülpte!), ungleiche, im Umfange eines Viertelzolls schwarzblau sugillirte[S. 23] Ränder, in denen natürlich kein eingebranntes Pulver sichtbar war. Ebenso aufgewulstet waren die Ränder der Rückenwunde, welche nicht sugillirt waren. Die Kugel hatte das grosse Netz durchbohrt, und vom Ileum, dicht bei seinem Uebergang in’s Coecum ein drei Zoll grosses Stück aus der vordern Wand herausgerissen, und erklärte sich hiernach der Befund von Koth und von acht Unzen geronnenen Blutes in der Bauchhöhle. Der ganze Leichnam endlich war blutleer. Es versteht sich, dass die absolute Lethalität der Verletzung angenommen wurde.
Tödtliche Kopf-Schusswunde.
Bei dem berüchtigten Zeughaussturme am Abend des 14. Juni 1848 waren von der Bürgerwehr zwei der Eindringlinge, beide aus der niedersten Hefe des Volkes, erschossen worden. Der Eine — ein bereits elfmal bestrafter Dieb (!) — hatte drei Schusswunden am Kopfe, eine am rechten arcus supraorbitalis, zerrissen, fast dreieckig, von der Länge eines Zolls, nach rechts und oben einen halben Zoll davon entfernt eine zweite, silbergroschengrosse mit gleichfalls zerrissenen Rändern, und eine dritte von einem Zoll im Durchmesser am Tuber des rechten Seitenwandbeins, aus welcher ein halbzolllanges Knochenstück hervorragte. Der ganze Schädel war zertrümmert, und die rechte Gehirnhemisphäre ganz zerrissen. Wie war dieser seltsame Schuss zu erklären? Nicht anders, als durch die Annahme eines Doppelschusses aus einer doppelläufigen Büchse, wobei die Kugeln in das os parietale eingedrungen waren, dann, wie es Doppelschüsse zu thun pflegen, im Schusskanale divergirt hatten, und[S. 24] vorn in zwei verschiedenen Oeffnungen ausgedrungen waren. Diese meine Erklärung bestätigte sich durch die Untersuchung, welche ergab, dass überhaupt bei der Scene nur zwei Schüsse gefallen waren, von denen der eine eben diesen Menschen, der zweite
Tödtliche Kopf-Schusswunde.
seinen würdigen Kameraden getödtet hatte. Dieser, ein 30jähriger Schuhmachergeselle und Barrikadenheld, musste nothwendig im Augenblicke der Tödtung mit offenem Munde geschrieen (oder vielleicht gegähnt) haben, denn die Kugel war in den Mund eingedrungen, und an der rechten Seite des Halses, einen Zoll von den Dornfortsätzen des sechsten und siebenten Halswirbels, wo die Ränder der rundlichen, zerrissenen Wunde aufgewulstet waren, hinausgegangen. Die Zunge war bis in ihre Mitte ganz zerrissen, und hing in blutigen Fetzen einen halben Zoll lang aus dem Munde heraus. Die Zähne rechter Seits fehlten, und der ganze Unterkiefer war zerschmettert, ohne dass dessen Bedeckungen verletzt waren. Der Schuss hatte die grossen Halsgefässe nicht getroffen. Die schon sehr weit vorgeschrittene Fäulniss gestattete eine genauere Untersuchung des Gehirns nicht mehr. Deutlich aber sahen wir nach Entfernung der dura mater von der Schädelgrundfläche, dass diese vielfach zersprengt worden war; namentlich fanden sich zersprengt das Siebbein, das rechte Felsenbein, das Keil- und das Hinterhauptsbein. Dass dieser Schuss, der eigentlich unterhalb der Schädelhöhle in den Kopf eingedrungen war, solche Zersprengungen der Kopfknochen veranlasst hatte, ist gewiss bemerkenswerth.
Schuss in die Vena poplitaea.
Wieder bei den Schiessübungen der Bürgerwehr war ein, an der Schiessscheibe stehender 12jähriger Knabe erschossen worden. Hier war es eine reine Gefässblutung, die den Tod verursacht hatte, eine Verblutung aus der Vena poplitaea nämlich. Die Kugel war unterhalb des rechten Kniegelenkes von innen nach aussen gegangen, ohne das Gelenk zu treffen, und hatte eine drei Viertel Zoll lange Oeffnung in die hintere Wand der Vena poplitaea gerissen. Die Eingangsstelle der Kugel war kreisrund, ihre Ränder scharf, glatt, trocken, sugillirt und etwas nach innen gekehrt. Etwas kleiner war die Ausgangsöffnung, deren Ränder zerrissen und nach aussen umgestülpt erschienen. Der Schusskanal war mit coagulirtem Blute ganz ausgestopft. Dass die Blutung enorm und eine wirklich tödtliche gewesen sein musste, erwies die vollständige Anhämie des Körpers, an welcher in diesem Falle selbst die Gehirnvenen Theil nahmen, was, wie ich nachgewiesen habe[5], keinesweges immer beim Verblutungstode der Fall ist. (Vergl. Fall 18, 26.)
Tödtliche Kopf-Schusswunde.
In diesem Falle war die Kugel im Körper, im Gehirn, stecken geblieben. Es war ein Rehposten, mit welchem ein 13jähriger Knabe in den Kopf geschossen worden war. Die Kugel war in die Mitte des linken Scheitelbeins ein[S. 26]gedrungen, und hatte zwei kleine Knochensplitter im Schusskanal bis in den linken Seitenventrikel hinein, wo sie sich fanden, fortgerissen. Die kleine Kugel selbst fanden wir plattgedrückt an der Basis des kleinen Gehirns. Von der Schussöffnung im Knochen ab erstreckte sich eine Zickzackfissur in sehr seltener Weise, nämlich in horizontaler Richtung, quer über den Kopf nach rechts hinüber, wo sie in der Mitte der Lambda-Nath ihr Ende fand, da sonst bei weitem die allermeisten Sprengungen der Schädelknochen mehr der vertikalen Richtung folgen. Ausserdem fand sich hier noch in der pars basilaris des Hinterhauptbeins ein bohnengrosses Knochenstück ausgesprengt, das inselartig lose im Knochen lag.
Schuss in das Rückenmark.
Am 16. October 1848 waren scandalöse Excesse unter den Kanalarbeitern im Köpnikerfelde in Berlin vorgefallen, die bald, wie es damals so gewöhnlich war, die ganze Stadt in Allarm setzten, und eine Berufung der Bürgerwehr zur Folge hatten. Von den Aufständischen wurde zu den Waffen gegriffen, und eine grosse Barrikade errichtet; es kam zum blutigen Kampfe, und dieser lieferte elf Erschossene auf unsern gerichtlichen Obductionstisch. Um die grosse Arbeit zu bewältigen, wurde zwischen uns und der Gerichtsdeputation verabredet, in diesen Fällen ausnahmsweise nur die Eine resp. Höhle zu öffnen, in welche der Schuss eingedrungen, die causa mortis also zu vermuthen war. Unter jenen elf Erschossenen war der Eine, und nur dieser, in Erfüllung seiner Pflicht einen ehrenvollen Tod gestorben, der allgemein geachtete Bür[S. 27]gerwehrmann F., der beim Erstürmen der Barrikade, die er bereits bis zur Hälfte erstiegen hatte, von unten und hinten her den tödtlichen Schuss bekam. Die Kugel war in der Gegend des siebenten Halswirbels eingedrungen, und hatte die drei letzten Halswirbel zerschmettert, und das Rückenmark zerrissen. Am rechten Unterkieferwinkel war der Schuss hinausgegangen, und zeigte sich hier eine, etwas eckige, nur silbergroschengrosse Oeffnung, die auf eine Spitzkugel schliessen liess. Die Ränder der Wunde waren nicht sugillirt, was der augenblicklich durch Zerreissung des Rückenmarks erfolgte Tod erklärt, ein abermaliger Beweis für die Richtigkeit meiner frühern Behauptung[6], dass Wunden am Lebenden von denen, erst dem Leichnam zugefügten, nicht immer so leicht zu unterscheiden sind, wie man gewöhnlich annimmt.
Schuss in Herz und Lunge.
Der arme Teufel dieses Falles war bei dem Aufstande ganz unbetheiligt, und fiel durch einen unglücklichen Zufall auf dem Kampfplatze, auf welchem er ruhig in seiner Bude sass, von einer hineindringenden Kugel getroffen, die über dem manubrium sterni in die Brusthöhle eingedrungen war. Sie hatte das Herz ganz und gar, und den obern linken Lungenlappen theilweise zerrissen, und natürlich einen übermässigen Bluterguss in die Höhle zur Folge gehabt. Die Kugel war nicht aus dem Körper hinausgegangen, konnte aber auch in diesem Falle in den Blutgerinseln nicht aufgefunden werden[7].
Schuss in die Vena cava.
Die sämmtlichen nun folgenden neun Fälle betrafen die aufständischen Kanalarbeiter, einen Maurer- und zwei Schneidergesellen, einen vormaligen Tabagisten, drei Tagelöhner und zwei unbekannte Arbeiter. Bei T. fanden sich drei Pfund halbgeronnenen Blutes in der Bauchhöhle, die aus einer Verletzung der Vena cava geflossen waren. Die Eingangsstelle der Kugel war über dem linken Hüftbeinkamme, und in diesem Falle waren die Ränder der Schusswunde zwei Linien breit blau sugillirt. Nicht nur, dass die Kugel, die auch hier im Leichnam stecken musste, da sie nicht hinausgegangen war, sich auch hier nicht auffinden liess, so verschwand sogar — was ich in noch zwei andern Fällen gesehen habe — eine Sonde, die in den Schusskanal gesteckt worden war, um seine Direction näher zu ermitteln, und musste lange in der geöffneten Bauchhöhle gesucht werden, ehe sie sich wieder fand.
Schuss in Aortenbogen und Lunge.
Bei dem 18jährigen C. war die Kugel zwischen der zweiten und dritten Rippe links ein-, und am rechten Schulterblatt hinausgedrungen. Der Schuss war, merkwürdig genug, ohne die linke Lunge zu verletzen, in den arcus aortae gedrungen, in welchem sich eine silbergroschengrosse Oeffnung mit nicht sugillirten Rändern zeigte, und war dann durch den obern Lappen der rechten Lunge, den er zu zwei Dritteln ganz zerrissen hatte, hindurchgegangen. Im rechten Brustfellsacke fanden sich[S. 29] zehn, im linken drei Unzen dunkelflüssigen Blutes. Auch in diesem Falle von plötzlichem Verblutungstode zeigten sich die Gehirnvenen keineswegs blutleer. (Vergl. Fall 13 u. 26.)
Schuss in Zwerchfell und Lunge.
Ein nicht gewöhnlicher Befund! Aeusserlich fanden wir die Schussöffnung (hier mit eingestülpten, zwei Linien breit sugillirten, hart zu schneidenden Rändern) zwischen der fünften und sechsten Rippe rechts. Beim Oeffnen der Brusthöhle fiel sogleich die Leber auf, die convex in die Höhle hineinragte. Natürlich musste das Zwerchfell verletzt sein, und es fand sich in der That ein Riss der ganzen rechten Hälfte desselben. Aber auch der untere Lappen der rechten Lunge war durch den Schuss zerrissen, dessen Richtung man sich hiernach leicht versinnlichen kann. Weiter fand sich nichts verletzt. Der
Tödtliche Kopf-Schusswunde.
betraf wieder eine Kopfverletzung, und zwar durch einen Spitzkugelschuss, der sich hier als solcher sehr deutlich charakterisirte. Er war an der rechten Nackenseite neben den Halswirbeln eingedrungen, wo sich eine kleine, kaum silbersechsergrosse Wunde befand, deren Ränder etwas weniges eingestülpt, und zwei Linien breit sugillirt waren. Auf der rechten Backe vor dem Ohre zeigte sich eine Ausgangsstelle in einer dreieckigen, einen halben Zoll langen Wunde, mit eine Linie breit sugillirten, weichen, nicht umgestülpten Rändern. Die ganze basis cerebri war[S. 30] mit schwarzem, geronnenen Blute wie übergossen. Die pars petrosa rechts war abgesprengt, und Zickzackrisse setzten sich von hier bis ins Hinterhauptsbein fort.
Ein anderer charakteristischer Spitzkugelschuss hatte den unbekannten Kanalarbeiter getödtet,
Schuss in Lunge und Hohlvene.
dessen ich schon oben (S. 19 u. 20) beiläufig erwähnt habe. Nur eine erbsengrosse Oeffnung fand sich an der innern Seite des rechten Oberarms, mit zwei Linien breit blau sugillirten Rändern, sonst nicht die geringste Verletzung am ganzen Leichnam. Wie leicht hätte diese kleine Wunde, die wir in der That selbst erst, nachdem der ganze Körper hin und her vergeblich nach einer Verletzung durchforscht war, fanden, übersehen werden können, zumal wenn nur ein Gerichtsdeputirter den etwanigen präsumirten Selbstmörder oder Verunglückten besichtigt hätte. Der Schuss war in die Brust gegangen, hatte sich einen Kanal durch den obern Lappen der rechten Lunge gebohrt, und die Hohlvene zerrissen. Die Kugel vermochten wir in den (achtzehn Unzen schweren) Blutcoagulis nicht aufzufinden. Aehnlich war der
Schuss in Herz und Lunge.
Die Kugel war links zwischen der sechsten und siebenten Rippe eingegangen. Die Wunde war unregelmässig, rundlich, einen halben Zoll im Durchmesser, offenbar von einer gewöhnlichen Flinten- (nicht Spitz-) kugel her[S. 31]rührend, hatte nicht nach innen eingestülpte, ungleiche, harte, zwei Linien breit schwarzroth sugillirte Ränder. Die innere Rippenwunde war nicht sugillirt. Im linken Pleurasacke fanden wir vier, im rechten zwanzig Unzen dunkeln, geronnenen Blutes. Der Schuss war nämlich durch den untern Lappen der linken Lunge in den Herzbeutel gegangen, hatte den linken Herzventrikel ganz zerrissen, und dann noch den untern Lappen der rechten Lunge angebohrt, in welchem die Kugel stecken geblieben war.
Von den drei letzten Fällen aus dieser Pöbelemeute betraf der
Lungen-Schusswunde.
noch eine tödtliche Wunde der linken Lunge, die von vorn nach hinten, wo der Schuss hinausgegangen war, deren untern Lappen durchbohrt hatte, und die wir mit der einzigen Bemerkung, dass die Ränder der äussern Wunde nicht sugillirt waren, fallen lassen können, wogegen die beiden übrigen Fälle von den bisherigen abweichend waren.
Schusswunden in Lunge und Schenkelschlagader.
Dieser Mensch war gleichsam zweimal erschossen worden. Er hatte eine Kugel bekommen, die die arteria cruralis am rechten Oberschenkel, etwa in ihrer Mitte, zerrissen hatte, und ein zweiter Schuss zeigte sich in einer viergroschengrossen, schwarzroth sugillirten Wunde am linken Acromion, aus welcher das zersplitterte Schlüsselbein hervorsah. Am obern Rande des linken Schulter[S. 32]blattes war die Ausgangsstelle dieses Schusses, eine Wunde, wie die beschriebene, nur kleiner und mit nach aussen gestülpten Rändern. Die Kugel war durch die Spitze des obern Lappens der Lunge durchgegangen, und hatte den linken Queerfortsatz vom ersten Brustwirbel abgebrochen, und dessen Körper zerschmettert. Dabei war es auffallend, dass sich im linken Pleurasacke nur drei Unzen (hellflüssiges) Blut fanden, während man sonst bei penetrirenden Lungenwunden viel erheblichere Blutergüsse findet, wofür auch schon die obigen Fälle Beweise liefern. Aber es zeigte sich auch der ganze Leichnam anhämisch, und offenbar war die tödtliche Verblutung aus der Cruralis, und zwar früher, als die aus der Lungenwunde, erfolgt. Wären die beiden Schüsse in verbrecherischer Absicht von zwei Thätern dem denatus beigebracht worden, so hätte der Fall wohl zu interessanten juristischen Deductionen Veranlassung gegeben, da nach dem Obductionsbefunde der (an sich unzweifelhaft tödtliche) Schuss in die Brust nicht getödtet hatte, sondern nur einem bereits tödtlich Verletzten zugefügt worden war. Der letzte
Tödtliche Kopf-Schusswunde.
aus dieser Zahl der beim Excesse des 16. October erschossenen Kanalarbeiter betraf den 20jährigen S., und wieder eine Kopfverletzung. In der Mitte der rechten Backe fand sich eine unregelmässig rundliche, etwa achtgroschengrosse Wunde, mit trockenen, harten, im Umkreise von einem halben Zoll verbrannten Rändern — woraus zu schliessen, dass der Schuss nur wenige Schritte weit hergekommen sein konnte — und durch die Schuss[S. 33]öffnung hatte man einen Einblick in das Antrum Highmori. Die Ausgangsöffnung befand sich am rechten Zitzenfortsatz in einer dreieckigen, nicht randsugillirten, weichgeränderten Wunde. Die ganze rechte Wand des Schädels war abgesprengt, und namentlich ganz zersprengt der rechte grosse Keilbeinflügel, das os temporum mit dem Felsenfortsatz, und ein Theil des Hinterhauptbeins. Die basis cerebri und das kleine Gehirn waren mit dunkeln Blutcoagulis wie übergossen.
Schuss in Herz und Lunge. Zweifelhafter Selbstmord.
In diesem Falle war nicht sowohl die Schusswunde, als vielmehr die Frage von Mord oder Selbstmord das Interesse in Anspruch nehmend. Ein 52jähriger blinder Mann war in seinem Zimmer am warmen Ofen sitzend erschossen und todt gefunden worden. Der Terzerolschuss war in die linke Brustseite eingedrungen. Die äussere Wunde war drei Zoll lang und fünf Viertel Zoll breit, und hatte zerrissene, nach oberhalb einen halben Zoll breit schwarz verbrannte Ränder. Die Kugel war zwischen der sechsten und siebenten Rippe eingegangen, hatte die linke Lunge ganz zerrissen, und das Herz so zerfetzt, dass nur ein Stück der Wand des rechten Ventrikels erkennbar war. Im Brustfellsacke dieser Seite fanden sich acht Unzen dunkelflüssigen Blutes. Die rechte Lunge war blass und blutleer, wie überhaupt der ganze Leichnam Anhämie zeigte, aber auch in diesem Falle wieder mit Ausnahme der Venen der pia mater, welche noch mässig gefüllt waren. Der Fall musste auffallen. Denatus war ganz blind gewesen, und zwei ausgebildete, reife Cataracten fanden sich in den Augen der Leiche auch[S. 34] deutlich vor. Motive zum Selbstmorde waren seiner Familie ganz unbekannt. Dieselbe hatte auch gar keine Ahnung davon gehabt, dass und wo er sich das Terzerol gekauft hatte, das er früher nicht besessen hatte, und das neben der Leiche gefunden wurde. Auch wurde kein Schiessbedarf bei ihm vorgefunden. In seiner letzten Zeit (im Herbst 1848) war er von der politischen Aufregung angesteckt worden, und hatte sich namentlich jeden Abend in die Clubs führen lassen. Dass solche spärliche Data noch nicht ausreichten, um auf Mord schliessen zu lassen, ist einleuchtend, wie man auch zugeben wird, dass dieser Schluss nach der Direction der Schusswunde nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Die Besichtigung der Hände führte zu keinem Resultat. Beide waren, so weit es der Kerzenschein — die Obduction musste bei Licht gemacht werden — erkennen liess, schmutzig graublau und die Finger flectirt, aber Eine Hand unterschied sich in keiner Beziehung von der andern. Dagegen war das Hemde bei Seite geschoben, und, sowie der Schlafrock, unverletzt. Sprach dies für freiwilligen Tod, so war doch die Möglichkeit vorhanden, dass ein Dritter den ganz blinden, auf dem Stuhle am Ofen sitzenden, vielleicht eingeschlafenen Mann, absichtlich auf so vorsichtige, den Schein des Selbstmordes erweckende Weise habe erschiessen können. Bei dieser Sachlage schlossen wir das Obductions-Protocoll mit dem summarischen Gutachten: „dass aus der Obduction keine Gründe zu entnehmen, die der Annahme widersprächen, dass denatus seinen Tod durch Selbstmord gefunden habe“. Durch spätere richterliche Ermittelungen ist denn auch der Selbstmord erwiesen, und der Fall deshalb nicht weiter verfolgt worden. — Sehr ähnlich, aber schwieriger zu beurtheilen, war der
Herz-Schusswunde. Zweifelhafter Selbstmord.
Im Friedrichshain, der neuen Parkanlage vor den Thoren Berlins, wurde an einem Baume sitzend ein 40jähriger Mann erschossen gefunden. Seine Uhr und Börse, von denen man wusste, dass er sie bei sich geführt, fehlten, und neben ihm lag, ein gewiss sehr seltener und seltsamer Fall, ein scharf geladenes Pistol. Die Oberkleider der Leiche fanden sich zurückgeschlagen, das Hemde aber war vom Schusse durchbohrt, der zwischen der vierten und fünften Rippe links eingedrungen war. Hier fanden wir eine rundliche, einen halben Zoll im Durchmesser haltende Wunde mit zerrissenen Rändern, die weder nach aussen, noch nach innen eingestülpt waren. Im Umkreis von zwei Zollen war die Haut gelbbraun und hart zu schneiden; aber von eingebranntem Pulver zeigte sich an den Rändern keine Spur! Innerhalb der Brusthöhle fanden wir einen Erguss von drei med. Pfunden von theils geronnenem, theils flüssigem Blute im linken Pleurasacke und Zerfetzung des ganzen linken Herzens durch den Schuss. Auch in diesem Falle konnte, trotz sorgfältigsten Suchens, die Kugel, die keinen Ausgang genommen hatte, im Leichnam nicht gefunden werden. Beide Hände waren, wie alle Gelenke, biegsam, und auch in den Händen fand sich kein eingebranntes Pulver. Lag hier Mord oder Selbstmord vor? Die Frage, die bei der Obduction an uns gerichtet ward: „ob denatus, nachdem er die vorgefundene Verletzung erhalten, noch Einmal habe laden können“? — wonach der Befund des geladenen Pistols bei der Leiche erklärt wäre — konnten wir natürlich zu verneinen keinen Augenblick Anstand nehmen, da der Tod ein ur[S. 36]plötzlicher gewesen sein musste. Weit schwieriger war die Beantwortung der Frage vom zweifelhaften Selbstmord. Der Verstorbene konnte, vielleicht in angetrunkenem Zustande, der Uhr und Börse beraubt und dann erschossen worden sein, und der Mörder in diesem Falle das Pistol absichtlich noch einmal geladen und neben die Leiche gelegt haben. Bei dieser Annahme wäre aber der Befund der zurückgeschlagenen Kleider immerhin auffallend gewesen. Denatus konnte aber auch sich selbst erschossen, zu diesem Zwecke zwei geladene Pistolen mit hinaus genommen haben, und nach dem Tode der Uhr, Börse und einer Pistole beraubt worden sein. Der Mangel von Pulverschwärzung in den Rändern der Schusswunde konnte keine beider Annahmen unterstützen, da jedenfalls der Schuss nicht von fern her gekommen war, ebenso wenig, wie derselbe Mangel in den Händen für beweisend erachtet werden konnte, da, abgesehen davon, dass der Verstorbene Handschuhe angehabt, und diese gleichfalls nach dem Tode geraubt sein konnten, bei notorischen Selbstmördern meist ebenso wenig Pulverschwärzung in Einer Hand gefunden wird, als nach dem Abschiessen der Waffe bei Soldaten, Schützen, Jägern u. s. w. Vielmehr verbrennt die Hand nur beim Abschiessen durch mehr oder weniger ungeschickte Handhabung der, nicht mit einem Zündhütchen versehenen Schiesswaffe. Bei dieser schwierigen Sachlage des vorliegenden Falles mussten wir unser Gutachten dahin abgeben: „dass die Obduction keine Data zur zweifelsfreien Beantwortung der Frage vom Mord oder Selbstmord geliefert habe, dass ihre Ergebnisse jedoch die Möglichkeit des Selbstmordes keinesweges ausschlössen“.
Ausser den schon in den Rubriken unter I. und II. aufgeführten und weiter unten in der Rubrik der Misshandlungen noch zu erwähnenden Fällen von Kopfverletzungen kamen in dieser Centurie noch zehn andere Fälle von tödtlichen Kopfverletzungen vor, die auf die verschiedenste Weise veranlasst waren. Wie gerade bei den Kopfverletzungen die alte, bei uns durch den §. 169. der Crim.-Ordnung praktisch repräsentirte Lethalitätslehre für die gerichtlich-medicinischen Begutachtungen störend und peinlich war, ist allbekannt, und wird zum Theil noch die folgende Aufzählung jener zehn Fälle ergeben, die noch unter der Herrschaft des alten Strafgesetzbuches vorkamen, folglich eine Beantwortung der drei Fragen des §. 169. erforderten. Nicht zweifelhaft konnte dieselbe in den zunächst folgenden beiden Fällen sein, welche die seltene Todesart durch Erschlagen mittelst eines Windmühlenflügels betrafen.
Sprengung des Schädels, Gehirnvereiterung durch Schläge eines Windmühlenflügels.
a) Ein 4jähriges, ganz gesundes Mädchen war von einem Windmühlenflügel getroffen, alsbald besinnungslos geworden, hatte linkseitige Krämpfe bekommen, und war nach 23 Stunden gestorben. Die Hälfte der Kranznath zeigte sich eine Linie weit auseinander gewichen, ein seltener Befund, der, wie jede Sprengung von Schädelnäthen, auf eine ganz ungewöhnlich heftige Gewalt schliessen lässt, und von dem Endpunkte dieses Risses erstreckte sich ein diagonaler Riss von drei Zoll[S. 38] in das linke Scheitelbein. Am rechten Scheitelbein befand sich gegen den Flügel des Keilbeins und Schuppentheil des Schlafbeins eine Fractur mit Impression von der Grösse eines Viergroschenstücks. Das Gehirn floss leider nach der Oeffnung des Schädels als fauliger Brei aus, und konnte deshalb nicht genauer untersucht werden. In der basis cranii aber zeigte sich, als von jener Stelle rechts abgegangen, eine Fissur, die das rechte Keilbein und die Sella turcica gespalten hatte, welcher letztere Knochentheil gleichfalls nur bei den erheblichsten Gewaltthätigkeiten gesprengt wird, und dieser Befund allein rechtfertigte es, dass wir die absolute Tödtlichkeit dieser Kopfverletzung im Sinne der ersten Frage der Crim.-Ordnung annahmen.
b) In diesem Falle war es ein 3jähriger Knabe, der von dem Windmühlenflügel getroffen worden war. Ueber die Krankheitsgeschichte haben wir, da später kein Obductionsbericht erfordert worden, Nichts, und nur bei der Section erfahren, dass das Kind nach der Verletzung noch 17 Tage gelebt hatte, was nach dem Leichenbefunde auffallend genug war. Die äussere Verletzung erschien wenig erheblich. Es fand sich nahe am Wirbel auf dem linken Scheitelbein eine unregelmässig viereckige mit ungleichen Rändern versehene Verletzung, die den Knochen durchdrang, und aus welcher Gehirnmasse quoll. An der innern Lamelle des Scheitelbeins aber zeigte sich an dieser Stelle ein sternförmiger Sprung, dessen Endspitzen die harte Hirnhaut durchbohrten. Nach Wegnahme derselben strömte grüner Eiter in starkem Strom hervor und nun ergab sich, dass zwei Drittel der ganzen linken Hemisphäre in Einen Abscess verwandelt waren. Mit Rücksicht auf die Heftigkeit der Gewalt sowohl, durch welche die[S. 39] Verletzung veranlasst worden, wie auf diesen Befund, nahmen wir keinen Anstand, auch hier die absolute Tödtlichkeit der Verletzung anzunehmen. Die Gründe, welche uns leiteten, werden sich aus dem folgenden ähnlichen Falle ergeben.
Tödtliche Kopfverletzung durch Schlag mit einem Schusterhammer. Gehirneiterung.
Am 15. November 18— erhielt die verehelichte Schuhmacher S. von ihrem Ehemanne mehrere Schläge mit dessen Hammer auf den Kopf. Sie blutete stark, verlor aber so wenig die Besinnung, dass sie den Vorfall noch einer Nachbarin erzählen, und, allerdings geführt, den weiten Weg nach dem Krankenhause zu Fusse gehen konnte, wo sie drei Stunden nach erhaltener Verletzung eintraf. Sie erhielt dort Fomentationen von Eiswasser und eine purgirende, salinische Mixtur mit Salpeter. Am andern Morgen (den 16ten) befand sie sich so wohl, dass sie wünschte, entlassen zu werden; sie klagte nur über mässige Schmerzen im Hinterkopfe und über Schwindel beim Emporrichten. Am 17ten und 18ten erhielt sich dies Wohlbefinden. Erst am 27sten stellte sich eine erysipelatöse Anschwellung an Stirn und Gesicht ein, die sich in den folgenden Tagen über das ganze Gesicht verbreitete, wobei jedoch der Puls ruhig, und das Allgemeinbefinden „nach wie vor ungetrübt blieb“. Dieser Zustand dauerte bis zum 3. December, an dessen Abend sich plötzlich ein Schüttelfrost einstellte, der, bei einem Pulse von 112, eine halbe Stunde anhielt. Dieser Anfall wiederholte sich am 4ten, zweimal täglich am 5ten, 6ten und 7ten, und dreimal am 8ten. Ueber eine Medication in diesen Tagen[S. 40] fand sich im Krankenhaus-Journal gar Nichts verzeichnet. Am Abend des 8ten klagte Pat., die sich, ausserhalb der Frostanfälle, bisher noch immer leidlich wohl gefühlt hatte, über bedeutende Eingenommenheit des Kopfes, es traten Delirien ein, und am 9ten Mittags starb die Kranke.
Erst am 14ten fand die gerichtliche Obduction des steif gefrorenen Leichnams Statt. Am Kopfe fanden sich äusserlich drei Verletzungen, auf deren genauere Schilderung, nach dem mir vorliegenden Obductions-Protokoll, es hier nicht ankommen kann. Die Eine befand sich am linken Augenbrauenbogen, die zweite auf dem linken Scheitelbein, die dritte auf dem Hinterhaupte. An allen drei Stellen war das Pericranium im Umkreis abgelöst. An der Hauptverletzung am Scheitelbein war die innere Lamelle Zoll lang halbmondförmig geborsten. Die blutführenden Gehirnhäute waren mässig blutgefüllt, das gefrorne Gehirn ziemlich blutleer. Bei dessen Herausnahme zeigte sich die Basis der linken Hemisphäre mit einer liniendichten Schicht hellgrünen, gefrornen Eiters überzogen, welche sich auch noch über den Pons Var. und die Medulla obl. fortsetzte. Das Tentorium war mit derselben Eiterlage überzogen, die auch die ganze linke Hälfte des kleinen Gehirns bedeckte. An der Stelle der Augenbrauenwunde fand sich die äussere Lamelle des Stirnbeins einen halben Zoll breit und einen ganzen Zoll lang eingedrückt und gebrochen. In der Brusthöhle fanden wir Lungenoedem; der übrige Befund bot nichts Bemerkenswerthes dar.
Der Fall musste in das Procrustes-Bette der drei Fragen eingezwängt werden. Wir führten im Obductionsbericht zunächst aus, dass die Verletzung keine „individuell-absolut-lethale“, im Sinne der zweiten Frage, gewesen, was leicht zu erweisen war, da die S. sich akten[S. 41]mässig bis zum Augenblicke der Verletzung stets gesund gefühlt, und auch die Leichenöffnung Nichts ergeben hatte, was eine sonst nicht lebensgefährliche Verletzung gerade bei dieser „Individualität“ zu einer absolut tödtlichen hätte steigern müssen. Ebenso wenig, führten wir weiter aus, könne dies in Bezug auf die Voraussetzungen angenommen werden, welche die dritte Frage der Crim.-Ordn. annimmt, den „Mangel eines zur Heilung erforderlichen Umstandes“ nämlich, und den „Hinzutritt einer äussern Schädlichkeit“, als welche der Gang der Verletzten unmittelbar nach der Verletzung zum Krankenhause nicht gelten kann, da sie sich damals noch, und zwar nicht blos scheinbar, sondern thatsächlich, leidlich wohl befand, und die tödtliche Krankheit, eben eine schleichende, allmählich sich ausbildende, heranschleichende, folglich erst später auftretende Gehirnentzündung die Ursache des Todes geworden war, wie die Krankengeschichte und Leichenöffnung nachgewiesen. Von einer andern „äussern Schädlichkeit“ aber sei vollends aktenmässig keine Spur vorhanden. Was nun ferner den etwaigen „Mangel eines zur Heilung erforderlichen Umstandes“ als mitwirkend zum Tode (!!) beträfe, so sei, ausser dem (im Obductions-Berichte bereits hervorgehobenen) insidiösen Gange einer schleichenden Entzündung des Gehirns, wie er sich gerade in diesem Falle in seiner ganzen Heimlichkeit und Tücke gezeigt hatte, und wie er so oft das beste Verfahren des besten Arztes vereitelt, noch hervorzuheben, dass es ganz unangemessen wäre, in einem solchen Falle einen solchen „Mangel“ anzunehmen, „wo nicht ein einziges Symptom die bereits vorhandene Tödtlichkeit der Krankheit kund gab, und in welchem, was ärztlicher Seits geschehen, nur gebilligt werden kann“. Wenn es aber allerdings als[S. 42] ein auffallender Umstand bezeichnet werden muss, dass das Krankenjournal vom 3. December ab, an welchem Tage nun, durch den eingetretenen ersten Schüttelfrost zum erstenmale für den Kenner die eingetretene Gehirneiterung, d. h. die höchste Lebensgefahr, bemerklich ward, gar keiner Medication mehr erwähnt, so wiegt doch diese Lücke in der forensischen Beurtheilung nicht schwer, da von dem Augenblicke an, wo diese Schüttelfröste eintraten, keine ärztliche Behandlung mehr einen lebensrettenden Ausgang auch nur mit einiger Sicherheit hätte erhoffen lassen können. Hiernach müssen wir auch die dritte Frage des §. 169. verneinen. Es bleibt sonach für die Bejahung nur noch die erste der drei Fragen übrig, und nehmen wir keinen Anstand, dieselbe zu bejahen“ (d. h. bekanntlich, die Verletzung für eine allgemein-absolut-lethale zu erklären). „Man wende nicht ein, dass auch die schwersten Kopfverletzungen zuweilen und unter besonders glücklichen Umständen nicht tödtlich verliefen; denn eben diese Erfahrungen machen die Anwendung jener drei Fragen in ähnlichen Fällen, wie der vorliegende, ganz unthunlich. Wenn man aber erwägt, dass hier eine Verletzung von solcher Heftigkeit eingewirkt hatte, dass dadurch selbst die innern Theile der Schädelknochen geborsten waren, und Eiterung selbst in der Tiefe des Schädels sich gebildet hatte, so ist man gezwungen anzunehmen, dass eine solche Verletzung tödten musste, und dass Natur- wie Kunsthülfe unausreichend dagegen bleiben mussten“. Auf Grund dieses Gutachtens erfolgte die Verurtheilung des Ehemannes.
Ein durchaus ähnlicher Fall, selbst den äussern Umständen nach, Tödtung durch den Ehegatten, reiht sich an den eben erzählten, wenngleich derselbe weniger schwie[S. 43]rig für die Anwendung der drei Fragen, dafür aber wo möglich ärztlich noch interessanter war.
Tödtliche Kopfverletzung durch Axthiebe.
Am 15. März 18— hatte der Arbeitsmann R. seiner Ehefrau aus Eifersucht mehrere Schläge mit einer Holzaxt auf den Kopf gegeben. Sie war danach besinnungslos niedergestürzt, hatte sich jedoch alsbald wieder erholt. Am folgenden Tage wurde sie nach der Charité gebracht. Sie klagte jetzt nur über Schwindel bei aufrechter Stellung. Etwas Weiteres über ihr Befinden bis zum Tode ist mir nicht bekannt geworden. Ich weiss nur, dass sie, da man unter Einer der beiden Wunden eine Depression des Schädelknochens fand, trepanirt wurde, und dass der Tod am 30. März, also vierzehn Tage nach der Verletzung, erfolgte. Erst am 4. April wurde die Leiche obducirt. Das Wesentliche war icterische Färbung des Körpers und folgender Befund im Kopfe: in der Mitte der Stirn eine 11⁄2 Zoll lange, klaffende Wunde, mit scharfen, glatten, nicht sugillirten Rändern, und in der Mitte des linken Scheitelbeins eine zweite ähnliche, unter welcher sich die Trepanöffnung befand. Die Hirnhäute, einschliesslich der eingeschnittenen dura mater, zeigten im Durchmesser von 11⁄2 Zoll eine graugrüne Färbung. Die linke Hemisphäre war mit einer liniendicken Schicht grünen Eiters überzogen. Das kleine Gehirn zeigte an seiner Grundfläche ein silbergroschengrosses, sulziges Exsudat. Die ganze rechte Hälfte der Schädelgrundfläche war mit einem 2 Linien dicken Extravasat von dunkelm, geronnenen Blute bedeckt. Von der Trepanöffnung ab erstreckte sich eine Fissur mit deutlich[S. 44] sugillirten Rändern durch das Hinterhauptbein bis in das foramen magnum. Ausserdem war nur ungewöhnlich die Grösse der Milz und Nieren, und eine auffallende Grösse der Leber. Die Beurtheilung des Falles konnte, selbst nach dem Maassstabe der drei Fragen, bei solchen Kopfverletzungen nicht zweifelhaft sein. Die erste Frage (absolute Tödtlichkeit) musste bejaht werden, bei dem Befunde eines so erheblichen Blutextravasates auf der basis cranii, und einer Fissur, die sich in dieselbe hineinerstreckte. Die abgesondert vorgelegte Frage nach dem tödtlichen Werkzeuge beantworteten wir dahin: dass keine Gründe vorlägen, um nicht anzunehmen, dass diese Verletzungen durch ein Beil verursacht worden.
Anscheinend tödtliche Kopfverletzung.
Der Leichnam einer 60jährigen Frau zeigte einige Hautwunden an der Stirn, welche Veranlassung zur gerichtlichen Obduction wurden. Diese ergab aber, dass die Verletzungen nicht im Geringsten mit dem Tode im Zusammenhange standen, welcher vielmehr an Lungentuberculose erfolgt war. Die oberflächlichen Wunden hatte die Verstorbene sich höchst wahrscheinlich durch einen Fall aus dem Bette zugezogen, neben welchem man sie todt aufgefunden hatte.
Wenn dieser Fall kein Interesse darbot, so wird dasselbe den folgenden drei Parallelfällen nicht abgesprochen werden, sämmtlich nämlich tödtliche Kopfverletzungen durch Säbelhiebe betreffend.
Tödtlicher durchdringender Säbelhieb auf den Kopf.
Wem ist nicht aus traurig bewegter Zeit das ernste Drohwort eines berühmten Heerführers in Erinnerung, als er mit seinen Truppen in das aufständische Berlin einzog, um Zucht und Ordnung wieder herzustellen: „Die Kugeln sind im Lauf, die Säbel scharf geschliffen“? Wie scharf sie geschliffen waren, und was selbst ein Hieb mit dem nur kurzen preussischen Infanterie-Seitengewehr vermag, lehrte überraschend der folgende Fall.
Bei einem Excess zwischen Civilisten und Soldaten, der sich in einem Tabaksladen entsponnen hatte, erhielt ein 42jähriger Arbeiter von einem Infanteristen mit dessen scharf geschliffenem Säbel einen Hieb über den Kopf. Dieser Hieb erstreckte sich viertehalb Zoll lang von der Pfeilnath nach dem linken Scheitelbein, und dieser Knochen war in der Mitte des Hiebes einen Zoll lang ganz gespalten. Innerlich war die Glastafel ringsum vielfältig abgesplittert, und die Hirnhäute gleichfalls einen Zoll lang scharf zerschnitten. An dieser Stelle fand sich ein wallnussgrosser Hirnabscess, in welchem noch Splitter der Glastafel lagen. Frische Blutegelstiche in der Oberbauchgegend zeigten, dass der Verstorbene hier über Schmerzen geklagt haben musste, die vielleicht im Zusammenhange mit Lebertuberculose gestanden hatten, welche die Leichenöffnung gleichfalls ergab. Im Uebrigen ist uns vom Verlauf der Krankheit nach der Verletzung nichts bekannt geworden, da ein Obductionsbericht später nicht gefordert wurde.
Die Belehrung, welche dieser Fall in Betreff des tödtlichen Werkzeuges gegeben, influirte sogleich auf die Beurtheilung der ganz ähnlichen Sachlage im folgenden
Tödtlicher durchdringender Säbelhieb auf den Kopf.
Bei einem andern Auflauf war ein 40jähriger Mann von Soldaten mit ihren Säbeln über den Kopf gehauen worden, und nach fünf Tagen gestorben. Ueber die linke Gesichtsseite der Leiche ging, vom Augenbrauenbogen anfangend, ein vier Zoll langer Hieb, der, mit blutiger Nath geheftet, schon in der Vernarbung begriffen war. Der Hieb hatte nicht nur beide Augenlieder gespalten, sondern auch die Highmore’s-Höhle geöffnet. Ein zweiter Hieb fand sich rechts am Scheitelbein, drei Zoll lang, und dieser hatte, genau wie im vorigen Falle, den Knochen und die Meningen scharf und glatt gespalten. Auch hier fanden sich an der innern Lamelle Zickzack-Fissuren und eine Absprengung eines groschengrossen Stückes der Glastafel. Die Venen der pia mater waren leer, das ganze grosse und kleine Gehirn aber, an Ober- wie Grundfläche, war mit einer zwei Linien dicken Eiterschicht überzogen.
„Es wäre wünschenswerth“, sagt das, den Obductionsbericht erfordernde Schreiben des Militair-Gerichtes, „wenn der Bericht sich darüber aussprechen könnte, ob die beiden Kopfverletzungen des G. als mit Einem und demselben Instrumente zugefügt, anzusehen seien, da, nach den Zeugenaussagen, mehrere Personen, und zwar Kavallerie und Infanterie bei der Verwundung des G. mitgewirkt haben“. — Nachdem wir im Obductions-Berichte die absolute Tödtlichkeit, nicht der Gesichts-, wohl aber der Kopfhiebwunde im Sinne der ersten Frage des §. 169. der Crim.-Ordn. festgestellt hatten, äusserten wir uns in Betreff des tödtlichen Werkzeuges wie folgt: „Wenn das etc. Gericht die unterzeichneten Obducenten[S. 47] fragt: ob beide genannte Kopfverletzungen als mit Einem und demselben Instrument zugefügt zu erachten seien, oder nicht? so sehen wir uns ausser Stande, diese Frage zu beantworten. Die Beschaffenheit beider Wunden deutet, bei der Schärfe und Glätte der Wundränder, der Länge der Wunden und der Tiefe derselben, mit Gewissheit nur auf Hiebe mit einem scharfen und schneidenden Instrumente. Ob ein solches aber ein Kavallerie- oder Infanterie-Säbel überhaupt, resp. bei Einer der Verletzungen gewesen, kann nach Beschaffenheit der Wunden nicht beurtheilt werden. Obducenten glauben hierbei die Aeusserung nicht unterdrücken zu dürfen, dass ihnen erst ganz kürzlich ein, dem vorliegenden durchaus ähnlicher Fall von durchdringender Kopfverletzung vorgekommen ist, welche vollkommen unzweifelhaft durch den Säbel eines gemeinen Infanteristen verursacht worden war“. — Das Requisitionsschreiben fügte aber noch hinzu: „es ist ferner darauf aufmerksam zu machen, dass nach Aussage mehrerer Zeugen, der Gardedragoner L., nachdem der G. bereits am Kopfe blutend auf dem Strassenpflaster lag, diesem mehrere Hiebe auf den Vorderkörper, auf Brust oder Unterleib gegeben hat, dass dagegen das Obductions-Protokoll von Verletzungen am Vorderkörper Nichts erwähnt, während von derartigen Hieben doch mindestens Sugillationen entstanden sein müssten.“ — Hierauf erwiederte unser Obductionsbericht: „wir haben endlich noch derjenigen, in Bezug genommenen Zeugenaussagen zu erwähnen, wonach denatus, nachdem er bereits zur Erde gelegen, noch von einem Soldaten auf Brust oder Unterleib gehauen worden sein soll. Wenn das etc. Gericht meint: dass von derartigen Hieben doch mindestens Sugillationen entstanden sein müssten, so sind Obducenten[S. 48] zwar nicht in der Lage, dieser Behauptung beitreten zu können, da die tägliche Erfahrung lehrt, dass noch weit bedeutendere Verletzungen, als diese etwanigen Hiebe, die doch jedenfalls flach geführt worden sein müssten — da sie, scharf geführt, doch mindestens die Hautbedeckungen getrennt haben würden — sichtliche Spuren am Leichnam nicht hinterlassen. Eben deswegen aber, weil dergleichen an der Leiche nicht beobachtet worden, und das Obductions-Protokoll, der Wahrheit entsprechend, sub Nr. 11. ausdrücklich bemerkt, dass ausser den genau geschilderten Kopfverletzungen „sonstige Verletzungen“, also auch Sugillationen u. dgl. an Brust und Unterleib, nicht bemerkt worden, so müssen Obducenten, von ihrem Standpunkte aus, die beregten Zeugenaussagen ganz auf sich beruhen lassen“. So musste denn der tenor des Gutachtens wie folgt lauten: 1) „dass denatus durch die geschilderte Kopf-“ (nicht Gesichts-) „Verletzung seinen Tod gefunden habe; 2) dass diese Verletzung so beschaffen gewesen, dass sie in dem Alter des Verletzten unbedingt und unter allen Umständen für sich allein den Tod zur Folge haben müssen[8]; 3) dass hiermit die beiden übrigen Fragen des §. 169. von selbst verneint sind; 4) dass alle übrigen, am Leichnam des denatus vorgefundenen, und im Obductions-Protokoll verzeichneten Verletzungen“ (unbedeutende Quetschungen, Hautschrammen u. dgl.) „den Tod nicht veranlasst haben; 5) dass darüber, ob verschiedene Hiebwaffen die verschiedenen Verletzungen bewirkt haben, sowie 6) darüber, ob denatus, nachdem er die Kopfwunde erhalten, und zur Erde gefallen,[S. 49] noch mit Hieben auf Brust und Unterleib gemisshandelt worden? die Obduction keinen Aufschluss gegeben hat.“ (Vgl. 45. Fall.)
Der letzte
Tödtlicher Säbelhieb auf den Kopf.
aus dieser Reihe betraf eine 28jährige puella publica, die drei Wochen vor ihrem Tode von Soldaten durch einen Säbelhieb am Kopfe verletzt, und in der Charité behandelt worden war. Bei der Section fand sich die 13⁄4 Zoll lange, einen Zoll klaffende Wunde mit scharfen, trocknen Rändern über der Protuberanz des rechten Scheitelbeins, und dieses war an-, aber nicht durchgehauen. Die äussere Knochenlamelle um die Wunde war im Umfange eines Zolles necrotisch abgestorben. Die innere Lamelle an dieser Stelle war dagegen ganz unverletzt. Die Schädelknochen waren ungewöhnlich dick. Gehirn und die blutführenden Meningen sehr blutreich. Die basis cranii, das kleine Gehirn, Pons V., Medulla oblongata waren, offenbar von Exsudaten, opalisirend. Eigentliche Eiterung fand sich nicht. Sinus blutleer. Die Leber cirrhotisch, die Milz gross und mürbe, der Uterus (puellae publicae) hatte die Grösse wie bei einer Mehrgebärenden, beide Eierstöcke waren knorpelhart, und am rechten ein beginnender Hydrops sichtbar. Aus der später vorgelegten Krankheits-Geschichte ging hervor, dass denata zwar im Augenblicke der erhaltenen Verletzung umgesunken und besinnungslos gewesen war, dass sie aber am andern Tage bei ihrer Aufnahme in das Krankenhaus vollkommen besinnlich, und in einem so günstigen Zustande war, und bis sechs Tage vor ihrem Tode verblieb, dass das Kranken-Journal aus[S. 50] dieser ganzen Zeit nur den einfachen Verband der Wunde zu registriren hatte. Erst sechs Tage vor dem Tode stellten sich plötzlich die berüchtigten Symptome: heftiger Druck im Kopfe, Schüttelfrost, Brechreiz, Erweiterung und Trägheit der Pupille u. s. w. ein, und von da ab verlief die Krankheit unter den bekannten Erscheinungen.
Tödtliche Kopfverletzung durch Fall in einen Keller. Ruptur des Herzbeutels, der Leber und der Milz.
Durch eine nicht sehr seltene Unvorsichtigkeit fand ein reicher Brauherr in seinem eigenen grossartigen Etablissement einen schaudervollen Tod. Man hatte nämlich eine Fallthür, die von der obern Etage nach einem sechsundvierzig Fuss tiefen ausgemauerten Kellerschacht führte, in welchem die grossen Bierfässer lagen, offen gelassen, und in der Dunkelheit stürzte der Unglückliche in diesen Schacht hinab, und ward, alsbald vermisst, todt heraufgezogen. Er war erst 44 Jahre alt geworden. Die Hautbedeckungen auf der linken Schädelhälfte waren in einem grossen Winkel abgeplatzt, ein Beweis, dass der Mann auf einen scharfen Rand, wahrscheinlich eines Fasses, aufgefallen war. Das ganze Gehirn fand sich mit einer liniendicken Schicht dunkeln geronnenen Blutes überzogen, und eben solche Extravasate sahen wir in den Seitenventrikeln. Die basis cranii war queerüber in zwei Theile auseinander gespalten, was allein einen Beweis der ausserordentlichen Gewalt abgab, die auf den Körper eingewirkt haben musste. Andere Beweise eben dafür gaben eine Zerplatzung des Herzbeutels seiner ganzen Länge nach, wobei aber das Herz unverletzt geblieben war, ein zwei Zoll langer, transverseller Riss der Leber an der untern[S. 51] Fläche des linken Lappens, und ein eben solcher in der Milz. Endlich fanden sich auch noch die vier ersten Rippen linkerseits eingeknickt! Und bei diesen enormen innern Verletzungen zeigte die Oberfläche der Leiche weder an der linken Brustseite über den geknickten Rippen, noch in der Milz-, noch in der Lebergegend auch nur eine Spur einer Sugillation (!). (Vgl. Fall 4, 5, 38 u. 39.)
Ein Parallelfall zu diesem ereignete sich einige Monate später.
Tödtliche Kopfverletzung durch Fall von einer Treppe.
Der Fall hatte, ausser dem anatomisch-forensischen, eine Art von psychologischem Interesse, denn unmittelbar nach Sinnesgenüssen, in einer Stimmung, die gewiss vollste Lebenslust athmete, also in nicht gewöhnlich ungeahneter Weise, ereilte den Unglücklichen der Tod. Ein pensionirter Stabs-Officier, erst 53 Jahre alt, hatte am 1sten des Monats seine Pensionsrate bezogen, sich alsbald einen Rausch getrunken, und wollte nun ausser dem Bacchus auch noch der Venus ein Opfer bringen. Beim Weggange von der — Priesterin stürzte er die Treppe hinab, und war in einer Stunde eine Leiche! Wir fanden eine Fissur, die sich von der Lambda-Nath ab bis in das linke foramen lacerum hinein erstreckte, und auch hier wieder, wie im vorigen Falle, das ganze grosse und auch das kleine Gehirn mit einer liniendicken Schicht dunkelvenösen, schon halb coagulirten Blutes überzogen. Merkwürdig war ein kirschengrosses Extravasat desselben Blutes mitten im Pons Varolii. Im Herzen fand sich in beiden Hälften ziemlich viel Blut. Der Magen war mit durch Rothwein gefärbtem Speisebrei angefüllt. Die Harnblase stand über[S. 52] dem Schoossbogen, und war strotzend voll wasserhellen Urins. Natürlich wurde die erste der drei Lethalitätsfragen bejaht.
Ausser diesen zehn und den oben erzählten sieben Fällen (Nr. 1., 5., 9., 11., 12., 14., 20. u. 25.) werden unten (Fall 44 und 45) noch zwei Fälle von tödtlichen Kopfverletzungen geschildert werden, dergleichen also zwanzig, folglich der fünfte Theil aller die in diesem Hundert, vorgekommen sind.
Wir reihen an die beiden letzten Mittheilungen von tödtlichem Fall aus der Höhe die folgende. Abermals eine ganze Reihe der allerbedeutendsten Verletzungen, wie sie immer vorkommen, wenn der ganze Körper zerschellt. Zugleich ist dieser Fall der dritte in dieser Centurie von den, immer sehr seltenen, Verletzungen des Rückenmarks (vgl. 6. und 15. Fall), und endlich bietet derselbe einen abermaligen Beweis für die wiederholt hier ausgesprochene Behauptung von der gänzlichen Unzuverlässigkeit der bloss äusserlichen Leichenbesichtigung in Betreff mangelnder Sugillationen u. dgl.
Ruptur des Rückenmarkes; Bruch des Brustbeins und der Rippen; Ruptur der Leber.
Ein 30jähriger Tagelöhner war 60 Fuss tief in eine Kalkscheune hinabgestürzt, bewusstlos und röchelnd liegen geblieben und in diesem Zustande nach drei Stunden gestorben. Ausser unbedeutenden Hautabschilferungen an den Händen und Unterextremitäten, und einer geringen,[S. 53] nur Zweigroschenstück grossen Sugillation im Nacken fand sich äusserlich keine Spur einer Verletzung, noch ein auf innere Verletzungen deutendes Merkmal. Die Section ergab 1) apoplectische Hyperämie in beiden Gehirnen, 2) einen Bruch des dritten Halswirbels am hintern Bogen, der queer durchbrochen, und womit gleichzeitig ein Abbruch des processus spinosus verbunden war; 3) war an dieser Stelle das ganze Rückenmark queer durchrissen und der Wirbelkanal mit halb coagulirtem Blute ausgestopft; 4) war das Sternum von seinem Manubrium scharf abgebrochen, und 5) waren die zweite, dritte und vierte Rippe rechts gebrochen. Endlich fand sich 6) im rechten Leberlappen ein nur oberflächlich eindringender T-förmiger Riss, und 7) eine kleinere Ruptur im lobulus quadratus. Die geringe Menge von nur drei Unzen in die Bauchhöhle extravasirten Blutes erklärte sich aus der Oberflächlichkeit der Leberrupturen, während natürlich bei grössern, wie gleich der folgende Fall zeigt, weit grössere Blutergüsse beobachtet werden. Als eine für Physiologen beachtenswerthe Erscheinung erwähne ich noch, dass (bei einer Rückenmarkstrennung) die ganze Blutmasse eine sehr dunkele Farbe und halb coagulirte Consistenz hatte.
Zwei andere Verletzungen des Rückenmarkes sind oben (Nr. 6. und 15.) geschildert.
Ruptur der Leber.
Ein 11jähriges Mädchen war in ein Rosswerk gerathen, und von einem Balken an die Wand geschleudert worden. Der Tod war nach anderthalb Stunden erfolgt.[S. 54] Der Leichnam bot äusserlich auch nicht die geringste Spur einer Verletzung, und gerade deshalb mussten wir von vorn herein, mit Rücksicht auf die Todesursache und die Plötzlichkeit ihrer Wirkung, auf Rupturen eines wichtigen innern Organs schliessen. Eine solche ergab die Section denn auch in der Leber, nämlich einen sechs Zoll langen Längenriss (vgl. die Bemerkung zum 3. Fall), der den rechten Leberlappen von hinten nach vorn getrennt hatte. In die Bauchhöhle waren siebzehn Unzen, theilweise coagulirt gefundenen Blutes ergossen, und an der, bei solcher Blutung nothwendigen allgemeinen Blutleere des Körpers nahm selbst das Gehirn Theil.
Tödtliche Leber-Hieb-Wunde.
Eine der bemerkenswerthesten Nächte aus der Nachtseite der preussischen Geschichte war bekanntlich die des 31. October 1848. Die „Nationalversammlung“ im Schauspielhause wollte „den bedrängten Wienern zu Hülfe eilen“, der grosse, hier und da durch Fackeln erleuchtete Platz war vom „Volk“ angefüllt, das der Nationalversammlung — zu Hülfe eilen wollte, und damit anfing, die Thüren zum Eingang zu vernageln! Es erschienen Abtheilungen der Bürgerwehr, und bald darauf das bewaffnete Corps der Maschinenbauer, ein buntes, tobendes Durcheinander! Conflikte konnten nicht fehlen, und sie kosteten zwei Menschenleben. Ein Maschinenbauer hatte aus einem Trupp der Bürgerwehr eine Verletzung erhalten, und war nach kurzer Zeit gestorben. In der Lebergegend fanden wir eine drei Zoll lange, zwei Zoll klaffende Wunde, mit ganz scharfen, sugillirten Rändern, aus welcher eine Ileum-[S. 55]Schlinge vorgefallen war. Blutcoagula von der Menge eines Pfundes bedeckten die Netze und Gekröse, und acht Unzen flüssigen Blutes waren in die Bauchhöhle extravasirt. Am Rande des rechten Leberlappens fand sich eine zwei Zoll tiefe, scharfrändrige Wunde. Es erhoben sich Zweifel darüber, von welcher Seite die Verletzung beigebracht worden? Von jener Seite ward behauptet, der Verstorbene sei durch einen Bajonettstich aus seinen eignen (der Maschinenbauer) Reihen vielleicht durch Zufall getödtet worden, während die Kameraden des Getödteten behaupteten, der Zugführer der Bürgerwehr habe scharf auf den denatus eingehauen. Nach der Beschaffenheit der Wunde mussten wir allerdings einen Säbelhieb, nicht einen Bajonettstich, als die tödtliche Verletzung annehmen, wogegen im folgenden Falle die Bajonettwunde unzweifelhaft war.
Tödtliche penetrirende Bauch-Bajonett-Wunde.
Das zweite Opfer des 31. October war ein 42jähriger Riemermeister, der, als er sich zwischen die Bürgerwehr und die Maschinenbauer gestellt hatte, von zwei Bürgerwehrmännern mit dem Bajonett gestochen worden, und nach mehrtägiger Behandlung in der Charité verstorben war. Die Inspection zeigte links am Hüftbeinkamme vier Zoll vom Nabel eine horizontale, geradlinigte, einen halben Zoll lange Wunde mit ganz scharfen, aber bereits trocknen, nicht sugillirten Rändern. Zwischen der neunten und zehnten Rippe fand sich eine zweite, dreieckige, mit schwach sugillirten Rändern. Beide Wunden penetrirten in die Bauchhöhle. Innerlich fand sich eine sehr verbreitete Peritonitis und Enteritis. Die Dünndärme waren unter sich[S. 56] durch Eiterexsudate leicht verklebt, der Bauchfell-Ueberzug der Leber mit inselförmigen Eiterausschwitzungen bedeckt, und acht Unzen blutig-wässriger Flüssigkeit schwammen in der Bauchhöhle. Im vorläufigen Gutachten mussten wir die erste der drei Lethalitätsfragen natürlich verneinen, und uns die Erwägung der beiden andern bis zur Kenntniss der Anteacta, namentlich der Krankheits-Geschichte, vorbehalten. Gerade Verletzungen, wie diese, zeigen nicht weniger wie Kopfverletzungen, vorzugsweise die gänzliche Unhaltbarkeit aller Lethalitätsgrade. Dass einfach penetrirende Bauchwunden, wie die des Falles, nicht allgemein absolut lethal sind, wird nicht bestritten werden. Wären sie aber „individuell absolut lethal“? Wie wäre die Bejahung dieser Frage zu beweisen? Und Beweise soll das gerichtsärztliche Gutachten geben, nicht blosse hypothetische, individuelle Annahmen. Der Verletzte war in der Charité behandelt worden; es liess sich also wohl annehmen, dass kein „Mangel eines zur Heilung erforderlichen Umstandes“ zum tödtlichen Ausgang der Verletzungen mitgewirkt, und ebenso gut konnte vorausgesetzt werden, dass auch eine „äussere Schädlichkeit“ gar nicht in Wirksamkeit gesetzt worden war. Sehr leicht hätte daher, ja wahrscheinlicherweise, der Fall eintreten können, den wir in so vielen andern erlebt haben, dass wir gezwungen worden, alle drei Fragen der Crim.-Ordnung zu verneinen! Aber ein Obductionsbericht wurde später, so wenig hier, wie in allen Tödtungen in den Strassencravallen des Jahres 1848, gefordert. Inter arma silent leges.
Die übrigen sieben Fälle von Unterleibsverletzungen aus dieser Centurie sind bereits unter andern Rubriken vorstehend sub Nr. 2., 3., 4., 8., 10., 17. u. 36. geschildert.
Tödtlicher Bruch einer Ober- und Unterextremität.
Nicht ganz gewöhnlich war folgender Fall. Ein 24jähriger gesunder und kräftiger Arbeiter war von einem Baume gefallen, hatte dabei den linken Oberarm und den linken Oberschenkel gebrochen, und war nach zwölftägiger Behandlung im Krankenhause zu Charlottenburg gestorben. Am und im vollkommen gesunden Körper war Nichts zu bemerken, als ein gewisser Blutmangel. Der Oberarm war unmittelbar über dem Ellenbogengelenk unregelmässig queer gebrochen, das Kapselgelenk zerrissen, der äussere Gelenkfortsatz abgebrochen, der innere von der Gelenkfläche ausgewichen. Der Oberschenkel war in seiner Mitte durch einen Queersplitterbruch gebrochen, und ein zwei Zoll langes Knochenstück lag frei in der nicht verjauchten Tiefe. Aeusserlich waren am Arm und Schenkel Geschwüre mit schlechtem Eiter sichtbar, also ein Beweis, dass die Weichtheile durch die Knochenbrüche zerrissen gewesen waren. Unser vorläufiges Gutachten ging dahin: dass die Verletzungen die zureichende Ursache des Todes gewesen seien, dass die erste und zweite Frage der Crim.-Ordn. zu verneinen seien, und dass die Beleuchtung der dritten Frage für den Obductionsbericht und bis zur Einsicht in das Krankenhaus-Journal ausgesetzt werden müsse. Der Bericht wurde nicht gefordert, und wir haben später über den Fall nichts weiter erfahren. Es ist nicht ersichtlich, warum nicht eine schleunige Doppelamputation zur Lebensrettung des Verletzten versucht worden.
Verblutung aus der Vena saphaena.
Wie unerwartet ein Mensch sein Leben verlieren kann, wenn er sich auch nicht im geringsten auch nur der Möglichkeit einer Lebensgefahr auszusetzen glaubt, z. B. — wenn er seinen Nachttopf nimmt, zeigte der wunderliche Fall einer 50jährigen Trompeter-Wittwe, die sich beim Urinlassen durch ihren Nachttopf den Tod zuzog. Dies Gefäss, von sogenanntem Gesundheitsgeschirr (einem groben Porzellan), war allerdings zerbrochen, und hatte scharfe Ränder und Spitzen. Beim Heraufnehmen desselben unter die Röcke verwundete sich die Person, und ward später todt im Zimmer gefunden. Der vorgezeigte Nachttopf war äusserlich voller Blut, und enthielt auch innen noch geronnenes Blut. Am linken Unterschenkel fand sich eine 13⁄4 Zoll lange, 3⁄4 Zoll klaffende Wunde mit stumpfscharfen Rändern, deren Umkreis äusserlich nicht sugillirt erschien, während sich allerdings im umliegenden subcutanen Zellgewebe Sugillation fand. Die V. saphaena dieser Seite war erbsengross geöffnet. Die Blutleere im Leichnam war in ungewöhnlich hohem Grade vorhanden; nur die pia mater-Venen nahmen auch in diesem Falle wieder keinen Theil an dieser Anhämie. (Vgl. oben 3. Fall.)
Vier anderweitige Fälle von Verletzungen der Extremitäten sind unter andern Rubriken (s. oben Fall 7, 13 und 24, und weiter unten Fall 47) erläutert.
Unter den hierher gehörigen sechs Fällen ist zunächst der folgende zu erwähnen, dem an Rohheit und Unnatur nicht leicht ein ähnlicher an die Seite zu setzen ist, und in welchem es unsere Aufgabe wurde, eben diese verbrecherische Rohheit mit dem Obductionsbefunde in der Hand und durch denselben, dem beharrlichen Leugnen der Angeschuldigten gegenüber, dem Richter klar zu machen.
Tödtliche Schläge auf den Kopf.
Am 24. September 18— wurde in einem Gebüsche in einem nahen Dorfe in einem Korbe ein todtes Kind mit Spuren äusserer Gewalt aufgefunden, und bald als das der Webergesellenfrau Pöhlmann ermittelt. Dieses ihr eheleibliches, beim Tode ein und drei Viertel Jahre altes Kind hatte sie, nach allen Zeugenaussagen, nicht nur nie geliebt, sondern es oft hungern lassen, so dass man es mit Gier rohe Kartoffelschaalen essen gesehen hatte, und sehr häufig auf das Empörendste gezüchtigt und gepeinigt. So versicherten viele Augenzeugen, dass die Pöhlmann’schen Eltern Hunderte von Wespen eingefangen hatten, mit denen sie zu Zeiten das Kind im Zimmer einsperrten. Ueber eine Züchtigung, die am 23. September Abends, d. h. kurz vor dem Tode des Kindes, bei einer Bekannten vorfiel, deponirte deren 15jähriger Sohn wörtlich: „Um 8 Uhr Abends kam die P., um das Kind von uns abzuholen. Als sie sah, dass es sich verunrei[S. 60]nigt hatte, fasste sie es beim Arm, und befahl ihm aufzustehen. Als das Kind nicht aufstehen wollte, schleuderte sie es erst eine Strecke von etwa 4 Fuss nach dem Secretair zu, dann stiess sie es mit dem Fusse so, dass es bis mitten in die Stube hinkollerte. Hierauf ergriff sie es mit beiden Händen beim Kopf, und stauchte es wohl gegen fünfmal vorn mit der Stirn heftig gegen den Fussboden. Endlich versetzte sie ihm noch mit der Faust mehrere heftige Schläge ins Genick, auf den Rücken und auf den Hintern. Das Kind war ganz matt und schrie nicht, sondern stöhnte nur. Dann nahm sie es an die Hand, und ging mit ihm fort, wobei sie äusserte: wenn Du heut nicht läufst, dann schlage ich Dich noch rein todt.“ — Die Angeschuldigte dagegen behauptete, dass sie dem Kinde nur „einige Schläge auf den Hintern“ gegeben habe. Dann sei sie mit dem Kinde nach Hause gegangen, wobei sie es, weil es müde gewesen, abwechselnd getragen habe. Zu Hause angekommen, habe das Kind sich geweigert zu essen, wofür sie ihm einen Schlag mit der Hand, aber diesen aus Versehen, statt auf den Hintern, „in die linken Weichtheile“ gegeben habe. „Ich hatte“, sagte sie, „ihm nur Einen Schlag gegeben; er fing aber sogleich an zu wimmern und zu stöhnen, so dass ich ihn vom Boden aufnahm, und eine Zeitlang umhertrug. Da er sehr kalt war, so brachte ich ihn bald darauf in’s Bett. Er ward immer stiller, und war endlich in anderthalb Stunden todt.“ Sie wickelte darauf den Leichnam ein, und stellte ihn unter ihr Bett, in welchem sie die Nacht über ruhig schlief (!!), nachdem sie ihrem Ehemanne bei dessen Zurückkunft vorgeredet hatte, dass sie das Kind bei jener Bekannten gelassen. Am andern Morgen legte sie die Leiche in einen Korb, bedeckte[S. 61] diesen mit einer Schürze, nahm auch eine Kartoffelhacke mit, damit die Leute denken sollten, sie ginge zum Kartoffelgraben, und deponirte den Korb an dem oben bezeichneten Orte. Die Hacke hat sie auf dem Heimwege in ein fremdes Haus versteckt, wo sie später aufgefunden worden.
Das an Befunden sehr reiche Obductions-Protokoll füge ich im Anhange I. in extenso bei. Der Obductions-Bericht hatte zunächst, nach der damaligen Lage der Gerichtspraxis, die Aufgabe, den Tödtlichkeitsgrad der Verletzungen festzustellen. Dass und warum wir sie als allgemein absolut lethal erklärten, bedarf an diesem Orte keiner Ausführung. Sodann aber waren mehrere Fragen über die Art und Weise der Entstehung dieser Verletzungen, mit Rücksicht auf die Zeugenaussagen, die Angaben der Pöhlmann, und die unter so verdächtigen Umständen aufgefundene Kartoffelhacke, vorgelegt worden, in Beziehung auf welche Fragen der Obductionsbericht sich, wie folgt, äusserte:
„Wenn die Angeschuldigte bis jetzt dabei stehen geblieben ist, dass sie dem Kinde nur einen Schlag mit der flachen Hand in die Weichen gegeben, so verdient diese Angabe keine wissenschaftliche Würdigung, da es auch dem Laien einleuchtend sein muss, dass durch einen solchen Schlag die Schädelknochen nicht gesprengt werden können. Diese Sprengung setzt vielmehr ganz nothwendig voraus, dass ein stumpfer Körper mit Kraft mit dem Schädel des Kindes in Berührung gekommen ist. Jeder denkbare stumpfe Körper konnte bei dem Kinde diese Wirkung haben, ebenso wohl z. B. ein dicker Stock, wie ein Holzpantoffel, der Rücken eines Beils u. s. w., selbstredend also auch die in Beschlag genommene Kartoffelhacke. Eine[S. 62] gewaltsame Berührung des Schädels konnte aber auch namentlich durch wiederholtes Stossen und Schleudern des Kopfes gegen den Fussboden eines gedielten Zimmers, gegen Möbel u. dgl. entstehen, und so erfordert die zweite der uns vorgelegten Fragen eine genauere Würdigung. Nach der oben angeführten Aussage des Knaben Sellheim schleuderte Inculpatin das Kind zwei Stunden vor seinem Tode etwa vier Fuss nach dem Secretair zu, „kollerte und trudelte“ (rollte) dasselbe mit dem Fusse umher, stauchte es mit der Stirn und mit der Seite wohl fünfmal gegen den Fussboden, und gab ihm mit der Faust mehrere heftige Schläge gegen Genick, Rücken und Hintern. Wenn es auch nicht in Abrede zu stellen, dass durch ein so rohes und gewaltsames Verfahren ein Kind so zarten Alters hätte getödtet, dass ihm namentlich dadurch sogar Brüche und Sprünge in den dünnern Schädelknochen, wie Scheitel- und Schuppenbein, sowie Gehirnerschütterung und Blutextravasate hätten verursacht werden können, so ist dies doch aus obigen Gründen von einer Sprengung des Hinterhauptsbeins, wie sie hier gefunden, nicht anzunehmen. Aber noch ein anderer wichtiger Grund unterstützt die Annahme, dass diese Verletzungen, also die Todesursache, einer andern und spätern, als der von dem Sellheim bezeugten Misshandlung ihr Dasein verdanken. Inculp. hat nämlich angegeben, dass sie nach dieser Misshandlung das Kind, es abwechselnd tragend, mit nach Hause genommen, und es hier auf die Erde gesetzt habe, um in der Küche Kartoffeln zu kochen. Von den zubereiteten Kartoffeln wollte es, da es „sehr unzufrieden“ war, Anfangs nichts nehmen, nahm sie aber dann doch, warf sie aber alsbald wieder fort, ohne zu essen, und legte sich nun nach seiner Gewohnheit auf die Seite.[S. 63] Erst nach der nun angeblich noch gefolgten, neuen Züchtigung soll es gestöhnt haben, kalt geworden und bald darauf verschieden sein. Das Kind war also, nach der Inculp. eigenen Aussage, zu Hause angekommen, also, nachdem es die früheren Misshandlungen in der Sellheim’schen Wohnung erduldet gehabt hatte, noch so weit bei Kräften, dass es in der Stube aufrecht sitzen konnte, und hatte noch Besinnung, da es auf Aufforderung eine Kartoffel annahm, und sie dann wegwarf. Ein solcher körperlicher und geistiger Zustand ist unverträglich mit der Annahme, dass um diese Zeit die bei der Leichenöffnung nachgewiesenen Verletzungen im Kopfe bereits Platz gegriffen haben konnten, nach welchen das Kind nicht erst noch „abwechselnd“ hätte nach Hause gehen können, vielmehr alsbald besinnungslos und unfähig werden musste, sich aufrecht zu erhalten.“
Hiernach sagten wir im tenor des Gutachtens: dass die Kopfverletzungen im Sinne der ersten Frage der Crim.-Ordn. als absolut lethale zu erachten, dass dieselben mit der Kartoffelhacke zugefügt sein konnten, und dass es durchaus nicht wahrscheinlich, dass sie eine Folge der in der Sellheim’schen Wohnung dem Kinde zugefügten Misshandlungen gewesen seien.
Dieses Gutachten hielt ich im mündlichen Audienz-Termin gegen die bis zum Schlusse leugnende Inculpatin aufrecht, die in dieser Instanz zum Tode mit Schleifung zur Richtstätte verurtheilt ward. Sie appellirte, und brachte nun die alberne Aussage vor: sie habe bisher einen Umstand verschwiegen, der wohl am Tode des Kindes Schuld sein könne; sie habe nämlich an jenem Abend, als sie das Kind nach Hause gebracht, demselben die Kartoffeln auf den Tisch gelegt, und es auf eine kleine Fussbank davor[S. 64] gestellt, damit es essen möge. Als sie in der anstossenden Küche gewesen, sei das Kind von der Fussbank gefallen, und nach anderthalb Stunden gestorben! Der Vorhalt des Richters, dass diese Angabe sehr unwahrscheinlich sei, da nicht anzunehmen, dass sie einen solchen Umstand, der sie von aller Anschuldigung der Tödtung ihres Kindes sogleich entlastet haben würde, wie sie sich selbst sagen müsse, zu ihrem grössten Nachtheile bisher absichtlich verschwiegen haben sollte, blieb erfolglos. Auch in der Appellations-Instanz vernommen, musste ich meinerseits diese neue Angabe, als mit dem Obductionsbefunde nicht übereinstimmend, verwerfen, und blieb bei meinem früheren Gutachten stehen. Aus rein juristischen Gründen aber wurde das erste Erkenntniss dahin abgeändert, dass die P. nur zu 20jähriger Zuchthausstrafe verurtheilt ward.
Tödtung durch Kopfverletzungen.
Der Fall war höchst interessant, nicht sowohl wegen des Befundes, als wegen der Schwierigkeit der Beantwortung der vom Richter gestellten Fragen. Er liefert ein Seitenstück zu dem obigen 34. Fall, weil auch hier es darauf ankam, aus den Verletzungen auf den verletzenden Körper, d. h. auf den Thäter, und unter Mehrern auf den eigentlichen Urheber des Todes zurückzuschliessen. Solche Fälle kommen bei tödtlich werdenden Prügeleien gar nicht selten vor. Augenzeugen waren nicht vorhanden, denn alle Anwesenden waren betheiligt, Alle oder Viele waren betrunken, Jeder leugnet u. s. w., und einzig und allein der Ausspruch des Gerichtsarztes ist es dann, an welchen sich der Staatsanwalt und der Richter halten[S. 65] können, um nicht einen Unschuldigen auf die Anklagebank zu bringen, oder gar zu verurtheilen. Ob wir die in solchen Fällen so nöthige Vorsicht im Urtheile im vorliegenden geübt, und ein möglichst zutreffendes Urtheil ausgesprochen haben, mag der Leser entscheiden. Richterlicherseits ist allerdings nach unserm Gutachten erkannt worden.
Der Wirth einer kleinen Schankwirthschaft war mit seinen von Bier, Spirituosis und Politik (im Frühjahr 1848!) aufgeregten Gästen in Conflikt gerathen, und es war im engen Lokale, in welchem sich ein Billard, Möbel und viele Menschen befanden, zu einer allgemeinen Schlägerei gekommen, bei welcher der Wirth von Einigen zur Erde geworfen, von Andern mit Stock, Billardqueues u. dgl. geschlagen wurde. Er starb in Folge dieser Misshandlungen. Vom Verlauf der Krankheit ist mir nur bekannt geworden, dass sie vier Tage bis zum tödtlichen Ende angedauert habe, und dass denatus nur in den beiden ersten Tagen besinnlich gewesen war. Die für die später vorgelegten Fragen relevanten Sectionsbefunde waren folgende. S. war 39 Jahre alt und ziemlich kräftig gewesen. Die ganze Umgegend beider Augen, zumal des linken, war stark sugillirt. Gerade auf dem linken Augenbrauenbogen zeigte sich eine, im Verheilen begriffene, bogenförmige, ziemlich scharf geränderte Wunde von 11⁄4 Zoll Länge und einer halben Linie Breite. Unter dem linken Thränenbein eine runde, erbsengrosse, scharfgeränderte Hautwunde. Die ganze linke Oberextremität zeigte zahllose Sugillationen. Innerlich grosser Blutreichthum der Gefässe der pia mater; die ganze Oberfläche des Gehirns, zumal der rechten Halbkugel, mit gelbgrünem Eiter übergossen. Eben solche Eiterschicht überzieht die Basis des[S. 66] kleinen Gehirns. Auf der pars orbitalis des Stirnbeins links ein Extravasat von geronnenem Blute von einer Drachme, und darunter ein halbzölliger Knochenriss, durch welchen die Sonde den Augapfel berührt. Die Section der übrigen Höhlen können wir als unwesentlich übergehen.
Aufgefordert, ausser den gewöhnlichen Fragen (der Crim.-Ordn.) noch folgende zu beantworten:
1) | ob und welche der an dem Verstorbenen gefundenen Verletzungen, namentlich ob der auf der pars orb. des Stirnbeins gefundene Knochenriss, durch Schläge mit einem Stock, oder mit einem Tischblatt, welche gegen den Kopf geführt sein sollen, oder ob sie durch ein Hinschlagen mit dem Kopfe auf die Erde und gegen die Wand entstanden sein können? |
2) | welche von den, im vorläufigen Gutachten in Bezug genommenen Verletzungen sub 12, 16 und 18[9] die eigentliche Todesursache gewesen ist, oder ob sie es jede für sich, oder etwa nur alle zusammenwirkend gewesen sind? |
äusserten wir uns ad 2. unter Darlegung der Gründe dahin, dass, da uns über die Erkrankung und Behandlung des S. Nichts bekannt geworden, wir die absolute Tödtlichkeit der nothwendig vorhanden gewesenen Hirnhautentzündung, der wir einen traumatischen Charakter vindicirten, nicht annehmen könnten, diese absolute Lethalität aber unzweifelhaft der Verletzung des Stirnbeins zuschreiben müssen, da dessen pars orbit. schon zur Schädelgrundfläche gehörte, alle Knochenrisse und Brüche der[S. 67] letztern aber absolut tödtlich seien. Denn einerseits setzten dieselben nothwendig eine sehr heftige Insultation des Kopfes voraus, die auch die innerste Organisation des Gehirns mitbetroffen, und Erschütterung, Bluterguss oder Entzündung zur Folge haben müsse, und andererseits sei Natur- wie Kunsthülfe unvermögend, diese Folgen einer so heftigen Insultation auszugleichen.
„Die den Obducenten gestellte Frage, betreffend die Werkzeuge, mit welchen die Kopfverletzungen qu. verursacht worden, sehen wir uns genöthigt, in ihre einzelnen Theile zu sondern. Für als durch Stockschläge veranlasst sprechen nur allein die Sugillationen um beide Augen und am linken Arm, wiewohl diese sämmtlichen Verletzungen ebenso füglich auch Misshandlungen anderer Art, wie Faustschlägen, Stössen u. dgl. ihre Entstehung verdanken können. Dagegen ist die kleine runde Oeffnung an der linken Seite der Nase wohl mit am meisten Wahrscheinlichkeit unter allen in der Frage namhaft gemachten verletzenden Ursachen, von der Berührung mit einem Stocke, namentlich mit einer spitzen Zwinge desselben, herrührend zu erachten. Eine Gewissheit lässt sich hierüber nicht geben, und scheint auch nicht erheblich, da wir allen den hier namhaft gemachten Verletzungen einen Antheil an dem Tode des denatus nicht zuschreiben. — Die Wunde über dem linken Augenbrauenbogen zeigte „ „ziemlich scharfe“ “ Ränder, und muss demnach mit einem ziemlich scharfen Körper verursacht worden sein. Als ein solcher könnte (weniger ein Stock, als) die Kanten eines „ „Tischblattes“ “, oder der Stoss gegen die Ecke einer „ „Wand“ “ gelten. Auch durch ein „ „Hinschlagen mit dem Kopfe gegen die Erde“ “ könnte diese Wunde entstanden sein, wenn auf der Stelle des Fussbodens[S. 68] gerade eine vorstehende Dielenkante sich befunden hätte, oder der Kopf an eine Wandecke, an einen scharfkantigen Tisch- oder Billard- oder Bankfuss u. dgl. gestossen worden wäre. Die eigentliche absolut-lethale Verletzung hängt unzweifelhaft mit der eben gewürdigten äussern Verletzung über dem linken Auge zusammen, und gilt sonach das soeben in Betreff des Werkzeuges Angeführte auch für diese innere Verletzung. Unzweifelhaft ist aber auch ferner, dass dieser Bruch in der Tiefe des Schädels eine erhebliche äussere Gewalt voraussetzen lässt. Auch in dieser Beziehung ist es wenig wahrscheinlich, dass blosse Stockschläge hier die Ursache gewesen, wogegen Schläge und Stösse mit einem Tischblatt oder gegen die Wand und den Fussboden, wenn sie mit Heftigkeit geführt wurden, allerdings einen solchen Bruch in den Kopfknochen veranlassen konnten. Nach allem Obigen resumiren wir unser Gutachten dahin: 1) dass der auf der pars orbitalis gefundene Knochenriss durch Schläge mit einem Stock entstanden sein könne, dass es aber wahrscheinlicher, dass derselbe durch ein Tischblatt, oder durch Hinschlagen mit dem Kopfe auf die Erde und gegen die Wand entstanden sei; 2) dass der beregte Knochenriss die eigentliche Todesursache gewesen, und zwar 3) dass diese Verletzung so beschaffen gewesen, dass sie „ „in dem Alter des Verletzten unbedingt und unter allen Umständen für sich allein den Tod zur Folge haben musste“ “, wonach 4) die beiden eventuellen Fragen des §. 169. der Crim.-Ordn. erledigt sind.“
Angeblich tödtliche Züchtigungen.
Ein 14jähriger Knabe sollte an Züchtigungen gestorben sein, deren zahlreiche Spuren sich in Einrissen in beide Ohrläppchen, sowie in Stock- und Ruthenhieben auf Rücken, nates und rechtem Oberschenkel genau so zeigten, wie ich sie im 41. Fall der ersten Centurie (3te Aufl. S. 73) beschrieben habe, zu welchem Fall der vorliegende ein Seitenstück liefert. Die Leiche zeigte blutig-seröse Ausschwitzung in der Schädelbasis und im rechten Pleurasacke, leeren und ganz zusammengeschrumpften Magen, einen Beweis der dürftigen Ernährung des Kindes, die auch von einer Zeugin später bestätigt ward, und Oedema pedum. Es musste angenommen werden, dass eine innere Krankheit den Tod veranlasst, und dass die Züchtigungen keinen Antheil daran gehabt hätten.
Bruch eines Unterschenkels; Amputation; Tod.
Die Beurtheilung des nachstehenden Falles würde nach dem jetzigen Strafgesetzbuch leicht gewesen sein; unter der Herrschaft der drei Fragen der Crim.-Ordn. war sie es nicht. Am 12. December 18— Abends wurde bei einer Schlägerei die 29jährige Frau Str. von Soldaten eine Treppe hinuntergeworfen, und brach den linken Unterschenkel und zwar beide Knochen „in viele kleine Stücke“, wie das Journal des Krankenhauses sagte, in welches sie sofort gebracht worden war. Ueber dem Knöchel fand sich eine Hautzerreissung, durch die man eingehen und die zerstückelten Knochen fühlen konnte. Man beschloss[S. 70] bei der gefährlichen Sachlage um so mehr eine sofortige Amputation, „als der kräftige, gesunde Körper einen glücklichen Ausgang hoffen liess“. Es wurden einfache Beruhigungsmittel und kalte Umschläge angewandt, und am andern Morgen die Amputation, nach vorheriger Chloroformirung der Pat., kunstgemäss verrichtet. Die Kranke erwachte nur sehr langsam aus ihrer Narcose, und fühlte sich noch Abends betäubt. (Nitrum und Natr. sulph.) Aber noch am folgenden Morgen war sie benommen, und hatte 108 Pulsschläge. Am 14ten Anschwellung der Weichtheile am Stumpfe, andauernde Kopfschmerzen, geröthete Bindehaut. (Inf. Senn. comp., kalte Kopfumschläge.) Am 15ten „unveränderte Unbesinnlichkeit“ (aus welcher sie seit der Chloroformirung nicht herausgekommen zu sein scheint!) und Schmerz der Weichtheile, der die Application von 12 Blutegeln veranlasste. Abends hatten sich „die allgemeinen Reactionssymptome vermehrt“ namentlich vermehrt die „Symptome am Kopfe“, der Puls 110, die Zunge trocken. Der Versuch eines Aderlasses musste, wegen Ohnmacht, unterbrochen werden, wogegen zehn Blutegel in beide Schläfen gesetzt wurden. Am 16ten einige Besserung. „In der linken Leistengegend war jeder Druck schmerzhaft, und dem Verlaufe der linken Schenkelvene nach, zeigte sich ein stark gespannter, empfindlicher Strang in der Tiefe.“ (12 Blutegel, Natr. nitric.) Beim Wechsel des Verbandes zeigte sich die Hälfte der Wundränder verklebt. In der Nacht blande Delirien. Am 17ten schwere Besinnlichkeit, Kopfschmerz, Schüttelfrost, kleiner Puls von 120 Schlägen, aber noch ein „befriedigendes“ Aussehen der Wunde. Pat. erhielt eine Mixtur mit Ammon. carbonic. Nachmittags steigende Betäubung, neuer Schüttelfrost, Puls von 140. (Zweistündlich zwei[S. 71] Gran Calomel und zehn Blutegel hinter die Ohren.) Nach einigen Stühlen in der Nacht war sie am 18ten viel freier, und „die Wundfläche ganz normal“. Am Abend aber bekam sie einen heftigen Schüttelfrost, wurde plötzlich ganz blass und regungslos, reagirte auf keinen Reiz, blieb beim Rufen, Schütteln, Stechen mit Nadeln unbeweglich, aber der Anfall ging bald vorüber. Nachts laute Delirien. Am 19ten war sie wieder unbesinnlicher und unruhiger. Die profuse Eiterung war „etwas unrein“ geworden, und die verklebten Wundränder auseinander gewichen. (Acid. Hall. und Glaubersalz.) Vom 19ten bis zum 22sten — schweigt das Journal; an diesem Tage fährt es fort: „der Zustand der Pat. hat sich fortwährend verschlimmert; sie liegt Tag und Nacht in einem Halbschlafe, spricht unverständlich, der kleine, fadenförmige Puls variirt zwischen 120–140, die Schüttelfröste kehren wieder, die Eiterung wird unreiner und profuser“. (Aromatische Fomente, 13 Loth Arnica-Infus. von ʒj, mit ʒj Salmiak.) Am 23sten starb sie, 250 Stunden nach der Verletzung, und zwar nach der amtlichen Krankenhaus-Anzeige, „an Venenentzündung nach Amputation“.
Sie ist nicht an Phlebitis (Pyaemie) gestorben. Man wird aber, nach diesem treuen Extract aus dem Journal, nicht ahnen, was die (gerichtliche) Section als tödtliche Krankheit ergeben hat.
An beiden Brustseiten resp. vier frische Schröpfnarben. Sämmtliche Weichtheile am Stumpf gangränescirt und verjaucht. Die Kopfhöhle zeigte durchaus Nichts von der Norm Abweichendes, desto mehr aber die Brusthöhle. Beide Lungen waren graublau, blutarm, oedematös. Die Lungen- und Rippen-Pleura ist, „ganz besonders an der rechten Lunge, mit einem frischen Eiterexsudat[S. 72] reichlich bedeckt. Ein solches, an Gewicht 12 Unzen, wird als dünngelbröthliche Flüssigkeit aus der rechten Brusthälfte ausgeschöpft. In der linken befinden sich 5 Unzen einer blutig-wässrigen Flüssigkeit. Endlich zeigten auch die Lungen einige halberweichte Tuberkel“. Im Herzbeutel die erhebliche Menge von anderthalb Esslöffeln blutiger Flüssigkeit. Das sehr schlaffe Herz enthielt in beiden Hälften mässig viel braunrothes, halb flüssiges, halb geronnenes, offenbar zersetztes Blut. Der Befund in der Bauchhöhle war nicht erheblich: ich hebe nur hervor, dass alle Organe bleich und blutarm waren, und dass die genau untersuchten Venenstämme „weder eine besondere Röthung ihrer innern Haut, noch Eiter oder dgl.“ zeigten. Dasselbe ergab eine genaue Untersuchung der linken Cruralvene längs ihres ganzen Verlaufes, wie der kleinern Venen des Stumpfes und Oberschenkels. Die beiden Knochen waren sehr glatt abgesägt, und keine Splitterung u. dgl. zu bemerken.
Es wird wohl jedem Anfänger sogar einleuchten, dass diese Frau an der und durch die Verletzung ihren Tod gefunden habe, wie Tausend Andere vor ihr nach einer fractura cruris comminuta, mit Zerreissung der Weichtheile. War aber die Verletzung „allgemein absolut tödtlich“? Wie hätten wir dies — hier bedarf es keiner Ausführung — in unserm Obductions-Berichte behaupten und vertreten können? Wir thaten es natürlich nicht, wenn wir auch den Richter auf die hohe Lebensgefahr aufmerksam machten, die jede Verletzung, wie die vorliegende, an sich und in abstracto bedingt. Ebenso wenig liess sich ja aber auch annehmen, dass hier eine „individuell absolut-lethale“ Verletzung vorhanden, wie überhaupt in der Summe des Nonsens der jetzt glücklich überwundenen Lethalitäts[S. 73]grade die „individuelle Lethalität“ nicht gerade den geringsten Factor bildete. Es blieb also noch die dritte Frage („accidentelle Tödtlichkeit“) zu berücksichtigen, und hier gestehe ich, dass ich ernstlich erwog, ob nicht das Chloroform als die „äussere Schädlichkeit“ der Gesetzesstelle in Anspruch genommen werden könne oder müsse? Thatsächlich war nach dem Kranken-Journal, worauf ich deshalb absichtlich schon oben aufmerksam gemacht, dass die Str. vom Augenblicke der Chloroformirung nie wieder ganz zur freien Besinnlichkeit zurückgekehrt war; thatsächlich war die, durch die Section nachgewiesene Blutzersetzung. Aber, abgesehen davon, dass sich mein Gewissen dagegen sträubte, die Aerzte des Krankenhauses dem richterlichen Laien gegenüber einer solchen positiven, directen, activen Mitwirkung am Tode zu beschuldigen, so lag doch auch eine so unzweifelhafte, materielle tödtliche Krankheit — Pleuritis exsudativa universalis — vor, dass darin ein weit sicherer Halt gefunden werden konnte.
Nachdem wir im Gutachten ausgeführt, dass und wie die Verletzung diese tödtliche Krankheit bedingt habe, und dass folglich die erstere die Ursache des Todes gewesen, dass aber eine allgemeine Nothwendigkeit desselben nicht anzunehmen, da bei einer „kräftigen und gesunden“ Person, wie denata, eine sofort, wie hier, angestellte kunstgemässe Amputation sehr häufig Lebensrettung erzielt habe, dass aber auch keine nachweisbaren Momente der Individualität vorhanden gewesen, die den Tod gerade bei der Str. als eine Nothwendigkeit anzunehmen zwängen, dass endlich von „äussern Schädlichkeiten“, die auf die Verletzte eingewirkt, wie grobe Diätfehler, Abreissen des Verbandes u. s. w. Nichts bekannt geworden, und dass[S. 74] sonach, im Sinne der drei Fragen, nur noch „der Mangel eines zur Heilung erforderlichen Umstandes“ zu erwägen bliebe, fuhren wir fort: „Hierunter zeigen nun allerdings die Aufzeichnungen im Krankenhaus-Journal einige auffallende Umstände. Dass dasselbe nicht mit der gehörigen Genauigkeit geführt, ergiebt sich, ausserdem, dass darin des Zustandes der Athmungswerkzeuge nirgends Erwähnung geschieht, noch daraus, dass von den drei wichtigen Tagen vom 19. bis zum 22. December über den Zustand der Kranken darin gar Nichts verzeichnet ist. Das Journal aber ist nichts Anderes, als der niedergeschriebene Hergang der Krankenbehandlung, und aus den Lücken des erstern darf auf die der letztern zurückgeschlossen werden. Wir können namentlich nicht umhin, darauf aufmerksam zu machen, dass der Zustand der schwer kranken Str., sowohl die, wie es scheint, wenig beachtet gewesene Brustfellentzündung, als auch das schwere Allgemeinleiden, wohl energischere, innere Mittel erfordert hätten, als diejenigen, welche administrirt worden, und die sich auf kühlend-abführende Mittel beschränkten, dem nur Einmal ein energischeres, das Calomel, substituirt ward, dessen allgemeine Dosis aber gleichfalls nicht aus dem Journal hervorgeht, und dem endlich erst kurz vor dem Tode ein nicht starkes Arnica-Infusum mit dem ganz unbedeutenden Zusatz von einem Quentchen Salmiak auf 13 Loth Flüssigkeit folgte. Obducenten sind sehr weit von der Annahme entfernt, dass ein anderes Heilverfahren die durch die Verletzung selbst schon auf’s Lebensgefährlichste Erkrankte hätte gerettet haben müssen, oder auch nur höchst wahrscheinlich gerettet haben würde, allein sie durften die hervorgehobenen Mängel nicht unberücksichtigt lassen bei ihrer Beurtheilung des Falles und dem[S. 75] ihnen vorgelegten gesetzlichen Beurtheilungs-Maassstabe, da wenigstens eine Möglichkeit der Lebensrettung bei einer genauern Würdigung des Krankheitsfalles nicht in Abrede zu stellen ist, und, wie wir nachgewiesen, eine andere Anwendung der drei Fragen hier gar nicht statthaft ist.“
In den beiden folgenden und letzten Fällen aus dieser Rubrik wurde weder ich, noch soll es der Leser ferner in dieser Centurie werden, behelligt durch diese Lethalitätsfragen.
Angeblich tödtliche Misshandlungen.
Ein Arrestant sollte von seinem Mitgefangenen gemisshandelt, und der Tod eine Folge dieser Misshandlungen gewesen sein. Die Leiche zeigte äusserlich nur Narben früherer chirurgischer Heilmittel, aber Nichts, was auf eine Gewaltthätigkeit hätte schliessen lassen können. Das Gehirn bot eine gewisse Blutfülle, sonst keine Abnormität dar. In der Brust war die rechte Lunge roth hepatisirt, die linke normal. Die Leber zeigte sich sehr gross; der Gallengang war durch ein Faserstoffgerinsel verschlossen, dergleichen sich auch in der Gallenblase vorfanden, die vollkommen gallenleer war, aber eine Menge kleiner Gallensteine enthielt, und deren Wände hypertrophisch waren. Das Merkwürdigste war der Befund in der Milz. Sie war 11 Zoll lang, 6 Zoll breit, 3 Zoll dick, und wog 3 Pfund 18 Loth Civil-Gewicht. Ihre Substanz glich einer frischen Schlackwurst. Nieren und Vena cava waren höchst auffallend blutreich. — Es musste geurtheilt werden, dass dem Denatus kurz vor dem Tode Misshandlungen nicht zugefügt worden, und dass, wenn dies früher der Fall[S. 76] gewesen sein sollte, dieselben keinen Einfluss auf dessen Tod gehabt haben könnten.
Aehnlich war der Zusammenhang im
Angeblich tödtliche Misshandlungen.
Ein 12jähriger geistesschwacher Knabe sollte tödtlich gemisshandelt worden sein. Fast die ganze rechte Hälfte des Kopfes der Leiche war roth und geschwollen, und eben so geröthet, aber nicht geschwollen, war der Nacken. Sugillationen fanden sich bei Einschnitten in diese Stellen nicht, wohl aber an zwei Stellen in der Kopfschwarte. Oedema pedum und decubitus deuteten auf vorausgegangene längere Krankheit. Von eigentlichen Verletzungen fand sich äusserlich Nichts. Im Gehirn war der linke Thalamus nerv. optic. theilweise breiig erweicht. Die übrigen Befunde waren die normalen. Das Gutachten ging dahin, dass der Knabe an innerer Krankheit, höchstwahrscheinlich Hirnerweichung, gestorben sei, dass aber nicht mit Gewissheit bestimmt werden könne, ob demselben während des Lebens Misshandlungen zugefügt worden.
Wenn, allerdings mit Ausschluss der hierher gehörigen Fälle, die weiter unten in den Rubriken betreffend den Ertrinkungstod und die Todesarten Neugeborner erwähnt werden sollen, auch in dieser Centurie nur elf mal Erstickung[S. 77] und Schlagfluss als Todesursache vorkam, so habe ich bereits im ersten Hundert (S. 76) angeführt, wie die Lage unserer Gesetzgebung es erklärt, dass die thatsächlich häufigsten unter allen gewaltsamen Todesarten verhältnissmässig so selten zur Cognition der Gerichtsärzte kommen. Nicht anders nämlich geschieht dies, als wenn die Schuld eines Dritten an dem Tode erwiesen, oder wenigstens muthmaasslich vorhanden ist. Eine grosse Anzahl von Selbstmördern haben wir hier, wo eine eigene, gut eingerichtete Todtenschau-Anstalt (morgue) im amtlichen Obductionslokale besteht, fortwährend ausseramtlich zu besichtigen und zu untersuchen Gelegenheit; diese reiche Quelle der Belehrung entgeht aber leider! wohl den meisten unserer Collegen in den Provinzen. Solche Fälle indess aus dieser Rubrik, welche zu amtlichem Einschreiten Veranlassung geben, bieten dafür dann auch meistens ein erhöhtes Interesse dar, wie es der folgenden Reihe nicht abzusprechen sein dürfte, in welcher wir dreier Mordthaten und zweier zweifelhafter Morde zu erwähnen haben.
Mord durch Erstickung.
Eine 68 Jahre alte, sehr reiche Frau lebte ganz allein in einem sehr zahlreich bewohnten, stets offenem Hause in einer der verkehrreichsten Strassen Berlins, nur bedient von einer, täglich Morgens zu ihr kommenden Aufwärterin. Am 29. October 18— wurde diese alte Frau todt, mit Bettstücken ganz bepackt, in ihrem Bette, und in den Zimmern die erschütterndsten und unzweideutigsten Beweise eines an ihr verübten Raubmordes vorgefunden. Kisten und Kasten, Schränke und andere Behälter standen geöff[S. 78]net und ihres Inhaltes beraubt, überall umher, Papiere waren in den Zimmern verstreut, und nebenan in einer dunkeln Schlafkammer lag die Leiche, die wir, unmittelbar nach dem Auffinden, d. h., wie sich aus der langen Untersuchung mit höchster Wahrscheinlichkeit ergab, etwa 30 Stunden nach dem Tode, in folgendem Zustande antrafen. Die Verwesung war (bei der ziemlich hohen Temperatur) bereits so vorgeschritten, dass der ganze Kopf schwarzgrün erschien. Die Augen, mit stark gerötheter Bindehaut, prominirten, und die etwas angeschwollene Zunge ragte drei bis vier Linien zwischen den Lippen hervor. Am Halse wie auf der halb entblösst gefundenen Brust zeigte sich bereits an vielen Stellen Ablösung der Epidermis aus Fäulniss. Ausserdem liessen sich an der linken Halsseite an mehreren Stellen frische Zerkratzungen wahrnehmen. Zwei bis drei Flecke an diesem Theile zeichneten sich in der Verwesungsfarbe durch dunkle Röthe aus und gaben die vorläufige Vermuthung, dass hier Fingerdruck eingewirkt habe. Nach einer Strangulationsmarke, die unter den obwaltenden Umständen schwer zu finden gewesen sein würde, ward sehr genau, jedoch vergeblich, geforscht. Beide Hände waren auf dem Rücken mit einem gewöhnlichen Handtuche, das wir in diesem Augenblick zu lösen nicht befugt waren, sehr fest zusammengeknebelt. Um die Unterschenkel war über Strümpfen und Unterröcken ebenfalls ein Stück Cattun festgeschlungen. Diese Lage der Leiche liess sogleich mit Wahrscheinlichkeit auf mehrere Verbrecher schliessen.
Die gerichtliche Obduction geschah erst am folgenden Tage. Die Verwesung war nun bereits auf’s Höchste gestiegen, namentlich waren die Gesichtszüge durchaus unkenntlich geworden, und die Brüste erhoben sich wie zwei[S. 79] ganz aufgeblasene Rindsblasen, ein mir ganz neues Ergebniss der Fäulniss. Die sehr angeschwollene Zunge ragte heute zwei Zoll aus dem Munde hervor, und war schwarzgrün. „In der rothbraunen Farbe des Halses lassen sich links in der Mitte des Schlüsselbeins und einen Zoll vom Acromion entfernt zwei ovale, resp. einen halben und ein Drittel Zoll lange schwarze Flecke erkennen, welche härtlich zu schneiden sind, und noch eine geringe Sugillation wahrnehmen lassen. An beiden Handgelenken ist von einer Strangmarke Nichts zu entdecken; jedoch zeigt sich auf dem Ballen der linken Hand eine unregelmässig rundliche, zollgrosse, sugillirte Stelle von bläulicher Farbe. Der Rand der Lippen erscheint zwar schwarzblau, jedoch nicht sugillirt.“ Fremde Körper befanden sich in der Mundhöhle nicht. Die Sinus und Venen in der Schädelhöhle und im Gehirn waren blutleer, nirgends ein Extravasat oder sonstige Anomalie. — Den Befund in der Brusthöhle entnehme ich wieder wörtlich dem Obductions-Protokolle: „Luftröhre und Kehlkopf, ihrer ganzen Länge nach aufgeschnitten, sind vollkommen unverletzt, und erscheint ihre Schleimhaut dunkelroth-bräunlich gefärbt. Die noch warmen Lungen sind gesund, und enthalten eine nur geringe Blutmenge. Im linken Brustfellsack zeigt sich ein Loth Blutwasser. Im Herzbeutel findet sich nur wenige wässrige Flüssigkeit. Das ziemlich grosse Herz ist ungewöhnlich fett, und in seinen sämmtlichen Höhlen vollkommen blutleer. Auch die Halsvenen sind vollkommen blutleer, ebenso wie die grossen Venen der Brusthöhle. Mund und Rachenhöhle bieten nichts Auffallendes.“ Auch die ganze Bauchhöhle zeigte eine auffallende Wärme, und alle ihre Organe waren stark verwest. Die blutreiche Leber war schon mit Fäulnissblasen besetzt, die Milz und[S. 80] selbst die Nieren breiartig, alle übrigen Baucheingeweide blutleer, und nur die Vena cava enthielt noch „viel und zwar dunkles und flüssiges Blut“.
Auch hier also wieder, wie so häufig in der gerichtsärztlichen Praxis, namentlich bei Wasserleichen, und worauf ich schon früher beim Ertrinkungstode aufmerksam gemacht habe[10], Erstickungstod, ohne dass dessen wesentlichste Kriterien aufgefunden und nachgewiesen werden können, da sie der Verwesungsprocess verwischt hat. Unzweifelhaft war doch in diesem Falle, wie alle Umstände erwiesen, Erstickung die Todesart der Ermordeten gewesen. Aber das Blut war zum grössten Theile überall verdunstet, daher nichts weniger als jene sonst charakteristische suffocatorische Hyperämie in den Lungen und im rechten Herzen, da vielmehr jene nur (noch) eine „geringe Blutmenge“ enthielten, und das Herz in allen Höhlen (schon) „vollkommen blutleer“ war; nichts weniger als die, bei Erstickten, wenn nicht constante, so doch sehr häufige secundäre Hyperämie im Gehirn, das auch hier vielmehr (schon) blutleer war. Aus eben diesem Grunde lassen sich in allen solchen Fällen, und liessen sich auch hier nicht aus der Beschaffenheit des Kehlkopfes und der Luftröhre Beweise für den suffocatorischen Tod entnehmen, da der weisse oder blutige Schaum, das Gemenge von Luft, Bronchialschleim und Blut, der jede Art des Erstickungstodes charakterisirt, gleichfalls durch den Verwesungsprocess früh verdunstet, und auch hier verdunstet war. Endlich kann ich wiederholt nicht genug darauf aufmerksam machen, dass man sich in Betreff des höchst wichtigen Zeichens, der Färbung der Schleimhaut[S. 81] der Luftröhre bei Erstickten, nicht durch den Verwesungsprocess täuschen lasse. Bei ganz frischen Leichen von Erstickten fehlt niemals, ich glaube dies behaupten zu dürfen, und ist jederzeit nachweisbar eine allerdings mehr oder weniger starke Anfüllung der feinsten Venen der Tracheal- und Laryngeal-Schleimhaut, welche dann ein hellroth-geädertes Ansehen zeigt. Aber — ich erinnere mich nicht, dies schon irgend erwähnt gefunden zu haben — die Luftröhre ist dasjenige innere Organ, das am frühesten von der Verwesung ergriffen wird (s. unten die Corollarien), und zeigt sie dann in allen Fällen eine kirschbraunrothe Färbung, die also lediglich der Fäulniss, keinesweges etwanigen Stasen oder hyperämischer Congestion beizumessen ist, und diese, wo sie etwa vorhanden gewesen, vollkommen verdeckt und unkenntlich macht.
Auf den vorliegenden Fall zurückzukommen, hat der obige Auszug aus dem Obductions-Protokoll gezeigt, in welchem hohen Grade die Leiche bereits in Verwesung vorgeschritten war, und wie deshalb auch hier die wesentlichsten Merkmale zur gerichtsärztlichen Feststellung des Thatbestandes des muthmaasslichen Erstickungstodes verwischt waren. Nichts desto weniger nahmen wir keinen Anstand, denselben als gewiss anzunehmen, und fügen, mit Uebergehung derjenigen Sätze, die das hier soeben Ausgeführte in Anwendung auf den concreten Fall mittheilten, auszugsweise die betreffenden Stellen aus dem Obductions-Berichte hier an: „Denn einmal ist zunächst so viel gewiss, dass die N. N., welche ihr Sohn noch am 27. October Abends ganz gesund verlassen hatte, keines andern Todes als durch Erstickung gestorben, da die Section auch nicht einmal eine Andeutung, geschweige[S. 82] eine Gewissheit eines andern Todes geliefert hat. Sodann haben sich aber trotz der Verwesung noch einige Resultate ergeben, die gerade dem Erstickungstode eigenthümlich sind. Wir meinen die zwei Zoll hervorragende und geschwollene Zunge, die noch warmen Lungen, die auffallend hohe Temperatur in der Bauchhöhle, der Blutreichthum der Leber, und die starke Anfüllung der untern Hohlader mit dem, der Erstickung so eigenthümlichen dunkeln und flüssigem Blute. — Aber auch die Veranlassung zu einem Erstickungstode hat die Untersuchung der Leiche nachgewiesen. Wir rechnen hierhin die Lage, in welcher dieselbe auch von uns selbst aufgefunden worden, d. h. die Hände auf dem Rücken festgeknebelt, die Unterschenkel über den Kleidern zusammengebunden, der Kopf in die Kopfkissen hineingedrückt, Umstände, die eine gewaltsame Behandlung des Körpers nachweisen, und zweitens und namentlich die im Obductions-Protokoll geschilderten beiden Flecke am Halse, welche, trotz des hohen Verwesungsgrades, da sie noch hart zu schneiden waren, und selbst bei Einschnitten noch eine, wenn auch geringe Sugillation nachwiesen, deutlich auf eine äussere Gewalt, die hier eingewirkt, höchst wahrscheinlich Druck durch zwei Finger, zurückschliessen lassen. Ob nun eine solche örtliche Gewalt den Erstickungstod bewirkte, wozu dieselbe, wie allgemein bekannt, sehr füglich ausreichte, oder ob die Kissen, in welche der Kopf der Leiche versenkt gefunden, die Suffocation veranlasst haben, was um so möglicher geschehen konnte, als angenommen werden muss, dass die Gemisshandelte bereits durch jenen Druck auf den Hals asphyctisch geworden, muss nach den blossen Ergebnissen der Leichenöffnung dahin gestellt bleiben.“
Zur Ergänzung des tragischen Falles erwähne ich,[S. 83] dass drei des Mordes verdächtige Individuen, ein Mann und zwei Weiber, auf die Anklagebank kamen, aber wegen mangelnden Beweises, obgleich die gewichtigsten Gründe für ihre gemeinschaftliche Thäterschaft sprachen, nur wegen der ihnen nachgewiesenen „Theilnahme an den Vortheilen eines Raubmordes“ zu langwierigen Zuchthausstrafen verurtheilt worden sind.
Erstickungstod aus innern Ursachen.
Kein besonderes Interesse bot folgender Fall. Ein 40jähriger Schiffssteuermann war, nach der Aussage des zweiten Schiffers, der mit ihm auf dem Kahne zusammen und allein gewesen war, angeblich todt umgefallen. Da die Angabe etwas verdächtig erschien, so wurde die gerichtliche Obduction verfügt. Wir fanden sehr exquisite Zeichen des Erstickungstodes: strotzende Anfüllung der Lungen (Lungen-Apoplexie), des rechten Herzens und seiner Kranzvenen mit dunkelm ganz flüssigem Blute, röthlichen Schaum in der schon verwesungsbräunlich gefärbten Luftröhre, und nur mässige Anfüllung der Hirnvenen und Sinus. Und da keine Spur einer Verletzung oder sonstigen äussern Gewalt am Leichnam zu finden war, so mussten wir Tod durch Erstickung aus innern Ursachen annehmen. Rein medicinisch war es allerdings ungewöhnlich, einen kräftigen, organisch ganz gesunden Mann so plötzlich aus rein innern Ursachen suffocatorisch sterben zu sehen. Vielleicht mochte die grosse Hitze eines Augusttages, verbunden mit heftigen, körperlichen Anstrengungen beim Rudern und Steuern, vielleicht auch bei Mitwirkung von Branntweingenuss, Veranlassung gegeben ha[S. 84]ben. Doch konnte dies Alles für den Richter nicht mehr von Interesse sein, nachdem die Erklärung abgegeben war: dass eben der Tod nur aus innern Ursachen erfolgt war, und hüteten wir uns um deswillen wohl, jenen muthmaasslichen Veranlassungen im vorläufigen Gutachten — ein motivirtes wurde später nicht gefordert — Erwähnung zu thun. Der gerichtliche Arzt hat nicht selten Fälle wie den vorliegenden zu behandeln. Aus meinen amtlichen Stellungen ist mir bekannt, wie oft dergleichen Fälle, gerade weil sie zu einfach scheinen, von den forensischen Aerzten zum Nachtheil der Sache und ihrer selbst unrichtig aufgefasst werden.
Nothzucht und Mord durch Strangulation.
Ein seltenes Doppelverbrechen gab zu folgendem Obductionsfalle Veranlassung, dessen Begutachtung, wie man ersehen wird, gewiss nicht zu den leichtesten gehörte. Man fand im Mai 18— in einem Zimmer einer der belebtesten Strassen Berlins zwei Leichen, eine männliche und eine weibliche. Letztere war die eines 17jährigen Mädchens, welches angeblich genothzüchtigt und nachher erdrosselt worden sein sollte. Neben dieser Leiche lag die des Arbeitsmannes N., des muthmaasslichen Doppelverbrechers, mit abgeschossenem Kopfe, welche Leiche nicht obducirt worden ist, und von der wir nur bemerken müssen, dass sich am Penis weder Spuren von Saamenerguss, noch sonst etwas Beachtungswerthes vorgefunden hat. Die weibliche Leiche ergab an wesentlichen Obductionsbefunden folgende: Die Farbe des Körpers war die gewöhnliche Leichenfarbe; am Rücken zeigten sich bereits grüne Verwesungsflecke. Die etwas angeschwollene Zunge[S. 85] ragte zwei Linien weit vor den Zähnen hervor; fremde Körper waren weder im Munde, noch in den übrigen natürlichen Höhlen; aus dem After war Koth ausgeflossen; aus der Vagina liess sich durch gelinden Druck ein weisslicher Schleim entleeren, welcher, mikroskopisch untersucht, nichts Anderes als Epithelium-Trümmer bemerkbar machte. „Auf der rechten Seite des Halses, dicht unter dem Unterkieferrande, befindet sich eine braungelbe, (mit Unterbrechung von 1⁄3 Zoll) vier und einen halben Zoll lange, einen halben Zoll messende Marke, welche unter dem Unterkieferwinkel endet. An ihrem Ende zeigt sich eine ebenso braungelbe, schräg nach unten verlaufende, 3⁄4 Zoll lange Marke, und endlich befindet sich gegen den Nacken hin eine eben solche, einen halben Zoll lange Marke. Wiederholte Einschnitte in diese Stellen ergeben keine Sugillation. An der linken Halsseite, vom Unterkieferwinkel nach dem Nacken, zeigen sich zwei parallel über einander verlaufende, drei Zoll lange, einen Viertel Zoll breite, rothbläuliche Streifen, die ebenso wenig, wie die zuvor geschilderten, eine Furche bilden. Einschnitte in diese nicht hart zu schneidenden Stellen ergeben gleichfalls keine Sugillation.“ Gesicht und Lippen der Leiche waren bleich, nicht geschwollen, die Augen nicht prominirend, die Scheide nicht klaffend, ihr Eingang noch geschlossen durch das sehr erweiterte kreisförmige Hymen, an dessen obern und untern Segmenten kleine Einrisse deutlich sichtbar. Die Schleimhaut der kleinen Labien war hellroth gefärbt, Einschnitte ergaben aber keine Blutunterlaufung. Der ganze Rand des Hymen war graugelblich verfärbt von beginnender Verwesung. Frisches oder angetrocknetes Blut zeigte sich an oder in den Genitalien nicht. Verletzungen, ausser den geschilderten am Halse,[S. 86] waren überall an der Leiche nicht wahrnehmbar. — Kopf: die harte Hirnhaut war wenig, die pia mater „in nicht gewöhnlichem Maasse“ blutreich, sämmtliche Sinus fast blutleer. Beide Gehirne normal und ziemlich, wenn auch nicht ungewöhnlich, blutreich. Brust: „Kehlkopf und Luftröhre sind unverletzt; letztere, in ihrer ganzen Länge geöffnet, zeigt keinen Inhalt und eine dunkelbraunrothe“ (Verwesungs-) „Färbung ihrer Schleimhaut.“ In beiden Pleurasäcken 2–3 Unzen eines dunkeln, flüssigen Blutes. „Die Lungen zeichnen sich nicht durch eigenthümliche Färbung aus, sind knisternd und gesund, und ist auch ihr Blutgehalt kein ungewöhnlicher.“ Die Substanz des Herzens ist welk, seine Kranzadern „und seine sämmtlichen Höhlen sind blutleer“. Ebenso zeigen sich die grossen Venenstämme blutleer. Bauch: Hier heben wir aus dem Protokoll nur hervor, dass die Leber bleich war, der Magen vollkommen ausgestopft mit Kartoffelbrei, die Nieren nicht blutreich (wie ich sie bei Erstickten zu finden pflege, vgl. 1. Hundert, S. 78 und 81), der Darmkanal bleich, nirgends Stasen zeigend, die Blase leer, die Vena cava blutleer, der Uterus jungfräulich, beide Ovarien, von Wallnussgrösse, Hydatiden enthaltend (bei einer 17jährigen Jungfer!). Nach einem vorgelegten ärztlichen Atteste sollte die Leiche mit geknebelten Händen und mit einem Strick um den Leib gefunden worden sein; Spuren solcher Gewalt waren aber an der Leiche durchaus nicht wahrnehmbar.
Wir glaubten die Todesart der Gemordeten am besten durch den negativen Beweis feststellen zu können, und äusserten uns im summarischen Gutachten am Schlusse des Obductions-Protokolles wörtlich dahin: „1) dass weder Erstickung noch Blutschlagfluss die Ursache des Todes[S. 87] der Denata gewesen; 2) dass ebenso wenig eine innere organische Krankheit denselben herbeigeführt habe; 3) dass auch für eine Vergiftung kein einziges der vorgefundenen Ergebnisse spreche; 4) dass trotz der allgemeinen Blutleere, bei dem Mangel einer bedingenden Verletzung, auch die Annahme eines Verblutungstodes auszuschliessen; 5) dass folglich ein Nervenschlag als Ursache des Todes anzunehmen sei; 6) dass die Verletzungen am Halse sich so verhalten haben, wie sich dieselben in der grossen Mehrzahl aller Fälle bei lebendig Erhängten oder Erdrosselten zu verhalten pflegen[11], und dass demnach 7) unter Berücksichtigung alles Vorstehenden und des Umstandes, dass der Erhängungs- und Erdrosselungstod in nicht seltenen Fällen den Tod durch Nervenschlag herbeiführt, angenommen werden muss: dass Denata durch Erdrosselung ihren Tod gefunden habe; 8) dass die muthmaasslich vor dem Tode geschehene Nothzüchtigung derselben aus den Ergebnissen der Obduction nicht mit Sicherheit erhellt, dass eine vollständige Immission gewiss nicht erfolgt ist, dass jedoch unzüchtige Berührungen der Geschlechtstheile kürzere Zeit vor dem Tode allerdings als wahrscheinlich erfolgt anzunehmen sind.“
Der Fall ist hiernach nicht weiter gerichtlich verfolgt worden.
Tod durch Schlagfluss nach einer Balgerei.
Der 40jährige Webergeselle W. war zwei Tage nach einer Balgerei nach dreistündiger Krankheit gestorben. Die[S. 88] Section ergab Schlagfluss, wirkliche Hirn-Hämorrhagie, nämlich ein drei Zoll grosses, rundes, liniendickes Extravasat von geronnenem Blute auf der linken Hemisphäre. An äussern Spuren von Misshandlungen u. s. w. fand sich Nichts, als einige unbedeutende Zerkratzungen an der Nase und rechten Backe. Es musste angenommen werden, dass die Ursache des tödtlichen Schlagflusses aus der Obduction sich nicht ergeben habe, dass aber die zwei Tage vorher Statt gehabte Balgerei nicht die Veranlassung dazu gewesen, was sich um so mehr rechtfertigte, als mitgetheilt ward, dass denatus nach der Rauferei und bis wenige Stunden vor seinem Tode ganz vollkommen gesund geblieben war, dass er aber seit Jahren epileptisch und fast immer betrunken gewesen sei. Dass diese Momente eine endliche tödtliche Hirnblutung erzeugen konnten, bedarf hier keiner weitern Ausführung.
Selbstmord durch Erhängen.
Auch dieser, wie der nachfolgende Fall von Strangulationstod bestätigen wieder die jetzt wohl nirgends mehr bezweifelte Behauptung, dass die Strangmarke bei unzweifelhaft lebendig Erhängten oder Erdrosselten in der Regel nicht, und nur in seltenen Fällen sich sugillirt zeigt. Eine noch sehr rüstige, höchst fette, 70jährige Frau hatte sich in der Nacht erhängt. Der herbeigerufene Arzt fand Bedenken, den Todtenschein zu ertheilen, und so wurde die gerichtliche Obduction veranlasst, welche apoplectische Congestion, zumal in sämmtlichen Sinus, aber keine Erstickung als Todesursache ergab; denn die Lungen waren bleich und blutarm, wie das rechte Herz, das linke war[S. 89] ganz leer, die grossen Venenstämme sehr blutarm, die Luftröhre bleich und leer. Aber der Kopf war ganz blauroth, die Lippen stark sugillirt, und die etwas geschwollene Zunge überragte die Zähne. Was nun die Strangulationsmarke betrifft, so zeigte sich eine rings um den ganzen Hals laufende Furche, was sehr selten ist, da in den meisten Fällen die Rinne unterbrochen erscheint. An der rechten Halsseite war dieselbe in der Länge eines Zolles bläulich, sehr schwach sugillirt und weich zu schneiden; dagegen erschien sie am Nacken in der auffallenden Breite von drei Viertel Zollen und, wie gewöhnlich, mumificirt, d. h. schmutzig-gelbbraun, pergamentartig zu schneiden und unsugillirt. Der Fall giebt einen neuen sichern Beweis der Irrigkeit der früher aufgestellten Behauptung, dass die verschiedene Beschaffenheit der Strangulationsmarke bedingt sei durch die verschiedenen Stoffe der Strangwerkzeuge, da wir hier an demselben Individuum, also durch ein und dasselbe Strangulations-Instrument, theilweise eine weiche, bläuliche, theilweise eine pergamentartige, mumificirte Rinne gebildet sehen.
Zweifelhafter Selbstmord durch Herzbeutelwunde und Erhängen.
Man hatte eine 34 Jahre alte, als schwermüthig bekannte und in unglücklichen Verhältnissen lebende Jungfer in ihrer von innen verriegelten Stube am Fenster erhängt gefunden. Obgleich, wie man sieht, diese Umstände für Selbstmord sprachen, so erschien es doch auffallend, dass sich an der Brust der Leiche zwei Wunden zeigten, und dass auf dem Tische ein Waschbecken mit blutigem Wasser stand, und daneben ein blutiger Schwamm lag. Die[S. 90] Zweifel zu lösen wurde die Obduction verfügt. Die von oben nach unten verlaufenden Wunden an der linken Brustseite waren zwischen der siebenten und achten Rippe eingedrungen, und hatten scharfe, nicht sugillirte Ränder. Ihrer Lage entsprechend fanden sich im Pericardium zwei fast ganz gleich grosse, d. h. 3⁄4 Zoll lange, scharf geränderte, nicht sugillirte Verletzungen; ein ungewöhnlicher Erguss in den Herzbeutel fand sich nicht. An der Spitze der dünnen Fettschicht, die das Herz umkleidete, sah man deutlich eine viertelzolllange, scharf geränderte Trennung der Fettschicht. Wie wenig fehlte sonach, um den schnellsten Tod zu veranlassen! Er war aber nicht dadurch, sondern durch das Erhängen bewirkt worden. Die, wie gewöhnlich, schmutzig gelbbraune, pergamentartig zu schneidende, durchaus unsugillirte Strangmarke lief, mit einer Unterbrechung von zwei Zollen, um den ganzen Hals. Auf der linken Seite war sie nur zwei Linien breit und tief, auf der vordern Halsfläche dagegen einen Viertel Zoll und an einzelnen Stellen sogar einen halben Zoll breit, aber überall ganz flach. Diese Beschaffenheit war, im Vergleich zu dem benutzten Werkzeug, sehr interessant. Letzteres war ein wollener Shawl, also weich und breit, hatte aber gehäkelte und dadurch ziemlich scharfe und harte Ränder. Von der äussern Besichtigung führe ich noch die Lage der Zunge hinter den Zähnen, die anfangende Verwesung, die jungfräuliche Beschaffenheit der Genitalien und den Befund an, dass die rechte Hand etwas mit angetrocknetem Blute befleckt war. Das Herz war fast blutleer, die gesunden Lungen blutarm, die Luftröhre leer und bleich, das Blut im Körper nicht ungewöhnlich flüssig, gewiss also kein Erstickungstod vorliegend. Aber auch das Gehirn und seine Meningen waren,[S. 91] wie die Sinus, eher blutarm als apoplectisch gefüllt. Der Unterleib ergab gar nichts Ungewöhnliches. Wir sehen hier sonach den nicht häufigen Fall, wo Strangulation durch reine Nervenlähmung tödtet, an welcher die ganze körperliche und geistige Beschaffenheit des Individuums und namentlich die vorangegangene, schwere Verwundung ihren Antheil gehabt haben mögen. Dass mit dem vorgelegten Shawl und Tischmesser, das scharf und spitz und mit trocknem Blute befleckt war, die vorgefundenen Verletzungen hatten bewirkt werden können, mussten wir natürlich unzweifelhaft annehmen. Wir nahmen aber auch keinen Anstand, den Selbstmord zu constatiren. Die von innen verriegelte Thüre war allerdings, da sie kein gerichtsärztliches Moment, als Beweis nicht zu benutzen. Das Blut an der rechten Hand aber, die Direction der Brustwunden von oben nach unten, der Umstand, dass eine grosse Uebermacht dazu gehört, um einen lebenden, besinnlichen, erwachsenen, nur mässig kräftigen Menschen gewaltsam aufzuhängen, dass aber von dergleichen angethaner Gewalt nicht die geringste Spur gefunden worden, während nicht angenommen werden konnte, dass die Person etwa erst nach dem Tode aufgehängt worden sei, da die Herzbeutelwunde sie wohl hätte tödten können, aber sie doch nicht getödtet hatte, rechtfertigte unsern Ausspruch. Wenn wir auf Befragen noch äusserten, dass Denata, nachdem sie sich die Brustwunden beigebracht, sehr füglich sich noch habe waschen und dann aufhängen können, so wird dies nicht bestritten werden wollen. Der Fall giebt aber einen neuen Beweis zu den so vielen ältern, für die Zähigkeit des Vorsatzes bei Selbstmördern, wofür der ziemlich ähnliche 20. Fall in der ersten[S. 92] Centurie (erst ein Erschiessungsversuch, dann Ertränken) gleichfalls einen Beleg lieferte[12].
Zweifelhafter Selbstmord durch Erhängen.
War aber auch in folgendem merkwürdigen Falle der Nichtmord mit solcher Gewissheit, wie im vorhergehenden, anzunehmen? Ich nenne den Fall merkwürdig, weil er der Einzige unter so vielen bis heute mir vorgekommenen ist, von Erhängung in vollkommen auf dem Fussboden stehender Stellung des Strangulirten. Die Möglichkeit eines solchen Vorganges kannte man namentlich aus der meisterhaften Abhandlung des verstorbenen Marc im 5. Bande der Annales d’Hygiène publique und den Abbildungen von erhängt gefundenen Selbstmördern in Fig. 1., 2., 3., 4. und 7., in welchen Fällen sämmtlich entweder Ein Fuss oder beide mehr oder weniger ganz und platt den Boden berührten.
Der Arbeitsmann B., der mit seiner 43jährigen Frau in sehr unglücklicher Ehe lebte, hatte, nach einer sehr stürmischen Scene später nach Hause zurückkehrend, angeblich die Frau am Fensterriegel erhängt gefunden. Sie stand mit beiden Füssen auf dem Fussboden platt auf, und hing, mit zur Seite gebeugtem Kopfe, in einem baumwollenen Halstuch, das in einen einfachen Knoten geschürzt war. Kopf und Gesicht der Leiche waren bleich,[S. 93] die Augen nicht prominirend, die Zunge zwischen den Zähnen eingeklemmt. An und in den contrahirten Händen, wie sonst am Körper, fand sich nichts Fremdartiges oder Auffallendes. Um den Hals zwischen Zungenbein und Kehlkopf herumgehend, aber den ganzen hintern Halstheil freilassend, verlief eine viertelzollbreite, flache, schmutzigbräunliche, lederharte, unsugillirte Marke. Die Lungen waren mit einem ganz flüssigen Blute strotzend, wie die grossen Venenstämme, angefüllt, und reichlich (aber ohne Ueberfüllung) enthielten das rechte Herz und die Kranzvenen Blut. Kehlkopf und Luftröhre waren innerlich leer und bleich. Die Kopfhöhle ergab nicht nur keine Hyperämie, sondern vielmehr das Gegentheil. Im Unterleibe aber waren die Leber, und ganz besonders auch hier wieder die Nieren sehr blutreich, die Blase leer, der Mastdarm etwas Koth enthaltend, der übrige Befund unerheblich. Wir mussten annehmen: 1) dass Denata durch Lungenapoplexie ihren Tod gefunden habe, 2) dass dieser durch Strangulation bewirkt worden, und 3) dass aus der Section allein die Frage vom Mord oder Selbstmord nicht mit einiger Gewissheit beantwortet werden könne, dass jedoch die Unmöglichkeit des Selbstmordes daraus keinesweges erhelle. Weiter glaubten wir nicht gehen zu dürfen. Denn der Fall war eben, wie gesagt, ein sehr wenig gewöhnlicher, und hier nicht, wie bei wirklich (in der Luft) Hängenden, eine so grosse Uebermacht eines Dritten als nothwendig vorauszusetzen. Die Möglichkeit, dass der, als sehr roh bekannte Ehemann die viel schwächere Frau im Streite an das Fenster bloss gedrängt, und sie hier, wo sie gegen die Fensterwand fixirt war, rasch mit ihrem Halstuch an den Riegel angeknüpft gehabt haben könnte, musste doch immerhin bestehen bleiben.
Erstickung aus innern Ursachen.
Eine 24jährige, unterhaltene Person war von ihrem Liebhaber angeblich todt in ihrem Bette gefunden worden. Der Verdacht, dass sie schwanger und vergiftet sei, wurde durch einige Umstände begründet. Die Schwangerschaft bestätigte sich nicht. Die äussern Geschlechtstheile nicht, wohl aber die innern waren jungfräulich. Als Ursache des Todes ergab sich Erstickung, die sich namentlich hier durch ein kirschrothes, wasserflüssiges Blut, strotzende Blutfülle der Nieren und des rechten Herzens kundthat; aber von einer gewaltsamen Veranlassung zur Suffocation war an und in der Leiche keine Spur zu finden. Unter den obwaltenden Umständen musste aber auch die chemische Analyse der Darmcontenta vorgenommen werden. Eine Untersuchung auf Pflanzengifte war freilich unthunlich geworden bei dem hohen Verwesungsgrade des Magens, Oesophagus und Duodenum, die, Behufs der Analyse, exenterirt worden waren; die Untersuchung wurde daher auf Metallgifte beschränkt. Die nicht sauer reagirenden Eingeweide wurden zerschnitten, mit einer Mischung aus 24 Gr. chlorsaurem Kali, 1 Loth reiner Salzsäure und der hinreichenden Menge destillirten Wassers übergossen, und die breiige Masse, unter Ersatz des verdampfenden Wassers, eine halbe Stunde lang gekocht; dann wurden die grössern Stücke durch Coliren entfernt, und nach Zusatz von 12 Gran chlorsaurem Kali das Erhitzen fortgesetzt, bis aller Chlorgeruch verschwunden war. Nach vollständigem Erkalten wurde filtrirt, der gelbliche pulvrige Rückstand (A) mit Aetz-Ammoniakflüssigkeit übergossen, und unter öfterem Umschütteln bei Seite gestellt. Ein Theil[S. 95] des klaren, weingelben Filtrats wurde mit zwei Theilen frischen und klaren Schwefelwasserstoff-Wassers gemischt; es entstand nicht der geringste Niederschlag, weshalb das übrige Filtrat mit Aetz-Ammoniak übersättigt, und Schwefelwasserstoff-Ammoniak zugesetzt wurde. Den entstandenen voluminösen schwarzgrauen Niederschlag liessen wir sich absetzen, wuschen ihn wiederholt mit destillirtem Wasser, und lösten ihn in Chlor-Wasserstoffsäure. Das Filtrat wurde unter Zusatz von Salpetersäure anhaltend gekocht, und nach dem Erkalten Aetz-Ammoniak im Ueberschuss zugesetzt. Es entstand eine weissliche Fällung, welche durch Filtriren abgesondert wurde. In der abfiltrirten Flüssigkeit erzeugte Schwefelwasserstoff-Wasser keinen Niederschlag. Die von dem Rückstand der ersten Lösung (A) abfiltrirte Aetz-Ammoniakflüssigkeit gab durch Zusatz von Schwefelwasserstoff-Ammoniak ebenfalls keinen Niederschlag. Hiernach konnte mit Gewissheit die Abwesenheit jedes metallischen Giftes in der Leiche behauptet werden.
Tödtung durch Erdrosselung. Zweifelhafter Selbstmord.
Nachstehend haben wir in der Reihe dieser Fälle zu gedenken des ungemein merkwürdigen Falles, den ich bereits in seiner ganzen Ausführlichkeit unter dem Titel: „Hat sich die verehelichte Claasen selbst erdrosselt, oder ist sie strangulirt worden?“ in Nr. 4., Jahrg. 1849, meiner „Wochenschrift“ veröffentlicht habe, und hier nun nur in seinen wesentlichsten Theilen wiedergeben kann. Die Frage von Mord oder Selbstmord war hier gewiss ungemein schwierig zu entscheiden, denn es lagen fast ebenso viele Beweise für die Schuld, wie für die Unschuld[S. 96] des angeklagten Ehemannes der Erdrosselten vor, und wir unsererseits mussten, freilich wie in allen Fällen, Sorge tragen, uns rein an den medicinisch-forensischen Thatbestand zu halten, und uns durch die nicht wissenschaftlichen Beweismittel nicht blenden zu lassen.
Die Tischlerfrau Claasen war Nachts in der Werkstatt neben der Hobelbank halb schräg nach der Seite und dem Rücken auf dem Fussboden liegend todt gefunden worden. Sie war vollständig, und zwar schwarz, angezogen, und hatte einen Bindfaden mehrfach um den Hals geschlungen, der auf der linken Seite fest zugeknotet war. In ihrem Gürtel steckten zwei beschriebene und mit ihrer Namensunterschrift versehene Blätter, in welchen sie ihren Entschluss verkündet, sich das Leben zu nehmen, und mehrere Male wiederholt: „mein Mann ist unschuldig“. Die Kleider waren glatt und ordentlich, das Haar aber hing zerzaust am Kopfe. Der anwesende Ehemann war stark angetrunken, und so wenig bestürzt, dass er bald darauf neben der Leiche Kaffee und Brod verzehrte. Er behauptete (und zwar bis zum Schlusse der ganzen Untersuchung) vollkommen schuldlos am Tode zu sein. Seine 7jährige Tochter aber sagte aus: ihr Vater habe die Mutter am Halse gepackt, sie aus der Stube in die Werkstatt, dann in die Kammer gezogen, und habe dann einen Bindfaden geholt, mit welchem er wieder in die Kammer gegangen sei, deren Thür er nun zugemacht. Nun sei er den Tag über wiederholt fortgegangen und zurückgekehrt, und habe auch den Kindern gedroht, sie todtzuschlagen, wenn sie etwas sagten. Zuletzt Abends habe er die Mutter in die Werkstatt geschleppt, und sie da neben die Hobelbank gelegt. Dann habe er das kleinste Töchterchen ergriffen, ihr eine Schnur um den Hals gelegt, und sei wieder fort[S. 97]gegangen, worauf sie der Schwester die Schnur gelöst habe.
Die wesentlichsten Leichenbefunde bei der Obduction, die fünf Tage nach dem Ableben der Claasen (aber im December) von uns verrichtet wurde, waren: Lage der Zunge hinter den Zähnen, hellgrüne Farbe des Bauches, Abwesenheit jeder Spur von Verletzungen, auffallend blaurothe Färbung der Scheide, flüssiger Koth am After, blauröthliche Färbung des ganzen Gesichts und der Ohren, dunkle Röthe beider Lippen mit einzelnen kleinen Hautabschilferungen. „Rings um den ganzen Hals läuft eine parallel laufende, doppelte, eine Linie tiefe Rinne, die überall bis zu den Dornfortsätzen der Halswirbel sichtbar ist.“ Diese Rinne war am vorderen Halstheile braunroth, hart, unsugillirt, an andern Stellen ganz bleich und weich zu schneiden. An keiner Stelle fand sich Sugillation. Dicht unter dem Unterkieferwinkel rechts zeigte sich in der Rinne ein rundlicher erbsengrosser, rötherer Fleck mit ganz unverletzter Haut, weich und unsugillirt. Die Lungen dunkler als gewöhnlich, und strotzend mit dunkelm, flüssig schäumendem Blute angefüllt. Rechtes Herz und Kranzadern, sowie die grossen Bruststämme, ebenfalls stark gefüllt, im linken Ventrikel nur ein halber Esslöffel desselben Blutes. Kehlkopf und Luftröhre vollkommen unverletzt und leer, aber ihre Schleimhaut „deutlich und ungewöhnlich injicirt“. Im Kopfe fand sich eine stark ausgesprochene Hyperämie, welche auch noch in den Nieren und grossen Venen des Unterleibes gefunden wurde. Es war sonach unzweifelhaft, dass denata durch Stick- und Schlagfluss, d. h. durch plötzliche Hemmung der Circulation, ihren Tod gefunden hatte, deren Erscheinungen in der Leiche ganz ungewöhnlich stark ausgeprägt waren,[S. 98] wie wir es in dem Maasse kaum je gesehen. Wir nahmen zunächst an, dass ein so exquisiter Stick- und Schlagfluss schon an sich auf eine gewaltsame Todesart hindeute, und beantworteten die vorgelegte Frage: ob die um den Hals gefundene Schnur ein geeignetes Werkzeug gewesen, um den Tod der Claasen zu bewirken? natürlich bejahend, da jedes strangulirende und fest umgelegte Band den Tod bewirken könne? Dagegen standen wir nicht an, zu behaupten, dass die Schnur den Tod hier nicht bewirkt habe, sondern, dass sie der Claasen erst nach ihrem Tode umgelegt worden. Der Bindfaden war 16 Zoll lang, und konnte den Hals nicht sehr fest eingeschnürt haben, vielmehr musste eine weit heftigere Gewalt vorausgesetzt werden, als welche z. B. ein rascher Druck mit einer kräftigen oder mit zwei Männerhänden angenommen werden könne. Der Mangel von Reactionsspuren am Halse dürfe nicht als Gegenbeweis aufgestellt werden, da oft die allererheblichsten Insultationen wohl die entsprechenden inneren Verletzungen verursachen, aber nicht eine Spur von Reaction auf der Oberfläche der Leiche sichtbar werden lassen.[13] Eben so könne es nicht auffallen, dass die Ermordete nicht geschrieen haben sollte, da sie, wie constatirt, eine kranke Person, der Mann ein höchst kräftiger, grosser und roher Mensch war, und hier Tödtung und Tod fast zusammenfallen mussten. Wir beleuchteten nunmehr die Beschaffenheit der Strangulationsmarke am Halse und zeigten, dass, wie (nach unseren eigenen und den Pariser Versuchen) kurze Zeit nach dem Tode eine Strangmarke noch künstlich producirt werden kann, die von solchen, wie sie sehr häufig bei lebend Er[S. 99]drosselten gefunden wird, gar nicht zu unterscheiden ist, so namentlich aber auch gerade hier der grösste Theil der vorgefundenen Strangrinne, wie oben beschrieben, nämlich die ganz weissen und weichen Stellen, sich vollends so verhalten habe, wie bei erst nach dem Tode gemachten Strangvertiefungen, dies Alles folglich nur die Annahme bestätige, dass der Tod der Claasen auf andere Art als durch den Bindfaden erfolgt, und dieser ihr erst nach dem Tode umgelegt war, muthmaasslich, um den Selbstmord wahrscheinlicher zu machen. Hiermit war eigentlich schon die dritte uns vorgelegte, die Hauptfrage, den etwanigen Selbstmord betreffend, erledigt. „Es mag indess“, sagten wir weiter, „nicht überflüssig sein, noch folgende Data, die gegen die Annahme einer Selbstentleibung sprechen, anzuführen, wobei wir Momente, wie die verdächtigen Scripten im Gürtel und andere, als nicht vor unser Forum gehörig, beseitigen.[14]“
„Der Knoten, der am hintern Theil der Schnur befindlich, ist schlingenartig und sorgfältig geschürzt, und auch am vorderen Knoten ist eine gewisse Sorgfalt nicht zu verkennen. Es ist nichts weniger als wahrscheinlich,[S. 100] dass ein Selbstmörder sein Strangwerkzeug auf diese ganz ungewöhnliche Weise vorbereiten, resp. schliessen sollte, wie es überhaupt nicht abzusehen, warum die Claasen, wenn sie ihren Tod durch Strangulation beschlossen gehabt, nicht die leichte und alltägliche Todesart durch Erhängen gewählt haben sollte, weshalb ja eben Selbsterwürgungen zu den seltensten Todesarten gehören. Wohl aber spricht abermals die Präparation dieser Schnur dafür, dass dieselbe erst nach vollendeter That und mit einem gewissen Zeitaufwande bereitet worden. Und was endlich die Lage betrifft, in der die Leiche gefunden worden, so ist es nicht schwer, die positive Unmöglichkeit darzuthun, dass die Aussage des Angeschuldigten, dass er denata so, wie sie neben der Hobelbank todt gefunden worden, als selbsterdrosselt aufgefunden habe, in der Wahrheit beruhen könne. Einmal nämlich ist gar nicht abzusehen, was die Claasen veranlasst haben konnte, wenn sie ihren Tod durch Selbsterdrosselung beschlossen, dies nicht in der Wohnstube auf dem Bette, auf welchem sie den ganzen Nachmittag gelegen hatte, zu thun, sondern dies zu verlassen und sich auf die Dielen der Werkstatt niederzulegen. Sodann aber wurde sie „ „halb schräge nach der Seite liegend, den Kopf etwas auf den rechten Arm gelegt“ “, gefunden, und glauben wir nicht zu weit zu gehen, wenn wir behaupten, dass kein Beispiel in den Annalen der forensischen Wissenschaft existirt, das eine ähnliche Lage nach einer absichtlichen Selbsterdrosselung nachgewiesen hätte. Vielmehr wird auch durch diese Lage wieder die Aussage des siebenjährigen Kindes bestätigt, dass dieselbe erst nach dem Tode der denata durch Hinausschleppen der Leiche nach der Werkstatt herbeigeführt worden“.
Nachdem ich meinerseits natürlich diese wohlerwogenen Gründe auch im spätern öffentlichen Audienz-Termine festhielt, trat unerwarteter Weise mein Gehülfe bei der Obduction, der Chirurg. for., obgleich derselbe den Obductionsbericht vorschriftsmässig mit unterschrieben hatte, zurück, und erklärte, dass er sich doch nicht getraue, den Selbstmord mit Gewissheit anzunehmen. Nun musste ein schiedsrichterliches Superarbitrium eingeholt werden, zuerst vom Medicinal-Collegium der Provinz, und, nachdem dies nicht angenommen worden war, sodann von der wissenschaftlichen Deputation im Ministerio. Beide Gutachten hatten zwar nicht, wie ich, mit Gewissheit, aber mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit gleichfalls den Mord angenommen. Der Angeschuldigte wurde zu lebenslänglicher Strafarbeit verurtheilt.
Leser, die sich für viele (nicht ärztliche) höchst interessante Intercedenzpunkte dieses merkwürdigen Criminalfalles interessiren, wie z. B. dass zwei Handschrifts-Experten die Schriftstücke in den Kleidern der Leiche für die Handschrift der denata, zwei Andere sie für die Handschrift des Angeschuldigten erklärt hatten (!) u. s. w., finden dieselben a. a. O. meiner „Wochenschrift“. Ich übergehe sie hier, um nicht die Gränzen dieser Schrift zu weit auszudehnen.
Selbsterwürgung.
Hatte ich im vorigen Falle behauptet, dass Selbsterdrosselung zu den seltensten Todesarten gehöre, und war mir selbst niemals ein unzweifelhafter Fall der Art vorgekommen, so konnte ich nur auf’s Höchste überrascht sein, als mir wenige Monate nach dem obigen Claasen’schen[S. 102] folgendes ganz unzweifelhafte, und deshalb gewiss höchst lehrreiche Beispiel einer solchen Selbsterwürgung und zwar in liegender Stellung amtlich vorkam.
In einer April-Nacht hörte die Stieftochter der Wittwe L. dieselbe aufstehen und nach der anstossenden Küche gehen. Sie schlief aber wieder ein und war erstaunt, am andern Morgen das Bett der Mutter leer und diese als Leiche in der Küche liegend zu finden. Sie lag auf Lappen und Wäsche ganz ausgestreckt auf dem Fussboden der Küche hart an der Ausgangsthür, die von innen verschlossen und verriegelt gefunden wurde, und zu welcher Küche doch kein anderer Eingang als dieser und der durch die Schlafkammer führte. Auf einem Schemel neben der Leiche lagen ein Brod- und ein Federmesser, beide mit Blut etwas befleckt. Die Leiche hatte einen oberflächlichen Schnitt am linken Handgelenk, und einen eben solchen am linken Ellenbogengelenk. Um ihren Hals war ein dünner Bindfaden dreimal herumgeschlungen und sehr fest zugezogen und vorn am Kehlkopf mit einer einfachen Schleife fest zugebunden. Bei der Obduction fiel uns eine bläuliche Röthe der Vaginalschleimhaut auf. Die Schnittwunde am linken Handgelenk verlief ganz horizontal, die am Ellenbogengelenk (3⁄4 ″ lang) von oben nach unten und von innen nach aussen, was natürlich sogleich die Vermuthung auf Selbstverletzung geben musste. Am Halse fand sich eine dreifache, weisse, flache, weich zu schneidende Rinne, die nur an einzelnen Stellen schwach bläulich gefärbt erschien, aber nirgends bei Einschnitten Sugillation zeigte. Sie verlief über dem Kehlkopf, aber nur Eine Rinne liess sich ohne Unterbrechung rings um den ganzen Hals laufend verfolgen. Die Beschaffenheit[S. 103] dieser Strangulationsmarke, die ganz unzweifelhaft bei einer noch lebenden, und durch die Strangulation erst getödteten Person erzeugt worden war, beweist abermals sehr eindringlich, wie vorsichtig man bei der Beurtheilung der Strangrinnen sein muss. Ich würde es bei einer Physicats-Prüfung keinem Candidaten als Fehler angerechnet haben, wenn er diese weiche, nur linienbreite, schwach vertiefte, weisse, hier und da schwach bläulich tingirte, nirgend sugillirte (und dennoch auch nicht braun-lederartige) Marke für eine solche erklärt hätte, die erst durch Einschnüren des Halses nach dem Tode erzeugt worden. — Die causa mortis der Wittwe L. war Erstickung. Beide Lungen strotzten nicht nur von dunkelm, flüssigem Blute, sondern wir hatten auch die seltene Gelegenheit, hier die Pleura-Apoplexie, d. h. die flohstichähnlichen Extravasate unter der Lungenpleura bei einem Erwachsenen zu sehen, auf deren Vorhandensein bei kleinen Kindern, die den Erstickungstod gestorben, ich in der früheren Centurie[15] zuerst aufmerksam gemacht habe. Die Kranzadern des Herzens waren stark gefüllt, das Herz selbst aber, sogar das rechte, enthielt nicht auffallend viel Blut. Insufficienz der Klappen, die sich fand, war bei der Frage vom muthmaasslichen Selbstmorde nicht ganz ohne Bedeutung. Die Trachealschleimhaut war auffallend roth injicirt und ganz mit blutigem Schaum bedeckt. Die Jugularen enthielten nur wenig Blut. Das Gehirn zeigte keine apoplectische Congestion, aber der Erstickungstod documentirte sich in diesem Falle mehr, wie in vielen andern, noch durch die höchst auffallende Hyperämie der Leber, der Mesenterialvenen, beider Nieren und der V. cava, die sämmtlich mit[S. 104] dem dunkel-flüssigen Blute des suffocatorischen Sterbens strotzend gefüllt waren.
Mord durch Erdrosselung.
Am zweiten Pfingstfeiertage 18— Morgens um 11 Uhr, also wieder am hellen Tage (!), fand der Hausbesitzer L., als er aus der Kirche nach Hause kam, und in die, zu seiner Verwunderung offen stehende Stubenthür eintrat, seine Frau todt am Fussboden, und zwar mit einem um den Hals geschlungenen Strick an einen Bettfuss angebunden! Auf der Stirn zeigte sich eine frische Wunde, und es konnte kein Zweifel darüber obwalten, dass die Frau überfallen, durch einen Schlag auf den Kopf betäubt, zur Erde geworfen und erdrosselt worden sei. Die Strangmarke verlief vom rechten Zitzenfortsatz bis zum linken über dem Zungenbein, jedoch mit Unterbrechungen. Sie war flach, 3 Linien breit, schmutzig bräunlich-roth, hart zu schneiden, jedoch unsugillirt, wie die gewöhnlichen Strangrinnen. Die Schädelknochen waren unverletzt, aber die Blutüberfüllung in der Schädelhöhle sehr sichtbar. Die eigentlichen Suffocations-Befunde waren ziemlich genau wie im vorigen Falle, natürlich, da beide Fälle Erdrosselte betrafen. Die altverwachsenen Lungen strotzten von wasserflüssigem Blute, welches auch das rechte Herz ganz ausfüllte, während das linke leer war. Die Luftröhren-Schleimhaut, stark injicirt, war mit fettigen Speisepartikelchen bedeckt, die natürlich im Todesmomente durch krampfhafte Schlingbewegungen und ructus hineingekommen sein mussten, wie sich dieselben Stoffe auch im Oesophagus befanden und der Magen halb angefüllt davon war. Die Jugularen waren auch hier nicht überfüllt. Im[S. 105] Unterleibe fand sich auch hier wieder jene auffallende Hyperämie der Nieren, die meine frühere Behauptung von dem Werthe dieses Zeugnisses für den Erstickungstod abermals bestätigte, und die Anfüllung der Cava mit dem schwarzflüssigen Blute, während Leber und Netze hier nicht besonders blutreich waren. Die Beurtheilung des Falles war, wie man sieht, sehr leicht. Es musste angenommen werden, dass denata an Stick- und Schlagfluss ihren Tod gefunden habe, dass Strangulation die Ursache ihres Todes gewesen, und dass die oberflächliche Stirnwunde am Tode keinen Antheil gehabt. — Der Mörder wurde leider! auch in diesem Falle nicht entdeckt.
Seit den Bemerkungen, die ich in Betreff des Ertrinkungstodes in der ersten Centurie (S. 87 u. f.) gemacht, und die meine immer fortgesetzten Beobachtungen bis heute nur bestätigt haben, ist eine sehr treffliche Arbeit über diese Todesart von Dr. Kanzler[16] erschienen, die den wichtigen Gegenstand mit grösstem Fleiss und mit Scharfsinn behandelt, und die die Beachtung des Gerichtsarztes in hohem Grade verdient. Herr Kanzler hat nicht nur eine fast vollständige Compilation der von den Schriftstellern vorgetragenen Meinungen und mitgetheilten Beobachtungen geliefert, sondern auch eine Reihe von Versuchen an Thieren angestellt. Leider! aber ist das Ergebniss seiner Forschungen nur die Bestätigung des auch[S. 106] von mir, wie von Andern, früher aufgestellten Satzes: dass es ein absolut Zuverlässiges, constantes und für sich allein beweisendes Kennzeichen des Ertrinkungstodes nicht gebe. Dies allein wurde nun freilich an sich eine sehr erhebliche Schwierigkeit für die Begutachtung zweifelhafter Fälle nicht bedingen, da bekanntlich, wie am Krankenbette, so auch am forensischen Sectionstisch überhaupt selten oder nie aus Einem Zeichen „für sich allein“ ein Beweis entnommen werden, vielmehr die Summe aller Zeichen erst den Beweis oder Thatbestand herstellen kann. Und in dieser Beziehung muss ich auch jetzt wiederholen, dass aus der Summe aller betreffenden Leichenbefunde, wenn sie sich deutlich nachweisbar vorfinden, d. h. namentlich, wenn sie nicht durch den Verwesungsprocess alterirt sind, allerdings selbst in foro angenommen werden kann, dass ein Mensch den Tod im Wasser gefunden, resp. nicht gefunden, dass er lebend oder nicht lebend hineingekommen sei.[17] Ich kann jetzt zu den früher namhaft gemachten noch einen andern wichtigen Leichenbefund hinzufügen, dessen Richtigkeit ich noch durch fortgesetzte Beobachtungen prüfen wollte, und worüber ich gegenwärtig mit mir in’s Klare gekommen bin, ich meine den ganz eigenthümlichen Verlauf, den der Verwesungsprocess im Leichnam wirklich Ertrunkener nimmt, und auf welchen Orfila, Lesueur und Dévergie zuerst aufmerksam gemacht haben. Man findet in der Kanzler’schen Abhandlung[18] die deutschen Citate aus diesen sorgsamen und erfahrenen Schriftstellern zugleich mit der richtigen Bemerkung, dass diese Beobachtung bisher in Deutschland (auch in den[S. 107] neuesten Handbüchern der gerichtlichen Medicin) keine Beachtung gefunden hat. Sie betrifft den Umstand, dass bei im Wasser Gestorbenen die Fäulniss von oben beginnt. Ich abstrahire von der Schilderung der genannten französischen Gerichtsärzte, und will, wie überall in diesen Blättern, nur meine eigenen nur etwas davon abweichenden Wahrnehmungen mittheilen.
Schon bei ganz frischen Leichen Ertrunkener, d. h. bei solchen, die nur einen bis einige Tage im Wasser gelegen hatten, und nun der Luft eben so lange Zeit ausgesetzt gewesen sind, wird man finden, dass, während der übrige Körper noch die gewöhnliche Leichenfarbe hat, zuerst Gesicht und Kopf, dann der Hals, dann die Brust etwa bis zur Mitte, ein ziegelrothes Ansehn bekommen. Einschnitte in solche Stellen ergeben keine Sugillation. Bald zeigen sich in dieser Röthe blaugrüne Flecke, meist zuerst an Schläfen, Ohren und Nacken, dann auch im Gesicht und später an Hals und Brust. Diese Flecke fliessen, je länger die Leichen im Wasser gelegen haben, desto mehr zusammen, und im Sommer schon nach acht bis zwölf, im Winter nach zwölf bis vierzehn Tagen ist der ganze Kopf, der Hals, immer aber noch später die Brust schmutziggrün, mit dunkelrother Zwischenfärbung, wofür Dévergie die, meines Erachtens nicht ganz passende, Bezeichnung „bräunlich“ (brunâtre) brauchte. Es ist nichts Seltenes, Wasserleichen zu sehen, deren Kopf bereits diese Verwesungsfarbe zeigt, während der übrige Körper, namentlich Bauch und Extremitäten, noch die gewöhnliche Leichenfarbe haben. Woher bei dieser Todesart dieser umgekehrte Gang des Verwesungsprocesses, und ob derselbe namentlich davon herrührt, dass so lange die Leiche im Wasser schwimmt, der Kopf stets unter der[S. 108] Wasserfläche bleibt, das sei der beliebigen Erklärung überlassen. Die Thatsache wird Niemand bestreiten, der viele Beobachtungen an Leichen wirklich ertrunkener Menschen gemacht hat. Immer nun geht bei resp. gleichen Temperaturgraden der Luft der Fäulnissprocess im Wasser, wie dies wohl allbekannt, rascher von Statten als unter andern Umständen, und nach mehrern Wochen ihres Verweilens im Wasser sieht man schon die ganze Leiche hoch verwest, aufgeschwollen, die Epidermis blasenartig aufgetrieben oder abgelöst, die Gesichtszüge ganz unkenntlich, den Körper grün, später graugrün gefärbt, die Nägel an einzelnen Fingern und Zehen abgelöst, das scrotum unförmlich aufgetrieben, und das sind dann die Fälle, die ich schon früher bezeichnet habe, wo alle Zeichen des Ertrinkungstodes verwischt und verschwunden sind, und wo der Thatbestand gar nicht mehr mit einiger Sicherheit festzustellen ist. Merkwürdig und bemerkenswerth aber bleibt dieser eigenthümliche Verlauf des Verwesungsprocesses bei Ertrunkenen, den ich für ein wirkliches vorläufiges Indicium des Todes durch Ertrinken schon bei der äussern Besichtigung der Leiche um so mehr erklären muss, als dieser Gang der Putrefaction bei keiner andern Todesart vorkommt. Nur allein tödtlich gewordene Schusswunden haben das Eigenthümliche, dass ihre nächsten Umgebungen sehr früh nach dem Tode zu verwesen beginnen, und man wird deshalb bei durch den Kopf Geschossenen gleichfalls wohl auch immer diesen Theil zuerst von der Verwesung ergriffen sehen, was aber begreiflich den Werth des hier besprochenen Zeichens nicht schmälert.[19]
Noch auf ein anderes, meines Wissens noch nicht geschildertes Zeichen des wirklichen Ertrinkungstodes kann ich bei dieser Gelegenheit aufmerksam machen, auf das Zusammengezogensein des Penis nämlich bei lebendig in’s Wasser gerathenen und darin ertrunkenen Männern. Ich habe dies noch bei keiner dergleichen Leichen vermisst, und andrerseits Gleiches so beständig nach keiner andern Todesart gefunden. Auch bei den colossalsten Männergestalten findet man dies Glied kurz und zurückgezogen, und selbst der spätere Verwesungsprocess, der dasselbe bekanntlich bedeutend aufschwellt, lässt doch immer noch die geringe Längenausdehnung des Organs deutlich wahrnehmen.
Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes kann ich nicht unterlassen, die Schlusssätze, zu denen Kanzler nach seinen Untersuchungen gelangt ist, hier mit einigen kritischen Bemerkungen mitzutheilen, die ich aus einer grossen Anzahl vor mir liegender eigener amtlicher und ausseramtlicher Obductions-Protokolle nicht nur, sondern auch aus einer erheblichen Zahl höchst sorgsamer Protokolle aus der vormaligen Physicats-Verwaltung meines Freundes und Collegen, des Geh. Ober-Medicinal-Raths Barez, entnehme, die derselbe mir gütig zur Untersuchung und Benutzung gestattet hat.
Kanzler behauptet:
1) „Die Hyperämie des Hirns und seiner Häute erreicht bei Ertrunkenen selten einen erheblichen Grad und steigert sich niemals bis zu blutigen Extravasaten.“
Es fragt sich, was man einen „erheblichen Grad“ von Blutfülle nennt. Dass Ertrinkende häufig rein hyperämisch-apoplectisch, dass sie noch weit häufiger, d. h. in der Mehrzahl aller Fälle, apoplectisch-suffocatorisch, und nur in den seltensten Fällen an plötzlicher centraler Nervenparalyse (Apopl. nerv.) sterben, ist ganz gewiss, weshalb es auch gewiss ist, dass man in der Mehrzahl aller Fälle — immer mit Ausschluss der etwa schon vorhandenen hohen Fäulnissgrade — allerdings eine deutlich wahrnehmbare Hyperämie im Gehirn, und namentlich in den beiden blutführenden Hirnhäuten findet. Hirnhämorrhagie kommt allerdings kaum vor, wenn ich auch nicht sagen kann: „niemals“, wie folgender Fall beweist. Ein dreissigjähriger Mann war (allerdings freilich) betrunken in einen Morast gefallen und darin ertrunken. Die morastige Flüssigkeit fand sich in der Luftröhre, wie alle übrigen bezüglichen Zeichen des Ertrinkungstodes. Die Meningen strotzten von Blut und unter der dura mater fand sich ein im Durchmesser ein Zoll grosses Extravasat.
2) „Der Kehldeckel steht, wenn man vor dem Eintritt der Fäulniss obducirt, immer gerade in die Höhe gerichtet, die Thiere mögen ertränkt oder auf irgend eine andre Weise getödtet sein.“
An Thieren habe ich keine Versuche gemacht. Bei Menschen hat der Stand des Kehlkopfes keinen diagnostischen Werth. Es ist eben so oft das Gegentheil vom Kehlkopf behauptet worden, und mit Recht, denn man findet in den Leichen wirklich Beides, aber wohl und ganz unabhängig vom Ertrinkungstode, nämlich bedingt und[S. 111] modificirt — durch die Manipulation der Leiche und ihres Halses beim Eröffnen der Luftröhre und des Kehlkopfes.
3) „Das Zwerchfell ist bei Ertrunkenen immer hoch nach der Brust gewölbt.“
Ein Zeichen, wie dies, das ganz von der Fäulniss abhängt, kann dem Practiker keinen diagnostischen Anhalt geben. Je weiter die Fäulniss vorgeschritten, je mehr die Därme von Gas aufgetrieben sind, desto höher wird das Zwerchfell hinaufgedrängt werden, und umgekehrt.
4) „Eine grössere Erhebung des Unterleibes findet nicht Statt, wohl aber eine etwas grössere Ausdehnung des Thorax, welche indess sehr wenig bemerklich ist.“
Dass bei ganz frischen Wasserleichen der Unterleib noch nicht durch Verwesung erhoben ist, wenn auch der Kopf schon ihre Angriffe nachweist, ist oben bemerkt worden. Später erhebt sich aber allerdings der Unterleib. Eine grössere Ausdehnung des Thorax ist mir nie aufgefallen, und auch in der That bei unbekannten Leichen sehr schwer nachzuweisen, da man den Bau der Brust im Leben des Menschen nicht gekannt hat.
5) „Die Urinblase ist bei Ertrunkenen immer mehr oder weniger gefüllt, und niemals vollkommen leer.“
Ein Satz, den ich entschieden bestreiten muss, da ich in der Hälfte aller Fälle die Blase Ertrunkener leer gefunden habe. Kanzler selbst räumt übrigens an einer früheren Stelle[20] mit grösstem Rechte ein, dass die Beschaffenheit der Blase für eins der werthlosesten Zeichen erklärt werden müsse, und deutet eben so richtig darauf hin, dass ihr Leer- oder Angefülltsein lediglich davon abhängt, ob ein Individuum kurz vor dem Sturz in’s Was[S. 112]ser zufällig Urin gelassen hat oder nicht. Eben deshalb kann aber dann auch nicht behauptet werden, dass die Blase in solchen Leichen „niemals“ leer gefunden werde.
6) „Die Injection einer farbigen Flüssigkeit in die Lungen, um daraus zu erkennen, ob ein Individuum dem Wasser todt oder lebendig übergeben worden sei, zeigt sich in der Praxis gänzlich unbrauchbar.“
7) „Das zu demselben Behuf vorgeschlagene Lufteinblasen erfüllt seinen Zweck ebenfalls nicht.“
8) „Die Lungen Ertrunkener haben immer etwas Aufgetriebenes, Volleres, Voluminöseres, und umschliessen das Herz dichter.“
Diesen drei Sätzen muss ich vollkommen zustimmen, und namentlich ist der letzte, als wirklich diagnostischer, von Wichtigkeit. Dergleichen Lungen haben eine ganz eigenthümliche Fülle, die schwer zu beschreiben. Sie sind wie aufgeblasen, und füllen die Brusthöhle gern ganz und gar aus, wie man es sonst nirgends, namentlich auch nicht beim bloss pathologischen Lungenoedem in den Cadavern sieht. Es ist nicht bloss die, in den meisten Fällen sich bekanntlich vorfindende übermässige Blutfülle der Lungen, die sie so schwammartig auftreibt, denn auch in jenen Fällen, wo Blut- oder Nervenschlag den Ertrinkenden tödtete und wo man nur die gewöhnliche Blutmenge in den Lungen findet, haben sie dies charakteristische, ich möchte sagen: Hyper-Volumen.
9) „Ertrinkende schlucken jedesmal Wasser, wenn auch meistens keine grosse Menge.“
Abgesehen von der Möglichkeit eines auch nur zufälligen Befundes von Wasser, ja von vielem Wasser im Magen von Ertrunkenen, wofür ich im 56. Falle der ersten Centurie ein Beispiel erzählt, habe ich mich je länger, desto[S. 113] mehr von der Richtigkeit dieser alten Behauptung überzeugt. Wenn dieser Befund von Wasser im Magen geleugnet worden, so lag, glaube ich, eine hier sehr leicht mögliche Täuschung zu Grunde, auf die gleichfalls erst eine längere Praxis aufmerksam macht, ich meine den Umstand, dass, wenn man, wie so gewöhnlich, Speisebrei im Magen findet, zumal wenn der Brei nicht sehr flüssig ist, allerdings gar nicht zu bestimmen, wie viel (im Todeskampf verschlucktes) Wasser demselben beigemischt worden ist. Dagegen sind die Fälle ungemein häufig, wo der Speisebrei wasserdünn ist, oder wo man selbst gar keine Speisereste, und nur, wenn auch weniges, Wasser im Magen findet. In allen diesen Fällen ein zufälliges, vorheriges Trinken anzunehmen, verbietet die Logik, denn man müsste fragen, warum man nicht eben so häufig nach allen andern gewaltsamen Todesarten, bei Erhängten, Erschossenen u. s. w. gleichfalls wasserdünnen Speisebrei oder Wasser im Magen findet, was keinesweges der Fall ist. Wie aber, wenn der Kopf des Ertrinkenden eingehüllt war, und er folglich nicht Wasser schlucken konnte? Siehe den gleich folgenden 61. Fall!
10) „Niemals gelangt bei todt in’s Wasser Geworfenen eine Spur von Ertränkungsflüssigkeit in den Magen.“
Ich habe hierüber weder Versuche angestellt, noch Erfahrungen im grössern Maassstabe gemacht, bin aber, nach den Gründen, die für den Satz angeführt sind, von der Richtigkeit desselben überzeugt. In einem, hier unten mitzutheilenden derartigen Falle fanden wir den Magen „leer“.
11) „Das Blut Ertrunkener ist kirschroth und in hohem Grade flüssig.“
Ein niemals fehlendes Kriterium. Dass es aber auch[S. 114] bei andern Suffocationen, nach narcotischen Vergiftungen, nach Blitzschlag beobachtet wird, ist allgemein bekannt.
12) „Jeder Ertrinkende athmet Ertränkungsflüssigkeit ein, welche sich fast immer als flüssiger Schaum und nur höchst selten als bloss wässriges Fluidum vorfindet.“
So lange die Verwesung dies hochwichtige Kennzeichen nicht verwischt hat, fehlt es in keinem Falle. Es kommt, um es genauer zu schildern, in sehr verschiedenen Abstufungen vor. Bald sieht man nur einzelne Perlbläschen in der Luftröhre, bald ist ihre ganze Schleimhaut damit besetzt, bald ist der Schaum, und zwar gewöhnlich, weiss und klar, bald etwas blutig, und in seltenern Fällen endlich sah ich den ganzen Kanal der Trachea und der Bronchien vollkommen ausgestopft mit einem weissen „Gischt“.
13) „Nach dem Tode dringt Ertränkungsflüssigkeit nur unter künstlicher Beihülfe und unter sehr begünstigenden Umständen in die Luftwege ein, und dieselbe ist dann niemals schaumig.“
Die Kanzler’schen Versuche beweisen die Richtigkeit dieses Satzes.
Von gerichtlichen Fällen, den zweifelhaften Ertrinkungstod betreffend, kamen in dieser Centurie folgende vor.
Mord des eigenen Kindes durch Ertränken.
Dieser oben in Bezug genommene Fall gehörte nicht zu den alltäglichen; als Verbrechen so wenig, wie als forensisch-medicinischer Fall. Wie viel Bedenken er auch darbot, und wie folgenschwer auch unser Ausspruch werden musste, so konnten wir nach gehöriger Combination[S. 115] aller in Betracht kommender Umstände dennoch kein anderes Urtheil fällen, als wir gethan.
Am 26. August 18— wurde in einem Teiche im Thiergarten der Leichnam eines Kindes im Wasser so gefunden, dass dessen Rücken über dem Wasser sichtbar war, der Kopf aber unter dem Wasser lag. Das Kind war nackt, der Kopf aber mit einem bunten Tuche umhüllt, das unter dem Kinn am Halse zugeknüpft war, jedoch keinesfalls so fest, dass eine Strangulationsmarke am Halse sichtbar gewesen wäre. Die Mutter wurde in der Person der unverehelichten G. ermittelt, die aber jede Wissenschaft vom Tode des Kindes leugnete und vielmehr behauptete, dass ihr dasselbe auf der Strasse abhanden gekommen sei. Das Kind war 21⁄2 Jahre alt. Die Zunge lag hinter den Zähnen. Die Farbe war die gewöhnliche Leichenfarbe; sehr deutlich war eine Gänsehaut auf der ganzen rechten Körperseite und auf dem linken Oberschenkel wahrnehmbar. Die dura und pia mater, die Hirnsubstanz und die sämmtlichen Sinus waren sehr blutreich, ja letztere mit sehr dunkelm und flüssigem Blute ganz überfüllt. Gar keine Hyperämie dagegen fand sich in den Brustorganen; die Lungen, die die Brusthöhle ganz ausfüllten, waren eher bleich, als dunkel gefärbt, und enthielten nur eine ziemliche Menge eines dunkeln, flüssigen Blutes. Gleiches war in Betreff der Jugularen und der grossen Bruststämme der Fall, während das Herz sogar in den rechten Höhlen nur einen halben Theelöffel, in den linken nur einige Tropfen Blut hatte. Hiernach war zu erwarten und fand sich auch, dass Kehlkopf und Luftröhre vollkommen leer und normal beschaffen waren. Nur mässig blutreich waren die Leber und die Nieren, während die V. cava stark gefüllt erschien. Die Harnblase war leer (s. oben S. 111 sub [S. 116] Nr. 5.). Die übrigen Bauchorgane boten Nichts zu bemerken. Der gesunde Magen war mit Kartoffelbrei fast ganz gefüllt. Wasser, etwa beim Ertrinken verschluckt, konnte hier nicht erwartet werden, da ja dem Kinde durch Einwickelung des ganzen Kopfes die Möglichkeit genommen gewesen war, noch unter dem Wasser zu schlucken, und dasselbe in den Magen einzuziehen. Man sieht, welche tausendfältige Combinationen im forensischen Leben vorkommen, an welche die blosse wissenschaftliche Deduction und Speculation gar nicht denkt! Es ist gewiss interessant, dass ich diesem Falle im folgenden sogar gleich einen zweiten anreihen kann, in welchem ebenfalls eine Leiche mit umwickeltem Kopfe aus dem Wasser gezogen wurde, wenn auch hier der Zusammenhang ein ganz anderer war.
Dass Schlagfluss, nicht Erstickung, den Tod des Kindes veranlasst hatte, war so zweifellos, dass wir hier nicht weiter dabei zu verweilen haben. Nachdem wir aber im Obductions-Berichte, zur Erörterung der Frage: ob dieser Schlagfluss im Wasser entstanden, d. h. mit andern Worten: ob das Kind lebend in’s Wasser gekommen sei? zunächst dem Richter bemerkt hatten, dass Ertrinkende auch am Schlagfluss sterben, wenngleich diese Todesart hier seltener als die durch Suffocation sei, fuhr der Bericht fort: „nun ist es zwar allgemein bekannt, dass Blutschlagfluss plötzlich bei ganz Gesunden entstehen kann, und es könnte sonach auch das Kind der Inculpatin von einem Schlagfluss plötzlich befallen und getödtet worden, und erst als Leiche in das Wasser gekommen sein. Allein bei der zugegebenen Möglichkeit sprechen doch Gründe für die hohe Unwahrscheinlichkeit einer solchen Annahme. Das Kind war bis zum Augenblicke seines Verschwindens[S. 117] gesund und auf den Beinen, und war mit der Inculpatin ausgegangen, und unter diesen Umständen, zumal bei einem Kinde von drittehalb Jahren, würde das plötzliche Entstehen eines tödtlichen Schlagflusses zu den allergrössten Seltenheiten gehören. Dazu kommt, dass hierbei kaum erklärlich wäre, warum der Leiche der Kopf vor dem Versenken in’s Wasser verhüllt worden wäre, während die Annahme nahe liegt, dass der Thäter, wenn er das noch lebende Kind in’s Wasser zu werfen beabsichtigte, sich selbst durch Umhüllen des Kopfes des Kindes die That weniger furchtbar machen wollte. Ganz vorzüglich aber für die Annahme, dass das Kind lebend in den Teich gekommen, sprechen die Flüssigkeit des Blutes, die Eines der, wenn auch nicht ausschliesslichen, Zeichen des Ertrinkungstodes ist, und die Gänsehaut, welche am Körper sehr deutlich wahrgenommen wurde. Selbstredend konnte und kann dieselbe bei einer Leiche nicht mehr entstehen, da sie zu ihrer Bildung ein Hautleben voraussetzt, und andererseits ist nicht abzusehen, wie das Kind diese Gänsehaut bekommen haben sollte ohne den plötzlichen Eindruck des Wassers auf die nackte und lebende Haut.“ Hierauf nahmen wir keinen Anstand zu behaupten: dass das Kind durch Ertränken seinen Tod gefunden habe.
Die Angeschuldigte wurde wegen mangelnden Beweises des subjectiven Thatbestandes von der Anklage entbunden.
Mord oder Ertrinken?
Im April 1848 wurde aus der Spree die Leiche eines Unbekannten gezogen, der bald darauf als die Leiche eines Schiffsherrn recognoscirt ward, welcher am Abend des:[S. 118] sage achtzehnten März 1848 von seinem Gefässe verschwunden und seitdem vermisst worden war. Es entstand ein sehr gegründeter Verdacht eines an dem Manne verübten Raubmordes gegen seinen Knecht, welcher am Morgen des 18. März, wo noch kein Mensch in Berlin den Ausgang des furchtbaren Tages ahnen konnte, eine bedeutende Summe für seinen Herrn eincassirt hatte, die aus dem erbrochenen Schranke auf dem Schiffe fehlte, und noch zum Theil, mit Kleidungsstücken des Denatus bei dem Knechte gefunden worden war, der indess hartnäckig leugnete. Es lag für die Anklage die Annahme nahe, dass der Knecht am Abend des 18. März, wo das Feuer des Strassenaufruhrs in Berlin wüthete, die allgemeine Anarchie und Verwirrung benutzt habe, um einen Raubmord auszuführen, dessen Nichtentdeckung er in jener Zeit hoffen konnte. Wir kehren indess zur Obduction zurück, bei welcher wir natürlich von diesen spätern Ermittelungen noch keine Ahnung haben konnten. Der aus dem Wasser gezogenen Leiche waren ein dicker, brauntuchener Ueberrock, ein Handtuch und mehrere Lappen um den Kopf gewickelt, und diese mit einem Stricke um den Hals zusammengeschnürt gewesen, und auch die Unterschenkel waren mit einem Bindfaden zusammengebunden gefunden worden. Der Körper war bereits graugrün, also im höchsten Grade verwest. Die blaugrüne, geschwollene Zunge ragte über den zahnlosen Kiefern hervor. Eine Strangmarke konnte am Halse nicht entdeckt werden. Wohl aber fanden sich erhebliche Kopfverletzungen, eine in dreieckiger Gestalt mit stumpfen, zerrissenen Rändern über jedem Augenbrauenbogen, und eine zolllange mit scharfen Rändern auf dem rechten os bregmatis, und wenigstens in zwei dieser Wunden konnte durch Einschnitte noch deut[S. 119]lich Sugillation nachgewiesen werden. Und als nun die mit halbcoagulirtem Blute bedeckte Galea zurückgeschlagen war, ergab sich — eine förmliche Zertrümmerung des ganzen Schädels, an welcher auch die basis cranii Theil nahm! Das Gehirn, wie immer bei so hoher Verwesung, ein blutiger Brei, konnte nicht mehr untersucht werden. Die Lungen, zumal die rechte, waren mit einem schwarzen, nicht sehr flüssigen Blute strotzend angefüllt; Luftröhre und Kehlkopf von Verwesung schwarzblau gefärbt und leer; vollkommen blutleer das Herz, wie die grossen Bruststämme; der Magen leer, wie die Harnblase; fast blutleer, wie natürlich bei diesem Fäulnissgrade, war auch die V. cava, und im Uebrigen, ausser der hohen Verwesung aller Organe, im Unterleibe nichts Bemerkenswerthes. Die Begutachtung war, wie man sieht, sehr leicht. Was einen Selbstmörder hätte veranlassen können, sich vor dem Sturz in’s Wasser so Kopf und Beine zu umhüllen und einzuschnüren, wenn dies überhaupt möglich war, war ebenso wenig abzusehen, als warum Dritte, die ihn einfach hätten in’s Wasser werfen wollen, vor dem Ertränken so verfahren sein sollten. Die Zeichen des Ertränkungstodes hatten allerdings gefehlt, und hätten, auch wenn der Mann den Tod im Wasser gestorben wäre, bei so hoher Putrescenz gar nicht mehr gefunden werden können — wie ich schon früher (1. Hundert, S. 88) gezeigt habe — aber es war leicht nachzuweisen, dass der Schiffer gar nicht ertrunken, sondern durch die fürchterlichen Kopfverletzungen getödtet, und erst nachher so verhüllt und in’s Wasser geworfen worden war, da die noch gefundenen Sugillationen und Blutcoagula nicht nur bewiesen, dass die Verletzungen dem noch Lebenden zugefügt worden sein mussten, sondern auch die etwanige Annahme gar nicht[S. 120] statthaft war, dass die Verletzungen erst bei der Leiche im Wasser zufällig entstanden gewesen. Denn so erhebliche Kopfverletzungen, namentlich Sprengungen in der Schädelbasis, setzen immer nothwendig eine höchst energische Gewaltthätigkeit durch stumpfe Werkzeuge voraus — wir nahmen beispielsweise Beil, Hammer, Knüttel u. s. w. an — wie sie unter Wasser, etwa durch Ruder, Steine, durch Anschwimmen an Pfähle u. dgl. gar nicht wirksam werden kann. Hiernach musste — abgesehen von den damals noch geltenden gesetzlichen Lethalitätsfragen — angenommen werden, dass denatus nicht ertrunken, sondern durch (absolut lethale) Kopfverletzungen getödtet worden und erst als Leiche in das Wasser gekommen sei, und dass diese Kopfverletzungen mit erheblicher Kraft und mit einem stumpfen Werkzeuge zugefügt worden.
So weit das hierher Gehörige, dem man folgenden Zusatz gestatten wolle. Alle Welt war von der Schuld des Angeklagten überzeugt, und doch erging das Erkenntniss und musste ergehen: „des Raubmordes nicht schuldig“! Es blieb nämlich die Identität der Leiche zweifelhaft, wie sich erst im Audienz-Termine ergab. Die Wittwe des Gemordeten, in einer kleinen Provinzialstadt wohnhaft, war zu dem Termine geladen worden, und sollte nun nachträglich — bei Auffindung der Leiche war sie nicht zur Recognition citirt worden, und konnte es auch nicht, da damals die Leiche noch ganz unbekannt war — nach den vorgelegten Kleidungsstücken und der Schilderung des Aeussern der Leiche nach unserm Obductions-Protokoll die Identität feststellen. Sie erkannte die Kleidungsstücke, aber befragt über die Farbe und Beschaffenheit der Haare, Augen, der Zähne ihres Ehemannes u. s. w., äusserte sich die sehr geistesarme Frau ganz unbestimmt und[S. 121] schwankend. So blieb, wie gesagt, zweifelhaft, ob der Ermordete wirklich der Schiffer K. gewesen, und damit fiel der Beweis, dass der angeschuldigte Knecht desselben ihn, seinen Herrn, ermordet habe.
Ertrinken.
Eine unbekannte Leiche war im Wasser gefunden worden. Obgleich die Fäulniss (Ende April) schon weit vorgeschritten, so dass, wie gewöhnlich, die Luftröhrenschleimhaut schon dunkelbraunroth gefärbt war, so konnte doch der Ertrinkungstod noch festgestellt werden. Derselbe war, ohne Beimischung von Apoplexie, rein suffocatorisch erfolgt. Sehr viel blutiger Schaum erfüllte die Luftröhre, sehr viel dunkles, wasserflüssiges Blut die Lungen, und, mit Blutcoagulis gemischt, das rechte Herz, während das linke leer war; sehr blutreich ferner erschienen die Nieren und im Magen fand sich, ausser einigen Kartoffelresten, ein Esslöffel voll helles, klares Wasser.
Genau der vierte Theil aller Obductionen in dieser Centurie betraf wieder Neugeborne, ein Verhältniss, das sich auch im ersten Hundert fast ganz gleichmässig gestaltete, und das wir auch später sich wiederholen sehen werden. Bedenkt man, dass jetzt fast das sechste in Ber[S. 122]lin geborne Kind ein uneheliches, wobei die sehr häufig zur gerichtsärztlichen Cognition kommenden vorzeitigen Leibesfrüchte, die nicht als geboren in die statistischen Tabellen kommen, nicht einmal mitgerechnet sind, erwägt man ferner, dass wir kein Findelhaus haben, so kann die grosse Anzahl der alljährlich vorkommenden Fälle von in den Strassen, im Wasser, Abtritt u. s. w. aufgefundenen Leichen von Neugebornen nicht auffallen. Was nun hierbei die Thätigkeit des Gerichtsarztes betrifft, so ist gegenwärtig, nach dem Erscheinen des neuen Strafgesetzbuches, zunächst Eine, sehr wichtige Abweichung von den früheren Bestimmungen hervorzuheben. Der 20. Titel Th. II. des Allg. Landrechts sprach überall von „vollständigen“, reifen, ausgetragenen, oder „über dreissig Wochen alten“ Kindern. Nichts von alledem findet sich im jetzigen Strafgesetzbuche, dessen §. 180. ganz einfach bestimmt: „eine Mutter, welche ihr uneheliches Kind in oder gleich nach der Geburt vorsätzlich tödtet, wird wegen Kindesmordes mit Zuchthaus von fünf bis zu zwanzig Jahren bestraft“, und auch die §§. 181. und 182. sprechen nur von „Früchten“ und „Leibesfrüchten“, ohne irgend eine Altersbestimmung hinzuzufügen. Unser Strafrecht kennt also keine reife und lebensfähige, keine unreife und nicht lebensfähige Kinder mehr, eine wissenschaftlich-criminalrechtliche Ansicht, über die wir kein Urtheil abzugeben haben. Aber bei solchen gesetzlichen Bestimmungen, nach welchen für den Richter Kind Kind ist, sei es neun Wochen oder neun Monate alt, kann die Frage aufgeworfen werden: ob es denn jetzt noch bei gerichtlichen Obductionen Neugeborner erforderlich, nach allen Zeichen der Reife und Lebensfähigkeit zu forschen, und dieselben in’s Obductions-Protokoll aufzunehmen? Meines Erachtens aller[S. 123]dings. Denn abgesehen davon, dass das „Regulativ“, das noch zu Recht besteht, die Beachtung jener Zeichen vorschreibt, so bezieht sich das Strafgesetzbuch doch eben überall nur auf Criminalfälle. Wie aber überhaupt im Augenblicke der gerichtlichen Obduction die gesammten möglichen Folgen derselben niemals zu übersehen sind, so kann man namentlich bei der eines Neugebornen nicht wissen, ob nicht und welche civilrechtliche Fragen später in Betreff dieses Kindes aufgeworfen werden können, für die dann die Frage vom erreichten Lebensalter der Leibesfrucht von grosser Wichtigkeit werden kann, wie mir selbst Fälle der Art vorgekommen sind. Endlich ist zu erwägen, dass die Hauptfrage: ob das Kind in und nach der Geburt gelebt hatte? natürlich durch das neue Strafgesetz ganz unberührt bleibt, und dass, um Leben anzunehmen, immer zuerst Lebensfähigkeit erwiesen werden muss, deren Zeichen also als Unterlage des Beweises in die Obductions-Verhandlungen nach wie vor aufzunehmen sein werden.
Als Ergänzungen zu den im ersten Hundert gelieferten allgemeinen Bemerkungen über Neugeborne mögen folgende hier ihre Stelle finden.
Je mehr und länger ich die Athemprobe anstelle, desto mehr habe ich mich überzeugt, ein wie wenig sicheres Kriterium derselben die Farbe der Lungen bietet. Allerdings ist es im Allgemeinen und für eine grosse Verhältnisszahl von Fällen, ich sage aber nicht einmal für die Mehrzahl, richtig, dass die Lungen eines lebend gewesenen Neugebornen hellbläulich-rosenroth-marmorirt, die eines Todtgebornen leberbraun erscheinen. Aber wie viele Farbenschattirungen kommen bei den erstern vor! Es ist gar nichts Seltenes, beim Oeffnen des Thorax Lungen zu[S. 124] finden, welche vollkommen leberfarbig sind, höchstens hier und da an einzelnen Stellen, zumal nach den Rändern hin, etwas heller gefärbt erscheinen, an denen aber keine Spur einer Marmorirung zu finden. Auch bei grösserer Erfahrung ist man dann geneigt, zunächst an Nichtleben nach der Geburt zu denken, während das sorgfältig angestellte Gesammt-Experiment dann später mit Sicherheit das Statt gehabte Athmen nachweist. Ich kann nicht zugeben, dass man einen solchen Befund, wie behauptet worden, nur allein nach dem Tode durch Erstickung vorfinde, vielmehr zeigt er sich auch schon bei blossen hyperämischen Zuständen der Lungen, so wie immer in den, allerdings seltenen Fällen von plastischer Exsudation nach Pneumonie. Ich rede nicht von der Farbe bei bereits verwesten Lungen, die je weiter hin desto mehr eine schwärzliche wird, das Kind mag gelebt haben oder nicht. Und so kann ein erfahrungsgemäss richtiges Urtheil betreffend dieses Eine Zeichen der Athemprobe nur dahin gehen: dass allerdings eine hellbläulich-rosenroth-marmorirte Farbe der Lungen auf Geathmethaben des Kindes deutet, aber keinesweges die Abwesenheit dieser Färbung auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit auf das Gegentheil. Ich erwähne in Beziehung hierauf noch einer Thesis, die vor etwa dreissig Jahren die wissenschaftliche Deputation in einem Gutachten, dessen Verfasser kein Geringerer als C. A. Rudolphi war, ausgesprochen hat, des Satzes nämlich: dass durch ein gelungenes künstliches Lufteinblasen todtgebornen Lungen eine Färbung gegeben werden könne, die sie von geathmet habenden nicht unterscheiden lasse. Unzählige Male habe ich zur Belehrung meiner Zuhörer dies Experiment und zwar, wo natürlich das Ge[S. 125]lingen nicht ausbleiben kann, so angestellt, dass ich einen Tubulus in die Luftröhre der Leichen von unzweifelhaft Todtgebornen einbrachte, und nun einblies. Bei der ersten besten Leiche dieser Art kann nun Jeder sich überzeugen, wie augenblicklich die dunkelbraunen, compakten Lungen nicht nur aufgelockert, sondern schön hellzinnoberroth gefärbt werden. Aber — vergebens forscht man nach blaumarmorirten Flecken in dieser Röthe, und schon dadurch unterscheiden sich dergleichen Lungen von denen, die durch lebendige Respiration erfüllt gewesen waren, abgesehen vom mangelnden Blutgehalt, den kein Lufteinblasen ergänzen kann. Ich erwähne dies hier lediglich zur Ergänzung der Kritik über die Farbe der Lungen im Allgemeinen, nicht zur Kritik des etwanigen Verdachtes vom künstlichen Lufteinblasen überhaupt, das in foro geradezu als nichtexistirend angenommen werden kann, und worüber ich nur früher[21] Gesagtes wiederholen könnte.
Wie so Vieles sich, zumal bei Leichen, in der Natur anders gestaltet zeigt, als auf dem Papier, so auch die Beschaffenheit der Nabelschnurränder, in Beziehung auf die zur Zeit der Obduction unbekannte Art und Weise der Trennung des Stranges. Wie ungemein wichtig die Entscheidung der Frage Seitens der Obducenten werden kann: ob die Nabelschnur zerrissen oder zerschnitten worden? ja wie sogar das Leben einer Angeschuldigten von dieser Frage abhängen kann, hat der denkwürdige 10. Fall im 1. Hundert bewiesen. Nun ist es zuzugeben, dass es wieder im Allgemeinen vollkommen richtig ist, dass die Ränder einer abgeschnittenen Nabelschnur scharf und glatt, und richtig zumal, dass die einer abge[S. 126]rissenen zackig, ungleich, gezähnt, unregelmässig sind. Aber wenn ein stumpfes Messer zum Trennen gebraucht worden, und die Nabelschnur gleichsam halb durchsäbelt, halb zerrissen worden war, dann kann es bei der Obduction sehr schwierig werden, über die Art der Trennung zu entscheiden, und ich bitte auf gewissenhafte Gerichtsärzte nicht den Stein zu werfen, wenn sie etwa in einem Falle dieser Art gar keine Gewissheit geben, wie ich andererseits noch weniger erfahrene Gerichtsärzte durch diese Bemerkungen aufmerksam gemacht haben möchte.
Mehr einen geringen physiologischen, als einen forensischen Werth hat eine Beobachtung über das Wollhaar. Es wächst bekanntlich erst im sechsten Fötusmonat, und bei jüngern Früchten findet man es nie. Ebenso bekannt ist es, dass es bei Reifgebornen von der Epidermis verschwunden ist. Aber Reste davon sieht man dennoch fast bei jedem vollständig ausgetragenen Kinde, namentlich sicher auf beiden Schultern, sehr häufig aber auch auf beiden Oberextremitäten. Man folgere deshalb aus diesem Befund im Einzelfalle nicht etwa, dass das Kind nicht vollständig reif gewesen sei.
Die vorgekommenen Fälle aus dieser Centurie nun waren folgende.
Zweifelhaftes Athmen.
In den hier zunächst zusammengestellten sechs Fällen war überall die Fäulniss der kleinen Leichen schon mehr oder weniger vorgeschritten, und dadurch das Ergebniss der Athemprobe unsicher gemacht, oder wenigstens das Urtheil erschwert. — Im Schifffahrtskanal war ein ganz verwestes weibliches Kind gefunden worden. Es war 16[S. 127] Zoll lang und 3 Pfund 15 Loth schwer, und wurde von uns als eine achtmonatliche Frucht erklärt. Verletzungen waren nicht vorhanden. An der rechten Lunge fanden sich Fäulnissbläschen, an der linken nicht; jene schwamm, diese sank. Zerschnitten schwammen aber nur vier Stückchen der rechten Lunge, während alle übrigen Stücke derselben gleichfalls untersanken. Knisterndes Geräusch und blutiger Schaum waren bei Einschnitten in die Substanz beider Lungen nicht wahrzunehmen. Die Farbe derselben war bräunlich-roth, ohne Marmorirung. Die allgemeine Blutleere im Körper war durch den hohen Verwesungsgrad leicht erklärlich. Es wurde angenommen, dass das Kind „höchst wahrscheinlich“ nicht gelebt gehabt.
Sinken der Lunge einer verwesten Leiche.
Dieser Fall, wie der folgende, waren zwei von denen, in welchen, wie ich früher behauptet habe, die negative Beweiskraft der Athemprobe sich noch bewährt, und wovon wir im 67. und 68. Falle des ersten Hundert bereits Beispiele angeführt haben. Eine reife, ganz verweste, und schon graugrün gefärbte Frucht war im Wasser gefunden worden. Alle Organe, auch die Lungen, waren mit Fäulnissblasen besetzt, dennoch sanken die dunkelbraunen Lungen ganz, wie getheilt und endlich zerschnitten vollständig unter, und wir nahmen, trotz des hohen Verwesungsgrades, wie in allen solchen Fällen, keinen Anstand, eine Todtgeburt hier anzunehmen, da eine andere Erklärung unter solchen Umständen gar nicht möglich ist.
Sinken der Lungen. Schwimmen des Herzens und der Leber.
Ganz ähnlich dem vorigen war dieser Fall. In der reifen, weiblichen, schon ganz schwarzgrünen Kindesleiche waren die Lungen noch wohl erhalten, braun und compakt. Sie sanken durchweg, während das mit Luftblasen stark besetzte Herz und die ganz verweste Leber schwammen. Werden die Gegner der Athemprobe aus der Henke’schen Schule uns tadeln, wenn wir in diesem eclatanten Falle mit Bestimmtheit die Todtgeburt annahmen? Beiläufig erwähne ich als neue Bestätigung meiner frühern Beobachtungen und Behauptung, dass auch in dieser so höchst verwesten Leiche die Gebärmutter noch durchaus wohl erhalten war.
Schwimmen der Lungen, der Leber und des Herzens.
Nicht weniger lehrreich als der vorige war dieser Fall eines, auf der Strasse todt gefundenen, reifen, männlichen Neugebornen. Höchste Verwesung. Lungen rosenroth-blau-gefleckt, mit Fäulnissblasen reich an der Pleura besetzt. Sie füllen die Brusthöhle ganz aus und schwimmen vollständig. Aber auch das Herz und die Leber schwimmen bei ihrer weit vorgeschrittenen Verwesung. Trotz derselben wurde, da die Farbe der Lungen und ihre Ausdehnung dafür sprachen, mit „höchster Wahrscheinlichkeit“ angenommen, dass das Kind gelebt gehabt habe.
Zweifelhaftes Athmen.
Auch dieses, ein reifes weibliches Kind, war im Wasser gefunden worden, und auch hier war die Verwesung bereits bis zur graugrünen Färbung der Leiche vorgeschritten; aber der Fall gestaltete sich ganz anders, als die beiden oben sub 64. und 65. erzählten. Die Farbe der rechten Lunge war eine rosenroth-marmorirte, die der linken eine braunrothe! Beide waren mit Fäulnissblasen besetzt, beide, auch die dunkle linke, schwammen ganz und zertheilt vollständig. Knisterndes Geräusch und schäumiges Blut waren bei Einschnitten nicht bemerkbar, letzteres aus dem hohen Verwesungsgrade wieder leicht zu erklären. In Luftröhre, Magen und Lungen fand sich kein Wasser. Die Harnblase war leer, der Dick- und Mastdarm strotzend voll Kindspech. Es musste nach diesem interessanten und nicht gewöhnlichen Befunde angenommen werden, „dass das Kind, wahrscheinlich eine kurze Zeit, geathmet gehabt hätte, dass aber über die Todesart nach den Resultaten der Obduction gar nichts bestimmt werden könne“.
Zweifelhaftes Athmen.
Das männliche, vollkommen verweste Kind, dessen Kopfknochen bereits zerplatzt waren, war in der Spree gefunden worden. Die Lungen waren aber ganz gut conservirt. Sie füllten die Höhle vollkommen aus, waren beide rosenroth-blau marmorirt, beide mit Fäulnissblasen stark besetzt, und schwammen beide vollständig. Aber[S. 130] auch die Thymus schwamm, das (leere) Herz jedoch nicht. In diesem Falle machte sich bei Einschnitten in die Lungen noch knisterndes Geräusch und eine geringfügige Menge blutigen Schaumes bemerkbar. Wegen des bemerkbaren Verwesungsprocesses in den Lungen konnte auch in diesem Falle das Leben des Kindes nur als „höchst wahrscheinlich“ angenommen werden, während jede Bestimmung über die Todesart natürlich zurückgehalten werden musste.
Höchste Verwesung. Keine Athemprobe.
In diesem Falle konnte nur noch die Reife des männlichen Kindes constatirt werden, und die Athemprobe musste unterbleiben, da die Verwesung nicht nur den Kopf bereits zum nackten Schädel umgewandelt, sondern auch namentlich die Lungen durchweg so angegriffen hatte, dass sie musartig erweicht gefunden wurden.
Todtgeburt. Zweifelhafte Spätgeburt.
Ein nicht in Betreff der Athemprobe, wohl aber zur Lehre von der Spätgeburt gewiss höchst interessanter, und nicht weniger scandalöser Fall, als der bekannte bei Louis sur les naissances tardives. Man höre, wie weit die Frechheit gehen kann! Ein zweiundachtzigjähriger ehemaliger Subalternbeamter hatte in seinen letzten Lebensjahren an Carcinom der Blase und beider Hoden gelitten, und war endlich, nach Jahre langen Leiden, am 22. August 18—, allgemein wassersüchtig, gestorben. Er hatte ziemlich allein dagestanden, denn eine verhei[S. 131]rathete Tochter aus seiner frühern Ehe lebte auswärts. Aus Dankbarkeit hatte er seine treue Pflegerin, seine Köchin, ein halbes Jahr vor seinem Tode geheirathet. Die junge Wittwe trat nun im Januar, fünf Monate nach dem Tode ihres Gatten, mit der Erklärung auf, dass sie seit sechs Monaten schwanger sei (!!), und gebar am 1. Juni ein Mädchen, dessen Legitimität sehr begreiflich von der inzwischen nach Berlin zurückgekehrten ehelichen Tochter des Verstorbenen angefochten wurde. Das Gewicht der uns vorgelegten Leiche betrug 71⁄2 Pfund, ihre Länge 20 Zoll, der queere Durchmesser des Kopfes 31⁄4 Zoll, der gerade 4 Zoll, der diagonale 5 Zoll, der Schulterdurchmesser 5 Zoll, der queere Durchmesser der Brust 4 Zoll, ihr gerader 3 Zoll, und der Hüftendurchmesser 3 Zoll, und wir mussten nach diesen Zahlenverhältnissen, die, wie man sieht, die vollkommen normalen der vierzigwöchigen Leibesfrucht darstellen, zunächst die Frage, die uns vorgelegt ward: ob dies Kind elf Monate alt sei? verneinen. Was nun Leben und Tod des Kindes betraf, so ergab sich, dass nur zwei Stückchen des untern Lappens der rechten Lunge hellröthlich aussahen und schwammen, während alle übrigen Kriterien für Todtgeburt sprachen. Wir nahmen an, dass bei dem Kinde noch in der Geburt ein Versuch zum Athmen Statt gehabt habe, dass dasselbe aber schon in der Geburt abgestorben, und todtgeboren worden sei. Diese Annahme wurde später durch den Geburtshelfer bestätigt, indem derselbe erklärte, dass das Kind in der Wendung apoplectisch gestorben, und todt geboren worden sei. — Der Fall giebt, wie der Louis’sche, einen lehrreichen Beweis dafür, wie wichtig es in Fällen zweifelhafter Spätgeburt sei, auf die Zeugungsfähigkeit des angeblichen Vaters zur Zeit der angeb[S. 132]lichen Schwängerung zurückzugehen. Dieser Mann, wie er oben geschildert worden, sollte vier Wochen vor seinem Tode zeugungsfähig gewesen sein!!
Todtgeburt.
Der Fall bot kein Interesse. Bei der an dem 30 Wochen alten weiblichen Kinde, das von einer Wittwe heimlich geboren worden war, angestellten Athemprobe sanken die Lungen, welche leberbraun und compakt waren, vollständig unter, und weder blutiger Schaum noch knisterndes Geräusch war bei Lungeneinschnitten wahrnehmbar. Der Thorax war flach, und die Annahme der Todtgeburt auch bei dieser Frucht konnte keinem Zweifel unterliegen.
Geronnenes Blut bei einem todtgebornen Kinde.
Das aufgefundene männliche Kind war am Kopf schon schwarzgrau, am übrigen Körper grün von Verwesung; die Lungen waren aber auch hier noch sehr frisch. Sie wogen mit dem Herzen 41⁄2 und ohne Herz nur 3 Loth, was schon auf Todtgeburt schliessen liess. Dabei aber war das weite Hinabragen des Zwerchfelles in die Bauchhöhle auffallend, wenngleich ich bei dieser Gelegenheit über den Stand des Zwerchfelles bemerken muss, dass zwar in der Regel vor dem Statt gehabten Athmen das Zwerchfell zwischen der 4ten und 5ten Rippe, bei lebend gebornen Kindern aber zwischen der 6ten und 7ten steht, dass aber in nicht gar zu seltenen Fällen fast das umgekehrte Verhältniss gefunden wird, indem namentlich[S. 133] bei starken Gasansammlungen in den Därmen das Zwerchfell leicht (auch bei lebend gewesenen Kindern) in die Brusthöhle hinaufgedrängt wird, und dann wie bei Todtgebornen erscheint. — Bei dem Kinde dieses Falles waren ferner die Lungen hellbraun und füllten die Brust wenig aus. Der hellröthlich gestreifte Rand des untern Lappens der rechten Lunge aber liess Athmung vermuthen. Die genau angestellte Athemprobe bestätigte indess diese Vermuthung nicht. Das Kind war unzweifelhaft todtgeboren. Nichtsdestoweniger war die Nabelschnur von geronnenem Blute strotzend angefüllt, ein neuer Beweis, wie wenig Werth auf das Kriterium der Sugillationen für die Athemprobe zu legen ist.
Bestimmung des Alters einer in Fettwachs übergegangenen Frucht.
Ein nicht gewöhnlicher Fall! Die unverehelichte L. hatte heimlich geboren, und das Kind beseitigt. Sie räumte ein, schon früher einmal und dann auch jetzt, d. h. vor etwa 3 Wochen, ein Kind geboren zu haben, das jedoch nicht älter als 3 bis 4 Monate alt gewesen sei. Ich hatte die Wahrheit dieser Aussage durch Exploration der L. festzustellen, was, wie man sieht, seine Schwierigkeiten hatte, da schon eine frühere Entbindung vorangegangen war. Die Brüste zeigten noch Tropfen einer fetten Milch. Die bekannte runzlich-fleckigte Beschaffenheit der Bauchhaut konnte für die vorliegende Frage nichts beweisen. Von Lochien fand sich noch eine schwache Andeutung, aber der Muttermund, welcher Einrisse hatte, war noch jetzt von der Grösse eines Silbergroschens geöffnet. Nach diesem Befunde musste ich urtheilen, dass die L. aller[S. 134]dings vor einigen Wochen geboren habe, dass aber aus der fetten Beschaffenheit der Milch, und aus der noch jetzt nicht völlig erfolgten Schliessung des Os uteri mit höchster Wahrscheinlichkeit zu folgern sei, dass das geborne Kind mehr als 4 Monate alt gewesen sein müsse. Kurze Zeit darauf wurde das Kind in dem Keller verscharrt gefunden und uns zur Obduction übergeben. Es war bereits ganz in Auflösung und theilweise sogar schon in Fettwachsbildung übergegangen, alle Höhlen waren geöffnet, die auseinandergefallenen Schädelknochen lagen neben der Leiche, das Gehirn war ausgeflossen. Aber nach der Beschaffenheit der wohl erhaltenen linken Ober- und Unter-Extremität, welche letztere 8 Zoll lang und noch sehr feist und gerundet war, nach dem Gewichte der Frucht, das, trotz der Verwesung, aber mit der noch anklebenden Erde, noch 7 Pfund betrug, nach der Länge endlich, die, so weit sie noch festzustellen war, annähernd 19 Zoll betrug, mussten wir urtheilen, dass die Frucht gewiss über 4 Monate alt, und dass sie höchst wahrscheinlich sogar reif, oder wenigstens der Reife nahe gewesen sei. So wurde durch den Leichenbefund auch unser Urtheil über die Untersuchung der Mutter bestätigt.
Die Farbe der Lungen ein unsicheres Zeichen.
Einen abermaligen Beweis dieser bereits oben (S. 123) ausgeführten Thesis lieferte der Fall einer männlichen, noch ganz frischen Leibesfrucht von acht Monaten. Die festen, die Höhle nicht ganz ausfüllenden Lungen, an denen keine Spur von Verwesung sichtbar, waren braunroth, und nur hier und da zeigten sich an der Peripherie einzelne heller[S. 135] röthliche Flecke. Nichtsdestoweniger schwammen sie auf das Vollständigste, d. h. natürlich auch in den kleinsten Stücken! Die Todesursache war Apoplexie gewesen, die höchst wahrscheinlich bald nach der Geburt eingetreten war.
Ein ähnlicher Fall
betraf ein reifes Kind weiblichen Geschlechtes. Die Lungen, die mit dem Herzen 5, ohne dasselbe 3 Loth wogen, sahen „ziemlich braun“ aus, und nur die Spitzen beider Lungen waren heller und röthlich. Aber die Schwimm- wie die gesammte Athemprobe erwiesen unzweifelhaft das Statt gehabte Athmungsleben. Auch bei diesem Kinde war Apoplexie aus innern Ursachen die Todesursache gewesen.
Tödtlicher Sturz des Neugebornen.
Auch in dieser Centurie, wie in der früheren (s. 62. Fall), kam Ein Fall vor, in welchem die Frage vom Sturz des Kindeskopfes auf den Boden zu entscheiden war. Die uneheliche, erstgebärende Mutter hatte stehend im Zimmer Kind und Mutterkuchen zugleich geboren. Das männliche Kind war 7 Pfund schwer, 19 Zoll lang, und bot auch alle übrigen Zeichen der Reife dar. Auf der Galea aponeurotica fand sich ein liniendickes Extravasat von geronnenem Blute, und die Todesursache des Kindes, das, nach der Athemprobe zu schliessen, gelebt hatte, ergab sich sehr deutlich als apoplectische Gehirnhyperämie. Wir behaupteten hiernach die Reife und das Leben des Kindes, und nahmen ferner an, dass der Hergang bei der[S. 136] Geburt desselben die Todesart vollkommen erkläre, wonach die weitere Untersuchung wegen Kindermordes unterblieb. Dass der Sturz des Kindes mit dem Kopfe auf eine harte Unterlage dasselbe tödten könne und nicht selten tödte, ist wohl jetzt ebenso allgemein angenommen, als der Satz, dass ein solcher Hergang das Kind nicht nothwendig tödten müsse, wofür ich selbst, wie erfahrene Geburtshelfer in der Privatpraxis, in der privatärztlichen wie in der gerichtlichen Praxis mehrere Beispiele erlebt habe.
Resultate einer schweren Zangengeburt.
Sie waren in folgendem Falle, der aus mir unbekannten Gründen zu meiner amtlichen Cognition kam, sehr auffallend ausgesprochen. Es stand fest, dass der reife Knabe durch eine schwere Zangengeburt geboren und an Schlagfluss gleich darauf gestorben war. Die Spuren der Zange waren, wie gewöhnlich in solchen Fällen, sehr deutlich an der Leiche wahrnehmbar. Auf der Stirn und an der Nasenwurzel fanden sich abgeschundene, lederartig harte Hautstellen, und auch auf der Hinterhaupts-Protuberanz ein ganz gleicher Fleck. Unter der Galea Extravasate, die Gefässe der pia mater sehr angefüllt, und die ganze Basis cranii, was selten genug ist, mit einer liniendicken Schicht dunkeln dickflüssigen Blutes bedeckt. Die Lungen wogen mit dem Herzen 61⁄2, ohne dasselbe 41⁄2 Loth. Die Farbe derselben war, und zwar die der rechten, hellbraun mit röthlichen Flecken, die der linken dunkelbraun und ungefleckt. Die rechte Lunge zeigte bei Einschnitten ein schwaches Knistern und wenigen blutigen Schaum, die linke ergab Nichts dergleichen. Die rechte schwamm bis auf drei kleine[S. 137] sinkende Stückchen vollkommen, und ergab kleine Perlbläschen beim Ausdrücken unter Wasser, die linke sank vollständig. Offenbar hatte sonach nur die rechte Lunge allein zu athmen angefangen.
Erstickungstod. Sinken Einer Lunge.
Der sehr interessante Fall erfordert eine etwas ausführlichere Mittheilung. In der Nacht vom 12ten bis 13ten November starb ohne erhebliche vorangegangene Krankheit das am 10ten ej. früh 2 Uhr geborne, also zwei Tage alte Kind der verehelichten H., welches sie zu sich in’s Bett genommen hatte. Um 7 Uhr Abends hatte eine Zeugin das Kind, ein Mädchen, noch lebend aus dem Bette der Mutter genommen, wobei sie dasselbe so heiser fand, dass es „keine Stimme zum Schreien hatte“. Die Mutter gab an, dass sie es Nachts wieder zu sich in’s Bett genommen, und zwar, um es rascher zu erwärmen, es in ihren Arm und ganz dicht an den Körper gelegt habe. Um 5 Uhr früh fand sie das Kind todt. Die gerichtliche Obduction hat folgende wesentliche Ergebnisse geliefert. Das Kind, reif geboren, hatte die gewöhnliche Leichenfarbe, und am Unterleibe war anfangende Verwesung bereits sichtbar. Die Augen prominirten nicht, und die Zunge lag hinter den Kiefern, also nicht eingeklemmt, eine neue Bestätigung meiner frühern Beobachtungen und meiner Behauptung von der Unzuverlässigkeit dieses Zeichens beim Erstickungstode[22]. Beide Lippen waren schwarzblau, hart zu schneiden, und zeigten eine geringe Sugillation. Anderweitige äussere Verletzun[S. 138]gen waren nicht wahrzunehmen. Das Zwerchfell stand hoch, zwischen der 4ten und 5ten Rippe. Ausser einer starken Anfüllung der V. cava bot die Bauchhöhle nichts Auffallendes dar. In der Brust füllten beide Lungen die Brusthöhle aus. Ihre Farbe war eine hellbräunlich-rothe, und durchweg ziemlich dieselbe. Sie wogen mit dem Herzen nicht weniger als acht Loth. Der Liquor Pericardii war blutig. Bei genauer Besichtigung der Lungen zeigten sich nunmehr jene hirsekorngrossen, den Petechien ganz ähnlichen, schwarzblauen Sugillationen in der Pleura, mit denen auch das, in seinen Kranzadern strotzende (zwei Loth schwere) Herz auf seiner ganzen Oberfläche besetzt war, wie ich sie früher bei erstickten kleinen Kindern entdeckt habe, und deren sich die Leser der ersten Centurie erinnern[23]. Im vorliegenden Falle waren diese Petechial-Sugillationen so zahlreich, wie ich sie nie früher gesehen. — Die Lungen, mit dem Herzen noch verbunden, schwammen zwar, zeigten jedoch eine Neigung zum Sinken. Vom Herzen getrennt, schwamm die linke Lunge vollständig, bis in ihre kleinsten Stückchen, während die rechte Lunge vollständig untersank, und, wie sich später ergab, nur Ein bohnengrosses Stück derselben sich auf dem Wasser schwimmend erhielt. Einschnitte in beide Lungen hatten schon vorher zischendes Geräusch, und eine grosse und ganz ungewöhnliche Menge eines dunkeln, schäumenden Blutes ergeben. Die unter Wasser gedrückten eingeschnittenen Partieen liessen aus der linken Lunge perlende Luftbläschen emporsteigen, aus der rechten nicht. Die Luftröhre war leer, und ihre Schleimhaut leicht injicirt. Das Herz hatte in beiden[S. 139] Hälften, vorzugsweise aber allerdings in der rechten, dunkles und geronnenes Blut. Im Kopfe fand sich nur in den Gefässen der pia mater und in den Sinus eine sichtliche Hyperämie. Das Gutachten konnte nicht zweifelhaft sein. Der Erstickungstod lag, bei Abwesenheit jeder andern Todesart, klar vor, und es war um so mehr anzunehmen, dass er auf die, von der Mutter angegebene Weise wirklich erfolgt war, als der behandelnde Arzt das Kind „als von Hause aus mit einer gewissen Brustschwäche behaftet“, als ferner die Zeugin G., wie bemerkt, es am Abend vor dem Tode so ungewöhnlich heiser gefunden hatte, und als endlich der Sectionsbefund an den Lippen darauf hinwies, dass hier ein Druck stattgefunden haben musste, und zwar gewiss durch die Brust der säugenden Mutter, an welcher das Kind liegend und saugend den Tod durch Luftmangel gestorben war, wie dies in vielen andern Fällen ebenmässig vorgekommen ist. Aber für die Lehre von der Athemprobe ist der Fall, wenn auch keinesweges neu und unerhört, dennoch gewiss denkwürdig.
Sinken Einer, Schwimmen der andern Lunge.
Wie die Ueberschrift zeigt, ein dem vorigen ähnlicher Fall, nur dass hier das theilweise Schwimmen einen andern Grund hatte. Ein reifes männliches Kind war mit einer vierfachen Umschlingung der noch ganz frischen, nicht weniger als dreiunddreissig Zoll langen Nabelschnur, die nicht unterbunden und abgerissen war, in einem Hause todt gefunden worden. Am Halse war von einer Rinne gar Nichts, und nur am Nacken ein 2 Zoll langer, 3 Linien breiter, weisslicher, nicht eingefurchter Streifen be[S. 140]merkbar; aber an der rechten Seite des Halses fanden sich nebeneinander fünf bis sechs erbsengrosse, hellrothe, weich zu schneidende Flecke ohne Sugillation, recht eigentliche kleine Excoriationen. Am linken Unterkieferwinkel fand sich eine groschengrosse, blaue, wirklich sugillirte Stelle und auf der linken Backe eine Abschilferung der Epidermis, wie von einem Nagel gekratzt. Die rechte Lunge war hellbraunroth, lag zurückgezogen in der Höhle und zeigte bis in ihre kleinsten Partikeln keine Schwimmfähigkeit; die linke dagegen bedeckte den Herzbeutel fast ganz, war hellrosenroth, gefleckt, schwamm vollständig bis in ihre kleinsten Stückchen, und zeigte auch bei Einschnitten knisterndes Geräusch und blutigen Schaum, was bei der rechten durchaus nicht der Fall war. In der Schädelhöhle fanden wir Hyperämie, und sogar — ohne dass eine Spur einer äussern Verletzung am Kopfe sichtbar gewesen wäre — die Basis cranii mit einem syrupsartigen Extravasat bedeckt. Das Kind hatte sonach gelebt, und zwar mit der linken Lunge zu athmen begonnen. Unser Gutachten erging dahin: dass das Kind reif gewesen, dass es eine kurze Zeit gelebt habe, am Schlagfluss gestorben sei, dass diese Todesart höchst wahrscheinlich durch die Umschlingung der Nabelschnur bedingt worden, dass eine andere und gewaltthätige Veranlassung des Schlagflusses „minder wahrscheinlich“ sei, und dass die kleinen Verletzungen am linken Unterkieferwinkel und an der linken Backe muthmaasslich von der Selbsthülfe der gebärenden Mutter herrührten. Merkwürdig bleibt, wie bei dem jedenfalls doch nur kurzem Leben des Kindes die Eine Lunge sich so vollständig mit Luft erfüllt gehabt hatte, wie denn auch dieser Fall wieder einen neuen Beweis von der Trefflichkeit der Athemprobe giebt.
Erfrierungstod des Neugebornen.
Ende Januar 18— bei sehr hoher Kälte gebar die unverehelichte N. des Nachts, nachdem sie der Schmerzen wegen das Bett verlassen hatte, und auf einen Stuhl gesunken war, nach ihrer Angabe unter folgenden Umständen einen Knaben. „Ganz in meiner Nähe“, sagte sie, „stand meine Waschschüssel auf der Erde. Ich zog sie, um das Blut aufzufangen, zu mir heran, als plötzlich, während ich auf der Stuhlkante sass, ein Theil des Kindes aus meinem Geburtstheilen herausdrang. Ich fasste nicht weiter hin, aber wahrscheinlich war es der Kopf. Ich blieb unter den fürchterlichsten Schmerzen und fast besinnungslos mit voneinander gespreitzten Beinen sitzen. Vielleicht nach einer Viertelstunde drang der übrige Theil des Kindes durch die Geburtstheile. Es glitt zur Erde. Nach einiger Zeit erholte ich mich, und sah nun das Kind auf dem Rücken in der Waschschüssel liegen. Der Kopf lag unterwärts, und die Beine lagen mir zugekehrt auf dem Rande der Waschschüssel. Es war ganz kalt, und ich hielt das Kind für todt. Ich nahm ein altes Hemde, breitete dieses auf der Wäsche im Wäschkorbe aus, und legte das Kind darauf, ohne es weiter zuzudecken.“ So wurde auch die noch ganz frische Leiche gefunden, von der wir zunächst bemerken, dass alle Zeichen der Reife an derselben wahrnehmbar waren. Das Zwerchfell stand auch in diesem Falle wieder nicht tiefer, als zwischen der 4ten und 5ten Rippe. Die Lungen füllten die Brusthöhle zu drei Vierteln aus, hatten eine, wenigstens zum Theil schon hellröthlich marmorirte Farbe, schwammen ganz vollständig, und ergaben bei Einschnitten zischendes Ge[S. 142]räusch und blutigen Schaum. Als Todesart ermittelte sich Apoplexie, bewiesen durch dunkle Röthung des Gesichts und der Lippen, grossen Blutreichthum der Schädelknochen, strotzende Anfüllung sämmtlicher Sinus, wie der blutführenden Gehirnhäute, und endlich durch die Abwesenheit der Zeichen irgend einer andern Todesart. „Bei der Abwesenheit jeder Spur einer äussern Gewaltthätigkeit“, hiess es nun weiter im Obductions-Bericht, „entsteht nur die Frage: wie dieser Schlagfluss entstanden sein dürfte? Es erscheint diese Frage unschwer zu beantworten, wenn man den oben geschilderten Hergang bei der Geburt und die grosse Kälte erwägt, die in der Geburtsnacht des Kindes geherrscht hatte. Es liegt nichts Erfahrungswidriges in der Aussage der N., dass sie eine Zeit lang besinnungslos liegen geblieben sei. Während dieser Zeit ward die Geburt vollendet, und fiel das Kind im kalten Zimmer in die kalte Schüssel, in welcher es liegen blieb. Wenn es mehr als wahrscheinlich ist, dass es jetzt, alsbald nach seinem Hervortreten aus dem mütterlichen Schooss in die kalte Atmosphäre den Erfrierungstod starb, der keine andere Leichenbefunde zu zeigen pflegt, als gerade die bei dem Kinde gefundenen, wozu auch noch namentlich die wahrgenommene gefrorene Beschaffenheit des Gehirns und der Lungen zu rechnen, so steigert sich jene Wahrscheinlichkeit noch, wenn man erwägt, dass die Annahme einer andern Ursache des Schlagflusses weit weniger begründet werden könnte. Hiernach müssen wir urtheilen: 1) dass das Kind ein reifes und lebensfähiges gewesen; 2) dass dasselbe nach der Geburt gelebt hatte; 3) dass es an einem Schlagfluss bald nach der Geburt verstorben sei, welcher 4) mit höchster Wahr[S. 143]scheinlichkeit als bedingt durch die grosse Kälte, in welcher das Kind geboren wurde und liegen blieb, anzunehmen ist.“
Schlagfluss angeblich durch zu starkes Wickeln.
Eine andere Veranlassung zu dem tödtlichen Schlagfluss sollte in diesem Falle stattgefunden haben. Das Kind, männlichen Geschlechtes, hatte erwiesenermaassen drei Tage gelebt, wonach es ziemlich ungewöhnlich war, die Nabelschnur schon ganz mumificirt und dem Abfallen ganz nahe zu finden. Der Tod war durch Blutschlagfluss erfolgt, und es sollte derselbe, wie die Anschuldigung lautete, durch zu starkes Einwickeln des Kindes bedingt worden sein, was aber durch die Obduction, die am ganzen Körper nicht die geringste Abnormität äusserlich wahrnehmen liess, in keinerlei Weise festgestellt werden konnte.
Nabelschnur am Nabel getrennt.
Die Athemprobe ergab, dass das reif geborne Mädchen, das man in einem Hausflur gefunden hatte, todtgeboren worden war. Das einzige nicht Gewöhnliche des Falles war, dass keine Spur einer Nabelschnur sichtbar, da dieselbe hart am Nabel abgeschnitten gewesen war. Nachdem die Todtgeburt festgestellt worden, konnte dieser Umstand indess natürlich gerichtsärztlicher Seits nicht weiter von Erheblichkeit sein.
Zweifelhafte Todesart eines auf dem Abtritt gebornen Kindes.
Am 9. März hörte ein Mann, als er eben auf den Abtritt gehen wollte, aus der Grube herauf das Geschrei eines Kindes, und fand nun auch die Abtrittsbrille rund herum mit frischem Blute besudelt, und Blutspuren, die sich auf dem Hofe bis zur Kellerwohnung der unverehelichten K. verfolgen liessen. Von den zur Rettung des Kindes herbeigerufenen Zeugen deponirte der Hauswirth, der das Kind lebend und anscheinend gesund aus der Grube heraufholte, dass der Abtritt am Tage vorher ausgeräumt worden war, und dass das Kind auf einer weichen, und nicht flüssigen Substanz, und zwar auf dem Rücken gelegen habe, so dass es nicht ertrinken konnte. Ein anderer Zeuge nannte die Masse „Koth mit Stroh untermischt, fest, nicht flüssig“, und sagt, das Kind sei „voller Blut“ gewesen. Die als Mutter sofort ermittelte K. deponirte, sie sei von der Geburt, die sie noch entfernter geglaubt, insofern überrascht worden, als sie einen Stuhl- und Urindrang gefühlt, und auf dem Abtritt sitzend, sei mit der Nothdurft das Kind „hervorgeplatzt“, wobei die Nabelschnur zerrissen und das Kind in den Abtritt gefallen sei. Die Untersuchung hat ergeben, dass die Brille 10 Zoll im Durchmesser hatte, und so gross war, dass allerdings ein Kind durchschiessen konnte. Das Kind starb zwei Tage später in der Charité, ohne dass uns über die Krankheit etwas bekannt geworden wäre. Das Kind ergab sich bei der gerichtlichen Obduction als ein reifes männliches, bei dem es jedoch nicht unerheblich war, wahrzunehmen, dass der Kopf etwas kleiner als gewöhnlich war, indem[S. 145] der gerade Durchmesser nur 4, der queere nur 3 und der diagonale nur 41⁄2 Zoll maassen. Von Verletzungen fand sich keine Spur. Als Todesursache ergab sich ganz unzweifelhaft apoplectische Hyperämie. Was die Entstehung des Schlagflusses betrifft, so äusserten wir, mit Rücksicht auf die Fragen des Staatsanwalts: „eine Verbindung zwischen dem Tode des Kindes und den Umständen, welche dessen Geburt begleitet haben, ist weder aus den Ergebnissen der Leichenöffnung, noch aus den aktenmässigen Ermittelungen nachzuweisen. Denn wenn der Fall oder das Werfen des Kindes in den Abtritt die Ursache seines Todes, oder doch von Einfluss auf denselben gewesen wäre, was an sich, zumal bei der Kälte, die am Tage seiner Geburt herrschte, nicht unmöglich war, so hätte 1) sich eine äussere Spur dieses Falles oder Wurfes, namentlich am Kopfe des Kindes, erwarten lassen, welche indess nicht vorgefunden worden, wobei noch zu berücksichtigen, dass das Kind ziemlich weich fiel, und 2) hauptsächlich würde der Tod des Kindes gerade durch den schnell tödtlichen Blutschlagfluss, nicht, wie geschehen, erst zwei Tage später, während welcher Zeit das Kind fortwährend unter ärztlicher Aufsicht war, erfolgt sein.“ Betreffend die Angabe der Mutter über den Hergang der Geburt, mussten wir natürlich annehmen, was hier keiner weitern Ausführung bedarf, dass dieselbe nach der allgemeinen ärztlichen Erfahrung in allen ihren Theilen um so mehr als glaubwürdig zu erachten sei, als die K. eine Mehrgebärende, und der Kopf des Kindes kleiner als gewöhnlich gewesen war. (Das mütterliche Becken haben wir nicht zu untersuchen gehabt.) Für die Annahme aber, dass das Kind bei der Geburt nicht in den Abtritt gefallen, sondern erst nach derselben in die Grube[S. 146] geworfen worden sei, lägen ärztlicherseits gar keine Gründe vor. Hiernach lautete, mit Rücksicht auf die vorgelegten Fragen, der tenor unsers Gutachtens dahin: 1) dass das Kind qu. ein reifes und lebensfähiges gewesen; 2) dass dasselbe an Blutschlagfluss gestorben sei; 3) dass aus den Resultaten der Obduction eine äussere und gewaltsame Veranlassung zu der tödtlichen Krankheit nicht erhelle; 4) dass eine Verbindung zwischen dem Tode des Kindes und den Umständen, welche dessen Geburt begleitet haben, nicht nachzuweisen; 5) dass nicht anzunehmen, dass der Fall oder das Werfen des Kindes in den Abtritt die Ursache seines Todes gewesen; 6) dass der von der K. geschilderte Hergang bei der Geburt überhaupt und nach Lage der Akten, so wie mit Rücksicht auf die Localität des Abtritts und die Lage und Beschaffenheit, in welcher das Kind vorgefunden wurde, wahrscheinlich sei, und 7) dass Gründe für die Annahme nicht vorhanden, dass das Kind nicht bei der Geburt in den Abtritt gefallen, sondern erst nach derselben in die Grube geworfen worden sei. Es wurde hierauf kein weiteres Verfahren gegen die K. wegen Kindermordes eingeleitet.
Zweifelhaftes Leben Neugeborner.
Ein neugeborner Knabe war an der Eisenbahn verscharrt, zwei weibliche Neugeborne im Wasser, und ein männliches Kind im Rinnstein gefunden worden. Sie waren sämmtlich, wie die Athemprobe ergab, todtgeboren, und boten nichts Interessantes dar, weshalb wir sie hier summarisch zusammenfassen.
Eine der wichtigsten Differenzen zwischen den Bestimmungen des vormaligen und des jetzigen Strafgesetzbuches für den Gerichtsarzt betrifft den Thatbestand der tödtlichen Vergiftung. Während das frühere Gesetz bestimmte: „die Vergiftung ist für vollzogen zu erachten, wenn es gewiss ist, dass dem Entleibten Gift beigebracht worden, und es wenigstens mit Wahrscheinlichkeit ausgemittelt werden kann, dass der Tod eine wirkliche Folge des genossenen Giftes gewesen,“ sagt das neue Strafgesetzbuch §. 197.: „hat die Handlung“ (d. h. nach demselben Paragraphen die „vorsätzliche Beibringung von Gift oder andern Stoffen, welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind“ —) „den Tod zur Folge gehabt, so tritt lebenslängliche Zuchthausstrafe ein“, wobei zu bemerken, dass die angedrohten Strafen weit geringere sind, wenn die Vergiftung gar keine erhebliche Wirkung, oder wenn sie nur eine schwere Körperverletzung zur Folge gehabt hatte. Es ist hiernach ganz klar, dass während früher der gerichtliche Arzt sich begnügen konnte, nachzuweisen, dass wahrscheinlich der Tod in Folge der Vergiftung herbeigeführt worden, diese Wahrscheinlichkeit jetzt nicht mehr genügt, und der Arzt vielmehr dem Richter nachweisen soll, dass gewiss der Tod keiner andern Ursache, als eben dem ingerirten Gifte, zuzuschreiben sei. Wenn der Arzt das aber eben nur immer könnte! Wie oft sind die Krankheitserscheinungen am noch lebenden Vergifteten, an sich bekanntlich schon ein unzuverlässiges, und meistens nur ein, die andern Beweismittel unterstützendes Kriterium, gar nicht, oder, was nicht[S. 148] werthvoller, ganz oberflächlich nur von Laien, wie Hausgenossen u. dgl. beobachtet worden! Wie viele Gifte hinterlassen gar keine, wie viele andere nur sehr zweideutige Spuren im Leichnam, und wenn dann nun endlich die chemische Analyse, was bekanntlich aus mehrfachen Gründen geschehen kann, den Gerichtsarzt auch noch in Stich lässt, soll er dann, kann er dann mit amtseidlicher Ruhe sagen: die Vergiftung hat hier (also mit Gewissheit) den Tod zur Folge gehabt, oder auch nicht gehabt? Gewiss soll und kann er das nicht. Er sage nach sorgfältiger Erwägung aller Umstände, was er weiss und verantworten kann, nicht mehr noch weniger, z. B. dass es im vorliegenden Falle nicht wahrscheinlich, wahrscheinlich, sehr wahrscheinlich, dass eine tödtliche Vergiftung stattgefunden habe, und sein Geschäft vor dem — Schwurgericht ist zu Ende. Aber eben, woran ich bei dieser Gelegenheit schon im ersten Hundert erinnert habe, weil das Verbrechen der Vergiftung vom Schwurrichter abgeurteilt wird, kann aus dem unbestimmt gebliebenen Ausspruch des Gerichtsarztes eine Verlegenheit in Betreff der Entscheidung der Sache nicht erwachsen, — welche Verlegenheit event. nicht einmal durch Beschreiten des medicinisch-forensischen Instanzenzuges in allen Fällen würde gehoben werden können, — da die subjective Ueberzeugung des Geschwornenrichters ja jetzt den Beweis ergänzt.
Die diesmalige Centurie hat sieben Fälle von angeblichen Vergiftungen geliefert, von denen Einer bereits oben (Fall 57) erwähnt ist, und zwei erst weiter unten (Fall 93 u. 96) beleuchtet werden sollen, da in diesen beiden Fällen zugleich eine Anschuldigung gegen die betreffenden Medicinalpersonen vorlag, die die Veranlassung zur Leichenuntersuchung ward. Die vier übrigen Fälle waren folgende.
Vergiftung durch Schwefelsäure.
Am 9. Juni 18— trank der 21⁄4 Jahre alte Knabe S. aus einer Flasche käuflicher Schwefelsäure eine nicht ermittelte Menge, bekam sogleich von der Mutter, die Lippen, Zunge und Schlund weiss fand, Milch, die aber gekäst ausgebrochen wurde, sodann von einem Wundarzte ein Brechmittel, wonach „eine schwarze Masse“ entleert wurde, kam hierauf in ärztliche Behandlung, über welche die Akten nichts ergaben, und starb am 11. Juni, nach drei Tagen. Fünf Tage nach geschehener Vergiftung geschah die Obduction, deren wesentliche Ergebnisse folgende waren. Die Verwesung war weit vorgeschritten. Die Zunge lag zwischen den Zähnen eingeklemmt — ein neuer Beweis der Richtigkeit meiner frühern Behauptung, betreffend die eingeklemmte Zunge beim Erstickungstode[24]. — Der Magen war im Ganzen bleich, nur an der hintern Wand befand sich eine, einen halben Zoll grosse, purpurrothe Stelle, welche sogleich beim vorsichtigsten Aufheben einriss. An derselben Wand zeigte sich bei der innern Besichtigung ein eirundes, zwei Zoll langes, einen Zoll breites, flaches Geschwür, dessen Farbe sich nicht von der des Magens unterschied, d. h. eine Erosion der Schleimhaut, wie man sie fast immer in solchen Fällen von Schwefelsäurevergiftungen findet, in denen der Tod nicht schnell erfolgte, sondern passende ärztliche Hülfe administrirt worden war. Die Schleimhautfläche der Speiseröhre zeigte zahlreiche schwarze Punkte, aber keine Erosion. Sonst war nur die allgemeine Blutleere im Leich[S. 150]nam auffallend, die aber nichts Anderes als Product der hohen Verwesung war. Die sorgfältige chemische Analyse der Leichen-Contenta wies keine freie, anorganische Säure, also auch keine Schwefelsäure nach. Nichtsdestoweniger nahmen wir keinen Anstand zu erklären: dass das Kind an einer Verschwärung des Magens gestorben, und dass diese durch den Genuss von käuflicher Schwefelsäure entstanden sei. Es sprachen dafür, wie man einsieht, die charakteristische Verbrennung der Mundhöhlen- und Rachen-Schleimhaut, das sofortige Erbrechen von gekäster Milch und von „schwarzen Massen“, das, wie schon oben angeführt, in ähnlichen Fällen ganz charakteristische Magengeschwür bei einem, bis zum Augenblick der Vergiftung ganz gesunden Kinde, und es konnte das Nichtauffinden von Schwefelsäure in der Leiche keinen Gegenbeweis liefern, da notorisch das Kind ärztlich behandelt worden war, folglich sogenannte Gegengifte erhalten hatte. Die (immer zu erwägende) Summe der Befunde liess keine andere Annahme zu.
Vermuthete Vergiftung durch Wasserschierling.
Ein 5jähriger Knabe war nach sehr kurzer Krankheit, über welche ich nichts erfahren habe, Ende Aprils, angeblich durch Wasserschierling vergiftet, gestorben. Am 1. Mai, drei Tage nach dem Tode, geschah die gerichtliche Obduction, wobei es zunächst auffiel, dass bei einer Lufttemperatur von +10–12° R. die Leiche noch frisch, und nur erst der Bauch grünlich gefärbt war. Die Gelenke waren biegsam. Der blasse Magen enthielt etwas röthlich flüssigen Brei und einige Flocken gekäster Milch,[S. 151] sonst nichts Auffallendes, namentlich keine Pflanzenreste. Der Dünndarm war von sichtlicher Gefässinjection geröthet, der Dickdarm enthielt Koth. Leber und Nieren waren ziemlich stark mit Blut angefüllt, das überall im Körper, namentlich auch in den grossen Venenstämmen, sehr dunkel und flüssig war. Nirgends zeigten sich im Magen und Darmtractus Ecchymosen. Die gesunden Lungen waren stark blutgefüllt. Das rechte Herz enthielt etwas dunkelflüssiges Blut, das linke war leer. In jedem Pleurasack ein Esslöffel voll Blutwasser. Die Thymusdrüse noch sehr gross. Die Luftröhrenschleimhaut war röthlich gefärbt. Die blutführenden Hirnhäute zeigten sich stark injicirt, die Sinus überfüllt, und auch das Gehirn war blutreicher als gewöhnlich. Die chemische Untersuchung des Magens und seines Inhaltes ergab Abwesenheit jeder schädlichen mineralischen Substanz, und in Betreff der muthmaasslichen Vergiftung durch Wasserschierling wurde im Berichte gesagt: „dass diese Vermuthung deshalb nicht zur Gewissheit, ja nicht einmal zur Wahrscheinlichkeit erhoben werden könne, weil sich im Magen keine erkennbaren Pflanzenreste vorgefunden hätten, und die Chemie kein Mittel besitze, im thierischen Körper nach stattgefundener Verdauung das Gift des Wasserschierlings nachzuweisen“.
Angebliche Vergiftung.
Ein 2jähriger unehelicher Knabe, sogenanntes Haltekind, war plötzlich gestorben. Der Verdacht einer Vergiftung wurde durch Obduction und chemische Prüfung nicht bestätigt. Erstere ergab als Todesursache apoplec[S. 152]tische Hirncongestion und einen mit Mohrrübenbrei angefüllten Magen; letztere zeigte nur unwägbare Spuren eines Kupfer- und eines Zinksalzes, ohne Zweifel von früher gereicht gewesenen Arzneimitteln.
Angebliche Vergiftung.
Ebenso wenig bestätigt wurde der Verdacht einer Vergiftung bei einem 47 Jahre alten, dem Trunke sehr ergebenen Manne, den man auf seinem Sopha todt gefunden hatte. Der Körper war ganz gesund, und bei der Obduction gar keine Todesursache zu ermitteln. Der Magen namentlich war ganz leer und vollkommen normal. Ebenso wenig Aufschluss gab die chemische Analyse desselben, die ein vollkommen negatives Resultat lieferte. Ohne Zweifel hatte ein Nervenschlagfluss den Mann getödtet.
Todesfälle, angeblich durch Medicinalpfuscherei veranlasst, sind in dieser Centurie gar nicht vorgekommen, wohl aber die vier nachstehenden Fälle von Anschuldigung fahrlässiger Tödtung gegen approbirte Medicinalpersonen, von denen Einer einen practischen Arzt, zwei Fälle Hebammen, und einer einen Zahnarzt betrafen. Das neue Strafgesetzbuch, das die Aerzte nicht geschont hat — ich erinnere an den merkwürdigen, hier aber nicht hergehörigen Paragraphen (200.), wonach Medicinalpersonen, welche in Fällen einer dringenden Gefahr (??) ohne hinrei[S. 153]chende Ursache ihre Hülfe verweigern, bis zu 200 Thlr. Geldbusse bestraft werden sollen! — hat in den §§. 198. u. ff. wichtige Bestimmungen und scharfe Strafandrohungen aufgestellt, die im Allgemeinen (wie im alten Landrecht) sich zwar auf die Fahrlässigkeit überhaupt beziehen, worunter aber natürlich auch vorkommenden Falles jede Fahrlässigkeit einer Medicinalperson zu subsumiren ist.
§. 198. „Wer durch Fahrlässigkeit einen Menschen körperlich verletzt, oder an der Gesundheit beschädigt, soll mit Geldbusse von Zehn bis zu Einhundert Thalern oder mit Gefängniss bis zu Einem Jahre bestraft werden.
Diese Bestrafung soll nur auf den Antrag des Verletzten stattfinden, insofern nicht eine schwere Körperverletzung vorliegt, oder die Verletzung mit Uebertretung einer Amts- oder Berufspflicht verübt worden ist.“
Hiernach kann also nicht nur, wie bisher, Jeder, der sich durch eine Fahrlässigkeit seines Arztes „an seiner Gesundheit beschädigt glaubt“, Klage gegen denselben erheben, sondern sogar auch ohne Zuthun des Kranken, kann der öffentliche Ankläger (Staatsanwalt) die Klage anstrengen, und den Arzt mindestens in eine peinliche Untersuchung verwickeln, wenn er die Ueberzeugung gefasst hat, dass die Gesundheitsverletzung „mit Uebertretung der Berufspflicht verübt worden ist“.
Weit schärfer aber noch sind die Bestimmungen im §. 203.: „Wenn bei einer vorsätzlich verübten Körperverletzung der Thäter die ihm vermöge seines Amtes, Berufes oder Gewerbes obliegenden besondern Pflichten übertreten hat, so soll derselbe zugleich auf eine bestimmte Zeit, welche die Dauer von fünf Jahren nicht übersteigen darf, oder für immer zu einem solchen Amte für unfähig, oder der Befugniss zur selbstständigen Betreibung[S. 154] seiner Kunst oder seines Gewerbes verlustig erklärt werden.“
„Auch bei fahrlässig verübten Körperverletzungen kann der Thäter wegen Vernachlässigung der besondern Amts-, Berufs- oder Gewerbspflichten, wenn sich derselbe im Rückfalle befindet, zugleich auf eine bestimmte Zeit, welche die Dauer von fünf Jahren nicht übersteigen darf, oder für immer zu einem solchen Amte für unfähig, oder der Befugniss zur selbstständigen Betreibung seiner Kunst oder seines Gewerbes verlustig erklärt werden.“
Der Gesetzgeber hat also hier die „vorsätzlich“ und die „fahrlässig“ verübte Körperverletzung einander gegenüber gestellt, eine Distinction, von der wir nicht recht begreifen, wie sie gerade in den, den Gerichtsarzt tangirenden Fällen in vielen Fällen wird festgehalten werden können. Wenn eine chirurgische oder geburtshülfliche Operation einen schädlichen Erfolg gehabt hat, war die „Körperverletzung“ eine vorsätzliche oder eine fahrlässige? Indess mag zugegeben werden, dass diese Distinction lediglich in das Gebiet der richterlichen Entscheidung falle, und dass der Arzt nur um den Thatbestand und darüber gefragt werden werde, ob die angeschuldigte Medicinalperson die besondern Berufspflichten übertreten habe? Ist ein Kunstfehler im concreten Falle begangen worden? — Ich habe schon in der frühern Mittheilung die Schwierigkeiten hervorgehoben, die diese Frage gerade in der gegenwärtigen Zeit der Medicin mit sich führt, in welcher mit und nebeneinander die alte hippocratische Methode, die neuste, vollkommen passive Therapie, die Zuckerstreukügelchen und die Wassermedicin sich den Rang streitig zu machen suchen. Mehr als je früher wird der Gerichtsarzt daher gegenwärtig, namentlich um sein Gutachten dem[S. 155] Vertheidiger gegenüber aufrecht zu erhalten, wenn dasselbe für den Angeschuldigten ungünstig ist, von allgemeinen Grundsätzen absehen müssen, von denen ja überhaupt nur wenige leitend sind, und sich an die Umstände des concreten, vorliegenden Falles zu halten haben.
Was nun die hier zu erzählenden vier Fälle betrifft, so war die Anschuldigung in den ersten dreien zu plump, um nicht ohne besondere Schwierigkeit unsererseits zurückgewiesen werden zu müssen; desto schwieriger war die Beurtheilung des letzten Falles, der eine angeblich fahrlässige Tödtung durch Chloroformirung betraf, damals, zur Zeit des erforderten Gutachtens, der erste thatsächliche Fall dieser Art in Berlin (dem später leider! mehrere nachgefolgt sind!) und sogar, meines Wissens, bis heute noch der Einzige, welcher in Deutschland Veranlassung zu einer Anklage gegen den Arzt gegeben hat.
Angeblich fahrlässige Vergiftung durch den Arzt.
Ein anderthalb Jahre alter Knabe sollte an „Halsbräune“ gestorben, aber nach der Denunciation des Vaters vom behandelnden Arzte vergiftet worden sein, was dem Vater ein, kurz vor dem Tode noch hinzugerufener zweiter Arzt (sehr collegialisch!!) versichert hatte. Die Section ergab Broncho-Pneumonie. Das lumen der Luftröhre und alle Bronchialverzweigungen waren ganz mit dünnem, grünem Eiter ausgefüllt. Die Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre war zwar bleich, aber einzelne rosenrothe Gefässinjectionen waren deutlich darin sichtbar. Die untern Lappen beider Lungen zeigten sich roth hepatisirt, blutreich, fest, obgleich noch schwimmfähig. Das Gehirn[S. 156] war etwas blutreich, alle übrigen Organe völlig gesund. Magen, Duodenum und ein Stück Colon wurden für die chemische Untersuchung zurückbehalten, nachdem sie vorschriftsmässig aufgeschnitten und untersucht worden waren, aber hierbei gar nichts irgend Auffallendes gezeigt hatten.
Der behandelnde Arzt, Dr. X., hatte die Diagnose auf Croup gestellt, und auch auf dem Todtenscheine „häutige Bräune“ als Todesursache genannt. Er hatte am 1. und 2. December alle 10 Minuten anderthalb Gran, zusammen an diesen beiden Tagen zwölf Gran Zinksulphat, und ausserdem am 2. December anderthalbgranweise in einer Stunde neun Gran, sodann an demselben Tage noch Einmal neun Gran, zusammen achtzehn Gran Kupfersulphat an Einem Tage gegeben. Das Kind war aber erst am 13. December, also 11–12 Tage nach der angeblichen Vergiftung gestorben, was sowohl in Betreff der anatomischen Beschaffenheit des Magens, wie namentlich zur Würdigung des Ausfalls der chemischen Analyse ein erheblicher Umstand war. Der Sachlage nach waren die genannten Eingeweide auf einen Gehalt an Kupfer-, Zink- und Antimonsalzen zu untersuchen (da auch im Verlaufe der Krankheit noch Tart. stib. gegeben worden war). Von den zerschnittenen und gemischten Eingeweiden wurde zuerst der vierte Theil in Untersuchung genommen. Sie wurden mit einer Mischung von 20 Theilen destillirten Wassers, 10 Theilen Salzsäure und 1 Theil chlorsaurem Kali übergossen, und das Ganze gekocht, bis sich die festen Theile zu einer ganz dünnen, fast klaren Flüssigkeit aufgelöst hatten. Diese wurde colirt, nach Zusatz von noch etwas chlorsaurem Kali so lange erhitzt, bis jeder Chlorgeruch verschwunden war, und dann filtrirt.[S. 157] Nach dem Abkühlen wurde Ammoniak bis zum geringen Vorwalten der Säure zugesetzt, und ein Strom von Schwefelwasserstoffgas durch die ganz klare Flüssigkeit geleitet. Weder sogleich, noch nachdem dieselbe bis zum Verschwinden jedes Geruchs nach Schwefelwasserstoff an einen warmen Ort gestellt worden war, schied sich ein Niederschlag von Schwefelmetallen ab, sondern nur etwas Schwefel. Die nochmals filtrirte Flüssigkeit wurde mit Ammoniak neutralisirt, und Schwefelwasserstoff-Ammoniak hinzugesetzt. Der entstandene schwarze, voluminöse Niederschlag wurde in Königswasser gelöst, und mit Ammoniak in Ueberschuss versetzt. Es erschien ein gelblich-weisser Niederschlag, der abfiltrirt, und das Filtrat mit Schwefelwasserstoff geprüft wurde, wobei sich keine Spur von Schwefelzink zeigte. Der abfiltrirte gelblich-weisse Niederschlag ergab sich bei näherer Prüfung als ein Gemenge von Eisenoxyd, phosphorsaurer Kalkerde und Thonerde. — Es wurden nun nochmals 2⁄4 der Eingeweide auf gleiche Weise untersucht, das Resultat war aber dasselbe und gleichfalls negativ. Die Eingeweide enthielten daher keine Spur von Kupfer-, Zink- und Antimonsalzen.
Der Fall bietet ein mehrfaches Interesse dar. Einmal zeigt er einen neuen Belag dafür, wie selbst verhältnissmässig grössere Mengen sogenannter Gifte — die ingerirte Dosis war hier ganz genau bekannt! — in nicht gar langer Zeit so vollständig vom Körper ausgeschieden werden können, dass die genaueste chemische Prüfung auch nicht ein Atom derselben mehr in der Leiche zu entdecken vermag, obgleich es sich hier obenein um „Gifte“ handelte, die so leicht auffindbar sind. Zweitens[S. 158] ist der Fall ein gewiss lehrreicher Beitrag zu der, neuerlichst von Paasch[25] mit so gewichtigen Gründen angefochtenen Lehre von den Kupfervergiftungen durch Speisen: denn es ist gewiss ebenso unzweifelhaft, dass dieses Kind nicht an einer Kupfervergiftung gestorben, als es wohl nicht bestritten werden kann, dass in solchen Fällen, wo man bisher Grund zu der Annahme zu haben glaubte, dass Menschen durch in Kupfer- oder schlecht verzinnten Kupfergeschirren gekochte, oder erkaltete Speisen vergiftet worden seien, wohl selten oder nie ein Mensch (hier ein anderthalbjähriges Kind) durch eine solche Mahlzeit achtzehn Gran Kupfersalz ingerirt gehabt hatte! Drittens endlich war der Fall interessant in der Beziehung, in welcher seiner unter dieser Rubrik gedacht worden. Und bezüglich hierauf äusserte ich mich gegen den Untersuchungsrichter gleich von vorn herein bei Uebersendung des chemischen Berichtes: „wie der Leichenbefund die von dem Dr. X. bei dem kranken Kinde gestellte Diagnose der wesentlichen Hauptsache nach bestätigt habe, indem dieser Befund nachgewiesen, dass das Kind an einer Entzündung der Luftröhre gelitten, zu welcher die „häutige Bräune“ lediglich gehöre; und 2) dass der Dr. X. in den, in den Akten befindlichen Recepten nur solche Heilmittel verordnet habe, wie sie täglich von den Aerzten gegen die genannte Krankheit angewandt würden, wobei, wenn er diese Mittel allerdings in ungewöhnlich grossen Dosen verordnet, ihm sogar auch in Hinsicht auf diese grossen Dosen medicinische Autoritäten zur Seite stehen würden, wenn er sich deshalb zu verantworten haben sollte“.
Mit dieser meiner Erklärung fiel die Sache, und wurde eine Anklage gegen den angeschuldigten „Vergifter“ gar nicht weiter erhoben.
Angebliche Tödtung des Neugebornen bei der Geburt durch die Hebamme.
Ein reifes Mädchen sollte todtgeboren, und die denuncirte Hebamme deshalb Schuld an dessen Tode gewesen sein, weil sie angeblich bei der Wendung auf den Kopf ein Handtuch um den Hals des Kindes gelegt, und dasselbe dadurch erdrosselt haben sollte. Die Angeschuldigte bestritt dies, und wollte nur das Handtuch um die Schulter des Kindes gelegt gehabt haben, um diese besser fixiren zu können.
Am Halse der Leiche befand sich eine drei Linien breite, zwei Linien tiefe, ringsum doppelt laufende, weich zu schneidende, weisse, nur an einzelnen Stellen dunkelrothe, und in diesen Stellen sugillirte Strangmarke, also genau so beschaffen, wie ich sie schon früher[26] als die Strangmarke von Umschlingung der Nabelschnur bei Neugebornen geschildert habe. Die Lungen waren für eine Todtgeburt ungewöhnlich schwer, denn sie wogen 63⁄4 Loth. Sie waren fest, hellbraun, nicht marmorirt, lagen zurückgezogen, nur der mittlere Lappen der rechten Lunge schwamm, ohne dass hier, wie sonst irgendwo in den Lungen, blutiger Schaum oder zischendes Geräusch bei Einschnitten wahrnehmbar gewesen wäre, was um so auffallender, da die Leiche ganz frisch und keine Einwirkung von Fäulniss in den Lungen denkbar war. Ueber[S. 160] die ganze Oberfläche des Gehirns war ein Blutextravasat ausgebreitet. Es wurde geurtheilt: dass das Kind höchstwahrscheinlich noch in der Geburt einige Athmungsversuche gemacht gehabt habe, und dann todtgeboren worden sei; dass die Todesursache Blutschlagfluss gewesen; dass die Strangmarke von einer Umschlingung der Nabelschnur (die auch die Hebamme behauptet hatte) entstanden gewesen sei, und endlich, dass die Ergebnisse der Obduction eine Schuld der Hebamme an dem Tode des Kindes in keiner Weise nachgewiesen hätten.
Hiernach wurde auch gegen diese Angeschuldigte von einer förmlichen Anklage Abstand genommen.
Tod der Kreissenden angeblich durch Schuld der Hebamme.
Noch weit weniger Halt als im vorstehenden hatte die Anschuldigung gegen eine andere Hebamme in diesem Falle. Eine 32jährige Frau war zu früh entbunden worden, und unmittelbar darauf an Verblutung gestorben. Die Obduction ergab diesen Tod ganz unzweifelhaft in der allgemeinen, vollständigen Anhämie, woran nur, wie gewöhnlich, die Gehirnvenen keinen Theil nahmen. Interessant war natürlich die Beschaffenheit des Uterus unmittelbar nach der Entbindung, von einem Kinde freilich, das wir nur für ein achtmonatliches erklären mussten, da es nur 5 Pfund schwer, 18 Zoll lang war, seine Kopfdurchmesser, resp. der queere nur 3, der gerade nur 3 und einen halben, und der diagonale nur 4 Zoll lang waren u. s. w. Die Gebärmutter nun hatte 12 Zoll im Längendurchmesser, 4 und einen halben Zoll Durchmesser im fundus, und ihre Wände waren einen Zoll dick, und um[S. 161]schlossen noch etwas Blutgerinsel. — Was die Anschuldigung gegen die Hebamme betraf, die natürlich bei der präcipitirt vor sich gegangenen Geburt, der unmittelbar die tödtliche Verblutung gefolgt war, den Tod ebenso wenig veranlasst haben, als im Stande gewesen sein konnte, denselben abzuwehren, so beruhte die Denunciation rein auf Weibergeschwätz. Unsererseits wurde die Angeschuldigte natürlich vollständig exculpirt, und eine weitere Untersuchung dann auch hier nicht eingeleitet.
Tödtliches Chloroformiren bei einer Zahnoperation.
Die Todesart durch Chloroform gehört, wie die durch die asiatische Cholera, zu den „Errungenschaften“ der neusten Zeit. Beide Todesarten aber sind nicht nur neu, sondern auch, wohl eben deshalb, noch immer sehr viel Dunkles darbietend. Der traurige folgende Fall war deswegen und auch aus dem Grunde besonders interessant, weil er der erste war, der in Deutschland ein gerichtsärztliches Gutachten veranlasst hat, während in England bereits mehrfach die Jury sich mit solchen Fällen zu befassen gehabt hat. Ich habe den Fall deshalb bald nachdem er mir vorgekommen in meiner „Wochenschrift für die gesammte Heilkunde (1850, S. 1 u. ff.)“ ausführlich mit Zusammenstellung der bis dahin in beiden Hemisphären bekannt gewordenen ähnlichen Fälle — die sich leider! seit jener Zeit nicht unerheblich gemehrt haben — veröffentlicht, und werde hier nur, dem Character dieser Sammlung entsprechend, das Wesentlichste davon abermals mittheilen.
Behufs einer Zahnextraction, die er an einer bild[S. 162]schönen, jungen Frau vorzunehmen hatte, goss der Zahnarzt W., seiner Angabe nach, 12–16 Tropfen Chloroform auf ein Stückchen Waschschwamm, deckte eine Serviette darüber, und hielt es der Patientin unter die Nase, worauf diese nach einigen Augenblicken „regungslos da sass“, aber bald wieder erwachte. Der Operateur goss nun abermals 12–16 Tropfen auf das Schwämmchen, und zum drittenmale bald darauf 4–5 Tropfen. Nach der zweiten Anwendung bekam die Patientin ructus, und eine gelbliche Flüssigkeit und weisser Schaum drangen aus dem Munde. Das Gesicht wurde blau, der Körper streckte sich, wie bei einem Sterbenden, und die Frau — war und blieb todt.
Funfzig Stunden nach dem Tode unternahmen wir die gerichtliche Obduction der Leiche, nachdem der Zahnarzt wegen „fahrlässiger Tödtung“ denuncirt worden war. Die Verwesung war schon auffallend vorgeschritten. Im Kopfe war die geringe Blutmenge in den blutführenden Meningen bemerkenswerth, und sahen wir deutlich in einigen grössern Venenstämmen kleine Luftblasen. Das Gehirn zeigte sich nicht ungewöhnlich blutreich; Sinus transv. ziemlich stark gefüllt, die übrigen fast blutleer. Beide Lungen waren wenig blutgefüllt, und das Blut war flüssig und gefärbt wie Kirschsaft. Im Herzbeutel nur das gewöhnliche Wasser; das Herz war ganz schlaff und platt zusammengefallen, seine Kranzadern und sämmtliche Höhlen vollkommen blutleer. Kehlkopf und Luftröhre, im Innern von der Verwesung bereits braunroth gefärbt, waren vollkommen leer und ohne Spur von blutigem Schaum oder dergleichen. Die Leber blutleer, die Milz dagegen ziemlich stark mit dem kirschsaftähnlichen Blute gefüllt, der Magen leer, seine[S. 163] Schleimhaut blauröthlich, mit einzelnen dunkelblauen Inseln durchzogen. Die Netze und Gekröse blutleer, die Därme von Verwesung, wie die Nieren, schmutzig röthlich gefärbt, und enthielten letztere viel Blut von der geschilderten Beschaffenheit. Die Harnblase war leer, und vollkommen blutleer die V. cava adscendens.
In unserm Gutachten gaben wir zunächst die Schwierigkeiten an, die die Beurtheilung eines solchen, und gerade dieses Falles darbot: die Neuheit des Mittels, die Unbekanntschaft mit seiner nähern Wirkungsweise, daher auch mit seiner besten Anwendungsart, die Seltenheit der öffentlich bekannt gewordenen Todesfälle nach Chloroformirungen, welche Fälle in allen Welttheilen damals noch die Zahl von fünf bis sechs nicht überstieg. Dazu kam im vorliegenden Falle der hohe Verwesungsgrad der Leiche, der überall alle Sections-Resultate trübt und undeutlich macht. „Nichtsdestoweniger war es noch möglich, mehrere Befunde in dieser Leiche wahrzunehmen, die mit denjenigen, die man in der Mehrzahl der wenigen bisher in England, Frankreich und Ost-Indien vorgekommenen Fälle gefunden, ziemlich genau übereinstimmen. Hierhin gehören: die Beschaffenheit des Herzens, das hier ganz schlaff und zusammengefallen lag, was bei einer so feisten, jungen und gesunden Person um so mehr auffallen musste, und dessen Kranzadern und sämmtliche Höhlen vollkommen blutleer waren, so dass es auch nach unserm Falle scheint, dass plötzliche Herzlähmung die eigentliche Todesursache bei der tödtlichen Wirkung des Chloroforms ist — ferner das Vorhandensein von Luft in einigen grössern Gehirnvenen, das wenigstens in Einem der bekannten analogen Fälle auch gefunden worden, wobei wir jedoch für den vorliegenden Fall wieder den Antheil, den die Ver[S. 164]wesung an diesem Befunde gehabt haben kann, zweifelhaft lassen müssen — ferner die sehr auffallende Beschaffenheit des Blutes, und endlich der ziemlich hohe Grad von Blutleere im Leichnam, der auch bereits anderweitig beobachtet worden, wobei jedoch abermals in Betreff der denata der hohe Fäulnissgrad der Leiche in Erwägung gezogen werden muss, welcher in allen Leichen, je mehr er vorgeschritten, desto mehr allgemeine Blutleere bedingt und wahrnehmen lässt. Wir wollen hierzu noch bemerken, dass auch eine nachträglich veranstaltete mikroskopische Untersuchung des Magens nichts Anderes ergeben hat, als was man bei derselben, wenn man ihr einen bereits in Fäulniss begriffenen Magen unterwirft, vorfindet, und dass ein Versuch, in dem Blute der denata das Chloroform nachzuweisen, wenn dies überhaupt möglich, was noch nicht feststeht, gleichfalls kein Ergebniss liefern konnte, weil auch das Blut bereits durch den Verwesungsprocess alterirt und zersetzt war. Trotz aller dieser Bedenken ist nicht zu bestreiten: 1) dass die J. ein Mittel durch Einathmung auf sich hat einwirken lassen, das Thieren und Menschen auf demselben Wege den Tod geben kann und gegeben hat; 2) dass dieselbe durchaus ganz auf dieselbe Weise, mit ganz kurz dauernden Zuckungen und plötzlichem Erlöschen der Lebenskräfte gestorben, wie alle bisher beobachteten ähnlichen Unglücksfälle bei Menschen es ganz gleich gezeigt haben; 3) dass in ihrer Individualität Nichts lag, was anderweitig einen solchen eigenthümlichen plötzlichen Tod erklären könnte. Nach diesen Thatsachen scheint allerdings hier ein Causalzusammenhang zwischen der Chloroformirung und dem darin erfolgten Tode vorzuliegen. Mit Rücksicht aber auf die angedeuteten Schwierigkeiten können wir die uns vorge[S. 165]legte erste Frage gewissenhaft nur dahin beantworten: dass die J. in Folge der von W. ausgeführten Chloroformirung höchst wahrscheinlich ihren Tod gefunden.“
„Mit weit mehr Sicherheit schreiten wir zur Beantwortung der zweiten Frage, betreffend die etwanige Fahrlässigkeit des Angeschuldigten bei der Anwendung des Mittels.“ — Es wurde hiernächst ausgeführt, dass dem W. ein Vergehen nicht zur Last fiele, wenn er als approbirter Zahnarzt sich überhaupt des Chloroforms bei seinen Operationen bediene und bedient habe, und dann im Gutachten fortgefahren: „Er würde sich aber hiernach noch einer Fahrlässigkeit schuldig gemacht haben, wenn er das Mittel „ „nach den ihm zuzumuthenden allgemeinen und gewöhnlichen Kenntnissen“ “ (Worte des damaligen Strafgesetzbuches) auf eine Art und Weise angewandt hätte, von der er eine mögliche schädliche, wenn nicht tödtliche Wirkung hätte befürchten können. Was hierbei zunächst die von ihm gewählte Anwendungsweise betrifft, so ist dies die bis jetzt bei weitem häufigste Art der Anwendung, und wenn Andere sich eigener Inspirationsapparate bedient haben, so ist noch keinesweges festgestellt, welche von beiden Methoden den Vorzug verdiene, vielmehr wird auch hierüber noch vielfach gestritten, am wenigsten also ist dem W. wegen der von ihm gewählten Anwendungsart irgend ein Vorwurf zu machen. Wichtiger aber noch als dieser Punkt ist die Erwägung der von W. angewandten Dosis des Mittels. Hierbei treten uns zunächst zwei Umstände entgegen. Einmal unsere eigene Wahrnehmung an dem, uns im Obductionstermine vorgezeigten versiegelten Fläschchen. Es würde dasselbe, wenn gefüllt, etwa zwei Loth Chloroform enthalten haben, enthielt aber etwa nur noch 11⁄2 Quentchen. Selbstredend[S. 166] können wir aber hieraus Nichts folgern, da wir den ursprünglichen Inhalt des Fläschchens, ehe W. noch zur Operation schritt, auch nicht annähernd kennen. Erheblicher hiernach ist zweitens die Deposition des sogleich hinzugerufenen Dr. K., welcher bei seinem Eintritt in’s Zimmer der eben Verstorbenen dasselbe so von Chloroformdunst erfüllt fand, dass ihm bald der Kopf eingenommen und er genöthigt ward, das Fenster zu öffnen, was jedenfalls auf eine grössere Menge der Luft im Zimmer beigemischten Chloroforms schliessen lässt. Ob aber dieselbe durch Verdunstung aus der, vom Dr. K. offen gefundenen Flasche hineingelangt, oder ob durch irgend welchen Zufall Chloroform daraus vergossen, und so von der Diele aus verdunstet war, auch darüber lässt sich wieder gar Nichts bestimmen. So müssen wir denn bei der eigenen Aussage des Angeschuldigten selbst stehen bleiben, wonach derselbe das Erstemal etwa 12–16 Tropfen Chloroform, das zweitemal wiederum 12–16 Tropfen, und das letztemal wieder 4–5 Tropfen auf das kleine Schwämmchen, das jedenfalls bei seiner geringen Dimension keine sehr erhebliche Menge des Mittels fassen konnte, aufgegossen haben will. Nach allem aber, was bis jetzt über die Anwendungsweise des Mittels erfahren und bekannt worden, müssen wir diese Quantitäten als vorsichtig und bedachtsam gewählte erklären, welche unendlich oft von Operateuren bedeutend überschritten worden, ohne dass eine nachtheilige Wirkung danach entstand. Hiernach liegt überall kein genügender Grund vor, um den W. bei seiner Verfahrungsweise einer Fahrlässigkeit zu zeihen, und wir beantworten die zweite vorgelegte Frage dahin: dass nach Lage der Akten der W. bei Anwendung des[S. 167] Chloroforms sich einer Fahrlässigkeit nicht schuldig gemacht hat.“
Nach den zahlreichen Fällen, die ich seit jener Zeit in eigener, und mehr noch in der klinischen Praxis meiner operirenden Herrn Collegen hier gesehen, und in denen das Chloroform mit weit mehr, und in einigen von mir beobachteten und ganz glücklich verlaufenen Fällen, mit wahrhaft erschreckender Dreistigkeit angewandt worden, kann ich das obige Gutachten auch heute noch nur vollkommen bestätigen. Am angeführten Orte habe ich übrigens versucht, allgemeine Andeutungen für die gerichtsärztliche Beurtheilung der Todesfälle in der Chloroformirung aufzustellen, auf die ich indess hier verweisen muss.
97. und 98. Fall.
Verbrennung zweier Kinder.
Ein Knabe von 63⁄4 Jahren und seine Schwester von drittehalb Jahren waren in einem Brande, den angeblich die Mutter absichtlich in der Stube, namentlich im Korbe, in welchem das jüngste Kind auf Federn und Lumpen lag, angelegt hatte, umgekommen. Am Körper des jüngsten Kindes zeigten sich überall Brandverletzungen. Schwarz verkohlt nämlich waren die äussere Fläche der linken Oberextremität, die Geschlechtstheile, nates und die Fusszehen am rechten Fusse; braun und lederartig, geröstet, die linke Gesichtshälfte, die linke Rumpfseite, und endlich zeigte sich die niederere Stufe der Verbrennung, Ablö[S. 168]sung der Oberhaut, an der rechten Oberextremität, der linken Hand und an beiden Oberschenkeln. Der Knabe dagegen hatte gar keine Brandwunden. Beide Kinder waren, wie gewöhnlich bei Verbrennungen, an Erstickung gestorben, wobei ich zunächst bemerke, dass auch in diesen beiden Fällen wieder die Zunge hinter den Zähnen liegend, also nicht eingeklemmt, gefunden wurde. Ganz vorzüglich ausgeprägt war in Beider Luftröhren eine Anfüllung mit nicht sehr schaumigem, dunkel-schmutzigem Schleim, in welchem deutlich schwarze Partikelchen (Kohle) sichtbar waren. Beider Kinder Lungen, vorzüglich die rechten, waren mit dunkelm und flüssigem Blute sehr überfüllt, ebenso, besonders bei dem Knaben, die grossen Venenstämme der Brust- und Bauchhöhle. Das rechte Herz enthielt bei diesem einen halben Esslöffel, bei dem Mädchen nur einen halben Theelöffel eben solchen Blutes. Die Baucheingeweide waren bei dem Mädchen gar nicht, bei dem Knaben aber die Leber und rechte Niere hyperämisch. Beide Mägen strotzten von Aepfel- und Kartoffelbrei. Beide Harnblasen waren leer. Die Dünndärme hatten nur bei dem Knaben ein rosenröthliches (choleraähnliches) Ansehen, wie es sehr häufig nach dem Erstickungstode vorkommt; die Dickdärme waren bei Beiden voll Koth. Das Gehirn sah bei beiden Kindern eigenthümlich rosenroth auf seiner ganzen Oberfläche aus, und auch seine Substanz war bei Beiden blutreicher als gewöhnlich, was von den Sinus nicht gesagt werden konnte. Beiläufig bemerke ich, dass die Thymusdrüse bei dem fast siebenjährigen Knaben noch wallnussgross war, und erinnere an die beiden Fälle S. 11 im ersten Hundert vom Befunde dieses Organs bei einem sechs- und bei einem funfzehnjährigen Knaben.
Tod in Folge einer Verbrennung.
Ganz eigenthümlich war dieser Fall. Ein 2jähriges Mädchen war mit After und Geschlechtstheilen auf ein heisses Plätteisen gefallen, und war nach elftägigem Leiden gestorben. Die Schaamtheile fanden sich bis zum mons veneris hinauf, und nach unten und hinten bis zum Steissbein braunroth, lederartig hart (geröstet), und der Scheidenkanal grauroth, matschig, also gangränös. Der Uterus hatte an der Gangrän keinen Theil genommen, und innerlich war überhaupt nur die Flüssigkeit des Blutes und die helle Röthe der Luftröhrenschleimhaut, auf der sich sogar etwas röthlicher Schaum vorfand, sehr auffallend, da das Kind noch 11 Tage gelebt hatte, und ein suffocatorischer Tod hiernach und auch bei der bleichen Farbe und Blutarmuth der Lungen nicht anzunehmen war. Wir mussten vielmehr im summarischen Gutachten annehmen, dass das Kind an einer innern Krankheit gestorben war, die ohne Zweifel mit den vorgefundenen Verletzungen im Zusammenhang gestanden, und eine nähere Motivirung bis zur Kentniss der anteacta und für den Obductions-Bericht vorbehalten, der indess vom Gericht nicht erfordert wurde.
Wohl habe ich den merkwürdigen Fall einer fortgesetzten freiwilligen Enthaltung von aller und jeder Nahrung bei einem körperlich und geistig ganz Gesunden, ein absolutes, zehn Tage und Nächte hindurch fortgesetz[S. 170]tes Hungern erlebt, auf welche schreckliche Weise ein verurtheilter Verbrecher sich den Tod geben wollte, und habe den Fall früher bereits ausführlich bekannt gemacht[27]. Aber dieser Mensch erreichte seinen Zweck nicht, fing am elften Tage wieder an, Nahrung anzunehmen, und erholte sich sehr rasch. Aber auch anderweitig ist mir niemals Gelegenheit geworden, die seltenste aller unnatürlichen Todesarten, den Hungertod, in der Leiche beobachten zu können, denn auch der unten folgende letzte Fall in dieser Centurie war nur ein angeblicher Hungertod, und nur Einmal, vor siebenundzwanzig Jahren, ist mir derselbe in den Akten vorgekommen, und hat mir, als damaligem Mitgliede des hiesigen Provinzial-Medicinal-Collegii, Veranlassung zu einem Gutachten gegeben. Der ebenso traurige, als seltene, ja unerhörte Fall betraf eine Frau, welche ihr Arzt, ein zur inneren Praxis nicht berechtigter Wundarzt (!), eine Inunctionskur hatte brauchen lassen, und die derselbe so leichtsinnig geleitet hatte, dass Verwachsungen der Kiefer entstanden, und die unglückliche Patientin den eigentlichen und wirklichen Hungertod starb! Mein verehrter Freund und College, Herr Geh. Ober-Medicinal-Rath Dr. Barez, hat, als damaliger gerichtlicher Stadtphysikus von Berlin, die amtsärztliche Obduction der Leiche ausgeführt, und mir freundlichst das Obductions-Protokoll zur Mittheilung an diesem Ort auf meinen Wunsch eingehändigt. Die Section ist mit der grössten Genauigkeit ausgeführt worden, und hat Folgendes als die wesentlichsten Ergebnisse geliefert.
Der Leichnam war sehr abgezehrt. Der Unterkiefer ragte stark vor dem Oberkiefer hervor, und konnte nur[S. 171] mit grosser Gewalt ein klein wenig von demselben entfernt werden. Die meisten Zähne fehlten in beiden Kiefern. Nachdem in den Mundwinkeln bis zu den Ohren eingeschnitten war, zeigte es sich, dass im Unterkiefer noch sechs Backzähne vorhanden waren, die aber nicht vertikal, sondern horizontal standen. Vier von diesen Zähnen waren so locker, dass sie sich leicht ausziehen liessen. Im Oberkiefer steckten noch vier Zähne, von denen drei gleichfalls ganz locker waren. In der Gegend des dritten rechten Backzahns im Unterkiefer war die Beinhaut und die Schleimhaut der Mundhöhle schwarz von Farbe, und der obere Rand des Unterkiefers war, nachdem das Periost abgeschabt worden, rauh anzufühlen. Der Ober- und Unterkiefer waren rechts durch eine abnorme, feste und starke Membran verbunden. Links war diese widernatürliche Verwachsung zwar auch vorhanden, aber weniger beträchtlich. Die Zunge war mit den unter ihr liegenden Weichtheilen völlig verwachsen, und bildete mit denselben nur Eine Masse, so dass die Zungenspitze durchaus nicht in die Höhe gehoben werden konnte (!!). Der vordere Theil der Zunge war einen Zoll lang von der Schleimhaut entblösst, und das Muskelfleisch lag nackt da. Was nun die eigentliche innere Besichtigung betrifft, so war der Magen so weit verengert, dass sein Lumen kaum dem des Colons gleich kam. Uebrigens war er ganz normal beschaffen. Sein Inhalt bestand in einem Esslöffel voll gelblich-trüber Flüssigkeit ohne auffallenden Geruch. Der Dünndarm war gleichfalls so verengt, dass sein Durchmesser kaum die Hälfte des gewöhnlichen betrug. Seine Farbe war die gewöhnliche, was auch von den dicken Därmen gilt, die gleichfalls sehr verengt waren. Der ganze Darmkanal war völlig leer. Die Leber war blass[S. 172] und missfarben, sehr blutleer, und ihr Gewebe etwas härter als gewöhnlich, die Gallenblase voll dunkler Galle. Die Milz war klein, welk, mürbe, blutleer, zum Theil mit dem Bauchfell verwachsen. Die übrigen Unterleibsorgane waren normal. In Brust- und Kopfhöhle war nur Anhämie hervorzuheben; das wenige Blut im Herzen war schwarz und dickflüssig.
Das war also ein wirklicher Hungertod, und die Sections-Resultate stimmen auch, wie man sieht, genau mit denjenigen überein, die von den wenigen bekannt gewordenen Fällen berichtet worden sind. Beiläufig bemerke ich, dass der fahrlässige Wundarzt zu Festungsstrafe und zum gänzlichen Verluste des Rechtes zur Praxis verurtheilt worden ist.
Ganz anders gestaltete sich das Ergebniss der Leichenöffnung in unserm
Angeblicher Hungertod.
Ein 48jähriger Schneidergeselle sollte angeblich erhungert sein. Der Fall wurde sofort Stadtgespräch, und gab natürlich Veranlassung zu den schönsten Humanitätsphrasen. Bei der gerichtlichen Obduction fanden wir äusserlich einen allerdings sehr abgezehrten Leichnam, innerlich aber Herzhypertrophie und Hypertrophie der Harnblasenwände als Todesursache, und den Magen strotzend mit Kartoffelbrei angefüllt! Hiernach mussten wir natürlich annehmen: dass Denatus an einer innern Krankheit, nicht aber den Hungertod gestorben sei.
1. Was ist ein Leichnam?
Gewiss anscheinend eine sonderbare Frage, auf die ein Kind die Antwort geben wird: ein (menschlicher) Leichnam ist der todte Körper eines Menschen. Und dennoch ist mir ein Fall vorgekommen, in welchem das einzuschlagende Strafverfahren von der Frage abhängig ward: was ist ein Leichnam? und über welche Frage die Polizei-Obrigkeit und die Staatsanwaltschaft ganz verschiedener Meinung waren. Der §. 186. des Strafgesetzbuches bestimmt: „wer ohne Vorwissen der Behörde einen Leichnam beerdigt, oder bei Seite schafft, wird mit Geldbusse bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefängniss bis zu sechs Monaten bestraft. Die Strafe ist Gefängniss bis zu zwei Jahren, wenn eine Mutter den Leichnam ihres unehelichen neugebornen Kindes ohne Vorwissen der Behörde beerdigt oder bei Seite schafft.“ Nun war eine erst fünfmonatliche, folglich gewiss nicht lebensfähige Leibesfrucht im Rinnstein gefunden worden, deren Mutter entdeckt wurde. Das war doch wohl ein „Leichnam“, und deshalb wollte die Polizei-Obrigkeit aus §. 186. strafen. Die Staatsanwaltschaft aber wollte auf den Antrag nicht eingehen, weil „was nicht gelebt hat und nicht[S. 174] leben konnte, auch kein Leichnam geworden sein kann“. Dass ich, als Arzt, diese Rechtsdeduction dahin gestellt sein lassend, mich dafür entschied, dass die Frucht, die gelebt, wenn auch nicht geathmet hatte, als Leichnam anzuerkennen sei, braucht nicht erwähnt zu werden. Durch zufällige Mittheilung habe ich erfahren, dass in der Provinz Preussen in einem ganz gleichen Falle unlängst ganz dieselbe Frage: was ist ein Leichnam? als juristische Streitfrage gleichfalls aufgeworfen worden ist!
2. Die Haare bei Leichen Vergifteter,
namentlich nach narcotischen Vergiftungen, sollen sehr leicht ausgehen, und man hat allgemein dies Zeichen als mitbeweisendes zur Feststellung des Thatbestandes zweifelhafter Vergiftungen aufgeführt. Nun ist es thatsächlich ganz richtig, dass, zumal nach narcotischen Vergiftungen, die Haare an der Leiche so leicht ausgehen, dass bei dem losesten Griff hinein man gleich einen Büschel in den Fingern behält. Ganz irrig aber ist es, dies als ein diagnostisches Sections-Resultat für Vergiftungen zu erklären, da es nichts Anderes ist, als Resultat der Fäulniss, die nur bekanntlich nach Vergiftungen, zumal narcotischen, caeteris paribus sehr schnell eintritt. Man kann sich bei jeder in vorgeschrittener Verwesung befindlichen Leiche von der Richtigkeit dieser Behauptung überzeugen.
3. Der Ossificationsdefect am Kopfe Neugeborner
kommt gar nicht selten vor, und hat insofern diese Erscheinung eine sehr wichtige forensische Bedeutung, als derselbe leicht täuschen, und zur irrigen Annahme einer[S. 175] Schädelfractur aus äusserer Gewaltthätigkeit verleiten kann, welche Annahme ihrerseits wieder, zumal vor einem Geschworenengerichte, zu den traurigsten Folgen für eine, vielleicht ganz unschuldige, Angeklagte führen kann. Ich habe bereits im ersten Hundert S. 102 einen Fall dieser Art mitgetheilt, wie mir denn ähnliche von Zeit zu Zeit fortwährend vorkommen. Bei einiger Aufmerksamkeit wird man sich aber vor jener gefährlichen Täuschung hüten können. Zuerst bemerke ich, dass bei reifen Kindern der Ossificationsdefect fast nur an den beiden Scheitelbeinen vorkommt. Sodann findet man sehr häufig, wenn man den betreffenden Knochen gegen das Licht hält, rings um die verdächtige, offene Stelle die Knochenmasse noch in weiterm Umfange defect, d. h. den Knochen papierdünn und durchscheinend, was natürlich bei Fracturen nicht der Fall. Die verdächtige Oeffnung ferner ist beim Defect gewöhnlich mit zickzackigen, strahlenförmigen Rändern versehen, während bei Fracturen die Ränder ganz ungleich, deprimirt u. s. w. sind. Endlich findet man bei Fissuren und Fracturen fast immer, wenn auch nur ganz geringfügige Sugillation der Ränder in der beschädigten Knochenstelle, beim angebornen Verknöcherungsmangel natürlich niemals. Bei sorgsamer Erwägung dieser Merkmale kann ich versichern, in zweifelhaften Fällen mich noch nie getäuscht zu haben.
4. Die Zeitfolge der Verwesung der innern Organe
ist ein Moment, das ich seit Jahren genau verfolgt habe, weil die chronologischen Wirkungen des Fäulnissprocesses nicht nur an sich und wissenschaftlich interessant sind,[S. 176] sondern auch in den mannigfachsten Beziehungen zur gerichtlich-medicinischen Würdigung schwierigerer Fälle stehen. Ich will deshalb im Folgenden meine jahrelang fortgesetzten betreffenden Beobachtungen mittheilen, wobei ich ausdrücklich bemerke, dass ich, um möglichst allgemein gültige Erfahrungsnormen aufzustellen, aus meinen Notizen alle solche ausscheide, die sich auf Specialfälle, wie namentlich auf durch Verletzungen beschädigte oder zerstörte Organe beziehen.
1) Das am frühsten durch die Verwesung alterirte innere Organ ist die Luftröhre mit Einschluss des Kehlkopfes. Bei noch ganz frischen, oder bei solchen Leichen, bei denen sich äusserlich am Unterleibe nur erst einzelne grüne Flecke zu zeigen beginnen, die noch inselartig getrennt von einander stehen, zeigt sich die Schleimhaut der Trachea in ihrem ganzen Verlaufe noch todtenbleich, vorausgesetzt natürlich, dass der Mensch nicht an Erstickung oder Laryngitis starb. Sobald aber die Verwesung nur irgend weiter vorgeschritten ist, und meist schon bei solchen Leichen, die im Uebrigen äusserlich noch frisch erscheinen, bei denen aber schon der ganze Unterleib eine zusammenhängende grüne Oberfläche darbietet, findet man, während alle übrigen innern Organe noch keine Spur des Angegriffenseins von Verwesung zeigen, bereits die Schleimhaut der Luftröhre verfärbt, und zwar schmutzig kirschroth, eine Farbe, die sich dann mehr und mehr, je mehr der allgemeine Zersetzungsprocess in der Leiche vorschreitet, zur dunkel-braunrothen umwandelt. Ich habe zu viele Hunderte von Leichen aus allen Lebensaltern — und diese machen hier keinen Unterschied — auf diesen Umstand hin sorgfältig untersucht, und niemals eine einzige Ausnahme gefunden, um nicht[S. 177] die Behauptung aufstellen zu dürfen, dass man geeigneten Falles aus diesem frühen Verwesen des genannten Organs Schlüsse ziehen dürfe. Dies geschah vor einiger Zeit in einem Falle, der der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen zum Superarbitrium vorlag. Die Obducenten hatten in einem Falle von sehr zweifelhafter Erstickung unter Anderm übersehen, die innere Fläche der Luftröhre, sowie deren etwanigen Inhalt zu untersuchen. Die Deputation konnte deshalb natürlich den Ausspruch derselben nicht für hinreichend gerechtfertigt erklären, und machte ihre Gründe im Superarbitrium geltend. Die betreffende Staatsanwaltschaft fand sich in Folge desselben veranlasst, eine nachträgliche Erklärung der Obducenten, wie über einige andere übersehene Punkte, so namentlich und vorzugsweise über den eben genannten einzufordern, und dieselben gaben nunmehr aus dem Gedächtnisse und nachdem eine längere Zeit nach der Obduction verflossen war, zu Protokoll: dass die Luftröhre und der Kehlkopf leer, und deren Schleimhaut blass gefunden worden seien. Nun aber ergab das Obductions-Protokoll, dass die Leiche zur Zeit der Section bereits in hohem Grade verwest, die Epidermis an vielen Stellen schon abgelöst gewesen war u. s. w., und wir mussten im nachträglich eingeforderten Obergutachten, auf Grund der hier mitgeteilten Erfahrungen, mit Bestimmtheit erklären, dass hier ein Gedächtniss-Irrthum der Obducenten obwalten müsse, indem niemals bei schon sehr verwesten Leichen die Luftröhre noch unangegriffen von der Fäulniss gefunden würde, vielmehr dies Organ dasjenige sei, das gerade am frühesten die Wirkungen derselben zeige. Der Fall blieb sonach unentschieden, und zeigt, dass die hier angeregte Frage keine müssige, sondern eine von entschieden prak[S. 178]tischer Wichtigkeit ist. — Wie sehr dies frühe Verwesen der Luftröhre die Beurtheilung des zweifelhaften Erstickungstodes im Allgemeinen, namentlich des Ertrinkungstodes, erschwert, habe ich schon früher gezeigt[28].
2) Sehr früh folgt auf die Verwesung der Luftröhre die des Gehirns bei Neugebornen und kleinen Kindern, etwa im ersten und zweiten Lebensjahre, das bei noch ziemlich frischen Leichen sehr oft schon so weich und weissbreiigt gefunden wird, dass man von einer genauern Untersuchung desselben abstehen muss. Bei nur irgend schon weiter putrefacirten Leichen kleiner Kinder aber findet man das Gehirn bereits vollkommen verwest und aufgelöst, und es fliesst dasselbe bei der Oeffnung des Kopfes als rosenröthlicher dünner Brei aus.
3) Länger als die Luftröhre, und als das Gehirn bei Kindern, widersteht der Magen, der aber, im Verhältniss zu den übrigen Organen, sehr früh von der Verwesung ergriffen wird. Die ersten Spuren derselben zeigen sich in inselartigen, schmutzig rothen, nicht umschriebenen, ganz unregelmässigen, kleinern oder grössern Flecken im fundus, in welchen man gewöhnlich einzelne blaurothe Venenstränge sieht, die die röthlichen Flecke durchziehen. Bei zweifelhaften Vergiftungen ist es besonders wichtig, diese Alteration zu kennen und zu beachten, um sich dadurch nicht zu einem voreiligen Urtheil verleiten zu lassen. Je mehr die Verwesung vorschreitet, desto mehr fliessen jene Flecke zusammen, bis der ganze Magen die geschilderte Beschaffenheit angenommen hat. Eine Ablösung der Schleimhaut von der muscularis, wie sie nach Vergiftungen durch corrosive Gifte vorkommt, als blosses Product der Fäulniss, habe ich niemals gesehen.
4) Später als der Magen erliegen die Därme, zuerst die dünnen, der Verwesung, die sich auch ganz auf dieselbe, soeben beim Magen beschriebene Weise verhält und vorschreitet. Wenn die Fäulniss des Leichnams im Allgemeinen schon den höchsten Grad erreicht hat, wie z. B. bei Leichen, die Monate lang im Wasser gelegen haben, dann sind Magen und Darmkanal schwarzgrün, breiigt, und ihre Gewebe nicht mehr zu erkennen.
5) Chronologisch folgt in der Mehrzahl der Fälle die Milz, wenn gleich unter Umständen, die mir unbekannt sind, dies Organ auch oft schon früher als Magen und Darmkanal die ersten Spuren der Verwesung zeigt. Die Milz wird dann weich, matschig, lässt sich leicht zerdrücken, und wenn sie weiter in Putrefaction vorgeschritten, so wird sie stahlblau-grün, und so weich, dass man mit dem Messerstiel sie abschaben kann.
6) Netze und Gekröse. Je fetter dieselben, desto leichter unterliegen sie zwar der Fäulniss, doch widerstehen sie im Allgemeinen etwas länger als die bisher aufgezählten Organe. Die Verwesung ist leicht in ihnen an der schmutzigen Färbung zu erkennen, und kann zu bedenklichen Verwechselungen keinen Anlass geben.
7) Erst nach allen diesen Eingeweiden beginnt die Leber zu verwesen, die oft noch mehrere Wochen nach dem Tode fest und frisch und wie gewöhnlich gefärbt ist. Die Verwesung beginnt auf ihrer convexen Fläche. Die Leber verfärbt sich hier, wird schillernd grün, welche Farbe vorschreitend später das ganze Organ zeigt, dann wird sie grau und endlich fast schwarz. Mit dem Vorschreiten der Putrefaction erweicht sich das Parenchym.
8) Länger noch als die Leber widersteht das Gehirn bei Erwachsenen. Die ersten Spuren der Verwesung[S. 180] zeigen sich auch im Gehirn, und zwar meistentheils zuerst auf seiner Grundfläche, in einer hellgrünen Färbung, die sich später mehr und mehr ausbreitet, und von der Cortical- in die Mark-Substanz fortsetzt und verfolgen lässt. Die auffallende Erscheinung des so frühen Verwesens des Gehirns bei kleinen Kindern und des verhältnissmässig späten bei Erwachsenen erklärt sich wohl aus der weichen und resp. festen Consistenz des Organs in beiden Lebensaltern. Ehe vollends das Gehirn des Erwachsenen sich ganz in jenen röthlichen Brei auflöst, den man so früh im kindlichen verwesten Gehirn beobachtet, müssen mehrere Monate nach dem Tode verflossen sein. Jedoch reichen schon 14 Tage bis 3 Wochen hin, um das Organ so zu erweichen, dass eine genauere anatomische Untersuchung nicht mehr möglich ist, was namentlich bei spät aufgefundenen Leichen von Menschen, die muthmaasslich ertrunken oder erhängt waren, oder wo sonst der Befund im Gehirn von Erheblichkeit sein musste, sehr störend ist.
9) Es folgen nunmehr in der Zeitfolge der Verwesung die spät faulenden Organe, und unter ihnen zunächst das Herz. Dieser straffe, derbe Hohlmuskel widersteht sehr lange, und man wird es noch ganz frisch finden, wenn Magen, Därme, Netze u. s. w. schon bedeutend in Verwesung vorgeschritten sind. Allmählig erweicht sich dann das Herz, namentlich zuerst die Trabekeln, dann aber auch die Wände, es wird matschig, grünlich, zuletzt endlich graugrün, wie alle Organe.
10) Etwa in derselben Zeit mit dem Herzen, zuweilen schon früher, beginnen die Lungen die Wirkung des Zersetzungsprocesses zu zeigen. Bei Leichnamen, die äusserlich schon die höchsten Grade von Putrefaction zeigen, wie Ablösung der Oberhaut, dunkelgrüne Färbung,[S. 181] entschiedensten specifischen Geruch u. s. w., findet man sehr häufig mit allen spät faulenden Eingeweiden auch die Lungen noch ganz wohl erhalten. Bekanntlich bildet diese unbestreitbare Thatsache ein wichtiges Argument gegen die Einwürfe der Theoretiker (Henke) in Betreff der Beweiskraft der Athemprobe, namentlich des hydrostatischen Experimentes. Denn wenn Lungen eines Neugebornen, dessen Leiche noch frisch ist, oder selbst nur erst die frühsten Spuren der Verwesung, wie grünliche Bauchdecken, zeigt, sich auf der Wasserfläche schwimmend erhalten, so kann wohl vom Schreibtisch her, aber nicht nach den Erfahrungen am Secirtisch, angenommen werden, dass sie möglicherweise wegen Fäulniss schwimmen, denn niemals faulen die Lungen so früh. — Die ersten Spuren der Verwesung in den Lungen zeigen sich in hirsekorn- bis bohnengrossen Fäulnissblasen, die durch Gasansammlung unter der Pleura entstehen, und wirklich so leicht kenntlich sind, dass schon darin ein ganz einfaches diagnostisches Zeichen der Fäulniss erkannt werden muss, und auch in dieser Beziehung ein Schwimmen der Lungen wegen Fäulniss unschwer als solches zu erkennen ist. Diese Blasen stehen Anfangs einzeln; später bilden sich mehr und mehr, so dass man dann ganze Lappen, namentlich auch vorzugsweise die untere Basis beider untern Lungenlappen, dicht mit denselben besäet findet. Im weitern Verlauf des Verwesungsprocesses werden die Lungen weich, dunkel, zuletzt breiig und fast schwarz.
11) Erst nach den Lungen und dem Herzen werden die harten, festen Nieren von der Fäulniss ergriffen, die man niemals, so wenig wie Eines der hier als spät faulend bezeichneten Organe, in einer frischen oder nur halb[S. 182]verwesten Leiche putrid ergriffen finden wird. Noch länger hält sich
12) die Harnblase, die, gleichviel ob leer oder gefüllt, erst zu faulen beginnt, wenn alle oben genannten Organe bereits in Verwesung vorgeschritten sind.
13) Die Speiseröhre fault noch später, und hält sonach keinesweges in Beziehung auf den Zersetzungsprocess gleichen Schritt mit dem übrigen Theil des Darmkanals.
Von der Harnblase, der Speiseröhre und
14) dem Pancreas gilt der Satz, dass man eine schon ganz und gar verweste Leiche vor sich haben muss, um auch diese Organe bereits vom Fäulnissprocess ergriffen zu sehen. Aber auch sie, die man sämmtlich nach Monaten nach dem Tode noch frisch oder ziemlich frisch findet, werden endlich ergriffen, während
15) die Gebärmutter noch wohl conservirt gefunden wird. Ich habe schon früher[29] diese Beobachtung mitgetheilt, und fortwährend überzeuge ich mich von deren Richtigkeit. Der Uterus unterliegt am spätesten unter allen Weichgebilden dem Verwesungsprocesse. Wie wichtig diese Thatsache in Betreff zweifelhafter Schwangerschaften, die zur Zeit des Todes bestanden haben sollen, werden kann, dafür bitte ich den denkwürdigen 57. Fall im ersten Hundert zu vergleichen, in welchem wir in einer Leiche, die nur noch aus einem Fettwachsgebilde und zum Theil aus den, aus ihren Verbindungen gelösten Knochen bestand, den Uterus noch vollkommen frisch und derb fanden. Auch neugeborne weibliche Früchte machen hierin keinen Unterschied. Gerade solche Leichen kommen uns häufig in den[S. 183] höchsten Verwesungsstadien vor, was in der Natur der Sache liegt, da in einer so grossen Stadt wie Berlin fortwährend todtgeborne, oder bald nach der Geburt verstorbene, uneheliche neugeborne Kinder, theils um die Geburt zu verheimlichen, theils um die Kosten der Beerdigung zu ersparen, heimlich beseitigt und in Abtritte, Cloaken, Rinnsteine geworfen, oder in Kellern, Gärten u. s. w. beerdigt, und dann oft erst nach sehr langer Zeit aufgefunden werden. Immer aber finden wir die Gebärmutter noch sichtlich erhalten, wenn auch alle Eingeweide schon ganz durch Fäulniss unkenntlich geworden sind.
Nach meinen Beobachtungen ist also die Reihenfolge, in welcher die Weichgebilde von der Verwesung ergriffen werden, folgende:
1) | Luftröhre und Kehlkopf. | 8) | Gehirn bei Erwachsenen. |
2) |
Gehirn bei Neugebornen und kleinen Kindern. |
9) | Herz. |
10) | Lungen. | ||
3) | Magen. | 11) | Nieren. |
4) | Darmkanal. | 12) | Harnblase. |
5) | Milz. | 13) | Speiseröhre. |
6) | Netze und Gekröse. | 14) | Bauchspeicheldrüse. |
7) | Leber. | 15) | Gebärmutter. |
5. Wollhaare im Fötus-Meconium.
Ueber diese physiologisch wichtige, neuerlichst angeregte Frage haben zwei meiner fleissigen Herrn Zuhörer in meinem forensischen Practicum mikroskopische Versuche angestellt, die ich um so lieber hier mittheile, als sie die Thatsache, dass der Fötus schlucke, ausser allem Zweifel setzen. Denn ein etwaniges blosses passives Hinunterfliessen der im Fruchtwasser schwimmenden abge[S. 184]lösten Wollhaare kann, nach den Versuchen und Beobachtungen über den Ertrinkungstod bei Thieren und Menschen, meiner Ueberzeugung nach, nicht angenommen werden.
I. Herr Stud. med. Lebius hat das Meconium von zwei von uns obducirten Neugebornen mikroskopisch untersucht. In beiden Fällen fanden sich, ausser den gewöhnlichen Gemengtheilen des Meconiums (losgestossenem Darmepithelium, durch Gallenfarbstoff grünlich gefärbt, Gallenfettcrystalle, welche theils in vollständig ausgebildeten rhombischen Tafeln mit dem für das Cholesterin charakteristischem einspringenden Winkel, theils in noch nicht auscrystallisirten Formen zur Anschauung kamen, endlich Schleim und Fett in geringer Menge) — eine grosse Menge feiner Wollhaare, die sich von den Haaren der Erwachsenen besonders dadurch unterschieden, dass sich an ihnen eine Markröhre nicht erkennen liess, und die daher nur durch einfache Contoure begränzt waren. Es muss noch bemerkt werden, dass das Meconium in beiden Fällen, um es von jeder fremden Beimischung frei zu erhalten, mit dem betreffenden Darmstücke entnommen, und erst behufs und bei der Untersuchung aus dem Darm genommen wurde.
II. Der hiesige praktische Arzt Herr Dr. Schulz hat zehn Fälle untersucht, fünf von obducirten Leichen und fünf von lebenden Kindern. 1) Leiche eines reifen, weiblichen Kindes. Meconium reich an Wollhaaren. 2) Eben solche Leiche, obducirt an demselben Tage; das Meconium mässig reich an Wollhaar. 3) Leiche eines reifen männlichen Kindes; das Kindspech enthielt wenig Lanugo. 4) In dieser Leiche eines reifen weiblichen Kindes zeigte sich nur sparsam Wollhaar im Darmkoth.[S. 185] 5) Leiche eines reifen männlichen Kindes mit sehr wenig Wollhaar im Meconium. 6) Das Meconium von einem 6 Stunden alten Kinde enthielt mässig Lanugo. 7) Ein 38 Stunden altes Kind hatte reichliche Wollhaare im Koth; ebenso 8) ein vor 10 Minuten geborenes Kind. 9) Ein Knabe; in den ersten 24 Stunden nach der Geburt enthielt das Kindspech wenig Wollhaar, in den zweiten 24 Stunden mehr. Am dritten Tage war der schon helle Darmkoth noch reicher damit versehen; am vierten fanden sich weniger, zum Theil bereits in Auflösung begriffene Wollhaare. Am siebenten Tage, an welchem Rhabarbersaft angewandt worden war, wenige und meist aufgelöste Wollhaare; am achten und neunten Tage nur noch Spuren davon. 10) Bei einem weiblichen Neugebornen wurden bis zum fünften Tage die Excremente untersucht. Sie enthielten täglich Wollhaare, jedoch in den zwei letzten Tagen schon in Auflösung begriffene.
Bei allen zwölf hier aufgezählten Kindern ohne Ausnahme also sind mehr oder weniger Wollhaare im Meconium gefunden worden. Kann man hiernach nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, dass man sie im Darmkoth jedes Fötus und Neugebornen finden werde?
betreffend
die Todesart des Pöhlmann’schen Kindes.
Verhandelt Berlin, den 27. September 18—.
Zur Besichtigung und Obduction des am 24. September auf dem Wege nach Stralau in einem Korbe gefundenen Kindes, hatten die Unterzeichneten sich heute nach dem Obductionshause der Königl. Charité begeben, woselbst sie antrafen:
1) | } | Zeugen; |
2) | ||
3) | ||
4) | den Geh. Medicinal-Rath u. s. w. Herrn Dr. Casper; | |
5) | den Chir. forens. Herrn Wernecke. |
Es wurde hierauf zur Obduction des Leichnams geschritten, welche Folgendes ergab:
A. Aeussere Besichtigung.
1) | Der männliche, 2 Fuss 7 Zoll lange, gegen 2 Jahre alte, ziemlich abgemagerte Körper hat nur sparsame blonde Haare, blaue Augen und noch nicht vollständig durchgebrochene Zähne, hinter welchen die Zunge liegt. |
2) | Die allgemeine Farbe ist die gewöhnliche Leichenfarbe, und die Bauchdecken sind von der Verwesung grünlich gefärbt. Leichenstarre ist nicht vorhanden. |
3) | Mit Ausnahme der Nase, an welcher sich etwas angetrockneter Schleim befindet, und der beiden Hände, an welchen etwas trockener Darmkoth sichtbar, ist der Körper sehr rein. |
4) | Der After ist geschlossen und in ihm, wie in den übrigen natürlichen Höhlen, fremde Körper nicht zu entdecken. |
5) | Hals und Geschlechtstheile sind natürlich beschaffen. |
6) | Auf der Mitte des rechten Scheitelbeins zeigt sich ein unregelmässig rundlicher, silbergroschengrosser, braunrother, hart zu schneidender Fleck, der bei Einschnitten keine Sugillation ergiebt. Diagonal über dem Schuppentheil des rechten Schlafbeins von oben nach unten und von vorn nach hinten zeigt sich ein 11⁄2 Zoll langer, 2 Linien breiter, blauer Streifen, in dessen Tiefe bei Einschnitten sich etwas sugillirtes Blut findet. Die Bedeckungen am Hinterkopfe erscheinen nicht verfärbt. |
7) | Auf der ganzen linken Seite des Kopfes, sowie den ganzen Rücken entlang, zeigen sich mehr als 60 kleine, hirsekorngrosse, meist länglich gestaltete, blaue Fleckchen, die hart zu schneiden sind, und bei denen, min[S. 188]destens den grössern, sich auch Sugillation in der Tiefe ergiebt. Grössere Flecke dieser Art zeigen sich auf der Stirn und auf der Mitte beider Becken; unter diesen Flecken sind einzelne bis zu 1⁄4 Zoll lang und 2 bis 3 Linien breit. |
8) | Kleine Abschilferungen der Oberhaut finden sich auf der linken Seite des Halses gegen den Nacken zu. |
9) | Am rechten Vorderarm, 1 Zoll vom Ellenbogengelenk entfernt, findet sich ein silbergroschengrosser bläulicher Fleck, nicht hart zu schneiden, aber in der Tiefe Sugillation ergebend. Bei näherer Besichtigung findet sich, dass an allen Extremitäten, an der vordern wie hintern Fläche, zahllose Stellen dieser Art vorhanden sind, die sich äusserlich nur durch eine schwachbläuliche Farbe von der allgemeinen Leichenfarbe unterscheiden, keine Abschilferung der Oberhaut ergeben, deshalb auch leicht zu schneiden sind, aber sämmtlich sugillirtes Blut bei Einschnitten zeigen. |
10) | An der rechten Seite des Körpers, von der fünften Rippe anfangend bis zum Hüftbein hinunter, finden sich 17 bis 18 blaue, meist parallel laufende, 1 bis 3 Zoll lange, weich zu schneidende Streifen, die gleichfalls bei Einschnitten Sugillation ergeben. Zwei solcher, halbkreisförmiger Streifen laufen, 1 Zoll vom Nabel entfernt, rechts, über den Unterleib weg. |
11) | Die Gegend des Kreuzbeins und beide Nates zeigen eine bläuliche Färbung, und auch hier ergeben Einschnitte Sugillation in der Tiefe. |
12) | Auf der linken Seite des Bauches, gerade über der obern Gräthe des Hüftbeinkammes, findet sich ein fast runder, braungrüner, hart zu schneidender Fleck, unter[S. 189] welchem sich jedoch keine Blutunterlaufung ergiebt. Ein ganz ähnlicher, und braunroth gefärbter Fleck mit Abschilferung der Oberhaut findet sich an der innern Seite des rechten Knies und auf dem linken Hüftbein, 1 Zoll vom Rande desselben entfernt. |
Sonst ist bei der äussern Besichtigung nichts zu bemerken.
B. Innere Besichtigung.
I. Eröffnung der Kopfhöhle.
II. Eröffnung der Brusthöhle.
23) | Die Eingeweide befanden sich in ihrer natürlichen Lage; die Lungen sind in Beziehung der Farbe, Consistenz und des Blutgehalts, welcher nicht bedeutend ist, vollkommen normal. |
24) | Ebenso natürlich und vollkommen leer beschaffen ist die Luftröhre. Die Thymusdrüse ist noch nicht ganz geschwunden. |
25) | Vom natürlich beschaffenen Herzen ist nur zu erwähnen, dass dasselbe in seinen Kranzadern, wie in sämmtlichen Höhlen fast vollkommen blutleer ist. In dem Herzbeutel war die gewöhnliche Quantität Wasser enthalten. |
26) | Die grossen Blutadern dieser Höhle enthalten nur wenig Blut. |
Sonst ist bei dieser Höhle Nichts weiter zu bemerken.
III. Eröffnung der Bauchhöhle.
27) |
Nach kunstgemässer Entfernung der äussern Bedeckungen zeigen
sich die Eingeweide in ihrer natürlichen Lage. Die Leber und die mässig angefüllte Gallenblase sind vollkommen gesund. |
28) | Der natürlich beschaffene Magen ist zu 1⁄3 mit dünnem Kartoffelbrei angefüllt. |
29) | Die Speiseröhre ist leer. |
30) | An der Bauchspeicheldrüse, sowie |
31) | an der sehr blutarmen Milz ist so wenig etwas zu bemerken, als |
32) | an beiden Nieren. |
33) | Die Harnblase ist natürlich beschaffen und leer. |
34) | Von Netzen und Gekröse ist nur zu bemerken, dass in letzterm sich zahlreiche Scropheldrüsen befinden. |
35) | Die Därme sind gesund beschaffen und leer. |
36) | Die grossen Blutaderstämme dieser Höhle sind mässig mit halbgeronnenem Blute gefüllt. |
Da sonst Nichts weiter zu bemerken war, so wurde die Obduction hiermit geschlossen, und die Obducenten gaben ihr Urtheil dahin ab:
1) | dass das Kind an den oben sub 13, 14, 21 und 22 beschriebenen Verletzungen gestorben sei; |
2) | dass diese Verletzungen so beschaffen, dass dieselben in dem Alter des Verletzten nothwendig und unter allen Umständen für sich allein den Tod zur Folge haben mussten; |
3) | auf Befragen, dass die geschilderten Kopfverletzungen durch Schläge mit der blossen Hand, oder mit der Faust, oder mit dem dicken Ende einer gewöhnlichen Ruthe nicht hervorgebracht sein können, |
4) | auf Befragen, dass ein Fall des Kindes aus der Wiege vier Tage vor seinem Tode möglicherweise, aber nicht einmal wahrscheinlicherweise, die beregten Kopfverletzungen veranlasst haben kann, worüber sich Obducenten ein gewisseres Urtheil bis zur Kenntniss der Anteacta vorbehalten müssen: |
5) | bemerken Obducenten noch, dass aus der obigen Bejahung (sub 2) der ersten Frage des §. 169. der Criminal-Ordnung die Verneinung der beiden übrigen logisch folgt. |
v. | g. | u. |
Casper. | Wernecke. | |
a. | u. | s. |
Spaethen. | Dressel. |
betreffend
ausgegrabene Knochen eines neugebornen Kindes.
Verhandelt Charlottenburg, den 28. Mai 18—.
In Sachen, betreffend die Ermittelung der Todesart des Kindes, dessen Gebeine am 16. d. M. im Garten des Kaufmanns Peitzer vergraben aufgefunden, verfügten sich heute die unterzeichneten Gerichtspersonen nach dem Krankenhause, woselbst sie antrafen:
u. s. w.
Es war hierauf erschienen
der Geheime Medicinal-Rath, Physikus Herr Dr. Casper.
Demselben wurde der Inhalt des Paketes, welches vorstehend recognoscirt worden, zur Untersuchung übergeben, und derselbe aufgefordert, die Besichtigung der aufgefundenen Gebeine und Substanzen vorzunehmen, deren Inhalt und deren Beschaffenheit genau zu bemerken, und sich gutachtlich darüber zu erklären:
ob die aufgefundenen Gebeine und Substanzen zu dem Körper eines neugebornen, lebendig gewesenen, oder wie alten Kindes gehört, und vor wie langer Zeit ungefähr event. der Tod des Kindes erfolgt sein kann?
Es wurden endlich noch dem Herrn Geheimen Medicinal-Rathe Casper diejenigen 8 Knochen vorgelegt, welche am 24. d. M. in Gegenwart der Unterzeichneten durch den Knecht Schulze an dem qu. Orte aufgefunden worden, wie dies die Verhandlung vom 24. d. M. ergiebt.
Hierauf äusserte sich der Geheime Medicinal-Rath Herr Dr. Casper gutachtlich wie folgt:
Die mir vorgelegten Substanzen bestehen
a) | in einem groben, linnenen, mit einer verrosteten Stecknadel zusammengesteckten Lappen, der anscheinend weiss gewesen, und durch den sichtlich darauf befindlichen Kalk vielfach zerfressen ist; | |
b) | aus grossen Mengen grösserer oder kleinerer, talgartiger, gelblich weisser, schmieriger, an der Flamme schmelzender Massen, die sich deutlich wie sogenanntes Fettwachs verhalten. Einzelne der nachher zu beschreibenden Knochen, namentlich die beiden Oberschenkelbeine, das Stirnbein, die Hüftbeine und Unterkieferbeine sind noch mehr oder weniger in diesem Fettwachs eingehüllt, wie es denn überhaupt eine lange und mühsame Arbeit war, | |
c) | die gefundenen Knochen resp. aus dem Sand, Kalk, Lappen und Fettwachs möglichst einzeln zu gewinnen. | |
Dieselben bestehen in: | ||
1) | einem dreifach zerspaltenen Scheitelbeine, an seinem grössten Durchmesser 31⁄2 Zoll lang resp. 23⁄4 Zoll breit, mit Fettwachs, Sand und Kalk verunreinigt; | |
2) | dem grössten Theile eines Hinterhauptbeins von dreieckiger Gestalt mit deutlicher äusserer Pro[S. 195]tuberanz, von seiner Basis bis zur Spitze 23⁄8 Zoll hoch und 21⁄2 Zoll breit; | |
3) | einem halbmondförmigen Fragment eines Scheitelbeins, 2 Zoll hoch und 21⁄2 Zoll breit, an welchem noch einzelne gleich weiter zu beschreibende Haare kleben; | |
4) | einem Stirnbein mit deutlich entwickeltem Höcker, vom Augenhöhlenfortsatze bis zur Spitze 2 Zoll hoch und ebenso breit; | |
5) | zwei Unterkieferbeinen, jede Hälfte 2 Zoll lang, Höhe in der Mitte 3⁄8 Zoll; | |
6) | einem unförmlichen, dünnen und flachen Knochenstückchen, was muthmaasslich dem Siebbeine angehörte; | |
7) | zwei Oberkieferbeinen, 13 Linien breit und 11 Linien hoch; | |
8) | einem vielfach zerrissenen, etwa 21⁄2 Zoll langen und 1 bis 11⁄2 Zoll breiten, postpapierdicken Fetzen, der offenbar der sehnigten Schädelhaube angehörte, und an welchem sich sehr deutlich ziemlich viel hellblonde Haare von bis zu 3⁄4 Zoll Länge vorfinden; | |
9) | 5 Fragmenten von Wirbelbeinen, wovon 3 mit deutlichen Dornfortsätzen; mit einem scharfen Messer lassen sich die Körper derselben trennen, und wird das schwammige Gefüge deutlich sichtbar; | |
10) | einem bedeutenden Stück Fettwachs, woraus die beiden Hüftbeine entwickelt worden. Dieselben sehr deutlich erhalten sind resp. 15 Linien hoch und 17 Linien breit; | |
11) | in der Nähe derselben lag im Fettwachse eingehüllt eine braungelbliche, schmierige Masse, bei[S. 196] näherer Untersuchung auf einem dünnen Häutchen aufliegend, die sogleich nicht nur dem Ansehen, sondern auch dem von allen Anwesenden anerkannten Kothgeruche nach, für Darmkoth — Kindspech — erklärt wurde; | |
12) | einem Oberarmbeine, 21⁄2 Zoll lang, an seinem unteren Ende 5⁄8 Zoll, an seinem oberen 1⁄2 Zoll breit, mit dem Messer in der Mitte nicht zu zerschneiden; dicht am Knochen liess sich noch beim Abschaben ein braunrothes, gleichsam muskelartiges Gefüge wahrnehmen; | |
13) | dem linken Schlüsselbeine, 25 Linien lang, von festem Gefüge; | |
14) | dem linken Schulterblatte, 16 Linien lang, 1 Zoll in seinem grössten breiten Durchmesser; das acromion, deutlich vorhanden, ragt über dem Gelenktheile 2 Linien hervor; | |
15) | einem Fragmente vom rechten Schulterblatte mit deutlicher Gräthe; | |
16) | 12 Rippen, wovon die kleinste etwa 2 Zoll, die grösste 21⁄2 Zoll lang ist; auch das Gefüge dieser Knochen ist so hart, dass sie sich mit dem Messer nicht zerschneiden lassen. Die Biegung der Rippen ist sehr stark; | |
17) | beiden Oberschenkeln, resp. 3 Zoll lang, am Pfannenende 1⁄2 Zoll dick, in der Mitte 1⁄4 Zoll, im Durchmesser 1⁄4 Zoll, am Knieende 6⁄8 Zoll breit; das Gefüge am Körper ist sehr hart, die Trochanteren lassen sich deutlich wahrnehmen; | |
18) | zwei Schien- und zwei Wadenbeinen, die Schienbeine resp. 21⁄2 Zoll lang, an ihrem obern Ende einen halben, an ihrem untern 5⁄8 Zoll breit, in[S. 197] der Mitte des Körpers 3 Linien breit; beide Wadenbeine genau 21⁄8 Zoll lang, am obern Ende 21⁄2 Linien, am unteren 3 Linien breit. |
Nach obigem Befunde gebe ich mein Gutachten auf die mir vorgelegt werdenden Fragen dahin ab:
1) | dass die untersuchten Knochen einem menschlichen Kinde angehört haben; |
2) | dass ihre Configuration, Beschaffenheit und Dimensionen beweisen, dass das Kind jedenfalls ein lebensfähiges und höchst wahrscheinlich ein vollständig ausgetragenes gewesen sei; |
3) | dass über das Leben desselben in oder nach der Geburt sich gar nichts, auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit bestimmen lässt; |
4) | dass das Kind wahrscheinlich nicht länger als 1 bis 11⁄2 Jahre in der Erde gelegen habe. |
v. | g. | u. |
Casper. | ||
a. | u. | s. |
Kolk. | Bredow. |
(Die beigesetzten Zahlen beziehen sich auf die Seiten.)
Aortenbogen, Schuss in denselben 28.
Athemprobe 123. 126. 127. 128. 129. 138. 139.
Axthiebe, tödtliche 43.
Bajonett-Wunde, tödtliche 55.
Balgerei, tödtliche 87.
Bauchwunde, penetrirende 55.
Blut, Farbe desselben bei Ertrunkenen 113.
Blut, geronnenes, bei einem todtgebornen Kinde 133.
Brüche der Extremitäten, tödtlich 16. 57. 69.
Bruch von Halswirbeln 15.
Bruch des Brustbeins 52.
Bruch des Oberschenkels, tödtlich 16. 57.
Bruch des Oberarms, tödtlich 57.
Bruch des Unterschenkels, tödtlich 67.
Bruch des Schaambeins 18.
Chloroformirung, tödtliche 151.
Cruralis, s. Schenkelschlagader 3.
Dünndarm zerschossen 22.
Erfrierungstod des Neugebornen 141.
Erhängung in vollkommen stehender Stellung 92.
Erhängen 88.
Erstickungstod eines zwei Tage alten Kindes 137.
Erstickungstod aus innern Ursachen 83. 94.
Ertrinkungstod, neues Zeichen desselben 109.
Fall in einen Keller, tödtlich 50.
Fall von einer Treppe, tödtlich 51.
Fettwachsbildung 133.
Gehirn, Ruptur desselben 14.
Gehirneiterung nach Kopfverletzungen 37. 39. 43. 45. 46. 65.
Haare, ihr Ausgehen bei Vergifteten 174.
Halswirbel, Bruch desselben 15.
Harnblase bei Ertrunkenen 111.
Herz, Schusswunde in dasselbe 27. 30. 33. 35.
Herzbeutelwunde 89.
Hirnhämorrhagie, ob bei Ertrunkenen vorkommend? 110.
Hohlvene, Schuss in dieselbe 28. 30.
Hungertod, Fall, 169; angeblicher 172.
Infanterie- und Kavalleriesäbel als tödtliche Werkzeuge 46.
Kehldeckel, sein Stand bei Ertrunkenen 110.
Knochen, ausgegrabene, eines Kindes; Protokoll darüber 193.
Kopfverletzungen 10. 14. 21. 23. 24. 25. 29. 32. 37–51. 59. 64. 118.
Kugeln, ihre Eingangs- und Ausgangsöffnung schwer zu unterscheiden 20.
Kunstfehler der Medicinalpersonen, über dieselben 152.
Kupfersulphat, grosse Dosen desselben 156.
Leberhiebwunde, tödtliche 54.
Leberrisse, wie sie vorkommen 12.
Leichnam, was ist ein? 173.
Lethalitätslehre 1.
Luftröhre, verwest am frühesten 81.
Luftröhre, Zerreissung derselben 15.
Lunge, Schusswunde in dieselbe 27. 28. 29. 30. 31. 33.
Lungen, ihr Ansehn bei Ertrunkenen 112.
Lungen, Sinken Einer, Schwimmen der Andern 139.
Lungen einer verwesten Leiche sinken 127. 128.
Lungen, deren Farbe als Kriterium der Athemprobe 123. 134. 135.
Lungen, Sinken Einer, bei einem zwei Tage alten Kinde 138.
Meconium, enthält Wollhaare 183.
Milz-Hypertrophie, merkwürdige 75.
Misshandlungen, tödtliche 59. 75. 76.
Mittelfleisch, Berstung desselben 11.
Mord durch Erdrosselung 95. 104.
Mord durch Erstickung 77.
Mord durch Ertränken 114. 117.
Mord durch Kopfverletzungen 39. 43.
Mord durch Strangulation 84.
Nabelschnur, Trennung derselben am Nabel 143.
Nabelschnur, ihre Ränder 125.
Netz und Dünndarm zerschossen 22.
Neugeborne, zweifelhafte Leben und Todesarten derselben 121–146.
Nothzucht und Mord 84.
Obduction, Ursprung des Wortes 6.
Obductions-Protokoll, ein ausführliches 186.
Oberarm, tödtlicher Bruch desselben 57.
Oberschenkel, tödtlicher Bruch desselben 57.
Oberschenkelbruch, tödtlich 16.
Ossificationsdefecte am Kopfe der Neugebornen 174; ihre Verwechselung mit Fracturen 175.
Penis, Zusammengezogensein desselben als neues Zeichen des Ertrinkungstodes 109.
Risse, tödtliche, s. Ruptur.
Rückenmark, Verletzung desselben 52.
Rückenmark, Schusswunde in dasselbe 26.
Ruptur des Herzbeutels 50.
Ruptur des Gehirns 14.
Ruptur der Leber 12. 13. 50. 52. 53.
Ruptur der Luft- und Speiseröhre 15.
Ruptur der Milz 51.
Ruptur des Rückenmarkes 52.
Säbelhiebe, tödtliche 45. 46. 49.
Schenkelschlagader, Schuss in dieselbe 31.
Schuppentheil vom Schlafbein abgesprengt 10.
Schusswunden, tödtliche, 19 Fälle 19.
Schusterhammer, Tödtung durch denselben 39.
Schwefelsäure, Vergiftung 149.
Selbsterwürgung in liegender Stellung 101.
Selbstmord durch Erhängen 88. 89. 92.
Spätgeburt, zweifelhafte 130.
Speiseröhre, Zerreissung derselben 15.
Spitzkugeln, wie sie wirken 19.
Strangmarke durch die Nabelschnur 159.
Sturz, tödtlicher, des Neugebornen 135.
Suffocation s. Erstickungstod.
Sugillation, Fehlen derselben bei schweren innern Verletzungen 13. 51. 54.
Todtschlag durch Kopfverletzungen 59. 64.
Todtschlag durch Säbelhiebe 45. 46. 49.
Tödtlichkeit, s. Lethalitätslehre.
Tödtung der Kreissenden, angeblich durch Schuld der Hebamme 150.
Tödtung des Neugebornen, angebliche, durch die Hebamme 159.
Trepanation 43.
Ueberfahren, Tödtung durch dasselbe 10.
Unterschenkel, tödtlicher Bruch desselben 69.
Vena cava, Schuss in dieselbe 28. 30.
Vena poplitaea, zerschossen 25.
Vena saphaena, tödtliche Verblutung aus derselben 58.
Verblutungstod 25. 27. 28. 29. 30. 31. 33. 35. 58.
Verbrennung, tödtliche, zweier Kinder 167.
Verbrennung durch ein Plätteisen, tödtlich 169.
Vergiftungen, über dieselben 147.
Vergiftung durch Schwefelsäure 149.
Vergiftung durch Wasserschierling 150.
Vergiftung, angebliche, durch den Arzt 155.
Vergiftung durch Chloroform 161.
Verletzungen, Tödtung durch dieselben 10.
Verwesung, ihr chronologisches Vorschreiten in den innern Organen 175.
Verwesung macht den Beweis des Ertrinkungstodes schwierig 106.
Verwesung, wie sie bei Wasserleichen chronologisch vorschreitet 107.
Wasser im Magen bei Ertrunkenen 112.
Wasser in den Bronchien bei Ertrunkenen 114.
Wasserleichen, wie sie verwesen 107.
Wasserschierling, angebliche Vergiftung durch denselben 150.
Windmühlenflügel, tödtliche Schläge durch denselben 37.
Wollhaar bei reifen Kindern 126.
Wollhaare im Fötus-Meconium 183.
Zangengeburt, Resultate einer schweren 136.
Zinksulphat, grosse Dosen desselben 156.
Züchtigungen, angeblich tödtliche 69.
Zwerchfell, Schuss in dasselbe 29.
Zwerchfell, dessen Stand bei Ertrunkenen 111.
Zwerchfell, Stand desselben bei Neugebornen 132.
In demselben Verlage ist erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:
Augustin, Geh. Med.-Rath etc. Dr. F. L., die Königlich Preuss. Medicinal-Verfassung oder: Vollständige Darstellung aller, das Medicinalwesen und die med. Polizei in den Königl. Preuss. Staaten betreffenden Gesetze etc. 7. Bd., die Verordnungen, Einrichtungen etc. vom Jahre 1838 bis 1842 enthaltend. 8.
2 Thlr. 261⁄4 Sgr.
Auswahl, neue, medicinisch-gerichtlicher Gutachten der Königl. wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen. I. Lieferung, a. u. d. T.:
Zur gerichtlichen Geburtshülfe. Eine Auswahl von Entscheidungen der Königl. wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen, mit Genehmigung des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten, herausgegeben von Jos. Herm. Schmidt, Geh. Med.-Rath, Prof. Dr. etc. gr. 8. geh.
1 Thlr. 12 Sgr.
Budd, Prof. Dr. G., Die Krankheiten der Leber. Aus dem Englischen bearbeitet und mit Zusätzen versehen von Dr. Henoch. gr. 8. Mit 2 Steindrucktafeln. broch.
2 Thlr.
Bühring, Dr. Joh. Jul., die Heilung der Eierstockgeschwülste. gr. 8. geh.
20 Sgr.
— — Die seitliche Rückgrats-Verkrümmung in ihren physiologischen und pathologischen Bedingungen und deren Heilung. Nebst erstem Jahresbericht aus dem orthopädischen Institut zu Berlin. Lex. 8. Mit 5 lith. Tafeln. geh.
25 Sgr.
— — Zur Pathologie und Therapie der Krankheiten des Hüftgelenks und ihrer Ausgänge. gr. 8. Mit 1 Steindrucktaf. geh.
28 Sgr.
Busch, Geh. Med.-Rath Prof. Dr. D. W. H., Lehrbuch der Geburtskunde. Ein Leitfaden bei akademischen Vorlesungen und bei dem Studium des Faches. Fünfte vermehrte und verbesserte Auflage. Mit 11 Holzschnitten. gr. 8. geh.
3 Thlr. 15 Sgr.
— — Atlas geburtshülflicher Abbildungen, mit Bezugnahme auf das Lehrbuch der Geburtskunde. 2te Auflage. 49 Steintafeln und Text. kl. 4. broch.
2 Thlr. 20 Sgr.
Casper, Geh. Med.-Rath Prof. Dr. J. L., der Entwurf des neuen Strafgesetzbuchs für die Preussischen Staaten, vom ärztlichen Standpunkte erläutert. gr. 8. broch.
10 Sgr.
— — Gerichtliche Leichenöffnungen. Erstes Hundert. Dritte vermehrte und gänzlich umgearbeitete Auflage. gr. 8. geh.
27 Sgr.
Damerow, Geh. Med.-Rath, Prof, Dr. H., Zur Kritik des politischen und religiösen Wahnsinns.
(Aus der „Zeitschrift für Psychiatrie“ besonders abgedruckt.)
gr. 8. geh.
10 Sgr.
Friedberg, Dr. H., Histologie des Blutes, mit besonderer Rücksicht auf die forensische Diagnostik. gr. 8. Mit 2 Tafeln. broch.
28 Sgr.
Goeden, Med.-Rath, Dr. A., die Carbonisation des Blutes als Heilmittel. gr. 8. geh.
12 Sgr.
Heidenhain, Dr. Heinrich, das Fieber an sich und das typhöse Fieber, physiologische, pathologische und terapeutische Untersuchungen. gr. 8. broch.
1 Thlr. 25 Sgr.
Helfft, Dr. H., Krampf und Lähmung der Kehlkopfs-Muskeln und die dadurch bedingten Krankheiten. gr. 8. geh.
16 Sgr.
Henoch, Dr. Ed., Klinik der Unterleibs-Krankheiten. I. Bd. gr. 8. geh.
(Der II. Band ist im Drucke.)
1 Thlr. 20 Sgr.
Herzog, Med.-Rath Dr., die Körperverletzungen, aus dem Gesichtspunkte der Preussischen Gesetze für Gerichtsärzte und Richter beleuchtet. gr. 8. geh.
12 Sgr.
Lessing, Dr. M. B., über die Unsicherheit der Erkenntniss des erloschenen Lebens. Nebst Vorschläge zur Abhülfe eines dringenden Bedürfnisses für Staat und Familie. 8.
171⁄2 Sgr.
Löwenhardt, Dr. S. E., Untersuchungen im Gebiete der gerichtlichen Arzneiwissenschaft, für Aerzte und Criminalisten. 1. Bd. gr. 8. geh.
1 Thlr. 25 Sgr.
Magnus, Dr. A., über das Flusswasser und die Cloaken grösserer Städte. In medicin.-polizeil. Hinsicht. 8.
10 Sgr.
Mandt, Geh. Rath Dr. M. W., practische Darstellung der wichtigsten ansteckenden Epidemien und Epizootien in ihrer Bedeutung für die medicinische Polizei. 8.
2 Thlr.
Neumann, Kreis-Physikus Dr. A. C., Handbuch der gerichtlichen Anatomie für Rechtsgelehrte, Polizeibeamte und Studirende, die an den Universitäten medicina forensis hören, sowie überhaupt für Jeden, welcher den wichtigen Bau des Menschen ohne Beihülfe von Leichen und anatomischen Abbildungen gründlich kennen lernen will. 8. broch.
1 Thlr. 15 Sgr.
Nicolai, Med.-Rath Dr. G. H., Handbuch der gerichtlichen Medicin nach dem gegenwärtigen Standpunkte dieser Wissenschaft, für Aerzte und Criminalisten. Nebst Formularen zu Obductions-Protokollen, sowie zu Abfassungen von Gutachten. 8.
2 Thlr. 10 Sgr.
Regulativ für das Verfahren bei den medicinisch-gerichtlichen Untersuchungen menschlicher Leichname (Obduktionen). Herausgegeben von der Königl. wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen. 8. geh.
21⁄2 Sgr.
Spinola, Dr. W. T. J., Sammlung von thierärztlichen Gutachten, Berichten und Protokollen, nebst einer Anweisung der bei ihrer Anfertigung zu beobachtenden Formen und Regeln, in besonderer Beziehung auf die in den Königl. Preussischen Staaten geltenden Gesetze. Zweite verbesserte und vermehrte Auflage. gr. 8. geh.
1 Thlr. 10 Sgr.
Wollheim, Dr. H., Versuch einer medicinischen Topographie und Statistik von Berlin. Mit einem Vorworte vom Geh. Med.-Rathe Dr. Casper. gr. 8.
2 Thlr. 261⁄4 Sgr.
Unter der Presse befindet sich:
Zur
gerichtlichen Psychologie.
Eine Auswahl von Entscheidungen
der
Königl. wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen,
mit Genehmigung des Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten.
Herausgegeben von
Dr. K. W. Ideler,
Prof., Dir. etc.
Zugleich als 2. Abth. der „neuen Auswahl der medicinisch-gerichtlichen Gutachten etc.“ ca. 22 Bogen gr. 8.
Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin.
[1] Dritte Aufl. S. 26.
[2] Vergl. den ungemein merkwürdigen Fall in meiner Vierteljahrsschrift für gerichtliche und öffentliche Medicin, I. 2, S. 274: „Ueber Tätowirungen. Der Process Schall, eine cause célèbre.“
[3] 1. Hundert, 3. Aufl. S. 154.
[4] S. a. a. O. S. 152.
[5] a. a. O. S. 154.
[6] a. a. O. S. 151.
[8] Bekanntlich die wörtliche Fassung der ersten Frage des §. 169. der Crim.-Ordn.
[9] D. h. Eiterung im grossen, im kleinen Gehirn und Bruch im Stirnbein.
[10] a. a. O. S. 88.
[11] Wie ich dies nachgewiesen in den „Versuchen und Beobachtungen über den Erhängungstod“ (Denkwürdigkeiten zur med. Statistik und Staatsarzneikunde. Berlin, 1846, S. 81 u. ff.)
[12] Vor Kurzem ist uns in der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen bei einem erforderten Superarbitrium der Fall eines jungen Frauenzimmers vorgekommen, die erst ihr Kind gemordet, und dann unmittelbar darauf sieben (sämmtlich misslungene!) Selbstmordversuche durch Erstechen, Erhängen und Ertränken gemacht hatte.
[13] 1. Hundert S. 152.
[14] Diese Resignation ist später unserm Gutachten sehr zu Statten gekommen, da das erkennende Gericht deshalb demselben den Vorzug vor den später noch eingeholten Superarbitriis gab, weil letztere „sich in Dinge eingelassen haben, die dem Gerichtshofe anheimfallen müssen.“ Ich führe dies wahrlich nicht im Geringsten als Selbstlob an, sondern sehr absichtlich und vielmehr: als Warnung für Gerichtsärzte, überall sich streng in den Gränzen ihrer Wissenschaft zu halten. Nichts empfinden die Gerichts-Behörden verletzender, als Uebergriffe der Techniker in ihr, der Juristen, Gebiet, und mit Recht. Was soll man vollends von neuern Handbüchern über gerichtliche Medicin, wie z. B. von dem Schürmayer’schen, sagen, die ganze Bogen reiner Rechtsdeductionen, juristischer Definitionen u. s. w. zum Besten geben! Mögen Mediciner dieselben immerhin lesen, nur aber sich wohl hüten, davon für ihre Gutachten, schriftliche oder mündliche, in foro irgend wie Gebrauch zu machen.
[15] a. a. O, S. 84.
[16] S. meine „Vierteljahrsschrift für gerichtl. u. öffentl. Medicin“ II. S. 200 u. f.
[17] Hiermit stimmt auch Alphonse Dévergie vollständig überein. S. Médec. légale. Paris 1836. II. 1. S. 353.
[18] a. a. O. S. 223.
[19] Längere Zeit, nachdem Obiges niedergeschrieben, ist mir die vortreffliche Abhandlung über den Ertrinkungstod des Grossh. Hess. Physicus Herrn Dr. Simeons in Mainz zugekommen, die man in der „Viertelj.-Schrift“ Bd. III. S. 289 u. f. abgedruckt findet. Der Verfasser, den man aus dieser Arbeit allein als einen sehr geübten forensischen Practiker kennen lernt, schildert darin S. 305 noch ausführlicher als dies oben von mir geschehen, und ausserordentlich naturgetreu die Stadien der Verwesung bei Wasserleichen, und erklärt die Schwärzung des Kopfes aus der Einwirkung des Lichtes und der Sonnenstrahlen auf denselben.
[20] a. a. O. S. 215.
[21] a. a. O. S. 99.
[22] a. a. O. S. 155.
[23] a. a. O. S. 84.
[24] a. a. O. S. 155.
[25] S. meine „Vierteljahrsschrift“ I. S. 79 u. ff. und auch ebendas. III. S. 280 u. ff.
[26] a. a. O. S. 158.
[27] S. meine „Wochenschrift“ Jahrg. 1844 S. 361 u. ff.
[28] a. a. O. S. 88.
[29] a. a. O. S. 156.
Anmerkungen zur Transkription:
Der vorliegende Text wurde anhand der 1853 erschienenen dritten Ausgabe möglichst originalgetreu wiedergegeben. Lücken im Drucksatz sowie einzelne fehlende Buchstaben und Satzzeichen wurden sinngemäß ergänzt. Typische Verwechslungen, insbesondere bei den Buchstaben n/u wurden stillschweigend korrigiert. Etwaige Inkonsistenzen wurden dagegen beibehalten.
Im Original werden einige Passagen gesperrt dargestellt; dies wird in der vorliegenden Version durch Fettdruck repräsentiert.
Alte oder regionale Ausdrücke, z.B. „erhungert“, „Nath“ (für „Naht“), wurden unverändert übernommen. Die folgenden Stellen wurden korrigiert:
# S. 72: „sagar“ → „sogar“
# S. 92: „Belag“ → „Beleg“ „solches“ →
„solchen“
# S. 134: „geründet“ → „gerundet“
# S. 145: doppeltes „und“ entfernt
# S. 187: „rehr“ → „sehr“
# S. 188: „parallell“ → „parallel“
Es wurden ausschließlich Links innerhalb des vorliegenden Bandes erstellt; Verweise zu den Fällen bzw. Seiten des ersten Bandes wurden nicht aufgenommen.
End of the Project Gutenberg EBook of Gerichtliche Leichen-Oeffnungen., by Johann Ludwig Casper *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GERICHTLICHE LEICHEN-OEFFNUNGEN. *** ***** This file should be named 46979-h.htm or 46979-h.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/4/6/9/7/46979/ Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive) Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. 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If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. 1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be used on or associated in any way with an electronic work by people who agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works even without complying with the full terms of this agreement. See paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic works. See paragraph 1.E below. 1.C. 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INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance with this agreement, and any volunteers associated with the production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees, that arise directly or indirectly from any of the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause. Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of electronic works in formats readable by the widest variety of computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director gbnewby@pglaf.org Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit www.gutenberg.org/donate While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For forty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. They may be modified and printed and given away--you may do practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is subject to the trademark license, especially commercial redistribution. *** START: FULL LICENSE *** THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free distribution of electronic works, by using or distributing this work (or any other work associated in any way with the phrase "Project Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg-tm License (available with this file or online at http://gutenberg.org/license). Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm electronic works 1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the terms of this license and intellectual property (trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. 1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be used on or associated in any way with an electronic work by people who agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works even without complying with the full terms of this agreement. See paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic works. See paragraph 1.E below. 1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the collection are in the public domain in the United States. If an individual work is in the public domain in the United States and you are located in the United States, we do not claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, displaying or creating derivative works based on the work as long as all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily comply with the terms of this agreement by keeping this work in the same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when you share it without charge with others. 1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in a constant state of change. If you are outside the United States, check the laws of your country in addition to the terms of this agreement before downloading, copying, displaying, performing, distributing or creating derivative works based on this work or any other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no representations concerning the copyright status of any work in any country outside the United States. 1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: 1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed, copied or distributed: This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org/license 1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived from the public domain (does not contain a notice indicating that it is posted with permission of the copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in the United States without paying any fees or charges. If you are redistributing or providing access to a work with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted with the permission of the copyright holder, your use and distribution must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the permission of the copyright holder found at the beginning of this work. 1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm License terms from this work, or any files containing a part of this work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. 1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this electronic work, or any part of this electronic work, without prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with active links or immediate access to the full terms of the Project Gutenberg-tm License. 1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any word processing or hypertext form. However, if you provide access to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1. 1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.8. 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Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic works, and the medium on which they may be stored, may contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by your equipment. 1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all liability to you for damages, costs and expenses, including legal fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. 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INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance with this agreement, and any volunteers associated with the production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees, that arise directly or indirectly from any of the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause. Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of electronic works in formats readable by the widest variety of computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at http://pglaf.org For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director gbnewby@pglaf.org Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit http://pglaf.org While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: http://pglaf.org/donate Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: http://www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.