The Project Gutenberg EBook of Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen, by Sophus Ruge This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook. Title: Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen Author: Sophus Ruge Editor: Wilhelm Oncken Release Date: June 2, 2017 [EBook #54832] Language: German Character set encoding: UTF-8 *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GESCHICHTE DES ZEITALTERS *** Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive)
Anmerkungen zur Transkription
Der vorliegende Text wurde anhand der 1881 erschienenen Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche sowie inkonsistente Schreibweisen wurden beibehalten, insbesondere wenn diese in der damaligen Zeit üblich waren oder im Text mehrfach auftreten.
Namen werden im Originaltext meist gesperrt dargestellt, allerdings nicht durchgehend; Adelstitel werden nur teilweise in die Sperrung mit einbezogen. Es wurde diesbezüglich keinerlei Harmonisierung vorgenommen. Die Fußnotenanker [166] sowie [178] fehlen im Original; diese wurden vom Bearbeiter an der augenscheinlich am besten geeigneten Stelle eingefügt. Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter an den Anfang des Buches verschoben.
Die Buchversion wurde in Frakturtext gedruckt; Passagen in Antiquaschrift werden in der vorliegenden Fassung kursiv hervorgehoben. Ausnahmsweise werden auch die Legenden der großen Karten in Normalschrift wiedergegeben, obwohl diese im Original in Antiqua gesetzt sind. Kursive Stellen sind in diesem Fall auch in der gedruckten Fassung so dargestellt.
Einige Karten sind im Original als ausklappbare Tafeln im Format mehrerer Buchseiten ausgeführt, welche in der elektronischen Version der besseren Lesbarkeit halber teilweise in kleinere Abschnitte aufgeteilt. Die Seitenzahlen im Abbildungsverzeichnis wurden gegebenenfalls angepasst.
Die ‚Karte von Afrika in eine Portulano (Seekarte) von 1351‘ wurde in der gedruckten Fassung um 180° gedreht wiedergegeben, wohl um, entsprechend der heutigen Gewohnheit, Norden oben und Süden unten darzustellen. In der Zeit der Erstellung der Seekarte war aber die umgekehrte Darstellung üblich, so dass die eingetragenen Namen und Bezeichnungen in der Buchversion auf dem Kopf stehen. In der vorliegenden Fassung wurde die ursprüngliche Orientierung wiederhergestellt.
Die Weltkarte (‚Mapamondi‘) zwischen den Seiten 78 und 79 besteht in der Buchfassung aus einer großen Ausklapptafel, zusammen mit einem ebenso großen ‚Schutzblatt‘, von denen die erstere die katalanische Originalkarte, das letztere die deutsche Übersetzung der Legenden darstellt. Die deutschen Texte konnten derart über die Weltkarte gelegt werden, dass diese über den entsprechenden katalanischen Passagen zu liegen kommen. In der vorliegenden elektronischen Fassung wurden die entsprechenden deutschsprachigen Legenden mit den zugehörigen Kartenausschnitten am Ende der Weltkarte angefügt.
Links zu größeren Bildansichten sind möglicherweise nicht in allen Lesegeräten aktiv; einige Karten wurden daher zusätzlich in Ausschnitten vergrößert wiedergegeben. Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät installierten Schriftart können die im Original gesperrt gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos als auch gesperrt erscheinen.
Allgemeine Geschichte
in
Einzeldarstellungen.
Unter Mitwirkung von
Felix Bamberg, Alex. Brückner, Felix Dahn, Joh. Dümichen, Bernh. Erdmannsdörffer, Theod. Flathe, Ludw. Geiger, Richard Gosche, Gust. Hertzberg, Ferd. Justi, Friedrich Kapp, B. Kugler, S. Lefmann, Wilhelm Oncken, M. Philippson, S. Ruge, Eberh. Schrader, Bernh. Stade, Alfr. Stern, Otto Waltz, Ed. Winkelmann, Adam Wolf
herausgegeben
von
Wilhelm Oncken.
Zweite Hauptabteilung.
Neunter Theil.
Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen.
Von Sophus Ruge.
Berlin,
G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung.
1881.
Von
Dr. Sophus Ruge,
Professor am Königl. Polytechnicum zu Dresden.
Mit Illustrationen und Karten.
Berlin,
G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung.
1881.
Uebersetzungsrecht vorbehalten.
Druck von B. G. Teubner in Leipzig.
Beginn des Satzes am 10. Juni 1881.
Erstes Buch. | |
Die Anfänge der Forschung. | |
Seite | |
Erstes Capitel. Die Morgenseite der alten Welt | 3 |
Zweites Capitel. Die Abendseite der alten Welt | 12 |
Zweites Buch. | |
Die Vorhalle der großen Zeit. | |
Erstes Capitel. Die Morgenseite der alten Welt | 35 |
1. Der Orient seit Beginn der Mongolenherrschaft | 35 |
2. Der Presbyter Johannes | 37 |
3. Die ersten christlichen Glaubensboten im Orient | 40 |
4. Die Handelsreisen der Poli | 51 |
5. Die späteren Missionsreisen und Handelszüge | 71 |
Zweites Capitel. Die Abendseite der alten Welt | 81 |
Prinz Heinrich der Seefahrer | 81 |
Drittes Buch. | |
Die Seewege nach Indien. | |
Erstes Capitel. Die Bahn der Portugiesen nach Südosten | 103 |
1. Diogo Cão und seine Vorläufer | 103 |
2. Bartolomeu Dias | 107 |
3. Vasco da Gama’s erste Fahrt | 109 |
4. Cabral und João da Nova | 128 |
5. Vasco da Gama’s zweite Fahrt | 135 |
6. Francisco d’Almeida, Vicekönig von Indien | 147 |
7. Affonso d’Albuquerque, Generalcapitän und Governador von Indien | 160 |
8. Die Nachfolger Albuquerque’s | 185 |
9. Die Portugiesen auf den Molukken | 199 |
10. Das Phantom der Gold- und Silberinseln | 207 |
11. Der erste Besuch der Portugiesen in China und Japan | 213 |
Zweites Capitel. Die Bahn der Spanier nach Westen und die Entdeckung der neuen Welt | 217 |
1. Die Bedeutung der italienischen, namentlich genuesischen Nautik, und das frühere Leben des Christoph Columbus | 217 |
2. Das allmähliche Reifen des Planes einer Westfahrt | 221 |
3. Das Project Toscanelli’s | 225 |
4. Columbus in Spanien | 232 |
5. Die erste Fahrt des Columbus über den Ocean | 241 |
6. Wo liegt Guanahani? | 248 |
7. Die Fahrt durch das westindische Meer | 253 |
8. Die Demarcationslinie | 267 |
9. Die zweite Reise des Columbus | 271 |
10. Die dritte Reise des Columbus und die Entdeckung Südamerika’s | 281 |
11. Die Zustände auf Haiti und die Gefangennahme des Columbus | 292 |
12. Die letzte Reise des Columbus | 297 |
13. Die letzten Lebensjahre des Columbus | 311 |
14. Zur Charakteristik des Columbus | 314 |
15. Die kleinen Entdecker | 322 |
16. Die Portugiesen in Südamerika | 330 |
17. Die spanischen Niederlassungen auf dem Festlande von Mittelamerika und die Entdeckung der Südsee | 340 |
18. Die Entdeckungen im Golf von Mexiko | 355 |
19. Ferdinand Cortes geht nach Mexiko | 359 |
20. Cortes in Mexiko | 373 |
21. Cortes siegt über Panfilo de Narvaez | 377 |
22. Der Kampf um Mexiko | 379 |
23. Cortes als Statthalter von Neuspanien | 387 |
24. Cortes’ Feldzug nach Honduras | 394 |
25. Cortes’ spätere Unternehmungen und sein Tod | 402 |
26. Die Unternehmungen gegen Florida und die Küste von Nordamerika | 407 |
27. Coronado’s Feldzug nach Cibola und Quivira | 415 |
28. Das Goldland Peru und seine alte Kultur | 424 |
29. Pizarro versucht bis zum Lande der Inkas vorzudringen | 434 |
30. Die Eroberung Peru’s | 439 |
31. Almagro’s Zug nach Chile und sein Tod | 447 |
32. Die Ermordung Pizarro’s und das Ende der peruanischen Parteikämpfe | 451 |
33. Orellana entdeckt den Amazonenstrom 1541 | 455 |
Drittes Capitel. Die südwestliche Bahn nach Indien. Magalhães und die erste Erdumsegelung | 458 |
1. Die Vorläufer Magalhães’ | 458 |
2. Fernão Magalhães | 462 |
3. Die Vollendung der ersten Erdumsegelung | 478 |
4. Der Streit um die Molukken | 483 |
5. Die spanischen Entdeckungsfahrten im großen Ocean | 489 |
Viertes Capitel. Die Versuche, einen nordwestlichen Weg nach Indien zu finden | 499 |
1. Giovanni und Sebastiano Cabotto | 499 |
2. Portugiesen, Italiener und Franzosen auf dem Nordwestwege | 504 |
3. Die Versuche der Engländer, eine Nordwestpassage zu finden | 510 |
Fünftes Capitel. Die Nordostpassage | 520 |
1. Die Engländer auf dem Nordostwege und die moskowitische Compagnie | 520 |
2. Die Holländer auf dem Nordostwege und der Kampf um Spitzbergen | 525 |
Abbildungen im Text. | ||
Seite | 15: | Facsimile von der angelsächsischen Handschrift König Alfreds d. Gr. von Ohthere’s Reise; 9. Jahrh. In der Cottonian Bibliothek des British Museum zu London. (Bosworth, Joseph, A Description of Europe, and the Voyages of Ohthere and Wulfstan, written in Anglo-Saxon by King Alfred the Great.) |
„ | 49: | Facsimile der drei ersten Zeilen des uigurisch geschriebenen Briefes von Argunchan an Philipp d. Schönen; 1289. Im Archive von Paris. (The Book of Marco Polo the Venetian, concerning the Kingdoms and Marvels of the East. Newly translated and edited by Henry Yule.) |
„ | 53: | Marco Polo. Nach einem Gemälde in der Gallerie Badia in Rom. (Ebd.) |
„ | 65: | Goldenes Geleitstäfelchen mongolischer Fürsten. |
„ | 74: | Hand eines reichen Annamiten. (Photographische Aufnahme nach der Natur.) |
„ | 83: | Prinz Heinrich der Seefahrer. Miniature in der 1448–1453 entstandenen Handschrift „Chronica do descobrimento e conquista de Guiné etc.“ In der Nationalbibliothek zu Paris. (Major, H., The Life of Prince Henry of Portugal.) |
„ | 97: | Die Land- und Wasserkugel der Erde. |
„ | 99: | Facsimile einer alten Abbildung des Jakobstabes und seiner Anwendung. (Cosmographia, siue Descriptio vniuersi Orbis, Petri Apiani et Gemmae Frisii, Mathematicorum insignium, iam demùm integritati suae restituta. Antuerpiae, 1584.) |
„ | 105: | Martin Behaim. (Ghillany, Geschichte des Seefahrers Ritter Martin Behaim.) |
„ | 106: | Astrolabium des Joh. Regiomontanus vom Jahre 1468. (Ebd.) |
„ | 111: | Vasco da Gama. Nach einem Gemälde im Besitze des Grafen von Lavradio. (Stanley, Henry, The three voyages of Vasco da Gama and his Viceroyalty. From the Lendas da India of Gaspar Correa. Hakluyt. Soc.) |
„ | 135: | Vasco da Gama. Aus dem Manuscript von Pedro Baretto de Resenda. In der Sloane Bibliothek des British Museum, London. (The Commentaries of the great Afonso Dalboquerque, second Viceroy of India. Translated from the Portuguese edition of 1774, with notes and an introduction, by Walter de Gray Birch. Hakluyt. Soc.) |
„ | 142: | Alfons von Albuquerque. Nach dem Manuscript des Pedro Baretto de Resenda. In der Sloane Bibliothek des British Museum, London. (Ebd.) |
„ | 154: | Ostindisches Fahrzeug des 16. Jahrhunderts mit Rohrsegeln und am Stern aufgehängtem hölzernem Anker. (Linschoten, Itinerarium ofte Schipvaert naer Oost ofte Portugaels Indiën. Amsterdam 1614.) |
„ | 155: | Ostindischer Schnellsegler des 16. Jahrhunderts, Fusta. (Ebd.) |
„ | 188: | Facsimile des Namenszuges von Vasco da Gama (und zwei Zeugen) in dem Dokument, in welchem er König Johann III. huldigte, als derselbe ihn zum Vicekönig von Indien ernannt hatte. — Im Archiv von Lissabon. (Stanley, Henry, The three voyages of Vasco da Gama and his Viceroyalty. From the Lendas da India of Gaspar Correa.) |
„ | 189: | Wappen von Vasco da Gama. (Ebd.) |
„ | 191: | Pero Mascarenhas in Ketten. (Lendas da India por Gaspar Correa publicadas de ordem da classe de sciencias moraes, politicas e bellas lettras da academia real das sciencias de Lisboa. Livro terceiro que conta dos feitos de Pero Mascarenhas, e Lopo Vaz de Sampayo, e Nuna da Cunha.) |
„ | 197: | Portrait von Nuno da Cunha. (Ebd.) |
„ | 234: | Angebliches Portrait von Christoph Columbus; Madrid, Marine-Ministerium. (Photographische Originalaufnahme.) |
„ | 235: | Angebliches Portrait von Christoph Columbus; Madrid, National-Bibliothek. (Boletín de la Sociedad geográfica de Madrid. T. VI.) |
„ | 240: | Der im Bau begriffene Rumpf eines großen Seeschiffes vom Ende des 15. Jahrh. (Bernhardus de Breydenbach, Peregrinationes in montem Syon ad venerandum Christi sepulcrum in Jerusalem. Mainz, 1486.) |
„ | 241: | Seeschiff vom Ende des 15. Jahrh., halb vor dem Winde segelnd. (Ebd.) |
„ | 245: | Christoph Columbus’ Rüstung; Madrid, Waffen-Museum im königl. Palais. (Photographische Originalaufnahme.) |
„ | 247: | Titelholzschnitt einer zu Florenz im Jahre 1493 gedruckten italienischen Flugschrift, darstellend die Landung des Columbus. (Getreue Nachbildung des Originals im British Museum zu London.) |
„ | 262: | Facsimile der ersten Flugschrift, welche die Kunde von der Entdeckung Amerika’s brachte. (Getreue Nachbildung des Originals im British Museum zu London.) |
„ | 263/4: | Titel, Anfangsseite und Schluß des ersten deutschen Flugblattes, welches die Entdeckung Amerika’s meldete. (Getreue Nachbildung des Originals in der Staatsbibliothek zu München.) |
„ | 312: | Haus zu Valladolid, in dem Christoph Columbus gestorben. (Photographische Aufnahme nach der Natur.) |
„ | 317: | Facsimile der Schlußzeilen eines Briefes von Christoph Columbus, datirt Granada, 6. Februar 1502. (Tre Lettere di Cristoforo Colombo ed Amerigo Vespucci, riprodotte in Fotolitografia.) |
„ | 333: | Titelblatt der deutschen Uebersetzung des Briefes, welchen Amerigo Vespucci über seine dritte Reise an Pier Francesco de Medici schrieb. (Getreue Nachbildung des Originals in der königl. Bibliothek zu Dresden.) |
„ | 334: | Rückseite des Titelblattes und Anfang desselben Briefes. (Ebd.) |
„ | 337: | Facsimile der Schlußzeilen eines Briefes von Amerigo Vespucci an den Cardinal Arzobispo de Toledo (Ximénez de Cisneros); datirt Sevilla, 9. December 1508. (Tre Lettere di Cristoforo Colombo ed Amerigo Vespucci riprodotte in Fotolitografia.) |
„ | 339: | Facsimile der Stelle, in welcher zum erstenmale der Name „Amerika“ vorgeschlagen wird. (Cosmographiae Introductio des Hylacomylus von 1507.) |
„ | 357: | Tempelruine zu Uxmal. (Gailhabaud, Jules, Monuments anciens et modernes. IV.) |
„ | 360: | Medaillenbildniß von Ferdinand Cortes; Originalgröße. (Nach dem Original im königl. Münz-Cabinet zu Berlin.) |
„ | 405: | Rüstung von Ferdinand Cortes; im Waffenmuseum zu Madrid. (Photographische Originalaufnahme.) |
„ | 427: | Conti am Titicacasee: als Specimen der merkwürdigen Thorbauten. (Photographische Aufnahme nach der Natur.) |
„ | 429: | Altperuanisches Gobelingewebe aus dem Todtenfelde von Ancon. (Stübel und Reis, das Todtenfeld von Ancon in Peru.) |
„ | 430: | Sculptur am Inkathor bei Cuzco. (Photographische Originalaufnahme.) |
„ | 431: | Sculptur am Inkathor bei Cuzco. (Photographische Originalaufnahme.) |
„ | 433: | Durchschnitt eines altperuanischen Grabes mit Mumien. (Stübel und Reis, das Todtenfeld von Ancon in Peru.) |
„ | 443: | Das Haus Atahuallpa’s bei Cajamarca, in welchem der Inka von Pizarro gefangen gehalten wurde. (Photographische Aufnahme nach der Natur.) |
„ | 462: | Facsimile des Namenszuges von Magalhães. Von einem Briefe, datirt 24. October 1518, im indischen Archiv zu Sevilla. (The first voyage round the world by Magellan. Translated from the accounts of Pigafetta and other contemporary writers by Lord Stanley of Alderley.) |
„ | 463: | Fernão de Magalhães. Verkleinertes Facsimile des Kupferstiches, 1788, von Ferd. Selma. (Coleccion de los viages y descubrimientos que hicieron por mar los Españoles desde fines del Siglo XV., coordinada é illustrada por Martin Fernandez de Navarrete. Tomo IV.) |
„ | 467: | Rumpf eines großen Seeschiffes um 1500; im Wappen des Johann Segker. Verkleinertes Facsimile eines Holzschnittes aus Albrecht Dürers Schule. (Kunsthalle zu Hamburg.) |
Vollbilder. | ||
Seite | 70: | Chinesisches Papiergeld aus der Ming-Dynastie (1368–1645). Original in Paris. Getreue Nachbildung in ¼ der natürlichen Größe. (The Book of Marco Polo the Venetian, concerning the kingdoms and Marvels of the East. Newly translated and edited by Henry Yule.) |
„ | 356: | Eine Seite aus der Mayahandschrift der königl. Bibliothek zu Dresden. Originalgröße. (Die Mayahandschrift der kgl. öffentlichen Bibliothek zu Dresden. 74 Tafeln in Chromolichtdruck.) |
„ | 420: | Ansicht des großen Colorado-Cañons. (Powell, J. W., Exploration of the Colorado River of the West 1869–1872.) |
„ | 425: | Das Inkathor bei Cuzco. (Photographische Aufnahme nach der Natur.) |
„ | 426: | Die Ruinen des Inkaschlosses am Titicacasee. (Photographische Aufnahme nach der Natur.) |
„ | 434: | Altperuanische Mumien aus dem Todtenfelde von Ancon. (Stübel und Reis, das Todtenfeld von Ancon in Peru.) |
„ | 440: | Krieger aus der Inkazeit: altperuanische Malerei auf dem unter Nr. 23 auf dem Doppelvollbilde „altperuanische Geräthschaften“ abgebildeten Kruge. (Ebd.) |
„ | 446: | Sacsahuaman: ein Theil der Ruinen der alten Inkafestung bei Cuzco. (Photographische Aufnahme nach der Natur.) |
Doppelvollbilder. | ||
Seite | 359: | Sculpturen von Copán, Trachten der alten Mittel-Amerikaner darstellend. (Meye und Schmidt, die Steinbildwerke von Copán und Quirigua.) |
„ | 432: | Altperuanische Geräthschaften aus dem Todtenfelde von Ancon. (Stübel und Reis, das Todtenfeld von Ancon in Peru.) |
Karten im Text. | ||
Seite | 25: | Karte von Afrika in einem Portulano von 1351. In der Laurentinischen Bibliothek zu Florenz. (Major, H., The Life of Prince Henry of Portugal.) |
„ | 27: | Karte zu den Reisen von Nicolo und Antonio Zeno, 1558. (Nach H. Kiepert.) |
„ | 249: | Die Entdeckungen des Columbus auf seiner ersten Reise. Ein Theil von Westindien; nach der englischen Admiralitätskarte Nr. 761 gezeichnet von C. Riemer. |
„ | 318: | Die Insel Guanahani nach der Karte Diego Ribero’s von 1529. |
„ | 347: | Karte zu Balboa’s Entdeckung der Südsee. (Nach dem Entwurfe von Professor Dr. Sophus Ruge.) |
„ | 363: | Karte zu Cortes’ Eroberung von Mexiko. (Ebs.) |
„ | 390: | Karte zu den Feldzügen Alvarado’s nach Guatemala und des Cortes nach Honduras. (Ebs.) |
„ | 417: | Karte zu Coronado’s Expedition nach Cibola und Quivira. (Ebs.) |
„ | 437: | Karte zur Entdeckung von Peru durch Pizarro. (Ebs.) |
„ | 461: | Südamerika mit einer südlichen Meerenge auf dem von Joh. Schöner 1515 entworfenen Globus. (Ebs.) |
Karten-Beilagen. | ||
Seite | 12: | Weltkarte in der 1513 zu Straßburg gedruckten Ausgabe des Ptolemäus. Verkleinertes Facsimile. |
„ | 37: | Kartenskizze der Mongolenstaaten im XIII. Jahrhundert. Gezeichnet von Dr. Henry Lange. |
„ | 78: | Catalanische Erdkarte; für König Karl V. von Frankreich 1375 in Mallorca gezeichnet. Paris, Nationalbibliothek. Facsimile in ⅓ der Originalgröße. (Jomard, Monumens de la Géographie.) |
„ | 80: | Fra Mauro’s Weltkarte von 1459; Venedig. 1⁄10 der Originalgröße. (Nach H. Kiepert.) |
„ | 118: | Die Westküste von Vorder-Indien und die von den Portugiesen berührten Handelsstädte. (Nach dem Entwurfe von Professor Dr. Sophus Ruge.) |
„ | 230: | Die Oceanische Seite des Behaim’schen Globus vom Jahre 1492. (Ghillany, Geschichte des Seefahrers Ritter Martin Behaim.) |
„ | 324: | Aelteste Karte von Amerika; westlichster Theil der im Jahre 1500 von Juan de la Cosa gezeichneten Erdkarte. Facsimile in ⅓ der Höhe des Originals im Marine-Museum zu Madrid. (Jomard, Monumens de la Géographie.) |
„ | 438: | Seekarte von Diego Ribero, 1529. (Nach dem Original in der großherzoglichen Bibliothek zu Weimar.) |
„ | 534: | Facsimile der Molukken-Karte im Atlas des Diego Homen vom Jahre 1568. Originalgröße. (Dresden, königliche Bibliothek.) |
In der Geschichte der geographischen Entdeckungen zeichnen sich gewisse Epochen ab, in denen die Betheiligung an den Arbeiten, die Erdenräume dem Blicke der Forschung zu enthüllen oder wenigstens mit fernen weniger bekannten Ländern in lebhafteren Verkehr zu treten, eine außergewöhnlich starke ist, in denen, durch energischen Vorgang einzelner ausgezeichneter Persönlichkeiten, nicht blos einzelne Stände und Berufsklassen mit hineingezogen werden in das Interesse für Reisen und Entdeckungsfahrten, sondern wo die Antheilnahme bis in die Masse des Volkes hinabdringt und ein Volk das andere benachbarte allmählich mit hineinzieht in eine allgemeine großartige Bewegung. Die Erweiterung des räumlichen Horizonts zieht unabweisbar auch die Erweiterung des geistigen Gesichtsfeldes nach sich und drückt dem Volk, welches ihn errungen hat, den Stempel geistiger Reife auf. Die Machtsphäre gewinnt ein größeres Gebiet und damit wächst auch die politische Bedeutung. Kein Wunder, daß darum zu Zeiten mehrere Völker neben einander auf dem Ringplatze erscheinen und in regem Wettbewerb nach gleichen Zielen einander die Palme streitig machen.
Aber auf die hochgehenden Fluten folgen Zeiten der Ebbe, der Erschlaffung, Zeiten des Stillstandes, in denen, oft Jahrhunderte andauernd, die Erregung der Gemüther nachläßt, das Feuer der Begeisterung erlischt und die nach außen treibende Kraft sich von den Grenzen zurückzieht. Der Horizont verdunkelt sich wieder, die Schleier rücken eng und enger um die Mitte zusammen. Solche Zeiten der Stagnationen machen sich auch in der allgemeinen Geschichte fühlbar. Es sei dabei an die den Kreuzzügen vorangehenden Jahrhunderte erinnert. Auf die sich über beinahe 1000 Jahre ausdehnende Erschlaffung und Apathie folgt aber etwa vom 13. bis 17. Jahrhundert die Epoche der höchsten Anstrengung auf diesem Felde, folgt eine durch alle Völker Europas gehende tiefe Bewegung, welche nur der noch weiter, tiefer gehenden religiösen Erregung und Erhebung allmählich wich. Diese Zeit ist es aber, welche, als das Zeitalter der großen Entdeckungen bezeichnet, auch in der Darstellung allgemeiner Geschichte Beachtung fordert.
Um die Ziele der Unternehmungen jenes großen Zeitraums verstehen zu lernen, müssen wir, zur Einleitung, weiter in die Vergangenheit zurückgreifen.
Man sollte meinen, daß, wenn es sich um die Erweiterung der Kenntnisse[S. 4] von der Erdoberfläche handelt, man von dem Mittelpunkte, dem Schauplatz der Kulturvölker Europas, nach allen Richtungen der Windrose radial über die bisherige Grenze der bekannten Welt hinaus ins Unbekannte, Unerforschte schreiten werde oder schreiten könne. Doch dem ist nicht so.
Die Gliederung und Gestaltung der wichtigsten Ländergebiete der alten Welt haben dabei einen bestimmenden Einfluß geübt, namentlich die Erstreckung des Mittelmeeres und des zusammenhängenden Hochlandes von Asien, deren Längsaxen sich beide in ost-westlicher Richtung hinziehen. An den Rändern und in den Ländern am Mittelmeer, wie auf dem westlichen Hochlande und an den südlichen Abhängen des östlichen Hochlandes von Asien in der weitgedehnten Zone von den Säulen des Herkules bis zu den Gestaden Chinas hatten sich einzelne Völker zu frühzeitiger Kultur erhoben. Die westliche Hälfte, nennen wir sie die europäische, hatte auf dem geräumigen Marktplatze des Mittelmeeres einen gemeinsamen Sammelpunkt gefunden, während die östliche, die asiatische Hälfte, vorwiegend auf den offenen indischen Ocean hingewiesen, eines solchen günstigen Vereinigungsplatzes entbehrte und im Streben nach gegenseitigem Verkehr größere Schwierigkeiten zu überwinden hatte. Eine Annäherung beider Gebiete boten der persische, und noch mehr der arabische Golf oder das rothe Meer. Südlich des ganzen Gürtels lagen im Westen die starken Schranken der großen afrikanischen Wüste, deren menschenfeindliche Oede den Satz verkündigte, daß die heiße Zone überhaupt unbewohnbar sei, während im Osten das unbezwungene indische Weltmeer, dem das Gegengestade fehlte, von wagehalsigem Vordringen abhielt.
In gleicher Weise lagerte sich über dem Nordsaum des Gürtels ein kalter, unwirthlich rauher Erdstrich, der sich gegen Norden in dem geheimnißvollen „Lande der Dunkelheit“ verlor.
Daher richteten sich von jeher die Blicke mehr nach Osten und Westen, als nach Norden und Süden. Die Gegensätze zwischen Osten und Westen sind zuerst am Mittelmeer schon in ältester Zeit schärfer ins Auge gefaßt und lassen sich auf die Fahrten seetüchtiger Phönizier zurückführen. Die Unterscheidung der Erdtheile Asien und Europa, wie sie zuerst an den gegenüberliegenden Küsten des schön gegliederten ägäischen Meeres haftete, besagt ursprünglich im Kern des Wortes açu (Asien) ereb (Europa) wohl nichts anderes als Morgen und Abend, das Land im Morgen und das Land im Abend. Und diese Bezeichnungen wiederholen sich in verschiedenen Sprachen, so lautet bei den Griechen der Gegensatz: Anatolien (noch jetzt ist Kleinasien als Anadoli bekannt) und Hesperien, im Lateinischen mit erweitertem Begriff Orient und Occident, im Italienischen Levante (worunter man vorzugsweise die asiatischen Küsten des Mittelmeeres verstand und versteht) und Ponente (eine Gegenüberstellung, wie sie in kleinem Maßstabe an der Riviera von Genua noch gültig ist), und endlich im Deutschen: Morgenland und Abendland, Bezeichnungen, welche die beiden fraglichen Erdtheile so ziemlich decken. Ein solcher Reichthum der Benennungen hat sich naturgemäß für Norden[S. 5] und Süden, für die mitternächtliche und mittägige Seite nicht gebildet. Die Reisen und Entdeckungszüge nehmen thatsächlich vorwiegend auch die Richtung gegen Morgen und gegen Abend und wir sind daher wohlberechtigt, auch unsere Darstellung der Geschichte der Entdeckung in diesem Sinne zu gruppiren.
Wir stellen die Morgenseite voran. Daß diese Seite gegen Sonnenaufgang noch mehr Bedeutung hatte als die Abendseite, daß der Blick voll Verlangen, hier den Schleier zu lüften, sich mehr der Sonne zuwandte, lag in den natürlichen Verhältnissen, in der unermeßlichen Ausdehnung der Länder und in dem Reichthum an kostbaren Produkten begründet, die aus unbekannter Ferne selbst bis zu den Häfen des Mittelmeeres gelangten. Die alten Staaten und Länder Vorderasiens bis nach Persien hin, standen mit den classischen Völkern des Alterthums in directer Verbindung; aber noch weiter hinaus lagen weite herrliche Länder, die in den Schleier des Geheimnißvollen gehüllt, von der erregten Phantasie zu wahren Wunderländern umgewandelt wurden, und unter denen immer der Name Indien vorklang. Wir dürfen nicht vergessen, daß im Alterthum Indien eigentlich das einzige bekannte Tropenland war, das unter dem Hauche des feuchten Monsun von wunderbarem Segen triefte. Indien war von jeher ein sehr weiter Begriff. Indien war das äußerste Land. So weit wir sichere Kunde haben, sagt Herodot (III. 98), sind die Menschen, die zunächst gegen Morgen und Sonnenaufgang in Asien wohnen, die Indier.
Diesen äußersten Enden der Welt sind die kostbarsten Produkte eigen. (III. 106). Dieselbe Ansicht wiederholt Strabo (p. 685): Indien ist das erste und größte Land im Osten. Ktesias hielt Indien für ebenso groß als das ganze übrige Asien, Onesikritos für den dritten Theil der bewohnten Erde. (Strabo, p. 689).
Indien war und blieb ein sehr weiter Begriff, ohne bestimmte Grenzen, so daß Strabo auch die langlebenden Serer mit einrechnen konnte. Zwar scheidet Ptolemäus dieselben wieder aus und weist ihnen jenseit des Himalaya einen nach Norden und Osten ins dunkle Land sich verlierenden Wohnsitz an; doch beginnt bei diesem großen Geographen schon eine Gliederung Indiens in die beiden Theile: Indien diesseit und Indien jenseit des Ganges, welche etwa unserm Vorder- und Hinter-Indien entsprechen mögen. Doch dabei blieb es nicht. Der Begriff Indien dehnte sich im Mittelalter immer mehr und umfaßte schließlich fast alle Gestade am südlichen Meere von Habesch bis nach China. Ja es wurde sogar an die Stelle von Asien geschoben, wenn z. B. Alcuin die ganze Welt in Europa, Afrika und Indien theilt. Für die beiden asiatischen Halbinseln wählte man die Bezeichnung: Groß- und Klein-Indien. Da man sich aber schon frühzeitig der Ansicht zuneigte, Abessinien zu Indien zu rechnen, wie auch bereits Procop von Cäsarea den Nil in Indien entspringen läßt, so entstand denn für jenes afrikanische Alpenland die verwirrende Benennung „das dritte Indien“ oder gar „Mittel-Indien“.
Jordanus identificirte das dritte mit der Sansibar-Küste, Benjamin von[S. 6] Tudela nennt Aden am Ausgange des rothen Meeres als eine Stadt in Mittel-Indien und Marco Polo erklärt Habesch für das Hauptland davon, so daß also dieses dritte Indien asiatische und afrikanische Landschaften umfassen sollte, während endlich der 1562 in Venedig gedruckte Ptolemäus die indische Inselwelt als India tercera vorführt. Nach Odorich von Pordenone liegt die persische Küste bei Ormuz in India, quae est infra terram, und wird Südchina (Manzi) Ober-Indien genannt. Auf der andern Seite bezeichnete Nicolo Conti die Chinesen als „innere Indier“.
Drei Indien erscheinen schon auf einer Karte vom Jahre 1118. Und so ging es fort bis ins 16. Jahrhundert (vgl. das beigegebene Weltbild aus dem Straßburger Ptolemäus, 1513). Kein Wunder, daß auch der beste Kartograph in solcher Verwirrung noch strauchelte, daß Mercator auf seinem ersten Globus von 1543 neben den beiden von Ptolemäus bereits angedeuteten Halbinseln Indiens noch eine weitere Halbinsel nach den Aufnahmen der portugiesischen Entdecker eintrug, so daß wir also auch hier noch mit der Monströsität von drei indischen Halbinseln beschenkt werden.
Aus diesem weiten Indien kamen seit den gemeinschaftlichen Handelsfahrten Salomos und Hirams nach Ophir, welches wir jedenfalls auf der Westküste Vorder-Indiens zu suchen haben, die kostbaren Produkte über das rothe Meer zu den Ländern am mittelländischen Meere. Griechen und Römer bezogen von dort Wohlgerüche und Gewürze, namentlich Pfeffer; ferner Perlen und Edelsteine, Elfenbein und Ebenholz. Der prächtige Pfau, den die Griechen zum Liebling der stolzen Hera erhoben, den die Soldaten Alexanders wild antrafen in indischem Waldgebiete, war nebst den buntfarbigen Papageien schon zu Salomos Zeit im Westen bekannt geworden. Feine baumwollene Gewänder und Zucker kamen aus demselben Gebiete. Den Umsatz in diesen Luxusartikeln gibt bereits Plinius auf etwa 16 Millionen Mark jährlich an.
Aber aus noch weiter entlegenen Ländern kamen kostbare Stoffe unter dem Namen serischer Gewänder nach dem Westen, ohne daß man anfangs das Heimatland gekannt hätte. Daß, wenn auch durch Zwischenhandel, die Seidenstoffe (denn nur diese werden unter serischen Kleidern verstanden) aus China kamen, beweist der Name. Das chinesische Wort für Seide ist sz’ oder sse mit dem in r verkürzten Suffix örr, also sser der Seidenstoff.[1] Nun ist merkwürdig, daß wenn auch am Ende des Alterthums die Kenntniß der griechisch-ägyptischen Kaufleute sich bis zu den chinesischen Strömen erstreckte, und auf dem Wasserwege der Name Thinai oder Sinai bekannt wurde, man dieses Land doch von dem der Serer unterschied; denn die Kunde von diesem letzteren Volke war zu Lande durch Mittelasien nach Westen gedrungen. Geographisch setzte man die große Stadt Sera und das Land der Serer, Serica, stets nördlicher an, als das Land Thinai oder Sinai. Diese Doppelgängernatur wiederholt sich noch einmal im 16. Jahrhundert, als die Portugiesen[S. 7] von ihren Seefahrten den Namen Tschina (China) mit heimbrachten, während schon durch venetianische Kaufleute im 13. Jahrhundert das Reich Kathay (China) bekannt geworden war. Daß beide Benennungen auf das nämliche Land wiesen, erkannten zwar schon im Beginn des 17. Jahrhunderts katholische Glaubensboten, allein man nahm die Thatsache nur zögernd an.[2]
Doch wenden wir uns noch einmal zurück, um die allmähliche Erweiterung der Kenntnisse von Süd- und Ostasien kurz zu skizziren.
Vor Alexander dem Großen war kein Grieche nach Indien gelangt. Herodot, welcher zuerst die Baumwolle nennt, berichtete nur nach Hörensagen. Erst die Zeitgenossen des makedonischen Königs schildern uns als Augenzeugen das Land. Megasthenes gab die erste klare Vorstellung von der Gestalt und Begrenzung Indiens. Die Halbinselform tritt klar hervor. Onesikritos kennt schon die wichtige Insel Taprobane (Ceylon). Beide berichten, daß im südlichen Indien das Gestirn des großen Bären allmählich unter dem Horizonte verschwinde, und daß der Schatten nach Süden falle. Verhängnißvoll war es für die kartographische Darstellung, daß der berühmte Eratosthenes, durch falsche Anwendung von Distanzentfernungen veranlaßt, die Gestalt Vorder-Indiens derart verzerrte, daß die Halbinselfigur fast gänzlich verwischt wurde. Und als seiner Autorität mehrere Jahrhunderte danach auch Ptolemäus folgte, blieb diese irrige Auffassung maßgebend bis ins 16. Jahrhundert. Außerdem verschuldete Eratosthenes auch, daß der Abstand von Alexandrien bis zur Indus-Mündung um mehr als 200 deutsche Meilen zu groß angenommen wurde und daß im weiteren Verlaufe später die äußersten bekannten Küsten Asiens viel zu weit nach Osten verlegt wurden: eine Verzerrung, die im späteren Mittelalter, als man die Reiserouten Marco Polos bis nach China kartographisch niederzulegen suchte, sich dermaßen ins Ungeheure steigerte, daß der Ostrand Asiens bis nahe vor die Küste von Californien und Cipango (Japan) in Mexiko hineinreichte. So nach der Darstellung auf dem Globus Martin Behaim’s 1492.
Den Haupthandel nach dem Osten trieben die griechischen Kaufleute Aegytens schon seit der Ptolomäerzeit. Ihnen verdanken wir im 1. und 2. Jahrhundert die Kenntniß der Insel Java und die erste directe Berührung mit China. Der äußerste Punkt, den der griechische Kauffahrer Alexandros im 1. Jahrhundert n. Chr. erreichte, war das vielbesprochene Cattigara, ein Handelshafen, der wahrscheinlich nicht fern von der Mündung des Jangtsekjang lag[3]. Das war die äußerste Grenze des Wissens im Alterthum und blieb’s, wenigstens bei den Europäern, auch bis zum Ende des Mittelalters, bis zum Ausgange des 13. Jahrhunderts.
Der Name China oder Tschina, mit dem besonders der südliche Theil des Landes belegt wurde, ist uralt und höchst wahrscheinlich durch malaische Seefahrer den westlichen Schiffern mitgetheilt. Wir werden in dieser Annahme noch bestärkt durch die Wahrnehmung, daß uns auch jetzt noch die meisten Küstenlandschaften des südöstlichen Asien in malaischer Form geläufig sind, wie Birma, Pegu, Siam, Cambodja, Kotschi (Cochinchina), Maluka, Burnei (Borneo) u. a.
Ceylon bildete den Sammelplatz der Handelsschiffe, dort trafen chinesische Händler mit Persern, Arabern und selbst Byzantinern zusammen, welche letztere auf äthiopischen Schiffen Indien erreichten. Zur Zeit der Herrschaft der Ptolomäer in Aegypten war der Canal vollendet worden, welcher den Nil mit dem rothen Meere verband. Auch der Kaiser Hadrian hat im 15. Jahre seiner Regierung für die Wiederherstellung dieses wichtigen Wasserweges gesorgt, und der Hafen Klysma am rothen Meere trat an die Stelle der alten Emporien von Myos-Hormos und Berenike. Mindestens bis ins 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung war der Canal in brauchbarem Zustande, denn noch um 590 n. Chr. berichtet Gregor von Tours davon, und erst nach der Mitte des 8. Jahrhunderts wurde er, bereits versandet, zugeschüttet. Von Klysma gingen griechische Schiffe direct nach Indien, und auf ihnen besuchte der griechische Hafenbeamte jährlich das Heimatland der Gewürze. Justinian versuchte sogar, wenn auch vergebens, den Seidenhandel statt über Persien durchs rothe Meer nach Klysma zu ziehen. So erhielt sich die Beziehung zum fernen Morgenland bis zum 7. Jahrhundert, wenn auch die geographischen Kenntnisse keine Bereicherung erfuhren. Die Gründung des Islam und die Herrschaft der Araber in Aegypten änderte die Sachlage wesentlich, denn der unmittelbare Verkehr der Byzantiner und damit des Abendlandes mit Indien mußte seit jener Zeit eingestellt werden.
Es blieb sonach nur der schwierige Landweg übrig. Die Handelsrouten vom Mittelmeer nach Indien und China haben naturgemäß mit viel größeren Schwierigkeiten zu kämpfen als der Seeverkehr. Nicht allein die bedeutende räumliche Entfernung der Länder und die durch den langwierigen Transport der Waaren gesteigerten Kosten schränkten die Handelsbewegung ein. Es wurden zwar bei der Unwegsamkeit der Hochgebirge, die zu übersteigen waren, bei der Wüstennatur weitgedehnter Landstriche, die zu überwinden war, verschiedene Wege eingeschlagen, bequemere Paßübergänge gesucht. Allein es spielten hier auch die politischen Ereignisse in Innerasien eine hervorragende Rolle, indem sie die Wegelinien entweder verschoben oder den Durchgang zu Kriegszeiten gänzlich sperrten. Trotzdem hat das kostbarste Produkt Chinas, die Seide, immer wieder ihren Weg nach dem Abendlande gefunden, seitdem ihre Vorzüge dort erkannt und geschätzt worden waren. Der Seide verdanken wir die frühesten Aufhellungen des asiatischen Hochlandskernes.
Nachdem schon mehrere Jahrhunderte vor Christo die Seide in Syrien bekannt gewesen war, ohne daß wir den Weg nachzuweisen vermöchten, wie[S. 9] sie dahin gelangte, drangen chinesische Heere siegreich ins Tarimbecken ein. Ihnen folgte im Jahre 114 v. Chr. die erste chinesische Handelskarawane, überstieg die Pässe des Pamirplateaus und gelangte bis zu den turanischen Handelsstädten. Nachfolgende große Handelszüge überschwemmten die Märkte am Amu und Syr Darja derart mit Seidenzeugen, daß diese in ihrer Werthschätzung bedeutend sanken. Aber sie gelangten in Folge dessen weiter und weiter nach Westen, wo die Nachfrage nach den kostbaren Gewändern immer lebhafter wurde. Auf zwei Straßen zog man durch die Steppen und Sandwüsten des Tarimbecken, entweder nördlich vom Steppenflusse Tarim an dem Fuße des Himmelsgebirges, des Tienschan, entlang, eine Straße, die in unseren Tagen die belebtere und fast allein betretene ist, oder südlich vom Lopnor und dem Tarim hin, zur linken die Gehänge des sagenreichen Kwenlun, auf einem Wege, den noch Marco Polo im 13. Jahrhunderte verfolgte, und den der kühnste russische Reisende Prschewalsky erst vor wenig Jahren wieder erreicht hat. Der Terekdawanpaß, nordwestlich von Kaschgar, galt als der bequemste Uebergang über die westliche Umwallung des Tarimbeckens.
Zur selben Zeit, als am Ende des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung das römische Reich seine weiteste Ausdehnung nach Osten gewann, drang ein chinesischer Feldherr im Jahre 95 bis ans kaspische Meer vor. Beide Staaten rückten fast bis zur Grenzberührung gegen einander; aber zu weiterer politischer Beziehung gedieh diese Annäherung nicht, weil kaum ein Menschenalter später die Chinesen aus ganz Turan zurückweichen mußten.[4] Der Name der seideproducirenden Serer wurde zwar bei Griechen und Römern immer geläufiger, aber die Heimat des Volkes selbst lernte man nicht kennen, und dachte sie sich anfänglich viel weiter im Westen, etwa in Turan oder im Tarimbecken. Schon damals waren die persisch redenden Tädjik die Zwischenträger des Seidenhandels bis ins römische Reich. Ueber den Verlauf der Seidenstraße besitzen wir nur einen einzigen, aus einem ausführlichen Bericht gemachten dürftigen Auszug, und wenn wir hinzufügen, daß jener Bericht von den Handelsagenten eines makedonischen Großhändlers Maës Titianus herrührt, und von dem berühmten Geographen Marinus von Tyros aus zweiter Hand empfangen und aufgezeichnet ist und daß Ptolemäus in seinen kurzen Excerpten wieder auf Marinus fußt, welcher ohnehin den von jenem Agenten gemachten Angaben über ihre weiten Reisen keinen rechten Glauben schenkte, weil er meinte, alle Kaufleute renommirten mit der Größe ihre Expeditionen und setzten für die Entfernung der einzelnen Stationen zu große Ziffern an — so kann man aus alledem wohl erkennen, wie schwierig es jetzt ist, den Reiseweg ins Land der Seide zu fixiren.
Glücklicherweise können wir Ausgang und Endziel dieses Itinerars mit ziemlicher Sicherheit bestimmen. Die Agenten des Maës brachen von Baktra auf und nennen als Endpunkt Sera metropolis, die Hauptstadt des Serervolkes,[S. 10] worunter höchst wahrscheinlich nur die damalige Hauptstadt Chinas, Tschan-ngan-fu, jetzt Si-ngan-su, gemeint sein kann. Unerwiesen bleibt indeß, ob sie diese Stadt wirklich erreichten. Sie zogen durch das Reich der Issedonen, östlich vom Pamirplateau in Ost-Turkestan gelegen, auf der Südseite des Tarim gegen Osten nach der chinesischen Sandstadt Scha-tschou, wo die fremden Kaufleute vermuthlich ihren Bedarf an Seidenwaaren einhandelten.
In der Mitte des 2. Jahrhunderts verloren die Chinesen ihre Machtstellung im Gebiet des Tarim und damit die Handelskarawanen ihren Schutz; nur die persischen Kaufleute verstanden es, den Seidenhandel in der Hand zu behalten. Die chinesischen Annalen haben uns zwar die Nachricht erhalten, daß der römische Kaiser Markus Aurelius Antoninus (An-tun bei den Chinesen genannt) eine Gesandtschaft nach China geschickt habe, aus deren Mittheilung wohl auch Pausanias die bisherige irrige Vorstellung über die Gewinnung der Seide berichtigen konnte; allein eine klarere Auffassung der ostasiatischen Länder erfolgte dadurch nicht, denn Pausanias selbst nennt Seria eine Insel im erythräischen Meere. In den Zeiten der Völkerwanderung galt dem Historiker Ammianus Marcellinus Serica als eine persische Provinz, denn die Seide kam ja durch Vermittlung der Perser. Und als unter Justinian die Seidenzucht selbst in Europa eingebürgert wurde, verlor die continentale Seidenstraße allmählich vollends ihre Bedeutung und hüllten sich die centralen Landschaften Asiens mehr und mehr in Dunkel. Auch die nur kurze Zeit dauernden freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Türkenfürsten am Balchaschsee und dem Kaiser Justinian waren in geographischer Hinsicht von geringem Belang, denn schon im 7. Jahrhundert wurden die Türken von den wieder vordringenden Chinesen unterworfen. China erscheint in dieser Zeit bei den Byzantinern unter dem Namen Taugas.
Eine völlige Umgestaltung der Verhältnisse führten nach der Gründung des Islam die Araber herbei. Wie sie sich bisher an dem asiatischen Landhandel nur im beschränkten Maße betheiligt hatten, so waren sie im 7. Jahrhundert auch zur See über Indien noch nicht hinausgekommen und lernten die Sundainseln mit ihren Produkten erst später kennen. In raschem Siegeszuge fiel ihnen ganz Westasien zu, und so schob sich ihr Weltreich seit dem Beginn des 8. Jahrhunderts zwischen China und das Abendland ein. Seitdem der Herrschersitz der Chalifen an den Tigris verlegt war, wurden die Pilgerkarawanen auch die Träger des Landhandels. Basra erhob sich als neuer Stapelplatz, in den die Waaren des Ostens einströmten. Mokadassi bezeichnet sehr charakteristisch den persischen Meerbusen als das chinesische Meer. Ueber die Handelsplätze auf der Halbinsel Malaka gelangten arabische Seefahrer schon im 8. Jahrhundert nach China. Während sie sonst mit ihren aus Kokosplanken ohne Eisennägel zusammengefügten Schiffen sich nicht von den Küsten zu entfernen gewagt hatten, entlehnten sie von den Chinesen manche nautische Verbesserung, bauten festere Schiffe und steuerten, auf den Compaß vertrauend, über das hohe Meer in geradem Cours auf ihr Ziel[S. 11] hin. Von den Vorhäfen Bagdads aus, zuerst von Siraf, sodann von der Insel Kisch und in den letzten Jahrhunderten von Ormuz aus, machten sie den Chinesen im Handel so bedeutende Concurrenz, daß diese immer mehr zurückwichen. Aus dem Berichte des Kaufmanns Soleiman in der Mitte des 9. Jahrhunderts lernen wir den Seeweg bis Chanfu (Hang-tschou-fu) in China kennen. Die gewöhnliche Route nahm von dem Hafen Siraf in Farsistan (etwa unter 70° ö. v. Ferro) ihren Anfang, berührte jenseits der Ormuzstraße Maskat, erreichte in grader Fahrt nach der Malabarküste den Hafenplatz Kollam (Quilon), etwa 9° N., und steuerte von hier um Ceylon herum direct nach Malaka und weiter nach China. Wenig Jahre später gab Abul Kasim Ibn Kordadbeh, der Postmeister des Chalifen Motamid, dieselbe Handelslinie bereits nach Stationen und Entfernungen an, ein Zeichen, daß dieser Weg stark frequentirt wurde. Jenseit Chinas hört die Kenntniß auf, nur die Berge von Korea (Sila) steigen noch in unsicheren Umrissen empor.
Aber wie die Chinesen aus dem Westen, wurden die Araber noch im 9. Jahrhundert aus dem Osten, aus China wieder verdrängt und zogen sich nach der Halbinsel Malaka zurück, wo sich als Hauptstapelplatz für die Gewürze, Kampfer, feine Hölzer und Zinn von den Sundainseln der Ort Kalah erhob. Von hier aus drangen die arabischen Schiffe bis Java und weiter sogar bis zur Heimat der Gewürze, bis zu den Molukken vor. Die Beziehungen zu China blieben aber nicht für die Dauer unterbrochen; im 10. Jahrhundert besuchte einer der bedeutendsten arabischen Reisenden, Masudi von Ceylon aus wieder die chinesischen Häfen. China schildert er als ein entzückendes Land mit üppiger Vegetation und von unzähligen Canälen durchschnitten. Aber Palmen trifft man dort nicht. Die Einwohner dieses Reiches übertreffen alle andern Geschöpfe Gottes an Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit. — Daß der Seeverkehr fortdauerte, läßt sich auch daraus schließen, daß um 1137 ein reicher Kaufmann aus dem persischen Hafen Siraf das Heiligthum in Mekka mit prächtigen Seidenstoffen schmücken ließ,[5] und daß noch im 13. Jahrhundert Ibn Batuta, der größte arabische Reisende, nach China gelangte.
Der innerasiatische Handel wurde nicht gestört, weil die Araber bei ihren Siegeszügen mit den Chinesen nicht in Kriege verwickelt wurden. Als etwa ums Jahr Tausend n. Chr. die ersten Türkenstämme sich zum Islam bekehrten und selbständige Sultanate gründeten, welche erobernd auch in Indien eindrangen, schoben sie sich zwischen die arabische und chinesische Macht als Mittelglied ein.
Alle diese Verhältnisse wickelten sich aber im Oriente ab, ohne directen Einfluß fürs Abendland zu gewinnen, ohne dem Westen unmittelbaren Vortheil[S. 12] zu gewähren. Die lange Zeit erlahmt gewesenen Beziehungen nahmen aber durch die Kreuzzüge einen unerwarteten Aufschwung. Indem die Christen die syrischen Küsten besetzten und die italienischen Handelsstädte aus den Erfolgen der Kreuzheere möglichsten Gewinn zogen, wurde der Waarenzug nach den Ostländern ungemein belebt, wenn auch ein persönliches Eindringen der Kaufleute in das Innere der islamitischen Länder nicht statt hatte. Um dies zu ermöglichen, bedurfte es eines ganz neuen, nicht durch religiösen Fanatismus aufgeregten Factors, der vom Hochlandskerne Asiens her dem Westen zu friedlichem Verkehre willig die Hand reichte. Das waren die Mongolen, deren Einfluß aber am Anfange einer neuen Epoche steht und zu eng mit der folgenden Zeit verbunden ist, so daß wir sie erst im zweiten Buche eingehender behandeln können.
Von dem arabischen Wissen bezüglich der Erdkunde kam dem Abendlande wenig oder gar nichts zu gute; die Kenntnisse von der östlichen Welt blieben unsicher, bis neue christliche Berichterstatter als Augenzeugen wieder von jenen Gebieten erzählen konnten.
Ebenso wenig erfuhr man in Europa von den Fortschritten, welche die Araber an der Ostküste Afrikas, südlich vom „dritten Indien“ machten. Während Ptolemäus in alter Zeit, sicher durch arabische Vermittelung, seine Kunde von den Nilseen und den sogenannten Mondbergen erhalten hatte, verlor man, seit Alexandrien in die Hand des Islam gefallen war, die Beziehungen zum Ostrande des Afrika-Continents, wo arabische Händler bis zum Goldlande Sofala gelangten, aber die Südspitze Afrikas nicht erreichten, weil das produktenarme Land die Gewinnlust nicht reizen konnte. Kostbare Erzeugnisse lockten allein in so entlegene Regionen und trugen allein zu ihrem Bekanntwerden bei.
Lith. Anst. v. J. G. Bach, Leipzig.
G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Aus der Ausgabe des Ptolemaeus, Strassburg 1513.
Wir haben gesehen, wie weit hinaus die Morgenseite der Erde aufgesucht wurde. Man gelangte zur See und zu Lande durch unermeßliche Räume bis zum Ostrande der Landveste; aber in der weiten Entfernung vom Kulturgestade des Mittelmeerbeckens verschwammen die scharfen Contouren immer mehr. Seide und Gewürze waren die Lockmittel langwieriger, beschwerlicher Reisen.
Die Abendseite bot ein beschränkteres Feld, da vom Ausgange des Mittelmeeres die Ufersäume sich bald sowohl rechts als links bei der Ausfahrt in den Ocean in nördlicher und südlicher Richtung weiter erstreckten. Die afrikanische Westseite bot mit ihrer zunehmenden Oede nur sehr geringen Anlaß, an dem schmachtenden, menschenleeren Strande weiter vorzudringen.[S. 13] Wichtiger wurde frühzeitig die oceanische Seite Europas durch das geschätzte Zinn und den räthselhaften Bernstein. Die Aufhellung der Küsten unseres Continents ist diesen Handelswaaren zu danken.
Die kühnen phönizischen Seefahrer monopolisirten anfänglich die Weststraße. Von den spanischen Silbergruben drangen sie durch die Säulen des Herkules ins Weltmeer. Nur beiläufig gedenken wir der von Herodot, aber nicht ohne eignen Vorbehalt, mitgetheilten Entdeckungsreise, welche im Auftrage Nechos um 600 vor Chr. von phönizischen Schiffern rings um Afrika ausgeführt wurde. Wenn diese große nautische That wirklich geschehen ist, hat sie doch keinerlei nachhaltige Resultate erzielt oder in irgend einer Weise das erdkundliche Wissen befördert; denn sie ist spurlos vorübergegangen. Wichtiger jedoch war die Fahrt des Flottenführers Hanno, der von Carthago, in einer nicht sicher zu bestimmenden Zeit, mit einem Geschwader von 60 Schiffen und angeblich 30,000 Colonisten durch die Meerenge segelte, um an der atlantischen Seite Afrikas Colonien anzulegen und nach Vollendung dieser Aufgabe einen Entdeckungszug gegen Süden zu unternehmen. Unzweifelhaft gelangte Hanno an der Mündung großer Ströme (Senegal und Gambia) vorüber bis dahin, wo sich über dem tropischen, von echten Negern bewohnten Flachlande bedeutende Berggipfel erhoben, deren einen er als den Götterwagen bezeichnete. Der Bericht über diese sehr merkwürdige Reise hat sich in griechischer Uebersetzung erhalten, leider die einzige größere nach Süden gerichtete Unternehmung der Carthager, von welcher wir Kunde erhalten. Das punische Monopol in diesen oceanischen Räumen wurde erst mit dem Fall Carthagos gebrochen; zwar drang auch Euthymenes, ein Landsmann des Pytheas, bis zum Senegal (Chremetes) vor, aber die Römer haben, wenn auch Polybios in Begleitung Scipios die mauretanischen Küsten besuchte, doch den Wüstensaum der Sahara nicht überschritten und blieben weit hinter den Erfolgen Hannos zurück. Daß auch die Canarischen Inseln von den Phöniziern aufgefunden sind, läßt sich aus ihrem ursprünglichen Namen, die Inseln des Malkart oder Makar beweisen, ein Name, der bei den Griechen ursprünglich in der Form Μακάρων νῆσοι auftritt, woraus zunächst μακάριαι νῆσοι und lat. Insulae fortunatae wurde, so daß dieselben dann als die glückseligen Inseln gepriesen wurden. Die Gewinnung des Seepurpur (Purpurschnecke) machte diese Inseln den tyrischen Färbern besonders werth.[6]
Wichtiger und häufiger besucht wurde die Nordseite des oceanischen Weges jenseit der gaditanischen Meerenge. Auch nach dieser Richtung waren die Phönizier zuerst vorgedrungen, auch hier ist uns die Ueberlieferung einer großen Fahrt, vielleicht mit der von Plinius erwähnten Expedition des Himilco identisch, überliefert, die in mehrfachen Ueberarbeitungen und Uebersetzungen uns in der Küstenbeschreibung des spätlateinischen Avienus aus dem 4. Jahrh. n. Chr. erhalten ist. Wir lernen daraus die iberischen[S. 14] und gallischen Küsten bis zu den Zinninseln kennen.[7] Da bereits, und sicher nur aus punischen Quellen, Herodot die Fundstätte des Zinn erwähnt, ohne ihre Lage zu kennen, denn er zweifelt an der Existenz von Zinninseln (III. 115), so muß jene Fahrt schon längere Zeit vor Herodot gemacht sein. Der Vater der Geschichte nennt aber zu gleicher Zeit auch den Bernstein, was uns als Beweis gelten kann, daß zu seiner Zeit die Phönizier auch in die Nordsee eingedrungen waren. Britannien und Germanien, die Heimatsstätten von Zinn und Bernstein, waren für ihn die äußersten Länder. Darüber hinaus ist auch die Schifffahrt weder der Phönizier noch der Griechen gedrungen, und wie das äußerste Land im Osten nach seinem wichtigsten Erzeugniß das Seidenland hieß, so gab’s im äußersten Nordwesten Zinninseln und Bernsteinküsten. Der Zinnhandel scheint sich in älterer Zeit auf der Insel Wight concentrirt zu haben. Die granitenen Scilly-Inseln sind nur aus Unkenntniß der Berichterstatter zu der Ehre gekommen, als die Cassiteriden, d. h. Zinninseln angesehen zu werden. Einen sehr bedeutenden Fortschritt in der Erkenntniß führt die Reise des Pytheas[8] von Massilia herbei, welche in das letzte Drittel des 4. Jahrhunderts v. Chr. zu setzen ist.
Pytheas reiste als Kaufmann und Gelehrter; es war eine Entdeckungsreise von hervorragender Bedeutung, welche zu derselben Zeit, als Alexander der Große bis Indien vordrang, den Griechen die ersten zuverlässigen Nachrichten über den äußersten Nordwesten der Erde brachten. Pytheas hat Großbritannien und Irland umsegelt und gelangte nordwärts bis zu den Hebriden, der später so oft genannten und in der Sage vielfach vorkommenden ultima Thule. Die Ursachen der Ebbe und Flut und den Zusammenhang der Gezeiten mit der Stellung des Mondes hat er zuerst erkannt. Er allein hat im hohen Norden astronomische Breitenbestimmungen ausgeführt. Das Ziel, das er sich im Norden setzte, den Polarkreis, hat er zwar nicht erreicht; aber trotzdem hat er zu der Lösung des Problems, die Größe der Erde zu bestimmen, beigetragen. Seine astronomischen Leistungen wurden von den Fachgenossen Eratosthenes und Hipparch in vollem Maße gewürdigt, aber von Strabo und Plinius, welche die meisten, aber leider entstellte Nachrichten von ihm übermittelt haben, nicht verstanden. Pytheas berührt auch die Bernsteinküste an dem deutschen Nordseestrande, aber die Ostsee war zu seiner Zeit noch völlig unbekannt. Kein Grieche hatte eine Ahnung von der Existenz des baltischen Meeres. Erst mit dem Vordringen der Römer nach Deutschland erhalten wir Kunde von jenem größeren Binnenmeere, und durch Plinius, der zuerst die Fundstätte des samländischen Bernsteins nennt, wird auch ein Theil des Gegengestades, der großen scandinavischen Halbinsel, als Insel unter dem Namen Scandinavia (= Insel Skåne) bekannt. Ihren continentalen Zusammenhang im Norden lernte das Alterthum nicht kennen; weder[S. 15] Ptolemäus, noch Procopius von Cäsarea wissen es, selbst noch der im 6. Jahrh. n. Chr. lebende gothische Historiker Jordanus spricht von der Insel Scandza. Und doch hatte Procopius durch sorgfältige Erkundigungen bei den aus dem Norden stammenden Herulern erfahren, daß in jener großen Insel Scandinavia, die er für Thule hielt, im höchsten Norden 40 Tage lang die Sonne im Sommer nicht untergehe und ebenso lange im Winter nicht zum Vorschein komme; auch kannte er die auf Schneeschuhen fahrenden Schrittfinnen. Seine Ermittlungen reichten also weit über das Nordende des bottnischen Meeres und über den Polarkreis hinaus; aber der Landzusammenhang mit dem nördlichen Europa blieb im Dunkeln und wurde erst durch die Fahrten der Normannen aufgeklärt.
Facsimile von der angelsächsischen Handschrift König Alfred d. Gr. von Ohtheres Reise. 9. Jahrh. (Cottonian Bibliothek des British Museum zu London)[9]
Das Nordende Europas umsegelte im 9. Jahrhundert zuerst ein normannischer Edelmann Ohthere[10], der an der norwegischen Küste, vielleicht[S. 16] noch jenseit des Polarkreises ansässig war. Alfred der Große von England hat die Geschichte dieser merkwürdigen Entdeckungsreise in seine angelsächsische Uebersetzung von Orosius aufgenommen und überliefert. Ohthere erzählte danach seinem Herrn, dem Könige Alfred, daß er in Halgoland nördlich von allen Normannen an der Westsee ansässig sei. Dieser atlantischen Seite der Halbinsel gegenüber war damals das baltische Meer auch schon unter dem Namen Ostsee bekannt. Der Hauptreichthum der normannischen Edeln bestand in Rennthierherden, woraus auf die hohe nördliche Lage des Besitzes geschlossen werden kann. Das felsige Land erstreckte sich weit nach Norden, war aber mit Ausnahme der wenigen Plätze, wo Finnen wohnten, ganz öde. Diese Finnas (Lappen) beschäftigten sich im Winter mit Jagd, im Sommer mit Fischfang. Ohthere wünschte nun, wie er dem König Alfred berichtet, einstmals zu wissen, wie weit sich das Land noch gegen Norden ausdehne, oder ob jemand noch nördlich von den Einöden wohne. Er begab sich also zu Schiff und steuerte nach Norden, behielt das Meer zur rechten und die See zur linken und segelte drei Tage lang, bis er an die Nordgrenze der Fischereireviere kam. Nach anderen drei Tagen bog das Land nach Osten um, mit günstigem Nordwestwinde schiffte er noch vier Tage bis da, wo die Küste nach Süden vorlief. Südwärts steuerte er fünf Tage, also um die Halbinsel Lappland herum in das weiße Meer und kam zur Mündung eines Flusses, wo die Küsten wieder bewohnt waren, während die nördlichsten Striche, an denen er vorüber gefahren, sich menschenarm zeigten, außer wo ärmliche finnische Fischer, Vogelsteller und Jäger ihr Leben fristeten. Hier an der Mündung eines Flusses, vielleicht des Mesen oder gar der Dwina, wohnten zahlreiche Beorma (Biarmier), dieselben schienen sprachlich mit den Finnen verwandt, ließen aber die Normannen nicht weiter ins Land eindringen, erzählten dagegen mancherlei über ihr eignes Gebiet und die Nachbarländer. Hier erfahren wir auch, daß den kühnen Seefahrer nicht blos Wißbegierde hinausgeführt, sondern daß er sein Absehen auf einen gesuchten Artikel, auf Walroßzähne, gerichtet hatte, die er auch reichlich vorfand. Das bewohnbare Land wird an der norwegischen Küste gegen Norden immer schmäler, dahinter erheben sich die wüsten Gebirge, durch welche man nach einer Wanderung von ein bis zwei Wochen bis nach Schweden gelangt, das im Norden wieder vom Kwenaland (Finnland) begrenzt wird, ein Land, das zwischen den Felswüsten von großen Süßwasserseen durchsetzt ist, welche von Einwohnern mit kleinen leichten Kähnen befahren werden.
Aus dieser allgemeinen Schilderung des Nordens scheint nicht hervorzugehen, daß Ohthere den Land-Zusammenhang Scandinaviens mit dem Continente von Europa erkannte. Die Ostsee war in ihrem nördlichen Theile noch unerforscht. Der Normanne Wulfstan, dessen Erzählung sich gleichfalls in dem[S. 17] genannten Werke des Königs Alfred findet, kam auf seiner Reise nicht weiter als Elbing. Auch der deutsche Historiker Einhard sagt noch, daß die Länge der Ostsee unbekannt sei. Erst durch Adam von Bremen erfahren wir im 11. Jahrhundert, daß das baltische Meer im Norden geschlossen sei, und daß man zu Fuß von Schweden nach Rußland gelangen könnte, wenn der Verkehr nicht durch die Feindseligkeit der Bewohner gehemmt würde.
Aber noch zu dieser Zeit gelten Fahrten nach dem bottnischen und finnischen Theil der Ostsee als gefährliche Wagnisse und wurden die Namen kühner Seefahrer, wie jener des Normannen Ganund Wolf, für würdig erachtet, der Nachwelt überliefert zu werden.
Weitaus wichtiger indeß waren für die Erweiterung der Kenntnisse die wiederholten Streifzüge der Wickinger durch den nördlichen Ocean, über Schottland und Norwegen hinaus ins Dunkelmeer. Auf den Faröer und auf Island trafen sie irische Mönche und Einsiedler an, so daß es scheinen könnte, als ob britannische Anachoreten die Entdecker gewesen. Und doch muß es als wahrscheinlicher bezeichnet werden, daß die Geistlichen erst, nachdem die Kunde von der zufälligen Entdeckung durch normannische Seefahrer zu ihnen gelangte, sich in die Einsamkeit dahin begeben und später von den Seeräubern wieder verdrängt worden seien. So berichtet Dicuil, der um 825 schrieb,[11] daß vor hundert Jahren Eremiten von Irland aus die Felsklippen der Faröer aufgesucht, aber sich vor den Seeräubern wieder zurückgezogen hätten, so daß diese Inseln, die kein früherer Schriftsteller erwähne, nun menschenleer, aber von unzähligen Schafen und von schwärmenden Seevögeln allein belebt seien. Noch später, etwa in den letzten Jahren des 8. Jahrhunderts hatten Geistliche auch einen Sommer auf Island, (dem Thule Dicuils) zugebracht. Der erste skandinavische Pirat, der ihnen folgte, war Nadodd, der auf der Fahrt von den Faröer nach Norwegen durch Sturm nach Island verschlagen wurde. Da er in dem öden Lande keine Spur von Menschen fand, kehrte er nach den Faröer zurück. Und doch waren einige wenige Mönche dort ansässig gewesen. Nadodds Fahrt fällt wohl ins Jahr 867. Island wurde aber in der nächsten Zeit mehrfach aufgesucht, ja man darf wohl sagen, ein beliebtes Ziel für Auswanderer, so daß bald alles urbare Land seinen Herrn gefunden hatte. Aber die unsteten Gesellen fanden auch hier selten Ruhe. Wie sie vielfach nur aus Noth oder Zwang die Heimat aufgegeben hatten, trieb die innere Unruhe oder der Hang zu abenteuerlichen Fahrten weiter und machte sie zu Entdeckern Grönlands und damit zu den ersten Europäern, die amerikanischen Boden betraten. Der erste, welcher das Land sah und zwar wahrscheinlich im ersten Drittel des 10. Jahrhunderts, war Gunnbjörn; derselbe wurde auf der Fahrt nach Island zu weit westwärts getrieben und entdeckte die nach ihm benannten Gunnbjörn-[S. 18]Scheeren, hinter deren Klippen sich ein großes Land zeigte, Grönland. Etwa 50 Jahre später suchte Snaebjörn die Inselgruppe von neuem auf, und um 985 oder 986 ließ sich Eirik der Rothe zuerst dort nieder. Er hatte wegen Todtschlags aus Norwegen weichen müssen, ging nach Island, wurde auch dort ausgewiesen, wandte sich 982 nach Gunnbjörns Land und belegte es in den folgenden Jahren, um Ansiedler herüberzulocken, mit dem Namen „Grünes Land“, Grönland. Die Niederlassung erfolgte unter nicht unbedeutendem Zuzug von Island. Die neue Küste war bereits von Eskimos bewohnt gewesen, wie man aus den vorhandenen Erdwohnungen ersah. Infolge des lebhaften Verkehrs, der sich von Grönland aus bis nach Norwegen entwickelte, drang die Kunde der Entdeckungen auch bis zu den norddeutschen Seestädten. Adam von Bremen berichtet,[12] daß von der Weser aus friesische Männer eine Fahrt nach dem Norden, die erste deutsche Polarfahrt, unternahmen und daß sie über Island hinaus durch ein von den dichtesten Nebeln bedecktes Meer nach langer beängstigender Fahrt gegen eine Felsenküste geführt wurden, deren im Kreise sich erhebenden Felszinnen den Anblick einer wohlbefestigten Stadt zu bieten schienen. Dort trafen sie Menschen an, welche in Erdhöhlen wohnten. Als aber einer von der Mannschaft von einem riesigen Hunde vor den Augen der erschreckten Genossen überfallen und zerrissen wurde, flohen sie auf die Schiffe und wandten sich zur Heimkehr. Diese merkwürdige Expedition fällt in die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts.
Die Normannen hatten inzwischen noch weitere Entdeckungen gemacht. Ari Marsson wurde von Island nach Hvitramannaland (Weißmännerland) oder, wie man es später auch nannte, nach Groß-Irland verschlagen; ebendahin geriethen in gleicher Weise bald darauf Björn Breidvikingakappi und Guðleifr Guðlaugsson. Wir haben unter diesem Weißmännerlande irgend einen nicht näher zu bestimmenden Theil der nördlichsten Küsten Amerikas zu verstehen. Auch Bjarni entdeckte um 986 auf seiner Fahrt von Island nach Grönland neue Länder, welche bald darauf von Leif, dem Sohne Eiriks, weiter erforscht wurden. Zuerst gerieth er, etwa um 1001 oder 1002, an ein klippenreiches Gestade, dem er den Namen Helluland beilegte (von Häll, die Felsenplatte), dann fand er weiterhin bewaldetes Gebiet, welches er daher Markland nannte, zuletzt traf ein Deutscher, der die Fahrt mitmachte, Namens Tyrkir (Dietrich) sogar wilden Wein. Diesen Landstrich taufte man Weinland (Vinland); demnach muß Leif fast bis zu 41° n. Br., also bis an die vorspringende Küste des heutigen Massachusetts vorgedrungen sein. Diese wichtige Entdeckung rief sofort eine Reihe von Versuchen hervor, an jener günstigen Küste Niederlassungen zu gründen. Aber die Angriffe der Eingebornen und die Greuelthaten der wilden Normannen gegen einander vernichteten[S. 19] sehr bald den Keim der Colonisation, doch verbreitete sich die Kunde von jenem Lande bis nach Deutschland, wo auch Adam von Bremen die Insel Winland nennt. Gänzlich hörte indeß der Verkehr dahin auch in der Folgezeit nicht auf, wiewohl die Entdeckungen nun eine andere Richtung einschlugen und im 13. Jahrhundert die Westküste Grönlands enthüllten. Grönländische Geistliche segelten im Jahre 1266 die Baffinsbai hinauf und gelangten, wie man aus den Angaben, welche über den Sonnenstand am 25. Juli jenes Jahres gemacht wurden, schließen kann, vielleicht bis über den 75° n. Br. hinaus. Bald nach der Entdeckung der Polarländer gewann das Christenthum festen Boden. Seit dem Anfang des 12. Jahrhunderts erhielt Grönland seinen eignen Bischof; der letzte derselben, welcher sein Bisthum selbst verwaltete, war Alfr, von 1368 bis 1378.[13] Seit der Zeit gab’s nur noch Titularbischöfe, deren Reihe erst 1537 schließt, so daß also noch nach der Reformation der Name Grönland fortlebt, wenn auch das Land thatsächlich wieder verschollen war. Wie unklar und verschwommen die Vorstellung von jenem Lande geworden war, lehrt ein Blick auf die Weltkarte, welche in der berühmten Ausgabe des Ptolemäus, Straßburg 1513 erschien, und in welcher Grönland als eine langgestreckte Halbinsel dargestellt ist, die an Nordeuropa, etwa an die Halbinsel Lappland angesetzt ist und gegen S.-W. sich erstreckend über Scandinavien und Großbritannien hinaus in den Ocean hineinreicht.[14] Noch phantastischer ist im venetianischen Ptolemäus von 1562 auf der Carta marina nuova tabula das nordische Ländergemälde ausgefallen. Auch hier ist Grönland in gleicher Weise mit Scandinavien verbunden, hängt aber auf der andern Seite des westlichen Oceans mit Montagna verde (Vermont) in Nordamerika zusammen, welches wiederum auf breitestem Raume in Ostasien übergeht, so daß man trocknen Fußes von China über Nordamerika nach Scandinavien wandern kann. Möglicherweise ist diese Verzerrung der Küstenumrisse daraus entstanden, daß man im Mittelalter schon von einem Manne zu erzählen wußte, der diesen Weg von Grönland nach Scandinavien wirklich zurückgelegt habe, indem er sich unterwegs von der Milch einer mitgenommenen Ziege nährte.
Jedenfalls leuchtet aus diesen irrigen Auffassungen der Lage Grönlands hervor, daß man die normannischen Colonisationsgebiete im hohen Norden nicht als Theile eines transatlantischen Gegengestades ansah. Daher knüpften auch in späterer Zeit die Entdeckungsfahrten hier nicht an, um an den Küsten weiter tastend, etwa Länderstriche in heißer Zone zu gewinnen.
Indessen belebte sich der atlantische Ocean immer mehr mit allerlei phantastischen Inselgebilden, die man zum Theil geneigt war als Stationen,[S. 20] je mehr gegen Westen desto mehr, zunehmender Glückseligkeit aufzufassen. Das Alterthum kannte nur die Canarischen Inseln als insulae fortunatae. Im Mittelalter bildeten sich aber immer lebhafter die Vorstellungen aus von friedlichen, paradiesischen Eilanden im fernen Westmeere, welche weltflüchtigen Anachoreten zum beneidenswerthen Asyle dienen sollten. Wir wissen bereits, daß irische Christen von der Welt abgeschieden auf den Faröer und auf Island lebten; und ist es kein zufälliges Zusammentreffen, daß die Inselparadiese im Westmeere der Sage nach sollen von Irland aus gefunden sein. Die geographischen Träumereien, welche sich an den erst durch Mißverständniß gebildeten Namen der insulae fortunatae (s. S. 13) anlehnten, die man im Mittelalter als die Inseln der Seligen pries, belebten sich namentlich auf den britischen Inseln, von wo ja manche die Einsamkeit aufsuchende Geistliche sich nach entlegenen Inseln flüchteten und wo, wie das Beispiel des irischen Mönches Dicuil im 9. Jahrhundert zeigt, aus den Schriften eines Plinius und Solinus alle Andeutungen zusammengelesen wurden, welche auf die Existenz ferner atlantischer Inseln hinwiesen. Die thatsächlichen Irrfahrten jener frommen Asketen, von denen manche, wie wir gesehen haben, sich über die Faröer hinaus wagten, veranlaßten auch mancherlei mythische Berichte von Wunderreisen. Den Mittelpunkt dieser Sage bildet die Legende von den Schifffahrten des heiligen Brandan oder Brandon, der gegen Ende des 6. Jahrhunderts mit vielen Genossen von Irland aus nach einem solchen wunderbaren Eilande ausfuhr. Der Glaube an seltsame Inseln taucht schon in Plutarch (Ueber den Verfall der Orakel) auf, welcher berichtet, daß um Britannien herum viel öde Inseln lägen, während die wenigen Bewohner auf andern Eilanden für heilig und unverletzbar gelten. An einer andern Stelle (Vom Gesicht im Monde) schildert er, daß fünf Tagereisen westwärts von Britannien einige Inseln und dahinter ein großes Festland liegen. Die Natur der Inseln und die Milde der sie umgebenden Luft sei wunderbar. — Der heilige Brandan kam nun, wie die Sage berichtet, wirklich zu einer paradiesischen Insel und kehrte erst nach jahrelangen Irrfahrten wieder heim. Die weite Verbreitung dieser Geschichte läßt sich daraus erkennen, daß sie fast in allen Sprachen des Abendlandes auftaucht und daß die Kartenzeichner des Mittelalters sie mehrfach, man möchte sagen zur Ausschmückung des nur spärlich von Inseln belebten westlichen Oceans verwendeten; aber besonders beachtenswerth bleibt dabei, daß die heilige Brandans-Insel im Lauf der Jahrhunderte immer weiter nach Süden rückt. Während wir nach der Sage dieses Elysium der Westsee unter der Breite Irlands suchen müssen, verlegt die Karte des Venezianers Pizigano, von 1367, dieselbe nach Madeira, der Ritter Martin Behaim auf seinem Erdapfel von 1492 südwestlich von den Capverden in die Nähe des Aequators. Die Veranlassung dazu gab die seit dem Wiederauffinden der Canarien immer wieder auftretende Behauptung, daß man am westlichen Horizont von Zeit zu Zeit eine Gebirgsinsel stets in gleicher Gestalt und Lage in weiter Ferne auftauchen sehe. Das Trugbild mag durch eine Nebelbank entstanden sein,[S. 21] allein der Glaube an die Existenz der Insel war so fest, daß sich ein portugiesischer Ritter sogar mit diesem noch erst zu entdeckenden Besitze belehnen ließ und daß selbst bis 1750 immer noch Versuche gemacht worden sind, um sie aufzufinden.
Die Geschichte der Brandans-Insel steht übrigens keineswegs vereinzelt da, wenn es sich um alte Sagen von einsamen, fruchtbaren atlantischen Inseln handelt. Schon Aristoteles und nach ihm Diodor von Sicilien noch ausführlicher wissen von Inseln jenseits der gaditanischen Meerenge, welche von Phöniziern entdeckt und später von den Carthagern ausersehen sein sollten, ihnen für Unglücksfälle, wenn etwa ein vernichtender Schlag ihre Vaterstadt träfe, eine Zufluchtsstätte zu gewähren. Diese Ueberlieferung aus dem Alterthum lebt in einer spanischen Sage wieder auf, wonach zur Zeit, als die Mauren durch den entscheidenden Sieg über die Gothen bei Jerez de la Frontera die Herrschaft über Spanien gewannen, ein Erzbischof nebst 6 Bischöfen sollten, um ihren Glauben zu retten, auf eine entlegene atlantische Insel geflohen sein. Dort gründeten sie sieben Städte, wonach die Zufluchtsstätte die Insel der sieben Städte (sette cidades) genannt wurde. Aber auf den Karten erscheint dieses Phantasiebild nicht vor dem Anfang des 15. Jahrhunderts. Man warf es bald mit einem andern Eilande von noch räthselhafterer Benennung, mit der Insel Antillia zusammen, welche erst im Zeitalter des Columbus ihre Bedeutung gewann; daher hier vorläufig nur ihre Erwähnung genügt. Auch die Insel Brasil (Brazie) westlich von Irland kann unter diese wesenlosen Gebilde der Phantasie gerechnet werden, von andern unwichtigeren zu schweigen.
Mochten auch mancherlei Fahrten ins Blaue auf der Jagd nach solchen oceanischen Paradiesen angestellt sein, greifbare Resultate mußten noch ausbleiben, so lange man eines sichern Führers im freien Meere entbehrte. Dieser bot sich aber erst im 13. Jahrhundert dar, seitdem man die polare Richtkraft des Magneten entdeckt hatte. Ohne alle Frage haben die Chinesen diese Kraft viel früher erkannt als das Abendland; aber wir haben keinen Anhalt dafür, es fehlt uns jeder Nachweis, daß die Magnetnadel aus dem Osten Asiens zu uns gewandert wäre. Zwar liegt es nahe, an die vermittelnde Hand arabischer Seeleute zu denken, welche mit der chinesischen Handelsmarine auf dem indischen Ocean in häufige Berührung traten, manche Verbesserungen im Seewesen von jenen Ostasiaten entlehnten und selbst bis nach China ihren Verkehr ausdehnten. Allein dann dürften wir auch erwarten, daß in jenen europäischen Gewässern, wo die Araber wiederum mit den seetüchtigen Völkern des Abendlandes zusammentrafen, auf dem Becken des Mittelmeeres und in den an seinen Ufern gelegenen Seestädten ein für die Schifffahrt so wichtiges Instrument wie der Compaß zuerst erwähnt und gewürdigt worden wäre. Doch dem ist nicht so. Man dürfte auch wohl erwarten, daß der berühmte Marco Polo, der für alles, was den Handel betrifft, ein besonders scharfes Auge besaß, und der seine weiten Seereisen im chinesischen[S. 22] Meere und durch den indischen Ocean auf chinesischen Schiffen ausführte, die Magnetnadel erwähnt und beschrieben haben würde, wenn in den östlichen Gebieten der alten Welt die praktische Verwendung des Instruments bereits eine allgemeine gewesen wäre. Aber Polo gedenkt desselben mit keiner Silbe. Und in Europa treffen wir auf die früheste Erwähnung der magnetischen Kraft gerade in Gegenden, welche von arabischem Einfluß nie berührt sind, nämlich in England und Nordfrankreich. Sonach darf man die Vermuthung aussprechen, daß die Nordweisung der magnetischen Nadel wie am Ostrande der alten Welt, so auch am Westrande derselben selbständig entdeckt ist, gerade so gut, wie das Abendland den Bücherdruck und das Porzellan, auch zwei chinesische Erfindungen, für sich wieder erfunden hat. Die beiden ältesten Gewährsmänner, welche den Magnet erwähnen, sind der Engländer Alexander Neckam, welcher seit 1180 Professor in Paris war, und der nordfranzösische Dichter Guiot aus Provins. Es darf dabei nicht unerwähnt bleiben, daß gegen das Ende des 12. Jahrhunderts mit der Wiederaufnahme des Studiums der physischen Schriften des Aristoteles an der Universität zu Paris das Studium der Naturwissenschaften neu belebt wurde. Wie nahe liegt da der Gedanke, jene neue, wichtige Erfindung, welche wir gleichsam in der Nachbarschaft von Paris zuerst erwähnt finden, sei auch dort wirklich gemacht. Alexander Neckam schrieb seine Abhandlung: de Utensilibus und sein Werk: de Naturis rerum im letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts, das satirische Gedicht Guiots, la Bible, wurde im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts verfaßt. Die ursprünglichste, roheste Art der Anwendung des Magneten, denselben in einem Strohhalm auf dem Wasser schwimmen zu lassen, wich allmählich der verbesserten Methode, den Nordweiser auf eine Nadelspitze zu legen. Dabei muß es befremden, diese ursprüngliche Form noch 1258 erwähnt zu sehen. In diesem Jahre besuchte Brunetto Latini, aus Florenz vertrieben, den berühmten Roger Bacon und schreibt, dieser habe ihm unter andern einen Magneten gezeigt, der die überraschende Eigenschaft besitze, das Eisen anzuziehen. Wenn man eine Nadel darauf reibt und diese nachher an einem Strohhalm befestigt und auf dem Wasser schwimmen läßt, dann dreht sich die Nadel mit der Spitze gegen den Polarstern. Aber wiewohl diese Entdeckung für alle Seereisende von so hohem Werthe zu sein scheint, so muß sie zur Zeit doch noch geheim gehalten werden, weil es kein Schiffscapitän wagen darf, sie anzuwenden, da er sonst sofort in den Verdacht der Zauberei verfiele; auch würde kein Matrose mit ihm gehen, wenn er ein solches Instrument mitnähme, das offenbar unter der Beihilfe höllischer Mächte entstanden.[15] Am Mittelmeere muß also zur Zeit Latinis die Erfindung noch unbekannt gewesen sein, und ans Mittelmeer müßte die Magnetnadel doch zuerst gekommen sein, falls sie uns durch die Vermittelung der Araber sollte aus China überbracht sein.
Nach 1270 wird auch die Strich- oder Windrose mit der Nadel in[S. 23] Verbindung gebracht, und so sehen wir die Bussole (ein Wort holländischen Ursprungs) fertig vor uns. Was für Verbesserungen der so oft als Erfinder des Compasses genannte Flavio Gioja aus dem Herzogthum Amalfi, der in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts gelebt haben soll, angebracht haben kann, ist nirgends ersichtlich. Der Compaß war nachweisbar vor seiner Zeit auf den Schiffen allgemein in Gebrauch, was sich vor allem aus dem glänzenden Aufschwung der nautischen Kartographie ergibt, welche uns ganz bestimmt ins 13. Jahrhundert zurückführt. Denn die erste nur mit Hilfe der Bussole in solcher Treue mögliche Darstellung der Küstenumrisse des ganzen Mittelmeeres, welche uns Marino Sanudo um 1320 überliefert hat, setzt jahrzehntelange Specialaufnahmen voraus, aus denen Sanudos Bild zusammengesetzt ist. Und hier ist nicht zu leugnen, daß die Seeleute des Mittelmeeres sich die neue Erfindung am trefflichsten zu Nutze machten und ihren Werth allseitig erkannten. Die Umgestaltung, welche die Kartographie erfuhr, war eine fundamentale. Statt wie im früheren Mittelalter nach dem Paradiese im äußersten Osten, orientirte man sich nach dem Polarstern, auf den die Magnetnadel wies und entwarf danach die Karten. Der Schiffer gewann mit Compaß und Seekarten auf freiem Meere ein bisher nicht gekanntes Gefühl der Sicherheit und steuerte verwegener in die dunkle Salzflut hinaus. Dauernde, auch der Nachwelt in sicherer Begrenzung überlieferte Entdeckungen wurden erst seit dem 13. Jahrhundert möglich; und schon der Ausgang dieses Jahrhunderts zeigt uns zwei Beispiele eines kühnen Seezuges. Denn im Jahre 1281 machten die Gebrüder Vadino und Guido de Vivaldi von Genua aus den Versuch, um Afrika herum nach Indien zu segeln, ein Unternehmen, das 1291 von Ugolini Vivaldi und Teodosio Doria wiederholt wurde. Allein resultatlos, denn diese Expeditionen sind verschollen.
Wichtiger und folgenreicher, weil „das nächste mit dem nächsten klug verknüpfend“, waren die Fahrten der genuesischen und venetianischen Kauffahrer nach der atlantischen Seite Europas, nach den Niederlanden und Britannien. Erst unter der zuverlässigen Führung der Bussole erwachte der Seeverkehr auf dem Ocean. Dem Alterthume war die Westküste unseres Erdtheils im höchsten Grade unwirthlich erschienen. Zu Strabo’s Zeiten war die Nordseite Spaniens besonders verrufen. „Dieser Strich,“ sagt er, „hat als Oceansküste die Zugabe empfangen ohne Verbindung und Verkehr mit andern zu sein, so daß er sich durch Mißlichkeit der Bewohnung auszeichnet.“ Und auch im Mittelalter tasteten zwar einzelne Pilgerschiffe, die das heilige Land aufsuchten, sich in langsamer Fahrt an den Küsten hin, bis sie in die Säulen des Herkules einliefen; aber von einem regen Verkehr war nicht die Rede.
Da eröffneten, etwa gegen Ausgang des 13. Jahrhunderts, die Italiener den directen Seeweg zu den niederländischen Städten. Sie liefen wohl auf halbem Wege in den günstig gelegenen Hafen von Lissabon ein und erregten dadurch den Eifer der Portugiesen, welche bald den Seeruhm ihrer Lehrmeister überstrahlen sollten. Der König Diniz war der erste, der sein Volk[S. 24] auf diesen neuen Pfad des Gewinnes und des Ruhmes mit Erfolg hinwies. Wenn uns berichtet wird, daß noch im Laufe des 14. Jahrhunderts im Hafen von Lissabon zu Zeiten 400 bis 500 Seeschiffe lagen, so kann man aus dieser Zahl allein schon auf den wachsenden Verkehr im Ocean schließen.
Sicher wurden durch einzelne vom Wetter aus ihrem Cours gedrängte Schiffe die Canarischen Inseln wieder aufgefunden. Wiederholt tauchen in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts Nachrichten von jenen Eilanden auf, ohne daß man den oder die Entdecker mit Gewißheit nennen könnte. Am wahrscheinlichsten waren es Genuesen, aber auch Portugiesen und Franzosen drangen fast gleichzeitig zu den glückseligen Inseln vor, deren Anblick ihren Erwartungen von paradiesischen Fluren nicht entsprach. Im Jahre 1341 schickte Alfons IV. mehrere Schiffe dahin ab unter dem Commando eines Genuesen und Florentiners. Nach einer günstigen Fahrt von 5 Tagen kam das Geschwader im Anfang Juli zu den Canarien, besuchte im Laufe des Sommers mehrere von den 14 größeren und kleineren aufgeführten Inseln, darunter namentlich Canaria und wahrscheinlich auch Ferro und Forteventura, beschrieben auch den Pik von Teneriffa und kehrten im November zurück. In einer päbstlichen Verleihungsurkunde von 1344 wurden Canaria, Vingaria, Pluviaria, Capraria, Junonia, Embronea, Atlantica, Hesperidum, Cernent, Gorgones und Galeta namhaft gemacht, doch gehören einige darunter nicht zu den Canarien, Galeta liegt gar an der Küste von Tunis. Zuerst setzten sich Genuesen auf den Canarien fest, der Ritter Lancelot aus dem adligen Geschlechte der Malocelli in Genua legte auf der einen Insel eine Burg an, dieselbe erscheint auf der catalanischen Karte von 1375 als Lanzeroto Maloxelo. Und wenn bereits auf dem mediceischen Portulan von 1351 neun Inseln mit neuen Namen uns begegnen, deren Form auf genuesischen Dialect hindeutet, so erkennen wir daraus, daß der ersten von Portugal ausgesandten Expedition bald genuesische Unternehmungen gefolgt waren.
Dahin gehören Parme (J. de li Parme), Palma, die Insel der Palmen, Linferno, die Insel der Unterwelt, womit Teneriffa bezeichnet wird, wegen seines hohen Vulkans.
Um dieselbe Zeit, vielleicht um das Jahr 1346, fällt auch die Fahrt des englischen Ritters Machim, der auf seiner Flucht von England nach Madeira verschlagen wurde.
Auch diese letztere Inselgruppe treffen wir bereits auf dem Portulan von 1351.[16] Neben der kleinern Insel, die noch jetzt den Namen Porto santo trägt, erscheint die größere I. de lo legname, d. h. Holzinsel; offenbar ein italienischer Name, den die späteren Besitzer, die Portugiesen, in den bekannten Madeira, übersetzt haben. Sogar die ferner liegenden Açoren sind schon aufgefunden; die südöstliche Gruppe derselben trägt die Bezeichnung insula de Cabrera (Ziegeninsel).
Karte von Afrika in einem Portulano (Seekarte) von 1351. (In der Laurentinischen Bibliothek zu Florenz.)
So hatte man also um die Mitte des 14. Jahrhunderts den Stand der Kenntniß des Alterthums mindestens wieder erreicht. Den Portugiesen war es im nächstfolgenden Zeitraume vorbehalten, die Grenzen der bekannten Welt weiter hinauszurücken und, nachdem die westlichen Gestadelinien der alten Welt vom südlichen Cap Afrikas bis zum Nordcap Europa im allgemeinen ans Licht getreten war, den Anstoß zu geben für die erste planmäßige Durchschiffung des westlichen Oceans.
Am Schlusse dieses Abschnittes haben wir noch die Reisen der venetianischen Gebrüder Nicolo und Antonio Zeno zu untersuchen, welche in den Ausgang des 14. Jahrhunderts fallen, und sich auf dem Gebiete der normannischen Seezüge im nördlichen atlantischen Ocean zwischen Scandinavien und Grönland bewegten, aber der Deutung und Erklärung im einzelnen große Schwierigkeiten entgegensetzten, so daß die Untersuchungen zu ganz abweichenden Ergebnissen geführt haben. Die Schwierigkeiten entstanden vor allem bei dem Versuch, die Namen der Localitäten zu enträthseln, welche den Schauplatz der Erlebnisse bilden, und die den alten Bericht begleitende Karte einerseits mit dem Texte, andrerseits mit den gegenwärtig vollständig bekannten thatsächlichen Verhältnissen jenes Theiles der Erdoberfläche in Einklang zu bringen. Am meisten hat sich R. H. Major in London um das Verständniß verdient gemacht.[17] Daß dabei nicht von einer fingirten Reise und einer Fälschung die Rede sein kann — denn auch diese Ansicht ist laut geworden — beweist die thatsächliche Kenntniß nordischer Verhältnisse, welche nicht blos alles übertrifft, was das Mittelalter in Europa über jene Gegenden wußte, sondern auch die Kenntniß in der Mitte des 16. Jahrhunderts übertrifft, wo der merkwürdige Bericht zuerst veröffentlicht wurde.
Der Thatbestand ist nun folgender: Am Ende des 14. Jahrhunderts, wahrscheinlich 1390, und nicht 1380, wie Text und Karte angibt, rüstete Nicolo Zeno, einer alten venetianischen Adelsfamilie entstammend, aus eigenen Mitteln ein Schiff aus, um, mehr aus Neugier als aus Drang zu neuen Entdeckungen, den Norden Europas zu besuchen. Seit einem Jahrhunderte bereits befuhren venetianische Handelsschiffe den atlantischen Ocean von den Säulen des Herkules bis Flandern und Süd-England. Zeno strebte noch weiter nach Norden. Ein Sturm trieb sein Schiff über Britannien hinaus und warf es an den Strand der Insel Friesland (Faröer). Aus den Händen der Strandräuber, welche sich des Strandguts bemächtigten, befreite die Schiffbrüchigen der Beherrscher eines Nachbargebietes, welchen Zeno Zichmni nannte. Aus Dankbarkeit trat der Venetianer in die Dienste seines Befreiers und lud nun seinen in Venedig weilenden Bruder Antonio brieflich ein, zu ihm zu kommen. Antonio folgte dieser Einladung. Vier Jahre nach seiner Ankunft auf den nordschottischen Inseln starb Nicolo in Friesland. Antonio blieb aber noch 10 Jahre und schrieb während dieser Zeit mehrere Briefe an seinen Bruder Carlo, der in Venedig eine hervorragende Rolle spielte. Die Briefe der venetianischen Nordlandsfahrer blieben im Familienarchive zu Venedig, bis ein späterer Nachkomme des Geschlechts, Nicolo Zeno der Jüngere, geb. 1515, als unverständiger Knabe diese Dokumente durch Zufall in die Hände bekam, und da er ihren Werth nicht kannte, zum Theil zerriß. Erst später, in reiferen Jahren, suchte er die Bruchstücke zusammen und entwarf danach die Geschichte jener abenteuerlichen Fahrten seiner Vorfahren. Auch copirte er eine alte, halb vermoderte Originalkarte und ergänzte sie nach seinem Verständniß und seiner Auffassung. Das Ganze veröffentlichte er dann 1558 unter dem Titel: Dello scoprimento dell’ Isole Frislanda, Eslanda, Engronelanda, Estotilanda, Icaria, fatto per due fratelli Zeni, M. Nicolo il Cavaliere et M. Antonio.
Gailland, Berlin, phototyp.
Karte zu den Reisen von Nicolo und Antonio Zeno. (Copie in ca. ¼ der Größe des Originals von 1558.)
Joh. Reinhold Forster wies 1784 in seiner Geschichte der Entdeckungen und Seefahrten im Norden (S. 217–250) zuerst auf die Glaubwürdigkeit und den Werth des Berichtes hin. Auch Al. v. Humboldt sprach sich in seinen kritischen Untersuchungen etc. (deutsch v. Ideler, Bd. I, 337) dahin aus, daß, wenn man den Bericht ohne vorgefaßte Meinung untersuche, man in demselben Wahrheitsliebe und eine ins Einzelne gehende Beschreibung von Gegenständen finde, zu welcher nichts in Europa den ersten Gedanken an die Hand gegeben haben könnte. Dagegen erklärte der dänische Admiral Zahrtmann (Journal Royal geogr. Soc. London. Vol. 5) das Ganze für eine Erfindung des jüngeren Zeno.
H. Major hat nun die Echtheit des Berichts zuerst an den Oertlichkeiten der Faröer nachgewiesen. Es handelt sich um einen Wikingerzug des Zichmni, des Herrn von Porlanda und Sorona.
Die Namen sind sämmtlich nur nach dem Gehör, nach dem Klange der Aussprache aufgefaßt und dann dem Italienischen angepaßt und umgeformt. So hat bereits Forster gefunden, daß in dem räthselhaften Zichmni der schottische Häuptling Henry Sinclair of Roslyn steckt, welcher von Hakon VI. von Norwegen die Herrschaft über die Orkneys und Caithneß erhielt. Der Pentland-Firth scheidet die beiden Besitzungen. Aus Pentland macht der Italiener Porlanda und die begleitende Karte entstellt diesen Namen, durch falsche Lesung, in Podanda (für rl ist d gesetzt).
Aus Caithneß wird Contanes und unter Sorona ist die kleine Insel Swona in dem Pentland-Firth zu verstehen. Zichmnis Geschwader wollte Friesland erobern. Im Altdänischen aber heißt die Faröergruppe Faeröisland, und in der Biographie des Columbus erzählt sein Sohn Ferdinand, daß sein Vater im Jahre 1477 von Bristol nach Frislanda gesegelt sei. Daraus wird die Identität von Faröer und Friesland ersichtlich. Daß aber der jüngere Zeno diesen Namen nicht aus der Biographie des Columbus[S. 29] entlehnen konnte, erhellt daraus, daß diese Lebensbeschreibung später, nämlich erst im Jahre 1571, also nach dem Reisebericht Zenos veröffentlicht wurde. Wenn die alte Karte Friesland als eine compakte große Insel darstellt, so fällt dieser Irrthum vorwiegend dem jungen Zeno zur Last. Zichmnis Flotte nahm ohne große Schwierigkeit die Inseln Ledovo und Ilofe (verschrieben für Slofe) und andere kleine Inseln im Golfe Sudero in Besitz. In diesem Golf erkennen wir den Suderoefjörd zwischen den beiden Inseln Suderoe und Sandoe. Dann ergibt sich für Ledovo die kleine fast unzugängliche Felseninsel Little Dimon und für Slofe das Nachbareiland Skuoe. Weiter ging das Geschwader nach dem Hafen Sanestol (d. h. Sandoe) und landete bei dem Orte Bondendon (wahrscheinlich Norderdahl auf Stromoe). Von hier zogen die Eroberer quer durch die Insel zur Hauptstadt Frislanda, welche an einer sehr fischreichen Bai lag, von wo sich Schiffe von Flandern, Britannien, Norwegen und Dänemark mit Fischen versorgten.
Die Hauptstadt Thorshaven, welche hier gemeint ist, belegt der Venetianer mit dem Namen der Inselgruppe. Der Reichthum an Fischen ist hier seit alters berühmt. Später leitete Nicolo Zeno ein ähnliches Unternehmen gegen Estland (d. h. Shetland-Inseln), wobei mehrere Schiffe nach der Insel Grislanda südwärts verschlagen wurden. Das Hauptland der Orkneys heißt Hroß-ey, oder Groß-ey oder gross-island, woraus sich die Form Grisland bildete.
Der jüngere Zeno, welcher aus Unverstand Estland für Island nahm, verlegte auch Grislanda an die Küsten jener großen Insel, obwohl der Originaltext von „le Islande“, also von mehreren Inseln spricht; in Folge dieses Grundirrthums werden aber auch alle nach Shetland gehörigen Namen an das Gestade von Island verschoben, nämlich Talas (= Yelli), Broas (= Barras), Iscant (= Unst), Trans (= St. Ronans Isle), Mimant (= Mainland), Dambere (= Hamna) und Bras (= Bressay).
Es lassen sich also alle Localitäten wieder erkennen und gehörigen Orts befestigen. Die durch Zeno den jüngeren in die Karte gebrachten groben Fehler sind von dem Originalberichte nicht verschuldet, bestärken aber die Glaubwürdigkeit der Erzählung; denn wenn das Ganze eine müßige Erfindung des 16. Jahrhunderts wäre, würde sie an solchen geographischen Verstößen gar bald entlarvt werden können. Jener erste Zug nach den Faröer geschah wahrscheinlich im Jahre 1390, der gegen Shetland 1391.[18]
Im Juli des folgenden Jahres ging Nicolo mit 3 kleinen Schiffen auf Entdeckung aus nach Engroneland oder Grenland. Bei dieser Fahrt, welche uns über die Grenzen der den Süd-Europäern bekannten Nordwelt hinausführt, wurde Island und wohl auch Grönland berührt. Aber der Bericht wirft offenbar isländische Verhältnisse nach Grönland. Ob diese Versehen dem Originalberichte zur Last fallen, oder ob die Bruchstücke desselben durch den[S. 30] jüngeren Zeno falsch zusammengefügt sind, läßt sich nicht mehr erkennen; doch liegt die Verwechslung klar vor Augen, wenn wir dem Berichte folgen. Danach fand nämlich der ältere Nicolo in Grönland ein Kloster mit Predigermönchen und eine Kirche des heiligen Thomas am Fuße eines thätigen Vulkans. Die in der Nähe befindliche heiße Quelle hatten die Geistlichen zu ihrer Ansiedlung geleitet, um Kirche und Kloster damit zu heizen und das kochende Wasser selbst zur Bereitung der Speisen zu verwenden oder in erwärmten Beeten Früchte und Blumen zu erzielen, die nur in gemäßigteren Himmelsstrichen gedeihen. Neben dem Kloster leben Wilde (also Eskimos), welche Fischfang treiben und Böte in Gestalt eines Weberschiffchens besitzen. Sie befestigen über das Gerippe von Fischknochen Häute und nähen dieselben fest zusammen, so daß diese leichten Fahrzeuge allen Stürmen trotzen. Während die Art der Ansiedlung und die Benutzung der Thermen nur nach Island paßt,[19] denn in Grönland gibt und gab es auch damals keine thätigen Vulkane, ist das Seegewerbe der Eingeborenen charakteristisch für die grönländischen Eskimos. Eine genaue Kenntniß des südlichen Grönland verräth aber auch der Name der Südspitze Avorf, welche in der dem 14. Jahrhundert angehörigen Beschreibung Grönlands von Ivar Bardsen „Hvarf“ und in der Chorographie Björn Jansens Haf-hvarf heißt, wofür die Karte Zenos Af promontorium setzt.
Nicolo Zeno erlag den für einen Südländer unerträglichen Wirkungen des polaren Klimas und starb bald nach seiner Rückkehr auf Frisland. In seine Stellung und seine Würden rückte sein Bruder Antonio, den Sinclair noch jahrelang bei sich festzuhalten wußte und sogar auf einer großartig geplanten Entdeckungsfahrt nach westlichen Ländern mitnahm. Sinclair hatte nämlich durch Fischer, die vor 25 Jahren über den atlantischen Ocean nach Westen verschlagen waren, von großen Inseln und weiten Festlandsstrichen Kunde erhalten und beschloß jene Länder aufzusuchen. Der Bericht der Verschlagenen, den ein Brief des Antonio an seinen Bruder Carlo in Venedig ausführlich wiedergibt, klingt zwar in manchen Einzelheiten befremdend, verräth aber in großen allgemeinen Zügen eine Kunde der nordamerikanischen Küsten bis nach Mexiko. Da nun erwiesenermaßen die Normannen bereits im 11. Jahrhundert Ansiedelungsversuche am Strande der Neuengland-Staaten gemacht hatten, so bleibt die Möglichkeit weiterer aben[S. 31]teuerlicher, durch Zufall veranlaßter Fahrten nach jenen Gegenden keineswegs ausgeschlossen.
Jene Fischer nun hatten erzählt, daß sie 1000 Meilen westlich von Friesland durch den Sturm an die Insel Estotiland getrieben seien, welche kleiner als Island, aber viel fruchtbarer war und in der Mitte einen hohen Berg hatte. Die Einwohner zeigten sich intelligent, freundlich, besaßen eine eigne Sprache und Schrift, in des Königs Bibliothek fanden sich sogar lateinische Bücher. Sie verkehrten auf ihren Segelbooten sogar mit Grönland, kannten aber den Compaß nicht. Nachdem sie fünf Jahre im Lande geblieben waren, machten unsere Fischer eine Fahrt gegen Süden zum Lande Drogio. Dort wohnten rohe Canibalen, welche einen Theil der Mannschaft erschlugen und verzehrten. Sie besaßen kein Metall, ihre Lanzen bestanden nur aus Holz. Aber weiter südwärts wurden sie civilisirter, wohnten in Städten und opferten in ihren Götzentempeln Menschen, deren Fleisch dann verspeist wurde. Das Land war reich an Gold und Silber.
Während wir in Estotiland Spuren normannischer Ansiedlung erkennen, wenn auch die Kulturverhältnisse in allzustarken Farben ausgemalt sind, lassen sich die Angaben über die südlichen Kulturländer mit ihrem Goldreichthum, ihren Götzentempeln und Menschenopfern ungezwungen auf Mexiko deuten. Doch sind Estotiland und Drogio nicht zu identificiren.
Nur ein Fischer kehrte nach Jahren zurück und sollte auf Sinclairs Zuge als Führer dienen, aber leider starb derselbe kurz vor Aufbruch der Flotte. So verfehlte Sinclair auch bald den Weg und wurde durch Sturm gegen Südwesten nach der Insel Icaria verschlagen. Es ist wohl nur italienische Phantasterei, wenn der jüngere Zeno dazu bemerkt: Alle Könige hießen dort Icari, nach dem ersten Könige, der ein Sohn des Königs Dedalus von Schottland gewesen sei. Schon Forster hat in dem Icaria richtig die Landschaft Kerry in Irland erkannt, wozu alle geschilderten Verhältnisse, das feindselig abwehrende Verhalten der Bevölkerung u. a. paßt. Von hier gelangte die Flotte nach Grönland, kehrte aber nach kurzem Besuch wieder nach den Orkneys zurück.
Wenn auch in dem ganzen Bericht noch manche Dunkelheiten ungelöst bleiben, so wird doch eine unbefangene Kritik den echten Kern anerkennen müssen und darf das Ganze nicht als leere Erfindung verwerfen. Von besonderem Interesse ist, daß Zeno uns als der letzte von den normannischen Ansiedlungen in Amerika berichtet. Die vom jüngeren Zeno entworfene Karte enthält trotz gewaltiger Irrthümer und Ungeheuerlichkeiten, welche indeß von den Kartographen des 16. Jahrhunderts vielfach getreu copirt wurden, manche zutreffende Züge und geographische Wahrheiten.
Beim Anbruch einer neuen Zeit richten wir unsern Blick wieder nach Osten, um eine längst verschollene Kunde, wie sie von fernen reichen Ländern in alter Zeit erklungen, aufs neue zu vernehmen. Die Herrschaft der Araber hatte anfangs den Kenntnissen im Abendlande von den Verhältnissen im Innern Asiens keine Förderung gewährt. Ums Jahr 1000 n. Chr. kannte man thatsächlich von ganz Asien kaum mehr als die heiligen Walfahrtstätten in Palästina, und begnügte sich auch damit. Die Araber ließen die frommen Pilger aus dem Westen gewähren, deren Wißbegierde in dem Rahmen religiöser Traditionen beschränkt blieb. Anders gestalteten sich die Verhältnisse, als Türken und Seldschucken Herren jener heiligen Stätten wurden und in Folge der Bedrückung der christlichen Waller eine gewaltige Bewegung durch Europa ging, welche die Kreuzzüge veranlaßte. Zwar haben dieselben unsere Kenntniß von Westasien nicht über Mesopotamien hinaus bereichert, aber die Berührung mit der arabischen Bildung weckte den Geist der Forschung wieder im Abendlande und trug so wenigstens mittelbar dazu bei, das entschwundene geographische Interesse neu zu beleben. Durch die Araber lernte man wieder die griechischen Schriftsteller, namentlich Aristoteles, kennen und die größten Geister des Abendlandes, Albertus Magnus († 1280) und Roger Bacon († 1292 oder 1294) wandten sich wieder dem Studium der Naturwissenschaften zu.
Den ersten directen Anstoß aber zu bedeutenden Reisen in bisher unbekannten Regionen gab die Bildung des mongolischen Weltreichs. Es war im Beginn des 13. Jahrhunderts, daß der kühne Häuptling Temudschin zahlreiche mongolische und tatarische Stämme der asiatischen Steppe unter seinem Scepter vereinigte und den Namen eines Großfürsten, „Tschingischan“, annahm. Der Name Khan bedeutet einfach „der Herr“ und wird allen tatarischen Häuptlingen beigelegt, mögen sie souverän sein oder nicht. In Indien bildet er noch jetzt den gewöhnlichen Zusatz zu den Namen der Mohammedaner aller Klassen. Ḳaán oder Châḳán (bei den byzantinischen Schriftstellern Χαγάνος) war dagegen der specielle Titel des höchsten mongolischen Fürsten; danach würde der Titel Temudschins richtiger als Tschingischagan[S. 36] bezeichnet werden müssen. In einem verheerenden Völkersturm, wie jener Erdtheil keinen zweiten gesehen und erlitten hat, lag binnen 20 Jahren fast ganz Asien zu seinen Füßen. Die Völkerflut nach Osten überschwemmte Tangut und Nordchina, die Kriegswoge nach Westen und Süden brach über Turan und Iran herein. Throne stürzten zusammen unter seiner unerhörten Wucht, volkreiche Städte verschwanden vom Erdboden, Millionen von Menschen verloren ihr Leben. Auch mit dem Tode Temudschins († 1227) kamen die aufgeregten Massen nicht zur Ruhe. Von den vier Söhnen des Großfürsten gelangte Okkodai zur obersten Nachfolge. Nach Westen drangen seine Heere durch die Ebenen Rußlands bis nach Schlesien vor, Moskau wurde erobert, Kiew ging in Flammen auf. Erst an den Sudeten brach sich die Sturmflut; aber in Westasien wurden Armenien, Kleinasien und Syrien überrannt, in Ostasien wurde Südchina unter der Regierung des Chagan Kublai eine Beute der Mongolen.
Die christlichen Kreuzfahrer, die mit immer weniger Aussicht auf Erfolg gegen die mohammedanischen Staaten in Kleinasien, Syrien und Aegypten um den Besitz des heiligen Landes gerungen hatten, sahen in den Mongolen einen willkommenen Helfer gegen den zähen Erzfeind ihres Glaubens. Sie nahmen aber auch mit besonderer Freude wahr, daß die neuen Weltstürmer aus Innerasien keineswegs den religiösen Fanatismus der Araber und Türken besaßen, sich vielmehr dem christlichen Glauben ebenso geneigt zeigten als der Lehre Mohammeds. Es liegt das schon in der wesentlich verschiedenen Rassenanlage der Mongolen und Semiten begründet.
Man kann sich in religiösen Dingen kein nüchterneres Volk denken als die Chinesen, während dagegen der Semite Westasiens, der Begründer des Monotheismus und leider auch des religiösen Fanatismus, auf religiösen Fundamenten[S. 37] sein geistiges Leben aufbaut. Die Glaubensglut des Islam übertrug sich auch auf türkische Stämme; aber nicht auf die Mongolen. Diese sahen nicht jeden Christen als solchen für einen Feind an. Sie ließen jeden in seinem Glauben gewähren.
Es gab wirklich Christen unter ihnen in nicht geringer Anzahl. Nicht blos, daß einzelne Gläubige mit den großen Völkerwellen vom heimischen Boden weit hinweg gespült worden waren; — trafen doch die Sendboten des Pabstes am Hofe der Chagane in Karakorum, südlich vom Baikal, Franzosen und Ungarn und begegnete dem Marco Polo sogar noch in China ein Deutscher; — nein, ganze Stämme des großen vielsprachigen Reiches neigten zum Christenthum und es wird von manchen Städten im fernen Osten berichtet, daß nestorianische Christen bis dahin ihren Glauben verbreitet. Als Christen galten die Kerai in N.-W. von China; als Nestorianer bezeichnet Rubruck den Stamm der Naiman am obern Irtysch. Viele Christen hatten sich sogar in dem Dienst und Gefolge der mongolischen Fürsten eine geachtete und einflußreiche Stellung errungen und, was besonders betont werden muß, die Großfürsten des Weltreichs selbst waren in die directe Berührung mit dem Christenthum durch eingegangene Ehen gebracht. Die Mongolenkaiser Kublai und sein Bruder Hulaku stammen von christlichen Müttern ab, deren Einfluß nicht zu unterschätzen ist. Gesandtschaften und Briefe gingen hin und her, es entspann sich ein freundschaftlicher Verkehr zwischen den Häuptern der Christenheit und den Chaganen, und mehr als einmal wurde das Interesse des Pabstes lebhaft durch die Aussicht auf ein segensreiches Arbeitsfeld von unermeßlicher Weite im fernen Morgenlande angeregt. Darf man unter solchen Umständen den Plan einer systematischen Missionsarbeit unter den Mongolen absolut verwerfen oder auch nur als gar zu sanguinisch bezeichnen?
artist. Inst., Leipzig-Reudnitz.
G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Kartenskizze der
Mongolenstaaten im XIII. Jahrhundert.
zu
Sophus Ruge’s Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen.
Von
Henry Lange.
Vor allem zog aber mächtig die geheimnißvolle, halb in sagenhafte Züge gehüllte Gestalt eines großen Königs an, der im Abendlande allgemein unter dem Namen des Priesterkönigs oder Presbyter Johannes bekannt war, und der über ein durchaus christliches Volk herrschen sollte. Das eigenthümliche Dunkel, das über dieser Gestalt liegt, ist noch nicht völlig gelichtet; es scheint aber, als ob nach einander mehrere bedeutende historische Persönlichkeiten des Morgenlandes mit einander verschmolzen wären und nach einander für den Priesterkönig gegolten hätten.
Die erste Nachricht über ihn bringt der deutsche Geschichtsschreiber Otto von Freising, der Stiefbruder Kaiser Konrads III. Derselbe erzählt, er habe im Jahre 1145 in Viterbo den Bischof von Gabula (Jibal im nördlichen Syrien) getroffen, der unter Thränen von den Gefahren erzählt, welche seit dem Falle von Edessa die christliche Kirche bedrohe. Vor wenigen Jahren, erzählte der Bischof, sei im fernen Osten jenseit Armenien und Persien ein[S. 38] gewisser Johannes, Priester und König zugleich über ein nestorianisches Volk, aufgetreten, habe erst die medische Hauptstadt Egbatana erobert und dann die Samiardischen Bruderkönige, die in Persien und Medien herrschten, in dreitägiger Schlacht besiegt und sei weiter nach Westen gerückt, um der bedrängten Kirche in Jerusalem beizustehen. Aber der Tigris habe seinem Zuge Halt geboten und ihn zur Umkehr genöthigt.
Die hier erwähnten Ereignisse sind von Professor Bruun[20] auf Johann Orbelian (Ivané Orpel), den Großwürdenträger und siegreichen Feldherrn des georgischen Königs David gedeutet, der den Türken um 1123 oder 1124 die Stadt Ani in Armenien abgewann. — Das Geschlecht der Orbeliane besaß zwar in seinen außerordentlichen Privilegien fast königliche Macht und namentlich Johannes Orbelian war der Stolz der Georgier; allein seine Thaten sind doch nicht gewaltig und seine Stellung nicht unabhängig genug, um ihn kurzweg als Priesterkönig bezeichnen zu können, und der große blutige Sieg über die Samiardischen Brüder bleibt auch ohne entsprechenden Beleg. Die Identität des Priesters Johannes mit Johann Orbelian bleibt daher unerwiesen, wenn auch, abgesehen von dem zutreffenden Namen Johann und der Existenz eines christlichen Volkes und Fürsten, für diese Hypothese noch die Thatsachen sprechen, daß Groß-Armenien als der ferne Orient angesehen wurde und daß georgische Könige den Christen in Palästina mehrfach Hilfe zu bringen suchten.
Auf der andern Seite muß aber darauf hingewiesen werden, daß die christlichen Sendboten und Kaufleute, welche in Asien eindrangen, seit dem 13. Jahrhundert den Priesterkönig viel weiter im Osten suchten und an Armenien nicht dachten. Und in der That leiten auch die Nachrichten Ottos von Freising über die Nachbarländer Syriens hinaus. Den Kern der Untersuchung muß die verhängnißvolle Schlacht bilden, in welcher der Beherrscher Persiens unterlag. Es wird sich dabei zwar ergeben, daß in Ottos Berichte Irrthümer mit unterlaufen und andere dunkle Punkte, namentlich die angebliche Eroberung von Ekbatana und der Zug an den Tigris, unerledigt bleiben; allein das Endresultat fällt doch befriedigender aus als bei der ersten Hypothese.
Jene Niederlage nun der Perser, welche nach der Angabe des Bischofs von Gabula nur wenige Jahre vor 1145 erfolgte, fällt ins Jahr 1141. Etwa hundert Jahre früher hatten seldschuckische Sultane die Herrschaft in Persien gewonnen und ihre Macht bis Kleinasien und Aegypten ausgedehnt. Um 1105 theilte sich das große Reich in zwei Staaten unter den Brüdern Mohammed und Sandschar. Das sind die Samiardischen (richtiger Saniardischen) Brüder, nach dem mächtigeren und weit länger regierenden Sandschar (Saniard) benannt; denn Mohammed starb bereits 1118, Sandschar aber erst 1157. Sandschar behauptete als Sultan das Uebergewicht im Osten,[S. 39] während seine Neffen, die Söhne Mohammeds, von ihm abhängig wurden. Es ist demnach ungenau, wenn noch um 1145 Otto von Freising von Saniardischen Brüdern spricht.
Zu den von Persien abhängigen Staaten gehörte damals auch Chowaresmien am untern Amu-Darja; dieser Staat strebte nach Selbständigkeit. Der Sohn des dortigen Schahs Atsis war von Sandschar getödtet worden; aus Rache rief Atsis die sogenannten Karachitanen oder Khata zur Hilfe herbei.
Der älteste arabische Schriftsteller, welcher über diese Ereignisse berichtet, ist Ibn-el-Athir (1160–1233). Derselbe erzählt, Atsis habe, aufgebracht über die Ermordung seines Sohnes, zu den Khata gesandt, welche in Ma-vera-el-nahr (Transoxanien) wohnten, und in ihnen die Hoffnung auf Landgewinn erregt. Indem er ihnen die Sache sehr leicht vorstellte, reizte er sie, in Sandschars Reich einzufallen. Demzufolge brachen sie mit 300,000 Reitern auf, Sandschar ging ihnen mit seiner Armee entgegen und erlitt in der Nähe von Samarkand eine blutige Niederlage, in welcher 100,000 fielen, darunter 12,000 Vornehme und 4000 Weiber. Sandschar floh nach Balch.[21]
Diese Khata werden auch als ungläubige Türken bezeichnet. Ihren Anführer nennt der arabische Historiker einen Chinesen, dessen Titel Ku-chan, richtiger Kur-chan, war.
Mit zusammengerafften tatarischen und chinesischen Völkern war also dieser Heeresfürst im Westen erschienen und in die islamitischen Länder eingebrochen, wo er dem bisher stets siegreichen Sandschar den ersten empfindlichen Schlag versetzte.
Welche Bewandtniß es mit dieser Völkerbewegung hatte, erfahren wir aus chinesischen Quellen.
Ein wahrscheinlich zur Gruppe der Tungusen gehöriger Volksstamm in der Mandschurei, den die Chinesen Chitanen benannten, hatte sich im Laufe der Jahrhunderte aus rohen Zuständen allmählich zu einer gewissen Kultur emporgearbeitet und so gekräftigt einen Staat gebildet, der, die Nachbargebiete beherrschend, im Jahre 907 bereits über Nordchina hin bis zum Lop-nor reichte und bald darauf Nordchina selbst unterwarf. Dieses Reich der Chitanen wurde weiter im Westen unter dem Namen Khitai, Khathay bekannt und bestand bis zum Jahre 1123. Dann wurde es aus dem chinesischen Besitze wieder verdrängt. Der Vetter und Oberfeldherr des letzten Kaisers der Chitanen, Yeliutasche, gründete im Westen vom Lop-nor ein neues Reich, das sich durch glückliche Eroberungen über das Pamirhochland hinaus bis an den Oxus in West-Turkistan erstreckte, wo der Sohn des ersten Fürsten, Yeliuyliui († 1153) bei Samarkand den Sultan Sandschar im September 1141 besiegte. So rückte dieses Reich fast bis ans kaspische Meer vor und erscholl sein Name auch in Europa. Die Fürsten trugen den Titel Korchan oder Gurchan (woraus[S. 40] allmählich durch Umgestaltung Johannes wurde) und ihr neugegründetes Reich hieß das Reich der Karachitanen oder schwarzen Chitanen. Dort im Osten des kaspischen Meeres suchten die abendländischen Reisenden zuerst den Priesterkönig, und als man ihn nicht mehr vorfand, denn das Reich war schon 1215 von Temudschin zerstört, floh es vor dem suchenden Blick immer weiter nach Osten, bis man China selbst mit dem Namen Kithai oder Cathay, Cathaya belegte, und an dieser Benennung Jahrhunderte lang festhielt.
Rubruck und Marco Polo hielten den Fürsten „Ungchan“ der Keraiten in der östlichen Mongolei für den Johannes und verwechselten denselben mit Yeliutasche. Die Verwechselungen und Verschiebungen dieser mythischen Gestalt eines Priesterkönigs dauerten auch im 14. Jahrhundert weiter, wo man ihn in dem christlichen König von Habesch glaubte richtig entdeckt zu haben; im 15. Jahrhundert wurde er dort von Heinrich dem Seefahrer gesucht. Es gingen noch am Ende dieses und selbst im nächsten, im 16. Jahrhunderte, portugiesische Gesandte an den Priester Johannes ab. Im Abendlande hat man sich lange an dieser Erscheinung erbaut und fand etwas tröstliches darin, fern im Osten einen unbekannten, aber mächtigen Bundesgenossen sich vorzustellen, der den bedrängten Christen Hilfe bringen könne.
Der Plan, mit der mongolischen Welt direct in Verkehr zu treten, wurde zuerst vom Pabste Innocenz IV. auf dem Concil zu Lyon 1245 gefaßt. Er entschloß sich, zwei verschiedene geistliche Gesandtschaften nach dem Morgenlande abzuordnen. — Werfen wir zur Orientirung zunächst einen Blick auf die politische Gestaltung der mongolischen Staaten.
Nach Tschingischagans Tode verblieb die oberste Gewalt seinen Söhnen, einer unter ihnen empfing den Titel Kaan (Chagan), die andern hießen Chan. Das Weltreich zerfiel in vier Staaten.[22] Ostasien umfaßte das Gebiet des Kaan. Dazu gehörte China, Tibet, die östliche Mongolei und die Mandschurei. Die Residenz war Kaanbaligh, d. h. die Stadt des Kaan, jetzt Peking. Der Name wurde im Abendlande bald in Cambalich, bald in Kambalu verändert.
Westlich von diesem Staate lag auf beiden Seiten der Hochebene Pamir, also Theile von Ost- und West-Turkestan umfassend, das Reich Dschagataï oder das Reich der Mitte. Dasselbe erstreckte sich vom Altai bis zum westlichen Himalaja und obern Indus, schloß Afghanistan ein und reichte bis zum Amu-Darja im Südwesten. Die Hauptstadt Almalik lag am obern Iliflusse, der sich in den Balchasch ergießt, in der Nähe der heutigen Stadt Kuldscha. Noch weiter gegen Südwesten lag das persisch-medische Reich der Ilchane. Dasselbe umfaßte Persien, Armenien, Mesopotamien und Theile von Kleinasien; seine Hauptstadt war Tebris. Dieser Staatencomplex zerfiel am schnellsten.[S. 41] Den äußersten Westen nahm das Reich der goldnen Horde (Kiptschak) ein, welches sich über die Flachlandschaften Asiens und Europas ausbreitete und sich vom Westfluß des Altai durch die Kirgisensteppe über Südrußland bis an den Waldgürtel der Karpaten ausdehnte. Der Fürst residirte in Serai an der untern Wolga. Durch dieses Reich zogen die meisten abendländischen Gesandtschaften an den Hof der Mongolenkaane und gingen belebte Handelswege durch das Herz Asiens bis zum Ostrande der alten Welt. So bildete Kiptschak den willkommenen Vermittler zwischen Abend- und Morgenland.
Es war um die Mitte des 13. Jahrhunderts, als verschiedene Umstände den wohl schon früher gehegten Gedanken verwirklichen halfen, von Seiten des Abendlandes direct mit dem Weltreich der Mongolen in Verbindung zu treten. Zunächst war die asiatische Steppenmacht 1241 am weitesten nach Westen, bis nach Schlesien, also ins Herz Europas vorgedrungen. Dann traten in den nächsten Jahren wiederum die schwersten Bedrängnisse für den christlichen Besitz im heiligen Lande ein, indem von Osten her aus Turan türkische Söldnerschaaren vor den Mongolen zurückweichen mußten, über Syrien hereinbrachen und Jerusalem im Jahre 1244 eroberten.
In Folge dieser Ereignisse beschloß Pabst Innocenz IV. auf dem denkwürdigen Concil zu Lyon 1245 zwei Gesandtschaften auf verschiedenen Wegen ins Morgenland zu entsenden.
Man bezeichnete damals die Mongolen allgemein mit dem Namen Tartaren (richtiger Tataren) nach einem ihrer tapfersten Stämme, den Tata; ursprünglich verstand man darunter eine kleine Horde, welche zwischen dem Kuku-nor und den Quellen des Hwangho ihren Sitz hatte, und in Europa als die Avantgarde des Mongolenschwarms sich durch Verwüstung und Brand einen gefürchteten Namen gemacht hatte. Sie galten als eine Ausgeburt der Hölle, als dem Tartarus entlaufene Teufel und wurden demnach in doppelter Beziehung Tartaren genannt. Aber indem man dann alle ins christliche Abendland eingebrochenen turanischen und mongolischen Stämme unter dem einen Namen zusammenfaßte, hat man auf lange Zeit die ethnologischen Verhältnisse Asiens verwischt und durch diese falsche Auffassung eine wahre Völkerverwirrung herbeigeführt.
Zu diesen Tataren entsendete nun der Pabst zwei Botschaften, eine aus Dominikanern, die andere aus Franziskanern bestehend.
Beide brachen in demselben Jahre auf, die Dominikaner zogen der Richtung entgegen, aus welcher die türkischen Söldner über Syrien hergefallen und Jerusalem geplündert hatten; die andern durch die Steppen Rußlands und durch jenes große Völkerthor, aus welchem seit alter Zeit die beweglichen innerasiatischen Steppenhorden über die Kulturlandschaften des Westens ausgebrochen waren.
Beide Missionen zielten nach der Hauptstadt der Großchane, nach Karakorum, in der Nähe des Baikal. Die Dominikaner-Gesandtschaft bestand aus Ascelin, Simon von St. Quentin, Alexander und Albert, mit[S. 42] denen sich auf der Reise noch Andreas von Lonjumel und Guichard von Cremona verbanden. Ascelin ging mit seinen Gefährten über See nach Syrien und drang durch Mesopotamien und Persien bis an die Grenze von Chowaresmien vor. Dort traf er mit dem Mongolengeneral Batschu zusammen und wandte sich dann zur Rückkehr, so daß die ganze Reise nur 59 Tage währte. Alles was wir über diesen Zug wissen, beschränkt sich auf die Mittheilungen, welche der berühmte Vincentius von Beauvais, nach den Aussagen des Simon von St. Quentin, in sein Speculum historiale aufgenommen hat. Für die Erdkunde ist wenig Gewinn daraus geflossen.
Nur das Eine wissen wir, daß Andreas von Lonjumel seine Wanderung weiter fortsetzte und um 1248 oder 1249 wirklich nach Karakorum gelangt ist.
Die Franziskaner-Gesandtschaft bestand aus Laurentius von Portugal, Benedict von Polen und Giovanni Piano di Carpine (in französischer Form: Plan Carpin). Von letzterem rührt der ausführliche Reisebericht. Sie erhielten den Auftrag, durch Mitteleuropa zum Batuchan, dem Fürsten von Kiptschak zu gehen und auf ihrem Weiterzuge möglichst viel Erkundigung über die asiatischen Völker, namentlich über die Tataren einzuziehen. Ihr Creditiv war am 5. März 1245 in Lyon ausgestellt. Am Ostersonntage verließen sie diese Stadt und reisten in einem weiten nördlichen Bogen über Troyes, Lüttich, Cöln, Dresden nach Prag, besuchten den König Wenzel von Böhmen, der sich bei dem Herrannahen der Mongolen 1241 so außerordentlich thätig und umsichtig bewiesen und alle Nachbarfürsten rechtzeitig auf die drohende Gefahr aufmerksam gemacht hatte. Er konnte gewiß schon mancherlei Auskunft ertheilen. Von Prag wandten sie sich nach Breslau, wo Benedict sich mit ihnen vereinigte und gingen über Krakau nach Kijew.
Von hier zogen sie sich den Dnjepr hinab nach Canove (Kaniew) und erreichten daselbst die Grenze des Tatarenreiches, durch welches sie zum Hauptquartier Batuchans nach der Wolga weiter zogen. Hierbei lernen wir von ihnen die modernen Namen jener großen Ströme Nepere (Dnjepr), Don, Wolga und Jaik (Ural) kennen.
Batu versah sie mit sicherem Geleite nach der Hauptstadt Karakorum. Diese Reise nahm 3½ Monate in Anspruch und dauerte bis zum 22. Juli. Dabei machten sie die Bekanntschaft der Kangiten oder Kanglen (Petschenegen) östlich vom Uralflusse, ritten durch die Kirgisensteppen, berührten Omyl, eine von den Karachitanen gegründete Stadt, welche östlich vom Balchaschsee am Steppenflusse Emyl oder Jemil lag, der sich in den Alakul ergießt. Von hier wandten sie sich zum Kysylbasch oder Ulungursee, an dem zu jener Zeit die Naimanhorde ihre Weideplätze besaß, und erreichten Ende Juli die Residenz des Chagan, welcher damals ½ Tagereise von Karakorum weilte. Sie trafen zu einer sehr bewegten Zeit dort ein, Kuyuk, der Sohn Okkodais, war zum Großfürsten ausgerufen und aus ganz Asien trafen die Abgeordneten[S. 43] der dem Weltreich einverleibten Völker und Stämme, sowie der benachbarten Fürsten ein. Es waren an 4000 Gesandte zugegen, welche dem neuen Herrn ihre Huldigungen darbrachten und Tribut zahlten. Es war also für Piano di Carpine und seine Gefährten eine sehr günstige Gelegenheit, von allen Seiten Erkundigungen einzuziehen, aber Irrthum und Wahrheit mischen sich in seiner Darstellung ineinander; verwechselte er doch selbst das schwarze und kaspische Meer. Hier lernten die Missionare auch zuerst Chinesen kennen, welche ihnen ein mongolenähnliches Gesicht zeigten, wenn dasselbe auch nicht so breit war wie bei den Mongolen. Piano gedenkt in rühmlicher Erwähnung der guten Sitten der Chinesen und der Geschicklichkeit ihrer Handwerker.
Im Frühling des nächsten Jahres kehrten sie ziemlich auf demselben Wege zurück, trafen im Mai wieder bei Batuchan ein und vollendeten über Kijew ihre Reise nach Lyon. Piano di Carpine erstattete ausführlichen Bericht über die Sitten und Lebensweise der Tataren, über ihren Cultus und Staatsorganismus. Seine Mittheilungen werden ergänzt und vervollständigt durch die Angaben, welche nach den Erzählungen seines Genossen Benedict von Polen niedergeschrieben wurden. Die ganze Reise hatte etwa zwei Jahre gedauert.
Um dieselbe Zeit machten auch mehrere Mitglieder des königlichen Hauses von Armenien bedeutende Reisen nach dem innern Hochlande von Asien. Das damals noch selbständige Königreich von Klein-Armenien war, von den Seldschucken in Kleinasien und den ägyptischen Ehubiden eingeengt, auf den östlichen Theil der Südküste Kleinasiens beschränkt. Der König Hayton oder Hethum I. beschloß, um sich mit der immer näher drohenden mongolischen Macht friedlich abzufinden, seinen Bruder Sempad oder Sinibald abzusenden, um den Großchan Kuyuk bei seiner Thronbesteigung ebenfalls zu begrüßen. Prinz Sempad war vier Jahre unterwegs. Ein Brief von ihm, wahrscheinlich von Samarkand aus an den König von Cypern gerichtet, ist uns erhalten. Darin wird erzählt, daß die mongolische Macht sich schon über fast ganz Asien ausgedehnt habe, und daß verschiedene Chane in Indien und China (Chata), in Kaschgar und Tauchat (Tangut) herrschen. Dieses letztere Land hielt Sempad für dasjenige, aus dem die drei Könige des Morgenlandes nach Bethlehem gekommen seien, um das Christkind anzubeten.
Acht Jahre später, 1254, machte sich König Hayton selbst auf den Weg, und brachte dem Nachfolger Kuyuks, Mangkukaan zu seiner Thronbesteigung seine Glückwünsche dar, um sich auch ferner ein gutes Einvernehmen mit den Mongolen zu sichern. Hayton schlug den Weg durch Kleinasien und Armenien ein, besuchte erst den mongolischen Heerführer Batschu (Batschu Noian) in Kars, wandte sich dann zum kaspischen Meere, umging den Kaukasus durch den Paß von Derbend und traf mit Batu und seinem Sohne Sartasch an der Wolga zusammen. Von hier nahm der[S. 44] König einen etwas nördlicheren Weg als Piano di Carpine und der Sendling Ludwig des Heiligen, Rubruck, der mit ihm in demselben Jahre die weite Steppenreise nach Karakorum vollendete. In der mongolischen Residenz, wohin er am 13. September gelangte, ward ihm eine ehrenvolle Aufnahme zu Theil; nach einem Aufenthalte von 6 Wochen nahm er am 1. Nov. Abschied und kehrte auf dem südlichen Wege durch die Dsungarei, über Otrar, Samarkand und Bochara und weiter durch Nordpersien und Armenien in seine Heimat zurück. Hayton weiß manches Interessante über die Völker Ostasiens zu berichten, natürlich stehen die Chinesen (Chataier) in erster Reihe. Von ihrem Cultus weiß er, daß sie ein Götzenbild, namens Schakemonia (Sakya-Muni), d. h. also Buddha anbeten.
Endlich haben wir hier noch eines dritten Mitgliedes der königlichen Familie zu gedenken, des Prinzen Hayton von Gorigos, der auch durch politische und kriegerische Verhältnisse weit nach Osten geführt wurde, später nach einem bewegten Leben sich in ein Kloster auf Cypern zurückzog und von hier aus als Mönch dem Pabste Clemens V. in Avignon einen Besuch abstattete. Der Pabst verlieh ihm die Prämonstratenser Abtei in Poitiers. Dort dictirte er dem Nicolaus Salconi eine Geographie von Asien und eine Geschichte der Mongolenfürsten in französischer Sprache, worauf Salconi dieselbe 1307 ins Lateinische übersetzte. Es ist die erste systematische Geographie von Asien, die wir aus dem Mittelalter besitzen; und da dieselbe im Abendlande niedergeschrieben war, fand sie bald weitere Verbreitung, namentlich in den Klöstern, wo man sich für die Thaten der Ordensbrüder lebhaft interessirte. Der prinzliche Mönch beginnt mit China. Dieses erste Capitel darf als das wichtigste bezeichnet werden, wenn auch die Züge der Darstellung allgemein gehalten sind. Cathai ist danach das größte Reich der Welt, voll Volks und voll Reichthums und liegt am Gestade des Oceans, welcher mit unzähligen Inseln besäet ist. Die Chinesen sind überaus geschickt und verachten alle andern Nationen, welche an Kunstfertigkeit ihnen nachstehen. Darum behaupten sie auch, sie allein hätten zwei Augen, die Lateiner, das heißt die Völker des Abendlandes, besäßen nur ein Auge und alle andern Nationen seien blind. Ihre Geschicklichkeit ist ganz erstaunlich und die Erzeugnisse ihres Gewerbfleißes sind bewunderungswürdig. Die Cathaier haben kleine Augen und von Natur keinen Bart. Ihre Schrift hat Hayton nicht verstanden, denn er meint, die chinesischen Buchstaben kämen an Schönheit der lateinischen Schrift gleich. Besser ist sein Urtheil über das religiöse Leben; treffend bemerkt er, die Chinesen hätten kein Verständniß für geistliche Dinge. Auch ihre Tapferkeit kann er nicht rühmen. Merkwürdig ist das Papiergeld, das mit dem rothen kaiserlichen Stempel versehen, überall im Lande cursirt und wenn es abgenutzt ist, in der Staatsbank gegen neues Papier eingewechselt wird.
Westlich von China liegt das Reich Tarse. Da dasselbe als von Uiguren bewohnt bezeichnet wird, so läßt sich die Localität mit ziemlicher Gewißheit[S. 45] angeben, wenn der Name auch noch nicht befriedigend erklärt ist. Tarse liegt zwischen China und Turkestan, demnach im Gebiet des Tarim. Hayton kennt die eigenthümliche uigurische Schrift, welche bei den Chinesen bereits seit dem 6. Jahrhundert Erwähnung gefunden, bewundert die großen Tempel im Lande und rühmt die Städte und die Fülle des Getreides. Weiter westwärts folgt das Hirtenland Turkestan und die von Wüsten umgebene Oase Chorasmien (Chiwa); sodann wird das kaspische Meer für den größten Landsee der Welt erklärt und ausdrücklich hervorgehoben, daß dasselbe keine Verbindung mit dem Ocean habe. Das Hauptland im südlichen Asien ist Indien; die dazu gehörigen Inseln sind reich an Edelgestein, Gold, Perlen und Specereien, besonders reich ist die Insel Selan (Ceylon).
Die Halbinselgestalt des Landes wird richtig angedeutet, auch ist dem Armenier bekannt, daß im südlichen Indien schwarze Menschen (Dravida) leben. Combaech (Cambaya) gilt als bedeutender Handelsplatz.
Auf die westlichen Länder Asiens richten wir den Blick nicht weiter; es genügt, zu zeigen, daß sich der Osten der alten Welt wenigstens in allgemeinen Zügen wieder zu entschleiern begann.
Bedeutender als alle bisher geschilderten Missionen war die Entsendung des Franziskaners Wilhelm Rubruck nach Karakorum. Zwar wurden die bereits betretenen Gebiete wiederum durchstreift und somit räumlich keine namhafte Erweiterung der Erdkunde erzielt; allein der Werth liegt hier in dem vortrefflichen Reiseberichte, der an Schärfe der Beobachtung, Sicherheit des Urtheils und Treue der Darstellung, unbeirrt durch falsche Vorstellungen oder Vorurtheile, als die vollendetste Leistung mittelalterlicher Reiseberichte zu bezeichnen ist.
Die Veranlassung zu dieser erneuten Botschaft an den Hof der Mongolenfürsten gab der Kreuzzug Ludwig des Heiligen 1248–1254. Nach dem verhängnißvollen Feldzuge gegen Aegypten hatte sich der französische König nach Palästina gewendet. Hier beschloß er zwei Gesandtschaften zum Großchan abzuordnen, die auf verschiedenen Wegen durch Armenien, Persien und Turan einerseits und durch Südrußland und die Kirgisensteppe andererseits demselben Ziele zusteuerten. Die erste Sendung führte der Ordensbruder Andreas, von dessen Reise sich leider kein Bericht erhalten hat, die zweite ging unter Rubruck und Bartholomäus von Cremona ab.
Wilhelm von Rubruck (Ruysbruck, Rubruquis), gebürtig aus dem Dorfe Rubruck im Departement du Nord in Nordfrankreich, erhielt die Leitung und empfing die königlichen Briefe zu St. Jean d’Acre. Zunächst sollte er den tatarischen Fürsten Sartasch, der mit seiner Horde diesseits der Wolga lagerte, aufsuchen. In Palästina ging damals die Rede, Sartasch sei Christ. Ludwig der Heilige sprach in seinem Briefe den Wunsch aus, die Lehre Christi weiter in Asien verbreitet zu sehen. Rubruck schiffte sich im Frühling 1253 in St. Jean d’Acre ein nach Konstantinopel, segelte über das schwarze Meer und landete im Hafen Soldaia (jetzt Sudak) an der Südküste der Krim, südwestlich[S. 46] von Kaffa. Das war der gewöhnliche Ausgangspunkt abendländischer Kaufleute, welche mit den unter mongolischer Herrschaft stehenden Ländern verkehrten. Hier bot sich darum die beste Gelegenheit, die geeigneten Vorbereitungen zu einer längeren Steppenreise zu treffen. Auf Anrathen der Kaufleute kaufte sich Rubruck hier vier von Ochsen gezogene, gedeckte Reisewagen für sein Gepäck, für Vorräthe und Geschenke. Auf diese Weise, hieß es, sei er der Mühe überhoben, die Lastthiere alle Morgen beladen und alle Abend entlasten zu müssen. Allerdings erforderte auf diese Art die Reise die doppelte Zeit, um nach Sartasch zu kommen, nämlich zwei Monate statt eines.
Am 1. Juni brach die Karawane auf, die Reisenden selbst mit ihren Dienern zu Pferde, unter den letzteren ein Turkomane als Dolmetscher.
Eine Wahrnehmung, welche Rubruck noch an der Südküste der Krim machte, hat ethnologisches Interesse. Damals lebten an jenem malerischen Strande noch Gothen, welche auch ihre Sprache noch beibehalten hatten. Rubruck selbst, von der Grenze germanischer Zunge stammend, hat sicher ganz recht gehört, wenn er die Sprache jener Gothen teutonisch nennt. Der germanische Laut scheint erst im 18. Jahrhundert dort gänzlich verstummt zu sein. Ueber das wald- und wasserreiche Gebirge und eine weite Steppe kamen die Sendboten des heiligen Ludwig in 5 Tagen zur Landenge von Perekop. In der Steppe erschienen die ersten Tataren. Ihre Lebensweise, die Einrichtung der Zelte, die Theilung der Arbeit zwischen Männern und Frauen werden genau beschrieben. Wir lernen als Lieblingsgetränk der Nomaden den Reisbranntwein und Cosmos (Kumis) kennen. Trachten, Sitten und Gebräuche werden eingehend geschildert und geben ein gelungenes ethnologisches Gemälde. Die Fahrt ging weiter ums asowsche Meer herum über ein tafelgleiches Land, ohne Wald, ohne Berg, aber dicht begrünt. Der Don gilt unserm Gewährsmann noch als die Grenze zwischen Asien und Europa. Der Strom war an der Fähre etwa so breit, wie die Seine bei Paris. Von hier bis zur Wolga rechnete man 10 starke Tagereisen. Am letzten Juli langten sie in der Residenz des Sartasch an. Weiter nach Norden war das Land waldreich und von Flüssen durchzogen. Dort wohnte in Holzhäusern das Volk der Moxel oder Maxel und noch weiter nordwärts die Merdas (Mordwinen).
Das Lager des Sartasch lag damals nach drei Tagereisen diesseit der Wolga. Hier hörte Rubruck schon die Sage vom Priesterkönig Johannes, den er in der Gestalt des Bruders des Unkchan der Naimanhorde zu erkennen glaubt. Von Sartasch zogen sie weiter zur Wolga; dieselbe erschien 4mal so breit als die Seine bei Paris. Rubruck erfuhr, daß der Strom sich nicht in den Ocean, sondern in das Meer von Sirsan (Dschorschan) d. i. das kaspische Meer ergieße. Unter letzterem Namen, fügt Rubruck hinzu, kennt es Isidor von Sevilla. Isidor galt also im 13. Jahrhundert noch als geographische Autorität.
Es ist für die Geschichte der Erdkunde von Bedeutung, daß Rubruck[S. 47] mit großer Sicherheit einen Irrthum Isidors berichtet, wonach das kaspische Meer ein Meerbusen des nördlichen Eismeers sein solle, ein Irrthum, dem bekanntlich im Alterthum alle Geographen zwischen Aristoteles und Ptolemäus, also auch Strabo, verfallen waren. „Bruder Andreas hat zwei Seiten dieses Meeres umzogen, im Osten und Süden, und ich habe die beiden andern Ufer umwandert,“ setzt Rubruck hinzu, um seine Ansicht zu erhärten. Auch gibt er getreu die umwohnenden Völker an, erwähnt, daß man im O., S. und W. Gebirge finde, nur im Norden nicht; und trotzdem konnte der alte Wahn von der Meerbusengestalt dieses Sees sich noch bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts wieder beleben.
Der Hof und das Lager Batuchans machte auf die Reisenden den Eindruck einer großen Stadt, da sich die Zelte der Tataren einige Meilen weit hinzogen. Bei der Audienz, die ihnen Batu gewährte, verlangten die Hofleute, die Mönche sollten, wie es alle Gesandten zu thun pflegten, die Knie beugen. Trotzdem traten sie aufrechten Ganges ein und sangen das Miserere. Als man ihnen aber alles Ernstes bedeutete, sie hätten niederzuknien, folgten sie zwar dem Gebote, um weiter keine Schwierigkeiten zu bereiten, brauchten aber die List, statt mit einer Anrede an Batu mit einem Gebete zu beginnen, so daß sie sich einreden durften, sie hätten sich vor Gott, aber nicht vor Menschen gebeugt. Danach hieß der Mongole sie aufstehen, fragte nach dem Zwecke ihrer Reise und ließ ihnen zum Zeichen seiner besonderen Gunst Milch zu trinken reichen. Dann erhielten sie die Erlaubniß mitzuziehen, denn Batu brach sein Lager bald ab und zog nomadisirend 5 Wochen an der Wolga hin. Erst am 16. September erfolgte ihr neuer Aufbruch nach Osten. Ihre Priesterornate ließen sie zurück und kleideten sich für die winterliche Reise in die landesübliche Pelztracht. Auch die Wagen blieben zurück und die Weiterreise wurde zu Pferde gemacht. Nach zwölf Tagen kamen sie von der Wolga an den Fluß Jagat (Jaik, i. e. Ural), welcher im Norden, im Lande der Pascatir (Baschkiren) entspringt. Dieses Volk redete die nämliche Sprache wie die Ungarn. Diese und andere Mittheilungen erhielt Rubruck von Predigermönchen, die bis zu diesem Hirtenvolke vorgedrungen waren. Täglich wurde nun eine Strecke zurückgelegt, wie zwischen Paris und Orleans, zuweilen auch noch mehr; denn sie erhielten gute Pferde und wechselten dieselben wohl auch, wenn sie ein Lager trafen, zwei bis drei Mal. Dafür mußte der officielle Begleiter sorgen, den ihnen Batu mitgegeben hatte; für Rubruck suchte man stets das stärkste Reitthier aus, weil er sehr schwer und wohlbeleibt war. „Was wir da an Hunger und Durst, Kälte und Erschöpfung gelitten haben,“ ruft er aus, „läßt sich nicht beschreiben. Nur des Abends gab es eine ordentliche Mahlzeit, am Morgen dagegen nur Hirse und Milch.“ Und trotz alledem fasteten die beiden Geistlichen noch alle Freitage bis zur Nacht.
Die Natur des Landes blieb sich lange Zeit gleich, immer derselbe Steppenboden, nur hie und da an den Flußrändern von kleinen Gehölzen unterbrochen.
Am Tage vor Allerheiligen schlug man eine südliche Richtung und ritt 8 Tage durch hohe Gebirge. Der Winter hatte schon seit Michaelis seinen Einzug gehalten, und sie reisten immer nur über Eis.
Aus den allgemein gehaltenen Angaben der Reiseroute dürfen wir schließen, daß der Weg durch die Kirghisensteppe nach Südosten führte und daß man vom östlichen Ufer des Sir Darja, den man nicht zu Gesicht bekam, den Karatau überstieg und in das Thal des Talas gelangte. Hier lag in der gut bewässerten und gartenähnlich angebauten Ebene damals der mohammedanische Ort Kenschak, wo sie nach Landessitte von dem Haupte der Stadt als Abgesandte Batus empfangen wurden. Nach der Stadt Talas selbst kamen sie nicht, dieselbe lag weiter südlich und sollte, nach eingezogenen Erkundigungen, noch aus Deutschland fortgeschleppte Gefangene bergen.
Jenseits Talas begann das Reich Mangkukaans. Nachdem noch ein Gebirge überstiegen war, kamen sie wieder in eine große Thalebene; über den Tschu mußten sie in Böten übersetzen und betraten darauf die von persisch redenden Mohammedanern (also von Tädschick) bewohnte Stadt Equius, welche dem heutigen Tokmak gegenüber gelegen haben wird. Dann wurden die Ausläufer der südlichen Hochgebirge, die Mainakkette, traversirt und es folgte das dritte Thalbecken, das des Ili-Flusses. Die von vielen Bächen durchzogene Ebene war im Norden von einem großen See (dem Balchaschsee) begrenzt. Hier in dieser fruchtbaren Ebene erhoben sich einst zahlreiche Ortschaften, aber sie waren durch die Mongolen größtentheils zerstört, welche die Triften nur als Weidegrund benutzten. In Cailac (Kayalik der mongolischen Schriftsteller, wahrscheinlich nahe bei Kopal, am Fuße des Dsungarischen Alatau) war den Reisenden endlich eine Rast von 12 Tagen gegönnt. Am St. Andreastage, 30. Nov., brachen sie wieder auf, wurden am Alakul von einem jener furchtbaren Winterstürme, welche über die Steppen fegen, überfallen, zogen wahrscheinlich über das Tarbagataigebirge weiter ins Thal des obern Irtysch und von da am Dsabgan aufwärts. Der Weg wurde öder, mühsamer, die Gegend steril, das Futter für die Thiere seltener. Die einzige Bevölkerung der mongolischen Hochebene bestand hier aus den an der großen Weglinie stationirten Leuten, welche für die Weiterbeförderung der Gesandten und fürstlichen Boten zu sorgen hatten. Am 26. December trafen sie in einer meergleichen Ebene auf das Lager Mangkukaans, am 4. Januar 1255 hatten sie die erste Audienz beim Großfürsten. Auch hier wieder begegneten sie noch einzelnen Europäern, die von der großen mongolischen Flut bis in diese entfernten Lande verschlagen waren: so einer aus Metz gebürtigen Frau, die aus Ungarn geraubt, sich hier mit einem russischen Handwerker verheiratet hatte, und einen geschickten Goldschmied, Wilhelm Buchier aus Paris.
Am Sonntag vor Himmelfahrt kamen sie mit der Wanderhorde zur Residenz Karakorum. Dieselbe machte, mit Ausnahme des Palastes, nur einen unbedeutenden Eindruck; Ort und Kloster St. Denis bei Paris erschien[S. 49] im Vergleich mit Karakorum, weitaus bedeutender. Doch gab es 12 Götzentempel, 2 Moscheen und eine Kirche, ein Zeichen der religiösen Indifferenz der Mongolen. Tataren, Sarazenen und Chinesen waren in der von einem Erdwall umgebenen Stadt ansässig.
Facsimile der drei ersten Zeilen des uigurisch geschriebenen Briefes von Argunchan an Philipp den Schönen; 1289. (Im Archive von Paris.)
(Die schraffirten Zeichen des chinesischen Siegels sind im Original von rother Farbe.)
Mangku übergab den Priestern ein Antwortschreiben an den König von Frankreich. Er bezeichnete sich darin als den Herrn der Erde an Gottes Statt und forderte die Franzosen auf, ihm zu huldigen, wenn sie vor ihm in Frieden leben wollten.
Bartholomäus von Cremona mußte dort bleiben, es gab ja auch in Karakorum eine kleine christliche Gemeinde und die Franziskaner hatten Gelegenheit[S. 50] gehabt, sechs Seelen zu taufen, darunter befanden sich drei Kinder eines armen Deutschen.
Im Sommer 1255 kehrte Rubruck mit dem Dolmetscher allein zurück. Sie schlugen diesmal einen etwas nördlicheren Weg ein, so daß der Balchaschsee ihnen zur rechten Hand blieb, berührten nicht eine einzige Stadt und vollendeten die Reise bis zu Batuchan in zwei Monaten und sechs Tagen. Einen ganzen Monat zogen sie dann mit der Wanderhorde Batus umher, ehe sie einen Führer erhielten, und konnten erst 14 Tage vor Allerheiligen, also in der Mitte des October nach Sarai aufbrechen. Zu Schiffe setzten sie dort über die Wolga und wandten sich dann nach Süden um das westliche Ufer des kaspischen Sees herum nach dem Gebirge der Alanen, d. h. nach dem Kaukasus. Durch das eiserne Thor von Derbend, das Hochgebirge zur Rechten lassend, kam Rubruck über Schemacha in die Mogansteppe, überschritt den Kur am Einflusse des Aras und zog an diesem Strome aufwärts nach Naxua (Nachitschewan) und am Ararat vorbei nach Etschmiadzin. Der durch die Sündflutsage ehrwürdige Berg mit seinem Doppelgipfel hat von jeher auf die christlichen Reisenden einen gewaltigen Eindruck gemacht. Auch Rubruck weiß den Legendenkranz um ein Blatt zu vermehren. Viele Reisende haben den Berg zu ersteigen gesucht, aber stets vergebens. Nun hatte auch ein Mönch in dem nahen Kloster ein heftiges Verlangen, den Gipfel zu erreichen, um womöglich die Arche Noah zu entdecken, welche nach dem allgemeinen Glauben noch auf der Höhe des Gebirges liegen sollte. Da aber ein menschlicher Fuß diese weihevolle Stätte nicht betreten durfte, so habe ein Engel dem frommen Mönche ein Stück von dem Holze der Arche herabgebracht. Dieses Holz sah Rubruck als besonders werthvolle Reliquie im Kloster aufbewahrt. Bekanntlich wird dasselbe gegenwärtig noch gezeigt.
Von Etschmiadzin ging die Wanderung weiter über Ani, die alte, 1319 durch ein Erdbeben zerstörte armenische Königsstadt am Arpatschai, einem Nebenflusse des Aras, und über Ersirum am Euphratthale hinab nach Ersingan und Kamach, einer von der Natur gebildeten Felsenburg, nach Sebaste (Siwas), Cäsarea (Kaisarie) und Iconium. Hier traf Rubruck einen genuesischen Kaufmann, in dessen Begleitung er nach Süden zur Küste wanderte und im kleinen Hafenorte Kurch, dem westlichsten Orte des Königreichs Armenien, das mittelländische Meer erreichte. Ueber Cypern, Antiochia und Tripolis vollendete Rubruck seine mühevolle mehrjährige Reise nach dem Kloster in Akkon, wo er um Pfingsten 1256 anlangte.
Vergleicht man die Reiselinie Rubrucks mit derjenigen Piano’s, so scheint der Gewinn für die Erdkunde nicht sehr wesentlich; allein wir müssen die Erkundigungen und Beobachtungen mit berücksichtigen, wenn wir dem Verdienst Rubrucks vollständig gerecht werden wollen. Zunächst die Erscheinungen der physischen Geographie. Von dem Augenblicke an, wo er den Uralfluß überschritten hatte, traf er auf keinen Fluß mehr, welcher, wie[S. 51] Don, Wolga, Ural die südliche Richtung einschlug. Seitdem der Karatau überstiegen war, folgten die Flußläufe in ununterbrochener Folge der Richtung nach Nordwest: Talas, Tschu, Ili, Irtysch u. s. w. bis nach Karakorum. Der Weg führte über eine Reihe von Gebirgsketten und dann wieder eine Zeitlang an den Flüssen aufwärts: aus alledem schloß Rubruck mit Recht, daß Asien nach Osten, oder genauer nach Südosten, sich zu einem mächtigen Hochlande erhebe. Es ist dies im Mittelalter die erste Andeutung der Erkenntniß des innerasiatischen Plateaus. Im Gegensatz zu den furchtbaren Schneestürmen in der niedrigen turanischen Steppe, verlief auf dem Hochlande von Karakorum der Winter ohne Stürme, aber der Frost, mit wenig Schnee, dauerte bis in den Mai.
Durch sorgfältige Erkundigungen war Rubruck ferner in den Stand gesetzt, die Länder- und Völkergruppirungen in einem großen Theile Asiens in allgemeinen Zügen anzugeben. Nordwärts drang sein forschender Blick im europäischen Tieflande bis zu den Wohnsitzen der Russen, Wolgabulgaren und Baschkiren und weiter östlich in Sibirien bis zu den Kirghisen, die damals zwischen der oberen Tunguska und dem Jenisseï saßen. Er weiß von den polaren Völkern, daß sie mit Hundeschlitten und Schneeschuhen fahren, daß wegen der Kälte die mächtigen Schneemassen nicht mehr schmelzen; aber das Ende des Polarlandes im Norden, die Begrenzung Nordasiens durch ein Eismeer kennt er nicht. Dagegen gibt er mit Bestimmtheit an, daß Cathai gegen Osten an das Weltmeer reicht. Die Wohnsitze der Caule (Kaoli, Korea) und Manse (Mantschu) hält er aber noch für Inseln. Er spricht die Vermuthung aus, daß die Serer des Alterthums identisch seien mit den Cathaiern und charakterisirt ihre mit einem Pinsel gemalte Schrift unter allen Reisenden jener Zeit am treffendsten, wenn er sagt, ein einziges Schriftzeichen begreife mehrere Buchstaben in sich und drücke ein ganzes Wort aus, bei der Aussprache habe das Chinesische einen näselnden Ton. Auch die Schreibweise der Tibetaner, Tanguten, Uiguren faßt er in ihrem Unterschiede von der abendländischen Schrift richtig auf. Ueber den Glauben, die Sitten und Gebräuche dieser Völker fließen seine Beobachtungen mit ein, wie er auch der Zucht der Yakochsen ausführlich gedenkt; unverkennbar tritt das Bestreben hervor, die Fülle neuer Eindrücke ruhig zu prüfen und mit den Nachrichten der alten Schriftsteller zu vergleichen, beziehentlich dieselben zu verbessern.
Einen noch größeren Erfolg als die Glaubensboten erzielten die Kaufleute in der Aufschließung des fernsten Orients. Daß hierbei vorherrschend Italiener thätig waren, erklärt sich aus der Entwickelung des Handels am Mittelmeer. Als nach dem Falle des weströmischen Reiches der Seeverkehr eine Zeit lang ganz darniedergelegen, traten die ersten Regungen in Beziehungen mit Byzanz unter dem Gothen Theodorich wieder hervor, der in der Hauptstadt[S. 52] des oströmischen Reiches erzogen war und die byzantinische Pracht und Kunst liebte. So entstanden von seiner Hauptstadt Ravenna aus die ersten Handelsverbindungen mit dem Osten, die aber in den Gothenkriegen unter den Nachfolgern Theodorichs wieder erstarben. Neue Keime bildeten sich bei dem völligen Zerfall einer einheitlichen Macht in Italien erst seit dem neunten Jahrhundert in einigen freien Städten und zwar zunächst in Amalfi am Golf von Salerno. Die Amalfitaner verfügten über eine ziemlich beträchtliche Flotte, besuchten Aegypten und Palästina, ja sie besaßen sogar ihre eignen Quartiere in Konstantinopel. Ihre Seegesetze (Tabula Amalphitana) erwarben sich allgemeine Geltung bei allen Schiffahrt treibenden Städten am Mittelmeer. Aber die Blüte Amalfis währte nur kurze Zeit; unfähig, auf den steilen Felsstufen sich auszudehnen und zu erstarken in Volkszahl, erlag die Stadt der mächtigen Rivalin Pisa. Pisa, Genua, Venedig rangen um die Wette, gewannen durch die Kreuzzüge einen ungeahnten Aufschwung und konnten sich so zuerst in den Ländern der Levante festsetzen. Im 12. Jahrhundert legten die Venetianer in den Häfen Syriens Factoreien an. Aber die Verbindung mit Indien, die bisher ihren natürlichen Weg übers rothe Meer und Aegypten gefunden hatte, erlitt seit der Eroberung des Nillandes durch Saladin um 1171 einen plötzlichen Abbruch. Die abendländischen Kaufleute suchten in Folge dessen einen andern Weg ins Morgenland, sie steuerten über das schwarze Meer zum Don, wo der Hafenplatz Tana aufblühte und reisten von hier zu Land nach Astrachan und durch die Steppen nach Inner-Asien. Auch der Hafenplatz Sudak in der Krim (Soldaja, Saldachia, Sugdaia, Sodaja) blühte auf mit seiner fast ausschließlich christlichen Bevölkerung. Ibn Baluta bezeichnete diesen Hafen als einen der schönsten der Welt. Griechische und italienische Handelsfamilien waren hier ansässig.
Ein anderer Weg nach dem Orient nahm seinen Anfang an der nordsyrischen Küste, in der Nachbarschaft des christlichen Königreiches von Kleinarmenien, welches den Abendländern sich stets gastfreundlich erwies. Vom Mittelmeer her landeten die Reisenden in Lajazzo (Layas), einem vortrefflichen Hafen, der neben den Trümmern des alten Aegae sich erhob und auf der Seeseite durch zwei Citadellen gedeckt war.
Als durch den lateinischen Kreuzzug 1204 Byzanz in die Gewalt der Venetianer fiel, wußten diese den Handelsweg über das schwarze Meer zu monopolisiren und schlossen die Nebenbuhlerin Genua vom Markte aus. Aber diese Handelspolitik rächte sich, als 1261 die Genuesen dem Paläologen Michael III. wieder den Thron in Byzanz verschafften und zum Dank dafür die Vorstädte Pera und Galata erhielten, welche sich zu genuesischen Städten umgestalteten. Nun besaßen sie den Schlüssel zum schwarzen Meere und verdrängten die Venetianer, welche wieder auf den südlichen Weg über Lajazzo angewiesen waren.
Dieser Herrschaftswechsel spricht sich auch in den verschiedenen Handelswegen[S. 53] aus, welche die venetianischen Kaufleute, die Gebrüder Poli einschlugen, um nach dem Innern Asiens zu gelangen. Die Poli gehörten zu den Patriziern, denn in Venedig nahm auch die Aristokratie an den Handelsunternehmungen Theil.
Marco der ältere scheint eine Zeit lang in Konstantinopel etablirt gewesen zu sein und ein Haus in Soldaia besessen zu haben. Seine Brüder Nicolo und Maffeo unternahmen ihre erste Reise nach Konstantinopel im Jahre 1260, kauften hier byzantinisches Geschmeide ein, welches unter den Mongolen sehr geschätzt war und tauschten außerdem ihre venetianischen Waaren gegen Edelsteine um. Ihre Absicht war, zunächst den Fürsten von Kiptschack zu besuchen.
Damals regierte von 1257–1265 Barka (Berke, Berekeh), ein Enkel des Tschingiskaan, welcher theils in Sarai, theils in Bolgar residirte. Die nördliche Residenz lag bei dem jetzigen Dorfe Bolgari, südlich von Kasan an der Wolga; die südliche, Sarai, war von Batu, dem Bruder Barkas, an einem Arme der unteren Wolga, östlich von Zaritzyn gegründet, und wurde schon 1395 von Timur wieder zerstört.
Marco Polo.
Nach einem Gemälde in der Galerie Badia zu Rom mit der Unterschrift: MARCUS POLUS VENETUS TOTIUS ORBIS ET INDIE PEREGRATOR PRIMUS.
Als sie Bolgar verlassen wollten, brach ein Krieg zwischen Barka und seinem Vetter Hulagu (Hulaku, Alau) von Persien aus. Dadurch wurde ihnen der Rückweg abgeschnitten, sie kamen an der Wolga abwärts nur bis Ucaca, südlich von Saratov, gingen hier über den Strom und nach Südosten durch die Steppen, setzten über den Uralfluß (bei Polo Tigris genannt) und gelangten wahrscheinlich über Urgendsch (Chiva) nach Bochara. Hier hielten sie sich des Handels wegen drei Jahre auf, machten sich mit den Sitten der[S. 54] Tataren bekannt, erlernten deren Sprache und beschlossen dann, mit einer tatarischen Gesandtschaft, welche von Persien nach China ging und sie zur Begleitung einlud, zum Mongolen-Kaan Kublai zu reisen. Der Großfürst nahm sie freundlich auf und gab ihnen dann bei der Heimkehr einen Gesandten an den Pabst mit, um sich für den Orient wissenschaftliche Lehrer der sieben freien Künste zu erbitten. Aber der kaiserliche Gesandte blieb auf der Reise krank zurück und die Gebrüder Poli kehrten 1269 allein in die Heimat und das Gestade des Mittelmeeres zurück, das sie bei Lajazzo erreichten. In Ptolemais (Acre) erfuhren sie, daß der Pabst Clemens IV. gestorben sei. Sie richteten ihren Auftrag daher zunächst an den päbstlichen Legaten Theobald (Tebaldo) von Piacenza aus.
Die Vacanz in Rom dauerte über zwei Jahre; inzwischen gingen die Poli nach Venedig und rüsteten sich dann zur zweiten Reise nach Asien, auf welcher sie der Sohn Nicolos, Marco Polo, welcher 1254 geboren war, begleiten sollte. Da die Pabstwahl sich immer noch verzögerte, so schien es, als sollten sie ohne päbstliches Antwortschreiben ihre Wanderung antreten. Weil seit 1261 die Handelslinie über das schwarze Meer, welche sie auf der ersten Reise eingeschlagen, gesperrt war, kehrten sie zunächst nach Palästina zurück, und nahmen für den Kaan Oel aus der heiligen Lampe am heiligen Grabe in Jerusalem mit und fuhren von da nach Lajazzo. Hier erfuhren sie, daß der Legat Theobald am 1. September 1271 als Gregor X. zum Pabste erwählt worden sei. Derselbe rief sie nach Acre zurück, übergab ihnen Briefe an den mongolischen Großfürsten und entsendete zwei Dominikaner, Nicolaus von Vicenza und Wilhelm von Tripolis (in Syrien) nach dem Wunsche Kublais. Da aber in Folge eines Krieges, welcher zwischen dem Könige von Armenien und dem Sultan von Babylon ausbrach, der Weg unsicher gemacht war, so blieben die beiden Predigermönche bereits in Armenien zurück. So zogen die Poli wiederum allein. Ihren Ausgang nahmen sie von Lajazzo, von wo sie im November 1271 ins Innere aufbrachen. Den Bericht über diese zweite große Reise, welche 24 Jahre währte, verdanken wir dem jüngeren, Marco Polo, welcher sich dadurch um die Erweiterung der geographischen Erkenntnisse des Orients unsterbliches Verdienst erworben und den Ruf des berühmtesten abendländischen Landreisenden im Mittelalter gewann.
Die Feststellung des Reiseweges, den er mit Vater und Oheim und in China zu Zeiten allein eingeschlagen, wird in mancher Beziehung erschwert, theils in Folge zu allgemein gehaltener Angaben, theils weil sich die vielfach verstümmelten Ortsnamen nur schwer identificiren lassen. Doch ist gegenwärtig durch die vorzüglichen Arbeiten Pauthier’s[23] und Yule’s[24] über Marco Polo und die durch von Richthofen in Bezug auf China gegebene Ergänzung die Möglichkeit geboten, in den wesentlichen Momenten dem großen Reisenden folgen zu können.
Von Lajazzo am issischen Golf ging die Route zunächst durch Klein-Armenien und Kleinasien wahrscheinlich über Kaisarie, Siwas, Arzingan und Musch, also denselben Weg, den Rubruck auf seiner Rückreise von Karakorum aus eingeschlagen hatte. Weiterhin erwähnt Polo den hohen mit ewigem Schnee bedeckten Berg, auf dem die unnahbare Arche Noahs ruhte; dann wandten sich die Reisenden südwärts nach Mardin und durch das Gebirge der räuberischen Kurden nach Mossul und Baudas (Bagdad). Den Fluß hinunter erreichte man in 18 Tagen Basra, von wo die Seefahrt begann, welche sie an Kisch (Kisi) vorüber nach Ormuz brachte. Die Insel und Hafenstadt Kisch (jetzt Ghes genannt) war lange Zeit ein Haupthandelsemporium, sie war gut bewaldet und mit frischem Wasser versehen. Polo scheint die Stadt nicht besucht zu haben, denn seine Angaben darüber klingen sehr dunkel. Die Ruinen der längst untergegangenen Stadt liegen an der Nordseite der Insel.
Hier beginnen die Schwierigkeiten, den Weg Polos zu fixiren, sich zu mehren. Marco Polo beschreibt uns nämlich den Abstieg vom Hochlande des inneren Iran zur Küste von Ormuz, während wir einen Aufstieg erwarten. Wir können nur annehmen, daß Polo uns einen zweiten Besuch des Hafens während der Heimkehr erzählt. Die Stadt lag damals noch auf dem festen Lande, wurde aber um 1300 durch feindliche Ueberfälle gezwungen, sich auf die Insel zurückzuziehen, wo dieses Emporium eine zweite Blüte erlebte. Die Ruinen von Alt-Ormuz liegen im District von Minao, wo auch Spuren eines langen Hafendammes gefunden sind. Die Landschaft selbst hieß Hormuzdia, woraus unser Reisender Formosa machte. Um eine Probe der Erzählungsweise Polos zu geben, schalte ich hier seine Wanderung nach Ormuz ein, welche ich, um ihr die alterthümliche Färbung zu bewahren, aus einer der ersten deutschen Uebersetzungen entlehne.[25]
„Von dem lustigen veld vnd von der statt Cormos.“
„Die eben do von yetzt gesagt ist, herstreckt sich jnn die funff tagreisen, vnd do sie ein end hat, do hebt der weg an vnder sich zu gohn, vnnd mus man bis jnn die zwentzig meilen stetzs vndersich gohn. Das ist ein vast böser weg, vnd vmb der rauber willen vnsicher. Zu letst kompt man zu eim vberaus hupschen veldt, das ist zwo tagreisen lang, vnd heisset das orth die schöne.“[26] „Jnn disem land seind vil wasser bäch, vnd palmen beum. Es seind auch mangerley vögel mit hauffen do, zuvor papageyen, die disseit des Meeres nicht funden werden. Von dannen kompt man zu dem meer Crean (verdruckt statt Ocean), do ligt am gestaden die statt Cormos, die hat ein guten port, do viel Kaufleut zusammen kommen, die bringen aus India specerey, berlin, edelgestein, gewant von seiden vnd gulden stucken, zeen von helffanten, sambt[S. 56] andern köstlichem ding. Dis ist ein königliche stadt, vnd hatt viel stett vnd schlösser vnder jr. Die landtschafft aber an jr selbs ist heis vnnd schwach. So ein frembder kauffman do stirbt, so nimbt der König als sein gut. Jnn disem landt macht man wein aus dateln vn̄ vō andern köstlichen specereiē, die sein aber nit gwont sind vn̄ erst anhebē zu trincken, den bewegt er dē bauchflus, aber die sein gewont sind, die werden seer feyst douō. Die jnwoner dises lands essen kein weitzen brot, auch kein fleisch, sunder datteln, ziblen vn̄ gesaltzen fisch. Sie haben schiff die sind nit vast sicher, dan̄ sie hefftens nit mit eisen neglen, sunder mit hültzen neglen vnd fedemen, die sind aus rinden gemacht der yndischen nus, die rinde bereit man wie leder, daraus schnidt man darnach fedem, vn̄ aus den fedemen macht man starke seyl, die den gewalt des wassers dulden mögen. Jedes schiff hat nit mehr dann einen mast, ein segel, ein leytruder, vnd ein Decke.“
„Man schmiert sie auch nit mit Bech, sunder mit vischschmalz. So sie dan̄ jnn Jndiam farend vnnd pferd oder andere war mit jnen füren, so verlieren sie vil schiff, dan̄ das selb meer ist vast vngestüm, vnd sind die schiff nit mit eisen verwart. Die jnwoner dieses lands sind schwartz, vn̄ Machumets gsatz vnderworffen. Jm sommer so es vast heis wurt, so wonē sie nit in den stetten, sunder jn wol gewesserten gärten auswendig der stett, do leyten sie das wasser mit düncheln hin und her, doselbst wonen sie, vnd empfliehē der hitz ein wenig. Es geschieht auch etwan, das ein heisser brenner windt von einer wüsteney kompt, do nichts dann sandt ist, der wehet so stark, das so die leut nicht balde flühen, so hersteckte er sie alle mit der hitz.“
„So bald sie prüfen, dz sich derselb wind erhebt so fliehen sie eilend zum wasser, darin erhalten sie sich, bis der windt vberget, also entwichen sie dem brunst den der sand bringt. Sie seehen jnn disem land jm Wintermonat, vn̄ jm Mertzen ernden sie, dan̄ sind auch andere frücht zeittig abzulesen, dan̄ nach dem Mertzen verdorren alle beum am laub vnd gras, vnd findt man den gantzen summer kein grien blat, es sey dan̄ an den wassern. Es ist ein gewonheit jnn disem land, wan̄ ein hausvater stirbt, so beweint jn sein weib vier jar lang allen tag zu eyner bestimbten zeit. Es samlen sich auch des abgestorbenen, gesipte frund jnn sein haus, sambt allen seinen nachbauren, die heulen vnd weynen, vnd machen bittere klagen do.“
Das innere Persien war den Abendländern erst seit der Mongoleninvasion geöffnet. Polo hat es auf dem Hin- und Herwege durchkreuzt. Von Ormuz reitet man 17 Tage über das Gebirge nach Kerman. Der Weg, den die Reisenden machten, entspricht so ziemlich der Route des englischen Major Smith 1866. Von Kerman aus mußte man in nördlicher Richtung die Wüste Lut durchschneiden, in welcher man nur bitteres und salziges Wasser findet. Die von Polo weiterhin genannte Stadt Cobinan dürfte wohl mit der Landschaft Kuh-banan identisch sein. An den nordpersischen Gebirgen[S. 57] wandte er sich ostwärts nach Balch. Hier war damals die Ostgrenze des persischen Reichs.
Diese Stadt war von den Mongolen zerstört, welche auch noch andere volkreiche Plätze im Gebiet des obern Oxus von der Erde vertilgt hatten. In Kunduz, der weiter östlich gelegenen Landschaft, betreten wir die Stufenländer des gewaltigsten aller Hochländer auf der Erde. Es werden noch die Orte Taican (d. h. Talikhan) und Casem (d. i. Kischm, jetzt südlich von der gewöhnlichen Karawanenroute) genannt, und wir gelangen weiter in das Hochgebirgsgebiet von Badachschan. Diese Landschaft lehnt sich im Süden an die Schneekette des Hindukusch, im Osten an den Steilrand der Pamir, der grasigen Hochthäler an den Quellenbächen des Oxus. Die Straße, welche Polo zog, um nach den tiefgelegenen Städten Yarkend und Kaschgar zu gelangen, ist in neuerer Zeit, was den westlichen Theil betrifft, zuerst von dem englischen Reisenden Wood 1838 wieder betreten, während die östlichen Hochpässe über die Pamirsteppen von einem Theil der von Indien nach Kaschgar beorderten englischen Mission unter Douglas Forsyth 1873 zum ersten Male in neuerer Zeit überschritten sind. Die Landschaft Badachschan war ehedem berühmt durch ihren Reichthum an Edelsteinen, namentlich Rubinen. Die Hauptfundgruben liegen am Panjah- oder Hamunflusse (d. i. Amu) in dem früher blühenden und volkreichen Districte von Gharan. Jetzt ist das Thal mit Dorfruinen besäet. Die 16 englische Meilen nördlich von dem kleinen Dorfe Barschar gelegenen Rubingruben, welche eine Quelle des Reichthums für die Herrscher von Badachschan abgaben, sind nahezu erschöpft. Im Jahre 1873 waren nur noch 30 Arbeiter dort beschäftigt. Im Süden Badachschans, am Fuß des Hindukusch, war die Fundstätte eines andern hochgeschätzten Steines, des Lasursteines oder Lapis Lazuli, welcher im Abendlande nach der Landschaft Badachschan oder Balakschan benannt wurde; Marco Polo schreibt Balaciam. Albertus Magnus kennt den Stein unter dem Namen Balagius, Dante als Balascio. Wood hat diese Fundstätten besucht. Polo rühmt hier zu Lande auch die berühmte Pferdezucht, welche noch gegenwärtig in Blüte steht. In der reinen Luft der Hochgebirgsthäler genas unser Reisender auch von dem Fieber, das er sich in Persien zugezogen und das ihn Jahre lang gepeinigt hatte. Die Schönheit der landschaftlichen Scenerien wird von ihm gepriesen. Von Faizabad zog Polo wahrscheinlich über den Aghirdapaß und durch die Schlucht, welche sich bei Barschar in der Nähe der Rubingruben öffnet, hinab ins Panjahthal und gelangte so ins Gebiet von Wakhan (Vocan), von wo der mühsame Uebergang über die Weidethäler der großen oder der kleinen Pamir erfolgte. Der District von Wakhan erstreckt sich von Westen nach Osten und besteht aus rauhen Hochthälern, welche beständig von heftigen und kalten Winden heimgesucht sind. Capitän Trotter, ein Mitglied der Gesandtschaft des erwähnten Sir Douglas Forsyth, hat denselben Weg, wie Polo, gemacht und ausführlich geschildert (Journal R. Ggr. Soc. Vol. XLVIII, 1878). Das am höchsten gelegene Dorf im Wakhan, Sarhadd, hat eine Seehöhe[S. 58] von 3350 Meter. Weiter aufwärts macht man im Winter die Reise auf dem gefrorenen Spiegel des Bergstroms und führt sie mit geringeren Schwierigkeiten aus, als im Hochsommer, weil dann bei der Schneeschmelze und der Hochfluth der Pfad im Thale vielfach versperrt ist. Dann geht es in beständiger Folge von steilen Auf- und Abstiegen am Gehänge hin; an einer Stelle muß man, wo der Weg abbricht, an einer Steilwand in kürzester Frist 1000 Fuß hinanklimmen. Das von den kirghisischen Hirten jetzt fast ganz verlassene Thal der kleinen Pamir liegt 4000 Meter hoch. Ein kalter Wind bläst so heftig durch das Thal, daß man kaum die Augen öffnen kann. Die verschneiten Paßhöhen, welche die Grenze zwischen Ost- und West-Turkestan bilden und zugleich die Wasserscheide zwischen den westlichen Abflüssen des Oxus und den östlichen des Tarim bezeichnen, liegen über 4500 Meter hoch. Dann beginnt die Wanderung über das eigentliche Plateau der Pamir, „des Daches der Welt“. Die kühnen, schroffen, himmelanstrebenden Bergformen verschwinden und flachwellige Thäler in einer Höhenlage von über 3000 Meter treten an die Stelle, bewohnt von Kirghisen und belebt von ihren Herden. Ueber dem breiten Thale ragt das altberühmte Taschkurghan („Steinschloß“) empor, der Sitz des Districtgouverneurs. Das Schloß ist uralt, und soll von Afrasiab, einem Könige von Turan, gebaut sein. Eine Zeit lang bestand hier eine blühende Tädschik-Colonie unter einem erblichen Herrscher, der an China Tribut zahlte. Von hier geht der Weg wieder zehn Tage lang durch wilde spärlich bevölkerte Gebirge und gefährliche Pässe. „Die Berge,“ schreibt Trotter, welcher von Kaschgar herüberkam, „sind kahl und unfruchtbar, der Weg ist schlecht und nach Uebersteigung des Toratpasses („Pferdeschweif“), 3400 Meter hoch, gradezu abscheulich. An einer Stelle führt er im Flußbette hin, der, voll großer Blöcke und tiefer Wasserlöcher, zwischen senkrechten Felswänden sich Bahn bricht. Ein paar entschlossene Leute können den Weg gegen eine ganze Armee vertheidigen. Fast ebenso schwierig ist der Abstieg ins Tiefland von Ost-Turkestan nach Yarkend.“
Die Schilderung dieses überaus mühsamen Uebergangs über die Pamir bildet eins der interessantesten Capitel in dem Berichte unseres Venetianers. Möge darum seine Darstellung hier in der alten deutschen Uebertragung eingereiht werden.
„So man von dannen (nämlich von Wakhan) gegen auffgang zeucht, so mus man drey gantz tag vbersich ziehen, bis man auff ein hohen berg kumbt, der kein höhern jn der welt hat. Daselbst findt man ein ebne zwischen zweyen bergen, darin fleußt ein schön lustig wasser, das gibt gute weyden darumb, also das ein mager pferdt oder rindt jn zehen tagen feyßt dauon wirt.“
„Man findt auch vil wildbrets da, zuuor etlich wilde wider (Ovis Poli) oder castrone, die haben lange hörner, daraus macht man mangerley geschiir, dise ebne ist so lang, das man jr in zwelff tagen kein end finden kan und heyßt Pamer (andere Lesart Pamier). So man aber weyter zeucht, so wirt es wie eine wüsteney, vnd hat keins menschen wonung mer, auch kein grün[S. 59] gras mehr. Darumb müssen die leut mit jnen führen, was jnen von nötten ist zur erhaltung. Es ist auch kein vogel da, vmb der kelten willen, vnd grosser Höhe des erdtrichs, das dem vich kein futter tragen kan.“[27]
„So man ein feur da anzündt, so ist es nicht so hell, vnnd so krefftig, als an anderen orten von wegen der vberschwencklichen kelten des lands.[28] Von dannen geth der weg durch die berg gen auffgang vnd mitnacht, da findt man berg vnd thal, vnd vil wasser da zwischen, aber keins menschen wonung, vnd kein kraut. Das landt heyßt Belor, das zeigt ein ewigen winter an. Derselb anblick weret viertzig tagreysen lang.[29] Fur so viel tag mus man auch prouiand bey sich haben, doch sicht man auff den allerhöchstn bergen, hin vnd her etlicher leut wonungen, die seind aber vberaus bös vnd grewlich, so seind sie auch abgöttisch, die geleben des weidwercks vnd bekleyden sich mit den heutten von den thieren.“
Außer Wood haben das Hochland auf zum Theil verschiedenen Wegen durchkreuzt 1861 der britische Agent Abdul Medschid auf dem Wege nach Kokan, und Mirza 1868/9 über den Tschitschiklikpaß nordöstlich von Taschkurgan, welchen Trotter und wahrscheinlich auch schon Polo überstiegen. Den gewaltigen Unterschied zwischen den unwirthlichen, menschenleeren Höhen und den blühenden Oasen in Ost-Turkestan empfanden die venetianischen Kaufleute sofort und Marco Polo verleiht der Wahrnehmung Worte, wenn er mit Befriedigung von den herrlichen Weinbergen, Fruchtgärten und „anderen Ackergütern“ erzählt. Während auf der Pamir sich einzelne Gipfel bis zu 8000 Meter erheben, ist der tiefste Thalboden im Tarimbecken kaum 700 Meter über See gelegen. Nur an den von der Umwallung der alpinen Hochketten aus Norden, Westen und Süden ablaufenden Gewässern ist durch künstliche Befeuchtung des Bodens um feste Städte eine oasenartige Kultur entstanden, die sich an die Gebirge anlehnt. Das Tarimsystem wird im Norden und Süden von den Schneegebirgen des Tienschan und Kwenlun begleitet, welche, fast parallel, weit gegen Osten streichen. Daher haben sich, weil an der Rinne des Tarim selbst wenig anbaufähiges Land sich findet, zwei Städtereihen im Norden und Süden entwickelt, durch welche der Weg nach China führt. Während in unsern Tagen die belebteste Karawanenstraße durch die nördliche Städtereihe Kaschgar, Aksu, Turfan und Komul geht, lief zu Polo’s Zeit die Route durch die südlichen Plätze Yarkend, Iltschi (Choten), Tschertschen und an den Lopnor, das Sammelbecken aller Gewässer Ost-Turkestans. Den Weg der Venetianer hat kein europäischer Reisender wieder verfolgt, nur durchkreuzt hat ihn in jüngster Zeit der kühne russische Oberst Prschewalsky, welcher nach Polo auch zuerst den Lopsee erreichte. Im Gebiet von Choten oder[S. 60] Iltschi erwähnt unser Reisender den grünlichen Chalcedon, der dort unter dem Namen Jade bekannt ist. Die Chinesen schätzen ihn als Yu-stein, die Perser nennen ihn Yaschin, woraus unser „Jaspis“ geworden ist. Ueber die Stadt Tschertschen (bei Polo Ciarcian, ein lange vergeblich gesuchter Ort), welche nach den Erkundigungen von Prschewalsky am Tschertschen-Darja liegt, wurde die Oase Lop erreicht, wo man sich von der beschwerlichen Wüstenreise eine Zeit lang erholen konnte und den Thieren Rast gönnte, ehe man die große Wüstenreise zu der ersten chinesischen Stadt antrat. Der Wüstensand liegt hier in beweglichen Massen, die vom Winde aufgewirbelt werden. Bei den Chinesen war dieser Wüstenstrich in früherer Zeit unter dem bezeichnenden Namen Lu-scha, d. h. fließender Sand, bekannt. Er bildet die westliche Fortsetzung der bekannten Scha-mo, d. h. Sandmeer.
Die Bevölkerung der Oase[30] Lop (Polo bezeichnet diese als eine große Stadt) hat stets isolirt, wenn auch nicht völlig abgesondert von der übrigen Welt gelebt. Prschewalsky hält den Grundstamm für arisch, mit mongolischem und tatarischem Blute gemischt. Sie war schon zu Polo’s Zeit mohammedanisch. Auffällig ist, daß jetzt Kamele nicht mehr vorkommen, während unser Reisender ausdrücklich betont, daß man sich hier zur Weiterreise mit starken Kamelen versorge, denn die Wüstenwanderung währt einen ganzen Monat, und für diese Zeit muß man sich mit Lebensmitteln und Futter versehen. Trinkwasser findet sich an einigen Stellen, wenn auch nicht immer reichlich. Die größten Gefahren der Reise liegen aber nach der Ansicht unseres Berichterstatters in den Tücken böser Geister, die durch Namensruf und allerlei Geräusch die Reisenden in die Irre führen und ins Verderben locken. Bei Tage klingen diese Geisterstimmen wie „süß tönendes Saitenspiel, Pauken und Trommeln“. Chinesische und arabische Schriftsteller wissen gleicherweise von solchen geheimnißvollen Tönen in der Wüste zu erzählen; auch Capitän Wood vergleicht den Ton der Schritte im beweglichen Sande mit fernem Trommelwirbel und zarter Musik. Daß aber, abgesehen von den ungleich erwärmten in Bewegung gerathenen sogenannten klingenden Sandmassen andere eigenthümliche Sinnestäuschungen in den asiatischen Wüsten zu solchem Gespensterglauben veranlassen können, wie ihn der naive Bericht Polo’s kundgibt, dafür mögen hier die Beobachtungen des Botanikers A. v. Bunge eingeschaltet werden, welcher bei der Expedition Chanikoffs die auch von Polo durchschnittene Wüste Lut in Iran durchzog. „Der Tag war glühend heiß gewesen,“ schreibt Bunge, „die finstere Nacht — die Gewitterwolken waren herangezogen, aber sie schwanden über der dürren Wüste, fast ohne daß ein Tropfen herabfiel — war warm; beim gleichmäßigen Schaukeln auf dem[S. 61] Kamel ängstigte — nicht mich allein — eine eigenthümliche Sinnestäuschung, als ritte man in dichtem Walde zwischen hohen Bäumen und müsse sich fortwährend beugen, um den Zweigen auszuweichen. Schon ehe die Sonne aufging, traten die Erscheinungen der Luftspiegelung ein.“ (Petermann, Mitthl. 1860. 223.) Auch Dr. O. Lenz hat bei seiner ruhmvollen Wanderung durch die westliche Sahara von Marokko nach Timbuktu 1880, die Erscheinungen des tönenden Sandes beobachtet als langgezogene dumpfe Trompetentöne, welche, um das Unheimliche dieser Wüstenlaute zu steigern, bald hier, bald dort, immer aus einer andern Gegend herüberklingen. Lenz sucht die Ursache an der Friction der erhitzten Quarzkörner.
Erst nach 30 Tagen gelangten die venetianischen Kaufleute zur ersten chinesischen Stadt Scha-tscheu (Saciu) d. h. Sand-ort, einem wichtigen Platze, weil alle Wege, welche von China aus nach Westen gerichtet sind, durch diese Stadt führen. Im Jahre 1292 ließ Kublaikaan, zur Zeit, als Polo sich zur Heimkehr nach Europa anschickte, die Einwohner ins Innere von China schaffen, und 1303 legte sein Nachfolger eine Besatzung von 10000 Mann dahin, um den Platz zu sichern. In weitern 10 Tagen erreichte man Su-tscheu (Succiur, Sukchu), welches 1226 von Tschingiskaan zerstört worden war, und weiterhin in südlicher Richtung Kan-tscheu (Campichu), damals die Hauptstadt von Tangut, jetzt Provinz Kan-su, nördlich vom Kuku-nor. Dann folgten die Städte Liang-tscheu-fu (Eritschu), Sining-fu (Sinju), und Ninghia (Egrigaia)[31]. Nicht weit davon lag die Sommerresidenz der ehemaligen Tangutkönige am Fuß des Alaschan (Calaschan). Von Liang-tscheu folgte Polo einer Reiseroute, die den modernen Postweg zur rechten ließ. Die Straße, welche er zog, heißt seit der Zeit des Kaisers Kang-hi die Courierstraße. Nach Tenduc (jetzt Kuku-choto) verlegte Polo den Sitz des Priesters Johann, den er in dem Ung-chan zu erkennen glaubte. Ihm fielen dort die Mischlinge auf, deren Nachkommen wahrscheinlich in den heutigen Dunganen zu suchen sind. Auf diesem Theil der Reise mußte Polo die berühmte chinesische Mauer berühren, aber er erwähnt sie nicht. Man mußte denn, wie H. Yule (Marco Polo I, 283) meint, eine versteckte Anspielung darauf in den folgenden Worten des Reisenden finden: „Hier ist auch der Ort, den wir das Land Gog und Magog nennen, dort heißt es Unc und Mugul.“ Yule deutet diese Stelle dahin: hier sind wir an der großen Mauer, die als Wall von Gog und Magog bekannt sind. Dort zu Lande nennt man sie nach zwei Volkstämmen Ung[32] und Mongolen, welche mit der Vertheidigung der großen Mauer betraut waren.
Sieben Tage weiter kommt man endlich in das große Land Cathay, welches überall von volkreichen Städten und Dörfern dicht besät ist. Ueber[S. 62] die kunstgewerbreiche Stadt Sindatschu[33], welche unter der Kin-Dynastie als Siwant-tschu bekannt war, und jetzt Siwan-hwa-fu heißt, fünf Meilen südlich von Kalgan, gelangten die Reisenden nach Tschagannor (Ciagannor), einem ums Jahr 1280 erbauten Palaste des Großfürsten, wo der Kaan sich gern aufhielt, um der Jagd auf Wasservögel am See obzuliegen. Tschagannor bedeutet „weißer See“, die Ruinen liegen etwa 6 Meilen nördlich von Kalgan. Noch drei Tagereisen weiter gegen Norden lag die Stadt Tschan-du (Ciandu) oder Schang-tu, d. h. oberer Hof, obere Residenz, wo der Kaan gleichfalls einen prächtigen Marmorpalast hatte errichten lassen, dessen vergoldete Zimmer mit kunstvollen Gemälden geziert waren. Dr. S. W. Bushell hat den Platz 1872 besucht. Die Ruinen liegen etwa unter 40° 22′ n. Br., westlich vom Meridian von Peking. Der jetzt verödete, übergrünte Herrschersitz, den Polo mit besonderer Ausführlichkeit beschreibt, erhob sich am sumpfigen Ufer eines Flusses, der noch jetzt den Namen Schan-tu trägt. Bei den Mongolen heißen die Ruinen Djao-Naiman Sume Khotan, d. h. Stadt mit 108 Tempeln. Marmorfragmente von Löwen, Drachen und anderen Bildwerken zeigen die Stätten der ehemaligen Tempel und des Palastes.
Die bisher genannten Fürstensitze lagen jenseit der großen Mauer auf dem Gebiete der eigentlichen Mongolei. Seitdem China dem mongolischen Weltreiche einverleibt worden, war die erste und größte Residenz, in welcher der Kaiser die Wintermonate, December, Januar und Februar verlebt, hierher verlegt worden. Dieser „große Hof“, als Stadt Tatu oder Taidu genannt, bestand seit 1264. Sein Name Kaan-baligh, „Stadt des Kaan“, war in der abendländischen Form Cambaluc, Canbalu Jahrhunderte lang mit den Vorstellungen größter Fürstenpracht und größten Glanzes verbunden, ehe er dem modernen „Pe-king“ (Nord-Residenz) weichen mußte.
Der großartigen Hofhaltung des mongolischen Kaisers widmete Polo die eingehendste Beschreibung. Da die Venetianer von Kublai auch bei diesem ihren zweiten Besuche auf das Huldreichste aufgenommen wurden und sich seiner dauernden Gunst erfreuten, so war der jüngere Marco auch mehr als andere in der Lage, bei der Beschreibung des Hofstaates und tatarischen Regiments in China zahlreiche Einzelbeobachtungen und Wahrnehmungen mitzutheilen. Marco Polo gewann in dem Grade das Vertrauen des Großfürsten, daß dieser ihn in besonderer Sendung nach den südlichen Provinzen Chinas und bis an die Grenzen seines Reiches abordnete. Dadurch wurde dem Abendland zuerst der Blick in die Großartigkeit der chinesischen Welt eröffnet. Die Reise ging von Peking in südwestlicher Richtung durch die Provinzen Schansi, Schensi und Szytschuán bis nach Yün-nan und bog dann nach Osten gegen das Meer ab. Den ersten Theil des Weges hat v. Richthofen 1871 verfolgt und seinen Untersuchungen verdanken wir besonders das neue Licht,[S. 63] das auf die Weglinie des Venetianers gefallen ist. Wir begleiten den kaiserlichen Agenten über Tschou-tschou (Juju) zunächst nach T’aiyüan-fu (Taianfu) der Hauptstadt von Schansi, wo im 8. Jahrhundert die Tang- und später die Ming-Dynastie residirte und wo, bei dem sehr bedeutenden Reichthum an Kohlen und Eisen, seit alter Zeit die Eisenindustrie blühte, welche im 13. Jahrhundert namentlich Waffen fertigte. Sieben Tagereisen weiter folgte die in einem breiten Thal des nordchinesischen Lös gelegene Stadt Pingyang-fu (Pian-fu). Nach Ueberschreitung des Hwang-ho, den Polo unter dem mongolischen Namen Caramoran, d. h. schwarzer Fluß, kennt, gelangt man in 10 Tagen zu einer der merkwürdigsten Städte des Landes, nach Si-ngan-fu (Kenjanfu bei Polo, Kansan bei Odorich von Pordenone). Als die Hauptstadt vieler mächtiger Herrschergeschlechter, von deren Bedeutung auch unser Gewährsmann Kunde erhalten hat, vielleicht schon das Θιναι des Ptolemäus, und im 7. Jahrhundert der Sitz blühender Kirchen, kann man diese Stadt wohl als die berühmteste in der chinesischen Geschichte bezeichnen. Dann führt der Weg durch den von wilden Gebirgen erfüllten südlichen District der Provinz Schensi und jenseits Han-tschung durch das Tsinglinggebirge, wo seit alter Zeit die Straßen in Zickzack in den Felsen gehauen sind. Polo brauchte 20 Tage, um über diese Gebirge nach Tsching-tu-fu (Sindafu), der gegenwärtigen Hauptstadt von Szy-tschuan zu gelangen. Die herrliche Ebene, in welcher die Stadt liegt, die, von 800,000 Menschen bewohnt, jetzt zu den schönsten Städten Chinas zählt, breitet sich am Fuße des plötzlich abfallenden tibetanischen Plateaus aus und hatte damals „vil stett vnd schlösser vnd dörffer“. Die Ostgrenze Tibets war zu jener Zeit viel weiter nach Osten vorgeschoben als jetzt; die Stadt Ya-tschou-fu, welche man in weitern fünf Tagen erreicht, gehörte damals bereits zu Tibet und auch heutzutage liegt sie an der Westgrenze des nur von Chinesen bewohnten Gebietes. Sie bildet den Schlüssel zu dem westlichen Hochlande. Ueber 3000 Meter hohe Pässe ging’s weiter nach Süden, 20 Tage ritt Polo durch menschenleere Gebirge, so daß die Reisegesellschaft genöthigt war, alle Lebensmittel mitzuführen. Jetzt gibt es auch an dieser Straße einige Ansiedlungen und feste Plätze mit chinesischen Garnisonen, welche dem Wanderer gegen die unabhängigen Lolo Schutz gewähren. Kurz vor der Stadt Ning-juan-fu erreichte man wieder eine schöne, von einem Zufluß des Yang-tse-kjang bewässerte Thalebene, welche die Chinesen als eine Art irdisches Paradies preisen. Polo nennt die Stadt und Landschaft Caindu, ein Name, welcher der noch jetzt im Volke üblichen Bezeichnung Kian-tschang entspricht. Polo rühmt hier ein gewürztes Getränk, das aus Weizen, Reis und andern Spezereien bereitet werde. Dieser gewürzte Wein steht noch in gutem Ruf. Auch die Cassiablütenknospen, ein noch jetzt geschätztes Produkt des Thales, werden unter den Landesprodukten als „Gewürznelken“ aufgeführt.
Nahe der südlichsten Biegung des Stromes wurde der obere Yang-tse-kjang (bei Polo Brius) überschritten und dann die Landschaft Carajang (d. h.[S. 64] schwarzes Jang, nach den schwarzen Bewohnern) erreicht. Es bildet den nördlichen Theil von Yün-nan, dessen Hauptstadt damals Ya-schi, jetzt Yün-nanfu heißt. Der weiter westlich gelegene Hauptort von Carajang trägt auch bei Polo diesen Namen, jetzt Talifu.[34] Auf den südwestlichen Gebirgen, welche die Grenze gegen den modernen Staat Birma bilden, erkennen wir in den Bewohnern, welche ihre Zähne zu vergolden pflegen, die Kakhyens oder Singpho, deren waldiges Bergland Polo unter der persischen Bezeichnung Zardandan, d. h. „Goldzahn“ beschreibt. Jenseit dieser Gebirge, über die man mehrere Tage beständig abwärts reitet, öffnet sich das obere Thal des Irawadi. Polo nennt es Amien, bei den Chinesen heißt Birma oder Ava noch jetzt Mien. Durch das Thal des Schweli stieg der Reisende zum Iravadi hinab nach Alt-Pagan oder Tagoung (Tagong), wo über den Königsgräbern zwei fingerdick mit Gold und Silber belegte Thürme sich erhoben. Weiter scheint unser Reisender nicht vorgedrungen zu sein als bis nach Ta-gang, welches 1283 auch der mongolischen Weltmacht unterthan gemacht war. Nur von Hörensagen berichtet er weiter von den Landschaften Bangala (d. i. Bengalen), Cangigu (d. i. Tung-king, chines. Kiaotschi-kwe), Anin im südlichen Yün-nan,[35] Coloman, d. h. Kolo-barbaren, an der Grenze von Kwei-tschou (Cuiju bei Polo). Von hier aus macht die Vortragsweise Polo wieder den Eindruck, als ob er auf seiner Rückreise aus Südwesten die Schilderung seiner eignen Route wieder aufnehme. Er zog wahrscheinlich von Yünnan-fu auf einem mehr östlich gelegnen Wege gegen Norden, setzte bei Siü-tschou über den blauen Strom und erreichte in Tsching-tu-fu seine frühere Straße wieder, um nun nach Cambalu seine Rückkehr zu vollenden.
Drei Jahre stand Marco Polo dann als Gouverneur in der großen Stadt Yang-tschou nordöstlich von Nan-king, machte darauf mit seinem Onkel Maffeo längeren Aufenthalt in Kantschou in Tangut und hat wahrscheinlich auch Karakorum besucht. In diese Zeit fällt auch des Großfürsten vergeblicher Eroberungszug gegen das blühende Inselreich Zipangu (Japan), dessen Name Dschi-pen-kwe „Land des Sonnenaufgangs“ zur Zeit des Columbus neben Indien und Cathay einen besonderen Lockreiz auf alle abenteuernden Entdecker ausübte.
Die venetianischen Kaufleute weilten bereits über 20 Jahre in China, ehe sie eine günstige Gelegenheit fanden, ihre Heimat wieder zu sehen; denn der Kaan wollte sie ungern entlassen. Diesen günstigen Anlaß zur Abreise[S. 65] bot nun die Entsendung der Prinzessin Kokatschin nach Persien, wo sie mit Argunchan, dem Großneffen Kublais, vermählt werden sollte. Der Kaan gab ihnen 2 goldene Täfelchen als Geleitsbriefe und Empfehlung in allen seinen Landen und beauftragte sie auch noch mit einer Botschaft an die Könige von Frankreich, England und Spanien, sowie an andere Könige der Christenheit. Das Gefolge der Prinzessin bestand aus 600 Personen. Von Cambalu ging die Reise bis zum Seehafen von Zayton zu Land und dann zur See. Auf dieser Landreise, welche Polo gleichfalls beschreibt, sah er die der Ostküste näher gelegenen Provinzen mit ihrem wimmelnden Völkerleben in den Riesenstädten, die alles übertrafen, was das Abendland bieten konnte, die mit ihrem Reichthum, Gewerbfleiß und überaus belebten Handel einen unverlöschlichen Eindruck zunächst auf den Reisenden und nach dessen Erzählungen bei allen Völkern Europas, namentlich den seefahrenden Nationen hervorbrachte, so daß an diesen glühenden Schilderungen sich die Reise- und Entdeckungslust entzündete.
Goldenes Geleitstäfelchen mongolischer Fürsten.
(Das Original, in Ost-Sibirien gefunden, ist viermal so lang und breit.)
Von Peking ging die Landreise zuerst gerade nach Süden über Hokian-fu (Cacanfu), bei Tsinanfu (Chinangli) erreichte man damals, wie auch heute wieder, den großen Strom, den Hwangho, welcher später und bis vor 30 Jahren südlich um das Bergland von Schantung sich ins gelbe Meer ergoß. Größtentheils auf dem Kaisercanal führt der Weg gegen Südsüdosten durch Kiangsu bis zum Yang-tse-kjang und zur altberühmten Stadt Jangtschen (Yanju, auf der catalanischen Karte von 1375 als Jangio) wo M. Polo auf Befehl des Kaan drei volle Jahre, zwischen 1282 und 1287 die Verwaltung geleitet hatte. In der Nähe dieser Stadt floß bei Tschin-tschou oder I-tschin-tschou (Sinju) der blaue Strom vorüber, auf dem Polo einmal 15,000 Schiffe vor der Stadt liegen sah. Nach den Angaben der dortigen Kaufherren liefen jährlich gegen 200,000 Schiffe den Fluß hinauf. Ueber die großen Plätze Tschang-tschen (Chinginju) und Su-tschen (Suju) zogen sie dann in Hang-tschen ein. Polo nennt diese größte aller Städte Kinsay oder Quinsai, nach dem chinesischen Namen King-sze, d. h. Hauptstadt; denn sie war seit 1127 die Residenz der Song-Dynastie gewesen. Keine Stadt der Welt hat unsern Reisenden mehr in Erstaunen gesetzt als diese, keine hat er so eingehend beschrieben; aber leider hat Polo, indem er das chinesische Wegmaß[S. 66] „Li“ einer Meile gleichsetzt, die Verhältnisse gewaltig übertrieben. Diese schönste Stadt der Welt mit ihren meilenlangen, gepflasterten Straßen sollte 100 Meilen[36] im Umfange haben. Die ganze Stadt lag, von Wasser umgeben, von Canälen durchzogen, in der Niederung, nahe dem Meere; 12,000 Steinbrücken führten über die Canäle. Es gab 1,600,000 Häuser und darunter viele stattliche Paläste. An jedem Hause war auf einer Tafel die Anzahl der Bewohner zu lesen. Die zwölf gewerbtreibenden Zünfte verfügten über 12,000 Häuser mit Arbeitern. In den Hauptstraßen wogte ein unaufhörlicher Verkehr, Wagen folgten auf Wagen. Die Einkünfte, welche der Kaan von hier bezog, sollten sich jährlich auf fast 200 Mill. Mark (!) belaufen. Und um die Größe der Bevölkerung zu veranschaulichen, hatte ein kaiserlicher Beamter erzählt, daß täglich fast 10,000 Pfd. Pfeffer consumirt würden. Der neben der Stadt gelegene Palast hatte 10 Meilen (Li) Umfang, umfaßte 20 in Gold gemalte, große Hallen, gegen 1000 auf das herrlichste geschmückte Zimmer und war von schönen Gärten mit Springbrunnen und Teichen umgeben. Die Stadt lag unfern des Meeres, an welchem Ganfu[37] einen ausgezeichneten Hafen der Stadt bildete. Das ganze Küstengebiet hat seit jener Zeit wesentliche Veränderungen erlitten. Die See ist näher an die Stadt gerückt, die Stätte des Hafens ist unter den Spiegel des Wassers gesunken, und die Metropole selbst hat gegenwärtig nur 35 Li Umfang. Auch nach Polo’s Zeit ist diese Weltstadt von abendländischen und arabischen Reisenden beschrieben, so von Odorich, welcher 1324–27 in China weilte, von Marignolli (1342–47), welcher sie Campsay nennt, von Wassaf, Ibn Batuta u. a.
Von King-sze ging dann die Reise weiter durch die jetzigen Provinzen Tsche-kjang und Fu-kian nach dem Seehafen Fu-tschen (Fuju, aus der catal. Karte Fugio). Die leicht erregbare Bevölkerung dieser Capitale Südchinas mußte stets durch starke mongolische Besatzung niedergehalten werden, da sie zu Revolten geneigt war. Der weiter südlich gelegene berühmte Hafen Zayton (Caiton, Çaiton, auf der catalon. Karte Caxum) war der Sammelplatz der Indienfahrer und einer der größten Handelshäfen der Welt. Wir haben diesen später sprichwörtlich berühmten Hafen südlich von Fu-tschen in der Stadt Tsiuan-tschen zu suchen, doch mögen die Vorhäfen dieses Platzes sich noch bis an das wundervolle, geräumige Hafenbecken von Amoy erstreckt haben. Das östlich gelegene Meer ist das Meer von „Tschin“. Nur an dieser einzigen Stelle (lib. III, cap. 4) nennt Polo den jetzt üblichen Landesnamen China, aber in persischer Form. Ein anderer Name dafür war das Meer von Manzi, d. h. Südchina. Nach Angabe der Seeleute, welche in diesen Gewässern verkehrten, gab es in jenem Meere 7459 Inseln.[38][S. 67] Von dort kamen weißer und schwarzer Pfeffer und alle anderen geschätzten Spezereien. Jahreszeitliche, regelmäßig wechselnde Winde beförderten den Verkehr mit den Gewürz-Inseln.
Von Zayton aus verließ Polo das Reich der Mitte. Die Namen King-sze und Zayton, Zipangu und Manzi behielten Jahrhunderte lang ihren zauberisch lockenden Klang für die handeltreibenden Völker des Abendlandes. Nachdem man für das Gefolge der Prinzessin, welche nach Persien geleitet werden sollte, im Hafen von Zayton 13 Schiffe, jedes mit vier Masten, ausgerüstet und auf zwei Jahre mit Lebensmitteln versehen hatte, stach man im Anfang des Jahres 1292 in See. Nach einer Fahrt von angeblich 1500 Meilen kam die Ostküste von Hinterindien in Sicht, dort lag das seit 1278 dem Großkaan tributäre Königreich Tschampa (Cyamba) zwischen Tongking und Cambodja. Bei den Arabern hieß es Sanf, und durch das Meer von Sanf führt nordwärts der Seeweg nach China. Um die altberühmte, den Seefahrern bekannte Landmarke der jetzt französischen Inselgruppe Pulo Condor bog der Weg westwärts nach dem an Elephanten, Gold und Farbholz reichen Locac (Siam) ab. Eigentlich bestanden zwei Königreiche dort, von denen das nördliche eigentliche Siam bei den Chinesen Sien-lo, das andere, näher der See gelegene Lo-hoh hieß. Nach der bei Polo mehrfach vorkommenden Vertauschung von h mit c oder k, wurde aus Lo-hoh Lokok und Lococ (d. h. das Königreich Lo). Bei der weiteren Küstenfahrt gewann die Gesandtschaftsflotte bei der Insel Pentam (Bintang, östl. v. Singapur) das Südende Asiens, „wo alle Wälder aus wohlriechendem Holze“ bestehen, und steuerte nun nach Sumatra. Polo nennt hier einen Staat Malaiur; nach der Deutung H. Yules haben wir darin Palembang auf Sumatra zu erkennen, welches auch im 16. Jahrhundert noch bei den Malaien unter dem Namen Malayo bekannt war. Die ganze Insel nennt unser Gewährsmann Klein-Java. An den gewürzreichen Gestaden dieser großen Insel wurde die Expedition längere Zeit aufgehalten, so daß sich Gelegenheit bot, die sechs Königreiche in dem nördlichen Theil der Insel zu besuchen. Eines darunter trägt den Namen Samara, vermuthlich Samatra (Sumatra). Um zu zeigen, wie weit die Gebiete nach Süden gelegen sind, fügt Polo hinzu, daß man hier den Polarstern oder die Sterne des Maestro (großer Bär?) kaum noch zu sehen vermöge. In einem andern Königreiche Fanfur, woher der beste Kampfer stammte, lernte er auch das wohlschmeckende Mehl der Sagopalme kennen. Durch die Malakastraße steuerte das Geschwader nordwestlich zu den von wilden schwarzen Menschen bewohnten Inseln Necuveran (Nikobaren) und Angamanain (Andamanen), deren Bewohner Hundsköpfe haben. Das stupide, prognathe Gesicht jener Negrito ist schon frühzeitig den Abendländern aufgefallen, bereits der Grieche Ktesias spricht davon.
Von da segelte man mit südwestlichem Cours nach der durch ihre Edelsteine und Perlen berühmten Insel Seilan (Ceylon), aus deren Mitte sich über dem Waldlande die Felsenspitze des Adamspik als ein vielbesuchter[S. 68] Walfahrtsort erhob. Von da setzte man nach der Ostküste Vorderindiens über, wahrscheinlich nach Tandschur. Der ganze Landstrich hieß damals bei den Arabern Maabar oder Mabar, d. h. Ueberfahrt, (nämlich nach Ceylon); jetzt trägt die Küste den Namen Koromandel. Hier begegnen wir in der Gegend von Madras auch der sehr alten Ueberlieferung, daß der Apostel Thomas in Indien gepredigt habe und daß durch ihn die Gemeinde der Thomaschristen begründet sei. Dann wurde die zu jener Zeit blühende, jetzt verödete und zu einem Dorf herabgesunkene Handelsstadt Kail (bei Nicolo Conti im 15. Jahrhundert Kahila) besucht. Dieser Hafenplatz lag nahe der Mündung des Tamraparniflusses im District Tinnevelly. Die Südspitze Indiens bildete das Land Comari.[39] Im Reiche Melibar (Malabar) auf der Westküste, die besonders durch den Reichthum von Pfeffer und Ingwer gesegnet ist, war man schon bedeutend wieder nordwärts gerückt, „denn der Polarstern erhebt sich schon zwei Ellen über dem Wasser“. In Gozurat (Guzerat) steht er bereits sechs Ellen hoch. So wurde also eine Umfahrt fast um die ganze indische Halbinsel ausgeführt, ehe man an der öden Küste von Mekran entlang nach Ormuz steuerte. Bevor Polo das Schiff verläßt, wirft er noch einen Blick über die westlichen Regionen und Gestade des indischen Oceans. Hier beruhen seine Mittheilungen nur auf Erkundigungen und enthalten daher manches Irrige oder Falschverstandene. Bemerkenswerth sind seine Angaben über die Christen aus Socotra, welche bereits im 6. Jahrhundert dem Indienfahrer Kosmos bekannt waren, und sogar nach den Angaben des Carmelitermönches Vincenzo noch im 17. Jahrhundert existirt haben sollen. Auch die Insel Sansibar (Zanzhibar) tritt in den Gesichtskreis. Von allen Reisenden zuerst nannte Polo auch die große Insel Madagascar; da er sie aber irrthümlich von Elephanten und Kamelen belebt sein läßt, so liegt die Vermuthung nahe, daß er Nachrichten aus Magadascho auf der Ostküste Afrikas mit Berichten aus Madagascar zusammengeworfen habe.
Weiter südlich über jene Insel hinaus aber kann man nicht ohne Gefahr in den Ocean vordringen, weil eine gewaltige Strömung die Fahrzeuge unwiderbringlich nach Süden reißt. Und wenn uns von 12,700 Inseln erzählt wird, welche im indischen Meere liegen sollen, so werden wohl die Korallen-Ringe der Lakkediven, d. h. 100,000 Inseln und der Titel des Sultans der Malediven, der sich Herr der 12,000 Inseln nannte, dabei besondere Berücksichtigung gefunden haben.
Erst im Jahre 1294 kam die bedeutend an Mitgliederzahl zusammengeschmolzene Gesandschaft nach Persien, denn ein großer Theil des ursprünglich aus 600 Personen bestehenden Gefolges war während der Reise gestorben. Auch Argunchan, dem die Braut bestimmt war, war inzwischen (am[S. 69] 10. März 1291) aus dem Leben geschieden. Ihm war sein Bruder Kaichatu (Kiacatu) in der Herrschaft gefolgt; dessen Sohn, Gasan (Casan), trat an die Stelle seines verstorbenen Ohms und heiratete die Braut. Kaichatu selbst aber empfing die Poli in fürstlicher Weise und gab ihnen auf ihrer Weiterreise die umfassendsten Geleitsbriefe mit, so daß sie in unsicheren Gegenden zuweilen unter dem Schutze von 200 bewaffneten Reitern dem Abendlande zueilten. Von Persien aus schlugen sie über Bagdad den nördlichen Weg ein über das armenische Hochland nach Trapezunt und gelangten von da zu Schiff über Konstantinopel und Negroponte im Jahre 1295, nach 25jähriger Abwesenheit wieder in ihre Vaterstadt Venedig.
Fassen wir noch einmal die Resultate dieser epochemachenden Reise zusammen,[40] so war Marco Polo der erste Reisende, welcher ganz Asien der Länge nach durchzog und die einzelnen Länder beschrieb. Er sah die Wüsten Persiens und die grünen Hochflächen und wilden Schluchten Badachschans, die Jade-führenden Flüsse Ost-Turkistans und die Steppen der Mongolei, die glänzende Hofhaltung in Cambalu und das Volksgewimmel in China. Er erzählte von Japan mit seinen goldbedeckten Palästen, von Birma mit seinen goldenen Pagoden, schildert zuerst die paradiesischen Eilandfluren der Sundawelt mit ihren aromatischen Gewürzen, das ferne Java und Sumatra mit seinen vielen Königreichen, mit seinen geschätzten Erzeugnissen und seinen Menschenfressern; er sah Ceylon mit seinen heiligen Bergen, besuchte viele Häfen Indiens und lernte dieses im Abendlande noch immer von Sagen verhüllte Land in seiner Größe und seinem Reichthum kennen. Er gab zuerst im Mittelalter einen klaren Bericht von dem christlichen Reiche in Abessinien und drang mit seinem Blick einerseits bis nach Madagascar vor, andererseits zog er im Innern Asiens Erkundigungen über den höchsten Norden, über Sibirien ein, über das Land der Finsterniß, wo weder Sonne noch Mond noch Sterne scheinen und ein ewiges Zwielicht herrscht, wo man auf Hundeschlitten fährt oder auf Renthieren reitet, ein Land, hinter welchem endlich ein eisiger Ocean sich ausdehnt.
Wissenschaftliche Bildung besaß Polo nicht. Er wundert sich darüber, daß Sumatra so weit im Süden liegt, daß der Polarstern aus dem Gesicht verschwindet und die Inseln im Eismeer auf der andern Seite so weit im hohen Norden sich befinden, daß man den Polarstern hinter sich läßt. Die Himmelsgegenden, nach denen der Weg führte, oder wohin Länder ihrer Lage nach angegeben werden, sind oft falsch bestimmt, seine Wegelängen erscheinen vielfach übertrieben.
Vor allem aber ist zu beklagen, daß er nicht Chinesisch verstand, obwohl er so lange im Lande weilte und sogar officiell mit dem Volke verkehren mußte. Daher die falschen Uebersetzungen und Erklärungen chinesischer Namen, wie wenn er King-sze als Stadt des Himmels deutet; daher auch die Verstümmelung[S. 70] der Ortsnamen und seltsame Schreibweise derselben. Zwar berichtet er über mancherlei interessante Einrichtungen im Lande, von den wohlgepflegten, mit Bäumen bepflanzten Heerstraßen, den Posten und Läufern, den zur Bequemlichkeit der Reisenden an der Straße errichteten Gasthäusern und der polizeilichen Beaufsichtigung des Fremdenverkehrs in den großen Städten. Er erwähnt zwar die Einrichtung von Kornmagazinen, den Gebrauch der Steinkohlen, die weitverbreitete Anwendung des Papiergeldes; aber andere wesentliche Eigenthümlichkeiten und Erfindungen bleiben unbeachtet und nach dieser Richtung erscheint das Werk lückenhaft. Wir vermissen Mittheilungen über die Magnetnadel, über Pulver, über Bücherdruck, künstliches Eierausbrüten und Fischerei mit Kormoranen; auch des Thees geschieht keine Erwähnung. In der neuen Geschichte Asiens erscheint Polo ungenau. Allein man muß auch erwägen, unter welchen Verhältnissen sein Buch entstand. Kaum von seiner weiten Reise zurückgekehrt, nahm er an dem Kriege theil, in welchen Venedig mit seiner Rivalin verwickelt war, wurde noch im Jahre 1295 in der Seeschlacht bei Corzola, einer der dalmatischen Inseln, gefangen genommen und nach Genua gebracht, wo er in der Gefangenschaft einem Genossen, dem Pisaner Rusticiano oder Rustichello seinen Bericht dictirte. — Trotzdem gehört Marco Polo zu den geographischen Classikern des Mittelalters.
Ursprünglich war der Bericht, noch nicht in Bücher und Capitel abgetheilt, in altfranzösischer Sprache niedergeschrieben, wie man dies aus der grade hier am meisten bewahrten Naivität der Erzählung mit ihrer stereotypen Redeweise und ihrer Unbehilflichkeit im Ausdruck, aber auch aus der hier annähernd correctesten Schreibweise der Eigennamen erkannt hat. Dann wurde das Werk ins Lateinische, Italienische übersetzt und überarbeitet.
Trotzdem hat sein Bericht nicht plötzlich gewirkt. Seine Zeitgenossen Dante und Sanudo erwähnen ihn noch nicht; wohl aber citirt ihn sein persönlicher Freund Pietro di Abano (geb. 1250 in Abano bei Padua, gest. 1316). Den ersten Einfluß auf die Ländergemälde verspürt man in der catalanischen Karte von 1375, wo Vorder-Indien als Halbinsel sich aus den von Ptolemäus gezogenen engen Schranken loslöst und manche Landschaften Indiens und Südchinas ganz richtig gezeichnet sind.
Lith. Kunst-Anst. v. Aug. Kürth, Leipzig
G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin
CHINESISCHES PAPIERGELD AUS DER MING-DYNASTIE (1368–1645).
Facsimile Reproduction in ¼ der natürl. Größe (Original in Paris).
Die erste deutsche Uebersetzung erschien 1477 unter dem Titel: „Das ist der edel Ritter Marcho Polo von Venedig der große Landfahrer, der uns beschreibt die großen Wunder der Welt, die er selbr gesehenn hat. Von dem auffgang pis zu dem undergang der sunnen, dergleychen vor nicht meer gehort seyn. Diß hat gedruckt Friczs Creüßner zu Nurmberg nach cristi gepurdt 1477.“ Im 15. und 16. Jahrhundert wurde Polo’s Bericht von den Kartographen in ausgiebiger Weise gebraucht und auch misbraucht, indem man oft in unkritischer Methode seine Länder und Städte über die Erdräume vertheilte. Trotzdem bildete es das wichtigste Fundament für die Kenntniß des östlichen und südlichen Asien, bis seine unbestimmten Angaben[S. 71] durch bessere, auf mühsamen Landreisen gewonnene Resultate ersetzt werden konnten. Das schönste von allen Resultaten, meint Libri,[41] welches dem Einfluß Polo’s zu danken, sei dieses, daß Columbus durch seine Schilderungen zur Entdeckung der neuen Welt angeregt worden, und daß er, eifersüchtig auf Polo’s Ruhm, es für seine Lebensaufgabe gehalten, Zipangu zu erreichen, von dem der Italiener solche Wunderdinge berichtet habe.
Allein H. Yule (a. a. O. I, 103) bemerkt mit Recht dagegen, daß Columbus die Berichte Polo’s nur aus zweiter Hand kenne und zwar aus einem Briefe Toscanelli’s. Polo’s Namen nennt der Entdecker der neuen Welt nicht. Seine feste Ueberzeugung von der Schmalheit des westlichen Oceans leitet sich nicht aus der Berechnung der Entfernungen asiatischer Länderräume nach Polo’s Angaben her, wonach Ostasien bis weit in den großen Ocean hinein sich erstrecken müßte, sondern stammt von seinem beliebten Gewährsmann, dem Cardinal d’Ailly, welcher seinerseits sich wieder auf Roger Bacon berief.
Ob sich Karten, von Polo’s Hand entworfen, noch länger erhalten, bleibt zweifelhaft. Doch wird erzählt, daß der Prinz Pedro von Portugal 1426 von der venetianischen Signoria eine Karte erhielt, welche entweder ein Original oder eine Copie von einer durch Polo selbst gefertigten Karte gewesen sein soll.
Polo hatte in Asien eine Reihe von Nachfolgern, namentlich glaubenseifrige Mönche, welche zwar nicht so umfassende Reisen wie der venetianische Kaufmann machten, aber doch manche Ergänzungen seines Berichtes brachten und namentlich dazu beitrugen, daß noch längere Zeit das Interesse für die östliche Welt lebhaft erregt blieb.
Der erste unter diesen Missionaren war der Franziskaner Johann von Montecorvino in Süditalien, geb. 1247, gest. um 1328. Derselbe befand sich zu gleicher Zeit mit den Poli in Asien. Im Jahre 1289 vom Pabste entsendet, ging er in Begleitung des Kaufmanns Petrus de Lucalongo nach Persien und weiter nach Indien, hielt sich dort bei den Thomaschristen längere Zeit auf und konnte über Land und Leute manches neue erzählen. Seine Erlebnisse und Beobachtungen sind in einem Briefe niedergelegt, welchen er von Maabar in Ober-Indien 1292 oder 1293 nach dem Abendlande sendete. Indien heißt bei ihm Maebar. Die Bewohner der dekhanischen Halbinsel sind eigentlich nicht schwarz, sondern olivenfarben und von schöner Gestalt. Ihre tägliche Nahrung besteht in Reis und Milch; Brot und Wein kennen sie nicht. Unter den Produkten werden Pfeffer, Ingwer und Bersi (Brasilholz) besonders erwähnt. Montecorvino ist der erste abendländische Reisende, welcher Zimmt als ein wichtiges Erzeugniß Ceylons[S. 72] nennt. Auch kennt er die eigenthümliche Schrift auf Palmblätter. Die jahreszeitlichen Winde (die Monsune) regeln die Schifffahrt, auch die Regen sind an bestimmte Zeiten gebunden. Südlich vom indischen Meere gibt es kein Festland mehr, sondern nur Inseln, und zwar mehr als 12000,[42] von denen aber ein Theil unbewohnt ist.
Von Indien wandte sich Montecorvino nach China an den Hof Kublais; diesen Fürsten, den Gönner Polo’s, fand er aber nicht mehr unter den Lebenden. Kublai starb 1294.
Von Cambalu aus, wo 1305 eine Kirche gebaut und ein Kloster gegründet wurde und wo der Franziskaner das Oberhaupt der christlichen Gemeinde, im Range eines Erzbischofs[43] wurde, schrieb er noch zwei Briefe in die Heimat, im Januar 1305 und im Februar 1306. Ein dritter Brief, oder eigentlich der Schluß des zweiten Briefes, ist später von Menentillus von Spoleto mitgetheilt, woraus man früher die irrthümliche Folgerung zog, daß Menentillus selbst in China geweilt habe. Montecorvino scheint der erste und auch der letzte Erzbischof von Cambalu gewesen zu sein.[44]
Zwischen 1316 und 1318 folgte seinen Spuren ein anderer Ordensbruder Odorich von Pordenone in Friaul. Er nahm seinen Weg über Konstantinopel, Trapezunt und Armenien nach Tebris, wo zwischen 1284 und 1291 bereits ein Pisaner Kaufmann, Jolus oder Ozolus ansässig gewesen war. Ueber Sultanieh und Kaschan ging er nach Jesd. Auf Kreuz- und Querzügen, abseits von dem gewöhnlichen Karawanenwege, scheint er an den persischen Golf gekommen zu sein. Er schildert die beweglichen Sandmassen der Wüsten im Innern Persiens, rühmt die ausgezeichneten Feigen und grünen Trauben von Jesd, besuchte die öden Palasttrümmer von Comerum (wahrscheinlich Persepolis) und ging über Schiras ins Tigristhal hinab nach Bagdad. Am babylonischen Thurme vorbei gelangte er ans persische Meer und nach Ormuz, stieg hier zu Schiff und fuhr auf einem gebrechlichen Fahrzeuge, dessen Planken ohne Eisennägel nur durch Kokosfäden zusammengenäht waren, ähnlich wie es Polo und Montecorvino bereits beschrieben hatten, in 28 Tagen nach Tana auf Salsette nördlich von Bombay und von da nach Malabar (Minibar), wo der beste Pfeffer gedeiht. Dort blühten damals die Plätze Flandrina (Pandarani), eine jetzt verschwundene Stadt, nördlich von Kalikut, und Cyngilin, d. i. Kranganor, südlich von Kalikut, damals der Sitz einer der ältesten Dynastien in Malabar.[45] Um die Südspitze Vorder-Indiens herum ging die Fahrt weiter nach Mobar (Koromandel), wo nach der Ansicht Odorichs der Leib des heiligen Thomas begraben liegt. Auch Ceylon wurde besucht, wo es Vögel mit 2 Köpfen (Tukan) gibt, und von hier auch Mailapur (Madras) erreicht. Eine Seereise[S. 73] von 50 Tagen brachte unsern Glaubensboten an den Nicobaren (Nicoveran) vorbei nach Lamori, einem Reiche von Sumatra.[46] Wegen der Hitze gehen die Einwohner nackt, es herrscht bei ihnen Weibergemeinschaft, wie auch auf der Insel Pagi oder Pagai westlich von Sumatra, und Landcommunismus, auch sind sie dem Canibalismus ergeben. Das Gebiet bringt Gold, Kampfer, Aloeholz, Reis und Weizen hervor. Weiter gegen Süden liegt das Reich Sumoltra. Hier begegnen wir zum ersten Male unverkennbar dem heutigen Namen der Insel, welcher von dem Königreiche auf das ganze Eiland übertragen ist. Nachdem Odorich noch verschiedene Häfen besucht hatte, wandte er sich nach der reichen Insel Java, welche nach seiner Vorstellung, eine arge Uebertreibung — gut 3000 Meilen Umfang hat. An Produkten lieferte diese zweitschönste von allen Inseln Kampfer, Kubeben, Kardamom- und sogar Muskatnüsse. Mit Gold und Silber geschmückte Tempel verkündeten die Macht und den Reichthum der Fürsten. Von hier kehrte Odorich nach dem Norden zurück, berührte die Südküste Borneos, wie sich aus den von ihm erwähnten Produkten Sagomehl, Palmwein, Bambus u. s. w. ergibt, besuchte das Königreich Zampa (Tschampa), wo der König viele gezähmte Elephanten besitzt, und endete in Kanton, im Lande Manzi (Südchina), welches auch Ober-Indien genannt wurde, seine Seereise. Er bezeichnet diesen berühmten Seehafen mit dem Namen Censcalan.[47] Die Stadt liegt eine Tagereise vom Meere entfernt an einem großen Flusse und treibt den ausgedehntesten Seehandel. „Ganz Italien besitzt nicht so viele Schiffe als diese eine Stadt.“ Die betriebsame, dichte Bevölkerung Chinas und seine zahlreichen Städte machten einen gewaltigen Eindruck. Odorich greift wohl etwas zu hoch, wenn er meint, es gäbe in Manzi 2000 Städte, welche größer als Vicenza oder Traviso seien. Allein eine annähernde Zahl von Städten besteht nach der Zusammenstellung Yules (Cathay I, 104) noch jetzt. Von Kanton wandte sich Odorich nach Zayton und von da nach dem Hafen Fuzo (Futscheu). Die weitere Landreise führte sodann durch manche Städte und über ein hohes Gebirge, in welchem zwei verschiedene Menschenrassen hausen, nordwärts zu einem großen Fluß, in welchem er zuerst die Kormoranfischerei kennen lernte, und dann nach Cansay, dem Quinsay Polo’s. In Bezug auf die Größe dieser Weltstadt übertreibt er noch mehr als sein Vorgänger. Die Stadt liegt in den Lagunen wie Venedig, hat 100 Meilen im Umfange und von den 12 Hauptthoren aus erstrecken sich die Vorstädte noch meilenweit ins Land hinein.
Von hier gelangte der Franziskaner nach Chilenfu (Nanking), wo zuerst die Könige von Manzi residirten. Damals hatten die Umfassungsmauern eine Länge von 40 Meilen,[48] jetzt nur die Hälfte. Auf dem großen Strome[S. 74] Talay (Ta kjang oder Yang tse kjang) ging die Fahrt an manchen Städten vorbei zum Schifffahrtscanal, und über den Hwangho endlich nach Cambalech (Peking), wo Odorich 3 Jahre verweilte und einer der von Montecorvino gegründeten Kirchen vorstand.
Als neue Beobachtungen des chinesischen Lebens, welche Polo unerwähnt gelassen, erzählt Odorich, es sei ein Zeichen der Vornehmen, sich lange Nägel wachsen zu lassen, bei einigen werde der Daumennagel so lang, daß er rund um die Hand gehe. Bei Frauen gelte es als Schönheit, sehr kleine Füße zu haben. Daher pflegten die Mütter den neugeborenen Mädchen die Füße fest zu umwickeln, daß dieselben nicht wachsen könnten. Auch beschreibt er zuerst die weißen Hühner mit wollhaarigem Gefieder, welche nur in China heimisch sind.[49]
Ueber den Weg, welchen Odorich auf seiner Heimreise einschlug, wissen wir nur soviel, daß er sich von Peking westwärts ins Binnenland, in das Land Tenduc, welches er für das Reich des Priesters Johann hielt, begab, vielleicht auch Singanfu besuchte und über die Hochgebirge nach Tibet und seiner Hauptstadt Lhasa vordrang. Hier verlieren sich alle Spuren; möglicherweise führte die Route durch Persien über Tebris wieder zurück. Um 1330 gelangte er wieder nach Venedig und starb im Januar 1331 in Udine. Auf einem Theile seiner Wanderung hatte er einen irischen Mönch Jakob zum Begleiter. Er war der erste Europäer, welcher Tibet sah.
Auch auf dem nördlichen Handelswege nach Centralasien fanden sich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts eifrige Glaubensprediger ein, denn der Pabst hatte allen, welche im Dienste der Kirche sich den Mühen und Gefahren unterzogen, unter den Tataren das Christenthum zu verbreiten, denselben Ablaß „a poena et a culpa“ verheißen, wie denen, welche nach Jerusalem pilgerten. So zog 1338 auch der spanische Franziskaner Pascal von Vittoria von Venedig aus, fuhr übers schwarze Meer nach der Krim (Gazaria) und Asow (Tana) und begab sich dann in Gesellschaft einiger griechischer Händler zu Wagen nach Sarai (Sarray), wo er, wahrscheinlich im Ordenskloster der Stadt, über ein Jahr lang verweilte, dann die Wolga (Tygris) hinab ins Meer von Baku (Vatuk), d. i. das kaspische Meer gelangte und nach 12 Tagen Saraitschik (d. h. kleiner Palast) am Uralflusse erreichte.[S. 75] Der Ort liegt gegenwärtig in Ruinen. Pascal war im Stande, mit den Tataren in ihrer Sprache zu verkehren, denn er hatte in Sarai die kumanische (chamanische) Sprache und die uigurische Schrift, welche bis nach China verstanden wurde, sich angeeignet. Vom Uralflusse verfolgte er, nachdem sein bisheriger Begleiter Fra Gonsalvo Transtorna umgekehrt war, seinen Weg allein, ritt zu Kamel durch die turanische Steppe nach Chiwa (Urganth) und predigte dort in der Landessprache. Von da aus drang er ins Reich Tschagatai (Imperium Medium der Abendländer), wurde durch Kriegsunruhen zwar mehrfach aufgehalten, kam aber doch endlich nach Almalik (Armalec) der Hauptstadt von Tschagatai, in der Nähe des heutigen Kuldscha, und verkündigte trotz aller Verfolgung glaubensmuthig die christliche Lehre. Von hier aus sandte er einen Brief, den einzigen, nach Europa, in welchem er über seine Reisen berichtete. Leider ist er, wahrscheinlich schon im nächsten Jahre, 1339 als Märtyrer gefallen.[50] In demselben Jahre erreichte auch ein Kaufmann, Wilhelm von Modena, die Stadt Almalik.
Die letzte große Wanderung quer durch Asien führte der Franziskaner Johann von Marignolli, ein geborener Florentiner (geb. 1290) aus. Auf einen Brief des Großchans, vom Juli 1336, welcher 1338 nach Avignon gelangte, schickte der Pabst Benedikt XIII. eine Gesandtschaft, aus 32 Personen bestehend, im December desselben Jahres von Avignon ab. Unter den Sendlingen befand sich auch Marignolli. Man kam auf dem bekannten Wege über Konstantinopel und Kaffa im Herbst 1339 nach Sarai, wo man überwinterte, und schlug dann die Handelsroute über Urgendsch nach Almalik (Armalec) ein. Hier blieb Marignolli bis 1341 und zog dann über Komul (Kamil) nach Peking, wo die Gesandtschaft bei dem Kaan eine Audienz hatte unter Vortragen des Kreuzes und unter dem Gesange: „Credo in unum deum.“ In Cambalu verweilten sie 3 bis 4 Jahre als Gesandte des Pabstes am kaiserlichen Hofe, dann ging die Wanderung weiter nach dem Hafen Zayton. Die Schilderung, welche Marignolli von China entwirft, ist etwas verworren. So hält er den Hwang ho und den Yang tse kjang für ein und denselben Strom. Von dem Lande Manzi, d. i. Südchina, welches früher unter dem Namen India maxima bekannt war, sagt er, es habe 30,000 große Städte, unter denen Campsay (Quinsay) die schönste, größte, reichste und wunderbarste sei mit zahlreichen Prachtgebäuden und Götzentempeln, in denen bisweilen 1000 bis 2000 Mönche wohnten. Zu Ende des Jahres 1347 segelte Marignolli nach Indien. Unterwegs stattete er auch der Königin von Saba[51] einen Besuch ab und landete dann an der Küste Malabar in Indien in der Stadt Columbum (Quilon oder Kollam). Denn hier verkehrten auch chinesische Handelsschiffe. In Kollam existirte eine Gemeinde von Thomaschristen. Die Vorsteher derselben bewahrten in Folge eines alten[S. 76] Privilegiums das Normalgewicht (statera), mit welchem Pfeffer und andere Spezereien gewogen wurden. Daher nennt Marignolli sie auch „die Herren des Pfeffers“.[52] Bei dieser Stadt errichtete er auch eine Marmorsäule mit Kreuz und salbte es mit Oel. An der Säule befanden sich die Wappen des Pabstes und Marignolli’s mit indischer und lateinischer Schrift. „Ich weihete es,“ erzählt der Bote des Pabstes, „und segnete das Denkmal in Gegenwart einer unendlichen Menschenmenge und wurde auf den Schultern von Häuptlingen in einem Palankin getragen.“ Von da begab sich Marignolli nach Ceylon; aber das Paradies, welches nach Mittheilungen der Eingebornen im Innern liegen sollte, hat er selbst nicht gesehen. Nach der Ansicht des Johannes Scotus ist das Paradies auf dem höchsten Punkte der Erde gelegen und reicht bis in die Mondsphäre hinein. Daher muß das Wasser, welches aus dem Garten Eden entspringt und die Bäume tränkt, mit starkem Falle herabstürzen. Die Singhalesen fanden daher auch bei Marignolli Glauben, wenn sie ihm erzählten, man könne das Rauschen der Paradiesquelle 40 Meilen weit hören. Auf der höchsten Spitze des Berges ist noch der Fußstapfen Adams und das Haus zu sehen, das er selbst gebaut hat.
Auf der Rückkehr von Ceylon nach der Koromandelküste fiel Marignolli mohammedanischen Seepiraten in die Hände und wurde aller Werthgegenstände, die er aus dem Osten mitgebracht, beraubt; aber man schonte seines Lebens und so konnte er über Ormuz, Bagdad, in dessen Nähe er die Ruinen des Thurmes zu Babel (d. h. den Mudschelibe) besuchte, über Mossul, wo er die Ruinen von Ninive gesehen, Haleb und Damaskus nach dem Abendlande heimkehren und 1353 dem Pabste in Avignon das Antwortschreiben des Großkaan überreichen.[53]
Die oft wiederholten Handels- und Missionsreisen zu den Residenzen der tatarischen Großfürsten machen es erklärlich, daß, lediglich um den praktischen Bedürfnissen der Kaufleute zu genügen, Beschreibungen des Weges mit Angabe der Entfernung und Kosten entworfen wurden. Ein solcher Reiseführer ist unter dem Titel „Libro di divisamenti di Paesi“ von dem Italiener Pegolotti zusammengestellt, welcher im Dienste der Handelsgesellschaft Bardi in Florenz zwischen 1315 und 1317 als Factor in Antwerpen und von 1324–27 in Cypern lebte. Daß Pegolotti die Reise nach China selbst gemacht habe, ist nicht erwiesen und auch nicht wahrscheinlich. Der damals übliche Weg ging über das schwarze Meer und durch Südrußland. Unter den allgemeinen Verhaltungsregeln ward als rathsam empfohlen, daß man sich zunächst einen langen Bart stehen lasse. Dann nehme man sich in Tana einen Dragoman und ein paar tüchtige Diener, welche kumanisch verstehen; auch empfiehlt es sich eine Frau mitzunehmen, welche womöglich gleichfalls kumanisch spricht. Dann versorge man sich mit Mehl und Salzfisch, denn[S. 77] Fleisch findet man allenthalben genug. Bewaffneten Schutz braucht man nicht, da die ganze Straße bis China, Dank der Fürsorge der tatarischen Herren, sicher ist. Hat man etwa (nach unserem Geld berechnet) für 240,000 Mark an Waaren, so wird die ganze Reise etwa 3000 bis 4000 Mark kosten. Ein vierräderiger Ochsenkarren mit Filzdach trägt eine Last von 10 Centnern, ein Kamelwagen, zu dem drei Zugthiere gehören, gegen 30 Centner, ein Pferd zieht etwa 6½ Centner.
Was nun die Entfernung und Stationen betrifft, so rechnet man auf den Weg von Tana bis Astrachan (Gintarchan) mit Ochsenkarren 25 Tage, von da bis Sarai 1 Tag, von da bis Saraitschik (Saracanco) am Ural 8 Tage. Von hier kann man zu Land oder zu Wasser weiter reisen. Auf dem Landwege braucht man bis Organci (Chiva) mit Kamelkarren 20 Tage, weiter bis Otrar (Oltrare) an einem Nebenflusse des Syr-Darja südlich der Stadt Turkestan, unter 43° n. B., wieder 35–40 Tage. Von Saracanco direct nach Otrar kürzt sich der Weg auf 50 Tage ab. In Otrar nimmt man Packesel und reiset 45 Tage bis Armalec (bei Kuldscha) und 70 Tage bis Kan-tschou (Camexu). Dann reitet man zu Pferde 45 Tage, bis man an einen chinesischen Fluß[54] gelangt, auf welchem man nach Cassai (Quinsay) kommt und von hier in 30 Tagen die ganze Reise bis Gamalec (Cambalec, Peking) vollendet.
Leider war dieser aufblühende Verkehr mit dem Oriente nicht mehr von langer Dauer; denn als 1368 in China die mongolische Dynastie gestürzt worden war und eine einheimische Fürstenfamilie an die Spitze trat, wurde das Land gesperrt und der Handel völlig abgebrochen. Nur Indien blieb offen. Und hierher kam im 15. Jahrhundert noch ein venetianischer Kaufmann Nicolo de’ Conti, dessen Erzählung nur durch den seltenen Zufall sich erhalten hat, daß Conti auf der Heimreise nach Europa auf dem rothen Meere in die Hände von Piraten gefallen und aus Todesfurcht den Islam annahm, dann freigelassen, sich in seiner Gewissensangst um Ablaß an den Pabst Eugen IV. wandte, welcher von 1439–42 sich in Florenz aufhielt, und dessen Secretär Poggio (Poggius) die Erlebnisse des Reisenden niederschrieb.[55] Der ganze Bericht macht den Eindruck der Treue und Zuverlässigkeit, doch mag wohl Poggio manches auf eigne Hand hinzugefügt haben, so über die Insel Taprobane. Conti hatte sich in seiner Jugend in Aegypten aufgehalten, um Handel zu treiben, war dann flüchtig geworden, weil er das ihm von seinem Vater anvertraute Capital vergeudet hatte, und war mit einer großen Karawane von 600 Köpfen durch das steinige Arabien und über Chaldäa an den Euphrat gereist. Während des Zuges durch die syrische Wüste hatten sie, ähnlich wie Polo, seltsame Erscheinungen, welche nach Angabe von erfahrenen[S. 78] Männern, die dergleichen schon früher erlebt hatten, für Dämonenspuk ausgegeben wurden. Es war, als ob Reiterschwärme vorübersausten. Man wird bei der Schilderung unwillkürlich an das bekannte Gedicht von Freiligrath: Das Gesicht des Reisenden erinnert. Dann kam er nach der Stadt Babilonia am Euphrat, „welche die heutigen Bewohner Baldachia (Bagdad) nennen“.[56] Dann ging es den Fluß hinunter nach Basra (Balsera) und übers Meer nach Ormuz (Ormesia), damals bereits auf der Insel gelegen. Unterwegs berührte er den Hafen Colchum (bei Diego Ribero 1529 Conga, jetzt Kongun, südlich von Schiras).
In einem persischen Hafen, den er Calacatia[57] nennt, hielt er sich längere Zeit auf, um persisch zu lernen. Seine weitere Reise unternahm er dann in der Tracht eines Persers und fuhr in Gesellschaft seiner adoptirten Landsleute zu Schiff nach Cambaya (Cambahita), welches sie nach einer Fahrt von einem Monat erreichten. Cambaya war damals einer der bedeutendsten Hafenplätze Indiens. „Wenn die abendländische Welt zum Genuß hinterindischer und chinesischer Produkte gelangte, so verdankte sie dies zumeist den unternehmenden Kaufleuten und tüchtigen Seecapitänen von Cambaya und Kalikut.“[58] Eine Küstenfahrt führte Conti nach Süden in die Region, welche ausgezeichneten Ingwer liefert.
MAPAMONDI VOL DIR AYTANT CON YMAGE DEL MONDE DE LES REGIONS QVE SON SVS LA TERRA E DE DIVERSAS MANERAS DE GENS QVE EN ELA HABITAN
(Westlicher Teil)
(Östlicher Teil)
Lithogr. Kunst-Anst. v. Aug. Kärth, Leipzig.
G. Grotesche Verlagsbuchhandlung, Berlin.
Catalanische Erdkarte, für König Karl V. von Frankreich 1375 in Mallorca gezeichnet. (Paris, National-Bibliothek.) Zu Gunsten der Deutlichkeit sind einerseits die zahlreichen Compasslinien des Originals weggelassen und ist andererseits das Meer mit einem blauen Ton gedeckt.
Mapamondi, das heisst das Bild der Welt und der verschiedenen Staaten der Welt und der Gegenden, welche auf der Erde sind, der verschiedenen Arten von Völkern, welche auf derselben wohnen. (Und besagtes Bild oder Figur ist rund wie ein Spielball und ähnlich einem Ei, getheilt in vier Elemente. Denn wie das ganze Ei von aussen von seiner Schale umgeben ist, wie die Schale das Eiweiss, und dieses den Dotter umgibt, und darauf der Tropfen des Embryo gebildet ist: so ist diese Welt auf allen Seiten vom Himmel umgeben, wie von der Eierschale, der Himmel umgibt die reine Luft, wie die Schale das Eiweiss; die trübe Luft ist umgeben von der reinen Luft, wie der Dotter vom Eiweiss u. s. w.)
Die Bewohner von Norwegen leben mehr von Fischen und von der Jagd als von Brot. Diese Gegend ist sehr rauh und kalt und gebirgig, wild und voll von Gebüschen. Viel Wild gibt’s hier: als Hirsche, weisse Bären und Gerfalken. Es gibt Hafer, aber nur sehr wenig, wegen der grossen Kälte.
In Irland gibt es viele merkwürdige Inseln, darunter ist eine kleine, wo die Menschen nicht sterben; aber wenn sie sehr alt sind, um zu sterben, trägt man sie von der Insel. Da gibt’s keine Schlange und keine Kröte und keine giftige Spinne; denn das ganze Land duldet kein giftiges Thier. (Da ist auch ein See und eine Insel. Noch mehr, es gibt dort Bäume, die tragen Vögel, wie andere Bäume reife Feigen tragen.) Desgleichen gibt es eine andere Insel in welcher die Frauen nicht niederkommen; wenn aber die Zeit der Entbindung kommt, schafft man sie, der Sitte gemäss, von der Insel fort.
Die glückseligen Inseln liegen in dem grossen Meere linker Hand, an der Grenze des Occidents, aber nicht fern im Meere. (Isidor spricht also in seinem 15. Buche: Diese Inseln heissen Fortunatae.) Denn sie sind reich an allen Gütern, Korn, Früchten, Kräutern, Bäumen und die Einwohner glauben, es sei hier das Paradies, wegen der milden Sonnenwärme und der Fruchtbarkeit des Bodens. (Isidor sagt auch) Die Bäume wachsen hier wenigstens 140 Fuss hoch und tragen viele Früchte und Vögel. Man findet hier Honig und Milch, vorzüglich in der Insel Capria, die nach der Menge der Ziegen, die es hier gibt, benannt ist. Dann ist hier die Insel Canaria, benannt nach den grossen und starken Hunden, welche dort sind. (Plinius, dieser Meister der Geographie, sagt, dass es unter den Fortunaten eine gibt, wo alle Güter der Welt wachsen, ebenso alle Früchte, ohne dass man sie zu säen und zu pflanzen braucht. Auf der Höhe der Gebirge sind sehr wohlriechende Bäume, zu jeder Zeit mit Blättern und Früchten bedeckt. Die Einwohner essen davon einen Theil des Jahres. Die Bewohner Indiens glauben, dass ihre Seelen nach dem Tode diese Inseln bewohnen werden und dass sie dort ewig leben werden von dem Wohlgeruch dieser Früchte. Sie glauben, dass dies ihr Paradies sei, aber, offen gestanden, es ist dies eine Fabel.)
Das Schiff des Jacob Ferrer ging in See nach dem Goldflusse am Tage des heil. Laurentius, am 10. August 1346.
Die Orkney-Inseln, in denselben ist 6 Monate Tag, während die Nacht hell ist, und 6 Monate Nacht, während der Tag trübe ist.
Cap Finisterre, das Westcap Afrikas, hier beginnt (Afrika) und endigt in Alexandrien und Babilonia (Stadt in Aegypten) und umfasst die ganze Küste der Berberei und reicht (bis Alexandrien) gegen Mittag u. Aethiopien (und Aegypten. Man findet in diesem Lande viel Elfenbein wegen der Menge von Elephanten, die hier geboren werden und welche hier an den Strand kommen.)
Thal von Darha (Wadi Draa). Durch diesen Ort ziehen die Kaufleute, welche nach dem Lande der Neger von Guinea reisen.
Dieses ganze Gebiet haben Leute inne, welche sich so einhüllen, dass man nichts als die Augen sieht (Tuarez mit dem Lithmen oder Gesichtsschleier), sie leben in Zelten und reiten auf Kamelen. (Es gibt hier auch Thiere, welche Lemp(?) heissen, aus deren Haut man gute Schilde macht.)
Dieses ganze Gebirge wird in seiner Länge Carena von den Sarazenen genannt und von den Christen die Hellen Berge (vom Schnee) genannt, hat viele schöne Städte und Schlösser, die mit einander Krieg führen und hat Ueberfluss an Brot und an Wein und an Oel und an allen guten Früchten.
Dieser Negerfürst heisst Mussemelly, Herr der Neger von Guinea. Dieser König ist der reichste u. vornehmste Herr dieses ganzen Landes, wegen der Menge Gold, die man in seinem Lande sammelt.
Dieses Meer heisst das deutsche Meer und das Meer von Gotland und Schweden. Wisst, dass dieses Meer 6 Monate im Jahre gefroren ist, nämlich von Mitte October bis Mitte März, so dass man in dieser Zeit mit Ochsenwagen darüber fahren kann, wegen der Kälte des Nordens.
Hier ist der mittlere Theil des Gebirges, über welches sarazenische Pilger ziehen, welche vom Abendlande aus nach Mekka walfahren.
Hier herrscht der König Organa, ein Sarazene, welcher fortwährend mit den Sarazenen an der Küste und mit den andern Arabern Krieg führt.
Stadt Lemberg (Löwenberg); in diese Stadt kommen Kaufleute, welche aus dem Orient anlangen und sich durch das deutsche Meer nach Flandern begeben.
Dieser König führt beständig Krieg mit den Christen in Nubien, welche dem Kaiser von Aethiopien im Lande des Priesters Johannes unterthänig sind.
In diese Stadt Chos (Kosser) bringt man die Spezereien, die von Indien kommen. (Man bringt sie dann nach Babylonia (Kairo) und Alexandrien.)
Dieses Meer heisst das rothe Meer (hier zogen die zwölf Stämme Israels hindurch) und wisst, dass das Wasser nicht roth ist, sondern der Boden hat diese Farbe. Durch dieses Meer geht der grössere Theil der Spezereien, die von Indien (nach Alexandrien) kommen.
Hier ist der Leib d. Jungfrau Katharina (Katharinenkloster). Der Berg Sinai, auf welchem Gott Moses das Gesetz gab.
Hier regiert der Kaiser dieser nördlichen Gegend, dessen Bereich in der Provinz Bolgar (an der Wolgar) beginnt u. in der Stadt Urgendsch endigt. Dieser Fürst heisst Jambech (1342–1356) Herr von Sarai.
In dieser Stadt ist das Grab Mohammeds, des Propheten der Sarazenen, welche aus allen Ländern dahin pilgern u. sie sagen, dass nachdem sie etwas so kostbares gesehen, es nichts mehr gebe, was des Ansehens werth wäre. Dann lassen sie sich zur Ehre Mohammeds blenden.
Es heisst jetzt Bagdad. Wisst, dass man in diese Stadt viele Spezereien und schöne Sachen bringt, die von Indien kommen u. die man dann ins Land Syrien und besonders nach Damaskus schafft.
Vor der Mündung des Flusses von Bagdad das Meer von Indien und Persien. Hier sind Fischereien von Perlen, welche man dann in die Stadt Bagdad bringt. (Und die Fischer sprechen, ehe sie auf den Grund tauchen, ihre Zaubersprüche, um die Fische zu verjagen.)
Wisst, dass diejenigen, welche die Wüste durchreisen wollen, hier anhalten und eine ganze Woche ausruhen in einer Stadt Namens Lop (wo sie und ihre Thiere sich erholen), und wo sie sich mit allem Nöthigen für 7 Monate versehen; denn in der Wüste kann ein Mensch einen Tag und eine Nacht wandern, ehe er gutes Trinkwasser findet; (aber nach dieser Zeit von einem Tag und einer Nacht findet man) so viel, dass es für 50, für 100 Personen und noch mehr ausreicht. Und wenn es geschieht, dass ein Reisender bei Nacht auf dem Pferde einschläft, (oder aus einem andern Grunde seine Kameraden verlässt, so kommt es oft vor) dass er in der Luft zahlreiche Stimmen von Teufeln hört (die der Stimme seiner Gefährten gleichen); dann rufen sie ihn bei seinem Namen und endlich führen die Teufel ihn kreuz und quer durch die Wüste, dass er seine Gefährten nie wieder findet. — Diese Karawane reist vom Kaiserthum Sarai nach China.
Die Stadt Schiras, sonst Gracia genannt; hier wurde die Astronomie zuerst durch den sehr gelehrten Ptolemäus erfunden (?!)
Arabia Saba ist die Provinz, welche die Königin von Saba besitzt. Jetzt gehört sie arabischen Sarazenen. Es gibt dort viele Wohlgerüche als Myrrhe und Weihrauch, sie hat Ueberfluss an Gold, an Silber und kostbaren Steinen, auch findet man hier, wie man sagt, den Vogel Phönix.
(Diese Provinz heisst) Tarsia. Von hier zogen die drei weisen Könige aus, welche mit ihren Geschenken nach Bethlehem in Judäa kamen und Jesum Christum anbeteten; sie sind begraben in der Stadt Köln, zwei Tagereisen von Brügge.
Diese Stadt heisst Ormus. Hier beginnt Indien. Wisst, dass in diese Stadt Fahrzeuge kommen, welche 8–10 Masten haben mit Segeln von Rohr.
Diese Schiffe heissen Dschonken (und haben 60 Ellen Kiel und wenigstens 34 Ellen Oberwerk.) Sie haben 4–10 Masten und ihre Segel sind aus Rohr und Palmblättern.
In dem indischen Meere, wo die Fischereien sind, gibt es mehr reiche Inseln, aber die Fischer machen, ehe sie auf den Grund tauchen, ihren Zauber, wodurch sie die Fische vertreiben; und wenn die Fischer zufällig untertauchen, bevor sie ihren Zauber gemacht haben, werden sie von den Fischen gefressen. Das ist eine ausgemachte Sache.
Der König von Dehli. Hier ist ein grosser, mächtiger u. sehr reicher Sultan; dieser Sultan hat 700 Elephanten und 100,000 Reiter unter seinem Befehl. Er hat auch zahllose Truppen zu Fuss. In dieser Gegend der Erde gibt es viel Gold u. kostbare Steine.
Auf diesen Inseln gibt es viele gute Gerfalken und Falken, welche die Einwohner nur für den Bedarf des Gross-Chans zu fangen wagen, des Herrn und Kaisers von China.
Wisst, die Männer und Weiber dieses Landes, wenn sie gestorben sind, mit Musik und Freudenbezeugung zum Scheiterhaufen getragen werden. (Während die Verwandten des Todten wehklagen) geschieht es bisweilen, dass die Witwen sich ins Feuer stürzen zugleich mit ihren Männern; dagegen die Männer nie mit ihren (gestorbenen) Frauen.
Diese (Trompeten) sind von Metall. Alexander, der grosse mächtige König, liess sie machen. Die Gebirge von Badachschan. Diese Menschen sammeln Diamanten; aber da sie nicht in die Gebirge gelangen können, wo sich die Diamanten finden, so werfen sie sehr geschickt Fleischstücke dahin, wo die Edelsteine liegen und die Steine heften sich an das Fleisch und Vögel nehmen sie da weg. Dann fallen die (am Fleisch klebenden Steine) den Vögeln weg u. so werden sie gefunden, und so fand es Alexander.
Der See Issyk-Kul. In diesem See ist ein Kloster von armenischen Mönchen, in welchen, wie man sagt, der Leib des Heil. Matthäus, des Apostels und Evangelisten ist.
Hier herrscht der König Chabech (Gabak oder Kapak, zwischen 1310 u. 1320), welchen man den Herrn des medischen Reiches nennt. Er war in Emaleck (?)
Hier herrschte der König Stephan. Hier ist der Leib des Heil. Thomas, des Apostels. (Blicke nach der Stadt Butifilis (Motupalla)).
In der Insel Jana (?) findet man viele Bäume, Aloëholz, Kampfer, Sandel, feine Spezereien, Galanga (eine Wurzel), Muskatnüsse, Zimmtbäume, wovon das kostbarste Gewürz von ganz Indien kommt; auch findet man dort Macis und Blätter.
Das kaspische Gebirge, in welchem Alexander so hohe Bäume sah, dass ihr Wipfel in die Wolken reichte. Und mit Hilfe seiner Kunst schloss er dort die Tartaren Gog und Magog ein (und für sie liess Alexander die eben beschriebenen Metallbilder machen.) Ebenso schloss er an diesem Orte auch verschiedene Arten von Menschen ein, die nicht rohes Fleisch essen sollten. Das ist das Menschengeschlecht, mit welchem der Antichrist kommen wird. (Sie werden endlich durch Feuer vernichtet, welches vom Himmel herabkommt, um sie zu vertilgen.)
Hier werden kleine Menschen geboren, welche nur 5 Palmen hoch sind (und obwohl sie klein und unfähig sind, schwere Arbeit zu thun, so sind sie doch im Stande und fähig zu weben und Vieh zu hüten.) Und wisst, dass diese Menschen, wenn sie das 12. Jahr erreicht haben, heirathen und gewöhnlich bis zum 40. Jahr leben.... Und sie vertheidigen sich kräftig gegen die Kraniche und nehmen sie und essen sie. (Hier endigt das Land der Herren von China.)
Der grosse und mächtige König Alexander hätte hier sterben müssen, wenn ihn Satanas nicht durch seine Kunst gerettet hätte.
Der grösste Fürst aller Tartaren heisst Ulu-beg, das bedeutet Gross-Chan. Dieser Kaiser ist viel reicher als alle anderen Kaiser der ganzen Welt. (Diesen Kaiser bewachen 12,000 Reiter.) Er hat 4 Hauptleute, welche jeder 12,000 Pferde unter ihrem Befehl haben. Jeder Hauptmann begiebt sich an den Hof des Herrschers mit seiner Compagnie auf 3 Monate im Jahr und dann die andern der Reihe nach.
In dem Meere von Indien sind 7548 Inseln, von denen wir hier nicht alle wunderbaren Reichthümer, die darin enthalten sind, von Gold, Silber und (kostbaren Steinen) aufzählen können.
Meer der Inseln von Indien, wo die Spezereien sind. In diesem Meere fahren zahlreiche Schiffe verschiedener Völker.
Man findet dort 2 Arten von Fischen, welche man Syrenen nennt, die eine ist halb Frau und halb Fisch, die andere halb Frau und halb Vogel.
Wisst, dass neben der grossen Stadt Cambalech ehemals die grosse Stadt Garibalu lag. Und der grosse Chan fand durch Astronomie, dass diese Stadt sich gegen ihn empören würde. Er liess sie daher zerstören und die Stadt Cambalech bauen. Diese Stadt hat 24 Meilen Umfang und ist mit sehr starken Mauern umgeben. Sie bildet ein Viereck, jede Seite hat 6 Meilen und die Mauern sind 20 Schritt hoch und 10 Schritt dick. Es gibt 12 Thore und einen grossen Thurm, auf dem eine grosse Glocke angebracht ist, welche nach und vor dem Schlaf ertönt. Wenn sie ertönt, darf niemand mehr durch die Stadt gehen. An jedem Thor halten 1000 Mann Wache; nicht aus Furcht, sondern zur Ehre des Herrschers.
Der Antichrist. Dieser wird in Corozaim in Galliläa aufwachsen. Und wenn er 30 Jahre alt ist, wird er in Jerusalem anfangen zu predigen, und gegen alle Wahrheit wird er sagen, er sei Christus, der Sohn Gottes, und man sagt, dass er den Tempel wieder aufbauen werde.
Die Insel Taprobana, diese wird von den Tataren Magno-Caulij genannt; es ist die letzte im Osten. (Auf dieser Insel gibts Menschen, welche von den andern ganz verschieden sind.) In einigen Gebirgen dieser Insel gibt es Menschen von grosser Gestalt, d. h. von 12 Ellen, wie Riesen, sehr schwarz und ohne Vernunft, sie fressen die fremden weissen Menschen, wenn sie dieselben fangen können. (Anklänge an Völker auf Sumatra und Neuguinea.)
Auf dieser Insel gibt es jedes Jahr 2 Sommer und 2 Winter. Die Bäume und Kräuter blühen hier jährlich zweimal (und es ist die letzte indische Insel und hat eine Fülle von Gold, Silber und kostbaren Steinen).
Schutzblatt zur catalanischen Erdkarte mit der Uebersetzung der Legende des Originals. Die eingeklammerten Stellen des Textes sind des beschränkten Raumes wegen aus den Legenden der Karte weggelassen, werden aber hier der Vollständigkeit wegen in der Uebersetzung mitgetheilt. Eingeklammerte einzelne Worte dienen zur Erläuterung.
(Diese Reproduction ist mit Ausnahme der Schriftcharaktere dem Originale, welches auf vier Pergamenttafeln gezeichnet ist, in ⅓ der Länge demselben facsimile nachgebildet.)
Von der Küste wandte sich der Venetianer ins Binnenland, er war der erste Europäer, welcher quer durch die Halbinsel Vorder-Indien zog, und der erste, der später den Ganges hinabfuhr,[59] und besuchte die Stadt Bizenegalia (Bisnagar oder jetzt Widjajanagara, 15° 19′ n. B.) eine damals berühmte, jetzt in Trümmern liegende Residenz, welche später, im 16. Jahrhundert auch von dem Venetianer Cesare Federici erreicht und beschrieben ist. Nach dem Jahre 1567 verfiel die Stadt. Ueber Pelagonda (jetzt Pinakonda) und Cenderghiria (Tschandragiri) drang Conti dann quer durch das Plateau von Dekan vor und erreichte die Ostküste bei Pudifatania (Madras) und Malipuria (Milapur, unmittelbar südlich von Madras, auch St. Thoma genannt), wo der Leib des Apostels Thomas in einer prächtigen Basilica begraben lag. Die ganze Landschaft nennt er Malabar statt Maabar. Die letzte Stadt, welche er hier besuchte, war Cahila. M. Polo nennt sie Cael. Es ist das altindische Kayal und lag etwa zwei Kilometer oberhalb einer der Mündungen des Tamraparniflusses. Kayal war eine Tochterstadt des ptolomäischen Kolchoi, jetzt Kolka, ein Dorf, zwei bis drei engl. Meilen weiter landeinwärts auf der Höhe gelegen.[60] Die Stadt war berühmt durch ihre Perlenfischereien. Von da setzt der Reisende nach der Insel Seilana (Ceylon) über, welche durch ihre Edelsteine: Rubinen, Saphiren und Katzenaugen[S. 79] und durch den Zimmtbaum berühmt war. Mit günstigem Fahrwinde segelte er von da in 20 Tagen, wobei man die Andamanen (Andamaria) zur rechten Hand ließ, nach Sumatra (Sciamuthera bei Conti). Die wilden Bewohner tragen in ihren großen Ohren mit Edelsteinen besetzte Goldringe und kleiden sich in Seide und Leinen. Sie haben Pfeffer, Kampfer und Gold in Fülle. Conti erwähnt hier zuerst die merkwürdige Frucht des Durianbaumes (fructum durianum), welche grün von Farbe und so groß wie eine Gurke von verschiedenem Geschmack gleich geronnener Butter ist. Eine genaue Beschreibung dieser sehr geschätzten Frucht hat A. R. Wallace[61] gegeben. Die Verschiedenartigkeit des Geschmacks, welche Conti hervorhebt, definirt Wallace in folgender Weise: „Ein würziger, butteriger, stark nach Mandeln schmeckender Eierrahm gibt die beste allgemeine Idee davon, aber dazwischen kommen Duftwolken, die an Rahmkäse, Zwiebelsauce, braunen Jerezwein und anderes Unvergleichbare erinnern. Dann ist der Brei von einer würzigen, klebrigen Weichheit, die sonst keinem Dinge zukommt, die ihn aber noch delicater macht. Die Frucht ist weder sauer, noch süß, noch saftig und doch empfindet man nicht den Mangel einer dieser Eigenschaften.“ Auf Sumatra leben in der Landschaft Bathech Menschenfresser, welche die Köpfe der erschlagenen Feinde als Geld gebrauchen. Das Volk der Batta, welches gemeint ist, steht noch in dem übeln Rufe des Canibalismus.
Auf der Rückkehr von dort wurde Conti durch Sturm an die Küste von Tenasserim verschlagen, wo es viele Elephanten und Färbeholz gibt. Von da gelangte er zum Ganges und fuhr den Strom 15 Tage weit hinauf. Der Reisebericht wird von hier ab dunkeler, namentlich auch, weil sich manche der angeführten Ortsnamen nicht deuten lassen. Wahrscheinlich besuchte er noch Arracan (Rachani), stieg über das Gebirge gegen Osten ins Thal des Irawadi hinab und fuhr stromauf nach der alten Hauptstadt Ava des Königreichs Birma. Man scheint dieses Land damals zu Süd- oder Großchina gerechnet zu haben, dessen Namen Conti in der Form Macinum (Ma-tschin) kennt. Von Ava kehrte Conti nach Sittang zurück (Xeython), wandte sich nach Bangkok (Pancovia), wo er vier Monate blieb und fuhr von da nach den Sundainseln. Den ganzen Archipel bezeichnet er mit dem Namen Inner-Indien. Längeren Aufenthalt nahm er in Borneo und Java (Groß- und Klein-Java), deren Bewohner ihm die unmenschlichsten und grausamsten von allen zu sein schienen. Als Beispiel dafür erwähnt er das auf Java übliche Amoklaufen. Conti erzählt auch zuerst von den wundervollen Paradiesvögeln, deren Bälge als Kopfschmuck dienen. Das noch in späteren Jahrhunderten von den Portugiesen vorgetragene Märchen, wonach dieser Schmuckvogel keine Füße haben sollte, hat auch Conti bereits vernommen; doch irrt er darin, daß er den Vogel auf Borneo leben läßt, während derselbe auf den[S. 80] Molukken die Westgrenze seiner Verbreitung findet. Bis zum Jahre 1760 war noch kein vollständiges Exemplar nach Europa gelangt.[62]
Nach einer Fahrt von 14 Tagen erreichte unser Reisender mit seiner Familie, die ihn begleitete, die Gewürzinseln, wo die Muskatnüsse und Gewürznelken gedeihen. Conti nennt die beiden von ihm besuchten Inseln Sandai und Banda. Welche Eilande darunter zu verstehen sind, läßt sich nicht bestimmen; denn der Name Sandai ist jetzt völlig unbekannt und auf der heute Banda genannten Insel wuchsen die Gewürznelken damals nicht. Höchst wahrscheinlich verwechselte er den Gewürzmarkt mit dem Produktionsgebiet. Von da ging Conti nach dem oftbesuchten Tschampa (Ciampa), welches er als Seestadt bezeichnet, und kehrte nun nach Vorder-Indien, nach Kollam, zurück. Ueber Kotschin, Kalikut (Collicuthia) und Cambaya wandte er sich zur Heimkehr, landete unterwegs an der aloëreichen Insel Sokotra (Sochutera), berührte Aden und das an der afrikanischen Küste gegenüberliegende Berbera (Barbora), verweilte längere Zeit in Abessinien, schiffte darauf durchs rothe Meer nach Djidda und kam endlich nach Kairo (Carras), wo er außer sämmtlichen Dienern seine Frau und zwei Söhne an der Pest verlor.[63] Obwohl seiner Zeit die Erzählung Conti’s mehrfach auf Mißtrauen gestoßen ist, so wird doch eine gründliche Prüfung bestätigen müssen, daß ein großer Theil seiner Mittheilungen auf Autopsie beruht und daß sich manche Dunkelheiten aus der mangelhaften Beschaffenheit der erhaltenen Texte erklären lassen.
Die Beziehungen der römischen Kirche zum Orient dauerten auch noch unter Calixt III. (1447–1458) und Pius II. (1458–1464) fort, äthiopische Gesandte kamen nach Rom, von denen schon Poggio Erkundigungen über Aethiopien und die Region der Nilquellen einzog und aufzeichnete, andere Boten gingen nach Persien und Indien, so daß die Kenntniß von diesen Ländern sich immer klarer gestaltete. Auch Kaufleute wagten sich immer häufiger in das Reich der Gewürze, und so konnte Toscanelli in seinem Briefe an den Canonicus Martinez in Lissabon 1474 genaue Schilderungen selbst Chinas nach dem Berichte von Augenzeugen geben, mit denen er selbst verkehrt hatte.
Fra Mauro’s Weltkarte von 1459.
(Original in Venedig).
Längenmaassstab 1⁄10 des Originals.
Alfr. Runge, Geogr.-artist. Inst. Reudnitz-Leipzig.
G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Die Orientirung des Originals ist umgekehrt, Norden unten; daher in dieser nach H. Kiepert gemachten Copie die Contouren genau reducirt, die Gebirge aber dem Charakter des Originals nur ähnlich und die Städte an Stelle der perspectivischen Zeichnungen des Originals durch Signaturen angegeben sind.
Was die Mitte des 15. Jahrhunderts vom Osten Afrikas wußte, läßt sich, wenn auch in unbeholfener Gruppirung dargestellt, auf der in Venedig 1459 entworfenen Weltkarte Fra Mauro’s erkennen. In Abessinien sind der Abai und Takazze als Tributäre des Nil verzeichnet, selbst der Djub (Hebe) findet sich in annähernd richtiger Lage. Vor allem wichtig muß es aber erscheinen, daß an der Ostküste, wo zwar die Insel Madagascar noch fehlt, doch die Erkundigungen über Makdischu (Mogodisco) und Sansibar[S. 81] (zweimal als Xengibar und Chancibar), vielleicht bis zu der Comoren-Insel Mohilla (Mahal) und nach Sofala (Soffala) reichen. Durch die sich weit nach Süden ziehenden afrikanischen Uferlinien wurden später die Hoffnungen, eine Umfahrt um Afrika zu ermöglichen, wesentlich bestärkt.
Wenden wir uns wieder der Westseite Afrikas zu, so ist unsere nächste Aufgabe, nachzuweisen, wie die Kenntniß hier, nachdem um die Mitte des 14. Jahrhunderts die Grenze des Wissens alter Zeit wieder erreicht worden war, unter besonders günstigen Umständen rasch und planmäßig vorwärts rückte.
Unter den damals bekannt gewordenen westafrikanischen Inselgruppen waren nur die Canarien bewohnt gefunden. Hier saß das Volk der Guanchen, wie die Spanier den Namen schreiben, ein starker kräftiger Menschenschlag von blondem Haar und heller Gesichtsfarbe, deren Nachkommen noch in jüngster Zeit einen deutschen Reisenden an den ächt sächsischen, westfälischen Typus erinnern konnten.[64] Und in der That hat Löher auch den Beweis angetreten, daß die Wandschen (Guanchen) germanischer Abkunft seien, und sich höchst wahrscheinlich ans den Trümmern der von Belisar niedergeworfenen Vandalen und durch Tarik bei Jerex besiegten Westgothen gebildet hätten. Unter den beigebrachten historischen Zeugnissen ist hier namentlich die Deutung hervorzuheben, welche die Sage von der Flucht eines Erzbischofs und mehrerer Bischöfe auf die Inseln des Westmeeres erhielt, von welcher oben (S. 21) berichtet ist. Danach ist dann der Name Wandschen identisch mit Vandalen. Aber auch in Bezug auf den Nationalcharakter, die Sitten und Anschauungen, die Art der Ansiedlungen und der staatlichen Verfassungen bieten sich so manche Analogien mit altgermanischem Wesen, daß wir uns der überraschenden Beweisführung Löhers nicht verschließen können. Unverkennbar, aber auch ganz erklärlich, war die Sprache der Wandschen mit berberischen Elementen durchsetzt. Im Jahre 1384 machten zuerst spanische Mönche den Versuch, die Bewohner auf Groß-Canaria zum Christenthum zu bekehren, fanden aber thätigen Widerstand und büßten endlich 1391 alle ihren Glaubenseifer mit dem Tode. Planmäßiger begann 1402 Jean de Bethencourt aus Rochelle das Werk; er segelte von La Rochelle aus, landete auf Lanzarote mit einigen 50 Mann und baute eine kleine Citadelle. Aber sie vermochten sich bei ihrer geringen Anzahl doch nur mit Mühe zu halten. Daher suchte Bethencourt in Spanien Hilfe, welche ihm auch um den Preis der Lehnsabhängigkeit von Castilien gewährt ward.[S. 82] Nun begann ein mehrfach unterbrochener Kampf gegen die Selbständigkeit der einheimischen Dynasten, in welchem zunächst die Stämme auf Lanzarote, Fuertaventura und Ferro erlagen und das Christenthum annahmen. Die andern Inseln wurden erst gegen Ausgang des Jahrhunderts bezwungen. Gran-Canaria erlag nach 13jährigem Kampfe 1483, Palma beugte sich 1491 und erst 1496 wurde auch Teneriffa erobert. So kamen die Canarien unter spanische Botmäßigkeit und damit ging ein nicht unwichtiger Stützpunkt für die maritimen Unternehmungen den Portugiesen verloren, welche kurz nach dem Erscheinen Bethencourts ihre glänzende Entdeckerlaufbahn eröffneten, und zwar unter der Führung des Prinzen Heinrich, welcher am Cabo Vicente im südwestlichen Portugal seinen Sitz aufschlug und von hier aus die Seefahrten leitete, die den westlichen Saum Afrikas entschleiern sollten.
Dort am Cabo de São Vicente, zugleich dem südwestlichsten Vorsprunge Europas, ist ihm auch in unserem Jahrhundert zum Ehrengedächtnisse ein Marmordenkmal über dem Hauptthore der kleinen Festung Sagres errichtet, welches in der Mitte das portugiesische Wappen, links ein Seeschiff mit vollen Segeln, rechts eine Armillarsphäre zeigt. Darunter ist folgende Inschrift in lateinischer und portugiesischer Sprache angebracht: „Aeternum sacrum! An dieser Stelle hat der große Prinz Heinrich, Sohn Johanns I., Königs von Portugal unternommen, die vorher unbekannten Regionen von Westafrika zu erforschen und so durch Umschiffung Afrikas einen Weg bis zu den entlegenen Theilen des Ostens zu bahnen und hat auf eigne Kosten sein königliches Schloß, die berühmte Schule der Kosmographie, das astronomische Observatorium und das See-Arsenal errichtet und hat dasselbe bis an sein Lebensende mit bewunderungswürdiger Thatkraft und Ausdauer erhalten, gefördert und erweitert zum größten Segen für das Reich, für die Wissenschaft, für die Religion und für das ganze Menschengeschlecht. Als seine Expeditionen den 8. Grad nördlicher Breite erreicht hatten, als manche Insel im Ocean entdeckt und mit portugiesischen Colonien besetzt war, starb dieser große Prinz am 13. November 1460.“[65]
Der Infant Dom Enrique, der später den Beinamen des Seefahrers erhielt, war das fünfte Kind des Königs Johann und am Aschermittwoch, am 4. März 1394 in Oporto geboren. Im Kampfe gegen die Mauren vor Ceuta gewann er 1415 die Rittersporen. Er hatte sich dabei in persönlicher Tapferkeit so hervorgethan, daß der Pabst, der deutsche Kaiser Sigismund, die Könige von Castilien und von England ihn zu gewinnen suchten und seinem Arm die Führung ihrer Truppen anvertrauen wollten. Der Pabst Martin V. wünschte das Schwert des Infanten gegen die Türken zu richten, der Kaiser ließ auf dem Concil zu Constanz durch den portugiesischen Gesandten dem tapferen Prinzen ähnliche Anträge stellen.
Aber Heinrich hatte nach der Eroberung Ceutas seine Aufmerksamkeit auf das weiter südlich gelegene Afrika gerichtet, er wollte Guinea zu erreichen[S. 83] suchen. Allein Guanaja oder Ganaja war ein nur durch dunkle Gerüchte erkundetes Land; keines Europäers Auge hatte es bis dahin gesehen. Aber von dem Reichthum dieses Gebietes berichtet schon die catalanische Karte von 1375. Wir sehen hier im Lande GINVIA bei Tenbuch (Timbuktu) einen Negerfürsten mit Scepter und Reichsapfel thronen, neben welchem sich die Inschrift befindet: Aquest Senyor Negre es appellat Mussemelly, senyor de les Negres de Gineua, aquest rey es lo pus rich e pus noble senyor de tota esta partida per l’abundancia de l’or qual se recull en sua terra. (Dieser Negerherr ist Mussemelly [König von Melli] genannt, Herr der Neger von Guinea, dieser König ist der reichste und vornehmste Herr dieser ganzen Gegend durch die Fülle von Gold, welche man in seinem Lande sammelt.) Die Landstriche jenseits Cap Bojador hatte noch niemand besucht.[66] Es mußte für Portugal vortheilhaft erscheinen, allein unter allen Europäern Handelsbeziehungen mit den Völkern Guineas anzuknüpfen, bei denen kein Mitbewerb drohte.
Prinz Heinrich der Seefahrer.
Nach dem Miniaturegemälde in der
1448–1453 entstandenen Handschrift
„Chronica do descobrimento e
conquista de Guiné etc.“
(National-Bibliothek zu Paris.)
Prinz Heinrich hatte dabei noch einen andern Zweck im Auge. Er wollte die Ausdehnung der Macht seiner Landesfeinde, der Mauren kennen lernen. Man hatte nämlich in allen Berührungen und Conflicten mit diesem Gegner nie gesehen, daß ihnen aus weiter südlich gelegenen Gebieten ein Fürst zu Hilfe gekommen war. Er wollte darum erforschen, ob in diesen Ländern nicht christliche Mächte, vielleicht Nachbarn des bekannten Priesterkönigs Johann, säßen, welcher bereits nach der Vorstellung der catalanischen Karte Emperador de Etiopia war. Er wollte versuchen, ob man nicht von Süden her den Krieg gegen die Mauren erregen könne, um sie von zwei Seiten zu fassen; denn es schien ihm nicht unwahrscheinlich, den Beistand jener Fürsten um des Glaubens willen und aus Liebe zu Christo gewinnen zu können. Auch stand das Verlangen des Prinzen dahin, das Licht des Christenthums selbst in die dunkeln Erdstriche zu tragen. Und endlich trat noch ein wichtiges, in jenen Zeiten nicht angezweifeltes astrologisches Moment hinzu. Sein Horoskop wies den Infanten bestimmt auf die Entdeckungen hin. Azurara hat dasselbe mitgetheilt, es lautet danach: „Da sein Ascendent (d. h. das bei seiner Geburt aufsteigende Haus) der Widder war, welcher das Haus des Mars ist, wo die Sonne sich in Exaltation befindet (d. h. den größten Einfluß übt), und da sein Herr (Mars) im eilften Hause (d. h. nahe bei der Sonne) und im Wassermann steht, welcher das Haus des Saturns ist, so bedeutet es, daß er zu großen Eroberungen berufen war und ganz besonders zur Aufsuchung von Dingen, die andern Menschen verborgen waren, denn Saturn ist der Hüter der Geheimnisse. Und da sein Stern von der Sonne begleitet ist, die Sonne aber im Hause des Jupiter steht, so wird damit angedeutet, daß alle seine Thaten und Eroberungen durchaus loyal und zur Zufriedenheit seines königlichen Herrn geschehen sollten.“[67] (Azurara, Chron. cap. VIII p. 48. 49.)
Und so legte er mit Genehmigung des Königs am Vorgebirge von Sagres in Algarve, dessen lebenslänglicher Gouverneur er war, das erste astronomische Observatorium in Portugal, das See-Arsenal, die Kosmographenschule und seine Residenz an, in welcher er alle wissenschaftlichen Kräfte seines Landes zu vereinigen strebte, während der nahgelegene Hafen von Lagos seine Flotten barg. Die Klippe von Sagres bildet eine etwa 200 Fuß hohe, kolbig in den Ocean vorspringende Felsenplatte, von der Länge einer Viertelmeile. Diese Felsenbank, von dem Salzschaum des Oceans übersprüht, bietet nur die spärlichste Vegetation, aber sie war wohl geeignet, den Blick von dem Festlande ab ganz allein aufs Meer hinauszulenken und von hier die Befehle zu ertheilen, wie der Schleier, der die Geheimnisse des Saturn bedeckte, sollte gelüftet werden. Zwar hat das furchtbare Erdbeben, welches im Jahre 1755 Lissabon zerstörte, auch die meisten damals noch existirenden Gebäude aus[S. 86] alter Zeit über den Haufen geworfen; allein es lassen sich doch die Umrisse und die wahrscheinliche Lage der wichtigsten Baulichkeiten aus den Zeiten des Seefahrers angeben. An der nördlichen schmalen Einschnürung der kleinen Halbinsel, gegenwärtig durch Befestigungen gedeckt, lag die Kirche, weiter südwärts erhebt sich über dem fundamentalen Rundbau des ehemaligen Observatoriums das Pulvermagazin der Citadelle. Auf der Nordostseite lag der Hafen.
So erscheint uns noch in allgemeinen Zügen der ehemalige Sitz des Prinzen, die Villa do Iffante, wie sie genannt wurde. Hier herrschte der Mann, der eine neue Zeit für die wissenschaftliche Beherrschung der Erde heraufführen sollte, der ein Bahnbrecher wurde durch das pfadlose Weltmeer.
Zeitgenossen haben uns sein Bild getreulich bewahrt. Man beschreibt ihn als einen Mann von hoher Gestalt, kräftigem und starkem Körperbau. Seine Miene war ruhig, seine Rede fest. Sein erster Blick hatte etwas Zurückschreckendes für diejenigen, welche ihn nicht kannten, und etwas Wildes, wenn er in Zorn gerieth, was ihm aber höchst selten widerfuhr. Ehrbarkeit herrschte in seinen Reden und Handlungen, Einfachheit in seiner Kleidung und Hofhaltung. Der Grund davon lag in der Reinheit seines Herzens und seiner Sitten. Asketisch streng enthielt er sich des Weines und des Umgangs mit Frauen. Er besaß viel Beharrlichkeit und Gewalt über seine Leidenschaften; im Glück wie im Unglück war er bescheiden und so geneigt, Fehler zu verzeihen, daß man ihn darüber nicht selten getadelt hat. Aber in wichtigen Unternehmungen zeigte er die größte Entschlossenheit und ein zähes Ausharren.
Er fand großes Vergnügen daran, junge Leute für seine Zwecke heranzubilden und so wurde sein Hof eine Pflanzschule des jungen Adels. Gastfrei gegen Einheimische und Fremde, zog er tüchtige Männer aller Nationen heran und keiner nahm Abschied, ohne Beweise von dem Edelsinn des Prinzen empfangen zu haben. In strengen Anforderungen an sich selbst gab er allen ein leuchtendes Vorbild. Jeder Tag gehörte angestrengter Arbeit, unzählige Male hat er sich sogar den Schlaf geraubt. Die Mittel zu den jahrelang wiederholten Fahrten flossen ihm aus den Einkünften des Christusordens, dessen Großmeister er war. Der Zweck dieses reichen Ordens war die Bekehrung der Heiden, und so ließ er zunächst die Länder der Ungläubigen aufsuchen und zog Erkundigungen ein über das Sudan, erhielt Nachricht von den Karawanen, welche bis zum Senegal oder nach Timbuktu zogen und sendete so seine Schiffe hin, den großen Strom zu finden, den die Eingeborenen Owedesch, die Portugiesen nach dem Volksstamm der Sanaga, oder Azanaghen Sanaga, d. i. Senegal nannten.
Aber die Schifffahrt lag damals bei den Portugiesen noch in der Wiege. Es waren kaum hundert Jahre verflossen, seit durch die ersten Fahrten der Venetianer nach England und Niederland Lissabon zu einer Haltestation auf halbem Wege von Italien nach den Häfen der Nordsee geworden und[S. 87] die Portugiesen durch den fremden Verkehr angeregt, die ersten Versuche auf dem flüssigen Elemente wagten. Aber noch zu den Tagen des Infanten, dem die Nachwelt den Namen des Seefahrers gegeben, hielt man sich bei allen Fahrten ängstlich an der Küste und fürchtete sich, das Land aus dem Gesichte zu verlieren. Zwar war bereits die Kraft und Tugend der Magnetnadel bekannt, ja man besaß sogar Boussolen; aber die Anwendung war noch gering, so lange das Instrument selbst noch unvollkommen und schwankend dem ängstlichen Schiffer kein Zutrauen erweckte.
Der große Geschichtsschreiber der Portugiesen João de Barras schildert uns die Fahrweise seiner Landsleute in folgenden Worten: „Der Infant hatte schon mehremale Schiffe auf Entdeckungen ausgesendet, aber sie kamen nicht weiter als bis an das Cap Bojador (das „vorspringende“), welches ungefähr 60 Seemeilen jenseits des Cabo de Não liegt. Sie getrauten sich nicht, dieses Vorgebirge zu umsegeln, theils weil es sich gegen 40 Seemeilen westlicher hinaus erstreckte als die Küsten, die sie bisher befahren hatten, theils weil von dem Vorgebirge über 6 Leguas in das Meer ein Riff hinauslaufen sollte, auf welchem die Brandung so gewaltig schäumte, daß es ihnen Schrecken verursachte,[68] denn da ihnen sonst auf ihren Reisen nach der Levante und zurück die Küste immer statt des Compasses gedient hatte, so verstanden sie noch nicht, so weit in die See hinauszustechen, daß sie das Riff vermieden hätten. Die Capitäne begnügten sich also damit, auf ihren Rückreisen hier und da an den Küsten zu landen, und mit den Mauren zu scharmützen, um mit ihren Siegen dem Infanten Vergnügen zu machen. Allein damit war sein Endzweck nicht erreicht.“
Die physischen Schwierigkeiten, oder richtiger gesagt die technischen Schwierigkeiten waren es keineswegs allein, welche die Expeditionen zur Umkehr trieben. Wir werden noch andere kennen lernen; zunächst aber scheint es angemessen, die Westküste Afrikas, an der die Schiffer ängstlich südwärts schlichen, in ihren allgemeinen Zügen zu charakterisiren.
Wie der ganze Gestadesaum des plumpen Erdtheils auffällig arm an markirten Contouren vorspringender Glieder oder ins Land eindringender Buchten ist, so vor allem und im höchsten Maße die Nordwestküste von den Säulen des Herkules bis zum grünen Vorgebirge. Auf dieser ganzen Strecke von 400 Meilen, mit geringer westlicher Ausweichung in der Richtung von N.-O. nach S.-W. verlaufend, mündet kein Fluß, in welchem ein Schiff ankern könnte, mit Ausnahme des Senegal, 20 Meilen nördlich vom grünen Vorgebirge. Das Aussehen des Landes bleibt sich fast überall gleich: ein flacher Küstensaum, meistens mit Dünen besetzt, zur Hälfte der großen Wüste, der Sahara angehörig, wird gegen Süden immer öder und grauenvoller. Vierzig bis fünfzig Seemeilen in das Meer hinaus lagerte über den allenthalben[S. 88] seichten Fluten eine trübe Atmosphäre. Die Ursache dieser Erscheinung, welche natürlich eine zaghafte Marine, die das dunstverhüllte Land aus den Augen zu verlieren fürchtet, mit steter Besorgniß erfüllte — die Ursache hat man bisher nur den feinen Staub- und Sandtheilchen zugeschrieben, welche aus den Wüsteneien des Innern aufgewirbelt, und dann allmählich übers Wasser hinausgetrieben, hier die schweren Theilchen sinken lassen und das Meer mit Untiefen füllen, die leichteren in dem Luftraum schwebend erhalten, bis sie erst nach Hunderten von Meilen draußen im freien Ocean langsam sich zum Wasserspiegel senken. Indes darf eine zweite Ursache nicht unbeachtet bleiben, daß nämlich durch das Zusammentreffen ungleich erwärmter Luftschichten nebelartige Dunstbläschen sich bilden, die durch die daran haftenden feinsten Staubtheilchen den Horizont noch mehr umschleiern, trotz der Abwesenheit von schweren Wolkenschichten das Himmelsgewölbe niederzudrücken scheinen und mit eigenthümlich mattem Licht den Schiffer umgeben.
Theobald Fischer[69] macht noch auf einen bisher übersehenen Factor aufmerksam, daß nämlich höchst wahrscheinlich ein kalter, unterseeischer Strom an der Westküste der hesperischen Halbinsel und Afrikas emporsteige, dem die häufigen Nebel von Galicien bis Marokko zu danken seien. Gerhardt Rohlfs fand in Agadir, daß die Sonne den Nebel selten vor Mittag besiegte und erfuhr von den Leuten, daß diese starken Nebel selbst im hohen Sommer bis zur Mittagszeit andauerten.
Die Schrecken eines „Dunkelmeeres“, von dem die Geographie des Mittelalters manches Unheimliche zu erzählen weiß, finden in diesen Erscheinungen ihre Erklärung. Diese dichten Nebel treten namentlich im Winter auf und sind von einem kalten und trocknen Nordost begleitet, der wohl auch die Ursache ist, daß das Tageslicht einer Dämmerung weicht, in welcher noch jetzt Schiffe in der Nähe der Küsten gezwungen sind, vor Anker zu gehen, bis das Wetter sich wieder aufhellt.
In der That, der Ocean schien der jugendlich aufstrebenden, portugiesischen Flotte einen zäheren Widerstand entgegenzusetzen als die Heere der Moriscos, und wohl gar vielen ein unüberwindlicher Gegner zu sein, nur nicht dem Infanten, der ihm mit einer Zähigkeit und Ausdauer entgegentrat, welche allen seinen Seeleuten bedenklich, wenn nicht geradezu tollkühn und wahnwitzig vorkam. Zwanzig Jahre hatte der Prinz, unbekümmert um das Murren seines Volkes, ohne Resultat des Vorwärtsdringens gerungen. Er mag wohl oft unter seinen Leuten die sprichwörtliche Warnung vernommen haben: Wer das Cabo de Nao umfährt, weiß nicht, ob er je wiederkehrt. „Die Furcht,“ sagt de Barros, „vor dieser Fahrt war so groß, daß es dem Infanten schwer ward, Leute in seinen Dienst zu bekommen; zumal da das[S. 89] Volk laut murrte, daß er dem vaterländischen Boden seine Bewohner entzöge, um sie auf den Meeren oder in entfernten wüsten Ländern umkommen zu lassen.“
Unter diesen entfernten wüsten Ländern faßte man aber nichts geringeres zusammen als die ganze heiße Zone. Man weiß, daß das gesammte Mittelalter in seiner wissenschaftlichen Erkenntniß der Erdoberfläche lediglich sich noch von den Brosamen nährte, die von dem Tische der Reichen — der Griechen und Römer des Alterthums — gefallen waren. Seit den Zeiten des letzten großen Geographen von Alexandria bis zum Prinzen Heinrich waren mehr als tausend Jahre verflossen, ohne daß die Entwicklung der physischen Geographie einen Schritt vorwärts gethan hätte. Der Autoritätsglaube, so charakteristisch für das gesammte Mittelalter, hielt auch noch die Zeitgenossen des Infanten in beklemmende Schranken gebannt.
Die Alten kannten die südlichen Grenzen der großen afrikanischen Wüste nicht, ihre Kunde reichte kaum über die nördliche Oasenreihe hinaus. Aber die zunehmende Verödung gegen Süden, das völlige Absterben aller Vegetation konnte die theoretisch allzeit schlagfertigen griechischen Philosophen leicht zu der Behauptung hinreißen, die ganze heiße Zone sei unbewohnbar. Schon Aristoteles hatte diesen Satz aufgestellt und wenn man weiß, daß Aristoteles sich im späten Mittelalter fast gleichen Ansehens mit der Bibel erfreute, dann darf man nicht erstaunen, daß auch das 14. Jahrhundert noch glaubte, was der große Weltweise von Stagira gesagt, was der letzte Meister der Erdkunde, Ptolemäus bestätigt, was die Wiedererwecker des Aristoteles, die arabischen Gelehrten anerkannt und selbst ein so vielseitig gebildeter Mann wie Albertus Magnus noch im 13. Jahrhundert nur dahin zu modificiren wagte, daß möglicherweise an den Küsten und Inseln der heißen Zone organisches Leben eine kümmerliche Existenz erzielen könne.
Wenn nun der Infant seine Schiffe in diese unwirthlichen Regionen hinausschickte, wo sie allein auf sich angewiesen im Kampfe gegen die allmächtigen Naturgewalten, wo Land und Luft und Wasser in der feindlichsten Gestalt erschien, als todtenstarre Wüste, als trübverhüllter Luftraum, als zähe unter dem senkrechten Sonnenstande fast zu Leim verdickte See — war es unter der Herrschaft solcher Vorstellungen nicht Menschenpflicht und Nächstenliebe, gegen die nutzlosen Menschenopfer einer unbegreiflichen Fürstenlaune sich zu erheben?
Und doch blieb der Infant fest, doch blieb er seinem schönen Wahlspruche: talent de bien faire getreu. Die wichtigsten Expeditionen der ersten Decennien waren folgende: 1416 wurde Gonzalo Velho über die Canarien hinausgesandt, 1419 geriethen João Gonçalves Zarca und Tristão Vaz Teyxeyra vom Sturm verschlagen nach Porto Santo und kehrten im nächsten Jahre mit dem Piloten Juan de Morales nach Madeira zurück, und 1431 wurden durch Goncalo Velho Cabral die ersten Inseln der Açorengruppe gefunden.
Dabei stand der Infant mit seinen Plänen und Zielen weit über seinen Gehilfen. Wir finden unter den Leitern der Expeditionen Leibpagen und Mundschenken des Prinzen, welche also wohl die Intentionen des Prinzen kennen mußten; aber sie kannten kein höheres Ziel als sich mit Mauren und Negern herumzubalgen und Menschen zu stehlen. Man kann von jeder Fahrt fast die Kopfzahl der Menschenbeute nachweisen, allein die wissenschaftlichen Erfolge ihrer Sendung, die nautischen Resultate bleiben vielfach unerwähnt. Die Portugiesen waren zu sehr ritterliche Raufbolde, als daß sich im Fluge Seeleute, geschweige denn gleich Seehelden aus ihnen gestaltet hätten.
Als Beispiel ihres Verfahrens und Gebahrens sei hier die mit 14 Schiffen ausgerüstete Expedition des Lanzarote erwähnt, der, als die durch Sturm verstreuten Fahrzeuge bei einer Insel an der Küste sich wieder zusammengefunden hatten, vor allem darauf bedacht war, die auf der Insel lebenden Mauren zu fangen. Allein diese waren bei Nachtzeit aufs Festland entwichen und höhnten von hier aus die hintergangenen Portugiesen. Zwei junge Edelleute an Bord des einen Schiffes sprangen, empört über das Hohngeschrei, mit ihren Waffen über Bord und schwammen ans Land, um die Mauren zu züchtigen. Wie diese sie kommen sahen, liefen sie ihnen mit Geschrei entgegen, wodurch auch das übrige Schiffsvolk in Bewegung kam. Alles, was schwimmen konnte, sprang ins Wasser, um die beiden Jünglinge zu unterstützen, und es kam am Ufer zu einem Gefechte, in welchem viele Mauren getödtet und 57 gefangen wurden. In der Nacht griffen die Portugiesen noch ein Dorf an, welches 7 Meilen davon am Ufer lag und wohin, nach der Aussage der Gefangenen, die Mauren geflohen waren. Sie fanden aber ein leeres Nest, weil die Bewohner, gewarnt durch die Flüchtlinge, sich mit ihren Herden vom Ufer entfernt hatten. Wie sie des Morgens zurückkehrten, wurden jedoch noch ihrer fünf aufgegriffen.
Und bei solchem Raubsystem waren die Portugiesen noch naiv genug, zum Zeichen ihrer Heldenthaten, den Wahlspruch ihres Herrn: talent de bien faire in die Bäume einzuschneiden.
Zwar kommen nicht alle diese Heldenthaten auf Rechnung jener Geschwader, die der Prinz selbst aussendet, denn er gestattete gegen eine Abgabe vom Gewinn auch anderen, auf Entdeckungen und Abenteuer auszuziehen; ja er ermuthigte dazu. Allein er blieb doch der Mittelpunkt und oberste Leiter. Daß er aber, wie wohl behauptet ist, gleich anfangs einen Seeweg nach Indien habe suchen wollen, ist nirgends gesagt; ein solcher Plan, gleichsam die schönste Frucht aller Arbeiten Dom Enrique’s, entwickelte sich erst allmählich und reifte erst nach des Seefahrers Tode.
Den ersten namhaften Fortschritt in den afrikanischen Fahrten verzeichnet das Jahr 1434. Gil Eannes, ein Page des Infanten, hatte gegen den Befehl seines Herrn Menschen geraubt. Um die Gunst des Fürsten wieder zu gewinnen, setzte er sein Leben daran, das berüchtigte Cap Bojador, das selbst nach 12jähriger Anstrengung nicht zu überwinden gewesen war, zu be[S. 91]zwingen. Das, wie man meinte, unmögliche Wagniß gelang ohne Unfall, und kühner und sicherer gemacht, erreichte sein Nachfolger Affonso Gonçalez Baldaya den Goldfluß, Rio d’Ouro und damit den nördlichen Wendekreis, also die Grenze der heißen Zone. Am Strande gefundene Fischernetze wiesen darauf hin, daß auch hier das Land noch Menschen beherberge. Die alte Theorie von der Unbewohnbarkeit der heißen Zone begann zu wanken, ohne jedoch zusammenzubrechen, denn man befand sich ja erst am Saume des gefürchteten Erdstriches.
Aber am Cap Bojador war das Thor der heißen Zone geöffnet und Schiff folgte nun auf Schiff; man erreichte unter Nuño Tristão 1441 das Cap Branco und zwei Jahre später unter Leitung desselben Capitäns die Bucht von Arguim. Es ist zu beklagen, daß der Prinz anfänglich den Befehl ertheilt hatte, die Bevölkerung an der Bucht und auf den kleinen Inseln erst zu tödten oder gefangen zu nehmen, ehe man die Entdeckungen fortsetze. Er sah auch bald den großen Fehler, den er damit begangen ein, und verbesserte ihn, ehe es zu spät war. Die Bewohner des Wüstenrandes konnten, wenn man sie in ihren gewohnten Verhältnissen ungestört ließ, und sich mit ihnen in ein freundschaftliches Einvernehmen setzte, den Portugiesen bei ihren Erkundigungen über das Binnenland wesentliche Dienste leisten. Die Insel Arguim wurde für den Mittelpunkt dieses neuen Verkehrs erklärt und erhielt die erste bleibende Niederlassung der Portugiesen nebst einem Castell zum Schutze der Handeltreibenden. Der Tauschverkehr entwickelte sich mit den Azanaghen sehr bald, und wenig Jahre nach der Entdeckung schon sandte eine Handelsgesellschaft in Lagos, dem Hafen östlich von des Prinzen Villa, eine Flotte von sechs Schiffen aus.
Später brachten die portugiesischen Schiffe nach Arguim farbige Tücher, allerart Leinwand, wollene Mäntel, Sättel, Steigbügel, Schüsseln, Honig, Silber, Gewürze, rothe Korallen und Getreide und tauschten dafür Negersklaven aus Guinea, Gold von Timbuktu, Büffelfelle, Gummi, Zibethkatzen, Straußeneier, Kameele, Kühe und Ziegen ein.[70] Die ersten Erfolge waren so verlockend, daß der Prinz Heinrich den Handel nach Arguim an eine Handelsgesellschaft verpachten konnte.
Nun endlich schwiegen auch die Gegner der Seefahrten und das Interesse für die Unternehmungen, welche von Sagres aus geplant wurden, wuchs bald so mächtig, daß man die leicht erregten Portugiesen zügeln mußte. Man schränkte, indem man die Entwicklung einer tüchtigen Handelsflotte im Auge behielt, die Raub- und Abenteurerzüge durch Gesetze ein und monopolisirte sogar den afrikanischen Handel.
Der zweite große Fortschritt in der weiteren Entdeckung geschah im Jahre 1445. Er knüpft sich an den Namen des kühnen Diniz (Dionysius)[S. 92] Dias, eines Vorfahren des bekannteren Bartolomeu Dias, welcher 26 Jahre nach dem Tode des Prinzen Heinrich das Cap der guten Hoffnung umsegelte. Diniz Dias hatte sich bereits im Dienste des Königs Johann I. (bis 1433) ausgezeichnet. Der Prinz rüstete ihm eine kleine Caravele aus und Diniz nahm sich vor, ganz den Plänen seines Herrn folgend, ohne sich auf Handelsverkehr mit den Küstenbewohnern einzulassen, weiter südwärts vorzudringen als alle seine Vorgänger und das Land der schwarzen Mohren, wie man die Neger im Gegensatz zu den weißen Mohren, den Berbern und Mauren, zu nennen pflegte, zu erreichen. So fuhr er kühn an der Mündung des Senegal, welcher beide Menschenrassen trennt, vorüber bis zum grünen Vorgebirge. Seine Caravele erregte unter den schwarzen Bewohnern des Landes gewaltiges Erstaunen. Vier von den muthigsten, welche das große auf dem Wasser treibende Ding untersuchen wollten — denn sie waren unter sich nicht einig, ob es ein Fisch, ein Vogel, oder ein Phantom sei — näherten sich dem Schiffe in einem Canoe; als sie aber Menschen auf dem Ungeheuer gewahr wurden, flohen sie mit solcher Hast zurück, daß die Portugiesen sie nicht wieder einholen konnten.
So war also das Negerland endlich wirklich erreicht; aber nicht allein darin liegt die Bedeutung dieser Fahrt, sondern vor allem in der am grünen Vorgebirge unerwartet auftretenden Ueppigkeit der tropischen Vegetation. Hier unter dem 15° N. befand man sich in der That in der heißen Zone, wo unter dem Einfluß tropischer Regen, welche mit gewaltigen Güssen das Land tränken, ein Reichthum der Flora sich entfaltete, welche zahlreichen und großen Thieren, sowie kräftigen, sogar schönen Menschenstämmen Nahrung in Fülle bot.
Wie paßten zu solchen Beobachtungen und Thatsachen die Lehrsätze des Aristoteles und Ptolemäus von der Unbewohnbarkeit des heißen Erdgürtels? Am grünen Vorgebirge ist diese alte mächtige Theorie zerschellt. Und wiederum sehen wir die Bestrebungen des Prinzen und seinen Wahlspruch auf das Herrlichste belohnt. Denn von hier aus, vom Cabo verde, eröffnet sich uns eine ganz neue Perspektive für die Entwicklung der Erdkunde. Man lernte seinen eignen Augen doch mehr trauen, als den Schriften griechischer Autoritäten.
Es gibt wenig geographische Namen, die so trefflich gewählt sind und den Nagel so auf den Kopf treffen wie dieser des „grünen“ Vorgebirges, und auch wohl keinen, der so einfach sich von selbst bot und so auf der Hand lag wie dieser. Im Gegensatz zu den weißen Dünen des Cabo branco, des weißen Vorgebirges, nördlich von Arguim, am Ufer der Sahara, erhebt sich hier ein in den Ocean auffällig schlank hinausspringender Höhenrücken, über dem sich die gefiederten Wipfel tropischer Palmen wiegen. Unter ihrem Schatten liegt die Geographie des Mittelalters begraben.
Wenige Jahre nach der Entdeckung kam ein intelligenter venetianischer Edelmann, Ludwig da Mosto, hieher. Auf ihrer Fahrt nach Flandern war die venetianische Flotte, die er begleitete, durch widrige Winde am Cap[S. 93] Vicente in Portugal aufgehalten. Als der Infant Heinrich dies erfuhr, schickte er seinen Secretär Antonio Gonsalvez und den venetianischen Consul Patricio de Conti mit Proben des neugepflanzten Zuckerrohrs von Madeira, mit Drachenblut und andern neuen Produkten Afrikas zu ihnen und ließ sie auffordern zu einem Zuge nach dem Senegal. Da Mosto wurde lebhaft von den Berichten angezogen, und erkundigte sich nach den üblichen Bedingungen. Da erfuhr er, daß jeder Schiffsrheder, der selbst sein Schiff ausrüste, nach vollendeter Fahrt dem Prinzen ¼ des Gewinnes zu geben habe, daß aber, wenn der Prinz selbst die Ausrüstung auf seine Kosten mache, er die Hälfte des Ertrags der Fahrt beanspruche. Da Mosto hatte darauf hin eine Unterredung mit dem Infanten und wurde für den Plan gewonnen. Die Venetianer fuhren nach Flandern weiter, für da Mosto aber stellte Prinz Heinrich unter Leitung des bewährten Vicente Dias eine Caravele von 90 Tonnen zur Verfügung, welche die ganze Küste Afrikas entlang bis zum Gambia segelte. Da Mosto selbst hat über diese Reise einen ausführlichen Bericht gegeben, aus welchem hier die Schilderung des grünen Vorgebirges hervorgehoben sein mag und zwar nach der deutschen Uebersetzung von 1534. Da Mosto erzählt: „Das grien Haupt (d. i. Vorgebirge) hatt den Namen von den grienen Bäumen, die da sind vnd schier das gantz jar grünen. Das haben die Portugaleser am jar ehe ich dahin kam, funden, vnd habens von den grienen Bäumen genannt, wie das Weis Haupt (Cabo branco) von dem weißen sand. Aber das grien Haupt ist hoch vnd lustig zu sehen, das steht zwischen zweyen Bergen in der mitten vnd breitet sich in das Meer mit vil Hütten und wohnungen der Schwarzen Mooren umbgeben, zu vor gegen dem Meer.... Es ist auch zu wissen, das nach dem Grienen Haupt sammeln sich die gestaden und machen einen Busen, der rast lustig ist, und ist ein eben erdtrich mit vil hüpschen Bäumen;[71] denn die bletter bleiben bis andre wachsen; die grünen allweg. Und wie wohl sie vom Meer mehr denn mein armbrustschuß stehen, so scheinen sie von weitem an dem Meer zu stehen. Das ist überaus schön anzusehen (chè una bellissima costa de vedere). Ich bin weit gegen Aufgang und Niedergang der Sonnen gereiset zu manich land, aber ich hab kein schöneres gesehen. Es hat viel wasser.“[72]
Das Entzücken über die Schönheit der Tropenlandschaft kommt allerdings in der Uebersetzung eines mäßigen, besonnenen Straßburger Bürgers aus dem 16. Jahrhundert nicht zur Geltung, aber das Original läßt es warm empfinden.
Alexander von Humboldt hat in seinen kritischen Untersuchungen über die historische Entwicklung der geographischen Kenntnisse von der neuen Welt (deutsch von J. L. Ideler, II. S. 11) auf mehre Stellen im Tagebuche der[S. 94] ersten Reise des Columbus hingewiesen, worin der Entdecker Amerikas dem Zauber der Natur an den Gestaden von Cuba beredte Worte leiht. Ludwig da Mosto hat die Schönheit einer Tropenlandschaft ebenso empfunden und ein Menschenalter früher geschildert. Daß seine Worte der Umgebung des grünen Vorgebirges gelten, erhöht in unsern Augen wesentlich die Bedeutung der Entdeckung des Cabo verde.
Die Schilderungen dieser vollkommen anders gearteten Natur mußten dem Infanten nach der Fahrt der Dias bereits eine hohe Genugthuung gewähren. Die Nachrichten kamen ihm keineswegs unerwartet. Da in Sagres alles gesammelt wurde, was an Erkundigungen über die südlichen Länder sich gewinnen ließ — hatte doch der Prinz inzwischen auch aus Italien ein Manuscript Marco Polos und eine Karte von Afrika erhalten, welche einen Abschluß der Landmassen, ähnlich wie wir ihn am südlichen Cap der guten Hoffnung kennen, zeigte — und war er auch durch seine Agenten in Tunis schon davon unterrichtet, daß die großen Karawanen in 5 bis 6 Wochen die Wüste Sahara durchmessen könnten[73] und Gold und Negersklaven mitbrächten — so lag auch der Schluß nahe, daß man bei fortgesetzten Fahrten gegen Süden endlich zu diesen Ländern kommen müsse.
Umsichtig und thätig eingreifend nach allen Seiten, um seine Leute nicht einem blinden Ungefähr zu opfern, hatte er von Arguim aus nicht blos ein ordentliches System der Exploration während des Tauschhandels mit den maurischen Wüstenstämmen eröffnet und sich von ihren Karawanenstraßen und den auf der Straße nach Timbuktu zu berührenden Oasen berichten lassen, sondern er gewann mit Unterstützung kühner Männer ein immer klareres Bild vom Sudan. Bezeichnend für die Energie, mit welcher die Pläne, Guinea zu erreichen verfolgt wurden, ist die Sendung des João Fernandez, der sich am Strande der Sahara aussetzen ließ, um unter den Mauren lebend und ihre Sprache lernend, zuverlässige Nachrichten über die Negerstaaten, speziell über das Königreich Melli sammeln zu können. Fernandez blieb sieben Monate allein unter den wilden Stämmen im Innern und wurde dann von dem Schiffe des Antonio Gonsalvez wieder aufgenommen und zum Prinzen geführt. Dieser freute sich sehr, ihn wohlauf wieder zu sehen und ließ sich seine Schicksale erzählen. Fernandez berichtete nun, daß ihm die Eingeborenen zunächst, als er sich ohne Waffen und Hilfsmittel unter sie begeben, die Kleider genommen und ihm dafür einen Mantel gegeben, wie sie selbst trugen. Die Leute besaßen Schafe und lebten nomadisch. Aber die Weide war spärlich, das Land öde und sandig. Dornige Mimosen und Palmen waren selten. Diese berberischen Azanaghen waren Mohammedaner, die mit den Negern im Kampfe lebten, dabei Gefangene machten und diese als Sklaven nach Tunis und Marokko verkauften. Auch erhielten sie Gold vom Negerlande.
Dann machte Fernandez mit den Beduinen einen mehrtägigen Kamelritt zu ihrem Häuptlinge. Der Weg ging durch die Wüste, drei Tage fehlte ihnen Wasser; in dem pfadlosen Sande richtete man sich nach den Sternen und dem Fluge der Vögel. Endlich kamen sie zu dem Häuptling und seinem Völkchen von 150 Köpfen. Fernandez wurde hier sehr gut aufgenommen und mit Milch verpflegt, so daß er, obwohl er von der Hitze und dem Wüstensande viel zu leiden hatte, doch ganz wohl aussah, als er nach sieben Monaten von seinen Landsleuten wieder aufgefunden wurde.
Auch durch diesen abenteuerlichen Sendling erhielt der Infant wiederum Nachrichten von den reichen Negerländern. Die klareren Vorstellungen, welche der Leiter der Entdeckungen von der Natur der Tropenländer gewann, räumte auch bei seinen Seeleuten den Wust veralteter Theorien auf. Höchst beachtenswerth ist in dieser Beziehung eine Bemerkung des Diogo Gomez über das Land der Dscholoffen am Cabo verde. Er sagt: „Das alles schreibe ich nur mit Verlaub Seiner Gnaden des Ptolemäus, welcher recht gute Sachen über die Eintheilung der Welt hat verlauten lassen, aber in einem Stücke sehr fehlerhaft dachte. Er zerlegt die ihm bekannte Welt in drei Theile, nämlich in den bewohnten mittleren, in den arktischen, welcher wegen seiner Kälte und in den tropischen, welcher wegen seiner Gluthhitze unbewohnbar ist. Nun hat sich aber das Gegentheil bestätigt. Zahllos wohnen am Aequator schwarze Völkerschaften, und zu unglaublichem Wuchse erheben sich die Bäume, denn gerade im Süden steigert sich die Kraft und Fülle des Pflanzenwuchses, wenn auch die Formen fremdartig gestaltet sind.“[74]
Die Entdeckungen wurden nach solchen glänzenden Resultaten nun eifrig weiter gefördert. Schon im nächsten Jahre nach der Fahrt des Diniz Dias erreichte Nuño Tristão den Gambia und gelangte Alvaro Fernandez fast bis zur Sierra Leona. Aber der Verkehr mit den Völkern war schwierig. Zahlreicher, kühner, tapferer als die armen Wüstenstämme setzten sie, mit vergifteten Pfeilen bewaffnet, sich gegen die Landungen der Portugiesen häufig zur Wehr und tödteten ihnen manchen Mann. Wie schnell aber die Geschicklichkeit und das Vertrauen der Seeleute gewachsen war, lernen wir vor allem bei der Fahrt des Nuño Tristão kennen. Dieser sah sich, als er in den kleinen Fluß Rio Nuñez, südlich vom Rio grande mit einem Boote eingedrungen war, plötzlich von bewaffneten Negerkähnen umringt. Fast die ganze Mannschaft erlag sammt dem tapferen Anführer den vergifteten Pfeilen, so daß nur der Notar und vier Schiffsjungen am Bord der Caravele übrig blieben. Aber sie steuerten getrost nach Norden durchs freie Meer und erreichten ihre Heimat glücklich nach zwei Monaten, ohne unterwegs Land gesehen zu haben. So machte man sich also bereits los von dem ängstlichen Anklammern an das Land und von den langsameren Küstenfahrten und vertraute sich dem unbegrenzten Ocean an. Von großer Bedeutung war auch die Wahr[S. 96]nehmung, daß die afrikanische Küste, die bis zum Cabo verde gegen Südwesten verlaufen war, von diesem Vorgebirge ab nach Südosten umlenkte.
Daß der Prinz nun wirklich daran dachte, den Seeweg nach Indien zu öffnen, wird von dem Geschichtsschreiber Azurara bezeugt. Aber Indien umfaßte bekanntlich in jenen Tagen alle Länder am indischen Ocean, also auch die Ostküste Afrikas und das äthiopische Hochland, wohin man damals den Sitz des Priesterkönigs Johann verlegte. Das war bestimmt ein christliches Land, dessen Volk mit den Arabern in Aegypten in beständiger Fehde lag, und dessen Bundesgenossenschaft gegen den gemeinsamen Glaubensfeind gewonnen werden konnte. Vielleicht konnte man sogar auf dem weitverzweigten Flußnetz, welches nach den damaligen hydrographischen Hypothesen alle bekannten großen afrikanischen Ströme verbinden sollte, dahin gelangen. Auch Fra Mauro huldigte in seinem Erdgemälde diesen Vorstellungen und noch de Barros bezeichnet den Issa (Niger) bei Timbuktu als den oberen Lauf des Senegal. Und doch hatte Diogo Gomez im Jahre 1457 auch in Erfahrung gebracht, daß im Innern Senegambiens große Ströme ihren Lauf nach Osten nähmen. Der Prinz hatte nämlich drei Caravelen ausgesandt unter Gomez, João Gonsalvez Ribeiro und Nuño Fernandez de Baya mit dem Auftrage, soweit als möglich vorzudringen. Am Rio grande vorbei kamen sie in eine starke Küstenströmung, in welcher kein Anker hielt, so daß die begleitenden Capitäne umzukehren wünschten. Die Expedition lief in den Gambia ein und fuhr den Strom bis zur großen Stadt Cantor hinauf. Hier erfuhr man, daß Karawanen aus Tunis und Cairo aus diesen Gegenden Gold holten, und daß jenseits der Gebirge der Sierra Leona große Ströme nach Osten liefen. Es befand sich auf dem einen Schiffe sogar ein Indier, d. h. ein Abessinier, welcher, wenn man nach Indien gelangte, als Dolmetscher dienen sollte.
Es war die letzte bedeutende Fahrt, welche auf Befehl des Infanten unternommen war. Prinz Heinrich der Seefahrer starb am 13. November 1460 in Sagres in seinem 67. Lebensjahre. In der eifrigen Verfolgung seines hohen Zieles hatte er seine Mittel vollständig erschöpft, ja er schuldete bereits 1449 seinem Verwandten Don Fernando von Braganza die enorme Summe von 19,394 Goldkronen. Aber diese Gelder waren nicht in der Jagd nach einem Phantom vergeudet. Portugal war dadurch zu einer Seemacht geworden, welche die Leitung der nautischen Entdeckungen in die Hand genommen hatte und welche zu glänzenden Erfolgen berechtigen mußte.
Noch im Todesjahre Heinrichs entdeckte Diogo Gomez die Capverden in Gemeinschaft mit Antonio de Noli oder Nolle, einem Genuesen. Gomez landete zuerst und zwar auf Santiago, aber Noli kam ihm auf der Rückfahrt zuvor und meldete zuerst die Entdeckung in Portugal. Irrthümlich hat man das Verdienst der Auffindung der Inseln des grünen Vorgebirges da Mosto zugeschrieben; allein sein Reisebericht, der angeblich in das Jahr 1457 fällt, wird durch die innern Widersprüche unglaubhaft, so daß man daraus schließen muß, da Mosto habe sich fremden Ruhm angeeignet. Nach seiner Angabe[S. 97] will er vom Cap Branco in westnordwestlicher Richtung auf die Capverden gerathen sein und zwar schon am Sanct Jakobstage (1. Mai), während er erst im Anfang Mai aussegelte. Dann will er auf der Insel Flüsse gefunden haben, in welche er mit dem Schiffe einlaufen konnte, während ein solcher Wasserreichthum dort nicht existirt.[75]
Ehe wir dem weiteren Gange der Entdeckungsfahrten folgen, müssen wir einen Blick auf die geographischen Auffassungen und die Karten aus jener Zeit werfen. Nach den Schwankungen des früheren Mittelalters war man seit dem 13. Jahrhundert allgemein zur Annahme der Kugelgestalt der Erde zurückgekehrt. Wenn trotzdem die Erdgemälde sich noch in Scheibenform präsentirten, als ob man noch an der Scheibengestalt der Erde festhielte, so hatte das seinen Grund in einer eigenthümlichen Theorie, welche von Dante’s Zeit bis in den Ausgang des 15. Jahrhunderts hinüberspielt. Man nahm nämlich an, daß die Centren der festen und flüssigen Erdsphäre verschieden seien und daß es außerdem noch ein Gravitationscentrum gebe.
Die Margarita philosophica des Karthäuserpriors Gregorius Reisch, welche zuerst 1496 erschien und durch das 16. Jahrhundert hindurch in vielen Auflagen verbreitet war, trägt diese Lehre etwa in folgender Weise vor.[76] „Das Wasser umgab ursprünglich die ganze Erdoberfläche wie ein sehr feiner Nebel bis zu den höheren Regionen. Aber auf Geheiß des Schöpfers theilte das Firmament die oberen und unteren Wasser, welche letztere nun in den Vertiefungen der Erde sich an einem Orte sammelten, wodurch Landraum geschaffen wurde für die lebenden Wesen. Aus der ganzen Substanz der Erde und des Wassers wurde ein sphärischer Körper gebildet. Ihm schrieben die Gelehrten ein doppeltes Centrum der Schwere und der Größe zu. Es theilt nämlich das Centrum der Größe die Axe der ganzen Sphäre aus Erde und Wasser und das ist der Mittelpunkt der Welt. Aber das Centrum der Schwere liegt außerhalb, nämlich im Durchmesser der Erde, welcher nothwendigerweise größer ist als der halbe Durchmesser der aus Erde und Wasser gebildeten Sphäre, weil, wenn dies nicht der Fall wäre, der Mittelpunkt der Welt außerhalb der Erde fiele. Etwas abgeschmackteres als dieses könnte aber in Naturwissenschaft und Astronomie nicht behauptet werden.
Zur Annahme verschiedener Centren wird man aber genöthigt, weil die von Wasser entblößte Erdoberfläche leichter ist, als die mit Wasser umhüllte. Die trockene Erde ist leichter als die mit Wasser durchtränkte, darum kann das Centrum der Schwere nicht dasselbe sein mit dem Centrum der Größe, sondern strebt im Durchmesser der Erde mehr nach der Peripherie und dem[S. 98] mit Wasser bedeckten Theil. Hierher werden sich die Wasser der Erde mehr sammeln, weil sie dem Centrum der Welt näher rücken.“
Nach dieser Theorie sind also die Landmassen bei A, die Wassermassen, das Weltmeer bei B vereinigt. Der Kugelabschnitt, welcher die Landmassen umfaßt, wird sich natürlich in Kreisform darstellen. Dieser Theil der Erdoberfläche verdiente allein, als Wohnstätte der Menschen, kartographisch gezeichnet zu werden. Daher bieten uns alle Weltkarten von Marino Sanudo (1320) bis auf Fra Mauro (1459) im Grunde dasselbe Weltbild: die von einem schmalen Ocean umfluteten Continente der alten Welt.
Eine Darstellung der Wasserseite der Erde, der Weltmeere hatte noch niemand versucht und schien alles Reizes zu entbehren, bis etwa ums Jahr 1474 Toscanelli von Florenz den ersten Versuch wagte. Das war aber zu einer Zeit, als ein anderer wichtiger Factor die bisherigen Methoden und Theorien zu reformiren begann: das Studium des Ptolemäus. Wir finden den Geographen von Alexandrien zuerst um 1410 in dem Werk des Cardinal Pierre d’Ailly (geb. 1350) Bischof von Cambray erwähnt. Es ist in dem vielgenannten Werke de Imagine Mundi, welches auch Columbus mit besonderer Vorliebe als seine Rüstkammer benutzte, um seinen Plan einer Westfahrt nach Indien mit Aussagen classischer Autoren belegen zu können. Seit 1470 wurden die Werke des Ptolemäus durch Nicolaus Donis in lateinischer Uebersetzung und mit Karten veröffentlicht, nachdem durch den Cardinal Bessarion das griechische Original in die Hände unseres größten Astronomen jener Zeit, des berühmten Regiomontan (1436–76), gelangt war.
Durch die Anwendung der Astronomie auf die Bestimmung geographischer Ortslagen, in den ersten Jahrhunderten allerdings nur der geographischen Breitenbestimmung, wurden für ein correctes Kartenbild die einzig sicheren Stützpunkte gewonnen. Regiomontan berechnete behufs dieser Fixirungen im Jahre 1473 die Ephemeriden auf 32 Jahre, so daß dieselben zunächst in der wichtigsten Zeit der Entdeckungen fast bis zum Todesjahr des Columbus genügten. Er erfand aber noch ein, auch auf Schiffen anwendbares, handliches Instrument, um die Polhöhe eines Sternes zu messen, den s. g. Jakobstab, welcher aus einem Stabe mit rechtwinklich daran befestigten, aber schiebbaren Querstabe bestand. Dieses Instrument wurde in der Folge durch seinen Schüler Martin Behaim in Portugal eingebürgert. Aber die Breitenmessungen der portugiesischen Seeleute ließen, gegenüber den Resultaten der Astronomen in Europa, noch viel zu wünschen, denn es steigerten sich die Beobachtungsfehler auf drei Grad. So lange man den nördlichen gestirnten Himmel über sich hatte, waren die Ephemeriden des Regiomontan stets anwendbar; aber als die portugiesischen Entdecker die äquatoriale Linie überschritten hatten und eine unerwartet andere Gruppirung der Sternbilder als auf der nördlichen Hemisphäre erblickten, war es nothwendig, andere astronomische Tafeln zu entwerfen. Zu dem Zwecke setzte König Johann IX. von Portugal (1481–95) eine astronomische Commission (Junta) nieder, welche unter[S. 99] Leitung des Bischofs Diogo Ortiz und mit Hinzuziehung Behaims diese Lücke ausfüllen sollte und die Sonnenhöhe für südliche Breiten zu berechnen und in Tafeln zusammenzustellen hatte.
Facsimile einer alten Abbildung des Jakobstabes und seiner Anwendung.[77]
Aus der 1584 zu Antwerpen gedruckten Cosmographia Petri Apiani et Gemmae Frisii.
Von solchen Hilfsmitteln unterstützt, konnte man die von den Schiffern befahrenen Küstensäume immer bestimmter zeichnen, daß sie ein der Wahrheit[S. 100] sich annäherndes Bild boten, während man für die noch nicht wieder erreichten Küsten Asiens vorläufig das von Ptolemäus überlieferte Gemälde Südasiens beibehielt und erst bei fortschreitender Erforschung behutsam abänderte. Die Karten jener Epoche bieten darum die interessante Verschmelzung neuer wissenschaftlicher Bestimmungen mit der Erbschaft aus classischer Zeit.
Indien trat immer entschiedener als Ziel aller nautischen Unternehmungen hervor und was in den letzten Jahren des Prinzen noch ziemlich unklar den Wünschen vorgeschwebt hatte, ward immer bestimmter ins Auge gefaßt.
Da die Erde als eine Kugel angesehen wurde, auf deren Oberfläche allerdings das Verhältniß zwischen der Größe der Wasserbedeckung und der der auftauchenden Landmassen noch verschieden beurtheilt wurde, und da jedenfalls das Weltmeer sich nach verschiedenen Richtungen ausdehnte und im Zusammenhange stand, so mußten auch allmählich Projecte auftauchen, über diesen einen Ocean nach verschiedenen Richtungen den Weg einzuschlagen, um Indien zu erreichen.
Am einfachsten erschien das portugiesische Project, den altherkömmlichen Randocean, der die Feste der alten Welt umflutete, als Fahrbahn zu wählen und so gleichsam, wie es die Sicherheit mittelalterlicher Schifffahrt vorschrieb, in einer großen Küstenfahrt um Afrika herum zu dem gesegneten Osten zu gelangen. Eine Seefahrt quer über ein weites unbegrenztes Weltmeer blieb hierbei außerhalb des Planes.
Da der wichtigste Abschnitt der Geschichte der großen Entdeckungen die Versuche umfaßt, welche die europäischen See-Nationen in directe Verbindung mit den Gewürzländern und China setzen sollten, so werden wir zur Erleichterung der Uebersicht die einzelnen Richtungen der Fahrten im Zusammenhange darstellen und beginnen mit den Unternehmungen der Portugiesen, welche zuerst auf dem Schauplatze erschienen waren, und zuerst nach Indien gelangten.
Nach dem Hinscheiden des großen Prinzen, seines Oheims, nahm König Affonso V. in den ersten Jahren noch ein lebhaftes Interesse an den weitern Fahrten. Pedro de Cintra befuhr von Rio Grande aus die Küste im Jahre 1461 oder 1462, erreichte zuerst das Cap Verga (10° 12′ n. Br.) und benannte weiterhin ein kühn vorspringendes Vorgebirge, wie man es von solcher Höhe an der Küste bisher noch nicht angetroffen hatte, zu Ehren des Infanten und der Stätte seines Wirkens das Cap Sagres. Die schwarzen Strandbewohner zeigten in ihrem Ohren- und Nasenschmuck einen Reichthum an Goldringen, schienen aber kein Eisen zu besitzen.
Die Küste wurde felsig, hoch, bot aber geeignete Ankerplätze. Hier erhob sich ein Berg, in dessen Wolkengipfel beständige Gewitter zu zürnen schienen. Nach dem grollenden Donner erhielt derselbe den Namen Sierra Leona. Dahinter öffnete sich ein von Sandbänken erfüllter Golf, in welchem das Meer gewaltig brandete. Den jenseitigen Abschluß der Bucht bildete das Vorgebirge der heiligen Anna (Cabo de Sa. Anna), (7° 34′ n. Br.), am 26. Juli, als am Tage der Heiligen benannt. Dann folgte das Cap Mesurado[78] (6° 19′ n. Br.), wo die Bewohner das Nahen des Schiffes durch eine große Anzahl Feuer signalisirten, in ähnlicher Weise, wie es in dieser Gegend fast 2000 Jahre früher der carthaginiensische Admiral Hanno mochte gesehen haben.
Wenige Meilen jenseit dieses Küstenvorsprungs, in der Nähe des heutigen Monrovia endigte die Fahrt. In der Folgezeit wurde der König von den Seeunternehmungen abgezogen durch die politischen Angelegenheiten des Heimatlandes und dadurch, daß er sich in den castilischen Erbschaftsstreit mischte. Indessen wurde, um den immer schwunghafter betriebenen Handel mit Sklaven und Gold zu decken, in Arguim ein Castell gebaut und das Handelsmonopol einem Portugiesen für den jährlichen Preis von 250 Ducaten (100,000 Realen) verliehen. Im Jahre 1469 wurde auch das Monopol des Handels an der Guineaküste für die doppelte Summe jährlich an Fernão Gomez vergeben, und zwar auf fünf Jahre; doch mußte derselbe sich auch noch verpflichten, auf seine Kosten die Fahrten fortzusetzen zu weiteren Ent[S. 104]deckungen, und von der Sierra Leona an gerechnet, jährlich 100 Leguas weiter vordringen, sowie dem Könige alles Elfenbein für eine festgesetzte Summe, 1500 Realen für den Centner, überlassen.
So konnte das Jahr 1471 einen bedeutenden Fortschritt verzeichnen, indem João de Santarem und Pedro de Escovar unter Beihilfe des damals ausgezeichnetsten aller portugiesischen Piloten Alvaro Esteves nicht nur die Goldküste entdeckten, an welcher später zur Ausbeutung des Edelmetalls König Johann im Jahre 1482 bei dem Dorfe Aldea das duas Partes eine Festung unter dem Namen S. Jorge da Mina anlegen ließ, sondern sie drangen über die Nigermündungen und den Aequator hinaus nach Süden bis zum Cap Sa. Catarina (1° 51′ s. Br.) vor.
In dem nämlichen oder dem folgenden Jahre entdeckt Fernão do Po die Insel, welche jetzt seinen Namen trägt, von ihm aber Formosa getauft war. Auch die südlichen Guinea-Inseln wurden bald darauf gefunden. Martin Behaim verlegt dies Ereigniß ins Jahr 1484 und bemerkt auf seinem Globus, daß „eitel wildnus und keine Menschen“ dort gefunden seien und daß der König von Portugal jährlich Volk dahin sende, das sonst den Tod verschuldet habe, Männer und Frauen, und daß er ihnen gebe, damit sie das Feld bauen und sich nähren und damit dies Land von den Portugalesern bewohnt werde.
Auf Alfons V. folgte 1481 sein Sohn Johann II. Auf ihn schien der Geist des Prinzen Heinrich übergegangen zu sein, er nahm regern Antheil an der weiteren Ausdehnung der afrikanischen Fahrten; aber er hatte auch ein unmittelbares Interesse daran. Denn seit 1473 war ihm bereits als Einkommen ein Theil der Erträgnisse des Guineahandels zugewiesen. Er wußte, welche Reichthümer Fernão Gomez sich durch das fünfjährige Monopol erworben hatte. Dazu kam noch ein neuer Impuls, als Pabst Sixtus IV. durch die Bulle vom 21. Juli 1481 Portugal den Besitz aller afrikanischen Entdeckungen bestätigte. Nachdem er im Mittelpunkte der Goldwäschereien von Mina seine Macht befestigt hatte, nahm er den Titel Herr von Guinea an und führte auch die Sitte ein, statt der bis dahin üblichen vergänglichen Holzkreuze, welche die Entdecker an den hervorragendsten Küstenpunkten errichteten, um ihr Vorrecht zu dokumentiren, steinerne Wappenpfeiler, s. g. padrãos, mit lateinischer und portugiesischer Inschrift zu setzen. Der erste, welcher solche Steinpfeiler mit an Bord nahm, war Diogo Cão oder Cam, welcher 1484 mit seinen zwei Schiffen auslief. An Bord befand sich in der Function eines Kosmographen Martin Behaim, welcher um 1459 geboren war und sich rühmen durfte, in der Zeit zwischen 1471 und 1475, in welchen Jahren Regiomontan in Nürnberg weilte, dessen Schüler gewesen zu sein. Bald darauf hatte er sich als Kaufmann zuerst nach den Niederlanden und von da nach Portugal gewendet. Zwischen beiden Ländern bestand ein lebhafter Verkehr. Flandrische Colonisten gingen nach den Açoren. Unter ihnen hatte sich auch ein Edelmann aus Brügge, Jobst von Hurter befunden, welcher durch seine Verbindung mit einer vornehmen Portugiesin,[S. 105] einer Palastdame der Königin, als Statthalter in den erblichen Besitz der Inseln Fayal und Pico gelangte, von denen die erste vlaamische, die andere portugiesische Ansiedler erhalten hatte. Mit der Tochter dieses Hurter verheiratete sich Behaim nach seiner Heimkehr im Jahre 1486.
Die Expedition des Diogo Cão war für 3 Jahre verproviantirt, hatte allerlei Handelswaaren mitgenommen und außerdem als Geschenke an die Mohrenkönige 18 köstlich aufgezäumte Rosse an Bord. Südlich vom Cap der heiligen Catharina begannen die neuen Entdeckungen. Zuerst wurde der gewaltigste aller afrikanischen Ströme, der Congo, erreicht, an dessen Mündung der erste Wappenpfeiler,[79] und zwar auf der Südküste errichtet wurde. Danach hieß man anfänglich den Fluß Rio de padrão (bei Behaim Rio de patron). Die Pfeilerspitze liegt unter 6° 8′ s. Br., auf dem Globus Behaims ward aber die Mündung des Flusses bereits vom südlichen Wendekreise durchschnitten. Später nannte man den Strom nach dem gleichnamigen Königreiche Congo, obwohl man von den Eingebornen den Namen Zaire gehört hatte. Den Entdeckern fiel bereits die Mächtigkeit des Stromes auf, der vor seiner Mündung meilenweit das Meer mit süßem Wasser bedeckte. Diogo Cão fuhr eine Strecke in den Unterlauf hinein und fand allenthalben viel schwarzes Volk. Von der ganzen Küste wurde im Namen des Königs von Portugal Besitz ergriffen. Hie und da wurden auch Eingeborene mitgenommen, um, nachdem sie etwas Portugiesisch gelernt hätten, als Dolmetscher zu dienen. Der König von Congo, mit dem Cão Verkehr[S. 106] anknüpfte, bat sogar um christliche Lehren, und sein Abgesandter, Kassuta, ließ sich in Portugal taufen. Man war erfreut über die Menge neuer Gewürze. Behaim wähnte sogar die echte Zimmtrinde gefunden zu haben. Vom Congo drang Cão noch über 200 Leguas nach Süden, errichtete den zweiten Wappenstein am Cap Agostinho nördlich von Cap Negro unter 13° 27′ s. Br. und den dritten am Cap Negro selbst unter 15° 40′ s. Br.[80] Dieser Berg ist auf Behaims Globus besonders ausgezeichnet als ein eigenthümlich schroffer Fels, der in seiner Form von der conventionellen Bergzeichnung abweicht und in rother Schrift den Namen Monte nigro trägt. Daneben lesen wir die Inschrift: „Hie wurden gesetzt die säulen des konigs von portugal anno domini 1485 d. 18. jan.“ Irrthümlich hielt Behaim diese Spitze aber später für das Cap der guten Hoffnung, welches Dias im[S. 107] nächstfolgenden Jahre entdeckte. Das Datum des 18. Januar scheint zu gleicher Zeit den Zeitpunkt anzugeben, wo man auf dieser Reise den südlichsten Punkt erreichte. Die Dauer der ganzen Fahrt betrug 19 Monate.
Astrolabium des Joh. Regiomontanus vom Jahre 1468.[81]
Man muß die Verdienste Behaims bei dieser Entdeckungsfahrt sehr hoch angerechnet haben, da er nach seiner Rückkehr vom Könige selbst zum Ritter des Christusordens, welcher aus dem Tempelherrnorden hervorgegangen war, geschlagen wurde, und zwar in Gegenwart des ganzen Hofes.
Schon im nächsten Jahre ging ein neues Geschwader aus, aber nach den Maximen der Regierung unter einem andern Commando: man wollte nicht einem Manne zu sehr verpflichtet sein. Es war ein staatskluger Grundsatz, dessen Vortheile erst recht ins Licht traten, als die spanische Regierung in Folge zu weitgehender Zugeständnisse gegen Columbus in mancherlei Verlegenheiten gerieth.
Im August 1486 segelte Bartolomeu Dias mit zwei kleinen Fahrzeugen von 50 Tons Gehalt, von denen das eine unter dem Befehl des João Infante stand, und einem Proviantschiff unter dem Befehl seines Bruders Pero Dias aus, um die Küstenforschung Diogo Cão’s fortzusetzen. Die Familie der Dias hatte sich seit dem Anfange der Unternehmungen des Infanten Don Enrique im Seedienst ausgezeichnet. João Dias, der Ahne des Geschlechts, war zuerst mit ums gefürchtete Cap Bojador gesegelt; Diniz Dias erreichte zuerst das grüne Vorgebirge.
Bartolomeu sollte die rühmlichen Thaten der Vorfahren noch verdunkeln; und seinen Namen volksthümlich machen.
An der Congoküste und bis über das südliche Cap der guten Hoffnung hinaus wurden während der Fahrt Negerinnen mit Geschenken ans Land gesetzt, um dasselbe zu erkunden und den Eingeborenen von der Macht und Pracht der Portugiesen zu erzählen, welche gekommen seien, das Land des Priesters Johannes aufzusuchen. Durch das sich weiter verbreitende Gerücht sollte der Priesterkönig veranlaßt werden, seinerseits Boten auszusenden, welche mit den Portugiesen eine Annäherung suchten. Den ersten Wappenstein setzte Dias bei der Serra parda nördlich von der Walfischbucht. Dann wurde er durch widrige Winde mehrere Tage aufgehalten und mußte mühsam laviren. Er nannte diese Bucht Angra das voltas. Der Name eines Cap Voltas haftet noch an der Küste, nahe der Mündung des Oranjestroms. Vom St. Helenagolf mußte er 13 Tage lang mit eingerafften Segeln sich von dem Sturm nach Südost treiben lassen. Dabei gerieth er in kältere Meeresströmungen und war von der schnellen Abnahme der Temperatur überrascht. Als der Sturm nachließ, steuerte er wieder gegen Osten, um die Küste zu gewinnen, welche nach seiner Vorstellung von Norden nach Süden vorlaufen mußte wie bisher. Als er aber nach mehreren Tagen noch kein Land in Sicht bekam, richtete er den Lauf der Schiffe nach Norden[S. 108] und erreichte so das Südende des Continents an einer Bucht, wo Hottentotten mit ihren Herden weideten und über den Anblick den Schiffe erschreckt ins Binnenland flohen. Die Bai erhielt den Namen der Kuhhirtenbai (Angra dos Vaqueiros); jetzt heißt sie Flesh-Bai.
Weiter gegen Osten in der San Bras-Bai (Mosselbai) nahm er Wasser ein, wobei es zum Conflict mit den Eingeborenen kam; auf einer kleinen Insel Santa Cruz in der Algoabucht wurde der äußerste Wappenpfeiler gesetzt. Erschöpft durch die unerhörten Strapazen, welche sie erlitten, forderten die Schiffsleute den Capitän auf, umzukehren. Man wies auch darauf hin, daß der Proviant zu Ende gehe. Dias bedang sich noch eine Fahrt von zwei bis drei Tagen aus; wenn sich dann nicht ein Erfolg zeige (er erwartete wohl, daß die Küste wieder gegen Norden streiche) wolle er umkehren. Daß das Südende Afrikas umsegelt sei, sah er gewiß; daß das lang erstrebte Ziel sich nunmehr ohne große Schwierigkeiten werde gewinnen lassen, war seine feste Ueberzeugung. Nach einer Fahrt von zwei Tagen, in welchen die Schiffe noch 25 Meilen über den Wappenpfeiler hinaus bis zum großen Fischfluß vordrangen, welcher damals den Namen Rio do Infante erhielt, weil der zweite Capitän João Infante das Land zuerst betrat, sah sich Dias genöthigt, schmerzerfüllt den Heimweg anzutreten. Es wird uns erzählt, daß, als er zum zweiten Male die Insel Sa Cruz betrat, er den Wappenstein umklammert und nur mit schwerem Herzen Abschied von ihm genommen habe, wie wenn er einen geliebten Sohn scheiden sehe.
Beim weiteren Verfolg erkannte er auch das imposante Felsencap am südwestlichen Ende des Festlandes, um welches ihn bei der Hinfahrt der Sturm herumgeführt. Er gab ihm den Namen des Sturmcaps (Cabo tormentoso). Aber der König änderte diesen ominösen Namen in den Glück verheißenden „Cap der guten Hoffnung“ (Cabo da boa esperanza), weil er der festen Zuversicht war, die Pforte zum indischen Ocean stehe offen und der Wasserweg zu den Gewürzländern werde endlich gefunden. Das Transportschiff, welches auf der Westküste Afrikas zurückgeblieben, zeigte sich in bedauerlichem Zustande, als die beiden Schiffe des Dias auf ihrer Heimkehr dasselbe trafen. Sechs Mann an Bord waren von den Negern erschlagen, drei nur noch am Leben, dazu das Schiff selbst, in Folge von Wurmfraß, nicht mehr seetüchtig. Es mußte daher in Brand gesteckt werden, ehe man sich zum letzten Theil der Rückreise anschickte. Im December 1487 langte Dias, nach einer Fahrt von 16 Monaten und 17 Tagen, in Lissabon wieder an. Er hatte auf dieser Reise weitere 350 Leguas Küstenlinie entdeckt.
Inzwischen hatte aber der König auch Leute ausgesendet, welche das Reich Habesch und die Verkehrsverhältnisse am indischen Meere ermitteln sollten. Der erste Versuch einer Sendung schlug allerdings fehl, denn der Pater Antonio de Lisboa und Pedro de Montorryo, welche nach Jerusalem geschickt wurden, um dort abessinische Mönche auszuforschen, die damals häufig zu der heiligen Stadt walfahrteten, kehrten unverrichteter Sache wieder[S. 109] zurück, weil sie ohne Kenntniß der arabischen Sprache sich nicht getrauten, mit den Abessiniern ins Land des Priesters Johannes zu reisen.
So wurden denn, noch ehe Dias heimgekehrt war, zwei andere, bewährte Männer abgesandt. Pero de Covilham und Affonso de Paiva[82] machten sich am 7. Mai 1487 nach dem Orient auf, erreichten über Rhodos und Alexandrien die Hauptstadt Aegyptens, Cairo, und fuhren auf dem rothen Meere nach Aden. Hier trennten sie sich, nachdem als Ort späterer Vereinigung Cairo bestimmt war. Covilham ging zu Schiff nach der indischen Malabarküste, besuchte Kananor, Kalikut, Goa und kehrte von da nach der Ostküste Afrikas zurück, besuchte die Häfen, erreichte als südlichsten Punkt das durch seinen Goldreichthum berühmte Sofala und zog über die Insel Madagascar Erkundigungen ein.
Als er auf der Rückreise Cairo wieder erreicht, erfuhr er, daß sein Gefährte Paiva inzwischen gestorben sei. Doch traf er dort zwei andere Sendlinge des Königs Johann von Portugal, den Rabbi Abraham aus Beja und den Juden Joseph, einen Schuster aus Lamego. Der letztere ging mit den wichtigen Nachrichten, welche Covilham eingezogen, sofort nach Portugal zurück. Covilham schrieb in seinem Briefe, daß die portugiesischen Schiffe an der Küste Guineas nach Süden zu steuern hätten, bis sie das Ende Afrikas erreicht, und daß sie im indischen Meere ihren Cours nach Sofala und der Mondinsel oder Madagascar richten müßten. Covilham besuchte mit Rabbi Abraham sodann noch Ormuz und sandte seinen Gefährten mit einer Karawane auf dem üblichen Wege über Bagdad und Haleb nach Syrien und in die Heimat zurück, während er selbst Habesch aufzusuchen beschloß. Der König nahm ihn in seiner Hauptstadt Schoa sehr freundlich auf, wußte aber den ersten europäischen Besucher an sich zu fesseln, so daß Covilham im Lande blieb, sich dort verheiratete und noch ein Menschenalter später, als ein portugiesischer Gesandter 1525 unter Rodriguez de Lima in Habesch eintraf, lebte. Er wurde über den Besuch seiner Landsleute zu Thränen gerührt, blieb aber in Habesch und starb dort.
Das waren die letzten wichtigen Unternehmungen, welche der Regierungszeit des Königs Johann noch angehören. Zwar noch bei Lebzeiten dieses Fürsten sollte von unerwarteter Seite der Impuls kommen, welcher die Portugiesen antreiben mußte, durch eine letzte kühne Seefahrt ihre fast ein Jahrhundert bereits andauernden Arbeiten zu krönen; aber Johann II. starb, ehe er an die Ausführung gehen konnte. Den angedeuteten Impuls gab aber Columbus dadurch, daß er, von seiner ersten Fahrt nach Westindien heimkehrend, durch Sturm genöthigt worden war, in den Hafen von Lissabon einzulaufen[S. 110] und dem portugiesischen Könige auf dessen Einladung von seinem vermeintlichen Besuch in Zipangu (Japan) Bericht erstatten konnte. Die mitgebrachten braunen Indianer ließen nun mit Recht vermuthen, daß der kühne Genuese, dessen Pläne in Portugal keinen Beifall gefunden hatten, wenigstens bis in die Nähe Asiens gelangt sei, da die vorgeführten fremden Menschen den wirklichen Indern ähnlich zu sein schienen. Auch war zu befürchten, daß Columbus auf einer zweiten Fahrt noch vor den Portugiesen die Gewürzländer erreichen und damit den Preis und Lohn so vieler Mühen vorweg nehmen könnte. Glücklicherweise konnten sich die Portugiesen darauf berufen, daß Pabst Nicolaus V. schon im Jahre 1454 durch eine Bulle ihnen das Privilegium über den Handel mit Indien verliehen hatte. Trotzdem beeilten sich nun doch die spanischen Monarchen Ferdinand und Isabella, sich die neuen Entdeckungen durch päbstliche Sanction zu sichern. Die Bulle des Pabstes Alexanders VI. vom 3. Mai 1493 spricht der spanischen Krone alle Inseln und Festländer, welche in der von Columbus eingeschlagenen Richtung gefunden sind und noch gefunden werden sollen, zu in Anerkennung der Verdienste um den christlichen Glauben, um die Vertreibung der Mauren aus Spanien, und hofft, daß auch in den neu entdeckten Gebieten die friedlichen nackten Bewohner, welche keine Canibalen sind und sogar an einen Schöpfer im Himmel glauben, durch spanische Missionäre bald bekehrt werden möchten. Auf die weiteren Eigenthümlichkeiten und Schwächen der päbstlichen Erlasse vom 3. und 4. Mai genauer einzugehen, ist hier nicht der Ort, wo wir die portugiesischen Entdeckungen allein im Auge haben. Allein es mag hier noch erwähnt werden, daß in Folge dieser päbstlichen Verleihungen am 7. Juni 1494 zwischen Spanien und Portugal ein Vertrag abgeschlossen wurde, welcher die Grenzlinie der maritimen Entdeckungen beider Mächte in Gestalt einer von Pol zu Pol gezogenen Meridianlinie festsetzte.
Spanien erhielt den Westen der Erde, Portugal den Osten. Aber Spanien schien dem Ziel näher zu sein als sein älterer Nebenbuhler. Darum rüstete bereits Johann zu neuen Seefahrten; aber der Tod hemmte 1495 den Fortgang. Ihm folgte der jugendlich kühne Manuel, dem die Nachwelt den Namen des Großen zuerkannt hat, weil unter ihm die portugiesische Macht zu größter Entfaltung gelangte. Manuel, Herzog von Beja, war 26 Jahr alt, als er den Thron bestieg. Er wollte sofort die Entdeckungsarbeiten wieder beginnen lassen, aber seine Räthe machten anfangs Schwierigkeiten. So verzögerte sich die Fertigstellung des Geschwaders bis zum Jahre 1497. Der erfahrene Bartolomeu Dias wurde damit betraut, diese kleine aus 3 Schiffen bestehende, zur Fahrt nach Indien bestimmte Flotte sorgfältig auszurüsten, aber selbst sollte er sie nur bis zur Factorei La Mina an der Goldküste begleiten. Den Oberbefehl erhielt Vasca da Gama[83], im zweiten Schiffe sein Bruder Paulo da Gama, im dritten Nicolao Coelho.[S. 111] Der Raumgehalt der Schiffe betrug 100 bis 120 Tons. Die Schiffe trugen die Namen S. Rafael, S. Gabriel und S. Michael.
Die portugiesischen Historiker weichen in ihren Berichten über Gama’s Fahrt in vielen wesentlichen Punkten von einander ab. Gaspar Correa, dessen Lendas da India erst 1858–1861 von der Academie in Lissabon veröffentlicht worden sind, kam von allen Chronisten am frühesten, vielleicht schon 1512, nach Indien und konnte als Secretär des berühmten Affonso d’Albuquerque zum Theil das Tagebuch des Geistlichen João Figueira, welcher die erste Fahrt Vasco da Gama’s mitmachte, benutzen und zu Rathe ziehen. Castanheda (Historia da India) kam um 1528 nach Indien, Damian de Goes (Rey Emanuel) gelangte nicht nach dem Orient, und Osorio (de rebus Emanueli) fußt vielfach auf Goes. João de Barros, dessen Decaden lange Zeit fast allein die Grundlage der Darstellung gebildet, schrieb viel später.[84] Correa’s Werk sollte bei seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht werden, vielleicht um manchen Lebenden nicht zu verletzen. So kam sein Manuscript erst nach seinem Tode nach Europa, erlebte dort zwar, wenigstens in dem ersten Theile, mehrere Abschriften, aber erst vor 20 Jahren eine sorgfältige Drucklegung. In manchen Punkten, wo Correa von den übrigen Historikern abweicht, spricht aber die innere Wahrheit und Wahrscheinlichkeit für ihn.
Wie weit die Differenzen unter den einzelnen Berichten über Gama’s erste Fahrt gehen, erhellt schon daraus, daß sie nur in einem Tages-Datum, nämlich in der Ankunft am Flusse Dos Reis, am heiligen Dreikönigstage 1498 zusammen stimmen. Correa setzt die Abfahrt der Flotte von Lissabon auf den 25. März 1497, Barros auf den 8. Juli, Osorio auf den 9. Juli. Correa nennt die Schiffe S. Rafael (Capitän Vasco da Gama), S. Gabriel,[S. 112] (Paulo da Gama), S. Michael, (Nicol. Coelho). Barros versetzt den ersten Capitän auf den Gabriel, seinen Bruder Paulo auf den Rafael, und nennt das Schiff Coelho’s Berrio.
Bei der Benennung neuentdeckter Küstenpunkte mußte dem Hauptschiffe, auf welchem Vasco da Gama befehligte, naturgemäß der Vorrang eingeräumt werden. Mustern wir nun einige der bedeutendsten Weltkarten des 16. Jahrhunderts, die Karten Cabots und des Königs Heinrich II. von Frankreich (Jomard, Monuments de la géographie), so treffen wir die Namen Gabriel und Berrio gar nicht; Rafael erscheint auf Heinrichs II. Karte zweimal, ein Rio de S. Miguel bei Cabot. Ferner zeigt die Baseler Ausgabe des Ptolemäus, 1513, einen padrão de S. Rafael, und auch Ortelius (Theatrum mundi) bietet uns die Namen Rafaels und Michaels. Dadurch wird die Existenz dieser Schiffsnamen bestätigt, und wenn alle Autoren in der Angabe des Namens Gabriel übereinstimmen, muß wohl der Name „Berrio“, den Barros angibt, falsch sein. Stanley (l. c. p. V.) führt nach einem weiteren Beweis an, daß das Hauptschiff den Namen Rafael führte. Nach dem glänzenden Verlauf der ersten Reise wurde Vasco da Gama zum Grafen von Vidigueira in Alemtejo erhoben. Vor dieser kleinen Stadt befindet sich eine Capelle des heil. Rafael mit dem Bilde des Erzengels, dem das Schiff geweiht war.
Der Oberbefehlshaber erhielt Empfehlungsschreiben an den Priester Johannes, an den Beherrscher von Kalikut und an andere Fürsten Indiens. Die ganze Bemannung zählte nach Barros 170 Köpfe, während Correa sagt, in jedem Schiffe seien 80 Personen gewesen. Nach Osorio und Goes zogen 148 Mann aus und kehrten nur 55 wieder zurück. Ueber die Canarien gelangte das kleine Geschwader, nachdem es schon am Rio d’Ouro durch Sturm getrennt war, zu den Capverden und blieb einige Tage in St. Jago. Hier trennte sich Bartolomeu Dias, welcher sie bis dahin begleitet hatte, von ihnen und steuerte nach seinem Bestimmungsorte, nach La Mina an der Guineaküste. Gama richtete, das afrikanische Gestade verlassend, seinen Cours direct nach dem Caplande.
Der Wind war sehr heftig, erzählt Correa, so daß die See einen furchtbaren Anblick gewährte; unter den rastlosen Arbeiten während dieser Stürme litt das Volk sehr. Nachdem sie so einen Monat gesegelt waren, wandten sie sich wieder der Küste zu, in der Hoffnung, das Cap zu erreichen. Aber viel zu zeitig. Es sollten noch Monate vergehen, ehe sie das Südende des Continents umfahren konnten. Alle Historiker stimmen darin überein, daß die Fahrt mindestens 4 Monate währte, Correa setzt sogar volle 6 Monate an. So ging’s also wieder in die offene See hinaus, obwohl schon damals die Mannschaft lieber wieder umgekehrt wäre. Gama selbst theilte mit ihnen alle Arbeiten und Mühen und gönnte sich keinen Schlaf. Die Tage wurden immer kürzer, denn man fuhr in den südlichen Winter hinein. Es schien fast immer Nacht zu sein. Die Leute wurden krank vor Furcht und Mühsal, sie konnten nicht einmal ihr Essen bereiten. Sie begannen zu murren und[S. 113] wollten umkehren; aber Gama wies sie, als ein leidenschaftlicher Mann, mit scharfen Worten zur Ruhe, obwohl er sah, daß man in beständiger Lebensgefahr schwebte. Und wenn auch die Mannschaft unter den kalten Regenschauern fast erstarrte, so schwur doch der Capitän, es möge kommen, was Gott wolle, umkehren werde er nicht.
Erst in der Nähe des Landes wurde die See ruhiger. Um die Polhöhe am festen Lande zu bestimmen, ging das Geschwader in der St. Helenabai vor Anker. Da die Seeleute mit dem Gebrauche des Astrolabiums noch nicht lange vertraut waren, vermochten sie an Bord der kleinen Schiffe wegen der Schwankungen der Fahrzeuge noch keine sichern Bestimmungen zu machen. Das Beobachtungsinstrument hatte 3 Palmen im Durchmesser und ruhte auf einem dreifüßigen hölzernen Gestell. Wahrscheinlich war es hier, wo das begleitende (vierte) Proviantschiff entleert und in Brand gesteckt wurde, nachdem die Mannschaft auf die andern Schiffe vertheilt war.[85]
In einem mehrtägigen Sturme dublirten sie endlich das gefürchtete Cap, Stürme verfolgten sie auch auf der weiteren Fahrt. Sturzseen brachen von oben herein, das Wasser im Schiffsraume stieg immer höher. Sie hatten keine Ruhe, weder bei Tage noch bei Nacht, weder für die Seele noch für den Leib. Aber Gama schwur hoch und theuer, er werde keinen Fuß breit zurückgehen, bis er Indien erreicht. Bei dieser verzweifelten Lage wuchs die Mißstimmung unter der Bemannung immer mehr und gestaltete sich zu einer Verschwörung: man wolle sich nicht blindlings ins Verderben jagen lassen, Er sei nur Einer, sie aber seien Viele. Durch einen Schiffsjungen verrathen, wurde der Plan, den Capitän zu beseitigen, vereitelt. Gama brachte die Verschworenen mit List in seine Gewalt und ließ sie in Ketten werfen. Vor Wuth soll er sogar alle nautischen Bücher über Bord geworfen und erklärt haben: nun möchten sie versuchen, ohne Steuermann und Pilot den Rückweg zu finden. Denn die Capitäne und Steuerleute hielten alle treu zum Führer.
Erst im Anfang Januar 1498 näherten sie sich wieder dem Lande. Die Schiffe bedurften einer Reparatur, an Trinkwasser trat ein fühlbarer Mangel ein, manche Fässer waren in den unaufhörlichen Stürmen geborsten und ausgelaufen. Aber sie segelten noch mehrere Tage, ehe sie einen günstigen Ankerplatz fanden. Am 6. Januar liefen sie in die bequeme Mündung eines Flusses ein, der nach dem Tage Rio des Reyes, Drei-Königsfluß, genannt wurde. Der Wasserplatz, an welchem Gama fünf Tage verweilte, wurde[S. 114] wegen des friedlichen Benehmens der Bewohner Agua da boa Paz genannt. Beim Weitersegeln hatten sie vom Cap Corrientes (Cabo das Corrientes) tagelang mit der heftigen Mosambikströmung zu kämpfen und mußten darum weiter von der Küste abhalten, um nicht gegen gefährliche Klippen getrieben zu werden. In Folge dessen segelten sie an dem in der innern Bucht des Landes gelegenen Sofala vorüber und erreichten nur mühsam die Mündung des Sambesi. Dieser mächtigste Strom erhielt den Namen Rio dos bons Sinaes (Strom der guten Anzeichen), denn hier trafen sie zuerst mit hellfarbigen Mischlingen zusammen, die des Arabischen mächtig waren, und ihnen mittheilten, daß weiter nordwärts eine belebte Schifffahrt getrieben werde. Man hatte hier also die Sphäre des arabischen Handelsverkehrs erreicht und konnte hoffnungsvoll dem glücklichen Erfolg des kühnen Seezuges entgegensehen. Theils um die Schiffe auszubessern, theils um der erschöpften und am Scharbock leidenden Mannschaft Erholung und Erfrischung zu bieten, blieb Gama einen vollen Monat hier. Dort wurde ein Wappenstein errichtet mit der Inschrift: Do Senhorio de Portugal Reino de Christaõs. Dann stach Gama wieder in See und erreichte bald die Insel und den Hafenplatz Mosambik. Mehrere Sambuken, mit arabisch gekleideten Leuten bemannt, kamen heran und erkundigten sich nach Herkunft und Ziel der fremdartigen Flotille. Gama ließ ihnen antworten, sie seien Portugiesen, welche im Auftrage ihres Königs nach Indien führen und, da sie den Weg noch nicht gemacht hätten, um einige Lotsen bäten.
Anfänglich schien es, als ob der Verkehr sich ganz friedlich gestalten wolle. Der Scheich des Hafens stand unter der Botmäßigkeit des arabischen Fürsten von Kiloa. Die Araber hatten den sicheren Stapelplatz auf der Mosambik-Insel gewählt, um von hier aus lebhaften Handel mit den Negern zu treiben und Gold, Elfenbein, Wachs u. a. einzutauschen. Nachdem Gama dem Scheich mehre Geschenke gesendet, kam dieser selbst an Bord, in faltenreicher, farbiger Tracht, das dunkle Gesicht von einem mächtigen, buntseidenen Turban beschattet. Unter seinem Gefolge befanden sich viele Mischlinge. Nach einem ehrenvollen Empfange von Seiten der Capitäne nahm der Scheich alles neue auf den Schiffen in Augenschein und ließ sich vermittelst eines Dolmetschers von dem Flottenführer noch einmal erzählen, daß sie von dem mächtigsten Könige der Christenheit abgesandt, bereits zwei Jahre auf der stürmischen See umhergeworfen und von ihren Gefährten getrennt nunmehr dem Lande der Gewürze zusteuerten und, des Weges unkundig, um zuverlässige Piloten bäten. Bald nachdem der Scheich zurückgekehrt war und frische Lebensmittel für die Portugiesen gesandt hatte, erschienen auch drei Habessinier, mit denen aber die Verständigung nur unvollkommen gelang. Werthvoller war der Verkehr mit einem Mauren, Namens Davané, welcher sich bereit finden ließ, die Schiffe nach Indien zu begleiten. Inzwischen änderte sich aber die günstige Stimmung am Lande. Die Araber schöpften wegen der Herkunft und Zwecke der Fremdlinge Verdacht oder wurden wegen[S. 115] ihres Handels besorgt, für den ihnen so unerwartet eine Concurrenz zu drohen schien. Zwar erhielt Gama die gewünschten Lotsen, aber sie waren nicht zuverlässig; denn nachdem die Portugiesen als Christen erkannt und somit als die natürlichen Feinde des Islam erklärt worden, wurde auch der Scheich von den einheimischen Händlern gewonnen, die Hand zu einem geplanten Verrath und Ueberfall zu bieten. Und hierzu sollten die Lotsen behilflich sein. Eine Einladung des Scheich zu einem Besuche in der Stadt hatte Gama, durch Davané gewarnt, vorsichtig abgelehnt. Dagegen bat er, man möge ihm am festen Lande einen Platz anweisen, wo seine Böte Wasser holen könnten. Diese Gelegenheit sollte von Seiten der Moslemin zu einem Ueberfall benutzt werden; zu gleicher Zeit sollten andere mit Bewaffneten besetzte Fahrzeuge, wenn ein Theil der portugiesischen Matrosen beim Wassereinnehmen von den Schiffen fern sei, diese überrumpeln und das Geschwader zu erobern suchen. Allein dieser Plan wurde durch die Wachsamkeit und die Ueberlegenheit der portugiesischen Waffen vereitelt. Gama ließ das Wasserboot mit zwei Kanonen armiren und schickte zur Bedeckung der Matrosen bewaffnete Mannschaft mit unter Führung des Capitäns Coelho. Zur Nachtzeit sollte bei Hochflut Wasser eingenommen werden. Aber der begleitende Pilote führte sie bis zum anbrechenden Morgen, wo Ebbe eintrat, in der Irre herum und hoffte das Fahrzeug dann unversehens aufs Trockne zu setzen und dem geplanten Ueberfall leichter preiszugeben. Indeß kam ihm Coelho zuvor, indem er das Boot rechtzeitig wenden ließ und den Verräther, zum abschreckenden Beispiel, an den Mast aufknüpfen wollte. Der Lotse aber sprang über Bord, tauchte unter und kam erst in weiterer Entfernung wieder zum Vorschein. Bei seiner Verfolgung wurde nun das Boot vom Lande aus mit Pfeilen und Schleudersteinen angegriffen. Da man von den Schiffen aus diesen feindlichen Zusammenstoß sehen konnte, so ertheilte Gama dem Boote durch Flaggensignale den Befehl zur Umkehr. Auch ließ er, wie Correa betont, nicht gleich mit Kanonen unter die Verräther schießen, weil er sich in dem ersten arabischen Hafen nicht in schlechten Ruf bringen wollte und vielleicht noch auf ein friedliches Abkommen rechnete. Der Scheich, der wohl auch für seine wehrlose Stadt fürchten mochte, ließ über den unangenehmen Zwischenfall sein Bedauern ausdrücken und erbot sich andere Lotsen zu senden, die indeß wieder den Auftrag zu haben schienen, die portugiesischen Schiffe auf Korallenriffe zu führen.
Vasco da Gama hatte mehrere Verbrecher an Bord, die ihm mitgegeben waren, um an gefährlichen Stellen ans Land geschickt zu werden. In der Ausführung eines lebensgefährlichen Auftrages bestand die eigenthümliche Art der Begnadigung. João Machado, so hieß der zu dieser Mission ausersehene Sträfling, wurde ans Land gesetzt, um dem Scheich die Botschaft zu übermitteln, daß, da man an seiner Ehrlichkeit zweifele, der weitere Verkehr mit ihm abgebrochen werde. Machado richtete seinen Auftrag aus und gelangte später unter allerlei Abenteuern über Kiloa und Mombas nach Indien.[S. 116] Gama aber hielt noch an einer unbewohnten Insel vor Mosambik an und ließ zu Ehren des heil. Georg den Wappenstein San Jorge setzen. Dann stach er wieder in See. Davané war an Bord geblieben und begann bereits etwas Portugiesisch zu lernen, so daß man sich mehr und mehr verständigen und manche werthvolle Mittheilungen über den Seehandel durch ihn gewinnen konnte.
Der streng bewachte, aber treulose Lotse brachte bald darauf die Schiffe zwischen die Untiefen einer Inselgruppe und wurde, als man seine Verrätherei erkannte, dafür durchgepeitscht. Die Inseln erhielten aber zum Andenken daran den Namen Ilhas do Azoutado, d. h. die Inseln des Durchgepeitschten. An der Küste entlang ging die Fahrt nun weiter auf Kiloa, welches als ein vielbesuchter Handelshafen galt, wohin sogar christliche Armenier gelangen sollten. Aber widrige Winde trieben die Schiffe ab. Das Schiff S. Rafael unter dem Commando des Vasco da Gama gerieth sogar auf eine Sandbank, wurde aber glücklich wieder losgebracht. So kamen sie in der letzten Woche des April[86] nach Mombas. Wieder erschien ein Fahrzeug der Einwohner, um sich nach den Zielen der Fremdlinge zu erkundigen. Gama erklärte, er komme, auf dem Wege nach Indien, sich in dem Hafen mit einigen Bedürfnissen zu versehen. Der Scheich, auch hier anfangs freundlich, mußte bald den falschen Einflüsterungen nachgegeben und schon von Mosambik Nachrichten erhalten haben, daß die Fremden Seeräuber seien und den Handel nur zum Vorwand nähmen. Als Gama in den Hafen einlaufen wollte, kamen viele kleine Schiffe heran, wie um die portugiesischen Fahrzeuge mit festlicher Musik an die Stadt zu geleiten. Aber man ließ höchstens 10 bis 12 Personen an Bord eines jeden Schiffes kommen. Vielleicht war es dabei auf eine Ueberrumpelung oder eine Verrätherei abgesehen, denn als das eine Schiff, rückwärts treibend, auf den Grund gerieth, da es dem Steuer nicht folgte, so gab der Capitän rasch Befehle, Anker auszuwerfen. Die dadurch hervorgerufene Unruhe machte die Araber auf den andern beiden Schiffen besorgt; sie fürchteten vielleicht, ihr Anschlag sei verrathen und sprangen eiligst wieder in ihre Schiffe. In einer hellen Mondnacht wurde der Hafen von Mombas verlassen und die Fahrt mit großer Vorsicht, weil man dem Lotsen nicht traute, fortgesetzt. Bald stießen sie auf zwei Sambuken, welche nach Mombas steuerten. Eine derselben wurde genöthigt, ihnen den Weg nach Melinde zu zeigen, wobei man die arabische Mannschaft auf die Schiffe vertheilte. Nach einer günstigen Fahrt von drei Nächten und zwei Tagen langten sie in den letzten Tagen des Monats April dort an und fanden hier endlich eine wohlgemeinte freundliche Aufnahme. Aber der Einladung des Fürsten, in dem Hafen anzulegen, folgte Gama, durch die Vorkommnisse in Mosambik und Mombas mißtrauisch gemacht, nicht sogleich, sondern schickte zunächst den[S. 117] Capitän Coelho und in seiner Begleitung den Davané ans Land. Am Ufer hatten sich so viele Menschen versammelt, daß die Beamten nur vermittelst ihrer Stöcke für die fremden Sendlinge Bahn schaffen konnten. Der Fürst ließ Coelho neben sich auf einem Stuhle niedersitzen, erkundigte sich vor allem nach europäischen Verhältnissen und ließ sich vom großen König Emanuel erzählen. Gegen Sonnenuntergang nahm der portugiesische Capitän Abschied und wurde, vom Herrscher von Melinde mit weißen und bunten Seidenkleidern und einem kostbaren Ringe beschenkt, an den Strand zurückgeleitet. Die von Gama auf einem Sambuk gewünschte Zusammenkunft fand in den nächsten Tagen statt. Der ganze Strand, die weißen Häuser und die Mauern der Stadt waren mit Schaulustigen dicht besetzt, als die beiden Flottenführer, Vasco und sein Bruder Paulo da Gama, im vollsten Schmucke, unter dem Donner der Salutschüsse in ihren beflaggten Böten von den Schiffen abstießen und sich dem Audienzschiffe näherten. Bei der herrschenden Rivalität zwischen Melinde und den anderen bereits besuchten Häfen war die Aufnahme eine sehr günstige. Dem arabischen Herrscher wurden ein kostbares Schwert, eine Lanze und ein Schild verehrt und beide Theile schieden in Freundschaft. Gama bat, die Piloten und übrigen Insassen des zur Mitfahrt gezwungenen Bootes sicher wieder in ihre Heimat befördern zu wollen, was auch zugesagt wurde. Die Portugiesen erhielten Lebensmittel und Wasser und konnten sich am Lande erholen, denn sie hatten an der ungesunden Ostküste Afrikas viel durch Krankheiten zu leiden gehabt und manchen Mann am Scharbock verloren.
Später besuchte Gama den Scheich in seinem Schlosse und wurde von diesem am Thor empfangen. Im Verlaufe des Gespräches erklärte der Araber, daß der Gewürzhandel in Kalikut seinen Hauptstapel habe und daß er dem Geschwader einen zuverlässigen Piloten dahin mitgeben werde. Auch rieth er den Portugiesen, die gewünschten Waaren nicht zu hoch zu bezahlen, um dadurch nicht den Markt zu verderben.
Davané erbot sich bis Indien mitzugehen. Vor dem Abschiede stattete der Fürst den Schiffen noch einen Besuch ab. Auf einer besonders angelegten Treppe leitete man ihn an Bord, wo eine festliche Tafel hergerichtet war. Dann ließ Gama mit Bewilligung des Herrschers einen marmornen Wappenpfeiler in Melinde setzen, segelte, von tüchtigen Lotsen geführt, am 24. April von der afrikanischen Küste ab und erreichte unter günstigem SW. Monsun in 22 Tagen die Gestade Indiens. Die Berge von Kananor traten hervor, die Häuser der Stadt zeigten sich bei dem Vorübersegeln. Fischerböte nahten sich und waren über die seltsam gebauten Schiffe und die weißen Menschen darin sehr verwundert. Am 20. Mai langte das Geschwader endlich im Hafen von Kalikut an.
Indien zerfiel damals in eine große Anzahl selbständiger Reiche, Barros nennt darunter die Königreiche von Multan, Delhi, Cospetir, Bengalen, Orissa, Mando, Tschitor, Guzarat oder Cambaya, Dekhan, Bisnaga und viele andere kleinere. Am Westfuße der Ghats erstreckte sich vom Flusse Karnat,[S. 118] nahe beim Vorgebirge Komorin bis zu der weit übers Meer sichtbaren Landmarke des Berges d’Ely (de Ly) oder Delly unter 12° n. Br., das Reich und die Landschaft Malabar mit der Hauptstadt Kalikut. Sechs bis zehn Leguas breit und 80 Leguas lang breitete sich dieser Landstrich aus, über welchen ein Kaiser die Oberherrschaft besaß. Der Titel dieses Oberherrn war eigentlich Samudrin, d. h. Herr der See, die Portugiesen nannten ihn Samorin. Zahlreiche Lehnsfürsten standen nominell unter ihm, wußten sich aber mehrfach seinem maßgebenden Einflusse zu entziehen oder fügten sich, wie die Fürsten von Kotschin und Kollam, nur widerstrebend. Das Uebergewicht Kalikuts beruhte in seinem Welthandel, in seinem Gewürzmarkte, welcher seit dem 14. Jahrhundert an Großartigkeit alle Hafenplätze der Westküste übertraf. Seine Blüte verdankte der Ort namentlich der Thätigkeit der mohammedanischen Kaufleute und Schiffer, welche bei den Portugiesen mit dem allgemeinen Namen der Mauren belegt wurden. Die Stadt zerfiel in zwei Abtheilungen; am Hafen gruppirten sich um die steinernen Wohnhäuser und Waarenlager der Mauren die mit Palmblättern gedeckten Holzhütten der eingeborenen Gewerbsleute, der Handwerker und des andern gemeinen Volks niedriger Kasten. Etwas entfernt lag in einem Palmenhain die Residenz des Samorin, umgeben von den Villen der vornehmsten Stände, der Brahmanen und der Kriegerkaste, der sog. Nair, die ihrem Oberherrn mit Leib und Seele ergeben, sich dem Handelsgewoge des Hafens entzogen, um ihren Standesvorurtheilen nichts zu vergeben durch zu enge Berührung mit den niederen Kasten. Diese hatten ihren Erwerb hauptsächlich durch die Mauren und waren, an deren Interesse gebunden, von denselben abhängig, oder wenigstens geneigt, auf ihre Seite zu treten. Denn den Vertrieb der geschätzten Waaren nach dem Abendlande hatten die mohammedanischen Kaufherren allein in der Hand; ihre Flotten kamen aus dem arabischen und persischen Golfe über Aden und Ormuz nach Indien und brachten namentlich über Aegypten die indischen Artikel ans Mittelmeer zu den christlichen Völkern. Aber nicht Araber und Aegypter im engern Sinne betheiligten sich allein an diesem indischen Handel. Mauren aus Tunis und Algerien, selbst Juden unternahmen die weite Reise ins Morgenland und wieder zurück in die Markthäfen Italiens und Spaniens. Die christlichen und mohammedanischen Staaten am Mittelmeer standen sich feindlich gegenüber; die Niederlagen des Islam und seine Verdrängung aus Spanien wurden bis Indien vernommen. Die Portugiesen waren politisch die Feinde der Araber und Mauren und sollten nun auch im indischen Handel als ihre Rivalen auf einem Gebiete erscheinen, wo die Moslemin Jahrhunderte lang allein sich des ungestörten Genusses und Gewinnes zu erfreuen gehabt hatten. Kein Wunder, daß das Erscheinen einer portugiesischen Flotte auf der Küste Malabar, vor dem Centralpunkte des Verkehrs, alle mohammedanischen Kaufleute in die größte Aufregung brachte. Daher der eigenthümliche Willkomm, den Gama vor Kalikut empfing. Schiffer im Hafen brachten nämlich zwei Mauren aus Tunis zu ihm, welche spanisch und italienisch sprachen und die Portugiesen[S. 119] mit den Worten begrüßten. „Schert Euch wieder zum Teufel, der Euch hergebracht hat.“
Auch dem Samudrin war der Besuch sicher ungelegen. Der friedliche Verkehr und die Sicherheit der Einkünfte, auf denen seine Macht basirte, schienen in Frage gestellt durch das plötzliche Erscheinen der abendländischen Fremdlinge. Ließ sich der Friede und die Ordnung, welche eine ausgezeichnete Marktpolizei bisher aufrecht erhalten hatte, bei der Erregtheit der Concurrenten aufrecht erhalten?
Und konnte nicht durch einbrechende Unsicherheit gedrängt, der ganze Waarenverkehr sich aus seinem Gebiet und aus seinem Hafen wegwenden? Daß unter solchen Umständen die Bekenner des Islam leichtes Spiel hatten, durch Einflüsterungen und Verläumdungen den Kaiser gegen die neuen Ankömmlinge einzunehmen, liegt auf der Hand. Vasco da Gama hatte von Anbeginn einen schweren Stand, und es ist ein nicht geringes Verdienst, daß er vorsichtig und seine leidenschaftlichen Aufwallungen beherrschend die Verhandlungen leitete, gewandt allen Gefahren auswich und seinen Auftrag glänzend löste.
Die Handelssaison war bereits vorüber, die fremdasiatischen Handelsbarken hatten den Hafen schon seit Monatsfrist oder länger verlassen. Man war also am Lande nicht wenig erstaunt, zu so ungewohnter Zeit Schiffe ankommen zu sehen, die offenbar mit diesen Gewässern nicht vertraut waren. Aus Furcht vor einer sichtbaren starken Brandung war Gama in einiger Entfernung vom Hafen bei dem Ort Kapokate vor Anker gegangen. Hier näherten sich ihm zunächst Fischerböte, von denen man Fische gegen portugiesische kleine Silbermünzen einhandelte. Die Bootführer prüften die ihnen unbekannten Werthzeichen mit ihren Zähnen auf den muthmaßlichen Silbergehalt. Dann brachten sie Hühner, Kokosnüsse u. a. zum Verkauf. Durch diesen Verkehr erfuhr der Samorin, daß Gama von Melinde komme und nicht ohne Erlaubniß des Landesherrn das Ufer betreten wolle. Darauf erschien nach einigen Tagen ein Nair, nur mit weißem Lendentuch bekleidet, mit rundem Schild und nacktem, kurzem Schwert. Mit ihm ging dann einer der von der afrikanischen Küste mitgenommenen Lotsen ans Land, um ähnliches über die Herkunft und Schicksale des Geschwaders zu berichten, wie Gama selbst in Melinde erzählt hatte: nämlich, daß sie zu einer großen Flotte von 50 Schiffen gehörten, die der mächtigste christliche König des Abendlandes abgesendet, um Pfeffer und Droguen einzuhandeln, daß sie aber durch Sturm zerstreut seien. Mit dem Lotsen ging auch wieder ein Sträfling ans Land, Namens João Nuñez (oder Martins). Als diese ihre Botschaft ausgerichtet hatten und wie es schien, nach günstiger Aufnahme wieder zum Hafen zurückkehrten, wurden sie von einem Manne in morgenländischer Tracht auf castilisch angeredet und eingeladen, bei ihm zu bleiben, da sie sich bei ihrer Sendung verspätet hatten und kein Boot mehr fanden, das sie zu den Schiffen zurückgebracht hätte. Dieser neue Gastfreund stammte aus Sevilla, war als Gefangener und Sklave[S. 120] durch viele Hände gekommen, hatte äußerlich den mohammedanischen Glauben angenommen und ging am nächsten Morgen mit den beiden Sendlingen an Bord, um den Flottencapitän über die Verhältnisse in der Stadt aufzuklären und namentlich vor den Ränken der arabischen Kaufherrn zu warnen.[87]
Gama ging darum nicht zuerst selbst ans Land, sondern schickte Coelho mit mehreren Begleitern zum König, damit er ihm die Bitte um freien Handel und friedlichen Verkehr vortrage. Wenn das zugesichert werde, wolle der Admiral persönlich die Geschenke und Briefe des königlichen Herrn überreichen.
Bei der Landung der Portugiesen lief das Volk zusammen, verhielt sich aber ruhig, als diese zum Palaste geleitet wurden. Da sich aber der Samorin inzwischen durch seine Beamten über das Erscheinen und Benehmen der Fremden genau berichten ließ, so verging darüber der Tag, ohne daß eine Audienz anberaumt wurde. Coelho blieb daher über Nacht im Hause eines Edelmanns.
Am nächsten Morgen kam der Schatzmeister und erklärte, sein Herr sei unwohl und könne die Gesandtschaft nicht empfangen, Coelho möge ihm daher den Inhalt seiner Botschaft anvertrauen, er werde ihn dem Könige übermitteln. Coelho aber erwiderte, er habe directen Auftrag, und wenn der König krank sei, werde er bis zu günstiger Zeit wieder aufs Schiff zurückkehren. So bequemte man sich denn zur Audienz. Coelho begrüßte den Samorin ehrfurchtsvoll, blieb aber schweigend stehen, bis ihn der König aufforderte, seinen Auftrag auszurichten. Als dies geschehen, wollte der König die Audienz schließen mit dem Bemerken, die Antwort werde ihm später durch den Schatzmeister zugehen. Allein auch darauf ging Coelho nicht ein, sondern erbat sich directen Bescheid, den ihm der Samorin dann in wohlwollender Weise gewährte. Zum Zeichen des Friedens erhielt Coelho den königlichen Namenszug auf einem Palmenblatte und begab sich damit wieder an Bord. Sobald dort der Erfolg bekannt geworden war, wurden die Schiffe beflaggt, Trompeten erklangen und die Kanonen donnerten Salutschüsse über den Hafen hin.
So war durch das feste Auftreten Coelho’s die schwankende Politik der königlichen Rathgeber bei Seite gedrängt. Das königliche Wort war eine Bürgschaft des Friedens.
Dann rüstete sich Gama selbst, zu einer Audienz ans Land zu gehen; aber, gewarnt durch den indischen Castilier, that er es nicht eher, als bis er durch eine Anzahl vornehmer Geißeln aus dem Stande der Nair genügend gedeckt war. Dann erst betrat er in festlichem Aufzuge, in Weiß und Roth gekleidete Trompeter voraus, die Stadt und wurde in einem Palankin zum[S. 121] Palaste getragen. Hier wurde er vom Samorin in feierlicher Audienz empfangen. Correa gibt uns von dieser Scene ein genaues Bild. Der König saß auf einem Divan. Er war von sehr dunkler Hautfarbe, der Oberkörper nackt, von der Mitte des Leibes an bis zu den Knien in Weiß gekleidet. Eines seiner Kleidungsstücke endigte in einer langen Spitze, an welcher mehrere goldene Ringe mit großen, glänzenden Rubinen angereiht waren. Am linken Arme über dem Ellbogen trug er eine Spange, die aus drei Ringen zusammengesetzt schien und von Juwelen strotzte; namentlich trug der mittlere höchst werthvolle Steine, und von ihm hing noch ein Diamant von der Dicke eines Fingers herab. Um den dunkeln Hals trug er eine helle Perlenschnur, deren Glieder die Größe einer Haselnuß hatten. Zweimal umgeschlungen reichte diese Schnur vorn bis auf die Mitte der Brust herab, und darüber trug er eine feine Goldkette mit einem Schmuck in Gestalt eines Herzens, welches aus einem Geschmeide von Perlen und Rubinen bestand, dessen Mittelpunkt ein großer Smaragd bildete. Das lange schwarze Haar trug der Samorin auf dem Wirbel in einen Knoten geschürzt und mit Perlenschnüren umwunden; an den Ohren prangten zahlreiche Goldringe.
Rechts und links vom Throne standen Leibpagen mit reichverzierten Waffen und mit einem goldenen Spucknapf. Der erste Brahmane reichte dem Fürsten von Zeit zu Zeit ein Blatt Betel, welches derselbe kaute und dann in den goldenen Napf ausspie.
Nachdem sich Gama tief vor der indischen Majestät verbeugt hatte, reichte ihm dieselbe die rechte Hand entgegen und berührte mit den Fingerspitzen die rechte Hand des Admirals, und dieser entledigte sich dann zuerst mündlich seines Auftrags in portugiesischer Sprache. Sein Dolmetscher João Nuñez übertrug den Inhalt zunächst ins Arabische und wendete sich an den Sensal, dieser gab in der Landessprache das Wort weiter an den Brahmanen, durch welchen dann endlich die Botschaft an den König selbst gelangte. Darauf überreichte Gama knieend den Brief des Königs Manuel, nachdem er ihn geküßt, auf seine Augen und aufs Haupt gelegt hatte. Der Samorin nahm den Brief in die Hand, drückte ihn an die Brust mit beiden Händen, öffnete ihn und übergab ihn seinem Schatzmeister, um ihn sich übersetzen zu lassen; denn er war portugiesisch und arabisch abgefaßt. Es war darin, was Gama bereits mündlich ausgesprochen, der Wunsch ausgedrückt nach einem Freundschaftsbündnisse und friedlichen Handelsverkehr. Damit war die Audienz beendet, der Admiral kehrte unter Trompetenschall zur Factorei zurück, wo er zu Nacht blieb. Die bald darauf folgende briefliche Antwort des indischen Fürsten enthielt die Stelle: Vasco da Gama, ein Edelmann aus Eurem Hause, hat mein Reich besucht, worüber ich mich sehr gefreut habe. In meinem Lande gibt es Zimmt, Gewürznelken, Ingwer und Pfeffer in Fülle, ich habe Perlen und Edelgestein. Was ich von Euch wünsche, ist Gold, Silber, Korallen und Scharlach.
Damit war die Genehmigung zur Eröffnung des Handels ertheilt.
Am Lande wurden den Portugiesen Lagerhäuser eingeräumt und Diogo Dias zum Factor bestellt. Um nun den Handel einzuleiten, wurde zunächst das Marktgewicht festgestellt, dann der Preis der Waaren bestimmt. Gold und Silber galt nicht nach Gepräge, sondern nach Gewicht und Feingehalt; es stellte sich dabei der Silberpreis höher als in Portugal. Außer Edelmetallen gab der Factor auch Korallen, Quecksilber und Kupfer zum Tausch. Die eingehandelten Droguen wurden dann durch indische Böte zu den Schiffen gebracht. Die Portugiesen waren über den billigen Einkauf erfreut und der Schatzmeister konnte hinwieder seinem Herrn melden, die Christen zahlten doppelte Preise und nähmen auch die weniger guten Produkte, deren Annahme die Araber verweigerten. Durch die blinde Kauflust der Fremden verlockt, begannen die einheimischen Händler die Gewürze zu fälschen, mit fremden Körpern zu vermischen oder gar unbrauchbare Waaren, wie ungenießbaren Zimmt zu liefern. Der Factor gewahrte wohl den Betrug, nahm aber auch die schlechte Waare an, um vorläufig jeden Grund zu Mißhelligkeiten fernzuhalten.
Inzwischen blieben die portugiesischen Boote stets in der Nähe auf der Hut, mit versteckten Waffen, scheinbar müßig, aber stets schlagfertig.
Da die Mauren sahen, daß sich der Handel mit den Portugiesen, zu ihrem Nachtheile, so rasch entwickelte, verdächtigten sie die Fremdlinge als Spione, welche nur gekommen seien, den Reichthum des Landes zu erkunden, um demnächst mit bewaffneter Macht als Eroberer wieder zu erscheinen. Als rechte Kaufleute würden sie doch die schlechte Waare nicht um doppelten Preis kaufen. Der Handel diene nur als Folie, um böse Absichten zu verdecken.
Die reichen Handelsherren in der Stadt gewannen nun zunächst den Katual, den mohammedanischen Gouverneur, oder, wie Correa ihn bezeichnet, den ersten Officier der königlichen Leibwache, für sich, daß er die Portugiesen am freien Verkehr hindern möge. Dies geschah auch. Man gestattete ihnen nicht, die Stadt zu besuchen, unter dem Vorgeben, als wolle man dadurch unliebsamen Begegnungen mit den Mauren vorbeugen, auch hoffte man, sich gelegentlich der Person des Admirals bemächtigen zu können. Vielleicht rechnete man auch bereits darauf, den unbequemen Besuch so lange hinzuhalten, bis die mohammedanischen Flotten mit dem neuen Monsun anlangten, um dann mit deren Hilfe die Portugiesen vollständig zu vernichten.
Als Gama die Handelsverschleppung bemerkte, ließ er die Absicht durchblicken, lieber den Heimweg anzutreten, ohne seine Gewürzfracht zu vervollständigen, um wenigstens seinem Könige die Kunde von dem erfolgreichen Zuge nach Indien bringen zu können. Kam dieser Plan zur Ausführung, dann hatten zwar die Mauren für den Augenblick das Feld behauptet, mußten aber einer verstärkten Wiederkehr des Erbfeindes gewärtig sein und waren keineswegs von einer drohend aufsteigenden Gefahr für ihr Handelsmonopol befreit. Der Samorin ließ den Admiral noch einmal zu sich rufen,[S. 123] der Katual erschien mit zwei Palankinen und bat ihn, ihm zur Audienz zu folgen. Wie in Folge derselben der Conflict endlich zum Ausbruch kam, wird verschieden berichtet, es scheint indeß am wahrscheinlichsten, daß er durch Gama’s Erklärung vor dem Könige beschleunigt wurde.[88] Denn als dieser ihn aufforderte, sich von dem überall in der Stadt ausgesprochenen Verdachte zu reinigen, als seien die Portugiesen gemeine Seeräuber, und ihm, dem Samorin offen die Wahrheit zu sagen, entgegnete Gama: Es wundere ihn gar nicht, daß die Vasallen des Samorin solche Verleumdungen ausstreuten, da er so weiten, bisher noch nicht betretenen Weges daherkomme; aber sein Herr und Gebieter sei durch den Ruf von der Größe und Macht des Samorin bewogen, seine Schiffe so weithin zu senden, um freundschaftliche Beziehungen und Handelsverkehr in Spezereien anzuknüpfen, daneben aber auch sich die Verbreitung des Christenthums angelegen sein zu lassen. Die Mauren seien in Europa die natürlichen Feinde der Portugiesen und suchten ihnen auch hier zu schaden. Dann bat Gama den König, ihn gegen dergleichen Ränke und Verdächtigungen zu schützen, damit nicht Krieg dadurch angefacht würde. Zum Zeichen der Wahrheit wies er auf die ihm zugestoßenen Verräthereien in Mosambik und Mombas hin. Und wenn auch ihn und sein Geschwader das Verhängniß träfe, nicht wieder nach Portugal heimzukehren, so werde König Manuel doch fortfahren, neue Flotten auszusenden, bis er gewisse Nachricht aus Indien erhalten habe. Der Samorin möge darum dafür Sorge tragen, daß nicht durch die Mauren der Zwist eingeleitet würde, denn die Portugiesen seien nicht gewillt, sich ungestraft beleidigen zu lassen, am wenigsten von den Mauren, über welche sie schon manchen Sieg davon getragen. Der Samorin hatte den Worten Gama’s mit Spannung gelauscht und erkannte aus dem Feuer und der Festigkeit der Rede, daß der Admiral die Wahrheit gesagt. Dann wünschte er, Gama möge aufs Schiff zurückkehren, wohin ihm die Antwort nachgesendet werden sollte. Der Katual, welcher die Portugiesen zum Landungsplatze zurückzuleiten hatte, bemächtigte sich aber unterwegs ihrer Personen, trennte den Admiral von seinen Begleitern und hielt sie unter verschiedenen Vorwänden tagelang wie in Gefangenschaft, angeblich weil er für ihre Sicherheit verantwortlich sei. Er hoffte, die Portugiesen würden, erbittert über diese Beleidigung, losschlagen und so einen Streit beginnen, in welchem man die Fremden sämmtlich beseitigen könne. Aber Gama behielt trotzdem seine Fassung und blieb ruhig. Die Mauren forderten den Tod Gama’s, aber ohne Anlaß wagte der Katual diese That nicht. Indeß mußte sich der Admiral dazu bequemen, den Factor als Geißel zurückzulassen, wenn er selbst wieder an Bord gehen wollte. Er[S. 124] ließ nun zwar die für ihn gestellten Geißeln frei, weil er erwartete dadurch auch den Diogo Dias aus seiner Gefangenschaft lösen zu können. Allein er sah sich darin getäuscht. Als er dann seinen Handelsfactor nach Verabredung heimlich vom Strande durch seine Boote wollte abholen lassen, kamen ihm seine wachsamen Gegner zuvor und vereitelten die Flucht. Bei dem darüber entstandenen Tumult wurden auch die portugiesischen Lagerhäuser geplündert. Ergrimmt ließ Gama eine Anzahl Fischer auf der See aufgreifen und lichtete die Anker. Das Jammern und Wehklagen der zurückgelassenen Weiber bewog nun den Samorin, den Factor Dias zu entlassen und zugleich die Erklärung mitzusenden, daß er aufrichtig den Frieden wünsche, aber auch den Handel der Mohammedaner, die seit Alters in seinem Lande ansässig seien, schützen müsse. Gama gab darauf hin die meisten Indier wieder frei, drohte aber, er werde, wenn er in kurzer Zeit wiederkomme, die ihm angethane Schmach rächen. Die von ihm mitgenommenen Fischer, ließ er dem Könige melden, werde er zunächst nach Portugal führen, damit sein Herr sich von ihnen über Kalikut könne berichten lassen; dieselben würden aber auf der nächsten Flotte wieder zurückkehren, damit sie auch dem Samorin über Portugal Kunde bringen könnten. Dann brach er von Kalikut auf und segelte nach Norden. Als aber am nächsten Tage das Geschwader durch Windstille auf dem Wasser, kaum zwei Meilen von Kalikut gebannt war, machte sich eine bedeutende Anzahl kleiner Fahrzeuge, nach Barros etwa 60 Schiffe, auf, um die Portugiesen zu überfallen, aber sie wurden durch grobes Geschütz sehr rasch vertrieben.
Daß Gama sodann noch den nördlich von Kalikut gelegenen Hafen von Kananor besucht, wird unter allen Schriftstellern nur von Correa erwähnt. Der Beherrscher von Kananor, welcher über die Vorgänge in Kalikut wohl unterrichtet war, ließ Gama einladen, in seinem Hafen anzulegen, dann erschienen mehrere Boote mit Wasser und Holz, Feigen, Hühnern, Kokosnüssen, gedörrten Fischen und andern Lebensmitteln und meldeten, wenn die Portugiesen nicht anlegen wollten, möchten sie diese Artikel als Geschenke annehmen. Aber sie könnten im Hafen auch Gewürze bekommen, um ihre Ladung zu vervollständigen, und zwar bessere Waare, als man ihnen in Kalikut geboten.
Die Portugiesen schickten nun eine Liste aller Artikel, welche sie noch wünschten, ans Land und erhielten alles in Ueberfluß, was Gama ebenso reichlich in Korallen, Zinnober, Quecksilber, Kupfer und Messingschalen bezahlte. Es fand sodann auch eine Zusammenkunft mit dem Fürsten statt, indem am Ende einer vom Strande aus geschlagenen Brücke eine Art Pavillon über dem Wasser errichtet war, wo der Fürst die Befehlshaber der drei Schiffe empfing, mit ihnen Geschenke wechselte und ihnen im Auftrag des Samorin noch einmal dessen Bedauern über den feindlichen Abschied von Kalikut ausdrücken ließ.
Nachdem noch auf einer kleinen Gestade-Insel (13° 20′ n. Br.) ein Wappenpfeiler[S. 125] Santa Maria errichtet worden, nach welchem dann später die Insel ihren Namen erhielt, ging Gama an der Küste weiter nordwärts bis zu der kleinen Gruppe der Andjediven (d. h. fünf Inseln), welche etwa 12 Leguas südlich von Goa (14° 45′ n. Br.) liegen, um dort Wasser einzunehmen und die Schiffe ausbessern zu lassen, ehe sie den Weg über den Ocean bis zur afrikanischen Küste anträten.
Die Nachricht von dem Aufenthalt der Portugiesen auf Andjediva gelangte durch Fischerboote bis nach Goa. Diese Stadt gehörte zum Reiche Bidjapur und war Jussuf Adil Chan untergeben, der, weil er aus Sava im westlichen Persien, bei Hamadan, stammte, den Beinamen Sabai führte, woraus die portugiesischen Historiker den Namen Sabayo bildeten. Dessen Statthalter in Goa hoffte nun, da er gehört hatte, daß zwei der portugiesischen Schiffe behufs der Reparatur an den Strand gezogen seien, sich dieser Fahrzeuge bemächtigen zu können und übertrug dies Unternehmen seinem Hafencapitän, d. i. dem Schah-bender, einem spanischen Juden, der bei der Einnahme Granadas jung vertrieben, durch die Türkei über Mekka nach Indien verschlagen war. Dieser recognoscirte bei Nacht die portugiesischen Schiffe, um zu sehen, ob er sie nehmen oder verbrennen könne. Indische Fischer, die mit den Portugiesen verkehrten, hatten aber bemerkt, daß in der Nähe mehrere bewaffnete Fahrzeuge, s. g. Fusten versteckt und zum Ueberfall bereit lagen. Gama ließ, von ihnen unterrichtet, den Juden, der anderen Tages wie von ungefähr vorübersegelnd die Schiffe auf spanisch begrüßte, ungehindert herankommen und an Bord steigen, dann aber sofort binden und mit der Tortur bedrohen, wenn er seine Absichten nicht bekenne. So gezwungen, den Schlupfwinkel seiner Boote zu verrathen, mußte er die Portugiesen selbst dahin begleiten und zusehen, wie diese über seine Leute herfielen und sie tödteten oder gefangen nahmen, um sie an den Schiffspumpen arbeiten zu lassen. Barros fügt hinzu, der Jude habe sich dazu bequemt, Christ zu werden und habe den Namen Gaspar Gama erhalten. Da der Mißerfolg seines Planes ihm die Rückkehr nach Goa abschnitt, zog er es vor mit nach Europa zu gehen. Später zeigte er sich außerordentlich geschickt und nützlich bei den weiteren Fahrten und Unternehmungen in Indien. Er war es auch, der die Portugiesen auf die günstige Lage des Hafens von Goa hinwies, welcher bald der Stützpunkt der portugiesischen Macht werden sollte.
Die endliche Abfahrt von den Gestaden des Gewürzlandes setzen Goes und Castanheda auf den 5. October, Correa dagegen auf den 10. December. Letzterer bemerkt ausdrücklich, die Piloten hätten dem Admiral gerathen, das Eintreten des Nordost-Monsun abzuwarten. Daher ging die Ueberfahrt dann bequem von statten und wurde der Hafen von Melinde am 8. Januar 1499 erreicht,[89] nachdem man schon am 2. Januar die afrikanische Küste bei Magadoschu[S. 126] gesehen hatte. Der Fürst von Melinde nahm sie wieder sehr freundlich auf und versorgte sie mit Lebensmitteln. Während des dortigen Aufenthalts, der von Einigen auf fünf Tage, von Andern auf elf Tage angegeben wird, starben noch mehrere Matrosen, so daß die Bemannung kaum noch zur Führung der Schiffe ausreichte. Beim Abschied erhielt Gama noch einen Brief an den König Manuel von dem Beherrscher Melindes, welcher dem Admiral zugleich versicherte, die Portugiesen würden ihm jederzeit willkommen sein, wenn sie auf der Fahrt nach Indien in seinen Hafen einliefen.
Bald darauf ging eins der drei Schiffe verloren. Ueber die Veranlassung gehen die Berichte wieder bedeutend auseinander. Barros sagt, der San Rafael sei wieder auf dieselben Klippen aufgefahren, auf die er schon bei der Hinfahrt gestoßen; Osorio berichtet, Gama habe das Schiff seines Bruders vor Melinde verbrannt, weil es untauglich war; Goes verlegt diese Thatsache vor eine Stadt Tagata; Correa kennt dieses Ereigniß gar nicht, denn noch nach der Umsegelung des Caps der guten Hoffnung auf der Rückreise spricht er von dem Schiffe Paulo da Gama’s als noch unter dem Geschwader vorhanden.[90]
Bei der weitern Fahrt wurden alle Details der Landmarken an der Küste sorgfältig aufgenommen, um den späteren Flotten mehr Sicherheit in der Fahrt zu geben. Am 2. Februar wurde auf einer Insel bei Mosambik noch der letzte, S. Georg getaufte, Wappenstein gesetzt und dann später ohne Schwierigkeit das gefürchtete Sturmcap dublirt. Hier in den kühleren Meeresregionen genasen die meisten Kranken. Aber als man sich wieder dem Aequator näherte und die fieberschwangeren Gewässer von Guinea erreichte, brachen die Seuchen von neuem aus. Weniger widerstandsfähig als früher, erlagen viele von der Mannschaft. Auch Paulo da Gama trug seit dem Aufenthalte im Golf von Guinea den Todeskeim in sich. Die Schiffe waren wieder sehr leck und hielten sich kaum noch über Wasser. So sah sich Gama genöthigt, auf der Açoren-Insel Terceira anzulaufen. Hier starb der edle Paulo da Gama in den Armen seines Bruders und wurde im Kloster des heiligen Franciscus zu[S. 127] Angra bestattet. Dadurch trat eine neue Verzögerung in dem Abschluß der Reise ein, so daß die Nachricht von der Rückkehr der indischen Flotte eher nach Lissabon gelangte, als Vasco da Gama selber dort einlaufen konnte.[91] Die erste Kunde von der Ankunft der indischen Schiffe brachte Arthur Rodriguez aus Terceira. Derselbe wollte grade mit seinem Schiffchen von den Açoren nach Algarbe segeln, als Gama mit seinem Schiffe anlangte, aber noch nicht bei Angra vor Anker gegangen war. Im Vorbeifahren fragte Rodriguez, woher das Schiff komme und als er hörte, aus Indien, steuerte er direct nach Lissabon und brachte schon nach vier Tagen dem Könige, welcher sich grade in Cintra befand, die erste Meldung von der Heimkehr Gama’s und wurde für diese erfreuliche Botschaft auf das freigebigste beschenkt.
Als nun Vasco da Gama endlich selbst den Hafen der portugiesischen Hauptstadt erreichte — Coelho soll durch Sturm von ihm getrennt, eher angelangt sein — sandte ihm der König mehrere Würdenträger zur Begrüßung entgegen und verlieh dem glücklichen Seemanne den Adelsrang und Titel eines Admirals der indischen Meere. Ferner erhielt er das Recht, sich am indischen Gewürzhandel jährlich mit 200 Cruzados[92] zu betheiligen, ohne Fracht und Zoll zu zahlen. Endlich wurde ihm ein einmaliges Geschenk von 20,000 Cruzados und 10 Quintal Pfeffer zu theil.
Nicolaus Coelho erhielt 3000 Cruzados monatlich für die Dauer der Reise und ein Quintal von allen Droguen, sowie die Capitänschaft auf einem Indienfahrer in allen Flotten, an denen er theil zu nehmen wünschte, oder das Recht, dieselbe zu vergeben oder zu verkaufen.
Den Erben Paulo da Gama’s gab man die Hälfte von allem, was Vasco bekommen hatte.
Jeder Steuermann und Bootsmann erhielt einen halben Quintal Gewürze, ausgenommen Zimmt und Mazis, weil von diesem Artikel wenig mitgebracht war[93].
Auch Klöster und Kirchen wurden reichlich beschenkt, und die königlichen Majestäten wohnten allen feierlichen Processionen und Messen bei, die bei diesen Gelegenheiten in Lissabon celebrirt wurden.
Man sprach durch alle diese Schenkungen und Stiftungen deutlich aus, welchen Werth man auf die glückliche Vollendung der indischen Seefahrt legte, welche unter dem Prinzen Heinrich begonnen, unter mehreren Königen fortgesetzt, doch noch am Ausgange desselben Jahrhunderts, welches den Keim gepflanzt, gelungen war. Es war für die Entwickelung der Seemacht Portugals und seines Handels ein großartiger Impuls gegeben. Der glänzende Erfolg rechtfertigte die zähe Ausdauer. Aber in der Kühnheit des Planes[S. 128] steht doch die Fahrt Gama’s hinter derjenigen eines Columbus und Magalhaens zurück, denn sie bildete nur den Abschluß einer ganzen Reihe von Unternehmungen, deren Leiter dem glücklichen Vollender tüchtig vorgearbeitet hatten, so daß nur ein Theil der Reise durch gänzlich unbekanntes Gebiet führte, während Columbus und Magalhaens vollständig neue Bahnen einschlugen. Beide durchschnitten, auf sich selbst angewiesen, breite, unbekannte Weltmeere, Gama’s Zug erscheint mehr als eine Küstenfahrt im großen Stil, und wo es galt, den indischen Ocean zu kreuzen, vertraute er die Führung seines Geschwaders zuverlässigen Lotsen an, die mit jenen Gewässern vollkommen vertraut waren.
Dazu war Gama’s Stellung viel gesicherter, sowohl nach oben, gegen die Behörden, die ihn aussendeten, als auch nach unten, gegen seine Untergebenen. Gama erhielt den Auftrag von seinem Landesherrn, Columbus und Magalhaens waren Fremdlinge, welche ihre Dienste einem auswärtigen Fürsten anboten. Gama konnte sich seine Mannschaft aus den bewährten, eigenen Landsleuten auslesen, Columbus und Magalhaens dagegen geboten über Angehörige einer anderen Nation, die nur widerstrebend dem vorgesetzten Ausländer gehorchten.
Aus den Berichten Gama’s über seine Begegnisse in Indien war es ersichtlich geworden, daß man, falls man den indischen Handelsbetrieb fortsetzen wollte, sich auf ernste Kämpfe mit den Mauren gefaßt machen müsse, welche das Gewürzmonopol seit langer Zeit in Händen gehabt hatten, und daß die Glaubensfeindschaft den Streit um so erbitterter machen werde. Eine friedliche Lösung schien ausgeschlossen; man mußte einen bewaffneten und auch für Kriegsfälle gerüsteten Handel in Aussicht nehmen. Dazu bedurfte es vor allem einer imponirenden Flotte. Zum Befehlshaber wurde Pedralvarez Cabral, ein intimer Freund Gama’s, ausersehen. Während man in Spanien das Monopol des westindischen Verkehrs nebst einer lästigen Reihe der höchsten Auszeichnungen und Privilegien einem Einzigen, dem Columbus, übertragen hatte, behielten sich die portugiesischen Fürsten, da sie von Anfang an die Initiative dazu ergriffen hatten, alle Rechte freier Wahl vor, belohnten die Erfolge nach Gebühr, aber wechselten in der Wahl der Oberleitung der Expeditionen nach reiflichem Ermessen. Gama wurde nicht ganz bei Seite geschoben, aber er wurde nur als Rathgeber herangezogen. Er entwarf die Verhaltungsmaßregeln für den zweiten Zug nach Indien. Er überwachte die Ausrüstung und schrieb den einzuschlagenden Schiffscours vor. Er gab an, wie man sich in Kalikut gegenüber dem Samudrin zu verhalten habe und empfahl, um den von den Mauren ausgestreuten Verdacht, als ob die Portugiesen lediglich Seeräuber wären, zu beseitigen, man solle die Beamten des Samudrin einladen, an Bord zu kommen, um die mitgebrachten Tauschwaaren zu besichtigen. Vor allem wurde aber Cabral eindringlich ge[S. 129]warnt, nicht ohne Geißel sich an Land zu begeben. Als beste Zeit für die Abfahrt wurde der März bestimmt, weil man dann zu günstiger Zeit die Region der Monsune im indischen Meere erreiche. Die Flotte bestand aus zehn großen und drei kleinen Schiffen und hatte 1200 Mann an Bord. Unter den Schiffscapitänen befanden sich Bartolomeu Dias, der Entdecker des Sturmcaps und Nicolao Coelho, der Begleiter Gama’s. Auch Franziskanermönche und Weltpriester gingen mit, um den christlichen Glauben zu verbreiten. An der Ausrüstung der Flotte betheiligten sich auch reiche Florentiner Kaufleute. Es war die Absicht, in Malabar festen Fuß zu fassen.
Am 9. März 1500 ging das Geschwader von Lissabon aus unter Segel. In der Nähe der Capverden wurde Luis Varez durch Sturm von den übrigen getrennt und kehrte nach Portugal zurück. Von der Guineaküste ab wurde gegen S.-W. gesteuert, um den Windstillen und widrigen Meeresströmungen auszuweichen. Vasco da Gama’s Segelvorschrift lautete, man solle in grade südlichem Cours bis zur Höhe des Caplandes segeln und dann mit günstigen Westwinden das gefürchtete Südende Afrikas zu umschiffen suchen. So kam es, daß die Schiffe durch den Aequatorialstrom weiter als beabsichtigt war, gegen Südwesten geführt wurden, wo sie am 21. oder 24. April etwa unter dem 18° s. Br. unvermuthet auf eine gebirgige Küste stießen, welche nach der Schätzung der Steuerleute etwa 450 Leguas von der afrikanischen Küste entfernt lag. Es war das Gestade Brasiliens, wohin eine günstige Meeresströmung sie durch Zufall getragen hatte. Daß bereits drei Monate früher Vicente Yañez Pinzon, einer der Begleiter des Columbus auf seiner ersten Fahrt, etwa 10 Grad weiter nördlich dieselbe Küste berührt hatte, war auf der portugiesischen Flotte noch nicht bekannt. Es wird aber aus den durch die Meeresverhältnisse geleiteten Fahrlinien der Portugiesen klar, daß die neue Welt von ihrem südlichen Halbcontinente aus über kurz oder lang von den Indienfahrern gefunden werden mußte, auch wenn der kühne Plan eines Columbus keine Unterstützung gefunden hätte und nicht zur Ausführung gelangt wäre. Der Gang der Ereignisse brachte diese Entdeckung von selbst mit sich.
Cabral segelte mehrere Tage an dem Ufer des waldigen Landes hin, besuchte die Bucht des Porto-Seguro und verkehrte wiederholt mit den braunen Eingebornen, die fast unbekleidet, ohne Metallwaffen, unter leichten Strohdächern in Netzen aus Baumwollschnüren schliefen. Am 3. Mai, dem Tage der Kreuzes-Erfindung nahm Cabral von dem Lande Abschied, dem er den Namen Terra de Sa. Cruz beilegte, eine Benennung, die sich aber bald änderte, nachdem man den Reichthum an Farbeholz (Rothholz) entdeckt hatte. Dieses Holz nannten die Portugiesen Brazil (nach der Farbe glühender Kohlen) und daher bekam jene Küste bald den Namen Terra de Brazil, Brasilland, Brasilien.[94] Der Capitän Gaspar de Lemos erhielt den Auf[S. 130]trag, mit der Meldung der neuen Entdeckung nach Portugal zurückzukehren und unterwegs so viel als möglich von der weiter nördlich verlaufenden Küste aufzunehmen.[95] Cabral segelte quer über den südatlantischen Ocean nach dem Caplande zu. In einem schweren Unwetter, welches zwanzig Tage dauerte, wurden am 23. Mai in der Nähe des Cap der guten Hoffnung vier Schiffe gekentert und gingen zu Grunde, darunter auch das Schiff des Bartolomeu Dias. Als ein eigenthümliches Verhängniß, daß der Entdecker des Cap hier sein Grab in den stürmischen Wogen finden sollte, sieht es auch Camoēns an, der den Genius des Sturmcaps also reden läßt:
Außerdem wurde auch das Schiff des Diogo Dias vollständig von den übrigen verschlagen und gelangte auf die Ostseite von Madagascar. Erst am Nordende bemerkte Dias, daß er eine Insel entdeckt habe. Von der stattlichen Flotte Cabrals waren somit nur noch sechs Fahrzeuge vorhanden, die sich auf der Rhede von Sofala am 16. Juli wieder zusammenfanden.
Die Schiffe hatten furchtbar gelitten, mußten aber doch noch den Weg bis Mosambik zurücklegen, ehe man Gelegenheit fand, sie für die Fortsetzung der Reise wieder seetüchtig zu machen. Der ganze Küstenstrich von Sofala bis Sansibar stand unter der Botmäßigkeit des Scheich von Kiloa. Nach diesem Mittelpunkte der arabischen Niederlassungen gelangte Cabral von Mosambik mittelst einheimischer Lotsen, hatte aber dort wenig Erfolg, als er Handelsbeziehungen anknüpfen wollte; denn der Scheich erklärte ihm ziemlich unumwunden, er könne die ihm vorgelegten portugiesischen Waaren nicht gebrauchen. Auch die Bekehrungsversuche der Geistlichen an Bord trugen keine Früchte. Am 2. August erschien die Flotte vor Melinde. Mit dem dortigen Oberherrn wurden die Freundschaftsbezeugungen erneuert. Hier ließ man auch zwei portugiesische Sträflinge zurück, João Machado und Luis de Moira,[S. 131] mit dem Auftrage, bis ins Land des Priesterkönigs nach Abessinien vorzudringen; ein Unternehmen, das damals ebenso fehl schlug als im 17. Jahrhundert, wo mehremal portugiesische Missionare, unter ihnen Lobo, um 1626, sich abmühten, das Gebiet der Galla zu durchbrechen. Der Scheich von Melinde gab den Portugiesen wiederum zwei Steuerleute mit, welche die Schiffe glücklich in sechzehn Tagen nach Indien hinübergeleiteten. Schon am 23. August wurden die Andjediven wieder erreicht. Dort gönnte man sich vierzehn Tage Rast, die Schiffe wurden wieder kalfatert und mit Wasser versorgt, denn man mußte mit einer wohl in Stand gesetzten Flotte vor Kalikut auftreten. Wenn auch die Seemacht auf die Hälfte reducirt war, war sie immerhin doppelt so stark an Zahl der Schiffe, als das kleine Geschwader Gama’s und mußte wohl den Verdacht eines Korsarenwesens zurückdrängen. Der Samudrin bekundete seine friedliche Gesinnung dadurch, daß er die Fremden sofort nach ihrem Eintreffen durch zwei Nair und einen angesehenen Kaufmann aus Gudjerat begrüßen ließ. Cabral schickte die vier Indier, welche Gama mitgenommen, wieder ans Land und ließ den Fürsten ersuchen, ihm Geißeln als Bürgen eines friedlichen Geschäftsverkehrs zu senden. Der Brief des Königs Manuel enthielt denselben Wunsch, sprach aber daneben, unüberlegter Weise, viel von Bekehrungsplänen, wodurch die religiösen Gegensätze und Antipathien in Indien von neuem aufgeregt werden mußten.
Sechs Geißeln wurden zwar gestellt, allein portugiesischerseits hatte man dabei nicht an die Schwierigkeiten gedacht, welche die brahminischen Religionssatzungen einem längeren Aufenthalte auf den Schiffen entgegenstellte, wo die Indier keine von fremder Hand zubereiteten Speisen zu sich nehmen durften. Man mußte wenigstens gestatten, daß sie von Zeit zu Zeit durch ein Sambuk nach der Stadt geholt wurden, um dort zu essen. Cabral begab sich indessen, durch die Bürgen gedeckt, in prächtigem Aufzug ans Ufer und hatte am Strande mit dem Samudrin die erste Zusammenkunft. Noch war er aber nicht zurückgekehrt, als ein Fahrzeug bei der portugiesischen Flotte erschien, um die Geißeln abzuholen. Da man an Bord die Auslieferung verweigerte, sprangen die Geißeln ins Meer und retteten sich zum Theil auf das befreundete Boot. Geißeln aus vornehmer indischer Kaste erwiesen sich danach als untauglich. Cabral begnügte sich darum fernerhin mit der Stellung von angesehenen mohammedanischen Kaufherrn. So kam denn auch eine zweite Audienz beim Samudrin zu Stande, in welchem ein friedliches Abkommen getroffen und die Preise der Gewürze festgestellt wurden. Dem Factor Aires Correa wurden mehrere Häuser am Hafen für den Handel eingeräumt und diese Waarenlager mit sechzig Mann Besatzung zur Deckung belegt. Auch die Geistlichen versuchten von ihr aus ihr Bekehrungswerk zu beginnen, aber ohne Erfolg, da sie die Sprache des Volks, das Malabarische, nicht verstanden. Cabral scheint auch, klugerweise, diesem Zweige seiner Sendung wenig Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Mit Betrübniß mußte er aber bemerken, daß auch der Handel sich gar nicht beleben wollte. Die Verschleppungspolitik der Mauren[S. 132] steckte offenbar dahinter. Im Laufe von drei Monaten hatten erst zwei seiner Schiffe eine hinlängliche Fracht an Pfeffer eingenommen. Aergerlich darüber ließ Cabral auf Antrieb des Factors ein im Hafen liegendes Schiff, das einem mohammedanischen Händler gehörte und angeblich mit Gewürzen beladen war, gewaltsam untersuchen, fand aber nur Lebensmittel an Bord. Das Gerücht dieses Gewaltstreichs brachte die Stadt in Aufregung. Von den Mauren aufgestachelt, rottete sich das Hafenvolk zusammen und stürmte die fremden Magazine. Aires Correa und ein Theil seiner Leute wurde erschlagen; doch wurde der zwölfjährige Sohn des Factor, Antonio Correa, auf wunderbare Weise gerettet und hat sich später im indischen Dienst besonders hervorgethan. Cabral schritt sofort zu einer energischen Züchtigung: er ließ fünfzehn im Hafen liegende Schiffe in Brand stecken und beschoß einen Tag lang die Stadt. Damit war jeder weitere Verkehr abgeschnitten, man befand sich dem Samudrin gegenüber auf feindlichem Fuß. Cabral begab sich dann nach dem südlicher gelegenen Kotschin, dessen Radscha ihm bereits aus Eifersucht gegen Kalikut eine freundliche Einladung gesandt hatte. Binnen drei Wochen wurden hier und in Kranganor (Cotunglur, Kadungulur nahe bei Kotschin) alle Schiffe mit Gewürz befrachtet. Auch der Fürst von Kollam, südlich von Kotschin, erbot sich, zu mäßigen Preisen die gewünschten Waaren zu liefern. Endlich lief die Flotte noch in Kananor an, welches bereits von Gama besucht war. Hier vervollständigten sie die Ladung noch durch Ingwer und Zimmt; von diesen Artikeln wurden aber solche Mengen angeboten, daß man nicht alles mitnehmen konnte. Der Radscha, im Glauben, den Portugiesen seien die Mittel zum Einkauf ausgegangen, bot ihnen daher an, sie möchten die Waaren nur nehmen und das nächste Mal bezahlen. Ein solches Zutrauen bewies er den handelsbegierigen Fremden. Nachdem er dann noch Gesandte mit nach Europa abgeordnet hatte, ging die Flotte am 16. Januar 1501 wieder unter Segel, verlor aber kurz vor Melinde im Sturm das Schiff des Sancho de Toar; doch wurde die Mannschaft gerettet. Dann ging’s weiter nach Mosambik, wo die Schiffe noch einmal wieder kalfatert wurden, ehe sie in die Sturmregion am Caplande einträten. Toar bekam hier in Mosambik noch den Auftrag, in einem kleinen Schiffe Sofala zu besuchen, eine Aufgabe, welche eigentlich die Gebrüder Dias hatten lösen sollen. Toar ging mit dem indischen Juden Gaspar da India oder da Gama als Dolmetsch und einem Piloten von Melinde nach Sofala, fand dort eine günstige Aufnahme und kehrte von allen Capitänen, die an dieser zweiten indischen Expedition theilgenommen hatten, am spätesten zurück, denn er erreichte Lissabon erst im September 1501. Toar berichtete später von dem Goldreichthum Sofalas, und daß die Eingebornen, von denen die Araber das Gold eintauschten, vier Augen hätten, zwei vorn und zwei hinten am Kopfe. Jedenfalls ein arabisches Handelsmärchen, das der Portugiese ebenso treuherzig glaubte, als Herodot in alter Zeit die phönizischen Schifferlügen erzählte.
Die Rückfahrt Cabrals ging weiterhin ohne bedeutenden Unfall von statten.[S. 133] Doch wurde noch das Schiff des Pero de Taide von den übrigen getrennt, gelangte aber auch glücklich nach Portugal. Bei den Capverden stellte sich auch Diogo Dias wieder ein, der auf seiner einsamen Fahrt von Madagascar nach Magadoschu gerathen war und dort am afrikanischen Strande in einem Ueberfall, wahrscheinlich bei Barawa, seine ganze Mannschaft bis auf sieben Köpfe eingebüßt hatte und sich dadurch genöthigt sah, den Heimweg anzutreten, ohne Indien gesehen zu haben. Bei den Capverden fand noch eine zweite Begegnung statt, man fand nämlich die drei Schiffe, welche am 13. Mai von Lissabon abgegangen waren, um die Entdeckung Brasiliens weiter zu vervollständigen. An diesem Unternehmen betheiligte sich auch Amerigo Vespucci, welcher seine zweite Reise nach der neuen Welt antrat.
Cabral hatte zwar fünf Schiffe vollständig verloren, und eins von Brasilien zurückgeschickt, während ein siebentes, dasjenige des Pero de Taide, Indien gar nicht erreicht hatte, trotzdem wog die kostbare Fracht an Gewürzen, Perlen und Edelsteinen die Verluste vollständig auf. Darum entschloß man sich auch in Portugal, da die Handelsvortheile bedeutend überwogen, die Indienfahrten fortzusetzen und mit verstärkter Waffenmacht die mohammedanischen Händler aus den indischen Gewässern zu vertreiben.
Ehe Cabral zurückkam, schickte der König bereits am 5. März 1501 wieder ein kleines Geschwader von vier Schiffen unter Führung des Galiciers João da Nova ab. Eins dieser Fahrzeuge, unter Diogo Barbosa, hatten portugiesische Kaufleute ausgerüstet, ein anderes hatte der Florentiner Bartolomeo Marchioni unter die Leitung des Francesco Vinetti gestellt; denn der portugiesische König gestattete den Kaufherren, welche auf ihre Kosten Schiffe ausrüsteten, auch den Capitän zu ernennen. Das vierte Schiff befehligte Francisco de Novaes.
Auf der Fahrt durch den atlantischen Ocean entdeckte João da Nova, unter 8° s. Br., eine Insel, der er den Namen Ilha da Conceizão (Concepçao, Insel der Empfängniß) beilegte. Wir sehen daraus, welchen Cours die Schiffe einschlugen. Albuquerque taufte zwei Jahre später, wahrscheinlich weil ihm die frühere Entdeckung unbekannt geblieben war, die Insel um und nannte sie Ilha da Ascensão (Himmelfahrtsinsel), wie sie auch heute noch heißt. Am 7. Juli erreichte das Geschwader den Wasserplatz von San Braz an der Mosselbai, östlich vom Vorgebirge der guten Hoffnung. Hier fanden sie einen Brief, den Pero de Taide auf seiner Heimfahrt zurückgelassen hatte; João da Nova ersah daraus, wie die indischen Angelegenheiten standen und was unter Cabral vorgefallen war. Im August erreichte man Mosambik und weiter Kiloa, wo sich ein von der früheren Expedition zurückgelassener Verbrecher, Antonio Fernandez, bei ihnen einfand und den Inhalt des in der Mosselbai gefundenen Briefes bestätigte. Auf dem gewöhnlichen Wege über Melinde gelangte da Nova ohne Fährlichkeit nach Kananor. Hier bot ihm der Fürst die gewünschte Gewürzfracht an, aber da der Flottenführer die Weisung erhalten hatte, sich zuerst in Kotschin mit Hilfe des dortigen[S. 134] portugiesischen Factors zu versorgen, so lehnte er vorläufig das freundliche Anerbieten ab und stach wieder in See, obwohl ihm bereits Warnungen zugegangen waren, daß eine größere Flotte des feindlichen Samudrin ihm den Weg verlegen sollte. João da Nova baute aber auf die größere Gewandtheit seiner Schiffe und die Ueberlegenheit seiner Waffen, und bahnte, während der Fahrt beständig wachsam, mit Gewalt seinen Weg durch mehr als hundert feindliche Schiffe. Mit seinen Geschützen bohrte er neun kleinere und fünf größere Schiffe seiner Gegner in den Grund, wobei 417 Indier sollen ums Leben gekommen sein. Nach dieser Niederlage bemühte sich zwar der Samudrin wiederum, die Schuld auf die Hetzereien der Mauren zu schieben und die Portugiesen mit Freundschaftsversprechen anzulocken; aber diese würdigten ihn keiner Antwort.
In Kotschin sah sich da Nova insofern getäuscht, als in der Factorei wenig Vorräthe hatten aufgespeichert werden können, da die Indier die gewünschten Waaren nur gegen Metall hatten liefern wollen. Der portugiesische Capitän hatte zwar unterwegs in Sofala Gold eintauschen wollen, hatte aber nicht landen können, und befand sich, gleichfalls ohne bedeutende Geldmittel, in einiger Verlegenheit. Indeß gelang es doch, theils hier, theils noch in Kananor, wohin er zurückging, seine Schiffsräume zu füllen. Auch wurden noch zwei maurische Gewürzschiffe unterwegs mit Gewalt ihrer Fracht beraubt. So mit Erfolg und Sieg gekrönt, sagt da Barros, hatte João da Nova auf der Heimfahrt noch das Glück eine Insel zu entdecken, der er den Namen St. Helena gab. Diese kleine Insel scheint Gott an dieser Stelle geschaffen zu haben, um allen, die von Indien kommen, neues Leben zu geben, denn man findet hier das vorzüglichste Trinkwasser und andere Erfrischungen in Fülle. Darum bestreben sich alle dieses Eiland zu erreichen und halten sich, hier angelangt, für gerettet und geborgen.
Am 11. November 1502 warf João da Nova in dem Hafen von Lissabon die Anker aus und wurde vom König huldvoll empfangen, weil er durch sein gewandtes und kühnes Benehmen, ohne Verlust an Schiffen, den ihm gewordenen Auftrag glänzend durchgeführt hatte.
Indeß war doch der materielle Gewinn, gegenüber den großen Gefahren, welchen die Indienfahrer unter einer feindlichen, zahlreichen Bevölkerung beständig ausgesetzt waren, nicht erheblich genug, um ohne sorgfältige Ueberlegung in gleicher Weise fortgeführt zu werden. Der afrikanische Handel mit den Negerstämmen an der Küste erschien dagegen weit bequemer, und wenn man auch sehnlichst wünschte, die bisherigen Erfolge möglichst auszubeuten, so machten sich doch gerechte Bedenken laut, woher die bedeutenden Mittel zu beschaffen sein würden. Denn ohne das Aufgebot einer großen imponirenden Seemacht, welche den indischen Handel erzwingen konnte, war an eine Fortführung der orientalischen Unternehmungen nicht zu denken. Der König berief daher mehrmals seine Räthe, um ihre Meinung zu hören. Trotz aller gegentheiligen Ansichten drang aber doch die Ueberzeugung durch, daß[S. 135] man mit Hilfe der in Indien schon gewonnenen Bundesgenossen und durch die überlegenen europäischen Schiffe und Waffen die Mohammedaner bezwingen werde und daß man im Gewürzlande festen Fuß fassen könne, um dann — was als eine nicht geringe Pflicht angesehen wurde — den Heiden das Christenthum zu bringen. So entschied sich der König zur Fortsetzung der Unternehmungen unter dem Aufgebot aller verfügbaren Mittel.
Ursprünglich war Cabral dazu ausersehen, diese große Expedition zu leiten, doch trat er noch vor ihrem Beginn zurück; sei es nun, daß, wie Correa erzählt, Gama beim König selbst Einwände dagegen erhoben und sich auf sein verbrieftes Recht berufen hatte, wonach ihm der König die Flottenführung zugesagt, um ihm Gelegenheit zu bieten, sich an dem Samudrin wegen seiner Gefangennahme zu rächen; sei es, daß Cabral, nach Barros’ Bericht, sich dadurch verletzt gefühlt, daß man dem Vicente Sodre eine fast selbständige Leitung der kleinen Schiffe zugesagt, welche zum Schutze der Factorei in Indien bleiben sollten, und daß er in Folge dessen das Obercommando abgelehnt habe.
Vasco da Gama.
Aus dem Manuscript von Pedro Barretto de Resenda.
(In der Sloane Bibliothek des British Museum, London.)
Gama trat an die Spitze einer stattlichen Flotte von zwanzig Segeln, und unter ihm behielt Sodre den Befehl über die Kriegsabtheilung mit 800 Soldaten. Doch lief das ganze Geschwader nicht auf einmal aus, Gama brach mit fünfzehn Schiffen am 10. Februar 1502 auf,[S. 136] worauf sein Neffe, Estevão da Gama mit fünf Schiffen erst am 1. April nachfolgte. Beide Abtheilungen erreichten indeß ziemlich zu gleicher Zeit das Ziel. Vasco da Gama landete zuerst in Porto Dale bei C. Verde und verweilte dort sechs Tage, um Wasser einzunehmen. An der Guineaküste hatten sie unter Windstillen zu leiden und verloren in der ungesunden Gegend manchen Mann.
Nur Correa erwähnt, daß diese Flottenabtheilung die Küste von Brasilien berührt habe und bis zum C. Agostinho daran hingesegelt sei, ehe sie nach der Südspitze Afrikas hinübersteuerten. In jener Meeresgegend, wo Cabral durch Unwetter mehrere Schiffe verloren hatte, wurde auch Gama von einem Sturm überfallen, welcher sechs Tage währte und das Geschwader dermaßen zerstreute, daß nur zwei größere Schiffe und zwei Caravelen bei dem Admiral blieben. Am Cap Corrientes brach ein neuer Sturm los, welcher eins der Schiffe, die Sa. Elena auf die Sofalabank trieb, doch konnte die Mannschaft gerettet werden. Die meisten Schiffe fanden sich auf dem verabredeten Sammelplatz bei Mosambik wieder zusammen, wo aus dem baufertig mitgenommenen Material in zwölf Tagen eine Caravele zusammengesetzt wurde, welche den Namen Pomposa erhielt und in Mosambik zur Deckung der dort errichteten Factorei und zur Einleitung von Handelsverbindungen mit Sofala stationirt blieb.
Gama blieb vier Tage dort und schloß mit dem Scheich von Mosambik einen Freundschaftsvertrag. Auch erhielt er von demselben — es war nicht mehr der nämliche Herrscher, wie bei der ersten Reise — Briefe von J. da Nova, welche ihm über die Zustände in Indien Mittheilungen machten, und ließ wiederum für seinen nachfolgenden Neffen und die beiden im Sturm am Cap Corrientes abgetriebenen Schiffe Instructionen zurück.
Ueber den von Mosambik aus unternommenen Zug des Pero Affonso d’Aguiar nach Sofala unter Führung zweier einheimischer Lotsen gibt Correa interessante Einzelheiten, welche wegen ihrer originellen Färbung hier eingefügt werden mögen. Affonso hatte bei dem Scheich von Sofala, der über Mosambik bereits von den Portugiesen gehört hatte, eine Audienz und sagte ihm, er komme, um im Auftrage des portugiesischen Königs auf ewige Zeiten Friede und Freundschaft mit ihm zu schließen. Der schwarze Fürst erklärte darauf, er habe bereits früher den Portugiesen versichert, alle in friedlicher Absicht kommenden Kaufleute seien ihm willkommen. Als dann Pero Affonso noch einmal die Friedensliebe des portugiesischen Königs betont hatte, war der Negerkönig sichtlich davon befriedigt und schwur bei der Sonne und dem Himmel, bei seinem Haupte und seinem Bauche, daß er ihnen ihre Waare abkaufen wolle. Als ein Unterpfand seiner Treue zog er dann von seinem Daumen einen goldenen Ring, reichte ihn dem portugiesischen Capitän und verehrte ihm zugleich und dem Könige von Portugal mehre Schnüre von aufgereihten kleinen Goldperlen als Zeichen immerwährender Brüderschaft. Und zum Beweise seiner Aufrichtigkeit und Treue faßte er die Hände der Umstehenden, denn sie pflegten nicht zu schreiben. Pero Affonso aber[S. 137] ließ alles niederschreiben und unterzeichnete es mit sechs Leuten. Dann wurde das Schriftstück verlesen und von dem Dolmetscher erklärt, worüber der Scheich sammt seinem Volke höchlichst erstaunte, denn sie hatten noch nie schreiben sehen (!) und meinten, das Papier spräche durch Zauberkünste. Als dann der Portugiese zu seinem Schiffe zurückgekehrt war, sandte ihm der Herr des Landes Hühner, Eier, Yams und was es sonst an Nahrungsmitteln zu Lande gab.
Pero Affonso wandte sich dann nach Mosambik zurück, traf aber den Admiral nicht mehr an, da derselbe bereits nach Melinde weiter gesteuert war. Gama wandte sich zunächst nach Kiloa. Diese Stadt lag auf einer Insel an der Küste, doch war das Wasser auf der Landseite nur knietief. Mit Mauern und Thürmen umgeben, zählte der Ort 12,000 Einwohner und besaß gute Steinhäuser mit Terrassen und aufgesetztem Holzbau. Sie lag in einem Hain von Citronen-, Limonen- und Orangenbäumen. Zuckerrohr, Feigen und Granatäpfel gediehen in den Gärten. Hier herrschte ein Araber, dem aber nur das Weichbild der Stadt unterthänig war.
Da der Scheich sich bei der ersten Ankunft der Portugiesen verrätherisch benommen hatte, so rückte der Admiral mit seiner ganzen Flotte vor die Stadt, setzte dieselbe durch blinde Kanonensalven in Schrecken, umzingelte sie und erzwang so die Unterwerfung des Scheichs, der nach vielem Sträuben sich endlich darein ergeben mußte, einen jährlichen Tribut von 500 Mithikals in Gold (= 584 Cruzados) zu zahlen, wofür er dann ein Patent als Schutzbefohlener des Königs von Portugal zur Sicherheit für sich und die Kaufleute seiner Stadt erhielt. Auch mußte er zulassen, daß auf dem Thurme seines Palastes die portugiesische Flagge aufgehißt wurde. Später wurde zur Befestigung der portugiesischen Macht sogar eine Citadelle gebaut.
Dann brach das Geschwader nach Melinde auf. Es mußte dem Admiral daran gelegen sein, dem Fürsten dieser Stadt, der sich ihm auf der ersten Fahrt nach Kalikut allein freundlich und fördernd erwiesen hatte, seine stattliche Flotte zu zeigen und durch die Entfaltung seiner Macht in der Freundschaft zu befestigen. Es erscheint danach nicht recht glaubhaft, daß Gama sich, wie Osorio und Barros erzählen, von dem Besuch durch widrige Winde habe abhalten lassen und mehre Meilen von der Stadt vor Anker gegangen sei, um Lebensmittel einzunehmen. Correa dagegen schildert eingehend den Aufenthalt in Melinde und beschreibt mit allen Einzelheiten das große Fest, welches die Portugiesen dem Scheich auf ihren Schiffen gaben. Auch Castanheda bestätigt diesen Besuch.
Auf der Weiterfahrt trafen sie, im August, mit drei Schiffen Estevão da Gama’s zusammen, während die beiden übrigen sich erst an der Westküste Indiens bei den Andjediven wieder einfanden.
Bei Dabul (17° 43′ n. Br.) erreichten sie das Gestade des Gewürzlandes und gingen in eine Bai nahe bei Goa vor Anker. Die Küstenstädte sollten dort bald erfahren, daß Gama nicht in friedlicher Absicht erschien, daß ihm vielmehr daran lag, die auf der ersten Reise erlittenen Demüthigungen zu[S. 138] rächen. Zur Gewaltthat geneigt, unverrückt sein Ziel im Auge behaltend, den Gewürzhandel für die Portugiesen zu monopolisiren, sah er alle Schiffe, auf die er stieß, als gute Beute an.
Bei den Andjediven traf er dicht am Ufer drei Fusten. Diese flüchteten in den Fluß Onor (14° 13′ n. Br.). Estevão da Gama verfolgte sie bis ins Flußwasser hinein, stieß dort auf Verschanzungen, von denen aus er mit Kanonenkugeln und Pfeilen empfangen wurde, und steckte nun alle erreichbaren indischen Schiffe in Brand.
Dann rückte die ganze Flotte weiter nach Baticala (13° 59′ n. Br.), welches zum Königreiche von Bisnaga gehörte. Gama verlangte Unterwerfung, begnügte sich dann aber auch mit einer Abgabe von Reis für seine Mannschaften.
Auf dem weitern Wege nach Kananor fiel ihm ein großes Schiff in die Hände, das mit Waaren und Pilgern aus Mekka nach Indien zurückkehrte. Das Schiff wurde ohne Gegenwehr genommen, geplündert und in Brand gesteckt. Zu spät setzten sich die Asiaten zur Wehr, wurden dann aber bis auf wenige gerettete Frauen und Kinder niedergemetzelt. Noch im Wasser wurde an denen, die über Bord gesprungen waren, das Morden fortgesetzt. Wahrscheinlich gehörte das Schiff dem Sultan von Aegypten oder einem seiner Unterthanen, denn bald danach beschwerte sich jener beim Papst darüber, daß die Portugiesen in den indischen Meeren Seeraub trieben.
Dann ging die Flotte im befreundeten Hafen Kananor vor Anker. Gama hatte bei dem Fürsten mit großem Gefolge eine feierliche Audienz und erklärte ihm, er werde in Zukunft keinen Handelsverkehr nach dem rothen Meere dulden. Auch verlangte er, die Stadt solle ihre Handelsbeziehungen mit Kalikut abbrechen. Nur die Schiffe von Kananor, Kotschin und Kollam wollte er schonen und durchlassen. Auch der Preis der Waaren wurde festgestellt, desgleichen, wie hoch die mitgebrachten portugiesischen Artikel berechnet werden sollten. Auch dies setzte der Admiral durch, obwohl man die fremden abendländischen Erzeugnisse in Kananor eigentlich nicht verwerthen konnte.
Als sich darauf Gama gegen Kalikut bewegte, schickte ihm der Samudrin zu wiederholten Malen Botschafter entgegen, um ihm einen friedlichen Ausgleich anzutragen. Aber der portugiesische Befehlshaber stellte seine Forderungen derart, daß der indische Fürst nicht darauf eingehen konnte. Gama forderte nämlich erstens das Eigenthum zurück, das vom Stadtvolk bei dem Morde des portugiesischen Handelsfactoren geraubt worden war, und zweitens, daß allen Mauren, die vom rothen Meere kämen, der Hafen verboten würde. Gegen die erste Forderung bemerkt der Samudrin, daß durch die Plünderung des Mekkaschiffes der Schaden in der Factorei mehr als gedeckt sei. Zum andern aber könne er unmöglich mehr als viertausend Familien von Arabern aus Kairo und Mekka (man ersieht daraus, wie stark die arabische Colonie und wie groß ihr Einfluß in Kalikut war), die in der Stadt ansässig seien, vertreiben, zumal da Stadt und Land aus diesem Handel bedeutenden Vortheil zögen.
Gama hielt diese Gründe keiner Widerlegung werth. Er wollte die Antwort persönlich überbringen und rückte vor die Stadt. Den Versuch des Samudrin, sich wegen der Plünderung der Factorei durch eine bedeutende Geldsumme abzufinden, lehnte der Portugiese mit dem Bemerken ab: angethane Schmach lasse sich nicht mit Gold decken. In seiner Erbitterung scheute Gama keine Mittel, um seine Feinde einzuschüchtern. Wenn auch die Berichte über die einzelnen Acte einer barbarischen Kriegsführung von einander abweichen, so kehren doch die Angaben über die raffinirtesten Schlächtereien aufgegriffener malabarischer Schiffer, oder über scheußliche Verstümmlungen, die an den armen Opfern verübt wurden, immer wieder und müssen historisch begründet sein. Einen eigenthümlich sagenhaften Zug erwähnt Correa, und man erkennt daraus mit Befriedigung, daß diese ausgesuchten Grausamkeiten selbst unter den Portugiesen Bedenken erregten. Unter den unglücklichen Seeleuten, welche der Rache des Admirals zum Opfer fielen, befand sich eine Anzahl von der Coromandelküste, welche baten, man möge sie zu Thomaschristen machen, wie es solche in ihrem Lande gäbe. Gama erwiderte hart, taufen könnten sie sich lassen, aber gehängt würden sie doch. Sie fanden nur in sofern Gnade, als sie — es waren ihrer drei — nicht an den Beinen aufgehängt wurden, um dann den Bogenschützen zur Zielscheibe zu dienen, sondern am Halse gehängt wurden, so daß sie also die auf sie gerichteten Pfeilschüsse nicht mehr fühlten. Aber dabei geschah ein Wunder. Kein Schuß verletzte auch nur die Haut dieser Martyrer, welche durch die Taufe gefeiet waren. Gama ließ ihnen dann wenigstens noch ein christliches Begräbniß zu Theil werden und die eingesargten Leichen unter christlichen Gebeten ins Meer senken.
Zweimal ließ der Admiral die Stadt Kalikut beschießen und einen Theil der Häuser vernichten. Er wollte keinen Frieden, sondern verlangte Unterwerfung. Nun aber rüstete man sich auch im ganzen Reiche Kalikut zu einem allgemeinen Rachekriege; an allen Flüssen wurden große und kleine Kriegsschiffe gebaut, um dem grausamen Feinde die Stirne zu bieten. Während Vicente Sodre an der Küste kreuzte, um alle indischen Fahrzeuge abzufangen, wandte sich Gama selbst mit einer Flotte von fünf großen und sechs kleinen Schiffen nach Kotschin, um mit dem Fürsten dieser wichtigen Handelsstadt einen Vertrag zu schließen. Man kam dahin überein, daß die Portugiesen Pfeffer, Gewürznelken und Benzoin mit Geld bezahlen sollten, während sie andere Artikel wie Zimmt, Weihrauch und dergl. gegen ihre europäischen Waaren eintauschen konnten.
Kaum war dieses friedliche Abkommen getroffen, so erschien eine Gesandtschaft vor der Mutter des Radscha von Kollam, dessen Gebiet die Südspitze der indischen Halbinsel umfaßte und zu dessen Einkünften der reiche Pacht von den Perlenfischereien gehörte. Die Verhandlungen hier boten um deswillen Schwierigkeiten, weil Gama nur im Einverständnisse mit seinem ersten Bundesgenossen in Kotschin handeln wollte und diesem natürlich wenig[S. 140] daran liegen konnte, in Kollam einen neuen Concurrenten zu erhalten. Aber Gama löste diese Differenz mit großem Geschick und gutem Erfolge. Zwei seiner Schiffe nahmen in Kollam eine Fracht von Pfeffer ein und stellten dann den dortigen Handelsfahrzeugen Geleitsbriefe aus, wie denen von Kotschin und Kananor.
Unterdessen waren die Rüstungen des Samudrin soweit gediehen, daß er unter Anwendung indischer List sich seines wüthenden Gegners mit einem Schlage zu entledigen hoffte. Ein Brahmine erschien als Abgesandter auf der Flotte und gab vor, er wolle nach Europa gehen, um das Christenthum kennen zu lernen und mit dem portugiesischen Könige selbst zu verhandeln, da man den jährlich wechselnden Schiffscapitänen nicht traue. Als nun Gama erwiderte, er habe Vollmacht, erklärte ihm der Brahmine, sein Fürst wünsche Frieden, und überredete nun den Admiral, mit ihm nach Kalikut zu gehen. Er segelte mit seinem Schiffe allein ab in der Erwartung, das Geschwader Sodre’s vor der Stadt zu finden. Aber dieser war durch Ausstreuung von allerlei Gerüchten nach Norden gelockt, sodaß Gama sich isolirt sah. In der Nacht wurde sein Schiff umzingelt und von allen Seiten angegriffen; aber die überlegene Seetüchtigkeit rettete ihn aus dieser drohenden Gefahr. Der Brahmine wurde zur Strafe für seinen Verrath mit dem Tode bestraft und an der Raae aufgeknüpft, oder es wurden ihm, wie Correa berichtet, die Lügenlippen abgeschnitten und statt der abgehaunen Ohren Hundsohren angenäht und er so verstümmelt ans Land geschickt.
Nachdem dann ein großer Theil der Schiffe ihre Fracht in Kotschin eingenommen, segelte die ganze Flotte im Anfang Februar 1503 nach Kananor. Noch einmal wagten die Schiffe von Kalikut einen Angriff, wurden aber durch Kanonen zurückgetrieben. Doch fiel der Capitän Vasco Tinoco im Kampfe. In Kananor ließ Gama die Factorei mit Kanonen besetzen. Sodre blieb mit fünf größeren Schiffen und zwei Caravelen in den indischen Gewässern zurück, um den Samudrin in Schach zu halten und die Bundesgenossen zu schützen. Dann wandte sich Gama zur Heimkehr und ließ im September 1503 vor Lissabon den Anker fallen.
Vicomte Sodre blieb als erster Capitão do mar in den indischen Gewässern mit einer kleinen Flotte von sieben oder acht Schiffen zurück. Der Samudrin beschloß diese Zeit, während die Hauptmacht der Portugiesen abwesend war, zu einem Kriegszuge gegen den Fürsten von Kotschin zu benutzen. Aber dieser glaubte nicht, daß die Rüstungen, die gegen ihn im Werke waren, in der stillen Zeit des Verkehrs beendigt werden könnten, und hatte dem portugiesischen Capitän, in zu großer Sorglosigkeit, freigestellt, inzwischen noch einen Auftrag auszuführen, welcher ihn an den Eingang des rothen Meeres führte, um den arabischen Handel zu sperren. So sah sich denn der Radscha von Kotschin plötzlich zu Lande von einem überlegenen Feinde angegriffen, dem er sogar seine Hauptstadt überlassen mußte. Er flüchtete sich nach einer kleinen Insel und brachte dort die Wintermonate in hartbedrängter Lage zu.
Sodre war nordwärts nach Gudjerat gesegelt und von da nach der Küste Südarabiens hinübergegangen. Hier wurde er von einem furchtbaren Sturme überfallen und ging mit mehreren Schiffen bei den Kuria-Muria-Inseln sammt der Mannschaft zu Grunde, wahrscheinlich im Juli oder August des Jahres 1503.
Der Rest des Geschwaders wandte sich nach Indien zurück und wartete bei den Andjediven auf neuen Zuzug aus der Heimat, da sie ohne denselben sich nicht stark genug fühlten, irgend etwas zum Schutz ihrer Bundesgenossen zu unternehmen. Die erwartete Hilfe ließ auch nicht lange auf sich warten, denn schon im April 1503 waren wieder sechs Schiffe segelfertig, um von Tejo auszulaufen und im Mai sollten noch andere folgen. Am 6. April brachen Alfons und sein Vetter Francisco d’Albuquerque mit je drei Schiffen auf. Affonso d’Albuquerque, den portugiesische Geschichtschreiber den „Großen“ nennen, unzweifelhaft der bedeutendere der beiden Verwandten, betrat hier zuerst den Schauplatz, auf dem er sich unsterblich machen sollte, denn in ihm haben wir den eigentlichen Begründer der portugiesischen Macht in Indien vor uns. Er war im Jahre 1453 in der kleinen Stadt Alhandra am Tejo sechs Leguas oberhalb Lissabon, als zweiter Sohn des Gonçalo d’Albuquerque, des Herrn von Villaverde und der Donna Leonor da Menezes geboren. Im königlichen Palaste erzogen, hatte er sich zuerst 1480 bei Otranto im Kampfe gegen die Türken ausgezeichnet.
Affonso stand im fünfzigsten Lebensjahre, als er die erste kleine Flotille von drei Segeln nach Indien führte.
Einer seiner Landsleute hat ihn folgendermaßen geschildert: „Affonso d’Albuquerque war von mittlerer Größe und von angenehmem Aeußern. Das längliche Gesicht von frischer Farbe und mit einer Adlernase zierte später ein mächtiger bis über den Gürtel reichender weißer Bart, der ihm ein sehr würdiges Ansehn gab. Er war mit dem Lateinischen vollkommen vertraut und ebenso vorsichtig in seinen Worten wie in seinen Schriften. Er war geliebt und gefürchtet, ohne daß sein Wohlwollen in Parteilichkeit, oder sein Tadel in Härte überging. Er war ein Mann von Wort, ein Feind der Lüge, ein gewissenhafter Richter. Zu Lande und zu Wasser hat er viele Wunden davon getragen und mit seinem Blute bezeugt, daß er keiner Gefahr aus dem Wege gehe. Er war verschwenderisch freigebig und überließ seinen Capitänen die ganze Siegesbeute, da er stets mehr auf Ruhm als auf Reichthum bedacht war.“
Alfons von Albuquerque.
Nach dem Manuscript des Pedro Barretto de Resenda.
(In der Sloane Bibliothek des British Museum, London.)
Diesen Helden begleitete ein anderer kühner Capitän, Duarte Pacheco Pereira, dem später eine Aufgabe, ähnlich der des Spartanerköniges Leonidas, zufallen sollte. In dem Gefolge des Francisco d’Albuquerque befand sich Nicolao Coelho, welcher sich schon auf der ersten Fahrt Gama’s hervorgethan hatte. Am 6. April 1503 waren beide Abtheilungen von Lissabon abgesegelt. Im August erreichten sie die Küste von Malabar. Francisco langte zuerst an, hatte aber unterwegs ein Schiff eingebüßt. Dafür[S. 142] fand er die Schiffe von Sodre’s Geschwader vor und segelte damit südwärts nach Kananor und Kotschin. Als auch Affonso bald danach eintraf, hatten die Portugiesen wieder die Uebermacht, verdrängten ihre Gegner aus dem befreundeten Hafen und führten den Radscha von Kotschin in sein Gebiet zurück. Im Gefühl der Nothwendigkeit und Erkenntlichkeit willigte dieser sodann in die Anlage einer festen Citadelle. Die Capitäne stellten dem Fürsten vor, daß alle Drangsale seines Reiches nur daher rührten, daß sie aus Mangel an eigner Sicherheit ihren Bundesgenossen weniger helfen könnten. So entstand also in Kotschin die erste portugiesische Festung, welche bereits in Portugal geplant war und durch die Sendung der beiden Albuquerque ins Werk gesetzt werden sollte. Um die Citadelle rasch zu vollenden, theilten sich beide Capitäne in die Arbeit, und so entstand ein Holzbau mit Pallisaden. Bei der Besetzung der Commandantenstelle traten zwischen den portugiesischen Führern bereits Eifersüchteleien zu Tage. Jeder gab dem Bollwerk einen besonderen Namen; aber da Affonso nach dem Befehl seines Königs zuerst in Kollam Gewürzfracht einnehmen sollte, mußte er vorläufig seinem Vetter das Feld überlassen. In Kollam wurde Antonio de Sa als Factor eingesetzt. In den ersten Tagen des Jahres 1504 hatte Affonso seine Aufgabe gelöst und wollte, wie die Vorschrift lautete, gemeinschaftlich mit Francisco den Rückweg antreten. Aber dieser zögerte mit dem Einkauf der Frachten, sodaß Affonso Ende Januar sich veranlaßt sah, um die günstige Fahrzeit nicht zu versäumen, allein aufzubrechen. Mit einem geschickten Piloten steuerte[S. 143] er zum erstenmal, statt den Umweg über Melinde zu machen, direct auf Mosambik, umschiffte am 1. Mai bei schönem Wetter das Cap der guten Hoffnung, wurde zwar an der Guineaküste eine Zeitlang von verderblichen Windstillen aufgehalten, erreichte aber glücklich die Capverden, wo er in dem Hafen von Sa. Maria die Fahrzeuge ausbessern ließ, und langte am 3. September wohlbehalten vor Lissabon an. In seiner Begleitung befand sich ein Venetianer Bonavito d’Alban, der vor zweiundzwanzig Jahren über Aegypten nach Indien gegangen und sich lange Zeit in Malaka aufgehalten hatte. Von ihm erhielt Albuquerque manche wichtige Nachrichten über die entfernten Gewürzländer und über Malaka besonders, was für die späteren Unternehmungen von großem Einfluß war.
Francisco d’Albuquerque war erst am 5. Februar von Indien aufgebrochen, wurde aber an der Ostküste Afrikas von Stürmen überfallen und ging sammt Nicolao Coelho unter. Von einem anderen Schiffe, welches früher zum Geschwader Sodre’s gehört hatte, rettete sich nur die Mannschaft. In Indien blieb vorläufig Duarte Pacheco mit einigen Schiffen zurück.
Bald nach der Abfahrt der beiden Albuquerque von Lissabon war ihnen im Mai 1503 der Castilier Antonio de Saldanha mit drei Schiffen gefolgt, um an Stelle Sodre’s vor dem rothen Meere zu kreuzen. Schon im Golfe von Guinea wurden die drei Fahrzeuge von einander getrennt, das erste Schiff, welches sich verlor, segelte allein um Afrika und hielt sich länger bei der Insel Sokotra auf, welche die Portugiesen bei dieser Gelegenheit zuerst betraten. Ein zweites Schiff unter Ruy Lourenço Ravasco kam vor dem Sturmcap abhanden, ging ebenfalls auf die Ostküste Afrikas und trieb schamlose Piraterie; alle Kauffahrer, die man antraf, wurden geplündert. Bei Sansibar, dessen Herrscher im Namen des Königs Manuel auch besteuert wurde, ließ er in zwei Monaten mehr als 20 Sambuken anhalten. Nur das einzige Verdienstliche that Ravasco, daß er dem befreundeten Scheich von Melinde gegen seine eifersüchtigen Nachbarn in Mombas erfolgreichen Beistand leistete. Darüber verging der Sommer, ehe Saldanha sich einfand. Dieser war noch nördlich vom Sturmcap ans Land gegangen, in dem Glauben das gefährliche Cap bereits hinter sich zu haben und hatte dort eine Bucht und einen Wasserplatz, Aguada da Saldanha, entdeckt. Dann hatte er, nach Besteigung des Tafelberges (Meza da Cabo), sich wieder auf den Weg gemacht, hatte die Südspitze Afrikas glücklich überwunden, an der Ostküste ebenfalls dem Seeraub obgelegen und endlich vor Melinde seine Genossen gefunden. In der Nähe des rothen Meeres hatten sich alle drei Schiffe wieder vereinigt und waren nach der arabischen Küste herübergesteuert, um dort zu überwintern, hatten aber, bei der Feindseligkeit der Bewohner, Wassermangel gelitten und waren dann nach den Andjediven gesegelt, wo sie von der großen Flotte des Lopo Soarez eingeholt wurden, welcher fast ein Jahr später von Portugal aufgebrochen war, um mit dreizehn Segeln direct nach Indien zu fahren, wo er Ende August 1504 anlangte. Auf Vasco da Gama’s Rath hatte[S. 144] man die Kräfte nicht zersplittert, sondern eine imposante Armada mit vielem Kriegsgeräth und 1200 Mann Besatzung entsendet. Der Krieg mit den Moslemin sollte mit Nachdruck geführt werden. In Kananor erfuhr Soarez, wie in der Zwischenzeit, seit die Albuquerques zurückgekehrt, die Angelegenheiten verlaufen waren.
Pacheco hatte alle Angriffe des Samudrin glänzend zurückgeschlagen. Der ganze Kampf, bei welchem der Beherrscher von Kalikut 60,000 Mann sollte aufgeboten haben, drehte sich hauptsächlich um die Vertheidigung einer Furt, über welche der Weg von Norden her nach Kotschin führte. Diese Furt hatte Pacheco mit Pallisaden verschanzen und mit Kanonen besetzen lassen. Nichts zeigte deutlicher die unentwickelte Kriegskunst der Eingebornen, als ihre vergeblichen Anstrengungen, diese Verschanzungen zu nehmen. Duarte Pacheco hatte seine kleine Schaar von hundertundsechzig Portugiesen auf seine Schiffe, auf die Citadelle in Kotschin und an der Furt vertheilt; es standen ihm also an jedem Orte nur etwa fünfzig Mann zur Verfügung, und doch schlug er, obwohl er sich auf seine indischen Bundesgenossen wenig verlassen konnte, mit geringen Verlusten alle Angriffe ab und machte selbst den abenteuerlichen Plan der Inder, seine Schiffe mit großen hölzernen, auf je zwei Prauen errichteten Holzthürmen zu erobern, gründlich zu schanden. Der Samudrin sah sich endlich genöthigt, nachdem auch seine Vasallen fahnenflüchtig geworden waren und da Krankheiten seine Mannschaft decimirten, seinen Feldzug aufzugeben und nach Kalikut zurückzugehen; denn die stille Jahreszeit ging vorüber und ein neues Geschwader feindlicher Schiffe war mit dem Eintreten des günstigen Fahrwindes von der afrikanischen Küste her zu erwarten.
Soarez hatte den gewöhnlichen Weg an der Ostseite Afrikas eingeschlagen, in Melinde die wenigen aus dem Schiffbruche des Francisco d’Albuquerque geretteten Mannschaften an Bord genommen und war dann von den Andjediven aus gegen Kalikut vorgerückt, wo er Anfang September erschien. Hier forderte er die Auslieferung von zwei zu den Feinden übergelaufenen Geschützgießern (aus Mailand oder Slavonien) und beschoß, als dieselbe verweigert wurde, zwei Tage lang die Stadt, wobei ein Theil des königlichen Palastes zerstört wurde. Zur Vergeltung dafür wurden in der Stadt die portugiesischen Gefangenen getödtet.
Soarez wandte sich dann nach Kotschin, wo er durch die Fürsorge Duarte Pacheco’s eine bedeutende Pfefferfracht aufgespeichert fand und einnehmen konnte. Nachdem er dann die wahrscheinlich unter dem Schutze der Citadelle von Trampatão (Dharmapatam) im Gebiete von Kananor versammelte mohammedanische Handelsflotte zum Theil erobert und verbrannt hatte, trat er zu Anfang des Jahres 1505 mit reicher Ladung den Rückweg an. Daß die Macht des Samudrin durch dieses rücksichtslose und immer siegreiche Auftreten der Portugiesen mehr und mehr erschüttert wurde, beweist auch der Abfall eines seiner Vasallen, des Radscha von Tanor, welcher zu seinen abendländischen Feinden überging. Im indischen Meere blieb der Capitän[S. 145] Manuel Tellez Barreto mit fünf Schiffen und 300 Mann zurück, um an der Küste zu kreuzen, während 280 andere Soldaten als Besatzung in Kotschin, Kananor und Kollam stationirt wurden.
Im Juli 1505 erreichte Soarez den Hafen von Lissabon, wo man vor allem die Verdienste Duarte Pacheco’s, welcher mit der Flotte zurückgekehrt war, würdigte. Als Belohnung erhielt dieser ausgezeichnete Mann die Verwaltung der Niederlassungen an der Guineaküste, er wurde aber bald in Folge von Verleumdungen angeklagt und in Ketten nach Portugal transportirt, wo er später, ohne wieder Anerkennung zu finden, in der bittersten Armuth starb. Camoens geißelt in seinen Lusiaden (X, 22–25) den Undank des Königs mit harten Worten. Indem er Duarte Pacheco mit Belisar vergleicht, wirft er dem Könige Ungerechtigkeit und Geiz vor.
Werfen wir, ehe wir die weiteren Unternehmungen der Portugiesen verfolgen, einen Blick auf die Handelslinien und großen Lagerplätze des indischen Gewürzhandels. Im fernen Osten lag Malaka inmitten der reichsten Pfefferländer, zugleich ein Hauptstapel für die Gewürze der Molukken und der Droguen der Sundawelt. Mit diesem Handelsplatze stand Kalikut in unmittelbarer Verbindung. Von hier aus boten sich aber zwei Straßen nach dem persischen und nach dem rothen Meere. Dort galt als Mittelpunkt des Seeverkehrs die Inselstadt Ormuz, welche Albuquerque bald bezwingen sollte, und hier vor der Enge des rothen Meeres Aden. Von Ormuz führte der Weg über Basra durch Mesopotamien nordwärts. Die Karawanen gingen entweder über Armenien nach dem nördlichen Asien und Europa, oder wandten sich am Fuß des Hochlandes, auf welchem Euphrat und Tigris entspringen, gegen Westen nach Syrien und erreichten in Beirut das Gestade des mittelländischen Meeres. Die Schiffe, die nach Aden gegangen, steuerten dann durch das rothe Meer weiter nach Tor an der Südspitze der Halbinsel des Sinai und von da nach Sues. Von hier wurden die Waaren zu Lande über Kairo nach Alexandrien befördert.
Damals beherrschte der Sultan von Aegypten auch die syrischen Häfen; es ging demnach fast der ganze indische Handel durch sein Gebiet und sicherte ihm namhafte Einkünfte. Jede Veränderung oder Störung dieser Handelslinien und Handelsbewegungen berührte die Macht des ägyptischen Sultans auf das empfindlichste; aber auch das Interesse für den Glauben spielte hinein.
Mohammedanische Dynastien saßen auch auf der Westküste Vorder-Indiens. Sie alle hatten gleiches Interesse an dem Fortbestehen des Gewürzhandels auf den bisherigen Seewegen. Der Sultan von Aegypten empfand gar bald die Verluste in seinen Einnahmen, nachdem die portugiesischen Schiffe die Straße nach dem rothen Meere gesperrt hatten. Als aber die Kaufleute von Kalikut als seine Glaubensgenossen in ihrer Bedrängniß sich an ihn gleichsam als an ihren Schirmherrn wendeten, beschloß er sich vorerst bei dem Papst[S. 146] zu beschweren und von dem geistlichen Oberhaupte der Christenheit Abhilfe zu fordern, inzwischen aber sich auf einen entscheidenden Kampf vorzubereiten und eine Flotte auszurüsten, welche im Verein mit dem Geschwader der indischen Bundesgenossen den Portugiesen die Spitze bieten könne. Mit seiner Sendung an den Papst Julius II. betraute er den Pater Mauro, Prior des Klosters am Sinai. In seinem Briefe beschwerte sich der ägyptische Sultan über die Grausamkeiten, welche König Ferdinand von Aragonien gegen die Mauren in Spanien verübt hatte, sowie über die Schädigungen, welche König Manuel von Portugal seinen Glaubensgenossen und Unterthanen in Indien zufüge. Der Islam war seit zwanzig Jahren hart ins Gedränge gekommen und erlag im äußersten Westen und Osten den Schlägen der christlichen Fürsten. In Spanien waren die Mauren aus mehr als siebenhundertjährigem Besitze vollständig verdrängt; nun erschienen die Glaubensfeinde sogar in den indischen Meeren. Wenn die Fürsten der spanischen Halbinsel, erklärte der Sultan, von ihrem Wüthen gegen den Islam nicht abließen, werde er selbst zu ähnlichen Maßregeln gegen die Christen in seinen Landen sich genöthigt sehen. Er werde das heilige Grab vernichten und den christlichen Namen im Orient austilgen. Er werde aber auch mit seinen Flotten die Gestade des Mittelmeeres heimsuchen und den Christen gleiches mit gleichem vergelten, wenn der Papst nicht dem König Manuel verbiete, fernerhin seine Schiffe nach Indien zu senden.
Mit Abschriften dieses Drohbriefes entsandte der heilige Vater den Prior Mauro an die Höfe nach Spanien und Portugal und erbat sich eine Antwort darauf für den Beherrscher Aegyptens. König Manuel erwiderte: Der Sultan drohe nur mit Worten, weil ihm die Mittel zu Thaten fehlten. „Als wir beschlossen,“ schreibt er, „mit unseren Flotten einen Weg nach Indien zu bahnen und die unseren Vorfahren unbekannten Länder zu erforschen, war unser Vorsatz, der mohammedanischen Sekte, von welcher mit Satans Hilfe so viele Leiden über den Erdkreis gebracht sind, das Haupt zu zertreten, und wo möglich das Grab Mohammeds vom Erdboden zu vertilgen. Wir bedauern, daß wir dies Ziel noch nicht erreicht haben. Der Sultan wird sich wohl hüten, die Christen in seinem Lande zu vertreiben, da er aus den Abgaben der Pilger, welche das heilige Grab besuchen, so bedeutende Einnahmen erzielt. Und sollte er je wagen, die Küsten des Mittelmeeres zu plündern, so würde die jetzt uneinige Christenheit sich alsobald zur Abwehr und zu gemeinsamem Angriff zusammenschaaren. Eine solche Gefahr für sich und sein Land wird aber der Sultan schwerlich heraufbeschwören.“ Der König Manuel meinte ferner, die beste Antwort auf die Drohungen des Aegypters bestehe darin, daß der Papst die gesammte Christenheit zu einem neuen Kreuzzuge aufrufe. Er wolle sich zwar nicht erkühnen, Sr. Heiligkeit und dem ehrwürdigen Cardinalscollegium die Antwort vorzuschreiben, welche dem Sultan zu ertheilen sei; aber seinen Willen und seine Meinung wolle er doch dahin aussprechen, daß er sich durch keine Drohung, keine Schwierigkeit von seinem[S. 147] Ziele abhalten lassen werde, den Uebermuth des Glaubensfeindes zu demüthigen und zu brechen.
Damit ging Mauro zunächst nach Rom und dann nach Aegypten zurück. Ein friedlicher Ausgleich war unmöglich; die Waffen mußten entscheiden. In den indischen Gewässern hatte der Sultan Bundesgenossen und nur einen Feind; am Mittelmeer stand er fast allein und hatte die gesammte Christenheit gegen sich. Darum wählte er zum Kampfplatz den Orient und beschloß eine bedeutende Flotte nach Indien zu senden. Aber auch dieser Plan wurde schon im Entstehen theilweise vereitelt. Es war nämlich eine Flotte von fünfundzwanzig Schiffen nach der kleinasiatischen Küste geschickt, um von dort das Bauholz nach Aegypten und weiter ans rothe Meer zu schaffen. Dieses Transportgeschwader wurde aber von den Johannitern auf Rhodos angegriffen, welche elf Schiffe vernichteten, so daß, als noch vier andere im Sturme untergegangen waren, nur zehn Fahrzeuge mit Bauholz glücklich ihr Ziel erreichten. Somit konnten nur sechs größere und vier kleinere Schiffe erbaut werden, über welche dann der Kurde Hussein Almuschrif 1506 den Oberbefehl erhielt.
Die Portugiesen hatten von diesen Vorfällen und Plänen aber bereits 1505 Kunde erhalten und konnten danach ihre Maßregeln treffen. Die bisherige Kriegsführung, welcher eine einheitliche Leitung fehlte, mußte abgeändert werden. Es war vor allem nöthig, dem Oberbefehl eine größere Continuität zu geben und ihn auf mehrere Jahre auszudehnen. So entstand das Institut des Vicekönigthums, dem Portugal thatsächlich den indischen Besitz verdankt. Die Unternehmungen des Sultans von Aegypten trugen also wesentlich dazu bei, die portugiesische Macht im Orient zu befestigen.
Zum ersten Vicekönig wurde Francisco d’Almeida bestellt, ein Mann von ausgezeichneter Tapferkeit, welcher sich schon im Kampfe der Spanier gegen Granada ausgezeichnet hatte. Es wurde die Bestimmung getroffen, daß in Zukunft nur die Lastschiffe aus Indien zurückkehren sollten, während die Kriegsschiffe daselbst stationirt blieben. Eine stattliche Flotte sollte die neue Aera einleiten. Die Zahl der Schiffe steht nicht ganz fest, nach der geringsten Angabe waren es zwanzig. Auf den Kriegsschiffen wurden 1500 Mann Soldaten befördert, welche sich verpflichtet hatten, wenigstens drei Jahre im Orient zu dienen. Unter den Capitänen treffen wir João da Nova und João Serãro; auch Ferdinand Magalhães nahm an dem Zuge theil. Ein besonderes Interesse gewinnt aber gerade diese Expedition dadurch für uns, daß sich an dem indischen Handel zum ersten Male auch deutsche Kaufleute von Augsburg, namentlich die Welser, Vöhlin u. a. betheiligten; daneben aber auch Genuesen und Florentiner. Nur die Venetianer hielten sich grollend fern; denn es war ihnen, wie der Chronist E. Sender schreibt, „fast wider“, daß die Portugiesen den Seeweg zu den Gewürzländern mit wachsendem Erfolg betraten und ihnen so gefährliche Concurrenz machten.
Die Welser hatten schon 1503 einen thätigen Agenten Namens Simon Seitz nach Lissabon entsendet, welcher mit König Manuel über die Gründung einer deutschen Handelsgesellschaft einen Vertrag abschloß, wonach die Augsburger Kaufherren in Portugal gebaute und mit Portugiesen bemannte Schiffe entsenden konnten, um Spezereien und Brasilholz einzuhandeln. Zu gleicher Zeit diente der deutsche Buchdrucker Valentin Ferdinand, welcher sich wahrscheinlich schon seit 1494 in Lissabon aufhielt, als Mäkler (corretor) und war seinen neuangekommenen unternehmenden Landsleuten durch seine Kenntniß der portugiesischen Sprache sehr nützlich.[96]
Auf Simon Seitz folgte alsbald ein zweiter Vertreter der Welser Lucas Rem, welcher von 1503 bis 1508 in Portugal weilte.[97] Ihm lag die schwere Arbeit ob, drei Schiffe auszurüsten und ihre Ladung zu besorgen; denn die deutsche Handelscompagnie betheiligte sich mit 21,000 Cruzados (à 2,75 Mark). „Die on mas enxtig mie, überflisig arbait, gros widerwertigkait mir damit gegnet, ist unerschreibenlich.“ So lauten die Worte seines Tagebuches.
Aber nicht blos deutsches Capital war bei dieser Fahrt eingesetzt; es machten auch zwei Deutsche im Auftrage der Compagnie die Reise nach Indien mit, und C. Peutinger schrieb voll Stolz und Freude darüber: „es ist uns Augsburgern ein großes Lob als für die ersten Deutschen, die India suchen“. (B. Greif a. a. O. 85). Der eine von ihnen, Balthasar Sprenger, hat seine Reise beschrieben unter dem Titel: „Die Merfart von erfarung nüver Schiffung und Wege zu vile onerkanten Inseln vnd Kunigreichen, von dem großmechtigen Portugalischen Kunig Emanuel Erforscht, funden, bestritten vnnd Ingenomen, auch wunderbarliche Streyt, ordnung, leben wesen handlung und wunderwerke des volcks und Thyrer dar inne wonende, findestu in diessem buchlyn warhaftiglich beschryben vnn abkunterfeyt, wie ich Balthasar Sprenger sollichs selbs: in kurtz verschynn zeiten gesehen vnn erfaren habe etc. Gedruckt Anno MDIX.“ Der Berichterstatter nennt sich darin einen „der Geschickten des Großmechtigen Kunigs zu Portugal: Emanuel genannt: und der Furtreffen kaufherren der Fucker, Welszer, Hochstetter, Hyrßfogel, deren im Hofe (Imhof) und anderer yrer Gesellschaften.“[98] Der zweite, Hans Mayr, welcher sich Factoreischreiber auf dem Schiffe Raphael nennt, hat ebenfalls einen, noch handschriftlich erhaltenen Bericht überliefert.[99]
Die drei auf Kosten der Deutschen ausgerüsteten Schiffe hießen: San Raffael, San Jeronimo und Lionarda.
Das ganze Geschwader ging am 25. März 1505 von Lissabon ab. Eins der Schiffe sank unterwegs in Folge eines Leckes; die übrigen steuerten glücklich[S. 149] um das Cap der guten Hoffnung und langten größtentheils am 18. Juli vor Mosambik an. Von hier wandte sich die Armada zunächst nach Kiloa und eroberte die Stadt. An Stelle des vertriebenen Scheich wurde ein den Portugiesen willfähriges Oberhaupt eingesetzt und zum Schutze der Handelsinteressen eine Citadelle St. Jago erbaut, in welcher man eine stärkere Besatzung nebst „Artegleria“ zurückließ. Vor Mombas wurde die Expedition am 13. August ebenfalls feindlich empfangen und aus den Kanonen beschossen, welche der Fürst der Stadt einem gescheiterten portugiesischen Schiffe entnommen hatte.[100] Darum mußte auch diese Hafenstadt mit Verlust von vier Todten und siebenzig Verwundeten am 15. August erstürmt werden. Dann wurde die Stadt geplündert und niedergebrannt. Von dem befreundeten Melinde, in dessen Hafen sich vierzehn der schnellsegelnden Fahrzeuge eingefunden hatten, steuerte man dann in sechzehn Tagen, resp. neunzehn Tagen nach den Andjediven hinüber. Diese Inseln, welche als günstiger Sammelplatz der Indienfahrer erkannt worden waren und daher von den Portugiesen besetzt wurden, erhielten, auf der größten der fünf Eilande, nach dem Befehle des Königs gleichfalls eine Citadelle nebst Besatzung. Panischer Schrecken ergriff das Handelsvolk von Kalikut, als sie die Ankunft Almeida’s vernahmen; denn die Portugiesen machten unverweilt auf alle Handelsschiffe Jagd. Im Hafen von Onor wurden alle Fahrzeuge, die vor Anker lagen, verbrannt und dabei ging ein Theil der leichtgebauten Stadt in Flammen auf. Bei seiner Ankunft in Kananor nahm gegen Ende October Almeida den Titel Vicekönig an, den ihm der König Manuel beigelegt hatte. In dieser Stadt wurde die dritte Citadelle, S. Angelo, angelegt und mit hundertundfünfzig Mann besetzt. Der Hafen hatte gleichfalls für die Portugiesen eine besondere Wichtigkeit, denn „do pflegen,“ wie Sprenger berichtet, „die Schiff allweg vor irem Abschied Speis und Wasser zu nehmen“. Inzwischen lief die traurige Nachricht ein, in Kollam sei der Factor Antonio de Sa sammt seinen Leuten ermordet und die Factorei geplündert. Es waren nämlich zwanzig maurische Schiffe dort eingelaufen und hatten den Kampf begonnen. Der Factor war mit sechzehn Portugiesen in eine Kirche geflüchtet; aber der Fürst von Kollam ließ dieselbe anzünden und die Fremden darin verbrennen. Der Sohn des Vicekönigs, Lourenço d’Almeida, erhielt den Auftrag, diese Unthat zu rächen, er rückte mit acht Schiffen vor den Hafen und zerstörte die ganze maurische Flotte.
Francisco d’Almeida selbst begab sich nach Kotschin und krönte den dortigen Fürsten und Bundesgenossen im Namen des Königs Manuel mit einer goldenen Krone, welche als Geschenk mitgebracht war, und verehrte dem Königsvasallen zugleich einen goldenen Becher mit sechshundert Cruzados, eine gleiche Summe wurde für alle Jahre zugesagt. Dafür erzielte Almeida die Erlaubniß zum Bau einer Steinburg.
Dann erhielten sechs Frachtschiffe ihre Ladung in Gewürz und gingen Ende December und Anfang Januar 1506 von Kananor zurück nach Portugal. Zwei andere Handelsschiffe folgten im Frühjahr nach. Einige von der ersten Abtheilung wurden auf der Rückfahrt über den indischen Ocean durch Sturm aus der gewohnten Bahn getrieben und segelten an der Ostseite Madagascars hin, darunter auch zwei von den deutschen Schiffen, und fanden so einen kürzeren Seeweg. Sie waren die ersten, welche den südlichen Theil jener größten afrikanischen Insel entdeckten, die damals S. Lourenço genannt wurde.
Vier Schiffe, darunter auch San Raffael und San Jeronimo, ließen bereits am 22. Mai 1506 im Hafen von Lissabon die Anker fallen. Sprenger langte mit seinem Fahrzeuge erst im November daselbst an. Dies glückliche Ereigniß für die deutsche Unternehmung erwähnt auch Lucas Rem:[101] „Adj. 22. Mayo 1506 (Rem schreibt irrthümlich 1505) kamen Sct. Jeronimo, Sct. Raffael und adj. 24. Nof. die Lionarda. Da meret sich erst mie, anxt undt arbait. Sonder erhuben sich on mas fil große und schwere Recht, den Ich aus wartet ob 3 Jar“. Die berührten Rechtshändel beziehen sich wahrscheinlich darauf, daß die Deutschen einen Antheil an der bei der Erstürmung von Kiloa und Mombas gemachten Beute forderten, deren Werth auf 22,000 Cruzados geschätzt wurde. Aber auch ohne dies war der Reingewinn bedeutend. Zwar erhielt dem Vertrage gemäß die portugiesische Krone 40% vom Gewinn und hatten die fremden Kaufherren nicht direct, sondern durch Vermittelung der portugiesischen Factoren die Gewürze in Indien einkaufen müssen, theils um nicht etwa die Preise zu steigern, theils aber und vor allem, um das Monopol der Entdecker des Seewegs nicht in Frage zu stellen; trotz alledem betrug nach Rems Angabe die „nutzung dieser armazion bey 150 pro Cento“.
Darum betheiligten sich die Deutschen auch sofort bei der Ausrüstung der nächsten Handelsflotte, die unter Tristão da Cunha 1506 nach Indien segelte. Leider gingen zwei Schiffe dabei zu Grunde; da aber Geld und Gut gerettet wurden, war der Verlust gering. Doch wurde das Interesse geschwächt, weil man in Folge des Schiffbruches einen längeren Rechtsstreit mit dem König führen mußte. Als aber die Pfefferpreise von Jahr zu Jahr aufschlugen — im Jahre 1505 kostete der Centner Pfeffer in Lissabon 20 Cruzados, 1520 dagegen schon 34¼ C., — da verloren die Deutschen allmählich die Lust, sich an dem Handel direct zu betheiligen.
Nach der Abfahrt Almeida’s von Portugal waren wiederum acht Schiffe entsendet worden, welche unter Leitung Pero’s d’Anhaya die Ostküste Afrikas ansegeln und in Sofala eine Befestigung anlegen sollten. Aus Mangel an Steinmaterial wurde dieselbe aus Holz aufgeführt. Aber das höchst ungesunde Klima der Niederung raffte viel Mannschaft hin; auch der Capitän Pero d’Anhaya erlag demselben. Zu seinem Nachfolger wurde später Nuno Vaz[S. 151] Pereira bestimmt; bemerkenswerth ist, daß unter ihm der berühmte Fernão de Magalhães diente.
In Indien war inzwischen, nach Abfertigung der ersten Lastschiffe, der Vicekönig seinem Auftrag gemäß zum Angriff auf die maurischen Flotten übergegangen. Sein Sohn Lourenço d’Almeida erfocht am 17. und 18. März 1506 einen glänzenden Sieg vor dem Hafen von Kananor über zweihundert Segel (Prauen), welche der Beherrscher von Kalikut ausgerüstet hatte. In Kananor, wo der Sieger einlief, kam der Venetianer Ludovico di Varthema zu ihm aufs Schiff. Derselbe war 1502 von seiner Vaterstadt in den Orient gewandert, hatte Aegypten, Syrien, Arabien und Persien besucht, dann in den wichtigsten Hafenplätzen der westlichen Küste Vorder-Indiens geweilt, am bengalischen Meerbusen die Landschaften Bengalen und Pegu gesehen und endlich sogar Malaka und die Gewürzinseln erreicht. Von Java war er dann nach Kalikut und Kananor zurückgekehrt und hatte so, unter der Maske eines Mohammedaners, den ganzen Sunda-Archipel durchstreift.[102] Was er nun über die indischen Zustände und über den fernen Osten berichten konnte, war den Portugiesen von hohem Werthe und gab wahrscheinlich auch die Veranlassung, daß die Regierung in Portugal ihrem indischen Vicekönig den Auftrag ertheilte, einige Schiffe zur Erforschung des Gewürzmarktes von Malaka auszusenden. Allein Almeida konnte und wollte, da er in Vorder-Indien selbst vollauf beschäftigt war und seine Macht nicht zersplittern mochte, vor der Hand noch nicht darauf eingehen. Es war offenbar, daß die mohammedanischen Schiffe, um zu den Gewürzhäfen zu gelangen, andere Wege als bisher einschlugen. Statt die durch die Portugiesen unsicher gemachten malabarischen Plätze anzulaufen, gingen die Kauffahrer über die Malediven nach Ceylon, um dort die aus den östlichen Productionsländern herbeigeführten Waaren in Empfang zu nehmen.
Als der Vicekönig dies in Erfahrung gebracht, schickte er seinen tapfern Sohn zum zweiten Male mit Schiffen aus, um bei den Malediven den Feinden auch diese Straße zu verlegen. Aber Lourenço verfehlte sein Ziel vollständig und gelangte schließlich, statt nach den Malediven, nach Ceylon. Es scheint, daß er sich hier durch eine List der Mauren täuschen ließ und unverrichteter Sache wieder zurückkehren mußte. Dem Oberbefehlshaber war es jedenfalls lieb, daß sein Sohn sich in Ceylon nicht auch in blutige Conflicte eingelassen hatte; denn die mohammedanische Stellung auf der großen Insel galt als bedeutend, und ein blutiger Zusammenstoß hätte die Schaar seiner Gegner unnöthigerweise vermehrt. Darum waren ihm auch die Unternehmungen Affonso’s d’Albuquerque in[S. 152] Arabien durchaus zuwider; selbst die kriegerischen Streifzüge an der Ostküste Afrikas hielt er für nutzlos, weil sie die für Indien nothwendigen Streitkräfte zersplitterten. Er wollte alle Macht und alle kriegerische Tapferkeit nur daran gesetzt sehen, den werthvollsten Theil der indischen Küste dem portugiesischen Handel und Staate tributpflichtig zu machen.
Aber in Portugal dachte man anders und meinte, alle Küsten des indischen Oceans, soweit die Glaubensfeinde auftauchten, angreifen und auch bezwingen zu können.
So gingen also im Frühjahr 1506 wieder fünfzehn Schiffe von Lissabon ab: die zehn Lastschiffe, von denen wieder einige durch Deutsche und Italiener ausgerüstet waren, sollten unter Tristão da Cunha direct nach Indien segeln, während Alfons d’Albuquerque mit fünf Kriegsschiffen und 1300 Mann Soldaten nach der arabischen Küste beordert wurde, um die Eingänge in das rothe Meer und den persischen Golf zu bewachen. In Sokotra sollte er überdies eine Festung anlegen, weil hier an dieser Insel die mohammedanischen Schiffe Wasser einzunehmen pflegten.
Unterwegs entdeckte Tristão da Cunha, als er vom Cap Agostinho in Brasilien nach dem Caplande hinübersteuerte und seine Flotte durch Sturm zerstreut sah, die nach ihm genannte einsame Felseninsel im südlichen atlantischen Ocean unter 39° s. Br.; indeß fanden sich die meisten Fahrzeuge bei Mosambik wieder zusammen. Nur Ruy Pereira wurde auch noch im indischen Meere verschlagen und gerieth in den Hafen Matatane auf Madagascar. Dort, glaubte er aus den Mittheilungen der Eingebornen schließen zu dürfen, sei ein Reichthum an Silber, Pfeffer, Ingwer u. a. einzuernten, ohne auf solche Handelsschwierigkeiten zu stoßen wie in Indien.
Auf diese Kunde hin machte sich Tristão da Cunha selbst nach dem vielversprechenden Lande auf und erreichte im December 1506 die Bai Angra da Concepção am nördlichen Ende der Insel. Aber hier traf er noch Mauren. Wenn auch nicht eben wohlwollend empfangen, hütete sich Tristão doch, sich in blutige Händel zu verwickeln, sondern er zog nur sorgfältige Erkundigungen ein, aus denen leider hervorging, daß die verlockenden Angaben Pereira’s auf Mißverständniß beruhten. Den Plan, die ganze Insel zu umschiffen, gab er auf, nachdem er bei diesem Versuch ein Schiff eingebüßt hatte, und kehrte an die afrikanische Küste zurück. Südlich von Magadoscho (Makdischu) lag die feindliche Stadt Brava (Barawa); dieselbe wurde nach heftiger Gegenwehr erstürmt und geplündert. Die Portugiesen sollen dabei in der Schatzkammer des Fürsten die reiche Beute von 2000 Centner (!) Silber gemacht haben.
Dann steuerte die vereinigte Flotte nach Sokotra, wo Christen abessinischer Abkunft, von den Portugiesen Jakobiten genannt, ansäßig waren, aber seit 1480 in die Abhängigkeit von dem südarabischen Fürsten von Fartach gerathen waren, welcher bei dem Hafen Soko (Tamarida) eine Citadelle erbaute und mit hundert Mann besetzte. Diese Festung wurde natürlich alsbald[S. 153] mit Sturm genommen, wieder ausgebaut, St. Miguel getauft und mit portugiesischer Mannschaft belegt.
Durch solche Nebenoperationen wurde viel Zeit vergeudet, ohne dem eigentlichen Zwecke wesentliche Förderung zu bieten; denn man verfeindete sich dadurch nur noch mehr mit dem Beherrscher Aegyptens und war gleichwohl nicht im Stande, von Sokotra aus den Handelsverkehr nach dem rothen Meere überwachen oder abschneiden zu können.
Da Tristão da Cunha so lange ausblieb, gerieth Almeida in große Verlegenheit, weil er sich bei unzulänglichen Mitteln in seinen Unternehmungen gehemmt sah. Sein Sohn Lourenço verfolgte indessen im kleinen Kriege alle fremden Handelsschiffe, welche sich der indischen Küste näherten.
Inzwischen starb aber auch der den Portugiesen befreundete Fürst in Kananor, und sein Nachfolger verbündete sich wieder mit dem Samudrin, weil der portugiesische Capitän Gonçalo Vaz da Goar ein kananorisches Schiff, trotz seines portugiesischen Geleitsbriefes, hatte versenken und die Mannschaft hatte ertränken lassen, angeblich, weil man es für ein kalikutisches Schiff gehalten habe.
Die neuangelegte Festung in Kananor wurde vier Monate belagert und mehrere Male bestürmt; aber der tapfere Commandant Lourenço de Brito hielt sich, bis Tristão da Cunha endlich gegen Ende August erschien und ihn befreite. Die Festung wurde nun dauernder aus Stein erbaut. Da der Vicekönig bereits genug Waaren hatte aufspeichern lassen, so konnten Tristão’s Handelsschiffe rasch beladen und schon im December nach Europa zurückgeschickt werden.
Dann begab sich Lourenço d’Almeida mit einer Anzahl von Schiffen nordwärts, um im Hafen von Tschaul, südlich von Bombay, Gewürze einzunehmen. Nisam Schah, der Fürst von Tschaul, hatte sein kleines Gebiet, welches gegen Norden an Gudjerat grenzte, von Dekhan unabhängig gemacht und sich den Portugiesen angeschlossen. Inzwischen rückte die ägyptische Macht unter Hussein heran. Der Admiral des Schahs von Gudjerat, Melek Aias oder Aß, (angeblich ein Russe von Geburt, dessen ursprünglicher Name Jakob, in der russischen Koseform Jascha, von den Orientalen in Eias oder Aß verwandelt wurde,) kam den Aegyptern mit vierzig Fusten (s. Abbildung auf Seite 155) zu Hilfe. Als Statthalter von Diu hatte er diesen Hafen zu einer blühenden Handelsstadt erhoben und trat zunächst scheinbar für die Sache des Islam ein, wußte sich aber bald auf schlaue Weise seines Bundesgenossen wieder zu entledigen. Lourenço lag noch mit seinen Schiffen im Flusse vor Tschaul, als die vereinigte feindliche Flotte herannahte. Da er die ägyptischen Schiffe aber für das Geschwader des von Ormuz her erwarteten Albuquerque hielt, blieb er ruhig liegen. So sah er sich genöthigt, im Flusse den Kampf aufzunehmen.
Am ersten Kampfestage erfolgte noch keine Entscheidung. Trotz der feindlichen Uebermacht wollte aber Lourenço nicht bei Nacht auf die See zurückweichen, weil er den Vorwurf seines spartanisch gesinnten Vaters fürchtete, der bei einer früheren Gelegenheit seine zu große Vorsicht getadelt hatte. So entspann sich am folgenden Morgen das Seegefecht von neuem.[S. 154] Das Schiff des portugiesischen Capitäns erhielt durch einen Kugelschuß einen bedenklichen Leck und mußte versuchen, sich durch ein anderes Schiff aus dem Flusse herausschleppen zu lassen. Dabei gerieth es in das von den Fischern behufs des Fischfanges angebrachte Pfahlwerk und blieb, indem ein Pfahl in den Leck eindrang, wie angespießt, darauf hängen. Das Bugsirtau riß und Lourenço war den feindlichen Angriffen wehrlos preisgegeben. Trotz der verzweifelten Lage blieb er standhaft. Seine Tapferkeit war für alle ein leuchtendes Vorbild. Hatte er doch noch bei dem Kampfe von Panane im Handgemenge einem maurischen Hauptmanne mit seinem Schlachtschwerte den Kopf bis auf die Brust von einander gespalten. Da verwundete ihn eine Stückkugel am Schenkel; er ließ sich verbinden, auf einen Stuhl neben den großen Mast setzen und commandirte weiter, bis ihn eine zweite Kugel tödtete. Erst nachdem fast die ganze Mannschaft gefallen oder verwundet auf Deck lag, wurde das Schiff genommen, sank aber auch alsbald unter und blieb nicht als Trophäe in den Händen der Sieger. Die übrigen Fahrzeuge kamen glücklich nach Kotschin zurück, wo damals der Vicekönig lag. Dieser empfing die Todesnachricht seines tapferen Sohnes ernst und gefaßt, aber er schwur an den Mohammedanern Rache zu nehmen, zumal da diese an den ersten Sieg große Hoffnungen knüpften.
Ostindisches Fahrzeug des 16. Jahrh. mit Rohrsegeln und am Stern aufgehängtem hölzernen Anker.[103]
Alle Kriegsschiffe wurden zu diesem Rachezuge aufgeboten und in Stand gesetzt, besonders das größte, Flor de la mar, ein Schiff von vierhundert Tonnen; aber der Angriff verzögerte sich noch. Die ägyptische Flotte überwinterte indessen in Diu.
Mittlerweile wurden auch von Portugal wiederum zwei Geschwader ausgerüstet. Das eine bestand aus dreizehn Schiffen und sollte unter dem Befehle des Jorge d’Aguiar zuerst an den ostafrikanischen und arabischen Küsten kreuzen und dann nach Indien gehen, um für acht bei dieser Abtheilung befindliche Frachtschiffe Ladung einzunehmen. Auf dem Hauptschiffe San João sollte der Vicekönig nach Ablauf seines Amtes am Schluß des Jahres 1508 in die Heimat zurückkehren. Die andere Abtheilung unter Lopez de Sequeira ging mit vier Schiffen im April 1508 direct nach Indien. Aber die erste Flotte unter d’Aguiar wurde durch Sturm gänzlich zerstreut, die Schiffe fanden sich einzeln bei Mosambik wieder zusammen; nur das Hauptschiff blieb aus, es war mit Mann und Maus untergegangen, so daß außer dem Befehlshaber auch Tristão da Cunha sein Grab in den Wellen fand. Der Untergang dieses Schiffes sollte später die Rückkehr Francisco’s d’Almeida verzögern und ihm selbst verhängnißvoll werden.
Ostindischer Schnellsegler des 16. Jahrhunderts, Fusta (s. Seite 153).
Ehe wir aber den Vicekönig auf seinem letzten siegreichen Kriegszuge in Indien begleiten, müssen wir unsern Blick auf die kühnen Unternehmungen Albuquerque’s richten. Am 20. August 1507 war derselbe mit sieben[S. 156] Segeln und vierhundert Mann von Sokotra aufgebrochen, um die Handelsplätze am Golf von Oman zu brandschatzen, und sich wenn möglich des wichtigsten Marktplatzes in jenem Gebiet, der Stadt Ormuz, zu bemächtigen. Auf der Ostküste Arabiens zwischen Ràs el Hadd und dem Ràs Mesandum erstreckt sich am Fuß des grünen Gebirges die Landschaft Oman. Gegen das Wüstengebiet des Binnenlandes durch das Gebirge gedeckt, mit vielen trefflichen Häfen und Ankerplätzen an der wichtigen Handelsstraße zwischen Indien und Mesopotamien gelegen, hatte dieses Gebiet seit Jahrhunderten sich an dem indischen Handel lebhaft betheiligt. Weniger eng an die Satzungen des Islam gebunden und im Verkehr mit Indien freiern Lebensanschauungen huldigend, hatten manche dieser Städte sich zu bedeutendem Handelsrufe und Wohlstand erhoben. Von Südosten gegen Nordosten waren die bemerkenswerthesten Hafenplätze Kuriat, Maskat, Burka, Sohar und Khorfakkan, an welche sich dann an der Meerenge des persischen Golfes die damals auf der kleinen, öden Felsinsel gelegene, aber durch den Reichthum der Bewohner in aller Welt bekannte Handelsstadt Ormuz anschloß.
Albuquerque hatte die Absicht, diese Städte der Reihe nach rücksichtslos die Ueberlegenheit der europäischen Waffen fühlen zu lassen. Kuriat wurde erstürmt und verbrannt, Maskat ebenfalls erobert. Sohar unterwarf sich ohne Widerstand, wurde daher auch nicht der Plünderung preisgegeben, sondern nur zur Zahlung eines Tributs angehalten. Khorfakkan (Orfacao), ein Hauptplatz für die Ausfuhr arabischer Pferde nach Indien, war von den Einwohnern aus Furcht vor den schrecklichen Feinden verlassen und wurde daher ausgeplündert. So rückte der Verwüstungszug näher an Ormuz heran. Die Zeitgenossen haben über Albuquerque’s barbarische Kriegführung kein abfälliges Urtheil ausgesprochen. Daß er hart und herzlos Gefangene verstümmeln ließ und Städte vom Erdboden vertilgte, fand das Zeitalter ganz natürlich; es galt ja dem Feinde der Christenheit. Man kämpfte für den heiligen Glauben und hatte Gott auf seiner Seite.
Ende September 1507 erschien die portugiesische Flotte vor Ormuz. Den Thron hatte damals ein zwölfjähriger Knabe, Seif-eddin (Seifadin) inne, der eigentliche Regent war Chodscheh Atar, von Geburt ein Bengale. Die Stadt lag, im Süden durch Felsen gedeckt, auf der flacheren Nordseite der Insel; zwischen ihr und der Felsenküste von Mogistan befand sich der Hafen. Die Besatzung bestand aus 30,000 Mann, darunter 4000 persische Bogenschützen als Bundesgenossen. Albuquerque begrüßte bei seiner Ankunft die Stadt durch Kanonensalven und segelte dann kühn in den Hafen hinein. Kurzer Hand forderte er Unterwerfung und Anerkennung der portugiesischen Oberhoheit, andernfalls drohte er mit Vernichtung. Aber der Regent war nicht gewillt, sich bei seiner bedeutenden Macht ohne weiteres in fremde Botmäßigkeit zu begeben, er lehnte die Forderung des Portugiesen ab. Als Antwort darauf ließ Albuquerque die Handelsschiffe im Hafen in den Grund bohren. Dabei wurden seine Schiffe von zweihundert mit Bogenschützen[S. 157] bemannten Böten angegriffen; aber die höher gebauten europäischen Fahrzeuge und namentlich das europäische Geschütz behielt den Sieg. Dann erst bequemte sich Chodscheh Atar, die Oberhoheit des Königs Manuel anzuerkennen und einen jährlichen Tribut von 15,000 Scherafinen (etwa à 6 Mark) zu zahlen. Auch mußte er gestatten, daß die Portugiesen eine Festung anlegten. Schon im October begann der Bau, aber die portugiesischen Capitäne, welche unter Albuquerque dienten, halfen nur ungern; sie hätten lieber gewinnreiche Jagd auf Handelsschiffe gemacht oder wären nach Indien gesegelt, um Gewürze einzuhandeln. Sie vereinigten sich zu einem schriftlichen Protest, aber der Oberbefehlshaber zerriß denselben, ungelesen, unter dem Thor der neuen Citadelle. Dadurch gekränkt und beleidigt suchten die Capitäne nach einer Gelegenheit, sich von ihrem Führer zu trennen. Die Uneinigkeit unter seinen Feinden ermuthigte den Regenten der Stadt zu erneutem Widerstande. Die Gelegenheit dazu bot sich bald. Da fünf von der Flotte entlaufene und in die Stadt gelockte Portugiesen nicht sofort, wie Albuquerque verlangte, ausgeliefert wurden, so brach der Krieg von neuem aus. Derselbe mußte aber rasch abgebrochen werden, weil drei Capitäne mit ihren Schiffen auf eigene Verantwortung den Hafen verließen und nach Indien segelten, so daß Albuquerque, dadurch in seiner Macht geschwächt, allein den Kampf nicht fortführen konnte, sondern sich genöthigt sah, zur Ueberwinterung nach Sokotra zurückzuweichen. Doch schickte er den João da Nova den Flüchtigen nach, um sich beim Vicekönig über solche unerhörte Felonie zu beschweren.
In Sokotra fand er die Besatzung der kleinen Citadelle durch Krankheit und Hunger erschöpft. Von Melinde mußten Lebensmittel herbeigeschafft werden; statt Unterstützung zu finden, mußte Albuquerque Hilfe schaffen. Sein Aufenthalt an der afrikanischen Insel verzögerte sich bis in den Hochsommer, dann kam unter Vasco Gomez d’Abreu Verstärkung von Lissabon. Mit dieser vereinigte er den Rest seiner Macht, sah sich also wieder an der Spitze von 300 Mann und war kühn genug, mit dieser kleinen Schaar zum zweiten Male vor Ormuz zu rücken. Chodscheh Atar hatte nach dem Abzuge der Portugiesen, deren Mißerfolge er sich als Sieg anrechnete, im Vertrauen auf seine neubefestigte Stellung und die eigne Truppenmacht, (die persischen Bundesgenossen waren durch seinen Uebermuth verscheucht,) klugerweise die von den Portugiesen begonnene Festung ausgebaut[104] und mit Geschützen armirt, welche er durch europäische Ueberläufer hatte gießen lassen. Er war, wenn auch auf sich allein angewiesen, doch nicht so wehrlos dem Gegner preisgegeben als das erste Mal. Daher mußte sich Albuquerque vorläufig, als er im September 1508 wieder vor der Stadt erschien, auf die Blokade beschränken. Inzwischen erhielt aber Atar eine wesentliche Hilfe und Ermuthigung zum Widerstande von einer Seite, woher er sie wohl am wenigsten erwartete, vom Vicekönig[S. 158] Almeida selbst. Dieser hatte nämlich auf die Klage der drei Capitäne, welche sich vor Ormuz von Albuquerque getrennt hatten, im Mai 1508 eine Untersuchung der Angelegenheit befohlen und Gonçalo Fernandez damit beauftragt. Im Verlauf derselben war Almeida immer mehr zur Ueberzeugung gekommen, daß Albuquerque durch seine Gewaltthaten die Interessen der portugiesischen Krone mehr schädige als fördere. Ein von den Portugiesen aufgebrachtes Schiff von Ormuz hatte Almeida wieder freigegeben und mit Briefen an den Regenten von Ormuz gesandt. Almeida’s Schreiben[105] athmete Freundschaft für die reiche Handelsstadt, wenn er auch wünschte, der Fürst möge seinem König jährlich ein Geschenk senden. Er sprach seinen Unwillen über die verderbliche Kriegführung Albuquerque’s aus und sicherte, indem er sieben Geleitsbriefe mitsandte, jedem Handelsschiffe von Ormuz seinen Schutz zu. „Ich will,“ schrieb er, „an dem König von Portugal zum Verräther werden, wenn ich dulde, daß ihnen auch nur ein Haar gekrümmt werde.“
Eine Abschrift dieses Briefes ließ Chodscheh Atar an Albuquerque übermitteln. Albuquerque bestand aber auf der Zahlung des Tributs und erklärte die Briefe des Vicekönigs für untergeschoben, weil sie dessen Unterschrift nicht trügen. Atar erklärte dagegen, die Stadt werde bereit sein, in Friedenszeiten den auferlegten Tribut von 15,000 Scherafinen zu zahlen; wenn aber ihr Handel gelähmt werde, könne sie die Summe unmöglich aufbringen. Die Briefe seien echt, des Königs Siegel und des Vicekönigs Unterschrift bürgten dafür. — Man weiß, welche Achtung man im ganzen Orient dem Siegel und Namenszuge eines Mannes zollt. Albuquerque setzte darauf die Blokade noch eine zeitlang fort und beunruhigte die Stadt in kleinen Gefechten; da er aber die Gewißheit hatte, daß ihm von Indien her keine Unterstützung kommen werde, und da er sah, daß es seinen Schiffen immer schwieriger wurde, sich zu halten, weil sie leck geworden waren, so entschloß er sich endlich den Kampf abzubrechen und nach Indien zu gehen. Ohne Zwischenfälle erreichte er die Andjediven, machte dort drei Tage halt und segelte dann nach Kananor, wo er den Vicekönig fand (im Dec. 1508). Leider mußte er hier erfahren, daß Almeida zwei von seinen rebellischen Capitänen in Freiheit gesetzt, und den dritten, um sich zu rechtfertigen, nach Portugal entsendet hatte. Da er zum Nachfolger im Commando ernannt worden war, so verlangte er die Uebergabe des Oberbefehls; aber Almeida, augenblicklich in der Ausrüstung seines Zuges gegen Goa begriffen und begierig, noch vor Ablauf seines Regiments die vor Tschaul den portugiesischen Waffen zugefügte Niederlage und den Tod seines Sohnes zu rächen, erklärte, er werde sein Amt nicht vor dem Schluß des laufenden Jahres niederlegen, auch sei das Schiff, auf dem er, der von Portugal ergangenen Weisung gemäß, zurückkehren solle, noch nicht angelangt. Dieses Schiff aber war, wie bereits berichtet ist, an der[S. 159] ostafrikanischen Küste gescheitert und untergegangen. Mißmuthig wartend zog sich Albuquerque nach Kotschin zurück.
Kurz darauf, am 12. December 1508 brach Almeida mit neunzehn Segeln gegen Norden auf; später stießen noch vier Schiffe zu ihm, so daß seine Flotte nun dreiundzwanzig Schiffe mit 1600 Mann Truppen zählte. Noch vor Ablauf des Jahres wurde die Stadt Dabul erstürmt und entsetzlich verwüstet, so daß die Zerstörung dieser Stadt im Orient noch lange mit Schaudern erzählt und sprichwörtlich wurde als ein Beispiel unerhörter Vernichtung.
Erst am 2. Februar 1509 kam das Geschwader vor Diu an. Im Hafen lagen die Flotten der Aegypter und des Statthalters von Diu, Melek Eias, vereinigt; auch der Samudrin hatte eine Anzahl bewaffneter Fusten zu Hilfe gesendet. Aber die drei Parteien trauten einander nicht, besonders Melek Eias spielte eine zweifelhafte Rolle. Am folgenden Tage drang Almeida in den Hafen ein und richtete seinen Angriff lediglich auf die ägyptischen Schiffe. Eins nach dem andern wurde geentert und versenkt, so daß der Flottenführer Hussein nur mit Noth dem allgemeinen Verderben entrinnen konnte. Er verließ heimlich sein Schiff, bestieg am Lande ein Pferd und jagte flüchtig nordwärts nach Kambaya. Als die Schiffe von Diu und Kalikut sahen, daß der Ausgang des Kampfes nicht mehr zweifelhaft blieb, und daß man sie vorläufig schonen wollte, zogen sie sich bei Zeiten zurück. Auch hatte sich Almeida dafür entschieden, Melek Eias vor Diu nicht anzugreifen, obwohl derselbe die Hauptursache gewesen, daß sein Sohn Lourenço gefallen war. Der Vicekönig mochte auch befürchten, durch einen Angriff auf Diu den Oberherrn des Landes, den König von Gudjerat, mit in den Krieg zu verwickeln. Ihm war vor allem darum zu thun, die mohammedanischen Aegypter aus den indischen Gewässern zu vertreiben; mit den einheimischen Fürsten hoffte er dann schon wieder in ein freundlicheres Verhältniß treten zu können. In diesem Bestreben kam ihm sogar das schlaue Verhalten Melek Eias entgegen, welcher sich nicht entblödete, den portugiesischen Sieger wegen seines Erfolges zu beglückwünschen und ihm seine Dienste anzubieten. Almeida begnügte sich daher auch, nur die Auslieferung der Portugiesen zu verlangen, die auf dem Schiffe seines Sohnes zu Gefangenen gemacht waren. Dieselben wurden auch alsbald durch Melek Eias zurückgesandt. Dann kehrte der Vicekönig nach Kotschin zurück. Hier erneuerte Albuquerque wiederum seine gerechte Forderung, ihm den Oberbefehl zu übergeben; aber Almeida zögerte immer wieder, weil das erwartete Schiff noch nicht angelangt sei. Erst als Fernão Coutinho im Oktober 1509 von Portugal mit vierzehn Schiffen in Kotschin einlief und bestimmten Befehl für den Wechsel des Obercommandos mitbrachte, trat Almeida von seinem Amte zurück und schiffte sich am 19. December ein. Aber er sollte die Heimat nicht wieder sehen. Das Schiff ging an der Westküste von Südafrika, in der Saldanhabai, vor Anker um Wasser einzunehmen. Dabei verwickelte sich die Mannschaft in einen Kampf mit den Hottentotten und 150 tapfere Streiter, darunter elf Hauptleute, welche in Indien Wunder der[S. 160] Tapferkeit gethan, wurden sammt dem Vicekönig von den nackten Wilden überwältigt und erschlagen. „Nie,“ so klagt de Barros, „erlitten die portugiesischen Waffen ein größeres Unglück!“[106]
Almeida war ein tüchtiger Soldat, ein uneigennütziger, sittlich reiner Charakter und daher auch bei jedermann beliebt und hochgeachtet. Er sorgte väterlich für die Soldaten, aber er stellte auch an ihre Leistungen hohe Ansprüche. Ihre materielle Lage suchte er zu heben, denn ihr Sold war gering, und daher kamen häufig Desertionen vor. Der König war nur darüber unzufrieden, daß Almeida mit seinen Belohnungen nicht geizte. Dieser aber sah sich vielfach durch die von Portugal ergangenen Befehle in seinen Unternehmungen gekreuzt. Namentlich tadelte er das Verfahren der portugiesischen Verwaltung, ihm Höflinge zu senden, die nichts leisteten, aber in Indien alsbald höhere Stellen beanspruchten, ohne sie verdient zu haben. Dem König schrieb er: „Ich rathe Euch, dem Vicekönig, den Ihr sendet, mehr Vertrauen zu schenken, als mir zu Theil geworden ist, und keine Befehle zu erlassen, ehe Ihr Eure Rathgeber in Indien gehört habt.“
Er wollte alle Macht auf die Beherrschung des Meeres an der Westküste Indiens werfen und die Flotte nicht durch Operationen an der afrikanischen oder arabischen Küste zersplittert sehen. Daher seine Abneigung gegen Albuquerque, in welcher er durch die abtrünnigen Capitäne desselben bestärkt wurde. Als ihm der König befahl, Schiffe nach Malaka zu senden, erwiderte er, dazu habe er noch keine Zeit, in Indien gebe es noch genug zu thun.
So handelte er stets nach einem festen Plane und ließ sich selbst durch directe Befehle, die von Portugal an ihn ergingen, nicht davon abbringen. Daß sein System mit ihm fallen würde, sah er voraus; denn sein Nachfolger schlug ganz andere Bahnen ein und erweiterte den Kampfplatz über die ganze Breite des indischen Oceans. In trüber Stimmung, erhöht durch die Erinnerung an den herben Verlust seines tapferen Sohnes, verließ der erste Vicekönig Indien und fand auf afrikanischem Boden ein tragisches Ende.
Nachdem Almeida Indien verlassen hatte, traf Albuquerque in Gemeinschaft mit dem Marschall Coutinho seine Vorbereitungen, Kalikut anzugreifen und den Samudrin zu züchtigen; denn König Manuel hatte diesen Angriff dringlich befohlen. Fernão Coutinho ergriff diese Gelegenheit, sich in Indien mit Kriegslorbeeren zu schmücken, mit unverhohlener Freude. So wurde er des lästigen Commandos über die Handelsflotte ledig. „Seine Vorfahren hätten sich nicht mit Handel abgegeben, und er selbst habe auch keine Neigung für solches Gewerbe.“ Er war durch und durch Soldat und blickte mit Verachtung auf die Kriegsleistungen der Indier. Am Abend des 2. Januar 1510 erschien die vereinigte Flotte vor Kalikut, sie hatte, ungerechnet die indischen[S. 161] Hilfstruppen, gegen 2000 portugiesische Soldaten am Bord. Der Samudrin selbst war wahrscheinlich auf einem Feldzuge gegen einen benachbarten Fürsten von seiner Hauptstadt fern, als die drohende Macht vor seiner Residenz erschien. In der Nähe der Stadt, nicht fern vom Meere, lag auf einer Anhöhe das Schloß des Fürsten, welches in der Zwischenzeit durch Erdwälle verschanzt und in eine Festung umgewandelt war. Hieher mußte sich der erste Angriff richten, wenn die unbefestigte Stadt selbst dauernd gewonnen werden sollte.
Coutinho forderte die Führung des ersten Treffens, er hoffte wohl allein mit der feindlichen Streitmacht fertig werden zu können. Albuquerque willigte nur ungern ein, weil er den Marschall als einen Hitzkopf kannte, der mit den indischen Kriegslisten noch zu wenig vertraut war und ohne viel Ueberlegung drauf los ging in der Erwartung, schon beim ersten Waffengange seine Gegner in alle Winde zu verjagen.
Als aber am Morgen des 3. Januar die Ausschiffung der Truppen begann, zeigten sich die Nair doch so zäh im Widerstande und überschütteten ihre Feinde mit einem solchen Hagel von Geschossen, daß die Portugiesen bei ihrem Angriff sich zu theilen beschlossen. So kam es, daß indem beide Feldherren verschiedene Landungsplätze wählten, Albuquerque seine Leute eher ans Land geworfen hatte und zum Sturm überging als sein Waffengefährte. Nach einem erbitterten Kampf um den Wall, bei welchem schon viele Streiter fielen, drang der Generalcapitän zuerst in die Schanzen ein, ließ Feuer in die königlichen Häuser werfen und vertrieb die Indier aus der festen Stellung. Coutinho sah sich dadurch um den ersehnten Ruhm betrogen und nannte, vor Zorn und Schmerz glühend, jenen ein um das andere Mal einen wortbrüchigen Menschen, der anderen keine Ehre und Auszeichnung gönne. Albuquerque blieb bei diesen Schmähungen kaltblütig und wies darauf hin, daß man oft im Kriege gegen den vorgefaßten Plan handeln müsse, wenn der günstige Augenblick es fordere. Auch sei mit diesem ersten Erfolg der Sieg noch keineswegs entschieden. Der Gegner sei zwar zurückgewiesen, aber seine Macht noch nicht gebrochen. Allein Coutinho achtete nicht darauf, in blinder Aufregung gebot er sofort den Angriff auf die Stadt. Hier wollte er der erste sein und die Brandfackel in den großen königlichen Palast schleudern. In einem entfernten Stadttheile lagen auf einem freien Platze, von Mauern umgeben, die weitläufigen Gebäude des Fürstensitzes. Trotz des Widerstandes drangen Coutinho und seine Schaar durch Thor und Mauerlücken ein und legten Feuer an, worauf die Indier zurückwichen. Albuquerque folgte, nachdem er vorsorglich einen Theil seiner Mannschaft am Ufer zur Bewachung der Böte zurückgelassen hatte, durch Kampf in den Straßen der Stadt aufgehalten, langsam nach. Coutinho glaubte schon, im Besitze des Palastes, sich des vollständigen Sieges erfreuen zu können, und gestattete sorglos seinen Soldaten sich zu zerstreuen und die königlichen Schätze zu plündern. Darauf hatten aber die Indier gewartet; sie sammelten sich von neuem und gingen[S. 162] wieder zum Angriff über. Sie umzingelten in hellen Haufen den Palast und drangen endlich trotz der hartnäckigen Gegenwehr des portugiesischen Hauptmanns, dem die Bewachung des einen Thores übergeben war, wieder in den Hof ein und fielen über die zerstreuten Portugiesen her. Albuquerque konnte nur mit Mühe bis in die Nähe des Kampfplatzes vordringen und sandte Boten über Boten an den Marschall, um ihn zu eiligem Rückzuge aufzufordern. Dieser aber verachtete immer noch die drohende Gefahr und erwiderte, der Generalcapitän möge nur ruhig den Abmarsch antreten, er selbst werde folgen, wenn seine Mannschaft sich wieder gesammelt hätte.
Selbst von allen Seiten umdrängt, wich Albuquerque langsam zurück. Der Rückzug ging durch einen Hohlweg, von dessen hohen Rändern aus die Indier mit Wurfspießen, Pfeilen und Steinen die Portugiesen überschütteten. Von Coutinho war er vollständig abgeschnitten und konnte nur auf sich selbst Bedacht nehmen, da seine Truppen sich weigerten, noch einmal den Versuch zu wagen, sich bis zu dem Marschall durchzuschlagen. Albuquerque wurde im Gewühl zuerst schwer am linken Arme verwundet, erhielt dann einen Pfeilschuß in den Nacken und mußte endlich, als ihn ein mächtiger Stein vor die Brust traf, besinnungslos fortgetragen werden. Der Marschall aber fiel mit 80 Kampfgefährten. So endigte, durch die Tollkühnheit Coutinho’s herbeiführt, dieser Angriff auf Kalikut als vollständige Niederlage; und hätte nicht Albuquerque am Ufer die Schiffe mit starker Mannschaft bewachen lassen und wäre die See nicht ruhig gewesen, so hätte der Ausgang des Tages für die Portugiesen dermaßen verhängnißvoll werden können, daß ihre ganze Machtstellung in Indien zweifelhaft geworden wäre.
Nach dem Fall Coutinho’s erhielt Albuquerque auch das Commando über dessen Schiffe und begab sich nach Kotschin. Kaum war er von seinen Wunden genesen, so sann er auf neue Kriegspläne. Ende Januar 1510 waren 21 Schiffe ausgerüstet und bemannt. Es schien, als wollte er, dem Befehl seines Königs gemäß, nach dem rothen Meere segeln, um dort einer neuen ägyptischen Flotte entgegenzutreten. Aber der Generalcapitän hatte seine wahren Absichten nur geheim gehalten, um desto erfolgreicher einen unerwarteten Schlag zu thun. Er hatte sein Absehen auf Goa gerichtet, welches so ziemlich auf der Mitte der Westküste Vorder-Indiens und dazu in der Nähe der Andjediven gelegen, wohin die von Afrika herübersteuernden Schiffe meistens ihren Lauf richteten, besonders günstig erschien, um von hier aus das westliche Meer und die Straßen nach Ormuz und Aden zu beherrschen. Goa lag auf einer flachen, aber nicht feuchten Insel, welche durch die gemeinsame Arbeit mehrerer von den Westghats herabkommender Flüsse aus dem continentalen Ufersaume gleichsam herausgeschnitten war. Die Insel ist von Osten nach Westen ungefähr drei Meilen lang und von Norden nach Süden zwei Meilen breit. Das höhere, hügelige Land läuft gegen die See in eine Spitze aus. Die gegen das Meer bedeutend erweiterten Mündungen gestatteten den Zutritt der Flut um die ganze Insel. Die alte Stadt lag auf der Südseite, die[S. 163] neue Stadt war ungefähr vierzig Jahre vor der Ankunft der Portugiesen in Indien von Mohammedanern gegründet, die von der etwa 18 Meilen weiter südlich gelegenen Stadt Onor hieher geflüchtet und sich unter der Führung Melek Husseins hier angesiedelt hatten. Die Canäle, welche die Insel und Stadt umziehen, sind voll von Krokodilen und durften daher, wenn sie zur Ebbezeit durchwatbar werden, nur mit Vorsicht durchschritten werden. Alt-Goa ist jetzt fast ganz verlassen, nur Geistliche und Mönche wohnen noch dort zwischen den großartigen Ruinen zahlreicher Kirchen und Klöster. Der Hafen der neuen Stadt ist wegen seiner wunderbaren landschaftlichen Schönheit hoch gepriesen.
Die Zeit zum Angriffe war von Albuquerque insofern sehr günstig gewählt, als der damalige Beherrscher Adil-Schah, der König von Bidjapur, nur wenig Truppen in der Stadt unterhielt. Die Bevölkerung des Hafenplatzes und die militärische Besatzung standen in ihren Interessen einander gegenüber. Als Albuquerque mit seiner Flotte vor der Einfahrt zum Hafen angelangt war, schickte er seinen Neffen Antonio de Noronha mit bewaffneten Böten voraus, um das Fahrwasser in den Canälen zu untersuchen. Bei einer Biegung des Flusses sahen sich die Portugiesen plötzlich der Citadelle von Pandjin gegenüber, welche nach der Seeseite die Stadt deckte. Unverweilt, ehe die Besatzung sich sammelte und die Kanonen bedienen konnte, gingen die Portugiesen zum Sturm über und drangen durch die Schießscharten und über den Wall in die Citadelle, welche, nachdem ihr Befehlshaber verwundet worden, von der Besatzung aufgegeben wurde. Der Generalcapitän hörte in der Ferne das Kampfgetöse und gab sofort Befehl, mit allen Truppen vorzugehen, fand aber bei seiner Ankunft den befestigten Platz bereits in den Händen der Seinigen. Die Truppen des Adil-Schah zogen sich auch aus der Stadt zurück, und ihr Anführer empfahl den Bürgern, sich ohne Gegenwehr zu ergeben, denn die abendländischen Feinde seien unwiderstehlich. So erschien schon am nächsten Tage eine Gesandtschaft von Bürgern vor Albuquerque und bot gegen Sicherheit des Lebens und Eigenthums die Unterwerfung an. Dieselbe wurde angenommen, doch wurde das vorhandene Kriegsmaterial als Beute erklärt, Albuquerque zog mit seinen Truppen in die Stadt und nahm den Palast des Statthalters in Besitz. Die eroberte Citadelle wurde verstärkt, und die Flotte ging im Hafen vor Anker. Die Schiffe wurden zum Theil sogar abgetakelt, damit während der Regenzeit das Tauwerk nicht zu sehr litte; denn Albuquerque gedachte längere Zeit in Goa zuzubringen.
Inzwischen aber sammelte der Fürst des Landes ein größeres Heer und rückte zum Entsatz heran. Die Portugiesen konnten die unbefestigte Stadt nicht behaupten, und zogen sich auf die Schiffe zurück; aber gedeckt durch die Kanonen der Citadelle blieb die Flotte noch im Hafen liegen.
Gegen Ende Mai trafen die Indier Vorkehrungen, dem Feinde den Rückzug abzuschneiden, sie versenkten Schiffe in dem unteren Theile des Canals, der zur See führte, und ließen brennende Flöße den Fluß hinabtreiben, um[S. 164] die portugiesischen Fahrzeuge in Brand zu setzen. Bei dieser drohender werdenden Gefahr mußte sich Albuquerque entschließen, vorläufig das Errungene wieder aufzugeben. Aber auch der Rückzug war mit bedeutenden Schwierigkeiten verknüpft. Einzeln mußten seine Schiffe zwischen den versenkten Fahrzeugen hindurch geführt werden und waren dabei unausgesetzt dem Feuer der Feinde preisgegeben, welche an beiden Seiten Schanzen aufgeworfen hatten. Diese mußten also erst erstürmt werden, um das Feuer der Gegner zum Schweigen zu bringen. Und selbst als dieses gelungen war, hemmte noch das seichte Wasser über der Barre das Auslaufen der Flotte in die See eine längere Zeit. Von allen Hilfsmitteln des Landes abgeschnitten, trat Mangel an Lebensmitteln und Wasser ein, der Mann bekam täglich nur noch vier Unzen Zwieback, und auf einigen Schiffen sah man sich sogar gezwungen, Jagd auf Ratten zu machen. Jeder Tropfen Wasser mußte mit Blut erkauft werden. Antonio de Noronha wurde durch einen Pfeilschuß verwundet und starb am dritten Tage, ein herber Verlust für Albuquerque, welcher seinen heldenmüthigen Verwandten sehr hoch schätzte. Zwar verrichteten noch manche Wunder der Tapferkeit und gewannen dadurch die Bewunderung ihrer Feinde; aber bei vielen griff Mißmuth und Verzagtheit dergestalt um sich, daß sie in ihrer Verzweiflung und von Durst und Hunger gequält, desertirten. Albuquerque bewies auch in dieser Noth seine Seelenstärke, feuerte seine Schaar durch Trostesworte immer von neuem an und theilte mit ihnen alle Entbehrungen und Gefahren. Erst im August gelang es ihm, über die Barre hinwegzukommen und die See zu gewinnen. Es war die zweite Niederlage, die er erlitten; aber sein Muth war nicht gebrochen und seine Absichten auf Goa behielt er im Auge. Vorläufig allerdings mußte er seinen Truppen Ruhe gönnen und wandte sich daher mit seiner Flotte südwärts zu dem befreundeten Hafen nach Kananor. Auf dem Wege dahin stießen vier Schiffe des Diogo Mendes de Vascogoncellos zu ihm, die von Portugal aus den Auftrag erhalten hatten, einen Streifzug nach dem berühmten Markte von Malaka zu unternehmen, weil man damals im Mutterlande noch nicht erfahren hatte, daß, wie wir später sehen werden, Lopez de Sequeira bereits jener Handelsstadt einen Besuch abgestattet hatte. In Kananor stieß dann noch ein zweites Geschwader zu ihm, welches unter der Führung des Capitän Gonçalo de Sequeira mit sieben Handelsschiffen und frischen Truppen im März von Lissabon ausgelaufen, aber ein Schiff an der afrikanischen Küste verloren hatte.
Dieser Zuwachs an Macht bestärkte den Generalcapitän, einen neuen Angriff auf Goa zu machen. Vascogoncellos erklärte sich bereit, an diesem Zuge theilzunehmen, da der ihm gewordene Auftrag bereits erledigt sei. Gonçalo de Sequeira dagegen glaubte die Theilnahme ablehnen zu müssen, weil einerseits die meisten Schiffe Privatrhedern gehörten, welche nur, um Handel zu treiben, gekommen wären, und anderseits ihre nächste Hilfe dem Fürsten von Kotschin gehöre, welcher von einem Nebenbuhler, den der Samudrin[S. 165] mit Truppen unterstützte, hart bedrängt werde. Um diesen zweiten Grund sofort zu erledigen, ging Albuquerque mit einigen Schiffen und Mannschaften nach Kotschin und stellte die Ruhe und gesetzmäßige Regierung in kurzer Frist wieder her. Dann berief er in dieselbe Stadt einen Kriegsrath sämmtlicher Hauptleute, um sie für seinen Plan zu gewinnen.
Dieser Rath trat am 12. October 1510 zusammen. Der Generalcapitän legte der Versammlung die Frage vor, ob sie nicht seinem Plane zustimmen wolle, während die Handelsschiffe in Kotschin ihre Gewürzfrucht einnähmen, alle verfügbare Mannschaft mit seinen Truppen zu vereinigen, um Goa von neuem zu erobern.
Diese Berathung ist in der späteren Zeit von außerordentlichen Folgen gewesen. Hier war es, wo Fernão de Magalhães sich entschieden für die Ansicht Sequeira’s aussprach und Albuquerque dadurch auf das empfindlichste verletzte: Vor dem 8. November werde man bei den augenblicklich herrschenden Gegenwinden schwerlich mit der Flotte vor Goa erscheinen können (— Albuquerque kam in der That erst am 24. November dahin —); dann werde aber die Rückfahrt der Handelsschiffe dermaßen verzögert, daß man entweder der am Kriegszuge betheiligten Mannschaft später keine Zeit lassen könne, ihre eigenen Angelegenheiten zu betreiben, um sich zur beschleunigten Abreise einzurichten, oder es werde der günstige Monsun verpaßt.
Albuquerque erklärte dagegen aufs bestimmteste, er werde den nächsten Tag aufbrechen, er werde auch niemanden gegen seinen Wunsch zwingen mitzugehen, aber er wünsche deshalb diesen Zug so bald als möglich zu unternehmen, um mit der demnächst abzufertigenden Handelsflotte seinem Könige eine erfreuliche Botschaft aus Indien übersenden zu können.
So blieben die Ansichten getheilt und der Generalcapitän gewann nur einen Theil der Stimmen für sich. Der Widerspruch Magalhães legte den Grund zu dem ungünstigen Urtheile, welches Albuquerque in einem Berichte an den König über jenen fällte, und welches wohl die Ursache war — denn wir kennen keine andere — daß Manuel späterhin, als Magalhães um eine bescheidene Erhöhung seiner wohlverdienten Pension nachsuchte, die Gewährung dieser Bitte verweigerte, wodurch der Bittsteller sich so sehr verletzt und zurückgesetzt fühlte, daß er seinem Vaterlande den Rücken kehrte und auf spanischen Schiffen seine berühmte, ja die berühmteste aller Weltreisen unternahm. Magalhães scheint bald nach dem Conflicte mit Albuquerque Indien verlassen zu haben, denn hier sah er von da an sich aller Gelegenheit beraubt, Aufzeichnung und Ruhm zu gewinnen.
Die portugiesische Flotte, 23 Segel stark, erschien mit 1600 Mann Soldaten am 20. November vor Goa. Gaspar de Paiva hatte, mit drei Schiffen vorausgesandt, schon einige Zeit vor dem Hafen gekreuzt und kein Schiff weder hinein, noch heraus gelassen. In der Stadt war man auf einen heißen Kampf gefaßt. Ohne Zeitverlust ging Albuquerque zum Angriff über, schon am 25. November wurde die Citadelle erstürmt und die Insel[S. 166] besetzt; aber gewarnt durch die schlimme Erfahrung von Kalikut duldete er nicht, daß die Soldaten sich zerstreuten. Dann wurde auch die Stadt selbst von zwei Seiten angegriffen und erobert. Viele Einwohner verließen die Stadt, aber bei ihrer hastigen Flucht sollen in den seichten Durchgängen der Canäle mehrere Tausende umgekommen sein. Alles was mohammedanisch war, wurde in dem eroberten Platze ohne Gnade niedergemacht: Männer, Weiber und Kinder. Eine Moschee, mit Gefangenen angefüllt, wurde den Flammen übergeben, so daß alle in dem Gotteshause Befindlichen ihren Tod fanden.
Dann ließ Albuquerque ein starkes steinernes Kastell erbauen und gab ihm, dem König zu Ehren, den Namen Manuel. Im Vertrauen auf die dadurch gebotene Sicherheit ließen sich bald, neben den befreundeten Indiern, welche nach dem Sturm zurückkehrten, auch Portugiesen dauernd an diesem Platze nieder, welcher von den Siegern zum Mittelpunkte der portugiesischen Macht in Indien erhoben wurde.
Der Fall Goa’s machte auf die Fürsten der Nachbarschaft einen bedeutenden Eindruck, weshalb sie sich beeilten, die Freundschaft der neuen Herren zu gewinnen. Der König von Kambaya gab den Neffen des Generalcapitäns Affonso de Noronha, der sich in seiner Gefangenschaft befand, nicht nur ohne Bedingung los, sondern erklärte sich auch bereit, den Bau einer Festung in Diu zu gestatten. Es erschienen Gesandtschaften von Gudjerat, von Kalikut, selbst aus dem Binnenlande von Bisnaga, alle bezeugten ihre Friedensliebe und wünschten bezüglich eines friedlichen Handelsverkehrs in Unterhandlung zu treten. Da indeß der Samudrin den geforderten Bau einer portugiesischen Citadelle nicht zugeben wollte, so zerschlug sich mit diesem Fürsten die Verhandlung. Emir Hussein, welcher damals in Kambaya sich befand, kehrte nach Kairo zurück, da er alle Hoffnung aufgegeben hatte, in Indien noch wieder zum Siege zu gelangen, und der Sultan von Aegypten ließ gleichfalls mit dem weiteren Bau einer Flotte innehalten.
So war die Wirkung der Eroberung Goa’s nach allen Seiten eine tiefgehende. Goa hatte nicht blos eine dauernde Besatzung von 400 Mann in der Burg, sondern wurde eine portugiesische Stadt, sie war Eigenthum ihres Königs, und die Fürsten Indiens mußten diesen staatlichen Besitz anerkennen. Und daß die Portugiesen die neuen Verhältnisse in Goa in ähnlicher Weise auffaßten, beweist die Thatsache, daß bald darauf eine Münzstätte in der Stadt errichtet wurde, wo nicht blos neues Geld geprägt, sondern auch alles indische Geld, wenn es allgemein gültig sein sollte im Verkehr, mit einem portugiesischen Stempel versehen wurde. Aber der portugiesische Feldherr war nicht gewillt, von Goa aus die friedliche Entwicklung seiner Macht zu leiten. Seine Blicke schweiften bereits über Vorder-Indien hinaus nach Malaka, welches als bedeutendster Gewürzmarkt Hinter-Indiens galt, und ohne dessen Besitz die Portugiesen nie das Monopol erwarben; denn von Malaka aus gingen die Handelsschiffe direct, mit Umgehung Vorder-Indiens, nach dem rothen Meere. Sollte also Goa gehoben und zum Mittelpunkte des Verkehrs in Vorder-[S. 167]Indien gemacht werden, dann konnte dies nur erreicht werden, wenn Malaka gleichfalls in portugiesischen Besitz übergegangen war.
Diogo Lopez de Sequeira war der erste gewesen, der jenen fernen Handelsplatz erreicht hatte. Er war 1508 von Portugal mit vier Schiffen abgegangen, hatte unterwegs Madagascar besucht und langte im Frühjahr 1509 in Kotschin an. Der Vicekönig Almeida gab ihm noch ein fünftes Schiff, auf welchem Francisco Serrão, dessen abenteuerliche Reise nach den Molukken uns später beschäftigen wird, und Fernão de Magelhães dienten. Am 8. September desselben Jahres war Sequeira wieder von Kotschin aufgebrochen, war an Ceylon und den Nikobaren vorüber nach Nordsumatra gesteuert, wo er die Landschaft Pedir besuchte, denn Sumatra lieferte schon damals am meisten Pfeffer, und war endlich glücklich in Malaka angelaufen. Die Mauren gaben sich auch hier sofort alle erdenkliche Mühe, die Ankömmlinge zu verdächtigen, trotzdem wurden die Portugiesen wohlwollend aufgenommen, wenn auch der Sultan Mahmud durch seine Grausamkeit berüchtigt war und nicht blos seinen Bruder, sondern sogar seine Gemahlin hatte hinrichten lassen.
Die Chinesen kamen den Portugiesen zuerst in freundlicher Weise entgegen. Es war das erstemal, daß man mit den Söhnen aus dem Reiche der Mitte zusammentraf. Die weiße Hautfarbe dieser Leute aus dem Osten, ihre unbefangene Art, sorglos zu den fremden Schiffen wie zu den asiatischen heranzurudern und den Kleinhandel zu eröffnen, selbst manche ihrer Sitten und ihre Tracht wollte mehr ans Abendland, als an den fernsten Osten gemahnen. Man darf nicht vergessen, daß die Chinesen damals noch keinen Zopf trugen. Damian de Goes (a. a. O. S. 300) fand eine Aehnlichkeit mit vlaamischen oder niederdeutschen Gewohnheiten, und ähnlich äußert sich auch Barros.[107] Man fand bei ihnen nicht den hemmenden Kastengeist, denn sie scheuten sich ja auch nicht, mit den Portugiesen aus einer Schüssel zu essen. So war es natürlich, daß Europäer und Chinesen, beide in der Stadt Fremdlinge, sich einander freundschaftlich näherten, und daß diese ihren neuen Geschäftsfreunden die Warnung zukommen ließen, den Malayen nicht zu sehr zu trauen. Darum ging auch der portugiesische Capitän nicht selbst zur Audienz, sondern entsendete den Jeronimo Texeira, welcher indeß eine gute Aufnahme fand und vom Sultan ein Lagerhaus angewiesen erhielt, um von da aus den Handel mit den einheimischen Kaufleuten zu eröffnen. Die Portugiesen gingen dann ungehindert in der Stadt umher, waren aber leider unbedachtsam genug, sich auch nach der Kriegsflotte des Sultans umzusehen, was die Mohammedaner, und unter ihnen namentlich der abgefeimte Schatzmeister, sofort zu ihrem Vortheile ausbeuteten, um die Fremden als Spione zu verdächtigen. Mit Einverständniß des Sultans wurde ein Plan entworfen, die Portugiesen zu vernichten. Zuerst hoffte man den Anführer und einige der vornehmeren[S. 168] Offiziere bei einem Gastmahl überfallen und ermorden zu können, aber Sequeira lehnte die Einladung ab und entschuldigte sich mit Krankheit. Dann wollte man die portugiesische Mannschaft in der Stadt, an verschiedenen Orten, wohin man sie gelockt, um ihnen Lebensmittel zu verkaufen, einzeln überfallen, inzwischen aber auch eine Anzahl von kleineren Schiffen bereithalten, um das Geschwader der Fremden anzugreifen, wenn es von Mannschaft halb entblößt sei. Glücklicherweise gelang der Verrath nur zum Theil. Die Wache auf den Schiffen machte, als sie die Unruhe in der Stadt gewahrte, rechtzeitig Lärm, sodaß die Mannschaft an Bord augenblicklich zur Vertheidigung bereit war. Aber etwa 30 Portugiesen, die sich am Hafen und in der Stadt befanden, wurden theils getödtet, theils gefangen. Francisco Serrão, welcher sich in der Nähe des Landungsplatzes aufhielt, konnte sich nur mit einigen Matrosen retten, die übrigen mußte man vorläufig ihrem Schicksale überlassen, denn Sequeira fühlte sich keineswegs stark genug, die volkreiche Stadt anzugreifen; er begnügte sich damit, einige feindliche Schiffe in den Grund zu bohren und kehrte dann nach Vorder-Indien zurück. Als das Gerücht von der zweiten Eroberung Goa’s auch bis nach Malaka gedrungen war, ließ der Hafenmeister (Schahbender) den neunzehn noch am Leben befindlichen gefangenen Portugiesen eine bessere Behandlung zutheilwerden; ihre Freiheit erhielten sie aber erst wieder, nachdem Albuquerque die Stadt erobert hatte.
An seinen Plan, gegen Malaka zu ziehen, wurde der Generalcapitän bald nach der Besitzergreifung von Goa in unangenehmer Weise erinnert, als der Capitän Mendes de Vascogoncellos, dessen kleines Geschwader ursprünglich nach Malaka bestimmt war, von dem Oberfeldherrn sich Urlaub erbat, um seinen Auftrag auszurichten. Albuquerque zögerte mit der Abfertigung, weil er entweder der Ueberzeugung war, daß ein so kleines Geschwader nicht die genügende Sicherheit auf Erfolg biete, oder weil er selbst erst noch mehr Mittel aufbieten wollte. Vascogoncellos wollte daher heimlich entweichen, ging bei Nacht mit seinen Schiffen über die Barre von Goa in See, wurde aber von einigen nachgesandten Böten eingeholt und sah sich genöthigt, dem strengen Befehl Albuquerque’s, zurückzukehren, Folge zu leisten. Er selbst blieb längere Zeit in Goa in Gefangenschaft, ein Steuermann aber und der Lotse wurden zur Strafe für diese Flucht an der Rae aufgeknüpft.
Der Generalcapitän wäre am liebsten selbst nach Malaka sofort aufgebrochen; allein dem stand ein Befehl Don Manuels entgegen, einen Zug nach dem rothen Meere zu unternehmen, um diesen Handelsweg endlich für die Mohammedaner zu schließen. Er lief auch wirklich mit 23 Schiffen aus, sah sich aber durch widrigen Monsun zuerst aufgehalten und dann ganz an die Küste zurückgetrieben, so daß er wieder in Goa einlaufen mußte. Derselbe Monsun aber, welcher die Fahrt nach NW. nicht gestattete, begünstigte eine Expedition nach SO. und so entschloß sich Albuquerque kurzer Hand mit der schlagfertigen Flotte vor Malaka zu ziehen und sie für ihren Verrath[S. 169] an Sequeira zu strafen. Es war noch im Frühjahr 1511, als die Flotte von neunzehn Segeln, mit 800 Portugiesen und 600 indischen Hilfstruppen von Kotschin nach Malaka abging. Den Feldherrn begleiteten Antonio d’Abreu und Francisco Serrão, die späteren Entdecker der Molukken und Fernão Peres d’Andrade, einer der ersten Chinafahrer.
Das Gebiet von Malaka war ursprünglich von Siam abhängig gewesen; die in früherer Zeit berühmte Hafenstadt Singapur war aber hinter Malaka zurückgetreten, seitdem sich im 15. Jahrhundert der Islam in diesem Gebiete verbreitet hatte, denn in Malaka herrschte der Glaube Mohammeds vor. Aber die ehemaligen Statthalter hatten sich seit fast 100 Jahren zu selbstständigen Herren aufgeworfen. Durch geschickte Begünstigung und Ausbeutung des Handels zu großem Reichthum gelangt, verwandte Mahmud seine bedeutenden Mittel auf die Gründung einer Kriegsflotte, welche ihm den Besitz des Hafens und die Herrschaft über die See sichern mußte. Nun dehnten sich die Handelsbeziehungen noch weiter aus, denn die Hauptnationen waren in freier Weise durch Berufsbeamte im Handel gedeckt. Diese Schahbender (Hafenmeister) vertraten China, Java, Kambaya und Bengalen. Die Handelsverbindungen reichten bis nach Japan, und der Platz wurde von allen umwohnenden Völkern besucht, nur nicht von den Siamesen, die sich immer noch mit dem Sultan auf Kriegsfuß befanden und ihren frühern Verlust nicht verschmerzen konnten. Das Königreich Malaka erstreckte sich etwa 100 Meilen an der Küste hin, reichte aber nirgends über 10 Meilen weit ins Binnenland.
Die Stadt liegt sehr günstig an der Grenze verschiedener Monsune, denn in den chinesischen Gewässern herrschen andere Winde als im bengalischen Meere, daher sich hier ein natürlicher Sammelplatz für Araber, Inder und Chinesen bot. Die Häuser des Handelsplatzes dehnten sich eine Meile am Wasser hin, — es ist der Canal, welcher die hinter-indische Halbinsel von Sumatra scheidet. Ein Fluß trennte die Häusermenge in zwei Theile, aber eine Brücke verband wiederum beide Hälften. Albuquerque, welcher denselben Weg eingeschlagen hatte wie Sequeira, langte am 1. Juli vor Malaka an, bereits in Pedir auf Sumatra waren acht Portugiesen, die noch in Malaka gefangen gewesen waren und die Flucht ergriffen hatten, zu ihm aufs Schiff gekommen. Von ihnen erfuhr er auch, daß der Hauptanstifter des Verrathes, der javanische Hafenmeister, eine Intrigue gegen den Fürsten angesponnen und seine Verschwörung mit dem Leben bezahlt hatte; er erfuhr ferner, daß Sultan Mahmud 8000 Geschütze besitze, um die lange, dem Meere zugekehrte Seite kräftig vertheidigen zu können, daß er 30,000 Mann Soldaten und selbst Kriegselephanten zu seiner Verfügung habe. Albuquerque ließ sich durch die großen Zahlen nicht schrecken, sondern forderte ohne Umschweife die Auslieferung der noch zurückbehaltenen Gefangenen. Eine sofortige Erledigung würde im Orient als Feigheit angesehen sein; der Sultan weigerte sich also, ohne weiteres darauf einzugehen. Als Antwort darauf ließ der[S. 170] portugiesische Admiral die Häuser am Strande und die Schiffe im Hafen in Brand stecken. Dann gab man die Gefangenen frei und unter ihnen auch den Handelsfactor Ruy d’Araujo, einen Freund Albuquerque’s.
Man war in der Stadt zu einem friedlichen Abkommen geneigt, aber die allzuhohen Forderungen der Portugiesen trieben zum Widerstande. Albuquerque verlangte nicht blos Schadenersatz für Sequeira, sondern auch noch 300,000 Cruzados Kriegskosten und überdies die Einwilligung in den Bau eines Kastelles.
Im Rathe des Fürsten von Malaka, des alten Mohammed, waren, als diese Forderungen bekannt wurden, die Meinungen getheilt. Diejenigen, welche besonders den Handel nicht geschädigt sehen wollten, empfahlen Frieden und Geldzahlung, die andern, welche fürchteten, durch Zugeständnisse das Ansehen des Fürsten zu erniedrigen, forderten bewaffneten Widerstand. Mahmud überließ die Leitung seinem Sohne, und dieser hoffte, gestützt auf eine Heeresmacht von 30,000 Mann, auf das zahlreiche Geschütz und seine Kriegselephanten, den Angriff abschlagen zu können. Aber auf die fremden Kaufleute in der Stadt war kein Verlaß, selbst der javanischen Truppen war man nicht ganz sicher. Es war vorauszusehen, daß der feindliche Admiral, sobald er die Lage der Stadt und ihre Gruppirung richtig erkannt habe, seine Angriffe auf den gefährlichsten Punkt, auf die Brücke richten werde, welche die beiden Stadttheile mit einander verbindet. Denn wer sich der Brücke bemeisterte, war leicht auch Herr in der Stadt. Diese Verbindungsbrücke wurde darum verschanzt und stark mit Kanonen besetzt; aber trotzdem richtete, nach dem Rathe des Ruy d’Araujo, welcher bei seinem längeren unfreiwilligen Aufenthalt die Wichtigkeit dieses Punktes erkannt hatte, Albuquerque grade hieher seine ersten Angriffe. In der Morgendämmerung des St. Jacobstages, 25. Juli, gingen die Portugiesen in zwei Abtheilungen gegen die Stadt vor. Albuquerque mit seiner Schaar stieg in der Nähe der Brücke ans Land, João de Lima mit der zweiten Truppe weiter östlich bei einer steinernen Moschee, welche nicht fern vom fürstlichen Palaste lag. Wenn ihm der Angriff gelänge, sollte er sich auch gegen die Brücke wenden. An beiden Orten ward mit großer Hartnäckigkeit gekämpft. Die Malayen bewiesen sich tapfer, schossen vergiftete Pfeile und brauchten im Nahkampf den Kries. Sie fochten in einzelnen Haufen unter Anführung eines Hauptmannes. Albuquerque stürmte die Brücke und trieb die Malayen mit gefällten Lanzen nach der Vorstadt zu. João de Lima hatte einen schweren Stand und konnte nicht so rasch vordringen, er sah sich sogar genöthigt, persönlich am Kampfe gegen die Kriegselephanten theilzunehmen, welche dann auch, durch Lanzenstiche verwundet, auf die eigenen Truppen zurückgetrieben wurden. Dann erst erreichte er die Brücke und vereinigte sich mit dem Oberfeldherrn. Von den Dächern der nächsten Häuser wurde aber der Kampf noch fortgesetzt, bis man die umliegenden Gebäude in Brand gesteckt hatte und so die Feinde vertrieb. Allein von der Waffenarbeit erschöpft und fortwährend, bei dem[S. 171] Versuch, die Brücke durch Vertheidigungswerke zu sichern, durch erneute Angriffe der Malayen beunruhigt, sah Albuquerque bald die Unmöglichkeit, diesen wichtigen Platz auf die Dauer zu behaupten. Er gab also den Befehl zum Rückzug und zog sich auf die Flotte zurück. Einige seiner Hauptleute meinten nun zwar, nachdem der Sultan für die erste Verrätherei genügend gestraft sei, solle man mit günstigen Fahrwinden nach Vorder-Indien zurückkehren, denn an eine dauernde Besetzung dieses entfernten Platzes sei doch wohl nicht zu denken; allein sie wurden von der Mehrzahl überstimmt, welche sich für eine Fortsetzung des Kampfes entschied.
Während der Vorbereitungen zum zweiten Angriffe hatte Mahmud allerorten neue Verschanzungen aufwerfen und mit Kanonen besetzen lassen, in den Straßen waren Minen und Fußangeln gelegt, um die Feinde bei ihrem Einbruche in die Stadt aufzuhalten oder zu vernichten. Am 10. August griff Albuquerque die Brücke zum zweitenmale an und obwohl man dieselbe hartnäckig vertheidigte, wurde sie doch endlich erobert und die malayischen Truppen gegen die steinerne Moschee hin vertrieben, wo sich in Gegenwart des Sultans das letzte verzweifelte Handgemenge entspann. Das Quartier der Kaufleute, darunter zuerst die Peguaner, begab sich alsbald unter den Schutz des Eroberers, aber die östliche, höher gelegene Stadt wurde nur langsam von den Malayen geräumt. Neun Tage dauerte der kleine Kampf in den Straßen noch fort, bis diese endlich von den eingeborenen Truppen aufgegeben wurden. Den Mauren wurde kein Pardon gegeben, denn die Mohammedaner waren auch hier die erbittertsten Gegner gewesen. Als Lohn für ihre Arbeit gestattete Albuquerque seinen Leuten, die Stadt drei Tage lang zu plündern. Dreitausend Kanonen fielen dem Sieger in die Hände. Zum Bau einer steinernen Burg wurden die Steine der im Kampf theilweise zerstörten Moschee verwendet, und weiteres Baumaterial aus den in der Nähe gelegenen alten Fürstengräbern genommen. In der Burg erhob sich ein fünf Stockwerke hoher, mit Blei gedeckter Thurm. Albuquerque gab ihr den Namen Famosa. Auch eine Kirche wurde errichtet und das Dach dazu von einem königlichen Grabmal genommen.
Um den Handel wieder zu beleben und das Vertrauen in die neuen Verhältnisse zu wecken, wurden eingeborene Schahbender (Hafenmeister) ernannt, welche die handeltreibenden Nationen zu vertreten hatten. Um den Marktverkehr zu ordnen, ließ Albuquerque goldene und silberne Münzen prägen, denn unter den früheren Herrschern hatte es nur zinnerne Münzen gegeben. Die großen Silbermünzen hießen Malaquezes, die Goldmünzen, zu 1000 Realen, Catholicos. Durch diese zweckmäßigen Einrichtungen wurde der Handel bald wieder gehoben, und fremde Handelsschiffe liefen wieder in den Hafen ein.
Mit den großen Staaten Ostasiens suchte Albuquerque in friedliche, freundschaftliche Beziehungen zu treten. Durch die Vertreibung des mohammedanischen Herrschers war er nur an die Stelle eines fremden Eindringlings getreten,[S. 172] welcher sich die Freundschaft der fürstlichen Nachbaren nicht erworben hatte; er hoffte also mit Recht, nicht als Feind der eingeborenen Dynastien betrachtet zu werden. Nach allen Seiten wurden Botschafter abgeordnet. Auf einer chinesischen Dschunke, welche nach Siam ging, segelte Duarte Fernandez, welcher mit Ruy Araujo gefangen gewesen war und in Malaka malayisch gelernt hatte, mit nach Siam. Er war der erste Portugiese, welcher diesen mächtigen hinter-indischen Staat betrat. Er sollte dem Könige von Siam die Eroberung von Malaka melden und zugleich die officielle Erklärung abgeben, daß die Kaufleute des Landes sich des besonderen Schutzes der Portugiesen erfreuen sollten und in Malaka’s Hafen willkommen sein würden. Fernandez wurde am siamesischen Fürstenhofe zu Ajuthia[108] wohlwollend aufgenommen, man zeigte ihm unter anderen Merkwürdigkeiten auch einen weißen Elephanten. Dann wurde er mit einem siamesischen Gesandten wieder zurückgeschickt, welcher außer Briefen an den König Manuel als Geschenke eine Krone, ein Schwert von Gold und einen kostbaren Rubinring überreichen sollte.
Zur Erwiderung gingen mit demselben Gesandten reiche Geschenke wieder an den König von Siam zurück. Die Ueberbringer derselben, Antonio de Miranda d’Azevedo und Duarte Coelho, reisten zu Lande über Tenasserim nach Siam. Eine andere Gesandtschaft ging unter Ruy da Cunha nach Pegu, um auch mit diesem Reiche einen Vertrag zu schließen. Malayische Fürsten von Sumatra und Java beeilten sich ihre freundschaftliche Gesinnung für die Portugiesen ebenfalls durch Geschenke zu bethätigen. Nur mit Arakan, dessen Hafenstadt von João da Silveira angegriffen war, und mit dem Königreiche Atschin in Nord-Sumatra blieb man auf feindlichem Fuße. Das letztere Reich, in nächster Nachbarschaft von Malaka gelegen, unterstützte in der Folgezeit mehrfach die immer wiederholten Angriffe der vertriebenen Mauren auf die Stadt und suchte Jahrzehnte lang den Handel zu beeinträchtigen.
Da die Chinesen schon bei dem ersten Besuche Sequeira’s in Malaka sich durchaus freundlichgesinnt bewiesen, so suchte Albuquerque auch mit China freundschaftliche Beziehungen anzuknüpfen. Doch unterblieb die Absendung einer Gesandtschaft noch in den nächsten Jahren. Dagegen ist gewiß, daß bereits 1515 das Reich der Mitte von portugiesischen Handelsschiffen aufgesucht wurde, welche zwar ihre Waaren absetzen durften, aber für ihre Mannschaft nicht die Erlaubniß erhielten, das Land zu betreten.
Der Eindruck, den die Kunde von der Eroberung Malaka’s in Europa machte, war ein außerordentlicher. Derselbe wurde noch gesteigert durch eine pomphafte Gesandtschaft, welche König Manuel 1513 unter Tristão da Cunha mit großem Gefolge an den Papst Leo X. entsendete. Außer reichen mit Gold und Edelsteinen geschmückten kirchlichen Ornaten und schweren goldenen Gefäßen wurde bei dem prächtigen Einzuge der Gesandtschaft in Rom, am 12. März 1514, dem erstaunten Volke auch die gewaltige Thierwelt Indiens in Gestalt eines riesigen Elephanten, den man seit dem Alterthum in Italien nicht mehr gesehen hatte, eines Jagdleoparden, der auf einem reich aufgezäumten persischen Rosse saß — es war ein Geschenk des Königs von Ormuz — vorgeführt. Ein Herold mit den portugiesischen Abzeichen schritt in dem festlichen Zuge, der eine Huldigung des Orients vor dem Haupte der Christenheit vorstellen sollte, dem Gesandten voraus. Die Menschenmenge, welche um dieses Schauspiel zu sehen, herbeigeströmt war, hatte Kopf an Kopf alle Straßen dermaßen besetzt, daß der Zug kaum hindurchdringen konnte.
Als derselbe endlich die Engelsburg erreicht, wurde mit allen Kanonen geschossen, daß der Donner der Geschütze und dichter Pulverdampf weithin über die Stadt rollten. Dann erschien der Papst an einem Fenster und nahm den Zug in Augenschein. Der riesige Elephant mußte vor Seiner Heiligkeit dreimal die Knie beugen, zu nicht geringer Verwunderung der Zuschauer.[109] Am folgenden Tage wurden die Geschenke in feierlicher Audienz überreicht durch den portugiesischen Abgesandten Diogo Pacheco, welcher bei dieser Gelegenheit eine glänzende Rede über die Waffenthaten seiner Landsleute in Indien hielt und dabei einen Brief seines Königs überreichte, in welchem gleichfalls die Siege Albuquerque’s verherrlicht waren. Nach der deutschen Uebersetzung (Die New Welt der Landschafften u. s. w. Straßburg 1534. Fol. 57) lautet der Anfang dieses Briefes folgendermaßen:
Ein sendbrieff des mechtigsten vnd vnuberwintlichsten Emanuels des Königs jnn Portugal, vnd Algarbien von den sygen, die er gehabt hat jnn India vnd Malacha, zu dem Heyligsten jnn Gott vatter, vnd vnserm Herrn, Herrn Leoni dem zehenden des namens Babst zu Rom.
„Wie vast wir vns mit Gott dem Herrn vnd dir frewen sollen, Allerheyligster vatter das erscheynet aus der bottschaft, die vnser Indische schiffrüstung bracht hat. Dweyl vnder dir Römischem Bischoff, und presidenten der Römischen vnd Christlichen Kirchen so wunderbarliche Ding, zu lob vnd eher dem Allmechtigen nach wunsch ergangen seind, das man dir billich zum lob und eher rechnet. Darumb hat vns fur billich angesehen, was in India sich verloffen hat, mit der Hilff Gots, vnd vnsern waffen zu deiner Heyligkeyt als zu eym Haupt der gmeynen Christenheyt vnd richtschyt aller Christlichen Religion kurtz vnd summarien weys zubeschreyben, das alle Ding nach[S. 174] jhrem werd geschetzt werden, vnd Gott dem Herren darumb gedanckt. Auch dz wir hoffen mögen tägliche merung deines lobs sambt zunemung des Christlichen glaubens vnd leren.“
Es wurden also auch die indischen Siege als Glaubenssiege aufgefaßt; aber der Schauplatz dieser Kreuzzüge lag viel weiter im Osten, „am güldenen Chersoneso, in den auswendigsten Morgenländern“, wo durch die portugiesischen Waffen auch das Christenthum verbreitet werden sollte. Albuquerque’s Verdienst wurde mit höchster Anerkennung gepriesen. Der Generalcapitän Indiens stand damals auf der Höhe seines Ruhmes. In Asien und Afrika erscholl sein Name mit Schrecken, in Europa mit Bewunderung.
Noch von Malaka aus wurden drei Schiffe am Schluß des Jahres 1511 abgesendet, um das letzte Ziel der Portugiesen, die Gewürzinseln oder Molukken aufzusuchen. Das kleine Geschwader stand unter der Führung des Antonio d’Abreu. Derselbe hatte sich beim zweiten Sturm auf Malaka ausgezeichnet, war dabei durch einen Schuß in die Backe, welcher ihm mehrere Zähne und einen Theil der Zunge nahm, verwundet, hatte aber trotzdem nach Anlegung eines Verbandes sich am Kampfe wieder betheiligt. Wie diese erste Kundschaft nach den Molukken verlief, werden wir später im Zusammenhange mit den folgenden Vorfällen auf den Gewürzinseln zu schildern haben.
Die Angelegenheiten zu Malaka ordnete Albuquerque der Art, daß er Ruy d’Araujo zum Richter und Factor (alcaide mór e feitor), Ruy de Brito Patalim zum Commandanten der Festung einsetzte. Die Besatzung belief sich auf 300 Mann, ebenso stark war die Mannschaft auf der dort stationirten Flotte von zehn Segeln, welche unter dem Befehle des Fernão Peres d’Andrade zurückblieb. Diese beträchtliche Macht war erforderlich, um Malaka gegen Angriffe von der Land- und Seeseite vertheidigen zu können. Und solche Angriffe waren um so mehr zu erwarten, als die Macht des früheren Herrschers keineswegs gebrochen war; denn Mahmud hatte sich auf Bintang, südöstlich von der alten Residenz Singapur, und sein Sohn Alaeddin in Dschohor festgesetzt, so daß sie von da aus die Straße nach den Gewürzinseln und nach China nicht nur beherrschten, sondern die Portugiesen in Malaka beständig beunruhigen konnten.
Im Januar 1512 ging Albuquerque mit drei Schiffen nach Indien zurück. Auch nahm er eine Anzahl (gegen 60) javanischer Zimmerleute sammt ihren Familien mit, welche ihm beim Schiffbau dienlich sein sollten. An der gefährlichen Küste von Sumatra ging Albuquerque’s Schiff, Flor de la mar, auf einer Sandbank zu Grunde. Er selbst verlor alle Beute und Siegeszeichen in diesem Schiffbruche sammt den Manuscripten, in denen er seine Thaten aufgezeichnet hatte. Die Mannschaft rettete sich zwar auf das folgende portugiesische Schiff, aber die malayischen Zimmerleute benutzten die Gelegenheit zu einer Meuterei, bemächtigten sich des Fahrzeuges, auf dem sie segelten, mit Gewalt und gingen an der Küste von Sumatra ans Land. Albuquerque selbst erreichte in den ersten Tagen des Februar den Hafen von Kotschin.
In Goa waren unterdessen, während der Abwesenheit des Oberbefehlshabers, die Portugiesen belagert worden und arg bedrängt. Die verhältnißmäßig kleine Besatzung von 450 Portugiesen und 1250 indischen Hilfstruppen wurde fortwährend beunruhigt und durch kleine Gefechte ermüdet. Sie verlor sogar zwei ihrer besten Hauptleute und sah sich genöthigt, den noch gefangen gehaltenen Diogo Mendes de Vascogoncellos seiner Bande zu entledigen und an die Spitze zu stellen. Die Feinde hatten der Stadt gegenüber eine starke Burg in Benestarim errichtet und drohten von da aus, die Fremdlinge zu vertreiben. Zum Glück kamen im Sommer 1512 nacheinander mehrere Schiffe mit Mannschaft und Lebensmitteln zu Hilfe, und als im August sogar eine größere Flotte von dreizehn Schiffen mit 1800 Soldaten einlief, gewann man allen Muth wieder und ging selbst zum Angriff über. Albuquerque durfte es daher wagen, seine Ankunft zu verzögern, um vorher die Handelsflotte nach Europa abzufertigen, und ging erst am 16. September mit sechzehn Segeln nach Goa.
Sein Erscheinen änderte die Lage vollständig. Aus den bisher Bedrängten wurden wieder Bedränger und siegesgewisse Angreifer. Benestarim wurde erobert. Den portugiesischen Ueberläufern in der Festung hatte Albuquerque das Leben gesichert, aber er ließ ihnen zur Strafe, anderen zur Warnung, Ohren und Nase abschneiden, die rechte Hand, sowie den linken Daumen abhauen und schickte die Verstümmelten nach Portugal zurück. Benestarim wurde noch stärker befestigt und Goa bei dem folgenden Friedensschlusse an Portugal abgetreten. Der verhältnißmäßig leichte Sieg ist zum Theil auch der steten Eifersucht der dekhanischen Fürsten untereinander zuzuschreiben, die einerseits nie gemeinschaftliche Sache gegen die Abendländer machten, andererseits sich im Geheimen um die Freundschaft der Portugiesen bewarben. Dann wurde durch eine an der Küste kreuzende Flotte der Hafen von Kalikut gesperrt und dadurch der Fürst auch zur Nachgiebigkeit gezwungen. Dagegen begann Goa als Handelsplatz aufzublühen. Albuquerque hatte dafür gesorgt, daß nur nach Goa die Pferde aus Persien eingeführt werden durften. Die einheimischen Kriege wurden damals in Indien aber hauptsächlich durch Reiterei entschieden. Die indischen Fürsten waren also dadurch, daß Goa allein der Einfuhrhafen für Pferde wurde, auf den guten Willen und die Freundschaft der Portugiesen angewiesen, wenn sie ihre Reiterei verstärken wollten.
In Portugal selbst erkannte man die Bedeutung Goa’s noch nicht, oder wurde durch falsche Berichte, die möglicherweise absichtlich von den Gegnern Albuquerque’s verbreitet wurden, über die wahre Sachlage getäuscht. Nur so erklärt es sich, daß Manuel in einem Schreiben an den Oberbefehlshaber anordnen konnte, Albuquerque möge mit seinen Hauptleuten wohl überlegen, ob Goa behauptet werden solle oder nicht. Goa sei ein ungesunder Ort und seine Behauptung koste unnützes Geld.[110] Man werde dadurch in immer erneute[S. 176] Kriege mit den nächsten Landesherren verwickelt und es werde sehr fraglich sein, ob jemals die Abgaben vom festen Lande eingezogen werden könnten, welche der Generalcapitän als nicht unbeträchtlich bezeichnet hatte. Albuquerque aber legte auf die Wiedereroberung Goa’s das größte Gewicht. Er schrieb dem Könige, daß dieser Sieg in Indien mehr gewirkt habe für die Macht des Königs, als alle Flotten, die seit fünfzehn Jahren dahin abgeschickt worden seien. Der Bund der feindlichen Fürsten sei dadurch gesprengt. Die Räthe des Königs wüßten die indischen Angelegenheiten nicht richtig zu beurtheilen. Ohne feste Stütze auf dem Lande sei in Indien die portugiesische Macht ohne Dauer. Alle Citadellen in Kotschin, Kananor und anderen Orten hielten in Werth und Bedeutung keinen Vergleich mit Goa aus. Er wisse wohl, daß er in Portugal Feinde habe; aber der König möge nicht auf sie hören; denn wenn Goa wieder aufgegeben würde, dürfte auch die portugiesische Herrschaft in Indien ihrem Ende nahe sein. Er verdiene mehr Dank vom Könige dafür, daß er Goa gegen Portugiesen vertheidige, als dafür, daß er es zweimal den Feinden abgenommen.[111]
Osorio stellt bei dieser Gelegenheit folgenden interessanten Vergleich zwischen der Politik Almeida’s und Albuquerque’s an:[112] das Ziel beider Feldherrn ging auf die Verherrlichung und den Ruhm ihres Königs und der portugiesischen Waffen, sowie auf die Verbreitung des Christenthums in Indien; aber sie schlugen verschiedene Wege ein. Almeida wollte sich mit einem Stützpunkt am Lande begnügen und dagegen mit stets vereinigten Flotten die See beherrschen. Seine Truppen wollte er nicht in einzelnen Besatzungen zersplittern, welche von großen feindlichen Mächten leicht überwältigt werden könnten. Albuquerque aber strebte vor allem danach, Herr des Landes zu werden, in der festen Ueberzeugung, daß er dann auch über die See gebiete. Sein Blick ging dabei über das Nächstliegende hinaus. Er wollte nicht blos dafür sorgen, für die Gegenwart alljährlich kostbare Gewürzfrachten heimzusenden, er wollte diesen Handel auch für die Zukunft sichern. Dazu brauchte er eine imponirende Stellung auf dem Lande und damit verbunden eine vollkommene Beherrschung der wichtigsten Handelsplätze. Eine große Flotte, meinte er, könne in einem Sturme untergehen, eine feste Stellung auf indischem Boden sei sicherer. Ein solcher Platz sei aber nicht sicher, wenn er blos an sich fest sei, sondern erst dann, wenn man demselben auf verschiedenen Wegen Hilfe bringen könne. Solche Stützpunkte aber verminderten nicht, sondern stärkten auch die Machtstellung auf der See.
Wie richtig Albuquerque’s Urtheil in Bezug auf Goa war, erwies sich in der Folgezeit, als Soliman von Aegypten Diu angriff und durch eine von Goa kommende Flotte zum Rückzug genöthigt wurde; ebenso als der Beherrscher von Kambaya mit türkischer Hilfe noch einmal Diu bedrohte. Der damalige[S. 177] Befehlshaber in Goa, João Castre, konnte seine Gegner um so leichter bezwingen, als er in Goa sofort neue Truppen ausheben und auf den Werften konnte Schiffe bauen lassen, und als er mit allem Kriegsmaterial wohl versehen war. Der Ausgang des Kampfes wäre zweifelhaft gewesen oder wenigstens verzögert worden, wenn man auf die entfernte Hilfe vom Mutterlande her hätte warten müssen. Dazu hatte Albuquerque aus Goa eine portugiesische Stadt zu machen verstanden, in welcher die Soldaten Heiraten mit Hindumädchen eingingen.
Die große Bedeutung der Besetzung Goa’s hebt auch Barros[113] hervor. Dieses Jahr, sagt er, war eines der glücklichsten für die portugiesischen Angelegenheiten. Es kamen nicht blos reiche Flotten mit Spezereien nach Portugal, sondern auch die Nachrichten von der Eroberung Malaka’s und Goa’s, es kamen Gesandte vom Priester Johannes (dem Könige von Habesch), von Siam und Pegu, sogar der Samudrin bequemte sich in der Folgezeit endlich dazu, den Bau einer Citadelle in Kalikut zu gestatten. Viele andere malabarische Fürsten von Kambaya, von Narsinga u. a. wünschten Frieden und Freundschaft mit den Portugiesen zu schließen.
In Indien war Portugals Macht thatsächlich befestigt, die einheimischen Fürsten erkannten, wenn auch widerstrebend, die Herrschaft der neuen Seemacht an; aber sie wurden von Aegypten aus immer wieder von neuem aufgeregt und mit Schiffen und Mannschaft zu neuen Erhebungen aufgemuntert. Aegypten verlor durch die völlige Verdrängung vom indischen Markte zu viel an Einkünften, als daß es sich nicht immer wieder veranlaßt fühlen sollte, mit Hilfe indischer Bundesgenossen die verhaßten Christen zu befehden. König Manuel drängte darum mit Recht wiederholt auf einen Zug nach dem rothen Meere, um womöglich diese wichtigste Straße des mohammedanisch-indischen Handels zu schließen. So rüstete sich Albuquerque denn im Beginn des Jahres 1513 zu einem Feldzuge nach jenen arabischen Gewässern. Es klingt fast wie eine Entschuldigung oder Ablehnung der Verantwortlichkeit für die Folgen dieses Unternehmens, wenn Albuquerque seinen Capitänen erklärte, der König habe schon zu wiederholten Malen ihm diesen Zug geboten und habe nun in seinem letzten Briefe ausdrücklich befohlen, unverzüglich aufzubrechen.[114]
Am 18. Februar 1513 ging er mit 20 Schiffen, 1700 Portugiesen und 800 indischen Soldaten nach dem rothen Meere ab. Im Hafen von Soko auf Sokotra wurde Wasser eingenommen; die Festung daselbst war im vorhergehenden Jahre bereits aufgehoben. Von hier aus mußte die Fahrt mit äußerster Vorsicht geschehen, da man das Fahrwasser nicht kannte. Seit dem Alterthum war kein den Europäern gehöriges Schiff auf diesen Gewässern erschienen. Albuquerque war wieder der erste, welcher in dieses zwei Erdtheile scheidende Binnenmeer eindrang. Glücklicherweise wurde ein Schiff,[S. 178] das von Tschaul kam, aufgebracht, der Lotse desselben wurde gezwungen, den Führer zu machen. Die nächste Aufgabe war, sich Adens zu bemächtigen. Es war schon damals wie noch heute der Schlüssel des rothen Meeres. Die Stadt blühte rasch auf, weil es in Folge der neuen Verhältnisse zum Stapel für die Gewürze geworden war; denn die arabischen Händler wagten sich aus Furcht vor den Portugiesen nicht mehr ins indische Meer, sondern nahmen in Aden die Waaren in Empfang, welche auf malabarischen Schiffen ihnen zugeführt werden durften. Aden liegt auf einer landfest gewordenen Insel, also auf einer Halbinsel, auf durchaus vulkanischem Boden, eigentlich im Innern eines erloschenen Kraters, dessen nackte Wände die Stadt in einem Halbkreise umgeben. Wasser fehlte damals und mußte von weit hergeleitet werden. Jetzt versorgen gewaltige Cisternen die Bewohner mit dem nöthigen Wasser. Die an sich schon feste Lage war durch starke Mauern und Thürme noch mehr gesichert. Albuquerque forderte die Uebergabe der Stadt, welche im Besitz des Amir Ibn-abd-el-wahhab war; aber dieselbe wurde abgelehnt. So entschloß sich der portugiesische Befehlshaber rasch zum Sturm, setzte 1400 Portugiesen und 400 Indier ans Land, um auf Sturmleitern die Mauern zu erklimmen. Voll Ehrgeiz und Kampfbegier drängten sich die Angreifer auf die allzubreiten Leitern, so daß die Stufen unter dem Gewicht von mehr als zwanzig Menschen, die zu gleicher Zeit hinaufstrebten, zusammenbrachen. Vierzig Portugiesen befanden sich schon auf der Mauer. Garcia de Sousa bemächtigte sich sogar eines Thores. Da er aber von den Arabern gedrängt, sich nicht an einem Stricke von der Mauer herablassen wollte, so stürzte er lieber mitten unter die Feinde und opferte sich, tapfer kämpfend, auf, um seinen Gefährten Zeit zu verschaffen, sich zu retten.
Albuquerque mußte erkennen, daß seine Macht zu schwach sei und brach daher nach vier Stunden den Kampf ab. Einen späteren Angriff behielt er zwar im Auge, wollte aber vorher einige wichtige Inseln im rothen Meere besetzen. Mit äußerster Vorsicht mußte vorgegangen werden, weil überall Klippen und Korallenbänke ungeahnte Gefahr drohten. Dazu traute Albuquerque dem gezwungenen Lotsen nicht, suchte mit dem Senkblei in der Hand das Fahrwasser auf und ließ alle Abende beilegen. So gelangte er bis zur flachen, felsigen Insel Kamaran (15° 51′ n. Br. 42° 32′ ö. L. v. Greenwich). Dieselbe liegt hart an der arabischen Küste, in der Nähe der Stadt Lohaja. Obwohl sich die Höhen nur 16 Meter über den Meeresspiegel erheben, ist die Insel doch reich an Brunnen und besitzt einen sehr guten Hafen auf der Ostseite. Sie war den Küstenfahrern längst als guter Ankerplatz bekannt, wo man sich auch mit Wasser und Früchten, namentlich Datteln versorgen könnte. So erhielten denn auch die Europäer frühzeitig davon Kunde und lernten den Platz schätzen. Carsten Niebuhr hebt hervor: Fast alle Nachrichten der Europäer von dem arabischen Meerbusen erwähnen dieser Insel.[115] Ihrer wichtigen Lage wegen[S. 179] ist sie gegenwärtig im Besitze der britischen Macht, welche von der Insel Perim aus auch den Ausgang des rothen Meeres beherrscht. Es zeugt aber sicher von dem Scharfblicke Albuquerque’s, daß er sofort beim ersten Betreten dieses Meeres die Bedeutung jener wasserreichen Insel erkannte. Aber viel weiter sollte er nicht gelangen. Mehrere Versuche nordwärts zu dringen, wurden durch Unwetter abgeschlagen. Er sah sich längere Zeit an die Insel gefesselt, da die günstigen Monsune zur Rückfahrt nach Indien noch nicht eingesetzt hatten, er verlor in dem verrufenen heißen Klima viele Leute und konnte erst am 15. Juli nach Aden zurückkehren. Ohne diese Stadt noch einmal zu bedrohen, segelte er weiter und langte schon am 4. August wieder in Diu an. Hier zeigte sich nun Melek Eias so weit nachgiebig, daß er die Errichtung einer Factorei den Portugiesen gestattete, und als auch Kalikut sich endlich zu einem ähnlichen Zugeständniß bereit erklärte, wurden den mohammedanischen Schiffen Pässe ertheilt, und das Aufbringen der im Gewürzhandel beschäftigten Kauffahrteischiffe hörte an den Küsten Indiens auf. Der Handel begann sich wieder zu beleben und zu befestigen.
Im nächsten Jahre wurde Pero d’Albuquerque, der Neffe des Generalcapitäns, mit einem Geschwader nach Ormuz entsandt, um den fälligen Tribut einzuziehen, während Jorge d’Albuquerque mit frischen Truppen nach Malaka steuerte, um hier die Vertheidigung der viel umstrittenen Stellung zu übernehmen.
Die nächste Zeit war Albuquerque selbst mit den indischen Angelegenheiten: mit der Befestigung der Citadellen in den Handelsstädten und Abfertigung der Transportflotten beschäftigt, außerdem plante er einen neuen Zug gegen Aden. Während der Vorbereitung dazu erhielt er aber die königliche Weisung, zunächst womöglich nach Ormuz zu gehen. Albuquerque konnte um so mehr diesem Befehle zustimmen, als er inzwischen in Erfahrung gebracht, daß der Sultan von Aegypten nicht weiter rüste, daß also von Seiten dieses Gegners keine Gefahr drohe und das rothe Meer ruhig bleiben werde. Am 21. Februar 1515 ging der Generalcapitän von Goa aus mit 27 Schiffen (14 großen Schiffen, 7 Karavelen und 6 Ruderschiffen) in See. Es sollte sein letzter Zug sein. Die Besatzung bestand aus 1500 Portugiesen und 700 Indiern (Kanaresen und Malabaren). In Ormuz führte damals Rais Ahmed, ein ehrgeiziger Perser, im Namen seines alten und schwachen Oheims das Regiment. Die Portugiesen hatten über ihn gehört, daß er mit dem Plane umgehe, sich unter die Oberhoheit des persischen Schah zu stellen, um sich der Verpflichtungen des lästigen Tributs an Portugal zu entledigen.
Diese Absichten wurden durch die Ankunft Albuquerque’s vor Ormuz, am 26. März, vereitelt. Der alte Fürst sah sich noch nicht in der Lage, der Forderung des Generalcapitäns, ihm die Citadelle zu übergeben, lange zu widerstehen. Das Wasserthor der Festung wurde schon am dritten Tage den Portugiesen geöffnet, und ohne Blutvergießen zogen dieselben ein. Das Thor gegen die Stadt wurde geschlossen und die Mauern mit Kanonen bepflanzt,[S. 180] um die Burg vor einem Ueberfalle zu sichern. Dann wurden die Festungswerke weiter ausgebaut und Pero d’Albuquerque als Commandant eingesetzt. Nun galt es, um den Frieden vollständig zu befestigen, den ehrgeizigen Rais Ahmed mit seinem Anhange zu beseitigen. Bei einer Zusammenkunft Albuquerque’s mit dem bejahrten Fürsten wagte Ahmed es, seinen Oheim von einer persönlichen Begrüßung zurückzuhalten und sich sogar an der Person des portugiesischen Befehlshabers zu vergreifen. Er rechnete nämlich auf fünfzig Leute seines Gefolges, die mit verborgenen Waffen vor dem Hause standen. Albuquerque war darauf vorbereitet und befahl seinen Hauptleuten, den Anführer der Verrätherei niederzumachen. Den alten Fürsten führte man aus dem Getümmel fort und das Gefolge des gefallenen Ahmed wurde von portugiesischen Soldaten zurückgetrieben. Vom Dache des Hauses mußte sich der alte Rais Nordin seinem Volke zeigen und dasselbe über seine Person beruhigen. Dem aufgeregten Anhange und den Verwandten Ahmeds, welche den Palast des Fürsten plündern wollten, ließ Albuquerque erklären, wenn sie sich nicht sofort beeilten, bis Sonnenuntergang die Stadt zu verlassen und auf persischen Boden zurückzukehren, so solle keiner von ihnen mit dem Leben davon kommen; denn die Portugiesen beherrschten mit der Flotte die See und von der Citadelle aus die Stadt und die Insel. So wanderten denn die 25 Familien der persischen Partei aus und Rais Nordin konnte unter dem Schutze und Geleite Albuquerque’s wieder als Herrscher in seinen Palast zurückkehren. Die Stadt war über den Zwischenfall bald beruhigt, und durch eine Gesandtschaft nach Persien, unter der Führung Fernão’s Gomez de Lemos, wurde auch das gute Einvernehmen mit Schah Ismail wieder hergestellt. Dieser leicht gewonnene Friede erklärte sich besonders aus dem religiösen Zwiespalt zwischen den schiitischen Persern und den sunnitischen Arabern.
Albuquerque schickte einen Theil der Flotte unter seinem Neffen Garcia de Noronha nach Kotschin und blieb selbst noch einige Monate in Ormuz, um die Angelegenheiten vollständig zu ordnen, ehe er die Weiterführung der Geschäfte dem Commandanten der Citadelle überlassen konnte. Vielleicht wollte er auch noch Vorbereitungen zu einem zweiten Angriff auf Aden treffen. Doch dieser Wunsch sollte unerfüllt bleiben. Schon seit Anfang August litt er an der Ruhr, und da das Uebel sich verschlimmerte, mußte er endlich dem Anrathen seiner Aerzte nachgeben, vorläufig nach Indien zurückzukehren. Er begab sich an Bord des Schiffes, welches Diogo Fernandez da Beja befehligte und übergab sein eigenes Schiff seinem Neffen Vicente d’Albuquerque. Im Anfang November segelte er von Ormuz ab; bei Kalhât an der Küste von Oman traf man mit einem arabischen Schiffe zusammen, welches von Diu kam und die Nachricht mitbrachte, Lopo Soarez sei zum Nachfolger im Generalcapitanate ernannt worden.
König Manuel hatte also endlich doch den feindlichen Einflüsterungen nachgegeben. Nach diesen Verläumdungen sollte Albuquerque bald wahnsinnig verwegen, bald von maßlosem Ehrgeize erfüllt sein. Man ersann sogar das[S. 181] Märchen: er strebe danach, sich zum unabhängigen Herrscher von ganz Indien zu machen. Dazu stütze er sich nur auf seine Verwandten und begünstige sie bei allen wichtigen Stellungen. — Wenn dies als Vorwurf gelten kann (denn die Thatsache ist richtig, daß er die Vertheidigung von Ormuz und Malaka, unzweifelhaft die wichtigsten Positionen außerhalb Indiens, seinen Neffen übertrug), so darf doch nicht unberücksichtigt bleiben, daß er dadurch diese beiden Plätze am sichersten bewahrt glaubte, da er sich auf die Befehlshaber verlassen konnte. — Selbst daß er mit den Fürsten in Indien Frieden schloß, galt als Zeichen des Verraths, denn diese neue Freundschaft, hieß es, sei nur ein weiterer Schritt zur Unabhängigkeit, nach der er strebe.[116]
Albuquerque war gewarnt, er kannte solche Verdächtigungen, aber er hatte, gestützt auf seine Verdienste und die Makellosigkeit seines politischen Charakters, es für unnöthig gehalten, ihnen entgegen zu treten. Er antwortete nur durch seine Thaten. Aber er hatte in Portugal wenig Fürsprecher mehr; alle Edelleute, welche er wegen Vergehen und Ungehorsamkeit zurückschickte und dem König zur Bestrafung überwies, vermehrten die Zahl seiner Widersacher, und so glaubte Manuel endlich, indem er, statt eine Untersuchung über die wiederholt vorgebrachten Beschwerden anzuordnen und nach deren Ausfall zu entscheiden, sich mit einer halben Maßregel begnügte, den Generalcapitän wenigstens zurückrufen zu müssen. Und das war es eben, was diesen so tief kränkte. Als er vernahm, daß Lopo Soarez ihn ersetzen solle und daß andere Befehlshaber für die wichtigsten Positionen ernannt seien, rief er wehmüthig aus: „Lopo Soarez Generalcapitän?! Konnte es nicht ein anderer sein! Und solche Männer, wie Diogo Mendez und Diogo Pereira,[117] die ich wegen ihrer Vergehen als Gefangene nach Portugal heimgesandt, schickt mir der König als Capitäne und Secretäre wieder zu?! Um des Königs willen habe ich es mit diesen Leuten verdorben, und falle um der Leute willen bei dem Könige in Ungnade.“[118]
Sein Lebensmuth und seine Lebenskraft waren gebrochen. Er wünschte nur noch Goa zu erreichen, denn hier hoffte er Briefe zu finden, welche ihm den plötzlichen Umschlag erklärten und ihn wenigstens durch Anerkennung seiner Verdienste trösten könnten.
Auf Zureden seiner Freunde schrieb er mit zitternder Hand einen letzten Brief an den König: „Sire, dies sind die letzten Worte, welche ich an Ew. Majestät richte, schwergebeugt, nachdem ich so viele Berichte mit heiterem Lebensmuthe geschrieben. Ich hinterlasse hier einen Sohn,[119] Bras Albu[S. 182]querque; ihm bitte meine Verdienste anrechnen zu wollen. Die Angelegenheiten in Indien werden für sich selbst und für mich sprechen.“ Im Angesicht des Hafens von Goa starb er am Bord des Schiffes, am 16. December 1515, 63 Jahre alt. Angethan mit dem weißen Gewande des St. Jago-Ordens, dessen Commandeur er war, und geschmückt mit den Ordenszeichen, um die Schultern den Sammetmantel gelegt und über dem Goldnetz, welches das Haar umschloß, mit einem Sammtbarett: so wurde seine Leiche auf einem mit Goldbrokat bedeckten Sessel ans Land getragen. Die Augen waren halb geöffnet, aber ohne die Häßlichkeit des Todes. Der lange, weiße Bart wallte bis auf die Brust herab, so daß er auch im Tode noch dieselbe Achtung und Ehrfurcht gebot, die man ihm im Leben zollte. Am Ufer wurde er von dem Commandanten und allen Edelleuten empfangen und in der Capelle beigesetzt, welche er selbst vor den Thoren der Stadt hatte erbauen lassen.
Er hatte die Tugenden und Fehler eines Imperators. Er übte strenges Recht, aber den Treubruch bestrafte er hart. Er war zäh im Ausharren und Ertragen von Mühen. Er ging bei allen Kämpfen nicht mit Worten, sondern mit dem besten, eigenen Beispiel voran. Schmeichler und Ohrenbläser ließ er hart an und hielt sie von sich fern. Den gefaßten Plänen folgte schnellste Ausführung. Persönliche Beleidigungen ertrug er großmüthig, aber er litt es nicht, daß man seine Befehle überschritt oder seine Pläne durchkreuzte; dann schreckte er auch vor Gewaltmaßregeln nicht zurück. In seinen Todesurtheilen ist er mehrmals zu rasch gewesen, denn er war eine leicht erregbare Natur, die schwer zu befriedigen war; aber eine übereilte Handlung hat er alsbald bereut.
Er forderte volle Hingebung an den Beruf und das Amt und verlangte die Anspannung aller Kräfte. Darin that er selbst es allen zuvor. Im Frieden war er Tag und Nacht thätig. G. Correa erzählt,[120] daß er gewöhnlich des Morgens in aller Frühe die Messe hörte und dann zu Pferde stieg, um, von seiner Leibwache umgeben, die Bauten, Werften, Magazine zu besichtigen. Im Staatsdienst duldete er keine Verschwendung und konnte über unnütze Verschleuderung des königlichen Gutes leidenschaftlich aufbrausen. Seine Entscheidungen traf er rasch; man hat mehrfach gesehen, daß er unterwegs, auf der Straße, Befehle und Dokumente auf den Knien unterzeichnete. Er war leutselig gegen jedermann und verstand die Hindus und Mohammedaner nach ihrer Art zu behandeln. Für alle war er bedacht, die friedliche Entwicklung des Handels zur Verbesserung der Lage und Vermehrung des Wohlstandes zu fördern. Jedermann hatte Zutritt zu ihm. Seine Thür war nie verschlossen, nur nach dem Mittagsessen gönnte er sich eine kurze Ruhe und diese wurde an den Wochentagen noch auf das geringste Maß beschränkt. Am Tage fast immer draußen beschäftigt, verwendete er die Stunden der Nacht dazu mit seinen Secretären zu arbeiten, um dem Könige von allem[S. 183] Rechenschaft zu geben bis ins Kleinste. An den König, die Königin, die königlichen Räthe entwarf er die Briefe selbst.
Da er immer nur darauf bedacht war, die königliche Macht in Indien zu stärken, so lag es ihm ganz fern, für sich selbst Reichthümer zu erwerben. Alle Geschenke, welche ihm von den Fürsten und Herren in Indien verehrt wurden, übergab er dem König oder der Königin, oder vertheilte sie unter die Hauptleute und Ritter. Auch gegen die Armen erwies er sich hilfreich.
Im Kriege und in der Schlacht stellte er sich den Soldaten gleich und achtete auf sein Leben ebensowenig als auf das Leben der andern, wenn es ein großes Ziel galt. Bei dem ersten unglücklichen Kampfe um den Palast in Kalikut gerieth er selbst mehrfach in Lebensgefahr. Sein Fahnenträger und einer seiner Pagen fielen an seiner Seite und er hielt aus, bis ihn ein Steinwurf besinnungslos niederwarf. Ebenso begab er sich beim ersten Sturm auf Malaka in Lebensgefahr, wurde dabei von den Feinden umstürmt und mußte von João Lemos herausgehauen werden. Dann ging er aber sofort wieder zum Angriff über. Er war ein vorsichtiger Feldherr und nie tollkühn; aber wenn er Großes erreichen wollte, setzte er alles daran. Vor dem zweiten Sturm auf Malaka erklärte er seinen schwankenden Capitänen, daß er seine Mannschaft nur darum aufs Spiel setzte, weil er die Position von Malaka für außerordentlich wichtig halte. So griff er auch zweimal Goa an und ließ sich durch einen ersten Mißerfolg nicht abschrecken, die blutige Entscheidung noch einmal zu wagen. Darum hielt er bei der ersten Belagerung in Goa auch so zäh bis zum äußersten aus. Als hier dem feindlichen Feldherrn durch portugiesische Ueberläufer mitgetheilt war, daß auf seiner im Flusse abgesperrten Flotte Mangel und Hungersnoth herrsche, und jener Heerführer des Adil Schah den Portugiesen großmüthig mehrere Böte mit Erfrischungen anbot, ließ Albuquerque seine letzten Vorräthe, einige Faß Wein und Schiffszwieback auf Deck bringen, zeigte dieselben den Abgesandten und erklärte: andere Leckerbissen als diese Speisen kennten die Portugiesen nicht und bedürften sie nicht. Sollten ihnen diese ausgehen, dann würden seine Soldaten sich schon ungebeten an der Tafel des Adil Schah melden. Jetzt leide er noch keine Noth.
So bewahrte er auch in schwerer Bedrängniß seinen Gleichmuth. Trotz seiner großen Erfolge sah man ihn nie übermüthig werden, auch warnte er seine Capitäne vor jeder Ueberhebung. Als einige von seinen Hauptleuten meinten, die Mauern der neuen Festung in Ormuz seien nicht stark genug, erwiderte er: „Wenn diejenigen, denen die Burg anvertraut ist, sich nicht als Tyrannen geberden, werden sie stark genug sein. Lassen sie sich aber zum Uebermuth hinreißen, so ist auch die stärkste Mauer zu schwach.“
Er suchte zwar die Rechte des Siegers voll und ganz zu vertreten, wünschte aber doch, aus politischen Rücksichten, eine Annäherung zwischen Portugiesen und Eingebornen. Darum begünstigte er die Heiraten der Portugiesen mit Hindumädchen. In Goa waren diese letzteren weniger[S. 184] schwierig als die Töchter der Brahminen und Nair weiter im Süden. Jedem neuvermählten Paare verehrte er 18 Milreis aus der königlichen Kasse und vertheilte unter die Ansiedler die Häuser und Aecker der vertriebenen Mohammedaner. Dadurch wollte er Goa zum Mittelpunkt der portugiesischen Herrschaft machen und seinen Besitz dauernd befestigen.
Die indischen Gegner fürchtete er dabei weniger als den Sultan Aegyptens. Von dort schien ihm auch in Zukunft allein ernste Gefahr zu drohen. — Das ganze Zeitalter war so reich an überkühnen, himmelstürmenden Gedanken und Plänen, daß wir uns nicht wundern dürfen, auch Albuquerque in eine solche Schwäche verfallen zu sehen. Wie man von Michel Angelo erzählt, daß er den Marmorgipfel des Monte Altissimo in den Bergen von Carrara zu einer einzigen Statue habe umgestalten wollen, und damit ein ganzes Gebirgsprofil verändert hätte, so hatte auch Albuquerque, indem er der Oberfläche der Erde durch Verlegung eines Stroms ein anderes Ansehen geben wollte, nichts geringeres im Sinne, als den Nil in seinem Oberlaufe nach Habesch abzuleiten, um den alten Kulturboden von Aegypten des segenspendenden Wassers zu berauben; denn nur so hoffte er die mohammedanischen Herren für immer aus dem Lande der Pyramiden vertreiben zu können.
Verständiger klingt schon sein Vorschlag, einen großen Feldzug ins rothe Meer hinauf zu machen und nach Eroberung Medina’s die Gebeine Mohammeds zu entführen, um dafür das heilige Grab in Jerusalem von den Ungläubigen auszutauschen.
So genial wie in seinen Plänen, so reich war er an treffenden Aussprüchen. Die zeitgenössischen Geschichtsschreiber haben uns manche davon überliefert, die offenbar von Mund zu Mund gegangen waren. Dadurch wußte er auch die Gemüther wieder zu besänftigen, die er durch sein leidenschaftliches Temperament verletzt hatte. Ein witziger Einfall machte eine scheinbare Ungerechtigkeit, die er begangen, bald vergessen. Man sah, er wollte nur die Pflichtvergessenen treffen.
Als nach der Eroberung Malaka’s Albuquerque beim Bau der Citadelle auf einem Gedenkstein, der in der Mauer angebracht werden sollte, die Namen der Tapfersten hatte einmeißeln lassen, beschwerten seine Leute sich darüber, daß nur einige genannt seien, während sie doch alle ihre Schuldigkeit gethan hatten. Da befahl der Generalcapitän den Stein umzukehren, daß die Schrift nach innen kam, und ließ ihn als Schlußstein über das Thor der Festung setzen mit der neuen Inschrift: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben. (Psalm 118. 22).[121]
Sicher war Albuquerque der bedeutendste unter den portugiesischen Heerführern in Indien. Er verdunkelte auch die Thaten seiner Nachfolger. Zu spät sah Manuel seinen Fehler ein, daß er durch seinen Undank dem Begründer[S. 185] seiner indischen Macht das Herz gebrochen. Dann wollte er ihn wieder an Stelle des Soarez einsetzen und ihm sogar den Rang eines Vicekönigs verleihen. Aber dieser reuige Beschluß kam zu spät, und der König selbst mußte es noch erleben, wie mühsam sich nach Albuquerque’s Tode die indischen Angelegenheiten in befriedigender Weise entwickelten.
Lopo Soarez d’Albergaria, welcher als nächster Nachfolger Albuquerque’s von 1515–1518 den Oberbefehl in Indien führte, war kein Neuling mehr im Orient; er hatte schon 1504 ein Commando gehabt. Nun war er am 7. April von Lissabon mit 13 Segeln abgegangen und erreichte am 8. September 1515 Goa. Als Capitäne der einzelnen Schiffe begleiteten ihn alle die Widersacher Albuquerque’s, wie Diogo Mendes de Vascogoncellos, Jorge de Brito u. a.
Bei seiner Ankunft in Goa fand er allgemeine Niedergeschlagenheit über seine Ernennung und Betrübniß über die rücksichtslose Beseitigung seines verdienstvollen Vorgängers, der sich in der von ihm geschaffenen Stadt der ungetheiltesten Verehrung erfreute. Im October ging Soarez nach Kotschin und fand dort, wie überall, nur kühlen Empfang; selbst die indischen Fürsten außer dem von Kalikut theilten die allgemeine Stimmung. Um diese Zeit kehrte Albuquerque von Ormuz zurück und in Kotschin erfuhr Soarez durch Simão d’Andrade zuerst von dem Hinscheiden des bisherigen Generalgouverneurs. Nun hatte Soarez freie Hand, aber auch im folgenden Jahre geschah noch nichts Erhebliches, er rüstete zu einem großen Zuge nach dem rothen Meere und brachte eine stattliche Flotte von 37 Schiffen zusammen, mit welcher er im Februar aufbrach, um einem ägyptischen Geschwader entgegenzutreten, welches angeblich 27 Segel stark, wiederum nach den indischen Gewässern bestimmt sein sollte. Die feindliche Macht hatte in der That noch vor Aufbruch des Soarez sich auf den Weg gemacht, die wichtige Insel Kamaran befestigt, damit dieselbe nicht wieder, wie unter Albuquerque, zum Stützpunkt der portugiesischen Unternehmungen dienen könnte, war dann vor Aden erschienen und hatte diese Festung vergeblich berannt. Dann war sie nach Dschidda, dem Hafen von Mekka zurückgekehrt, wo man in gesicherter Lage die Schiffe an den Strand gezogen hatte.
Soarez erlitt zwar durch einen Sturm in der Babelmandeb-Enge einige Verluste, drang aber trotzdem bis nach Dschidda vor. Er kam also weiter als Albuquerque, allein damit hatten seine Erfolge ein Ende. Denn der Hafen von Dschidda ist, wie fast alle Häfen am rothen Meere, durch Korallenbänke gebildet und geschützt. Zwischen den Riffen wand sich das schmale Fahrwasser wohl eine Meile weit, ehe man den Landungsplatz erreichte, und diese gefährliche Straße war durch Batterien vertheidigt. Eine Ueberrumpelung des Platzes mit bewaffneten Böten mißlang, es konnten nur einige Schiffe[S. 186] in Brand gesteckt werden. Während Soarez den Hafen noch blokirte, erhielt er bestimmte Nachrichten über den Einbruch der Türken in Aegypten und die Niederlage des ägyptischen Sultans. Dadurch war vorläufig die Kriegslust desselben vernichtet, und da man vor der Hand von den Türken nichts für Indien zu befürchten hatte, so wollte auch Soarez seine Leute nicht unnützerweise in den ungesunden Gewässern opfern, sondern zog sich zurück. Die Insel Kamaran war bei ihrer Ankunft von der mohammedanischen Besatzung zwar verlassen; aber außer Trinkwasser bot die Insel nichts. Für Lebensmittel war auf der Flotte nicht hinreichend gesorgt; nur um solche zu gewinnen, wurde die Stadt Zeila, auf der afrikanischen Küste, erstürmt und geplündert. Viele Leute verschmachteten oder verhungerten, andere kamen in Krankheiten um, andere bei Schiffbrüchen. Barros schätzt die Zahl der also Hinweggerafften auf achthundert. Osorio[122] äußert sich in heftigem Unwillen über diese Mißerfolge: „Mit Verlust von Menschen und Schiffen, mit Schimpf und Schande ging Soarez nach Ormuz zurück. Weder besetzte er Aden, noch zerstörte er die Flotte des Sultans in Dschidda, ja er setzte nicht einmal den Gesandten des Königs Matthäus von Habesch, der sich an Bord befand, in seiner Heimat ans Land.“ Auf dem Rückwege wurde die Flotte durch Unwetter dermaßen auseinander gejagt, daß einige Schiffe sich bis nach Melinde und gar nach Mosambik verschlagen fanden. So kläglich endete dieses Unternehmen. Mehr Erfolg hatte Soarez 1513 mit seinem Zuge gegen Ceylon. Diese Insel war seit 1506 von Portugiesen besucht. Nach der Eroberung von Ormuz, Goa und Malaka, und nach der Besetzung der Haupthäfen auf der Westküste Vorder-Indiens durch Albuquerque, nahmen die arabischen Kauffahrer einen anderen Weg, um von den Gewürzinseln in ihre Heimat zurückzukehren. Sie vermieden das früher besuchte malabarische Küstenland, legten dafür in Ceylon, namentlich in Kolombo, an und steuerten dann über die Malediven nach Aden. Um ihnen nun diesen Weg gleichfalls zu verlegen, hatte Manuel den Befehl gesandt, in Kolombo sich festzusetzen. Der dortige Fürst bequemte sich erst nach einer Niederlage dazu, den Bau einer portugiesischen Citadelle zu gestatten, und mußte, indem er vollständig zinsbar wurde, jährlich 300 Bahar Zimmt (à 4 Centner), 12 Ringe mit Rubinen und Saphiren, und 6 Elephanten als Tribut in die Factorei von Kotschin liefern.
Nachdem dieser Zug geglückt war, übergab Soarez den Oberbefehl seinem Nachfolger und ging am 20. Januar 1519 mit neun beladenen Schiffen nach Portugal ab. „Sein ganzes Glück scheint darin bestanden zu haben, daß er seine Flotten und seine Ladungen wohlbehalten nach Hause brachte.“[123]
Indem wir vorläufig die weiter östlich ausgeführten Entdeckungsfahrten übergehen, um sie später im Zusammenhange übersichtlich darzustellen, verweilen[S. 187] wir noch bei den Angelegenheiten, welche sich in Vorder-Indien und im westlichen Theile des indischen Oceans abspielen. Aber auch diese Ereignisse sollen nur summarisch geschildert werden, da wenige bedeutende Erfolge im nächsten Jahrzehnt zu verzeichnen sind. Auf Soarez folgte als Generalgouverneur Diogo Lopez de Sequeira von 1519–1521. Derselbe ist uns bereits bekannt durch seinen ersten Besuch in Malaka 1509. Er kam als oberster Befehlshaber wieder mit einer ansehnlichen Flotte und 1500 Mann im September 1518 nach Indien, und unternahm auch, auf königlichen Befehl, 1520 einen erfolglosen Zug nach dem rothen Meere, weil man in Portugal in Erfahrung gebracht, daß die Türken in Aegypten einen Zug nach Indien vorbereiteten. In der Nähe der Meerenge von Babelmandeb litt Sequeira selbst Schiffbruch; er rettete sich mit seinen Leuten auf ein anderes Fahrzeug, gelangte aber nicht einmal bis Dschidda, suchte dann den Hafen Massaua an der Küste von Habesch auf — er war der erste Portugiese, der hier anlief — und brachte endlich den habessinischen Gesandten, den schon Soarez bei seinem Zuge an Bord gehabt, wieder in sein Vaterland. Dann begab er sich von da nach Ormuz und wurde mit neuen Befehlen von Portugal aus förmlich überschüttet, so daß er nicht wußte, was er zuerst vornehmen sollte. Danach sollte er auf den Molukken, auf Sumatra, auf den Malediven, in Tschaul (Vorder-Indien) Festungen anlegen, dann wieder nach dem rothen Meere gehen, Diu erobern, Schiffe nach China senden u. s. w. Aber von alledem hat er nur eins, die Anlegung eines Forts in Tschaul, ausgeführt. Denn sein großer Zug gegen Diu mit mehr als vierzig Schiffen mißlang und zu einem zweiten Zuge gegen Aegypten fehlte ihm die Zeit. Seine Amtszeit war abgelaufen. Bis an das nördliche Ende des rothen Meeres, bis nach Sues vorzudringen, war erst 1541 dem Sohne Vasco’s, Estevan da Gama vergönnt.
Schon ehe Sequeira vom Oberbefehl zurücktrat, starb König Manuel am 13. Januar 1521. Sein Sohn und Nachfolger Johann III. schickte 1522 den Duarte de Menezes als Obergeneral nach Indien. Derselbe hatte sich im afrikanischen Kriege vor Tanger ausgezeichnet und galt als einer der vorzüglichsten Männer Portugals; aber auf indischem Boden grünte ihm kein Lorbeer, denn um diese Zeit wäre beinahe die wichtige Position von Ormuz verloren gegangen. Dort war nämlich gegen Ende des Jahres 1521 ein Aufstand ausgebrochen, weil Portugiesen als Hafenmeister angestellt waren, welche die Hafeneinkünfte controlliren sollten. Darüber bildete sich eine Verschwörung, welche die Fremden vernichten sollte. In einer Nacht wurden 125 Portugiesen, welche sorglos in der Stadt wohnten, überfallen und niedergemacht. Glücklicherweise aber hielt sich die Festung. Der König von Ormuz begab sich daher, da der verrätherische Plan nicht vollständig geglückt war, mit allem Volk nach der weiter nördlich gelegenen Insel Kishm, nachdem er die Stadt den Flammen preisgegeben hatte. Der Bruder des Generalcapitäns, Luis de Menezes, welcher auf die Kunde von diesem Vorfall sofort dorthin gesendet wurde, stellte indeß den Frieden wieder her. Das[S. 188] Handelsvolk kehrte in die Stadt zurück und der König mußte sich zu einem jährlichen Tribut von 20,000 Scherafinen verpflichten. Dann erschien auch Duarte de Menezes in Ormuz, ordnete die Verhältnisse wieder und befestigte die portugiesische Stellung.
Wenn als sein Nachfolger Vasco da Gama noch einmal in Indien erscheint, so durfte man wohl erwarten, daß er mit fester, rücksichtsloser Hand die indischen Angelegenheiten leiten und das eintretende Gefühl einer Ermattung durch glänzende Thaten bannen würde. Leider sollte diese Erwartung nicht in Erfüllung gehen, da er nur ein Vierteljahr die Oberleitung besaß.
Facsimile des Namenszuges von Vasco da Gama (und zwei Zeugen) in dem Dokument, in welchem er König Johann III. huldigte, als derselbe ihn zum Vicekönig von Indien ernannt hatte. — Das Dokument befindet sich im Archiv von Lissabon. Die Unterschriften lauten: Ho conde do vymyoso. Ho comde almirante. Bertolomeu de paiva.
Es ist mit Recht aufgefallen, daß der Entdecker des Seeweges seit 1502 keine Verwendung in indischen Diensten gefunden hatte. War Don Manuel nicht einverstanden gewesen mit dem schroffen Auftreten Gama’s? Erst unter König Johann III. begegnen wir ihm wieder und dann mit dem Range eines Vicekönigs, den seit Almeida kein Heerführer in Indien mehr erhalten hatte. Im Gefolge Gama’s befanden sich außer seinen Söhnen Estevan und Paulo die Capitäne Henrique de Menezes und Lopo Vaz de Sampayo, welche beide später als Generalcapitäne fungirten. Am 23. September langte der neue Vicekönig in Goa an, und wandte seine Aufmerksamkeit und Thätigkeit zunächst einer sorgfältigen Prüfung der Verwaltung zu. Hier waren allerlei Mißbräuche eingerissen und Unterschleife vorgekommen, welche die Einkünfte des Königs schmälerten. Dabei handelte Gama im Interesse[S. 189] des Staates, denn, sagte er, er wolle lieber den König reich machen, da es das größte Glück für ein Volk sei, einen reichen König zu haben, als die Leute sich bereichern lassen, die arm von Portugal kämen, um, ohne für den Dienst besonders befähigt zu sein, in Indien Schätze zu sammeln. Darum verfuhr er gegen die reichen Beamten des Königs sehr streng und stellte niemanden an, ehe er seine Fähigkeiten geprüft hatte. Ohne Erlaubnißschein sollte kein portugiesischer Privatmann Handel treiben, bei Todesstrafe, und wenn gar ein Beamter sich an den Geschäften betheiligte, sollten Schiff und Ladung confiscirt werden.
Da auch die portugiesischen Kauffahrteischiffe wegen der kriegerischen Verhältnisse in den indischen Gewässern mit Geschützen versehen waren und sich dieselben auf unerlaubte Weise vielfach aus den königlichen Arsenalen zu verschaffen gewußt hatten, so forderte Gama diese Waffen wieder zurück. Binnen einem Monate mußten sie an die Zeughäuser wieder abgeliefert werden. Waren die Händler auf diese Weise wieder wehrlos gemacht, dann war auch ihre Unternehmungslust dadurch gedämpft. Aber nicht blos Waffen waren, mit Genehmigung der königlichen Verwalter, aus den königlichen Magazinen abgegeben; manche höhere Beamte hatten sogar königliche Gelder zurückbehalten. Diese trieb, so weit sie ermittelt werden konnten, der Vicekönig ohne Ansehen der Person ein. So forderte er selbst von seinem Vorgänger im Amte, Duarte de Menezes Summen zurück, welche dieser sich aus den Einnahmen der Factoreien angeeignet hatte. Eine längere Dauer seines Regiments würde für die Verwaltung von heilsamer Wirkung gewesen sein. Aber diese letztere wurde bald verwischt, da Vasco da Gama schon am 24. December 1524 in Kotschin starb. Die Leiche wurde, in seidenen Kleidern mit dem Mantel des Christusordens bedeckt, mit Schwert und goldenen Sporen, zuerst in einer Halle ausgestellt und dann in der Kapelle des Franziskanerklosters in Kotschin beigesetzt. Im Jahre 1538 wurden die Gebeine nach Portugal gebracht und in Vidigueira bestattet, wo das Grabmal 1840 vom Pöbel zerstört wurde.
Barros schildert ihn als einen Mann von mittler Größe, kühn und tapfer in seinen kriegerischen Unternehmungen, strenge in seinen Befehlen, furchtbar in seinem Zorn, unverdrossen in der Arbeit, beharrlich selbst in Gefahren, unbestechlich in der Handhabung der Gerechtigkeit. Und wenn Correa hinzufügt, daß er sich nur aus religiösem Eifer und zur Ehre Portugals so oft in Lebensgefahr begeben habe, so liegen auch bei Vasco da Gama als die treibenden Kräfte: ritterlicher Waffenruhm und die Verbreitung des heiligen Glaubens offen vor Augen; denn vielen, und darunter den Edleren, erschienen die indischen Kämpfe als heilige Kriege, als Kreuzzüge gegen den Erbfeind des Christenthums.
Nach dem Tode des Vaters kehrten die Söhne Gama’s zunächst nach Portugal zurück.
Gama’s Nachfolger wurde Henrique de Menezes, ein junger, tapferer Mann, welcher sich zuvor im marokkanischen Kriege ausgezeichnet hatte und zu jener Zeit Gouverneur von Goa war. Derselbe starb aber schon am 23. Februar 1526 in Folge eines Beinschadens. Zu seinem Nachfolger bestimmte eine königliche Verordnung den Pero Mascarenhas. Derselbe war aber damals Statthalter in Malaka, und weil man voraussah, daß eine geraume Zeit darüber vergehen werde, ehe er mit günstigem Monsun nach Vorder-Indien kommen könne, und weil man augenblicklich bei den fortwährenden Kämpfen an der Küste von Malabar schleunigst einer Oberleitung bedurfte, so entschieden sich die Hauptleute dahin, nach einer weitern königlichen Verfügung, welche bereits in Indien schriftlich vorlag, den Lopo Vaz de Sampayo provisorisch als Generalgouverneur anzuerkennen, jedoch mit dem Vorbehalte, daß er bei Ankunft des Mascarenhas zurückzutreten habe. Lopo Vaz war damals Commandant in Kotschin und trat sofort sein Amt an. Noch in demselben Jahre traf von Europa eine neue Verfügung des Königs ein, welcher von den oben erwähnten Vorfällen und von dem Tode des Menezes noch keine Kunde hatte und nun neuerdings bestimmte, daß, falls Menezes stürbe, Lopo Vaz in seine Stelle treten solle. Daraus entstanden unliebsame Verwicklungen. Als Mascarenhas am 26. Februar 1527 vor Kotschin ankam, wurde ihm bedeutet, er dürfe sich nicht als Generalgouverneur betrachten und mit seinen bewaffneten Leuten landen. Wolle er ohne Waffen als Privatmann ans Land kommen, so solle das gestattet sein. Pero Mascarenhas hoffte durch sein persönliches Erscheinen seinen Anhang zu vermehren und dann doch anerkannt zu werden. Aber er fand am Ufer bewaffneten Widerstand und mußte, nachdem er zweimal am Arme verwundet war, sich auf sein Schiff zurückziehen. Er lieferte die von Malaka mitgebrachten Frachtschiffe und die Beute aus einem glücklichen Kriege mit dem Fürsten von Bintang ohne Weigerung ab und begab sich ohne Gefolge nach Goa, wo er durch friedliche Entscheidung zu seinem Rechte zu kommen gedachte. Vor der Barre von Goa wurde aber sein Fahrzeug auf Befehl des Lopo Vaz angehalten und er selbst in Ketten gelegt und nach Kananor gebracht. Die starke Partei [S. 192] des Mascarenhas ruhte aber nicht eher, als bis Lopo Vaz zu einem Vergleich sich herbeiließ und das Urtheil einem Schiedsgerichte anheimstellte. Als dieses sich für ihn entschieden hatte, kehrte Pero Mascarenhas nach Portugal zurück (December 1527). Vor seiner Ankunft hatte der König schon beschlossen, um die in Indien ausgebrochenen Parteistreitigkeiten zu beseitigen, einen neuen Generalgouverneur zu entsenden, dem beide Parteien gehorchen könnten. Es wurde Nuno da Cunha ernannt, der schon mit seinem Vater Tristão in Indien gewesen war. Diese Wahl war sehr glücklich, denn seit Albuquerque’s Tode war nichts Bedeutendes mehr geleistet und die verfügbare Macht in fruchtlosen Unternehmungen zersplittert. Im April 1528 verließ da Cunha Lissabon mit 11 Schiffen und 2500 Mann. An der Küste von Madagascar verlor er sein Schiff, wandte sich an den Komoren vorbei nach Sansibar, eroberte im November Mombas fast ohne Blutvergießen und legte es in Asche, da der Scheich nur in der Erwartung, daß das höchst ungesunde Klima die Portugiesen bald vertreiben werde, den verlangten Tribut zu zahlen sich weigerte. Dann ging da Cunha, obwohl er von dem Streite über den Oberbefehl in Indien genauere briefliche Nachrichten erhalten hatte, zuerst nach Ormuz, um dort zu überwintern und zugleich die Angelegenheiten in der Stadt zu ordnen. Er traf zu Gunsten des Königs von Ormuz uneigennützige Verfügungen und übte strenges Gericht über hochgestellte einheimische Beamte, welche sich große Unterschlagungen königlichen Gutes hatten zu Schulden kommen lassen. Dadurch gewann er das Vertrauen des Herren der Stadt. Während seiner Anwesenheit daselbst kam Belchior de Sousa Tavaros von einem Kriegs- und Entdeckungszuge nach Basra in den Hafen zurück. Er war der erste Portugiese, welcher in den vereinigten Mündungsstrom des Euphrat und Tigris eindrang.
Am 15. September 1529 begab sich da Cunha nach Indien und erreichte Goa am 22. October. Sofort begann er seine Vorbereitungen zu einem energischen Angriff auf Diu, dem wichtigen und sehr festen Hafenplatz im Reiche Gudjerat. Schon Albuquerque hatte, in richtiger Würdigung der Wichtigkeit dieses Platzes, den Hafen von Diu ins Auge gefaßt, war aber durch andere Angelegenheiten zu sehr in Anspruch genommen gewesen, um einen Anschlag darauf ausführen zu können. Unter seinen Nachfolgern war die Stadt, welche lange unter der Verwaltung des Melek Aias gestanden, mehrfach vergeblich bestürmt. Auch unter den Nachfolgern des genannten Statthalters, seinen Söhnen Melek Saka und Melek Toghan war sie eine gefährliche Nachbarin der Portugiesen geblieben, denn der Sultan Bahadur (Badur) von Gudjerat, zu dessen Gebiet sie gehörte, war einer der mächtigsten Fürsten Indiens.
Inzwischen traf da Cunha mit seinem Vorgänger Lopo Vaz vor Kananor zusammen und übernahm aus dessen Hand die Oberleitung der indischen Angelegenheiten. Auf Befehl des Königs Johann III. mußte er sogar den bisherigen Generalcapitän verhaften lassen, weil von Ormuz und Kotschin aus[S. 193] Klagen gegen denselben eingelaufen waren. In Portugal aber wurde Lopo Vaz bald wieder in Freiheit gesetzt.
Dem wankelmüthigen Samudrin, welcher den Frieden immer wieder brach, sowie sich die portugiesische Macht aus seiner Nähe entfernte, wurden die Häfen gesperrt und der einträgliche Handel gelähmt. Er wurde nämlich von den Mohammedanern, in deren Interesse er handelte, immer wieder heimlich unterstützt und aufgestachelt. Auch jetzt erbot er sich wieder zum Frieden, allein da er die ihm auferlegten Bedingungen nicht erfüllen wollte, zerschlugen sich die Verhandlungen, und der friedelose Zustand dauerte fort. Im Jahre 1531 gelang es aber doch durch geschickte Unterhandlungen dem Samudrin das Zugeständniß abzugewinnen, die Erlaubniß zu ertheilen für die Anlegung einer Festung in Chali, drei Meilen südlich von Kalikut, im Gebiet des untergebenen Radscha von Tanur. Da Cunha ließ den Bau sofort beginnen und belegte den festen Platz bereits im Februar 1532 mit 250 Mann. Trotzdem blieb der Samudrin offen oder versteckt ein Gegner der Portugiesen.
Das Reich Gudjerat, gegen welches Nuno da Cunha seinen großen Zug richten wollte, erstreckte sich auf beiden Seiten des Golfs von Kambaya vom Golf von Katsch bis südlich von Bombay. Hier lagen an der Küste die reichen Handels- und Gewerbstädte Pattana, Diu, Kambaya, Barotsch, Sorâth, Damân und Bassein, alte, wohlhabende und berühmte Orte, theils von indischen, theils von mohammedanischen Kaufleuten bewohnt. Schon ehe der Generalcapitän mit seiner großen Flotte aufbrach, schickte er im Anfange des Jahres 1530 den Antonio da Silveira mit einer Anzahl von Schiffen ab und ließ mehrere dieser Städte angreifen und plündern.
Dann folgte im nächsten Jahre da Cunha selbst von Bombay aus mit einem so gewaltigen Geschwader, wie es vorher von den Portugiesen noch nicht aufgebracht war. Es sollen gegen 400 große und kleine Schiffe gewesen sein mit 3600 Portugiesen und dazu eine bedeutende Schaar indischer Hilfstruppen. Statt aber geradenwegs auf Diu zu steuern, wandte sich der portugiesische Befehlshaber weiter ostwärts, wo in einer Entfernung von 8 Meilen nordöstlich von Diu eine kleine felsenumsäumte Insel, jetzt Searbett, damals Bete genannt, liegt. Dieselbe war in letzter Zeit mit Festungswerken versehen und hatte eine Besatzung von 800 Mann. Nuno da Cunha glaubte diese feste Position, welche den genannten großen Handelsemporien näher lag, nicht im Rücken lassen zu dürfen und hoffte sie ohne großen Verlust wegnehmen zu können. Allein die mohammedanische Besatzung wehrte sich mit dem Muthe der Verzweiflung, bis sie vernichtet war. Dadurch büßte da Cunha nicht blos viele Leute und darunter hervorragende Führer ein, sondern er verlor auch viel Zeit, welche von seinen Gegnern in Diu trefflich benutzt wurde, um den ohnehin festen Platz noch mehr mit Vertheidigungswerken zu versehen. Diu liegt vor dem Südende der Halbinsel Gudjerat auf einer Insel hart an der Küste. Dieses Eiland erstreckt sich 1½ Meilen von Osten nach Westen und ist etwa ½ Meile breit. Am schmäleren Ostende liegt die Stadt,[S. 194] zwischen der Insel und dem nördlichen Festlande der gegen Osten geöffnete Hafen. Klippenreihen umsäumen die Insel gegen Süden und decken die Stadt. Auf und zwischen den Felsen waren Batterien errichtet, um einen Angriff von der Seeseite abzuwehren. Weiter ostwärts erstrecken sich Sandbänke vor der Einfahrt in die Bucht, und der Hafen selbst war mit eisernen Ketten versperrt.
Hätten die Portugiesen es nur mit den einheimischen Truppen zu thun gehabt, so wäre der Angriff auf diese starke Position vielleicht von Erfolg gekrönt gewesen; allein der Sultan Bahadur hatte kurz vorher einen unschätzbaren Bundesgenossen bekommen in der Person des türkischen Generals Mustafa, der auf die Kunde von den drohenden Ereignissen vom rothen Meere her mit zwei Schiffen und 800 tüchtigen türkischen Soldaten der Stadt zu Hilfe geeilt war. Mustafa verstand die europäische Kriegführung und war namentlich als Artillerieoffizier berühmt. Er wurde der Leiter der ganzen Vertheidigung und die gutgezielten Schüsse seiner Batterien richteten unter den Portugiesen unerwartet großen Schaden an. Nuno da Cunha übersah bald die veränderte Lage und das Bedenkliche eines Sturmes auf die Festung; da aber sein König den Angriff befohlen, so wagte er ihn, um nicht als zaghaft gescholten zu werden. Sein Hauptsturm, am 16. August, wurde indeß durch die Vertheidiger der Stadt abgeschlagen, und die Portugiesen mußten sich zurückziehen. Mustafa erhielt in Anerkennung seiner rühmlichen Leistung den Titel eines Chan und wurde mit der Verwaltung des Districts von Barotsch belohnt. Nuno beschränkte sich auf eine Blokade und ging dann nach Tschaul, südlich von Bombay, zurück. Der kleine Krieg zur See, die Wegnahme von Handelsschiffen, die Verwüstung von Küstenhäfen wurde auch im folgenden Jahre noch fortgesetzt.
Bahadur, welcher bald darauf mit dem Sultan Humajun von Dehli in einen Krieg verwickelt wurde und daher in den Küstenstädten nur wenige Truppen zurücklassen konnte, wünschte indeß mit den Portugiesen Frieden zu schließen und bot ihnen statt Diu die Stadt Bassein sammt der Insel Salsette und Bombay (Mombain) an; der portugiesische Gouverneur ging darauf bereitwillig ein und ließ schon im Januar 1535 ein Fort in Bassein anlegen. Im Verlauf desselben Jahres lief aber Bahadurs Feldzug gegen Dehli unglücklich ab, er wurde geschlagen und flüchtete, verfolgt von dem Sieger Humajun, welcher Kambaya besetzte, nach Diu. Dem Sultan war darum zu thun, in seiner Noth die Portugiesen als Freunde zu gewinnen. Er erbot sich daher noch im Herbst 1535, ihnen einen Platz bei Diu einzuräumen, um eine Festung anzulegen, die den Hafen beherrschen könne. Dagegen sicherte Nuno da Cunha freien Handel der Städte in der Richtung nach dem rothen Meere zu; alle Schiffe konnten frei passiren, nur die türkischen nicht. Auf diesen Grundlagen wurde ein Schutz- und Trutzbündniß geschlossen. Der Bau einer starken Burg wurde alsbald begonnen.
Als aber Humajun nach anderen Theilen seines Reiches abgerufen wurde[S. 195] und Bahadur sich von diesem gefährlichen Feinde erlöst sah, wurde ihm die Burg der Portugiesen lästig. Er knüpfte daher mit anderen Fürsten in Dekhan Verbindungen an, bewahrte aber äußerlich noch ein gutes Einvernehmen. Nuno da Cunha erfuhr von dieser Sinnesänderung und ging im Januar 1537 nach Diu. Als der Sultan den Gouverneur auf seinem Schiffe besucht hatte und nach der Stadt zurückfuhr, kam es in Folge eines unglücklichen Mißverständnisses zu einem feindseligen Zusammenstoß mit einigen nachfolgenden portugiesischen Fahrzeugen. Daraus entwickelte sich ein blutiges Gefecht, in welchem Bahadur selbst getödtet wurde. Bei der allgemeinen Bestürzung, die darüber entstand, ward es den Portugiesen leicht, die Stadt zu besetzen. Als die Gudjeraten aber mit einem größeren Heere heranrückten, mußten die Portugiesen sich wieder in die Festung zurückziehen. Hier hatten sie bald eine sehr ernste Belagerung zu bestehen, denn im Jahre 1538 rückte eine gewaltige türkische Flotte mit 7000 Soldaten vor Diu. Fünfundzwanzig Tage lang wurde die Festung aus schwerem Geschütz beschossen, aber der tapfere Commandant Antonio da Silveira hielt Stand, und das Beispiel edler Frauen, welche nach dem Bericht Barros’ mit Hand anlegten, um die durch die türkischen Geschosse zertrümmerten Mauern wieder herzustellen, feuerte den Muth der kleinen Besatzung an. Ein Hauptangriff gegen die geschossene Bresche wurde glücklich abgeschlagen, die Türken mußten sich zurückziehen und die Belagerung aufheben, weil Nuno da Cunha einige Schiffe zum Entsatz gesandt hatte, welche von den Belagerern für einen Theil der großen erwarteten Flotten gehalten wurden.[124] Es war für die hartbedrängte Schaar auch die höchste Zeit für eine Erlösung, denn aller Kriegsvorrath war verbraucht, und nur noch 40 Mann waren gefechtstüchtig geblieben. Alle übrigen waren gefallen oder verwundet, oder lagen am Scorbut krank, welcher in Folge des schlechten Trinkwassers in der Festung ausgebrochen war.
So war Diu gerettet, und die türkische Macht kehrte am 5. November nach dem rothen Meere zurück.
Es war dies das letzte bedeutende Ereigniß unter der Regierungszeit Nunos. Sein Nachfolger war bereits angekommen. Garcia de Noronha, ein Neffe Albuquerque’s, kam am 11. September 1538 mit einer Flotte nach Goa und übernahm als Vicekönig die Leitung. Nuno da Cunha’s Stellung war in Portugal erschüttert, das konnte er aus dieser Ernennung zu deutlich erkennen. Statt einen kräftigen, energischen Mann, wie er gewünscht hatte, und wie er es selbst gewesen war, ehe das indische Klima seine Gesundheit untergraben hatte, schickte man einen Greis von 70 Jahren, der auch dann als Diu in höchster Gefahr schwebte, mit äußerster Bedächtigkeit seine Rüstungen vornahm. Statt geschulter Soldaten brachte er entlassene Sträflinge mit,[S. 196] die erst eingeübt werden mußten und so wenig Vertrauen erweckten, daß die portugiesischen Hauptleute in Indien lieber eingeborene Truppen nahmen.[125] In Portugal machte sich der Mangel an junger Mannschaft bereits so fühlbar, daß man zu einem so bedenklichen Ersatz gegriffen hatte. Aus Mißmuth darüber nahmen mehrere Hauptleute den Abschied und kehrten mit da Cunha nach Portugal zurück.
Die letzten Tage seines Aufenthalts in Indien wurden dem bisherigen Gouverneur noch dadurch verbittert, daß der Vicekönig ihm ein Schiff zur Heimreise verweigerte, unter dem Vorwande, er könne keins entbehren. Dadurch wurde da Cunha noch bis zum Januar 1539 in Kananor zurückgehalten und mußte sich, nachdem er zehn Jahre die portugiesische Macht in rühmlicher Weise erweitert und seinem Könige die Festungen in Diu, Bassein und Chali gegründet hatte, welche, wie Barros meint, nicht weniger wichtig waren als Ormuz, Malaka und Goa, die Eroberungen Albuquerque’s, auf eigene Kosten ein Schiff miethen, um in die Heimat zurückkehren zu können. Den Keim einer tödtlichen Krankheit in sich tragend und niedergebeugt durch den Undank des Herrschers, dem er ebenso uneigennützig als erfolgreich sein Leben lang gedient, denn er war schon sehr früh nach Indien gekommen, stieg da Cunha zu Schiff. Als er den Tod nahen sah, erklärte er in seinem Testamente an Eides statt, daß er niemals königliches Eigenthum sich angeeignet habe, außer fünf goldenen Münzen aus dem Schatze des Sultans Bahadur, die er dem König habe zeigen wollen. Als man ihn fragte, ob er wünsche, daß, falls er sterbe, seine Leiche mit nach Portugal genommen würde, antwortete er: „Soll ich nach Gottes Rathschluß auf der See sterben, so mag auch die See mein Grab sein. Das Vaterland, das mich voll Undank von sich gestoßen, soll auch mein Gebein nicht decken.“
Sieben Wochen nach der Abfahrt von Kananor starb er und wurde, nach seinem Willen mit dem Gewande des Christusordens bekleidet und mit dem Schwert umgürtet, ins Meer gesenkt. So ward er wenigstens vor noch tieferer Kränkung bewahrt; denn allzu leicht geneigt, den geheimen Anklagen und Verleumdungen ein williges Ohr zu leihen, hatte die portugiesische Regierung ihm bereits ein Schiff entgegengesandt mit dem ausdrücklichen Befehl, den heimkehrenden Generalgouverneur in Ketten zu legen.
Vielleicht war Johann III. dem Nuno deshalb nicht wohl gesinnt, weil dieser sich zu wenig die Ausbreitung des Christenthums hatte angelegen sein lassen und aus politischem Interesse dem Sultan Bahadur zu große Zugeständnisse gemacht hatte. Denn gerade zu jener Zeit war die Geistlichkeit von maßgebendem Einfluß im Rathe Johanns III., welcher die Inquisition in Portugal eingeführt hatte.
Mit Nuno da Cunha ging die ruhmreiche Zeit in Indien zu Ende. [S. 198] Noch lange nach seinem Tode, sagt Barros, erinnerte man sich der zehn Jahre seiner Regierung, so daß selbst diejenigen, die ihn ehedem befeindet hatten, seine Lobredner wurden.
Man muß sich erstaunt fragen, wie es gekommen, daß gerade die verdienstvollsten Männer für ihre Thaten in Indien mit Undank belohnt wurden. Nicht sie selbst allein beklagen sich darüber, die Geschichtsschreiber fällen dasselbe Urtheil und stimmen ihnen bei. Ohne Zweifel lag der Grund zum Theil darin, daß man von Portugal aus, ohne die Sachlage aus so weiter Ferne genau beurtheilen zu können, zu viele Wünsche, Verhaltungsmaßregeln und Befehle sandte, welche unmöglich sofort ausgeführt werden konnten; daß man ein selbständiges Handeln, selbst gegen die ertheilten Vorschriften, als ein Auflehnen gegen die königliche Macht, als ein bedenkliches Trachten nach Unabhängigkeit ansah. Dazu kam noch, daß viele portugiesische Edelleute den Dienst in Indien als ein willkommenes Mittel ansahen, sich möglichst rasch zu bereichern, und sei es auch auf ungerechte Weise. Wie oft ist nicht über Unterschleife geklagt und Untersuchung angestellt worden! Oder es wollten sich die vornehmen Herren den Befehlen des Generalgouverneurs nicht fügen und lehnten sich dagegen auf. Wurden sie dann ihrer Stellen entsetzt und nach Portugal zurückgeschickt, dann traten sie natürlich mit bitteren Klagen über die Oberleitung in Indien auf, und von ihren Gönnern bei Hofe unterstützt, fanden sie auch den Weg bis zu dem Ohr des Herrschers, der fast nur die entstellten Berichte zu hören bekam und so gerade die energischesten Statthalter mit Mißtrauen beobachten lernte oder sich gegen dieselben gewinnen ließ.
Ueberblicken wir noch einmal die politische Machtstellung der Portugiesen in Indien zur Zeit, als Nuno da Cunha starb, so lag der Mittelpunkt ihres Besitzes auf der Westküste jener asiatischen Halbinsel. Es wäre aber eine durchaus falsche Vorstellung, ihre Herrschaft sich über weite Ländereien auf dem Boden Indiens ausgedehnt zu denken. Der ursprüngliche Plan, den Weg zu den Gewürzländern zu finden und den Gewürzhandel ganz und allein in die Hand zu bekommen, blieb stets maßgebend und die einzige Richtschnur. Mit den einheimischen Fürsten wünschte man stets in Frieden zu leben; aber die Anhänger Mohammeds, diese Erzfeinde des christlichen Glaubens, und in den indischen Gewässern fast die alleinigen Zwischenhändler des Handels mit Europa, sei es über den persischen Golf oder durch den arabischen Meerbusen, mußten mit Waffengewalt verdrängt werden; ihre Kauffahrer sollten aus dem indischen Ocean verschwinden. Zu dem Zwecke mußten wachehaltende Kriegsschiffe auf dem Meere kreuzen, um die unter mohammedanischer Führung gehenden Gewürzfrachten abzufangen und ihnen alle Wege zu sperren, dazu dienten aber auch in den wichtigsten Handelsplätzen Indiens feste Citadellen zur Ueberwachung des Verkehrs.
Verstanden sich die indischen Fürsten dazu, daß in ihrem Gebiet eine von Portugiesen besetzte steinerne Festung errichtet wurde, dann traten sie in[S. 199] das Verhältniß der Bundesgenossenschaft, andernfalls waren sie beständigen Belästigungen und Angriffen von der Seeseite ausgesetzt.
Sonach besaßen zwar die Portugiesen eine größere Anzahl von Steinburgen in oder neben den Städten, aber die einheimischen Fürsten regierten im Lande. Nur an drei Punkten wurden den Portugiesen durch Verträge oder Eroberung Küstenstädte nebst dem umgebenden Lande abgetreten: Diu, Bassein mit Salsette und Goa. Und diese lagen sämmtlich an der Küste auf kleinen Inseln, welche von den Eroberern besser vertheidigt werden konnten. Hier waren die Portugiesen die alleinigen Herren und wußten im Laufe der Zeit sich, nach dem Vorgange Albuquerque’s in Goa, diese Positionen um so mehr zu sichern, als Europäer sich dort niederließen und die Städte ihren rein indischen Charakter verloren. Daher kommt es auch, daß noch jetzt die allerdings längst bedeutungslos gewordenen Städte Goa und Diu in portugiesischen Händen geblieben sind.
Außerhalb Indiens gehörte ihnen noch das mit bewaffneter Hand genommene Malaka, das aber nur mühsam bis ins nächste Jahrhundert behauptet wurde. Auch in Ormuz waren sie, obwohl die einheimische Herrschaft in der Stadt belassen wurde, doch die gebietende Macht, während eine Reihe von arabischen Küstenplätzen und ost-afrikanischen Häfen tributpflichtig gemacht wurde.
Die Verhältnisse auf den Molukken sollen im Folgenden noch eingehend betrachtet werden.
Die historischen Ereignisse in Vorder-Indien werden wir nicht weiter verfolgen, sondern richten unsere Blicke auf die östlichen Länder und Inseln Asiens, um zu sehen, wie sie allmählich entschleiert wurden, bis die neugewonnene Kenntniß einerseits bis nach Japan, andererseits bis hart an den Continent Australien reichte.
Im Südosten von Hinter-Indien breitet sich die große malayische Inselflur aus, welche aus der Sundawelt nebst Molukken und Philippinen besteht. Der Flächenraum, welchen die an tropischen Erzeugnissen überaus reich gesegneten und in malerischer Schönheit prangenden Inseln bedecken, ist so groß wie ganz Europa. Die Summe der Landmassen dieses Gebietes, welches in seiner ganzen Breite auf einer Strecke von 35 Meridianen oder 525 Meilen vom Aequator durchschnitten wird, beträgt etwa 36,000 Quadratmeilen; die Bevölkerung wird jetzt auf 35 Millionen Menschen geschätzt, ist also größer als die Einwohnerschaft von ganz Südamerika. Die Sundainseln gehören zu den größten Inseln der Erde: Bórneo nimmt einen größern Flächenraum ein als das deutsche Reich sammt den angrenzenden Staaten Schweiz, Belgien, Niederlande und Dänemark; Sumátra ist so groß wie Preußen und Bayern zusammen, Celebes läßt sich mit Großbritannien vergleichen, und Java steht[S. 200] dem Staatencomplex von Süddeutschland nicht nach. Man macht sich von der Größe des ganzen Gebiets und der Ausdehnung dieser Inseln gewöhnlich eine zu geringe Vorstellung. „Der Reisende,“ sagt Wallace,[126] „segelt Tage, selbst Wochen längs den Ufern einer dieser Inseln, die oft so groß sind, daß deren Bewohner sie für ein ausgedehntes Festland halten. Er erfährt, daß man Touren zwischen diesen Inseln meist nur nach Wochen und Monaten berechnet und daß ihre verschiedenen Einwohner oft so wenig unter einander bekannt sind, wie die Eingebornen des nördlichen Festlandes von Amerika denen des südlichen. Bald gelangt er dahin, diese Region als eine von der ganzen übrigen Welt gesonderte anzusehen, mit ihren eignen Menschenrassen und ihren eignen Ansichten der Natur, mit ihren eignen Ideen, Empfindungen, Sitten und Sprachweisen, mit einem Klima, einer Vegetation, einer Thierwelt, alles von durchaus ihr eigenthümlichem Charakter.“
Nahe dem Ostrande dieses großen Gebietes, genau in einem Abstande von 25 Meridianen, von der Stadt Malaka aus gerechnet, liegen die eigentlichen Molukken oder Gewürzinseln an der Westküste der vielgegliederten Insel Halmahera oder Dschilolo zwischen dem ersten und zweiten Grade nördl. Br. Die wichtigsten darunter sind Ternate und Tidor. Zwei andere Gruppen von Eilanden, welche ebenfalls an Gewürz reich sind, liegen 60 bezüglich 80 Meilen südlich und südöstlich von der zuerst genannten Gruppe. Beide liegen im Süden der langgestreckten Insel Ceram, und zwar die Amboinen und Banda.
Hier ist die Heimat der Gewürznelken und der Muskatnuß. Im Gegensatz zu der namhaften Ausdehnung der Sundainseln gehören die Molukken zu den kleinsten Eilanden, so daß die kostbarsten Güter der Pflanzenwelt nur auf einem sehr beschränkten Raum gedeihen. Tidor umfaßt kaum 1½, Ternate etwas mehr als 1 Quadratmeile, und die Bandagruppe ist auch nicht größer. Dagegen nehmen die Amboinen einen Flächenraum von 17 Quadratmeilen ein. Gegenwärtig beträgt die Bevölkerung nicht ganz 100,000 Seelen, sie entspricht also annähernd der mittleren Dichtigkeit der Bevölkerung im deutschen Reiche.
Diese Inseln sind Glieder des großen vulkanischen Ringes, welcher von den Philippinen her gegen Süden über Banda hinaus und weiter gegen Westen und Nordwesten über Sumatra hin die größte aller in diesem Gebiete liegende Insel Borneo umfaßt. Sie sind sämmtlich vulkanisch und bestehen eigentlich nur aus 4- bis 5000 Fuß hohen Bergkegeln, in denen die eruptischen Gewalten des Erdinnern noch wach sind, und die theils durch verheerende Ausbrüche, theils durch heftige Erderschütterungen die Bewohner erschrecken. Aber die vulkanischen Aschen und die verwitterten Laven haben, von tropischem Regen getränkt, eine erstaunliche Fruchtbarkeit und eine üppige[S. 201] Baumvegetation erzeugt, welche die Gehänge der Vulkane vollständig umhüllt. Auf den eigentlichen Molukken hat Tidor den größten und vollkommen konisch gestalteten Berg, der Berg auf Ternate ist fast ebenso hoch aber mit einer gerundeten und unregelmäßigen Spitze. Hier erhebt sich unmittelbar hinter der Stadt der riesige Berg, anfangs langsam ansteigend und mit dichten Hainen von Fruchtbäumen bedeckt, bald aber steiler werdend und von tiefen Furchen durchzogen. Fast bis zum Gipfel, dessen Oeffnung stets schwache Rauchwolken entsteigen, ist er mit Pflanzenwuchs bekleidet und sieht so ruhig und schön aus, obgleich er ein Feuer birgt, das gelegentlich in Lavaströmen ausbricht, aber sich häufiger durch Erdbeben bemerkbar macht, welche oftmals die Stadt verwüstet haben.[127]
Ueber den Fruchtbäumen erstreckt sich ein Gürtel von Lichtungen und bebautem Boden, welcher sich den Berg hinauf bis zu einer Höhe von zwei- bis dreitausend Fuß zieht, worauf Urwald folgt, der fast bis zum Gipfel reicht.
Die Küsten dieser kleinen Inseln haben steile, schwarze Gestade aus vulkanischem Sande oder sind mit zerrissenen Massen von Lava und Basalt belegt.[128] Nur hier auf den beiden genannten Inselbergen und den südlich darauf folgenden Inseln, welche ähnlich gestaltet sind, auf Motir und Makkian, sowie auf der südlichsten und größten, Batjan, gedieh die geschätzte Gewürznelke. Der spanische Seefahrer Urdaneta, welcher von 1526 bis 1535 dort weilte, schätzte zu seiner Zeit den jährlichen Ertrag in guten Jahren auf 11,600 Centner (Quintal), in schlechten Jahren auf 5- bis 6000 Centner. Als Urdaneta auf die Inseln kam, kostete ein Bahar (d. h. mehr als 4 Centner) 2 Dukaten, und zur Zeit, als er das Gebiet verließ, bezahlte man in Indien für dasselbe Maß bereits 10 bis 14 Dukaten.[129]
Die zweitwichtigste Gruppe bilden die drei kleinen Bandainseln. Barros[130] nennt sie einen Garten von Muskatbäumen, welche mit zahlreichen Pflanzen und Kräutern zu gleicher Zeit blühen und so die Luft mit einem unvergleichlichen Gemisch von Wohlgerüchen erfüllen. Wallace schildert sie mit gleichem Entzücken, als bedeckt mit einer ungewöhnlich dichten und brillianten grünen Vegetation. Banda ist ein lieblicher kleiner Fleck Erde; die drei Inseln schließen einen sichern Hafen ein, von dem kein Ausgang sichtbar ist, und der so durchsichtiges Wasser besitzt, daß lebende Korallen und selbst die kleinsten Gegenstände deutlich auf dem vulkanischen Sand und in einer Tiefe von 7 bis 8 Faden zu sehen sind. Der immer rauchende Vulkan thürmt seine nackte Spitze an einer Seite auf, während die zwei größeren Inseln mit Pflanzenwuchs bis an den Gipfel der Hügel bedeckt sind. Ungeachtet der Verluste, welche durch Erderschütterungen entstehen, und ungeachtet des geringen Umfanges und der isolirten Lage dieser kleinen Inseln sind sie[S. 202] noch der Haupt-Muskatnußgarten der Erde. Fast die ganze Oberfläche ist mit Muskatnüssen bepflanzt, welche unter dem Schatten der hohen Kanarienbäume (Kanarium commune) wachsen. Der vulkanische Boden, der Schatten und die außerordentliche Feuchtigkeit dieser Inseln, wo es mehr oder weniger jeden Monat im Jahre regnet, scheinen dem Muskatnußbaume gerade zuzusagen, welcher keinen Dünger und kaum der Pflege bedarf. Das ganze Jahr hindurch findet man Blumen und reife Früchte, und dazu sind wenige cultivirte Pflanzen schöner als Muskatnußbäume. Sie sind hübsch geformt und glattblättrig, 20 bis 30 Fuß hoch und tragen kleine gelbliche Blumen. Die reife dunkelbraune Nuß ist von der carmoisinrothen Muskatblüthe oder Macis als Samenhülle umgeben und bietet so einen reizvollen Anblick dar.[131]
Urdaneta schätzte zu seiner Zeit den Ertrag auf durchschnittlich 7000 Centner Nüsse und 1000 Centner Macis (macía). Ein Bahar (hier gleich 5 Centner) Nüsse kostete 5 Dukaten, Macis immer siebenmal soviel. Von beiden Gewürzen gelangten damals nur etwa 500 Centner Gewürznelken, 100 Centner Macis und 200 Centner Muskatnüsse nach Portugal.[132]
Die dritte und größte Gruppe endlich bilden die Amboinen südlich von Ceram, gegenwärtig dem Hauptpunkte der Molukken. Die Hauptinsel Amboina besteht aus zwei Halbinseln, die durch Seebuchten fast gänzlich von einander getrennt sind. Thätige Vulkane gibt es nicht mehr auf der Insel; früher kamen häufiger heftige Erdbeben vor. Seit 1824 ist der Vulkan auf der westlichen Seite der Insel still geworden. Der Seegrund, welcher die Insel umgibt, ist von einer wunderbaren Klarheit und von bezaubernder Schönheit der farbenprächtigen Korallenwelt, welche von zahlreichen blau, roth und gelb gefärbten Fischen und der Oberfläche näher von orangenen und rosigen, durchsichtigen Medusen belebt ist. Ueppiger Wald, von Kletterpflanzen durchwuchert, bedeckt das ganze Land, so weit es nicht für den Anbau gelichtet ist.[133]
Schon im sechzehnten Jahrhundert gediehen hier die Gewürznelken, wenn auch nicht in demselben Maße wie auf den Molukken, aber die Insel war damals bekannt wegen der Seetüchtigkeit der Bewohner. Die Malayen, welche diese Inselwelt größtentheils bewohnen, sind recht eigentlich ein Seevolk, und durch die Zersplitterung des heimischen Grundes in zahllose Berginseln, deren Gipfel weit über See aus blauer Ferne einladend winken, zum Seeleben erzogen. Die nur in ihrem Gebiete vorkommenden Gewürze steigerten den Verkehr und die Neigung zu weiten Wasserfahrten. Vom Süd- und Ostgestade des benachbarten asiatischen Festlandes kamen die arabischen, indischen, chinesischen Fahrzeuge zu ihnen, um die Gewürze zu holen. Da diese nun allein am äußersten Ende des Gebiets gediehen, mußten alle Meere innerhalb der Inselzone durchstreift werden und kundige Piloten sich an allen wichtigeren Sammelplätzen bilden. Aber über den scharfbegrenzten Südrand, über die[S. 203] von Java und den kleinen Sundainseln gezogenen Barrieren ging die Schifffahrt ins offene indische Weltmeer nicht hinaus, ebensowenig aber auch weiter gegen Osten und Südosten, sodaß die Bewohner keine Kunde hatten von dem nahegelegenen australischen Festlande. Der Gewürzhandel führte nicht in jene ungastlichen Gewässer, und so sind auch die Portugiesen nach dieser Richtung nicht weiter vorgedrungen, als ihr einziges Ziel, die Gewürzinseln zu erreichen, sie führen konnte.
Es ist bereits oben (S. 174) kurz angedeutet, daß der große Albuquerque, nachdem er sich des Hafens von Malaka bemächtigt hatte, drei Schiffe unter dem Oberbefehl Antonio’s d’Abreu absandte, um die Molukken aufzusuchen. Es war das äußerste und letzte Ziel der portugiesischen Handelspolitik. Mit d’Abreu gingen als Capitäne der beiden anderen Schiffe Francisco Serrão und Simão Affonso Bisigudo. Im December 1511 stachen sie von Malaka aus in See, richteten ihren Cours zunächst nach der Nordküste von Java und gelangten von da nach Amboina. Serrão’s Schiff ging in einem Sturm unter, aber die Mannschaft konnte sich auf eines der anderen beiden Fahrzeuge retten. Auf Banda bot sich Gelegenheit, eine Dschunke zu erwerben als Ersatz für das verlorene Schiff; auch konnte man hier bereits eine Gewürzfracht eintauschen. Nach den eigentlichen Molukken kam d’Abreu nicht. Die Gewürzinseln im weiteren Sinne hatte er gefunden. Er begnügte sich mit dem ersten Erfolg, zumal da seine Schiffe sich in schlechtem Zustande befanden, und kehrte bald darauf zunächst nach Malaka und später mit Fernão Peres d’Andrade nach Portugal zurück. Aber bereits bald nach seiner Abreise von Banda verlor er die eben erst gekaufte Dschunke, denn Serrão hatte zum zweitenmale Unglück, indem sein Fahrzeug an den Korallenriffen von Nusa-Pinja (Luci-para), südlich von Amboina, strandete. Der portugiesische Capitän rettete sich nicht allein glücklich mit den Seinen ans Land, sondern wußte sogar mit List sich eines malayischen Raubschiffes zu bemächtigen, dessen Mannschaft ahnungsvoll ans Ufer gegangen war. Serrão hatte das Schiff ankommen sehen, lag mit seinen Leuten auf der Lauer im Versteck und bemeisterte sich ohne Mühe des fast unbewachten Fahrzeuges, einer sogen. Korra-korra. Wollten die Seeräuber nicht selbst gleichsam als Schiffbrüchige zurückbleiben, dann mußten sie sich bequemen, die Portugiesen wieder nach Amboina zu bringen. So gelangte Serrão zum zweiten Male dahin, und erfuhr hier, wo er freundliche Aufnahme fand, daß der Radscha oder Sultan von Ternate (denn die Gewürzinseln standen unter einzelnen Häuptlingen, unter denen der Herr auf Ternate der mächtigste war) bereits von dem unter d’Abreu nach seiner Insel beabsichtigten Zuge Kunde erhalten hatte und ihn zu sich einlud, um ihn mit seinen Leuten womöglich in seinen Dienst zu nehmen. Da sich auf diese Weise die sicherste Gelegenheit bot, die eigentlichen Gewürzinseln zu erreichen, so ging Serrão darauf ein, kam nach Ternate und wurde mit dem Sultan befreundet. Durch ein mit Gewürzfracht von dort abgehendes malayisches Schiff, welches nach Malaka bestimmt war, aber[S. 204] auf Java strandete, gelangte im Frühjahr 1513 die Nachricht von dem Schicksal Serrão’s nach jener hinter-indischen Hafenstadt. Um die so fern verschlagenen Landsleute abzuholen, wurde nun Antonio de Miranda d’Azevedo mit einem Geschwader nach den Molukken gesandt. Die Sultane von Ternate und dem benachbarten Tidor, eifersüchtig aufeinander, bewarben sich beide um die Freundschaft der zur See so mächtigen Fremdlinge, von deren Thaten in Indien man auch auf den Molukken natürlich längst gehört hatte, und erboten sich beide, den Portugiesen einen Platz zu ihrer Niederlassung anzuweisen, denn sie hofften beide, mit Hilfe dieser neuen Freunde den Rivalen überwältigen zu können. Vorläufig aber nahm Miranda seinem Auftrage gemäß nur die Mannschaft Serrão’s mit sich zurück, während dieser selbst auf Ternate blieb. Indeß gab Serrão dem abfahrenden Schiffe einige Briefe an seine Freunde in Indien mit, darunter einen an Fernão Magalhães, worin er ruhmredig die Entfernung der Gewürzinseln von Malaka noch übertrieb und von seinen Thaten in einer Weise berichtete, als ob er die Leistungen eines Vasco da Gama damit verdunkelt hätte. Dieser Brief ist deshalb von weittragender Bedeutung geworden, weil Magalhães, seinem Freunde trauend, aus den angegebenen Entfernungen den Schluß zog, die Molukken lägen nicht mehr auf der den Portugiesen zugewiesenen Erdhälfte, und weil er dann weiterhin daraus den Plan baute, auf westlichem Wege von Spanien aus die Gewürzinseln aufzusuchen, um sie für Kaiser Karl V. in Besitz zu nehmen.
Einen weiteren Besuch stattete 1518 Dom Tristão de Menezes den Molukken ab. Er kam nach Ternate, wo er Serrão fand und wo der Radschah sich sofort anheischig machte, den Portugiesen eine feste Factorei zu bauen. Darüber entstanden, durch Eifersucht erregt, Streitigkeiten mit den benachbarten Herren von Tidor und Batjan. Da nun Menezes fürchtete, in diesem Zwiste möchte ihm die Gelegenheit verloren gehen, eine volle Gewürzladung zu bekommen, so lehnte er die Einladung des Gebieters von Ternate zunächst ab und erklärte, der König habe ihn nur gesandt, um sich in den Productionsländern der Gewürze umsehen und eine Fracht einzukaufen. So gelang es ihm, außer seinem eigenen Schiffe auch noch vier Dschunken beladen zu können. Serrão und ein Abgesandter des Radschah begleiteten ihn, die Dschunken wurden von Serrão, Simão Correa und Duarte da Costa geführt, gingen aber, als sie bald nach der Abfahrt von Ternate in einem Sturme von dem Hauptschiffe getrennt wurden, nach den Molukken zurück, während Menezes sich nach Banda flüchtete. Von da kehrte dieser, weil er den Aufenthalt der verlorenen Schiffe richtig vermuthete, nach Batjan zurück, fand dort aber seine Landsleute in einen Streit mit den Eingeborenen verwickelt, in welchem alle Mannschaft von der Dschunke Correa’s bis auf einen Einzigen erschlagen wurde. Serrão war wieder nach Ternate gelangt. Menezes wandte sich, da er dem Correa nicht mehr helfen konnte, nach Amboina, vervollständigte dort seine Ladung und gelangte glücklich nach Malaka, starb aber bald darauf.
Als diese Ereignisse in Portugal bekannt wurden, beschloß man ein größeres Geschwader nach den Gewürzinseln zu entsenden und übergab dem Antonio de Brito die Leitung. Derselbe ging 1521 mit mehreren Schiffen ab, wandte sich zunächst, als er Indien erreicht hatte, nach Malaka, denn das war der natürliche Ausgangspunkt für alle weiteren Unternehmungen im fernen Osten, wo auch alle Nachrichten zusammenliefen, und steuerte dann nach Java. Hier gesellte sich noch Garcia Henriquez mit einem Schiffe und drei Dschunken zu ihm. Auf der weiteren Fahrt traf er ein von den Molukken kommendes javanisches Schiff, welches einen in spanischer Sprache ihm ausgestellten Paß von dort mitbrachte.
Da nun Brito wußte, daß Fernão de Magalhães in spanische Dienste gegangen war und von Kaiser Karl V. Schiffe bekommen hatte, um auf dem westlichen Wege um Südamerika herum die Molukken zu erreichen (vgl. weiter unten 3. Buch, 3. Capitel), so schloß Brito mit Recht, daß spanische Schiffe wirklich den Weg bis zu den Gewürzinseln gefunden hätten. Seine Flotte wurde zwar durch einen Sturm auseinander gejagt, fand sich aber auf Banda wieder zusammen (Februar 1522). Hier schloß er mit dem Fürsten einen Handelsvertrag ab, indeß erlaubte derselbe nicht, daß die Portugiesen auf seinem Gebiete einen Wappenstein errichteten. Im Mai setzte er die Fahrt nach den Molukken weiter fort, züchtigte die Bewohner von Batjan für die Ermordung der Portugiesen und traf, als er bei Tidor vorüberfuhr, einen spanischen Factor Juan de Campos, welcher in der Meinung, die Ankömmlinge seien Spanier, arglos zu ihm herangekommen war. Vom Geschwader Magalhães’ hatten zwei Schiffe die Molukken in der That erreicht und waren von dem Radscha auf Tidor freundlich aufgenommen, während der Fürst von Ternate zu den Portugiesen hielt.
Nachdem die beiden spanischen Schiffe nach verschiedenen Richtungen hin die Gewürzinseln verlassen hatten, war Campos als Factor zurückgeblieben und nun aus Versehen in die Hände Brito’s gefallen, der ihn mit nach Ternate nahm. Serrão scheint damals nicht mehr am Leben gewesen zu sein. Auch der frühere Radscha war gestorben, und die Wittwe hatte für ihren minderjährigen Sohn, den Prinzen (Kaitjil) Taruwés (portugiesisch Cachil Daroës), einen Verwandten, als Mitregenten angenommen.
Der früher erhaltenen Zusage gemäß baute Brito eine Festung nahe der Stadt und nannte sie nach dem Tage der Grundsteinlegung am Johannistage S. João Bautista. Dann wurde ein weiterer Vertrag abgeschlossen über die Preise der Gewürze, wonach die Portugiesen für ein Bahar Gewürznelken 800 Reis in Geld, oder 1000 Reis (ein Milreis) in Waaren zu zahlen hatten. Indes gab dieser Vertrag bald zu allerlei Mißbrauch und Mißhelligkeiten Veranlassung. Andere Unruhen entstanden dadurch, daß Prinz Taruwés nach der Krone strebte und die Fürstin-Mutter verdächtigte, so daß diese sich genöthigt sah, nach Tidor zu entfliehen, während man ihren Sohn gefangen zurückbehielt. Daraus entstanden kriegerische Verwickelungen mit Tidor.
Im nächsten Jahre 1523 sandte Brito seinen Neffen Simão d’Abreu nach Malaka zurück. Derselbe mußte einen neuen, bisher von den Europäern noch nicht betretenen Weg einschlagen und nördlich um Borneo herumfahren, während die gewöhnliche Fahrbahn südlich an dieser Insel hinlief. Es sollte dadurch die Kenntniß in dem weiten Inselgebiet erweitert werden. d’Abreu stach im Juni in See und kam nach einer langen Fahrt von sechs Monaten glücklich nach Malaka.
In umgekehrter Richtung machte denselben Weg drei Jahre später Dom Jorge de Menezes auf Befehl des damaligen Gouverneurs von Malaka, Pero de Mascarenhas, weil, wie Barros ausdrücklich betonte, diese Route noch zu wenig bekannt war. Menezes ging am 22. August 1526 von Malaka ab, landete auf Borneo in einem Hafen etwa unter 5° nördl. Br., segelte dann zwischen Sulu und Mindanao hindurch und wurde hier vom Westmonsun weit über sein Ziel hinaus ostwärts bis an die Nordküste von Guinea verschlagen. So wurde er der Entdecker der Insel der Papuas, jener dunkelfarbigen Bewohner, welche wegen ihres dichten Wollhaares von ihren westlichen Nachbarn, den Malayen, den Spottnamen Papuas, d. h. Krausköpfe erhalten haben. Mehr als zwei Jahrhunderte galt Neu-Guinea als ein vorspringender Theil des großen unbekannten Südlandes. Von dort kam Menezes erst gegen Ende Mai 1527 an das Ziel seiner Bestimmung, nach Ternate; er hatte also zu seiner Fahrt volle acht Monate gebraucht. Man erkennt aber aus diesen Beispielen, wie zeitraubend die Verbindung zwischen Malaka und den Molukken war.
Im Jahre 1524 erhielt de Brito Verstärkungen, indem aus Indien die Schiffe des Martim Affonso de Mello Jusarte und des Martim Correa anlangten.
Nicht weit westlich von den Molukken springt die schlanke Halbinsel von Celebes vor. Diese eigenthümlich gegliederte Insel wurde damals, weil man die seichten und tiefgehenden Buchten noch nicht untersucht hatte, noch für eine Inselgruppe gehalten und Ilhos des Celebes genannt. Zu ihrer Erforschung, denn es wurde viel von ihrem Goldreichthume berichtet, ging von Ternate eine Fuste ab; aber dieselbe wurde an mehreren Stellen bei Versuchen zu landen von den Einwohnern feindlich empfangen und wollte darum nach Ternate zurückkehren. Auf dem Heimwege trieb der Monsun das Fahrzeug weit nach Nordosten ins offene Meer und führte es nach einer Fahrt von 200 Meilen an das Gestade einer der Marianen oder Ladronen, welche Magalhães schon entdeckt hatte. Vier Monate wurde die Fuste hier durch widrigen Wind festgehalten und kam erst im Januar 1526 nach den Molukken zurück.
Um diese Zeit war Brito von seinem Posten abgerufen und wurde durch einen neuen Commandanten in der Person des Dom Garcia Henriquez ersetzt; dieser aber brachte durch seine falschen Maßnahmen die Portugiesen in mancherlei Ungelegenheit, weshalb an seine Stelle Menezes trat.
Es wirft ein eigenthümliches Licht auf die Handlungsweise des Henriquez, wenn wir lesen, daß derselbe zuerst seinen Nachfolger Menezes dadurch zu beseitigen hoffte, daß er ihn auf falsche Aussagen hin gefangen nehmen ließ und dann, als er genöthigt wurde, ihn wieder frei zu geben und als Statthalter anzuerkennen, doch ehe er das Fort verließ, die Kanonen desselben zu vernageln befahl, weil er fürchtete, Menezes würde, wenn er in See gehe, die Kanonen auf ihn richten und sein Schiff in den Grund schießen!
Ueber die weiteren Ereignisse auf den Molukken werden wir später zurückkommen, da sie ihr volles Verständniß erst im Zusammenhange mit von den Spaniern unternommenen Fahrten nach den Gewürzinseln erhalten (vgl. 3. Buch. 3. Capitel).
Zu allen Zeiten, wo durch weit ausgedehnte Eroberungszüge oder durch kühne Seefahrten große Strecken und Gebiete früher unbekannter Länder entdeckt worden sind, und dadurch der Gesichtskreis in kurzer Zeit bedeutend erweitert wurde, ist die Phantasie mächtig aufgeregt worden und hat neben den wahrheitsgetreuen Berichten von den fernen Ländern und Inseln auch den haltlosesten Gerüchten Glauben geschenkt, welche von unglaublichen Wunderwesen und Wunderlanden zu erzählen wußten. So ist es den Griechen nach dem Zuge Alexanders des Großen nach Indien gegangen, so erging es nun auch den Portugiesen in Indien und sollte es, wie wir später sehen werden, auch den Spaniern in Amerika ergehen.
Ein besonders interessantes Beispiel dafür ist das lockende Gespenst der Gold- und Silberinseln, um so mehr als darin ein Wahn aus dem Alterthum neu belebt wurde, welcher das ganze Mittelalter hindurch ein bescheidenes Dasein gefristet hatte.
Als unter den Nachfolgern Alexanders des Großen das vorderindische Land genauer bekannt wurde und einzelne Seefahrer auch den bengalischen Golf durchkreuzten bis zu den Gestaden Hinter-Indiens, wurde im Abendlande die Kunde von einer fern im Osten gelegenen Goldinsel (χρυσῆ νῆσος) verbreitet. Weiterhin belegte man die östlichsten asiatischen Länder nach ihren werthvollsten Erzeugnissen mit dem Namen des Goldlandes, des Silberlandes, des Kupferlandes.[134] Man hat darunter wohl die hinterindischen Staaten Birma und Siam zu verstehen. Ueber den Reichthum an edlen Metallen, wie er noch zu M. Polo’s Zeit von den Fürsten zur Schau getragen wurde, ist bereits (S. 64) berichtet. Auch die Halbinsel Malaka kannte das griechische Alterthum unter dem Namen des goldenen Chersoneses (χρυσῆ χερσόνησος); überdies nennt Ptolemäus auch noch eine goldene Insel. An der Fülle von Edelmetallen war also nicht zu zweifeln.
Bei den römischen Schriftstellern ging die Vorstellung bereits ins Phantastische und Unbestimmte über; man hielt sich namentlich an den Begriff der Gold- und Silberinseln, wollte aber nicht entscheiden, ob die Inseln nur Fundstätten des Metalles besäßen oder ganz und gar daraus beständen. Auch begnügte man sich nur mit der ungefähren Angabe der Lage. Aus den Lateinern schöpfte dann weiter das ganze Mittelalter.
Maßgebend war Plinius, denn die Griechen verstand man im Mittelalter bald nicht mehr. — Die Angaben des römischen Compilatoren und seines späteren Nachschreibers Solinus beherrschten die Ansichten über ein Jahrtausend. Plinius schreibt: Jenseit der Mündung des Indus liegen, glaube ich, die Inseln Chryse und Argyre (die Namen wurden also aus dem Griechischen beibehalten), welche reich an Metallen sind. Denn wenn einige berichtet haben, sie beständen ganz aus Gold und Silber, so dürfte das schwerlich zu glauben sein.
Solinus, welcher stets geneigt ist, das Wunderbare noch zu übertreiben, änderte den Bericht dahin, daß er schrieb, die Inseln seien so reich, daß wie die meisten (?) berichteten, der Boden ganz aus Gold und Silber bestehe. Viel vorsichtiger hatte sich Pomponius Mela ausgedrückt. Aber Plinius und Solinus blieben die maßgebenden Quellen für die Gelehrten des Mittelalters. Im 6. Jahrhundert schrieb Isidor von Sevilla: Chryse und Argyre sind reich an Gold und Silber. Dort (nämlich in Indien überhaupt) gibt es goldene Berge, die aber von Drachen und Greifen und menschlichen Ungeheuern bewacht werden, so daß man nicht zu ihnen gelangen kann.
Kurz erwähnt die Inseln weiterhin der Geograph von Ravenna im 7. Jahrhundert, ebenso Hrabanus Maurus im 8., sodann Hugo von St. Victor im 13. Jahrhundert und Petrus de Alliaco (Pierre d’Ailly), Cardinal von Cambray im Anfang des 15. Jahrhunderts.[135]
Der Glaube an diese Inseln war also allgemein verbreitet; sogar eine[S. 209] gereimte Geographie aus dem dreizehnten Jahrhundert verherrlicht dieselben.[136] Die Weltbilder jener Zeit durften diese allgemein angenommenen Thatsachen nicht verschweigen. Bereits die Catalanische Weltkarte zeigt östlich von Indien die Inschrift: „In dem Meere von Indien sind 7548 Inseln, von denen wir hier nicht alle wunderbaren Reichthümer, die darin enthalten sind, von Gold, Silber und kostbaren Steinen aufzählen können.“ Der Globus von Laon, welcher im Jahre 1493 entstanden ist, (vgl. Bulletin soc. geogr. Paris. 1860, 2) gibt östlich vom Ganges wenigstens eine Argentea R(egio) und Aurea R(egio) an.
Es ist daher durchaus erklärlich, wenn auch die Portugiesen, sobald sie in jene Regionen kamen, nach den kostbaren Inseln suchten.
Der erste, welcher danach ausging, war Diogo Pacheco. Kaum war er 1519 mit seinem Bruder nach Malaka gekommen, als er, durch lockende Erzählungen von der Goldinsel, welche südlich von Sumatra liegen sollte, angespornt, sich erbot, eine Fahrt dahin zu wagen. Der Gouverneur von Malaka, Diogo Lopez de Sequeira, gab ihm zwei Schiffe, aber das eine ging schon an der Nordwestküste von Sumatra unter. Mit dem andern gelangte Pacheco bis zum Hafen von Baros, welches auf der Westseite jener Insel ungefähr unter gleicher Breite mit Malaka liegt. Dort erfuhr er, die Goldinseln lägen wenigstens noch hundert Meilen weiter[137] gegen Süden in der See; es seien niedrige von Korallenriffen umsäumte Eilande mit Palmenhainen und schwarzer Bevölkerung.
Pacheco kehrte für diesmal wieder um, um noch Beistand zu holen, stach aber im nächsten Jahre wieder in See in Begleitung einer Brigantine. Das Einlaufen in Baros wurde ihm durch mehrere feindliche Schiffe von Kambaja und von Sumatra verwehrt, und ein Sturm trennte seine beiden Schiffe von einander. Pacheco selbst ging wahrscheinlich unter. So kostete also der Versuch dem ersten Abenteurer, der das Geheimniß lüften wollte, das Leben. Aber damit waren die Unternehmungen keineswegs abgeschlossen. Als König Manuel davon[S. 210] hörte, gab er dem Gouverneur von Indien, Diogo Lopez, welcher die königlichen Briefe in Kalahat (Kalhat), an den Küsten Arabiens erhielt, den Auftrag, ein Geschwader von drei Schiffen zur Aufsuchung auszuschicken. Zuerst sollte Christovão de Menezes die Führung übernehmen, dann wurde Pedro Eanes damit betraut. Die drei Schiffe bildeten aber einen Theil der Flotte, welche unter Jorge Albuquerque nach Malaka bestimmt waren. Als man jedoch zu diesem vielumstrittenen Hafen kam, konnte man dort die Schiffe nicht entbehren, weil der kleine Seekrieg mit den Nachbaren fast ununterbrochen fortging, und so unterblieb noch bei Lebzeiten Manuels eine weitere Expedition.
Dagegen gingen 1527 unter Leitung eines portugiesischen Piloten drei Schiffe von Dieppe aus, um als Freibeuter das indische Meer zu durchstreifen. Zwei Schiffe kamen nach Diu, ein drittes, welches schon am Cap der guten Hoffnung von den anderen getrennt war, segelte aufs Gerathewohl, ohne den Weg zu kennen, weiter und gerieth an die Küste von Sumatra. Von hier aus forschte er nach der Goldinsel, wo der ganze Strand, Kies und Sand, aus purem Golde bestehen sollte. Dieselbe wurde als ein üppiges Land geschildert, mit schönen Bäumen und klaren Wasserbächen und mit vielerlei wohlschmeckenden Früchten. Das nackte, wilde Volk kleidete sich nur mit Baumblättern, zeigte sich aber den Fremden gegenüber freundlich. Händler aus Sumatra erzählten später in Malaka, das Schiff habe die Goldinsel wirklich gefunden, sich mit Gold beladen und sei dann wieder abgesegelt, habe aber, der Meere unkundig, vielfach umhergeworfen, an der Küste von Sumatra Schiffbruch gelitten und alle Mannschaft verloren. Die dortigen Fischer hätten das Gold an sich genommen.[138] Dadurch schien also die Existenz dieser Inseln außer Frage gestellt. Und so schickte denn der Generalgouverneur Martim Affonso de Sousa im Jahre 1543 wieder eine Galee mit zwei Fusten aus, im Meere westlich von Sumatra nach der Goldinsel auszuspähen. Jeronimo de Figueiredo wollte zu dem Zweck von Goa ausgehen, aber das Unternehmen scheiterte bereits vor Beginn, infolge einer Intrigue.[139] Die Lage der Insel glaubte man ziemlich sicher ansetzen zu können. Man wird darum auch nicht vergebens suchen, wenn man auf den älteren Karten nach der Lage der Goldinsel forscht. Ortelius führt in seinem Theatrum Orbis[140] westlich von Sumatra sowohl Isole d’or, als isolas d’oure an. Im Atlas Mercators, 1613, lesen wir in derselben Gegend Andramania id est aurea insula. Und Willem Blaeu führt in seinem Kartenwerke 1634, ebenso wie Hend. Hondius die Insel „de Ouro“ an drei verschiedenen Stellen westlich von Sumatra an. Wenn man nun später auch etwas mehr Zweifel hegen mochte, so haben sich diese Fabelinseln doch bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts erhalten. Eine von Homanns Erben 1748 veröffentlichte Karte unter dem Titel Cartes des Indes orientales führt auf der Linie von den[S. 211] Malediven nach Nord-Sumatra wiederum noch an drei Stellen die Inseln auf mit den Inschriften: 1) Ouro, juxta Anglos, positionis et existentiae incertae (südlich von Ceylon); 2) Iae ouro s. auri, juxta Batavos, pariter incertae; 3) Ouro, juxta Batavos.
Man erkennt auch hier wieder, daß Fabelwesen ein außerordentlich zähes Leben haben.
Daß man sich aber nicht blos unter den seefahrenden Nationen lebhaft mit diesen Inseln beschäftigte, beweist ein Brief, welcher (ohne Datum) an den Kurfürsten August von Sachsen gerichtet ist und folgendermaßen lautet: Es sind wahrhaftige (?) Zeitungen gekommen in kurzen Tagen aus Spania, wie daß der König habe eine neue Insel gefunden, Serieff, darin liegt nichts als lauter gediegen Gold, man hat zwei Gefangene aus den Königen allenthalben umhergeschickt, wer mit ihnen reden könnte, aber keinen gefunden, der sie hat verstehen können, vermeinend, man wolle viel erfahren durch sie, wie es um ihre Insel stehe. Sie sind aber bald gestorben. Der König hat wieder drei Schiffe verordnet, wie sie zu der Insel hinzufahren und zu besichtigen, wie sie zu gewinnen und zu erobern sei, nachfolgends will er erst ein Volk darauf verordnen. Er ist entschlossen, sie alle todt schlagen zu lassen, denn er könnte die Insel sonst vor ihnen nicht behalten, denn es ist ein rauhes, hartes und fahriges Volk.[141]
Wie alle solche Phantome, so wechselten auch diese Inseln ihre Stelle. Sie flackerten wie Irrlichter durch den großen Inselarchipel, tauchten einmal südlich von Timor auf und verloren sich schließlich in dem weiten fast insellosen Raum des nördlichen großen Oceans.
Es war am Ende des 16. Jahrhunderts, als Schiffer von der Insel Solor, nordwestlich von der Insel Timor, ins südliche Meer verschlagen wurden, und nun erzählten, sie hätten die Goldinsel gefunden. Als man dann zum zweitenmale die Entdeckung ausbeuten wollte, war das goldene Eiland nicht wieder zu finden. Aber die Kunde davon kam nach Malaka, wo damals Manoel Godinho de Eredia weilte, ein portugiesischer Mestize, welcher 1563 in Malaka geboren war und, nachdem er eine kurze Zeit dem Jesuitenorden angehört hatte, sich mit Kosmographie beschäftigte. Zuerst im Jahre 1594 schlug er vor, eine Expedition nach den langgesuchten Inseln auszurüsten und schrieb zu dem Zweck auch eine besondere Abhandlung.[142] Aber leider wurde der Plan zerstört, da zwei Jahre später Cornelis Houtman mit einer holländischen Flotte bei Sumatra erschien. Als dann nach Beseitigung dieser Gefahr für Malaka Godinho wieder Zurüstungen machte, wurde seine Vaterstadt 1601 zum zweitenmale von dem Holländer Jacob van Heemskerk angegriffen und Godinho wieder abgehalten, die Schätze der Goldinsel zu heben. Somit unterblieb der Zug überhaupt.[143]
Als dann kurz darauf die Holländer sich auf den Molukken und auf Java festsetzten, traten sie auch die Erbschaft bezüglich der Goldinseln an. Es war im Jahre 1635, als ein Beamter der holländischen Handelscompagnie, Willem Verstegen, dem holländischen Generalgouverneur Henricq Brouwer, dem Vorgänger des berühmten Antonio van Diemen, eine Schrift überreichte, worin er den Vorschlag machte, die Gold- und Silberinsel, welche östlich von Japan im großen Ocean unter 37½° nördl. Breite liegen sollte, für Holland in Besitz nehmen zu lassen. Brouwer mußte, da er 1636 abberufen wurde, die Ausführung seinem Nachfolger überlassen. Dieser war aber in den ersten Jahren durch wichtigere Angelegenheiten gegen seinen Willen (tegen ons gemoet) abgehalten, obwohl er die Wichtigkeit eines solchen Zuges nicht unterschätzte, und konnte erst 1639 zwei Schiffe unter dem Commandeur Matthys Quast aussenden mit dem Befehl, unter dem angegebenen Breitenparallel vierhundert Meilen nach Osten zu steuern, um die reichen Inseln aufzusuchen. Aber die ziemlich unglückliche Fahrt blieb resultatlos, da die Schiffe nur bis zu den Bonininseln kamen, welche südöstlich von Japan zwischen dem 20. und 30. Breitengrade liegen. Darum mußte der Versuch 1643 wiederholt werden. Wiederum sandte van Diemen zwei Fahrzeuge unter Martin de Vries aus, welcher zuversichtlich die so oft vergeblich gesuchten Inseln zu finden hoffte, da man sichere Kunde von ihrer Existenz in der bezeichneten Gegend zu haben meinte; denn die spanischen Schiffe, welche seit Jahren zwischen Manila und Mexiko verkehrten, hatten seit 1610 oder 1611 die Inseln schon gesehen. Es sollten hohe Gebirgsinseln sein, welche über die Maßen gold- und silberreich und von einem hellfarbigen, freundlichen, civilisirten Volke bewohnt wären. Unzweifelhaft liegt diesen Mittheilungen eine dunkle Nachricht von den hohen Sandwichinseln zu Grunde, deren Lage aber erst durch J. Cook, auf seiner dritten Reise, 1778, bestimmt wurde.
Die beiden Schiffe des Capitän Vries wurden an der Küste von Japan von einander getrennt; beide unternahmen daher selbständig die Forschungsreise. Vries wußte genau, wohin er zu steuern hatte, denn er besaß sogar eine japanische Karte, auf welcher an der Ostseite der Goldinsel ein Fluß verzeichnet war, in dem er ankern konnte. Vries drang 460 Meilen weit von Japan gegen Osten vor, das andere Schiff kam sogar 500 Meilen weit, aber das gesuchte Land blieb verborgen, denn die Sandwichinseln liegen nicht in der Nähe des 37. Parallelkreises, sondern nahe dem nördlichen Wendekreise.[144]
So blieb also der gehoffte Erfolg aus und man gab weitere Unternehmungen auf; aber zur Erweiterung der Kenntniß von den östlichen Meeren hatten auch diese fruchtlosen Fahrten beigetragen.
Mit den Söhnen aus dem Reiche der Mitte waren die Portugiesen zuerst in Malaka zusammengetroffen; es war eine durchaus friedliche Begegnung gewesen. Die Chinesen waren ohne Scheu, lediglich im Handelsinteresse, an die fremden Schiffe herangekommen, denn sie hatten sofort die nautische Ueberlegenheit der Portugiesen erkannt, und ebenso war es für diese wohlthuend gewesen, gegenüber dem schleichenden, unzuverlässigen Wesen der Malayen, in den Chinesen eine Klasse von Händlern zu finden, mit denen man auf gleichem Fuße verkehren konnte, und die auch nicht durch irgendwelche religiöse Satzungen an einem ungezwungenen Geschäftsleben gehindert wurden.
Es stand sicher zu erwarten, daß, sowie die Verhältnisse in Malaka etwas geregelter sich gestalteten, man zu weiterer Bekanntschaft gern die Hand bieten würde, um dadurch den begonnenen Handelsverkehr noch mehr zu beleben. Leider sollte man bald die Erfahrung machen, daß der Chinese in der Fremde weit zugänglicher ist als in seinem Heimatlande.
Im Juli 1514 war Jorge d’Albuquerque Befehlshaber in Malaka geworden, im folgenden Jahre sandte er den Rafael Perestrello mit zehn Leuten in einer chinesischen Dschunke nach China, um das Land zu erkunden, von da kehrte er in einer Brigantine, die er auf seine Kosten ausgerüstet hatte, mit reicher Ladung nach Kotschin zurück.[145]
Kurz vorher langte der neue Generalstatthalter Lopo Soarez aus Portugal an; in seiner Begleitung kam Fernão Perez d’Andrade, um auf Befehl der portugiesischen Regierung eine Flotte nach China zu führen.
Andrade begab sich zunächst nach Sumatra, um eine Ladung Pfeffer einzunehmen, welche man in China gegen andere Waaren vertauschen wollte. Leider wurde er durch den Verlust seines besten Schiffes, welches durch Feuer zerstört wurde, genöthigt, sich nach Malaka zu begeben, und brach von hier am 12. August 1516 von neuem auf, obwohl die beste Jahreszeit ihrem Ende entgegen ging; denn es lag dem neuen Statthalter von Malaka, de Brito, daran, zu erfahren, was aus Perestrello geworden sei, von dem man damals noch nichts gehört hatte. Andrade kam aber nur bis zur Küste von Kotschinschina, nahm auf der wichtigen Insel (Pulo) Kondor, welche vor der Mündung des Mechong liegt und gegenwärtig im Besitz der Franzosen ist, Wasser ein, und kehrte, durch Stürme genöthigt, über den Hafen Patani, an der Ostküste der Halbinsel Malaka, nach dem Hafen von Malaka zurück. Nur das Schiff des Duarte Coelho blieb aus; dasselbe lief in die Mündung des Menam in Siam ein, blieb dort während der schlechten Jahreszeit und ging dann von hier aus allein nach China, wo Andrade wieder mit ihm zusammentraf. In der Zwischenzeit war Perestrello hier eingelaufen und dann weiter nach[S. 214] Kotschin gegangen. Der merkantile Erfolg seiner Reise spornte Andrade an, im Juli 1517 zum zweiten Male seine Fahrt nach China anzutreten. Ohne Zwischenfälle erreichte er am 15. August die Küste von Süd-China und ließ an der Insel Tamão (Tamong) die Anker fallen.[146]
Andrade’s Flotte bestand aus vier portugiesischen und vier malayischen Schiffen. An der Küste fand er chinesische Schiffswachten gegen die Piraten postirt. Auch bestand die Einrichtung, daß die Schiffe, welche in den Fluß einlaufen wollten, von den chinesischen Behörden mit Pässen versehen werden mußten. Nach mancherlei Verzögerungen und Plackereien von Seiten der chinesischen Beamten erhielt Andrade Lotsen, welche ihn nach Kanton brachten. Die Absendung einer Gesandtschaft, welche im Namen des Königs von Portugal dem Kaiser von China Geschenke überreichen sollte, zog sich aber in die Länge, weil der Statthalter von Kanton erst am kaiserlichen Hofe um die Genehmigung zur Abfertigung der Gesandtschaft nachsuchen mußte. In dem ungesunden Klima von Kanton starben viele Portugiesen, so daß Andrade es gerathen fand, nach der Insel Tamao zurückzugehen. Von hier sandte er den Duarte Coelho nach Malaka zurück, um über den günstigen Verlauf seines Unternehmens Bericht zu erstatten. Ein anderes Schiff unter Jorge Mascarenhas wurde auf Kundschaft weiter nach Norden geschickt, um Nachrichten über das Land der Lequios einzuziehen. Mascarenhas kam bis nach Tsiuan-tschau an der Fukianstraße, der Insel Formosa gegenüber, und fand in diesem weniger besuchten Hafen viel vortheilhaftere Handelsverhältnisse, da man die chinesischen Artikel viel billiger eintauschen und die mitgebrachten Waaren viel höher verwerthen konnte. Auch erfuhr Mascarenhas dort, daß das Land Lequia, worunter in engerem Sinne die zu Japan gehörigen Liukiu-Inseln und im weiteren Sinne das japanische Reich selbst zu verstehen ist, noch über hundert Meilen weiter nordwärts liege.
Nach einem Aufenthalte von vierzehn Monaten entschloß sich Andrade, China wieder zu verlassen. Dazu nöthigte ihn besonders die Nachricht, daß Malaka wieder von den malayischen Fürsten der Nachbarschaft ernstlich bedroht sei. Ehe er wieder in See ging, ließ er in Kanton und im Hafen von Tamao ausrufen, daß, wenn irgend ein Chinese von den Portugiesen geschädigt sei, derselbe sich melden und seine Entschädigung erhalten solle. Dieses Verfahren wurde von den Chinesen ihm hoch angerechnet und gab ihnen einen Begriff von der Gerechtigkeitsliebe der Fremden.[147] Der portugiesische Gesandte Thomas Perez blieb auf Tamao zurück, bis er endlich, nach dreimaliger Anfrage, die Erlaubniß erhielt, an dem kaiserlichen Hofe zu erscheinen. So konnte er erst im Januar 1520 seine Reise antreten. Inzwischen war aber im August 1519 Simão d’Andrade, der Bruder des Fernão Perez, mit[S. 215] einem zweiten Geschwader vor Tamao erschienen. Thomas Perez fuhr zuerst zu Schiffe bis an die südliche Grenze der Provinz Fukian und begab sich dann zu Lande nach Nanking und von da weiter nach Peking. Da der Kaiser sich aber zu jener Zeit noch in den nördlichen Grenzländern aufhielt, so erfolgte die Audienz erst im Jahre 1521. Während dieser Zeit waren aber über das Benehmen der Portugiesen höchst ungünstige Nachrichten eingelaufen, welche mit der von dem Fernão Perez d’Andrade laut verkündigten Ehrlichkeit und Gerechtigkeit in grellem Widerspruche standen. Simão d’Andrade, unvorsichtig und rücksichtslos, hatte die Zeit benutzt, um sich, ohne dazu von den chinesischen Behörden die Erlaubniß zu haben, auf Tamao zu befestigen, angeblich, um sich dadurch gegen die Angriffe von Seeräubern zu decken. Sodann wurde gemeldet, daß Simão d’Andrade vor seiner Abreise einige Kinder angesehener Eltern, allerdings ohne zu wissen, daß dieselben ihrer Familie gestohlen waren, aufgekauft und mit nach Indien genommen hatte. Endlich waren auch Abgesandte des Fürsten der Insel Bintang bei Malaka erschienen, welche ihren Herren als einen Lehnsmann des Kaisers bezeichneten, welcher ein Recht auf die Hilfe der Chinesen habe, da die Portugiesen ihm einen Theil seines Reiches genommen hätten, und welche erklärten, daß die letzteren nur zum Zweck der Eroberung ihre Fahrten bis China ausdehnten. Die Folge dieser Nachrichten war, daß der Kaiser Befehl gab, den portugiesischen Gesandten nach Kanton zurückzuschaffen und dort als Gefangenen zurückzuhalten, bis die Portugiesen in allen Stücken Ersatz geleistet hätten. Ihre Schiffe wurden gleichfalls mit Beschlag belegt und kein Portugiese mehr in einen Hafen zugelassen, denn der Kaiser wollte solche eigenmächtige, streitsüchtige und habgierige Leute in seinen Landen nicht dulden.[148]
Darum wurde Duarte Coelho, als er im Juni 1521 wieder mit zwei Schiffen vor Tamao erschien, von den Chinesen angegriffen. Er wies zwar mit seinen Kanonen den feindlichen Angriff zurück und befreite noch eins der portugiesischen Schiffe, aber Perez und sein Gefolge blieben als Gefangene zurück und wurden nicht freigegeben. Der abenteuernde Reisende Mendez Pinto wollte sogar im Jahre 1550 noch einige davon am Leben getroffen haben. Dagegen behauptet Barros, Thomas Perez sei mit allen seinen Mitgefangenen etwa ums Jahr 1523 hingerichtet. Ebenso schlug ein erneuter Versuch, welchen Martin Affonso de Mello Coutinho 1522 wagte, vollständig fehl, die Beziehungen zu China wieder anzuknüpfen. Die Chinesen griffen sein Geschwader von fünf Schiffen an, eroberten eins derselben und sprengten ein zweites in die Luft, so daß Coutinho die übrigen mit Mühe nach Malaka zurück rettete. So hatte also das unüberlegte Verfahren Simãos d’Andrade auf längere Zeit die nachtheiligsten Folgen.
Einzelne Schiffe wagten sich später wieder in die chinesischen Gewässer, wandten sich aber weiter nordwärts nach Ningpo, wo sie sich anfänglich[S. 216] vorsichtiger benahmen, um an dem lebhaften Handel der Stadt theilnehmen zu können. Aber mit den wachsenden Erfolgen stieg auch wieder der Uebermuth der Portugiesen; in Folge dessen sie in den vierziger Jahren wieder vertrieben wurden. Ningpo besaß aber eine lebhafte Verbindung mit Japan, und so gelangten die Portugiesen von hier nach jenem Inselreiche. In der Mitte des Jahrhunderts war China ihnen wieder verschlossen, nur auf Macao wußten sie sich zu behaupten und haben den kleinen Besitz auf der Halbinsel bis heute zu erhalten vermocht, von dem aus sie auch mit Kanton weiterhin in geschäftlicher Verbindung blieben, nachdem sie sich zur Zahlung einer Geldsumme bequemt hatten.
Die erste Bekanntschaft mit Japan machten die Portugiesen im Jahre 1542. Leider fließt hier die wichtigste historische Quelle so trübe, daß Wahrheit und Dichtung schwer zu unterscheiden ist. Es ist der Reisebericht des Fernão Mendez Pinto,[149] welcher 1539 nach Malaka kam, und nachdem er mehrere abenteuerliche Streifzüge nach Sumatra ausgeführt hatte, sich im folgenden Jahre mit Antonio de Faria nach China begab.
Der Piratenzug, an welchem sich Pinto betheiligte, scheint ihn mehrere Jahre in der Nähe und an den Küsten Chinas beschäftigt zu haben. So mochte er vielleicht vernommen haben, daß von der Mannschaft des Diogo de Freitas, welcher sich im Jahre 1542 in der alten Residenz von Siam, in Ayuthia befand, mehrere Leute desertirten und auf einer chinesischen Dschunke versteckt, dem „himmlischen Reiche“ zusteuerten, aber von einem Sturme nordwärts geführt unter dem 32° nördl. Br. bis an die Inseln der Japaner geführt wurden, wo sie auf Nipongi freundliche Aufnahme fanden. Sie waren die ersten Europäer, durch welche die Japaner mit Feuerwaffen bekannt gemacht wurden.
Pinto, dessen Erzählung von Richthofen als „ein Meer von Lügen“ bezeichnet, „in welchem man einzelne Inseln der Wahrheit findet“,[150] eignete sich selbst den Ruhm der Entdeckung zu und behauptete, einer von jenen Matrosen gewesen zu sein, aber er verlegte das Ereigniß um zwei Jahre zu spät. Da aber seine Darstellung und die Angabe von Ortsnamen wirkliche Kenntniß von Japan verräth, so ist es nicht unmöglich, daß er selbst, nachdem er vielleicht in Ningpo die Nachricht von jener ersten Entdeckung erhalten hatte, den südlichen japanischen Inseln, Tamga-sima und Kiusiu einen Besuch abgestattet hat. Eine klarere Vorstellung von jenem Inselreiche gewann man bald, seit Franz Xaver als erster Glaubensbote 1549 das Land betrat und bis 1551 mit großem Erfolge wirkte. Aber über Nippon hinaus nordwärts blieb Meer und Land in Dunkel gehüllt.
Auch China wurde noch in demselben Jahrhundert durch Augustiner- und Franziskanermönche genauer bekannt, welche von den Philippinen her[S. 217] 1577 zuerst in das große Reich eindrangen und ihr Bekehrungswerk begannen. So verdanken wir den Portugiesen nur die Kenntniß der Küsten, den spanischen Geistlichen die Kenntniß des Binnenlandes.
Die Thätigkeit der Portugiesen, welche in den ersten Decennien sowohl in Vorder-Indien als auch im Gebiet der Sunda-Inseln, einen so glänzenden Aufschwung genommen hatte, erlahmte sehr bald. Das kleine Reich hatte sich an Mitteln und Menschen erschöpft, es behauptete den errungenen Besitz nur noch mühsam, bis nach der Vereinigung Portugals mit Spanien im Jahre 1580 und nach der Vernichtung der spanischen Suprematie zur See die Holländer und Engländer in den indischen Gewässern erschienen und die ersten Entdecker der Gewürzländer aus ihrer Domäne verdrängten. Die Holländer übernahmen dann im folgenden Jahrhundert die Weiterführung der Entdeckungsfahrten, einerseits gegen Südosten nach Australien, andererseits gegen Nordosten über Japan hinaus bis an das ochotskische Meer und bis zu den Kurilen.
Noch ehe die Portugiesen das Ziel ihrer langjährigen Anstrengungen zur See, Indien, zu erreichen vermochten, ja noch ehe sie das ihnen in den Weg geworfene Hinderniß, die plumpe Masse des ungegliederten Erdtheils Afrika, durch glückliche Umschiffung endlich überwunden hatten, tauchte ein anderes Project auf, das durch seine Kühnheit alle Welt stutzig machte und deshalb naturgemäß überall auf Widerspruch stieß, ein Project, das in seinem Kern von ganz richtigen Grundsätzen ausging und unter der damals nicht mehr bestrittenen Annahme von der Kugelgestalt der Erde den geraden Weg nach Westen über das völlig unbekannte Weltmeer als den nächsten und bequemsten Weg nach Indien oder überhaupt nach dem Ostrande der alten Welt vorschlug, deren Gestade, wie man aus den Erzählungen Marco Polos und seiner Nachfolger wußte, gleichfalls von einem unendlich scheinenden Ocean bespült wurden. Der Träger dieses Projects, wenn auch keinesweges der Schöpfer desselben, war ein Italiener Christofero Colombo oder, wie er mit der latinisirten Form seines Namens allgemein genannt wird, Columbus.
Italienern verdanken wir im Mittelalter den ersten folgenreichen Aufschwung der Nautik, Italiener waren die Lehrmeister der Portugiesen gewesen, ein Italiener entwarf zuerst den kühnen Plan einer Westfahrt nach Indien, ein Italiener führte den Gedanken aus, nach einem Italiener erhielt[S. 218] die neue Welt ihren Namen; Italiener waren zur selben Zeit auch die Leiter der Seeunternehmungen, welche von Frankreich und von England aus im westlichen Meere Entdeckungen machen sollten. Aber daß sie niemals in der Heimat eine hochherzige Unterstützung für ihre Pläne fanden, und ihre Ideen nur im Auslande verwerthen konnten, wo sie, nur von Fremden umgeben, und von nationaler Eifersucht bewacht, vielfach auf Widerstand stießen, hat mannigfache Verwicklungen und manche Wechselfälle in dem Leben der leitenden Persönlichkeiten veranlaßt; vor allem in dem tragischen Ausgange des berühmtesten von allen, des Columbus selbst.
Werfen wir zunächst einen Blick auf das frühere Leben dieses merkwürdigen Mannes, auf die Zeit, in welcher er das Schicksal so mancher seiner Zeitgenossen und Landsleute, die sich dem Seegewerbe widmeten, theilte.
Auf die Ehre, die Geburtsstätte des Columbus gewesen zu sein, haben viele Orte Italiens Anspruch erhoben: Albisola, Bogliasco, Chiavara, Cogoleto, Nervi, Oneglia, Pradello, Quinto, Savona, Genua; aber Columbus selbst bezeugt in seinem Testamente zweimal, daß er in der Stadt (ciudad de Genova) geboren sei, so daß damit die rechtmäßige Entscheidung gegeben ist.
Er stammte also aus derjenigen Seestadt, welche den weitgehendsten Einfluß auf die Entwicklung des Seewesens in Westeuropa bereits seit mehreren Jahrhunderten gehabt hatte. Denn schon in den Jahren 1116 und 1120 waren genuesische Schiffsbaumeister und Seeleute nach Spanien gerufen, um die Küsten des Landes vor den maurischen Seeräubern zu schützen, und im 13. und 14. Jahrhundert wurden Genuesen zum Range castilischer Admirale erhoben.
Genuesen hatten bereits gegen Ende des 13. Jahrhunderts (s. o. S. 23) den Versuch gewagt, einen Seeweg nach Indien, um Afrika herum, aufzufinden, und hatten vielleicht um dieselbe Zeit schon die canarischen Inseln wieder aufgefunden. Der König Diniz III. von Portugal stellte 1307 einen Genuesen an die Spitze der Flotte und noch unter Heinrich dem Seefahrer zeichneten sich die Söhne Genuas bei den Entdeckungsfahrten aus: Perestrello, ein Vorfahr des Schwiegervaters des Columbus, wird als der Wiederentdecker von Porto Santo genannt, Antonio de Noli fand 1460 die capverdischen Inseln (s. o. S. 96).
Auch in Frankreich und England nahmen seit dem 13. und 14. Jahrhundert die Könige genuesische Seeleute in ihren Dienst und vertrauten ihnen die Führung von Seegeschwadern an.[151] Diesem selben Zuge der genuesischen Jugend, in den westlichen Ländern am Ocean und auf dem Ocean selbst ihr Glück zu suchen, folgte auch Columbus.
Ueber sein Geburtsjahr ist viel gestritten worden. Man hat dafür die Jahre 1436, 1446 und 1456 angenommen. Die Ursache dieser auffälligen[S. 219] Schwankungen liegt in den einander widerstreitenden Angaben, wobei, je nach der Berechnung der Zeiträume, auch noch die geringeren Abweichungen bezüglich der Jahre 1435 bis 1437 oder 1445 bis 47 vorkommen. Der Beweis für das Jahr 1436 stützt sich vornehmlich auf die Aussage eines zeitgenössischen Geschichtschreibers, welcher persönlich mit Columbus bekannt war, auf Andres Bernaldez (Historia de los Reyes catolicos D. Fernando y Da. Isabel, Sevilla 1870), welcher von 1488 bis 1513 Geistlicher im Städtchen Los Palacios bei Sevilla war, und den Entdecker der neuen Welt bei seiner glücklichen Heimkehr von seiner zweiten Reise als Gast bei sich sah. Bernaldez schreibt, daß Columbus in gutem Greisenalter, im Alter von 70 Jahren etwa gestorben sei. (Murió in senectute bona de edad de setenta años poco mas o menos.) Nach dieser Angabe wäre Columbus also etwa 32 Jahre älter gewesen als sein jüngster Bruder Diego, welcher bestimmt im Jahre 1468 geboren ist. Aber Bernaldez hat sich durch das graue Haar des Entdeckers täuschen lassen und wußte nicht, daß Columbus schon mit 30 Jahren ganz weiß geworden war.
Nach einer zweiten Ansicht, welche besonders von Peschel vertreten wurde,[152] soll Columbus 1456 geboren sein. Columbus schreibt nämlich am 7. Juli 1493, er sei in einem Alter von 28 Jahren in den Dienst der spanischen Krone getreten,[153] und erwähnt am 14. Jan. 1493, daß er den kommenden 20. Januar den katholischen Majestäten gerade 7 Jahre gedient habe.[154] Sein Eintritt erfolgte demnach 1486 und sein Geburtsjahr würde um 1458 zu setzen sein. Andererseits sagt aber der Entdecker am 21. Dec. 1492, er sei fast ohne Unterbrechung 23 Jahre auf See gewesen,[155] also seit 1470. Nimmt man dazu die Angabe der „vida del Almirante“, welche selbst behauptet[156] von seinem Sohne Ferdinand geschrieben zu sein, daß der Vater schon in seinem 14. Jahre auf die See gegangen sei, so mußte Christoph Columbus 1456 geboren sein.
Allein dagegen ist mit Recht eingewendet, daß Columbus von 1483 bis 1492 fast gar keine Seereisen mehr gemacht hat und seit 1486 sich beständig in Spanien aufhielt, daß demnach der Ausgangspunkt, von dem die 23 Jahre ununterbrochener Seefahrten an rückwärts zu zählen sei, in das Jahr 1483 zu setzen sei, so daß also Columbus seit 1460 etwa das Seegewerbe betrieben habe. Dazu stimmt ferner, daß Columbus 1501 erklärt, er befahre nun bereits seit mehr als 40 Jahren das Meer. Kam er nun sehr jung, im 14. Jahre, aufs Schiff, so müßte er 1446 geboren sein.
Diese Ansicht vertheidigt besonders d’Avezac.[157] Den Widerstreit gegen[S. 220] die eigene Angabe des Columbus, er sei in seinem 28. Jahre in spanische Dienste getreten, löst d’Avezac scheinbar gewaltsam, indem er, wie vor ihm bereits Navarrete, die Zahl 28 für einen Schreibfehler erklärt und behauptet, Columbus hätte schreiben müssen, im 38. Jahre.[158]
Aber d’Avezac verstärkt seine Hypothese durch den Hinweis auf eine gerichtliche Urkunde vom Jahre 1472, in welcher Columbus zweimal als Zeuge vor dem Gericht in Savona, wo sein Vater damals wohnte, aufgeführt wird als: Christopherus Columbus, lanarius de Janua, annos Laetoriae legis egressus. Da nun das Lätorische Gesetz sich auf das 25. Lebensjahr bezieht und Columbus 1472 dieses Jahr bereits überschritten hatte, so kann er unmöglich 1456, wohl aber 1446 geboren sein. Auch in den Jahren 1473 und 1476 wird Columbus zusammen mit seinem Bruder noch in den Gerichtsacten Genuas genannt. Es ist immerhin möglich, daß er, wenn er auch zeitweilig das Handwerk seines Vaters, die Wollweberei betrieb, doch daneben auch kleinere Seereisen unternahm, von denen er nach seiner Vaterstadt zurückkehrte.
Ueber seine Jugendzeit wissen wir wenig, die Angabe der „Vida“, welche sogar seinen Sohn Fernando als Verfasser nennt, aber sicherlich nicht von ihm geschrieben ist, sind theils legendenhaft, theils geradezu unglaublich, so daß sie vor der historischen Kritik beanstandet worden sind.[159] Man hat ohne Bedenken danach angenommen, daß Columbus die Universität Pavia besucht habe, aber seine Jugend und die für diese Studien verfügbare Zeit sprechen dagegen, da er bereits mit dem 14. Lebensjahre auf die See ging.[160]
Den Ocean scheint er erst im 30. Jahre kennen gelernt zu haben. Es wird nämlich erzählt, daß er im Jahre 1477 und zwar bereits im Februar, wahrscheinlich von Bristol aus, hundert spanische Meilen über Tyle (Thule) hinaus gesegelt sei (vgl. oben S. 28). Thule identificirte man mit den Faröern, welche damals unter dem Namen Friesland bekannt waren. Columbus suchte also, wie auch andere seiner Landsleute, sein Glück im Auslande zu machen. Von England begab er sich später nach Portugal, wahrscheinlich zu Ende der Regierung Alfons V., welcher 1481 starb, und machte von hier aus eine Fahrt nach der Küste von Guinea. Da er bei dieser Gelegenheit die portugiesische Niederlassung von St. Jorge de la Mina besuchte, so kann diese Fahrt nicht vor 1482 fallen, in welchem Jahre das genannte Fort an der Goldküste erst angelegt wurde. In Lissabon verheirathete er sich mit der Donna Felipa Muñiz-Perestrello, und zog mit ihr nach dem Besitzthum ihres Vaters auf der Insel Porto Santo. Dort lernte[S. 221] er auch die auf das Seewesen bezüglichen Karten und hinterlassenen Papiere seines bereits verstorbenen Schwiegervaters Perestrello kennen. Aus ihnen schöpfte er wohl auch die ersten dunklen Nachrichten von Inseln und Ländern, welche im westlichen Meere liegen sollten, von denen er dann selbst mit Eifer neue Kunde sammelte.
Es lag im Glauben der Zeit, hinter jeder am Horizonte auftauchenden Nebelbank im Ocean ein noch unbekanntes, reiches und gesegnetes Land zu vermuthen. Die Canarien, Açoren und Capverden waren in den letzten Jahrzehnten genauer bekannt geworden, die Fortschritte der portugiesischen Entdeckungen wirkten auf die Seeleute geradezu fieberhaft. Die Matrosen erzählten einander von den Geheimnissen des westlichen Weltmeeres, und Columbus lauschte aufmerksam auf solche Berichte. Die Vida del Almirante führt (Cap. 8) eine Reihe solcher Schiffernachrichten auf, welche gerade durch das Nebelhafte ihrer Umrisse die Phantasie aufzuregen vermochten. Danach hörte Columbus über die Nähe der den westlichen Gestaden der bekannten Welt gegenüberliegen sollenden Küsten mancherlei von solchen Seeleuten, welche häufig die Meere jenseit Madeira und der Açoren befahren hatten. Der portugiesische Pilot Martin Vicente erzählte ihm, er habe 450 Leguas (spanische Meilen) westlich vom Cap S. Vicente ein geschnitztes Holz aufgefischt, welches unter dem mehrere Tage anhaltenden Westwinde herangetrieben sei. Es müsse also in nicht zu großer Entfernung im Westen Inseln oder größeres Land geben. Sein Schwager Pedro Correo theilte ihm mit, daß ein ähnlich bearbeitetes Holz auch in Porto Santo angeschwommen sei. Auf den Açoren waren Stämme von Fichten, wie sie dort nicht wachsen, angetrieben. Auch ein mächtiges Schilfrohr, wie es nur in Indien wachsen konnte, und welches von Knoten zu Knoten 9 Karaffen Wein fassen sollte, war aufgefunden. Auf der açorischen Insel Flores hatten die Bewohner zwei Leichen einer unbekannten Menschenrasse gefunden. Die Ansiedler in der Nähe des Cap de la Virga wollten sogar gedeckte Barken, s. g. Almadias mit fremdartigen Menschen besetzt gesehen haben.
Antonio Leme von Madeira erzählte dem Columbus ferner, er habe 100 Meilen weit gegen Abend drei Inseln gesehen. Dieselben Inseln wurden 1484 wiederum von einem Schiffscapitän aus Madeira gesehen, der sich in Folge dessen nach Portugal begab, um sich von der Regierung eine Caravele zu erbitten, mit welcher er jene Inseln entdecken wollte.
Ein anderer Pilot erzählte ihm in Puerto de Sta. Maria, daß er auf der Reise nach Irland Land gesehen, welches er für den Theil der Tatarei gehalten; schlechtes Wetter habe ihn aber abgehalten daselbst zu landen. Ebenso wollte auch ein Galicier, Pedro Velasques (oder Velasco), westlich von Irland Anzeichen von Land bemerkt haben. Und endlich kam auch der[S. 222] Portugiese Vicente Dias aus der Stadt Tavira in Algarbien mit der Nachricht heim, er habe auf der Rückfahrt von Guinea nach Madeira im Westen unbekanntes Land gesehen. Mit Unterstützung eines reichen Genuesen, Lucas de Cazzana, wurden in Folge dessen mehrere vergebliche Versuche gemacht, dieses Land aufzufinden.
Ob Columbus von der Fahrt des Johann von Kolno[161] gehört hatte, welcher 1476 von dem König Christian I. von Dänemark abgesandt worden, um die Verbindung mit Grönland wieder herzustellen, und welcher wahrscheinlich Labrador und den Eingang der später sogenannten Hudsonstraße sah, ist sehr fraglich, wenn sich auch später die Nachricht von dieser Entdeckung bis nach Spanien und Portugal verbreitete, wie daraus zu ersehen ist, daß Gomara in seiner Geschichte von Indien (Zaragoza 1553, S. 20) dieselbe erwähnt.[162]
Alle diese und ähnliche Mittheilungen über Inseln, welche im fernen westlichen Meere liegen sollten, gehörten aber nicht allein dem Zeitalter des Columbus an, sondern lassen sich bis ins classische Alterthum rückwärts verfolgen, wie bereits oben S. 22 angedeutet ist.
Wichtiger noch war es, daß solche Angaben auch von den Verfertigern der Seekarten im 14. und 15. Jahrhundert mit verwendet wurden. Vor allem waren es die Italiener, welche, wie sie den Fortschritt der portugiesischen Entdeckungen mit größter Aufmerksamkeit verfolgten, auch die von ihren Landsleuten zuerst gesehenen Canarien und Açoren in die Karten einzeichneten (oben S. 24). Gradezu überraschend wirkt die Wahrnehmung, daß Andrea Bianco schon 1448 auf seiner Karte eine Andeutung von den Capverden machte, noch ehe dieselben, nachweisbar, von den Portugiesen betreten waren.[163] Aber daneben erscheinen auch andere Gebilde von Inseln, welche nur einer Sinnestäuschung der Seefahrer ihre Existenz verdankten. Zu diesen gehört namentlich die Insel Antilia, welche seit dem Anfange des 15. Jahrhunderts auftauchte und uns zuerst auf einer im Jahre 1424 gezeichneten und in der großherzoglichen Bibliothek zu Weimar aufbewahrten Karte entgegentritt.[164] Ebenso findet sich diese Insel auf den Karten des Battista Beccario vom Jahre 1426 (in München) und vom Jahre 1435 (in Parma). Westlich von den Açoren und etwa 15° vom Cap Finisterre in Galicien erstreckt sich auf der letztern (vom Jahre 1435) eine Inselkette von Norden nach Süden, vom Parallel der Gironde bis zu dem von Gibraltar, und führt die Inschrift: Insule de novo reperte. Von den zwei größeren[S. 223] Inseln ist die südliche Antilia genannt.[165] Auch Andrea Bianco wiederholt 1436 das Bild von Antilia (ya de antillia) und fügt hinzu, daß nach der Inselgruppe spanische Schiffe gelangt seien (questoxe mar de spagna). Ihm folgt 1476 Andrea Benincasa von Ancona und zeichnet das Bild der Insel wie Bianco, während Martin Behaim dieselbe auf seinem Globus (siehe Beilage) weiter südlich hart an die Grenzlinie der heißen Zone versetzt.
Diese Insel hat eine gewisse Bedeutung in dem Plane des Columbus gehabt und hat, wenn auch nicht ihre damals bereits ziemlich unbestimmte Existenz, so doch wenigstens ihren Namen gerettet und auf die westindische Inselflur vererbt.
Verfolgen wir nun weiter die verschiedenen Anregungen, welche Columbus in sich aufnahm, so müssen wir neben den Schifferberichten und den dieselben beglaubigenden Seekarten auch eines damals verbreiteten geographischen Werkes gedenken, welches der Genuese schon während seines Aufenthaltes in Portugal sehr fleißig las und auch später auf seinen Reisen mit sich führte. Es ist die Imago mundi (Weltbild) des Cardinal von Cambray, Pierre d’Ailly (Petrus de Alliaco), welche um 1410 geschrieben ist. Dieses Werk stellt sich als eine ziemlich mittelmäßige Compilation aus früheren scholastischen Arbeiten heraus, ex pluribus auctoribus recollecta, wie der Titel der ältesten Ausgabe besagt. d’Ailly bemühte sich, das Wissen der Vergangenheit zusammenzufassen und citirte sowohl Lateiner und Griechen als auch Araber, von jenen den Seneca, Plinius, Solinus, Osorius, Augustin, Isidor und Beda, ferner den Aristoteles, Ptolemäus, Hegesippus, Johannes Damascenus, von diesen den Alfragani und Albategna. Aber er schreibt ziemlich ohne eignes Urtheil und stellt die Ansichten der classischen Autoren höher, als die Resultate neuerer Forschung. Den Namen Marco Polos erwähnt er nirgend. Aus ihm aber schöpfte Columbus den ganzen Vorrath seiner kosmographischen Vorstellungen, namentlich seine Auffassung von der Größe der Erde, von der Schmalheit des Oceans, von der Lage und Natur des Paradieses und von dem bevorstehenden Weltuntergange.[166]
Vor allem auffällig ist die Abhängigkeit des Columbus zu erkennen, wenn wir das 8. Capitel der Imago, über die Größe der bewohnbaren Erde, prüfen. Aus diesem Abschnitte entlehnte der Genuese in seinem Briefe aus Haiti, auf seiner dritten Reise (1498), einen längeren Abschnitt. d’Aillys Darstellung ist etwa folgende.[167] Wenn man wissen will, wie viel von der Oberfläche der Erde bewohnbar ist, so hat man theils das Klima, theils das Wasser zu berücksichtigen. Ptolemäus meinte, etwa ein Sechstel der Erde sei Land, das übrige mit Wasser bedeckt. Im Almagest (lib. II.) modificirte[S. 224] er seine Ansicht, und hielt ¼ der Erdoberfläche für bewohnbar. Aristoteles nahm einen noch größeren Länderraum an und lehrte, daß zwischen der Westküste Spaniens und der Ostküste Indiens das Meer (unser atlantischer Ocean) nur schmal sei. Ueberdies sagt Seneca im 5. Buche der Naturgeschichte, daß man bei günstigem Winde in wenig Tagen über dieses Meer segeln könne. Aehnlich spricht sich auch Plinius aus, so daß man daraus folgern darf, daß das Meer unmöglich ¾ der Erdoberfläche bedecken kann.
Dazu kommt noch der gewichtige Ausspruch Esra’s (Esdra) im 4. Buche, welcher behauptet, es sei nur 1⁄7 der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt.
Im 49. Capitel, welches von der Verschiedenheit der Gewässer und namentlich vom Ocean handelt, kommt d’Ailly noch einmal auf dieses Thema zurück und betont, daß sowohl Aristoteles als auch sein Commentator Averroes darauf aufmerksam gemacht, daß der Abstand zwischen der Westküste Afrikas und der Ostküste Indiens (d. h. Asiens) nicht sehr groß sein könne, weil man in beiden Ländern Elephanten finde. Wie groß aber der Abstand ist, weiß man noch nicht, denn er ist weder in unseren Zeiten gemessen, noch finden wir darüber bei den alten Schriftstellern genauere Angaben. Aber, fügt er im 51. Capitel hinzu, soviel ist gewiß, daß die Ausdehnung der bewohnten Erde von Spanien ostwärts bis Indien viel größer ist als der halbe Umfang der Erde.
Mit diesen und ähnlichen Gründen wollte Columbus später die leichte Ausführbarkeit seines Planes einer Westfahrt erhärten. Mit Recht bemerkt Humboldt (Kosmos II, 281) dazu: „Sonderbares Zeitalter, in welchem ein Gemisch von Zeugnissen des Aristoteles und Averroes, des Esra und Seneca über die geringe Ausdehnung der Meere im Vergleich mit der der Continentalmasse den (spanischen) Monarchen die Ueberzeugung von der Sicherheit eines kostspieligen Unternehmens geben konnte.“
Außer diesen Hauptstellen hatte Columbus auch noch andere Vorstellungen aus den Lehren d’Ailly’s sich angeeignet. Dahin gehört die Behauptung des Cardinals (Cap. 12), daß, wie schon Augustin gelehrt habe, die heiße Zone von menschlichen Ungeheuern belebt sei. Es geht dies hervor aus einer Aeußerung aus dem Tagebuch der ersten Reise des Entdeckers, wo derselbe verwundert bemerkt, die erwarteten Ungeheuer habe er noch nicht gefunden. Ferner die Auffassung von der Lage des irdischen Paradieses. Dasselbe liegt, schreibt d’Ailly Cap. 55, nach der Angabe des Isidor, Johannes Damascenus, Beda u. a. in der lieblichsten Gegend des Ostens, weit von unserm bewohnten Gebiet entfernt auf einem erhabenen Ort, so daß es fast bis in die Mondsphäre reicht und von den Wassern der Sündflut nicht bedeckt werden konnte. Von diesem hohen Berge stürzen nun die Gewässer mit gewaltigem Brausen herab und bilden einen großen See. Eine ebenfalls von Columbus benutzte Ansicht und eine Ergänzung des obigen über die Natur des Paradieses finden wir bereits im 7. Capitel, wo gelehrt wird, daß das im Osten gelegene Paradies, auch wenn es in der Nähe des Aequators liege, doch wegen seiner bergehohen Lage ein sehr mildes Klima besitze.
Endlich gehört hieher noch ein Ausspruch d’Ailly’s, in seinem Vigintiloquium de concordia astronomicae veritatis cum theologia, p. 181, worin er die Dauer der Erde von der Schöpfung bis auf die Geburt Christi, nach Ermittlung Bedas, auf 5199 Jahre berechnet, so daß also bis 1501 nach Christi 6700 Jahre verflossen seien. Da aber das jüngste Gericht 7000 Jahre nach Christi eintreten wird, ist der Weltuntergang nahe bevorstehend. Obwohl Columbus in den Zahlen etwas abweicht, so hat er den Grundgedanken doch in seinen Plan verwebt.
Wenn nun auch alle diese Meinungen und Lehrsätze d’Ailly’s einen großen Einfluß auf die Gestaltung des Planes gehabt haben, so waren sie, weil im allgemeinen zu verschwommen, nicht kräftig genug, um einen wirklichen Impuls auszuüben, die Fahrt zu unternehmen. Denn welcher Seemann konnte nach solchen allgemeinen, vagen Vorstellungen seinen Cours einschlagen, welcher Fürst und welcher Staat würde zu einem solchen Zuge ins Blaue die Mittel verschwendet haben? Darum kann ich Humboldt darin nicht beistimmen, daß die Imago Mundi mehr Einfluß auf die Entdeckung von Amerika geübt, als der Briefwechsel Toscanelli’s (Kosmos II, 286). Grade die ganz bestimmte Direction, welche dieser ausgezeichnete Astronom und Physiker den Ideen seines Landsmannes gab, man kann sagen, die von ihm ganz genau vorgeschriebene Segelroute war es, welche einerseits den noch unklaren Vorstellungen des Columbus den richtigen Stützpunkt gab und andererseits auch die Monarchen ermuthigte, die Kosten zu wagen.
In dieser Hinsicht muß man entschieden der Ansicht d’Avezacs beipflichten: „Die Ideen des Columbus entstanden aus einer Summe von Notizen, welche er allmählich aus verschiedenen Quellen geschöpft; aber ein bestimmtes Project kam erst durch den Brief Toscanelli’s zur Reife. Dieser monumentale Brief sichert dem Toscanelli das unzweifelhafte Verdienst, die transatlantischen Entdeckungen angeregt zu haben.“[168]
Diesen Brief lernte Columbus wahrscheinlich erst im Anfange der achtziger Jahre kennen. Bis dahin war er einfach ein Seefahrer gewesen, von da an wurde er Entdecker. Danach ist auch die von Las Casas gemachte Zeitangabe zu verbessern,[169] wonach sich Columbus 14 Jahre bemüht haben soll,[S. 226] den König von Portugal für seine Pläne zu gewinnen. Da wir wissen, daß Columbus noch um 1476 in Genua war, und 1484 nach Spanien ging, so ist die Angabe des Bischofs bestimmt falsch. Avezac (l. c. p. 43) stellt die Vermuthung auf, es könne statt 14 Jahre recht wohl 14 Monate heißen und Columbus habe seinen Vorschlag zuerst im September oder October 1483 gethan, und sei dann gegen Ende des nächsten Jahres nach Spanien übergesiedelt. — Doch wenden wir zunächst unsere Aufmerksamkeit dem Briefe Toscanelli’s zu. Paolo Toscanelli, auch, weil er Arzt war, Paolo fisico genannt (geb. 1397 in Florenz, gestorben 1482), gehörte zu den ausgezeichnetsten Gelehrten seiner Vaterstadt und beschäftigte sich namentlich mit Kosmographie. Durch lebhaften Verkehr stets in Verbindung mit berühmten Reisenden, Seefahrern und Kartenzeichnern, hat er wohl zuerst bei dem Studium des Marco Polo und angesichts der durch persönlichen Verkehr mit Nicolo de Conti (s. oben S. 77) weiter bestätigten großen Entfernung Ostasiens von Europa, sowie neuer Beglaubigungen der Berichte von den kostbarsten Produkten, den menschenwimmelnden prachtvollen Städten und großartigen Reichen den Gedanken gefaßt, daß von Portugal oder Italien aus ostwärts die Entfernung bis Quinsay und Zaiton weit mehr als den halben Erdumfang betragen müsse, und weiterhin daraus gefolgert, daß dann der Weg über das Westmeer der nähere sein müsse. Zur Veranschaulichung dieser Idee bedurfte es einer Karte, welche die, wie es scheint, vor ihm noch nie entworfene Wasserseite der Erde darstellte. Denn die Seekarten dienten praktischen Zwecken und stellten daher nur die in der Nähe der großen Handelslinien befindlichen Küsten und Länder dar. Da nun Toscanelli sah, wie sich bereits seit einem halben Jahrhundert die Portugiesen abmühten, die Umfahrt um Afrika zu vollenden, so richtete er 1474 einen Brief an den Canonicus Fernam Martinz in Lissabon, um den König unter Beigabe einer von ihm selbst entworfenen Karte auf seine Idee, das Morgenland durch eine Westfahrt zu erreichen, aufmerksam zu machen. Allein die Portugiesen hatten 1471 glücklich die Goldküste entdeckt (s. oben S. 104) und beuteten dieses Gebiet aus, ohne Neigung, sich in unbestimmte kostspielige Unternehmungen einzulassen. Toscanelli’s Aufforderung fand also keinen Anklang; sein Brief galt wohl mehr als Curiosum, denn daß man ein Staatsgeheimniß daraus machte, von dem nichts verlauten dürfe, um nicht andere Unternehmer in dieselben Bahnen zu lenken. So konnte auch Columbus nach Jahren davon Kunde erhalten und sich eine Abschrift dieses Briefes verschaffen, indem er sich direct an Toscanelli wandte. Wir kennen die Briefe des Columbus nicht, sondern nur die Antworten des Florentiner Gelehrten und auch diese in einer sicher nicht authentischen Fassung, da sie nur in der Vida del Almirante sich finden, welche den Wortlaut nicht nur nicht getreu wiedergegeben hat, sondern durch offenbare Einschiebsel den Zeitpunkt des Schreibens zu verrücken sucht, um Columbus zu glorificiren, indem man die Bedeutung des Briefes als maßgebend für den[S. 227] Impuls zu der Westfahrt verminderte und die Initiative allein dem Entdecker beimaß.
Nach der jetzt vorliegenden Fassung des Briefes schrieb nämlich Toscanelli folgendermaßen:
„Ich sehe Eurer edles und großes Verlangen, dahin zu reisen, wo die Spezereien wachsen. Daher sende ich Euch zur Beantwortung Eures Briefes die Abschrift eines andern, den ich vor einigen Tagen an einen meiner Freunde, im Dienste Sr. Maj. des Königs von Portugal, vor den castilischen Kriegen, in Beantwortung eines andern schrieb, welchen er im Auftrage des Königs über die betreffende Angelegenheit an mich richtete, und ich schicke Euch eine andere Seekarte (carta da marear), die mit derjenigen übereinstimmt, welche ich ihm sandte.“
Der castilische Erbfolgekrieg fällt in die Zeit von 1474–1479. Es liegt auf der Hand, daß man den Ausdruck „vor den castilischen Kriegen“ nur gebrauchen kann, wenn der Krieg vollständig beendigt ist, aber weder im Beginn noch im Verlauf desselben. Der Brief Toscanelli’s muß also an Columbus nach 1479 geschrieben sein, der Originalbrief an Martinz vor oder um 1474. Das Datum dieses Briefes lautet auch: Florenz, 25. Juni 1474. Steht dieses fest, dann kann Toscanelli aber nicht an Columbus schreiben, er habe erst „vor einigen Tagen“ den Brief an Martinz verfaßt, denn es lag ein Zeitraum von mindestens 5 Jahren dazwischen. Eine der beiden Zeitangaben ist falsch, die Entscheidung fällt unbedingt gegen den Ausdruck „vor einigen Tagen“. Es soll einerseits durch diesen Zusatz der Plan als geistiges Eigenthum des Columbus hingestellt und der Einfluß Toscanelli’s verdeckt werden; denn wenn der florentinische Gelehrte erst „vor einigen Tagen“ den ersten Brief nach Portugal geschickt hat, kann Columbus noch keine Mittheilung von demselben haben, selbst wenn der Brief direct an ihn selbst gerichtet wäre. Es soll dem Entdecker die Priorität des Gedankens gerettet worden. Andererseits wird der Zeitpunkt, in welchem dem Genuesen der Plan reifte, um wenigstens fünf Jahre zurückgerückt, aber leider in eine Zeit verlegt, welche mit dem angeblich früheren, ständigen Aufenthalte des Columbus in Portugal sich nur schwer vereinigen läßt, da sein Name in den Acten Genuas 1472, 1473 und 1476 erscheint. Wenn dadurch auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß Columbus 1474 sich zu Lissabon aufgehalten, so doch sicher nur als Seemann vorübergehend, und es bleibt die Frage unerledigt, warum er sich nicht direct von Italien aus an den Physiker in Florenz gewandt. Zudem ist auffällig, daß, nach dem zweiten Briefe Toscanelli’s zu urtheilen, dieser Gelehrte nicht zu wissen scheint, daß Columbus ein Italiener ist. Er hält ihn vielmehr für einen Portugiesen, wie aus der Anspielung auf diese Nation hervorgeht. Wenn Columbus nun nach dieser Seite sich nicht deutlich ausgesprochen hat, ist der Schluß nicht unberechtigt, daß er bereits in Portugal seit mehreren Jahren ansässig gewesen und sich also gleichsam als Portugiese gefühlt habe, wie er ja auch in Spanien später[S. 228] seinen ganzen Namen umänderte. Dann aber fällt die Correspondenz mit Toscanelli bereits in den Anfang der achtziger Jahre,[170] was auch am besten zu dem ganzen Verlauf der Angelegenheit in Portugal stimmt.
Glücklicherweise ist von dem ausgezeichneten Forscher der ältesten amerikanischen Literatur, von Harrisse, eine von Columbus selbst geschriebene Copie des Toscanelli’schen Briefes an Martinz in der Colombinischen Bibliothek zu Sevilla aufgefunden und veröffentlicht. Ein Vergleich dieses lateinisch geschriebenen Briefes mit dem in der Vida del Almirante gegebenen Texte zeigt deutlich, daß auch dieses wichtige Document durch die Hand des Biographen des Entdeckers nicht unwesentliche Veränderungen erfahren hat.
Wegen seiner großen Bedeutung theilen wir den Brief vollständig mit.[171]
„Dem Canonicus Ferdinand Martinz zu Lissabon sendet der Physiker Paul (Toscanelli) seinen Gruß. Von deinem vertrauten Umgange mit Sr. Maj. dem Könige ist es mir um so angenehmer gewesen Kenntniß zu erhalten, als ich mit dir schon früher gesprochen habe über einen kürzeren Seeweg zu den Gewürzländern, als derjenige ist, welcher über Guinea führt. Der König wünscht nun von mir eine noch mehr durch den Augenschein überzeugende Erläuterung, so daß auch der minder Bewanderte diesen Weg begreifen und verstehen kann. Obgleich ich nun weiß, daß man dies an einer Kugel, welche die Erde vorstellt, zeigen könnte, so habe ich mich doch des leichteren Verständnisses und der geringen Mühe wegen, entschlossen, diesen Weg auf einer Seekarte zu erläutern. Ich sende also Sr. Majestät eine eigenhändig entworfene Karte, auf welcher eure Küsten und Inseln eingezeichnet sind, von denen der Weg, immer gegen Abend, beginnt, und die Orte, zu denen man gelangen muß, und wie weit man vom Pol oder vom Aequator abweichen muß, und durch einen wie großen Abstand, d. h. nach wie viel Meilen, man zu jenen Orten kommen muß, welche die größte Fülle von allen Gewürzen und Edelsteinen besitzen. Und wundert euch nicht darüber, daß ich das „westliches“ Gebiet nenne, wo die Gewürze sind, während es gewöhnlich als östliches bezeichnet wird, weil durch Seefahrten immer nach Westen jene Gegenden durch unterirdische (subterraneas) Fahrten gefunden werden, während sie zu Lande und auf dem oberen Wege immer nach Osten aufgesucht werden. Demnach zeigen die geraden in der Länge der Karte eingetragenen Linien den Abstand von Osten nach Westen, dagegen die transversalen Linien die Abstände von Süden nach Norden. Ich habe aber in der Karte verschiedene Orte eingetragen, zu denen ihr nach den genauern Nachrichten der Schifffahrten kommen könntet; sei es nun, daß man durch (widrige) Winde oder durch irgend einen andern Umstand anderswohin gelangte, als man erwartete, theils aber auch, um den Einwohnern zu zeigen, daß sie (die Seefahrer) bereits eine Kenntniß jenes Landes haben, was um so angenehmer sein muß. Es wohnen[S. 229] aber auf den Inseln nur Kaufleute. Es wird nämlich behauptet, daß dort eine so große Menge von Kauffahrteischiffern, wie sie auf der ganzen übrigen Welt nicht sind, sich in dem einen berühmtesten Hafen, Namens Zaiton finden. Man behauptet nämlich, daß in jenem Hafen jährlich 100 große Schiffe mit Pfeffer abgehen, ungerechnet die anderen Schiffe, welche andere Gewürze laden. Jenes Land ist sehr volkreich und sehr reich an Provinzen, Staaten und zahllosen Städten und steht unter einem Fürsten, welcher der Groß-Kan genannt wird, was so viel als König der Könige bedeutet. Sein Sitz und seine Residenz ist meistens in der Provinz Katay. Seine Vorfahren wünschten mit den Christen in Verkehr zu treten. Schon vor 200 Jahren schickten sie zum Papste und baten um mehrere Gelehrte, damit sie im Glauben unterrichtet würden; aber dieselben stießen unterwegs auf Hindernisse und kehrten wieder um. Auch zur Zeit des Papstes Eugen kam einer zu Eugen[172] und bestätigte das große Wohlwollen gegen die Christen; und ich habe selbst ein langes Gespräch mit ihm gehabt über vielerlei, über die Größe der königlichen Paläste und über die Größe der Flüsse in der Breite und wunderbaren Länge und über die Menge der Städte an den Ufern der Flüsse, daß an einem Flusse gegen 200 Städte erbaut sind und marmorne Brücken von großer Breite und Länge, welche allenthalben mit Säulen geziert sind. Dieses Land ist werth, von den Lateinern aufgesucht zu werden, nicht allein weil ungeheure Schätze von Gold, Silber und Edelsteinen aller Art von dort gewonnen werden können und von Gewürz, welches nie zu uns gebracht wird, sondern auch wegen der gelehrten Männer, Philosophen und erfahrenen Astrologen, und um zu erfahren, mit welchem Geschick und Geist dieses so mächtige und große Land regiert wird und auch Kriege geführt werden. Florenz, 25. Juni 1474.“
„Von Lissabon nach Westen in gerader Linie sind 26 Spatien in die Karte eingetragen, von denen jedes 250 Milliarien umfaßt, bis zu der sehr prächtigen und großen Stadt Quinsay. Dieselbe hat einen Umfang von 100 Milliarien und hat 10 Brücken und der Name bedeutet Stadt des Himmels,[173] und viel Wunderbares wird darüber berichtet von der Menge der Künstler und der Einkünfte. Dieser Abstand beträgt fast den dritten Theil der ganzen Erde. Jene Stadt liegt in der Provinz Mangi, in der Nachbarschaft der Provinz Katay, in welcher die Hauptstadt des Landesherrn liegt. Aber von der auch bekannten Insel Antilia zu der sehr berühmten Insel Cippangu sind 10 Spatien. Jene Insel nämlich ist sehr reich an Gold, Perlen und Edelsteinen, und mit purem Golde deckt man Tempel und Paläste. Und so muß man auf unbekannten aber nicht weiten Wegen den Raum des Meeres durchschneiden.“
Leider ist die Karte Toscanelli’s, welche Columbus auf seiner Reise bei sich hatte und welche später Las Casas in seinem Besitze hatte, nicht bis auf unsere Zeit erhalten. Um ein Bild von derselben zu gewinnen, muß[S. 230] man vor allem die von Toscanelli fixirten Abschnitte oder Spatien prüfen. Es ist besonders wichtig zu betonen, daß der florentinische Astronom nur ein Längenmaß, Milliarien, gebraucht und von diesen römischen Millien 250 auf ein Spatium rechnet. Humboldt[174] und Peschel[175] sind deshalb zu irrigen Resultaten gelangt, weil sie den lateinischen Originaltext des Toscanelli’schen Briefes noch nicht kannten und durch die in den spanischen und italienischen Uebersetzungen jenes Documents eingeschobenen und zum Theil wieder verschriebenen und entstellten Uebertragungen von Millien in Leguas zu falschen Schlüssen verleitet worden.
Gezeichnet von C. Opitz.
G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Lith. Anst. v. J. G. Bach in Leipzig.
DIE OCEANISCHE SEITE DES BEHAIM’SCHEN GLOBUS VOM JAHRE 1492.
Das Original, im Durchmesser einen pariser Fuß und acht Zoll groß, befindet sich im Familienarchive der Freiherrn von Behaim in Nürnberg. Über die Geschichte der Entstehung des Globus siehe die Inschrift unter dem Circulus antarcticus, über dem nürnberger Wappen.
Die Angaben und Vorschriften Toscanelli’s für eine westliche Fahrt zu den Gewürzländern waren so bestimmt und zuversichtlich gegeben, daß Columbus dieselben nur zu adoptiren brauchte. Und daß er sich in diesem Sinne ausgesprochen hat, läßt sich aus der darauf folgenden Antwort Toscanelli’s erkennen. Da sind keine Zweifel zu beseitigen, keine dunklen Punkte mehr aufzuhellen, keine Fragen zu beantworten. Columbus hat sich bereit erklärt, die Idee Toscanelli’s zu verwirklichen und dieser versichert noch einmal, der Weg sei ganz sicher und führe zum Ziel: „Ich lobe eure Absicht,“ schreibt der Physiker, „nach Westen zu fahren und ich bin überzeugt, wie ihr auf meiner Karte bereits gesehen habt, daß der Weg, den ihr nehmen wollt, nicht so schwierig ist, als man denkt; im Gegentheil der Weg nach jenen Gegenden, welche ich eingezeichnet habe, ist ganz sicher. Ihr würdet keine Bedenken haben, wenn ihr, wie ich, mit vielen Personen verkehrt hättet, welche in jenen Ländern gewesen sind, und seid gewiß, mächtige Könige anzutreffen, viele volkreiche wohlhabende Städte und Provinzen zu finden, welche an jeder Art Edelsteinen Ueberfluß haben; und es wird die Könige und Fürsten, welche in jenen entfernten Ländern herrschen, hoch erfreuen, wenn man ihnen einen Weg bahnt, um mit den Christen in Verbindung zu treten und sich von denselben in der katholischen Religion und in allen Wissenschaften, welche wir besitzen, unterrichten zu lassen. Deshalb und wegen vieler anderen Ursachen wundere ich mich nicht, daß ihr so viel Muth zeigt wie auch die ganze portugiesische Nation, in welcher es immer Männer gegeben hat, die sich in allen Unternehmungen auszeichnen.“
Zwei Momente sind in diesem Schreiben noch beachtenswerth, einmal die besondere Bedeutung der Fahrt für die Verbreitung des Glaubens, auf welche Columbus selbst möglicherweise in seinem Brief angespielt hatte und sodann die Anerkennung des portugiesischen Unternehmungsgeistes. Toscanelli weiß offenbar nicht, daß Columbus Italiener ist, er hält ihn vielmehr für einen Portugiesen, und dieser hat über seine Heimat und sein Vaterland keine Mittheilung gemacht.
Wahrscheinlich im Jahre 1483 trat Columbus zuerst mit seinem Plane hervor. Der König Johann II. forderte darüber das Gutachten einer Commission ein, welche aus den bedeutendsten Gelehrten, Diego Ortiz, Bischof von Ceuta und Beichtvater des Königs, so wie aus den beiden königlichen Aerzten Rodrigo und Joseph bestand. Aber diese Räthe nahmen, wie Barros erzählt[176] die Reden des Genuesen für eitle Prahlerei und erklärten das ganze[S. 232] Project für Träumerei, welche nur in den Berichten Marco Polo’s ihren Grund habe. Und da auch der König sah, daß Columbus ein höchst fantastischer Schwätzer sei, so schenkte er ihm keinen Glauben. Und als bald darauf seine Gemahlin starb, verließ Columbus 1484 Portugal für immer, um in Spanien sein Glück zu versuchen. Man hat das Urtheil der Commission scharf getadelt wegen der rücksichtslosen Abweisung eines Unternehmens, welches noch im Laufe des nächsten Decenniums mit Erfolg gekrönt zu sein schien. Allein man darf nicht vergessen, daß die portugiesischen Ziele bestimmt nach einer andern Richtung wiesen und daß, wenn auch das Südende Afrikas noch nicht entdeckt war, doch die Erforschungen des Weges nach Indien nicht wieder auf einem ganz andern Wege begonnen werden konnten, nachdem man bereits so manchen Erfolg zu verzeichnen gehabt hatte. Es würde die Mittel des Reiches zersplittert haben. Dazu hatten die portugiesischen Räthe im Grunde Recht, den geringen Abstand der Westküste Europas von der Ostküste Asiens zu leugnen; und es ist nicht abzusehen, was aus dem Geschwader des Columbus geworden wäre, wenn er die wirkliche Breite des Weltmeers bis zu den Gestaden Chinas hätte durchmessen müssen.
Das später ausgesprengte Gerücht, der König Johann habe heimlich ein Schiff zur Westfahrt abgesendet, um den Plan des Columbus auszuführen, entbehrt jedes historischen Glaubens.
Auch in Spanien fand Columbus anfangs keinen günstigen Boden, aber er harrte, da sich allmählich die Aussichten günstiger zu gestalten schienen, jahrelang aus, bis die Zeitverhältnisse die Erfüllung seiner heißesten Wünsche, denen er von nun an sein ganzes Leben widmete, gestatteten.
Es ist ein beachtenswerther Umstand, daß wir kein Porträt von Columbus besitzen, welches erwiesenermaßen als getreu bezeichnet werden darf. Daher weichen die Bildnisse, welche es von dem Entdecker der neuen Welt gibt, so außerordentlich von einander ab. Vielleicht liegt die Ursache darin, daß Columbus nur wenige Jahre sich der höchsten Gunst erfreute und bei seinem[S. 233] Tode unter seinen Zeitgenossen fast vergessen schien. Wenn man indeß die Schilderungen der Mitlebenden prüft, werden die beigegebenen Porträts wohl als die annähernd getreuesten zu erachten sein. Columbus war von hoher und kräftiger Gestalt, aber nach der Eigenthümlichkeit seines Kopfes und seiner Farbe hätte man ihn eher für einen Nordländer als für einen Italiener halten sollen. In dem länglichen, gerötheten, mit Sommersprossen bedeckten Gesichte leuchteten ein Paar hellblaue Augen; auch sein Kopfhaar war röthlich, ergraute aber frühzeitig, weshalb man ihn in der Regel für älter hielt, als er wirklich war. Die älteste Charakteristik verdanken wir dem Italiener Angelo Trivigiano,[177] welcher 1507 die Reiseberichte veröffentlichte. In der deutschen Uebersetzung des Jobst Ruchhamer vom Jahre 1508 lautet diese Darstellung, welche uns zugleich in die Unternehmung des Columbus einführen soll, folgendermaßen:
Hie anhebet das vierde Buch, Vnd ist von der schieffarthe des kuniges von Castilia, von Inseln vnd landen in kurtze erfunden. Das lxxxiiij Capitel, wie der kunige von Hispania rüstet, oder beraythe zway schieffe, dem Christoffel Dawber[178] von Jenua zu faren gegem nidergang.
DIser Christoffel Dawber von Jenua was ein man̄e lang vnd gerade, was grosser vernunfft, hette ein lang angesicht, nachuolgte vnd anhienge lange zeythe den Allerdurchleuchtigsten kunigen von Hispania, an alle orthe vnd ende so sie hin raysten, begerthe, das sie ime solten helffen zurüsten vnd belastigen etwan ein Schieffe, erbothe sich, er wölte finden gegen dem nidergange Inseln, anstossende an India, daselbstdann̄ die mennge der Edlen gestaynen, vnd Spezereyen, vnd auch des goldes, welches man leychtlich möchte vberkummen, der Kunig vnd Kunigin, vnd auch alle die vorgeensten in Hispania, hetten lange zeyte ein spyle, oder kurtzweyl an diesem furnemen dises Christoffels, vnd zu letzste nach siben jaren oder vber siben jare, vnd nach seynem manigualtigen begeren, bitten, vnd anlangen, wurden sie zu gefallen seynem willen, vnd rusten ime ein Naue, das ist, ein großses schieffe, vnd zway Grauele, mit welcher er hinweg fure von Hispania, vnd also anfienge sein rayse oder schieffarthe, vmb die ersten tage des Septeēber, das ist, des Herbstmondes, im MCCCCxCij Jare. —[179]
Am Schluß der originellen Uebersetzung steht: Also hat ein endte dieses Büchlein, welches auß wellischer sprach in die dewtschen gebrachte vnd gemachte ist worden, durch den wirdigē vnd hochgelarthen Herrn̄ Jobsten Ruchamer der freyen Künste, vnd artzenneien Doctorn̄ etc. Vnd durch mich Georgen Stüchßen zu Nüreinbergk, Gedrückte vnd volendte nach Christi vnsers lieben Herren geburdte. M.ccccc.viij Jare, am Mittwoch sancthi Mathei, des[S. 234] heiligen apostels abenthe, der do was der zweyntzigiste Tage des Monadts Septembris.
Columbus ging nach Südspanien. Hier gelang es ihm, einflußreiche Gönner zu finden, unter denen namentlich der Herzog von Medinaceli sich seiner annahm und ihn fast zwei Jahre lang als Gast in seinem Hause beherbergte, damit derselbe nicht, wie er beabsichtigte, nach Frankreich gehe, um dort dem Könige sein Project anzubieten.[180]
Im Januar des Jahres 1486 erhielt er durch die Vermittlung des Cardinalbischofs Mendoza von Toledo bei der Königin Isabella Audienz, wurde, nachdem er seinen Plan vorgelegt, in das königliche Gefolge aufgenommen und erhielt dessen Freiheiten und Auslösung. Er war damit in den Dienst der spanischen Krone getreten. Aus den Jahren 1487 und 1488 haben sich mehrere Belege der kleinen Unterstützungen erhalten, welche Columbus aus der königlichen Kasse erhielt, und welche in den einzelnen Posten höchstens 10 Ducaten betrugen.[181]
Man hatte zwar von dem Vorhaben des Columbus im allgemeinen eine günstige Meinung, wollte aber zuvor das Urtheil der Gelehrten hören und wies ihn daher an die Universität von Salamanca. Hier hatte Columbus einen schlimmen Stand; denn er berief sich nicht blos auf seine kosmographischen Autoritäten, sondern glaubte vor dem Rath der gelehrten Geistlichen auch mit falschverstandenen Bibelsprüchen kämpfen zu können und legte von sich und seinem Beruf eine so eigenthümliche schwärmerische Meinung an den Tag, daß die Mehrzahl der Richter sich nicht für ihn erklären konnte.
Die Art seines Auftretens läßt sich am besten aus den brieflichen Mittheilungen erkennen, welche Columbus später bei verschiedenen Gelegenheiten selbst gegeben hat.
„Ich habe mit wissenschaftlichen Männern, Geistlichen und Weltlichen, Lateinern und Griechen, Juden und Mauren und vielen anderen verkehrt. Dazu gab mir der Herr den Geist der Erkenntniß. In der Schifffahrtskunde gab er reiche Fülle; von der Sternkunde gab er mir, was ich brauchte und auch von der Geometrie und Arithmetik. In dieser Zeit habe ich alle Arten[S. 236] von Schriften studirt: Geschichtswerke, Chroniken, Philosophie und andere Wissenschaften.“[182]
„Die heilige Trinität,“ schreibt Columbus bei einer andern Gelegenheit,[183] „bewog Ew. Maj. zu dem Unternehmen nach Indien und durch ihre unendliche Gnade wählte sie mich, um es Ihnen zu verkündigen. Deshalb kam ich als ihr (der Trinität) Botschafter zu Ew. Maj., wie zu den mächtigsten Fürsten der Christenheit, welche sich im Glauben übten und so viel für seine Verbreitung thaten. Trotz alles Ungemachs, welches mir widerfuhr, war ich gewiß, daß meine Unternehmung gelingen werde, und beharrte bei dieser Ansicht, weil alles vergehen wird, ausgenommen das Wort Gottes. Und in der That, Gott spricht so klar von diesen Gegenden durch den Mund des Jesaias an mehreren Stellen der heiligen Schrift, wenn er versichert, daß von Spanien aus sein heiliger Name solle verbreitet werden.“[184]
In der Colombinischen Bibliothek zu Sevilla wird noch die handschriftliche Correspondenz des Columbus mit dem Pater Gorricio, einem Karthäuser aus dem Kloster Sa. Maria de las Cuevas zu Sevilla aufbewahrt, welche eine Menge Texte des alten und neuen Testamentes enthält, die sich auf die Entdeckung der neuen Welt beziehen sollen, sowie verschiedene Aussprüche der Kirchenväter und Classiker. Diese letzteren sind aus Aristoteles, Plinius, Seneca u. a. von Gorricio excerpirt in der besondern Absicht, von Columbus verwendet zu werden.[185] Unter diesen ist besonders berühmt und viel genannt worden die prophetische Stelle aus der Tragödie Medea von Seneca:
Mit diesen Prophezeiungen, welche Columbus auf sich bezog und durch welche er um so fester von seiner göttlichen Sendung sich überzeugt hielt, ging Hand in Hand die von ihm gefaßte Idee, durch die schon von Toscanelli in Aussicht gestellten Schätze das heilige Grab zu erobern und den[S. 237] Erzfeind aus dem Besitz der heiligen Stätten zu verdrängen. Diesen Gedanken legt er in dem Tagebuch seiner ersten Reise (vom 26. December 1492) nieder und wiederholt ihn in einem Briefe von 1503.
Aber er fühlt auch den Beruf in sich, alle Heiden vor dem nahen Weltuntergange zum Christenthume zu bekehren. „Der heilige Augustin lehrt uns,“ schreibt er 1503, „daß das Ende der Welt 7000 Jahre nach der Schöpfung stattfinden werde. Das ist auch die Meinung der heiligen Theologen und des Cardinals Pedro de Aliaco. Da nun nach der Berechnung des Königs Alfons von Portugal bereits 6845 Jahre verflossen sind, so ist die Frist bis zum Untergange nur noch eine sehr kurze.“
Man darf sich nicht wundern, daß selbst die Theologen von Salamanca sich mit diesen mystischen Combinationen, mit dieser wunderlichen Mischung einerseits von astronomisch-kosmographischen Berechnungen und Schlüssen, anderseits von classischen und biblischen Prophezeiungen und falschen Deutungen nicht einverstanden erklären konnten.
Man muß dazu auch die politische Lage der beiden verbundenen spanischen Monarchien erwägen, und daß Ferdinand und Isabella nicht blos schwere Kämpfe zur Befestigung der königlichen Autorität, sondern auch langwierige Kriege mit den Mauren zu führen hatten und durch diese Projecte leicht auch in neue Verwickelungen mit dem Nachbarstaate Portugal gebracht werden konnten.
„Glücklicherweise aber,“ sagt Humboldt,[187] „begünstigten die vorhandenen Irrthümer die Ausführung des Planes und flößten einen Muth ein, welchen genauere Kenntniß von den Dimensionen des Erdkörpers, der geographischen Länge von Catigara, Cathai und Zipangu, der bedeutenden Ausdehnung des zwischen liegenden Oceans und der geringen Masse des Festlandes wahrscheinlich erschüttert haben würden.“
Man hat das Urtheil der wissenschaftlichen Prüfung in Salamanca ebenso verdächtigt und verleumdet, als jenes abfällige Urtheil der Junta in Portugal. Aber alle die Gegengründe, welche vorgebracht sein sollen, klingen so lächerlich, daß sie als platte Erfindung erscheinen, welche später, nachdem der Erfolg sich für Columbus ausgesprochen, zu seiner Verherrlichung erdacht sind.
Im Collegium zu Salamanca fand sich nur Einer, Diego de Deza, der Lehrer des Prinzen Don Juan, später Erzbischof von Sevilla, welcher sich des kühnen Planes annahm; aber da sich Talavera, damals Prior von Prado und später Erzbischof von Granada entschieden dagegen erklärte, so wurde vorläufig die Entscheidung ausgesetzt und Columbus auf eine günstigere Zeit vertröstet. So lebte er, von Jahr zu Jahr auf Erfüllung hoffend, bald in Sevilla, bald in Cordoba, gleichsam von königlichem Gnadenbrote, wenig gekannt und wenig Freunde gewinnend.
Die ganze Angelegenheit rückte nicht vorwärts. Und als selbst noch im Jahre 1491 die entscheidende Commission erklärte, sie könne erst nach Beendigung des Krieges gegen Granada die Sache in genaue Erwägung ziehen und damit gleichsam in einer höflichen Form das Project ablehnte, so entschloß sich Columbus endlich, doch das Land zu verlassen, das ihn seit sieben Jahren in peinlicher Muße hingehalten hatte.
Auf seinem Wege nach Huelva, wo er sich einschiffen wollte, kam er, mit seinem Sohne Diego an der Hand, von Palos, am breiten Rio Tinto abwärts wandernd, zu Fuß nach dem alten Franziskanerkloster la Rabida. Dasselbe liegt nahe dem Meere auf einem dürren Hügel, dessen Anbau den Fleiß der Bearbeiter nur spärlich lohnt. Zwischen verfallenen Mauern und Dornhecken von Nopal und Aloë steigt man jetzt auf die beherrschende Höhe. Auf einer kleinen Plattform hinter den Klostergebäuden bezeichnet ein steineres Kreuz die Stelle, wo Columbus von Kummer gebeugt und von Hunger erschöpft niedersank[188] und für seinen Knaben und sich die Mönche um Brot und Wasser bat. Aber hier, wo er mit tiefem Seelenleiden seine Hoffnungen bereits zu Grabe getragen hatte, sollten sie neu belebt werden. Der seltsame Anblick der Bittenden, der fremde Dialect des Mannes erregten die Neugierde der barmherzigen Brüder, besonders des Juan Perez de Marchena, der den Titel eines Beichtvaters der Königin führte. Columbus wurde ins Kloster eingelassen und in die Wohnung des Priors geleitet. In dem hohen Saal, aus dessen Fenstern man einen prachtvollen Blick auf das Meer genießt und wo Columbus neugestärkt und belebt, im Angesicht des Oceans von seinen Plänen und Enttäuschungen erzählte, sind jetzt zur Erinnerung an diese denkwürdigen Stunden mehrere Gemälde zu sehen, welche die Geschichte dieser Ereignisse darstellen. Der Pater Juan Perez, welcher sich bald von der schwärmerischen Glut des Erzählers angezogen fühlte, ließ einen in der Astronomie und Kosmographie kundigen Physiker, Garcia Hernandez, aus dem nahen Orte Palos zu sich bitten, um mit ihm den Gehalt des vernommenen Berichts zu prüfen, denn er kannte den Genuesen zweifelsohne nicht einmal dem Namen nach. Auch mochte er anfänglich keine große Meinung von dem ärmlich und schlecht gekleideten Fremdlinge haben. Columbus war eben noch eine Persönlichkeit, welche kein Mensch kannte (por que ninguna persona conoscia el dicho almirante.[189]) Aber auch der junge Physiker aus Palos, welcher damals kaum das 30. Lebensjahr überschritten hatte,[190] horchte mit demselben Interesse wie der Pater Marchena. Beide glaubten der Königin einen großen Dienst zu leisten, wenn sie den merkwürdigen Mann zurückhielten. Juan Perez schrieb an die Königin Isabella einen Brief und sandte ihn durch die Hand des Piloten Sebastian Rodriguez an den spanischen Hof von Granada. Einstweilen blieb Columbus als Gast bei den[S. 239] Klosterbrüdern. Nach 14 Tagen kam ein Dankschreiben der Königin zurück, worin der Pater zur Königin berufen wurde. Derselbe reiste noch in derselben Nacht ab und erhielt von der Königin die Zusage, daß Columbus für seine Unternehmung drei Schiffe erhalten solle. Dann gab die Fürstin ihm noch 53 Ducaten mit für Columbus, damit derselbe sich besser kleiden und in anständiger Form zu Hofe reiten könnte.
So war also in Rabida endlich die günstige Wendung des Geschickes eingetreten und wenn auch noch manche Schwierigkeiten zu überwinden sein mochten, so war es doch nun entschieden, daß der kühne Gedanke, den Orient im Westen auszusuchen, seiner Verwirklichung nahe war.
Im Lager zu Santafé vor Granada erwartete man die baldige Uebergabe dieser letzten maurischen Stadt. Als dieselbe im Januar 1492 erfolgte, schien der Weg für Columbus geebnet, denn der maurische Krieg war beendigt. Aber zum letztenmale schien das ganze Unternehmen doch noch sich zerschlagen zu wollen, weil Columbus allzuhohe Forderungen stellte, Forderungen, welche weder mit seiner hilfsbedürftigen Lage, noch mit der Würde der Krone vereinbar schienen; denn er verlangte die höchsten Würden in Spanien und fast königliche Gewalt in den zu entdeckenden Ländern. Seine Bedingungen stellte er dahin, daß er Rang und Würde eines Admirals oder eines spanischen Almiranten für sich und seine Nachfolger erhalte, daß er und seine Familie in den Adelstand erhoben würden, daß er in den neuentdeckten Ländern zum Vicekönig ernannt werde mit dem Rechte, für alle hohen Verwaltungsstellen in jeder Insel, in jeder Provinz drei Männer vorzuschlagen, daß ihm ein Zehntel der königlichen Einkünfte aus dem Gewinn von Perlen, Edelsteinen, Gold, Silber, Spezereien und anderen Handelswaaren zufalle, daß er der einzige Richter sei in allen Processen, welche aus dem Verkehr zwischen jenen Ländern und Spanien entstehen könnten und daß er, wenn er den achten Theil der Ausrüstung von Schiffen bestreite, auch den achten Theil aus dem Gewinn erhalte. Diese Forderungen klangen geradezu unerhört. Eine Reihe von Conflicten war vorauszusehen, wenn man einem Fremden zugestand, was man nie einem Spanier von Geburt zugestanden haben würde. Die Königin, so willig sie sich gezeigt hatte, das Unternehmen doch noch zu fördern trotz aller Widerreden und Zweifel, schreckte vor solchen Forderungen zurück. Und Columbus wich in keinem Punkte von seinen Ansprüchen; so fest glaubte er selbst sowohl an seine Bestimmung, als auch an den großen materiellen Erfolg für Spanien. So zerschlug sich auch noch im Januar die Verhandlung, und Columbus wandte sich zum zweiten Male vom Hofe ab, um über Cordoba nordwärts nach Frankreich zu gehen, wo, wie er selbst behauptete, man ihm glänzende, sichere Versprechungen gemacht. Da versuchten noch einmal seine Gönner bei Hofe, namentlich der Cardinal Mendoza und der Schatzmeister Luis de Sant-Angel, die Königin zu dem Vertrage zu überreden. Sie stellten ihr vor, welche unermeßlichen Reichthümer nach erfolgreicher Fahrt durch die Unternehmung[S. 240] des Genuesen nach Spanien fließen müßten, wie sie durch Zuwachs an Colonialbesitz und durch Ausbreitung des christlichen Glaubens an Ruhm gewinnen würde, und erreichten es, daß Isabella den Befehl ertheilte, Columbus zurückzurufen. Ein Eilbote traf ihn bereits unterwegs in Pinos Puente, eine Stunde von Santafé und rief ihn unter der Versicherung, daß die Königin auf seine Forderungen eingehe, zurück. Der Vertrag wurde am 17. April vollzogen; aber der Besitz der unerhörten Gewalt, die dem Entdecker verliehen, die plötzliche Erhebung in den höchsten Stand führten nur zu bald den Sturz des Mannes herbei, weil er nicht im Stande war, allen Ansprüchen seiner neuen Stellung zu entsprechen. Man kann Columbus nicht frei sprechen von der Schuld, die vielfachen bitteren Kränkungen und schweren Demüthigungen seiner letzten Lebensjahre sich durch das Uebermaß seiner Forderungen selbst heraufbeschworen zu haben.
Augenblicklich dachte er nur an die Ausrüstung seiner Schiffe. Der Staatsschatz war leer, Luis de Sant-Angel schoß der Königin 5300 Ducaten zur Fertigstellung der kleinen Flotte vor und Columbus begab sich sofort nach Palos, nahe bei dem ihm günstigen Kloster la Rabida, um hier seine Abfahrt mit allen Mitteln zu betreiben. Es war ein sehr günstiger Umstand, daß er in dem kleinen Hafenplatz am untern Lauf des Rio Tinto lebhafte Unterstützung durch die einflußreiche und wohlhabende Schifferfamilie der Pinzone fand, welche sich selbst in ihren Hauptträgern erbot, die kühne Fahrt mitzumachen. Ganz besonders machte sich Martin Alonso Pinzon um das Zustandekommen der Expedition verdient und trug sogar zur Bestreitung der Kosten bei. Es wurden drei kleine Schiffe ausgerüstet; nur das größere war[S. 241] vollständig gedeckt, die beiden andern hatten nur am Vorder- und Hintertheil erhöhte Verdecke, waren aber in der Mitte offen. Die Schiffsmannschaft recrutirte sich meist aus den umliegenden Hafenplätzen, aus Moguer, Huelva und aus Palos selbst. Das größte Schiff, die Santa Maria, stand unter dem Befehl des Columbus, auf der Pinta commandirte Martin Alonso Pinzon und außer ihm sein Bruder Francisco Martin als Steuermann, auf der Niña führte Vicente Yañez Pinzon das Commando. Die Mannschaft belief sich im Ganzen auf 120 Köpfe.
Es war ein denkwürdiger Tag, als am 3. August 1492, nachdem die Mannschaft vorher gebeichtet und das Abendmahl genommen hatte, die drei Schiffe den Hafen von Palos verließen und dem unbekannten Weltmeere zusteuerten. Columbus führte von Anfang an ein ausführliches Tagebuch, von welchem uns Las Casas den größten Theil, vielfach in wörtlichen Auszügen, erhalten hat. Die Einleitung erörtert die Beweggründe und Ziele der Fahrt[S. 242] und läßt einerseits die Abhängigkeit des Führers von den Angaben des Toscanelli, andererseits seine religiösen Empfindungen deutlich erkennen.
„Nachdem Ew. Majestäten in dem gegenwärtigen Jahre 1492 den maurischen Krieg beendigt haben in der sehr großen Stadt Granada, in welcher ich, am 2. Januar dieses Jahres, durch die Gewalt der Waffen die königlichen Banner auf den Thürmen der Alhambra aufpflanzen und den maurischen König sich ans Thor begeben und Ew. Maj. die Hände küssen sah, und nach den Erklärungen, welche ich Ew. Hoheiten von den Ländern Indiens und von einem Fürsten, welcher der Großchan, d. h. König der Könige genannt wird, gegeben habe, sowie darüber, daß derselbe wie auch seine Vorgänger nach Rom gesendet hatten, um sich Lehrer unseres heiligen Glaubens zu erbitten, und daß so viele Völker im Unglauben und Götzendienst verloren gingen, beschlossen Ew. Hoheiten als christliche Fürsten und Verbreiter des heiligen christlichen Glaubens und Feinde der Sekte Mohammeds und aller Ketzerei mich, Cristóbal Colon[191] zu den erwähnten Ländern Indiens auszusenden, um die erwähnten Fürsten und Völker und Länder, ihre Lage und ihren Zustand und die Art und Weise zu erforschen, wie man sie zu unserm heiligen Glauben bekehren könne. Sie befahlen mir, nicht zu Lande nach dem Osten zu gehen, wie man gewöhnlich gethan hat, sondern vielmehr den Weg nach Westen einzuschlagen, von dem wir bis jetzt nicht bestimmt wissen, ob er schon von jemand eingeschlagen ist.“ Weiter fügt Columbus hinzu, daß er beschlossen, ein genaues Tagebuch zu führen, genaue Segelanweisungen zu geben und dazu eine Reihe von gemalten Karten zu entwerfen in einem Netz von Breiten- und Längenlinien.
Dieses letztere Vorhaben hat aber der Admiral nicht ausgeführt, er war dazu auch kaum im Stande. Der Admiral steuerte gradenwegs nach den Canarischen Inseln, um unter dem Parallelkreis dieser spanischen Eilande westwärts über Antilia und Cipangu nach Indien zu segeln. Da aber bereits am vierten Tage das Steuer der Pinta beschädigt wurde, mußte man den Hafen in Gomera aufsuchen und sah sich dadurch vier Wochen auf den Canarischen Inseln festgehalten. Erst am 6. September setzte Columbus die Fahrt wieder fort und steuerte mit Nordostpassat nach Westen. Schon am dritten Tage, am 9. September entschloß er sich, eine zwiefache Berechnung der täglich zurückgelegten Meilenzahl zu führen, und in dem jedermann zugänglichen Schiffsjournal kleinere Ziffern aufzuführen, als er selbst die Entfernungen schätzte, um, wie er sagt, die Mannschaft nicht durch die Größe der zurückgelegten Meilenzahl zu erschrecken. Es ist dies wohl der einzige Fall, daß bei einer großen Entdeckungsfahrt ein solches Mittel der Täuschung zur Anwendung gekommen ist: „Am 10. September segelte er 60 Leguas, berechnete aber nur 48, um die Mannschaft nicht zu entmuthigen, wenn die Reise lange dauern sollte.“[192]
Am 13. September, bei Einbruch der Nacht, beobachtete Columbus zuerst die Declination der Magnetnadel, „ein denkwürdiger Zeitpunkt in den Jahrbüchern der nautischen Astronomie“.[193] Die Abweichung gegen NW. nahm am folgenden Tage noch zu. Drei Tage später machte er die Wahrnehmung, daß ein rascher Wechsel des Klimas eintrat.
Schon vom 16. September an, wo die Schiffe zuerst in das Sargassomeer eintraten, glaubte er Anzeichen von der Nähe eines Landes oder von Inseln zu bemerken. Das Schiffstagebuch enthält darüber eine Reihe von Bemerkungen. Am 18. galt ein dunkler Horizont als Zeichen von großer Nähe des Landes; am 19. bildete sich ein Nebel ohne Wind, eine sichere Andeutung von Land. Auch die schwimmenden Tangmassen, welche häufig angetroffen wurden, galten als Beweis dafür. Dieses Tangmeer liegt zwischen 20° und 35° n. Br. und reicht gegen Westen bis an den Rand des Golfstroms. Das Kraut bedeckt die Oberfläche nicht in gleichmäßig dichten Massen, sondern treibt in langen Streifen in der Richtung des herrschenden Windes. Diese Streifen bestehen aus mehreren Reihen von Krautbüscheln, jedes einzelne höchstens einen Fuß lang; es sind vom Strande losgerissene Fragmente, welche absterben und allmählich untersinken, so daß von einer Behinderung der Fahrt eines Schiffes nicht die Rede sein kann.[194]
Der beständig günstige Fahrwind erregte in den Matrosen die Befürchtung, es werde wegen des herrschenden Ostwindes die Rückfahrt sehr erschwert, wo nicht unmöglich gemacht werden. Als am 23. September die Krautmassen wieder dichter die Oberfläche des Wassers bedeckten und das Meer so ruhig und glatt blieb, äußerte sich die Besorgniß des Schiffsvolkes laut: man werde in dieser Gegend niemals einen günstigen Wind zur Rückkehr nach Spanien treffen. Als dann aber das Meer sich erhob, ohne daß ein Wind wehte, und eine rauhe See entstand, waren alle höchlich erstaunt. Bei dieser Gelegenheit bemerkt Columbus: „Diese hoch gehende See war mir ebenso nothwendig als den Juden zur Zeit da die Aegypter auszogen, um Moses zu verfolgen, welcher die Hebräer aus der Knechtschaft befreite.“ Am 25. September besprach sich der Admiral mit Martin Alonso Pinzon über eine Karte, welche er ihm vor 3 Tagen geschickt, und auf welcher in dieser Gegend einige Inseln eingetragen waren. Offenbar handelte es sich dabei um die Karte Toscanelli’s und die etwas südlich vom Schiffscours vermuthete Insel Antilia (vgl. den Globus Behaims). Martin Alonso glaubte diese Insel sogar zu sehen; auch Columbus theilte diese Ansicht und schätzte die Entfernung auf etwa 25 Meilen. In Folge dessen ließ der Admiral gegen West steuern, aber am folgenden Tage klärte sich der Irrthum auf, man war durch das dunkle Aussehen des Horizonts getäuscht worden. Daß aber die Insel Antilia in der Nähe liegen müsse, bezweifelte Columbus nicht. Am 3. Oc[S. 244]tober glaubte er diese Insel bereits hinter sich haben, denn Anzeichen von Land hatte er genug gehabt; aber er wollte seine Zeit nicht mit dem Aufsuchen verlieren, weil Indien sein Ziel war.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß, je länger die Fahrt dauerte, die Mannschaft immer lauter ihre Besorgniß aussprach, vielleicht auch sogar allerlei Drohungen gegen den fremden Führer, gegen den Liguren laut werden ließ, wenn auch die dramatische Ausschmückung dieser Stimmung, welche in der Erzählung von einem Vertrage gipfelt, den Columbus sollte eingegangen sein, einer späteren Zeit angehört. Dennoch sollte der Admiral sich dazu verstanden haben, nach drei Tagen umzukehren, wenn bis dahin das gesuchte Land noch nicht aufgefunden sei. Die Zeugnisse Peter Martyrs und des Columbus selbst sprechen zu deutlich von der schwierigen Haltung der Matrosen. „Die spanischen Begleiter,“ erzählt Martyr, „fingen erst heimlich an zu murren und traten dann offen zusammen. Sie drohten ihren Führer ins Meer werfen zu wollen; sie seien von dem ligurischen Menschen betrogen und ins Verderben gebracht.“[195] Diese Angaben über die bedenkliche Stimmung unter dem Schiffsvolke bestätigt Columbus in seinem Tagebuche, wenn er, am 14. Februar 1493, also auf dem Heimwege, berichtet, daß er schon auf der Hinfahrt viel von den Leuten zu leiden gehabt, weil alle einstimmig erklärt hätten, umkehren zu wollen, und daß sie sich zu Drohungen gegen ihn hätten hinreißen lassen.[196] Vom 7. October an beschloß Columbus, einen südwestlichen Cours beizubehalten. Er wurde dazu durch den Flug zahlreicher Vögel veranlaßt, welche nach dieser Richtung zogen; denn er wußte, daß die Portugiesen der Beobachtung des Flugs der Vögel die Entdeckung mancher Inseln verdankten. Auch am 10. October beklagten sich seine Leute wieder über die lange Dauer der Reise, aber der Admiral belebte ihre Hoffnung auf reichen Gewinn, der in sicherer Aussicht stehe. Uebrigens fügte er hinzu, ihre Klagen nützten nichts, da er unter allen Umständen mit Gottes Hilfe seinen Weg fortsetzen werde, bis er Indien erreicht habe.
So hätte er nicht sprechen können, wenn es wirklich zu einem Vertrage gekommen wäre, der ihn verpflichtet hätte, nach drei Tagen umzukehren.
Columbus war zu fest überzeugt, dem Ziel seiner Wünsche nahe zu sein und fand in den Pinzonen eine kräftige Stütze. Ohne Schwankung war er in den ersten Wochen westwärts gesteuert und wich nur in den letzten Tagen mit bewußter Absicht von dieser Richtung ab.
Sie waren bereits mehr als 750 Meilen von den Canarien entfernt.[197][S. 245] Das Schiffsvolk spähte immer eifriger nach Land aus, denn dem Glücklichen, welcher zuerst dasselbe erblicken sollte, waren reiche Geschenke und eine jährliche Pension von 10,000 Maravedis (etwa 25 Ducaten) verheißen. Da in Folge dessen zu wiederholten Malen der Ruf: Land! erscholl, ohne daß die daran geknüpfte Erwartung sich erfüllte, so wurde bestimmt, daß derjenige, welcher die Gemüther auf solche Weise vergeblich in Aufregung versetzte, in Zukunft keinen Anspruch auf die ausgesetzte Belohnung haben solle.
Aber trotzdem blieben aller Augen mit gespannter Aufmerksamkeit auf den fernen Horizont im Westen geheftet, zumal sich die echten Anzeichen von Land zu mehren schienen. Am Morgen des 7. October gab die Niña, welche vorausgesegelt war, durch einen Kanonenschuß das Signal, daß man Land sehe, aber man mußte wiederum eingestehen, daß man sich getäuscht habe. Die nun folgende Niedergeschlagenheit wurde aber bald wieder gehoben, am 9. October spürte man einen frischen Hauch der Luft, wie wenn er von[S. 246] fernen Blütenbäumen herüberwehe. Am 11. October fischte man bei dem Admiralschiffe einen frischgrünen Zweig, bei der Pinta einen mit Feuer bearbeiteten Stab und einen Zweig mit rothen Beeren aus dem Wasser. Am späten Abend sah Columbus vom hohen Hintercastell seines Schiffes aus einen Lichtschein, der sich vorwärts zu bewegen schien, als ob jemand eine Fackel trage; auch andere, die er herbei rief, glaubten dasselbe zu erkennen. Man befand sich in der That in der Nähe des Landes. Wenige Stunden später, am 12. October, Morgens 2 Uhr, sah der Matrose Rodrigo von Triana auf der Pinta einen flachen, sandigen Strand im Mondschein leuchten; denn man hatte sich dem Lande von der Seite bereits bis auf 2 Seemeilen genähert.
Ein Kanonenschuß verkündete die glückliche Entdeckung den beiden nachfolgenden Schiffen, und so wie es Tag wurde, sahen sie eine anmuthig grüne Insel vor sich liegen. Die Ueberfahrt von den Canarischen Inseln hatte 32 Tage gedauert. Entzückt und mit Freudenthränen im Auge stimmte Columbus den Lobgesang Te deum laudamus an, und alle seine Gefährten stimmten mit ein. Man umringte den noch vor kurzem geschmähten Führer und brachte dem Helden seine Huldigung dar. Leider gönnte der glückliche Entdecker dem Matrosen Rodrigo den verheißenen königlichen Lohn nicht; er erhob selbst Anspruch auf die ausgesetzte Jahresrente, weil er in der Nacht zuvor das Licht in der Ferne gesehen hatte und erhielt wirklich später das Geld ausgezahlt. War es Geiz oder Ehrgeiz? Fast muß man fürchten, daß der schlechtere Beweggrund ihn verleitete.
Die Befehlshaber der Schiffe landeten nun mit bewaffneten Böten. Unter fliegenden Fahnen, welche außer dem grünen Kreuz die Anfangsbuchstaben der katholischen Könige F. und I. zeigten, stiegen sie ans Land und warfen sich nieder, um den Boden zu küssen. Dieses erste Eiland, welches die Entdecker betraten, nannte Columbus San Salvador und weihete es dadurch zu einem Erstlingsopfer dem Heiland der Welt. Bei den Eingebornen hieß es Guanaham oder Guanahani.[198]
Die braunen Insulaner schaarten sich harmlos um die fremden, dem Meere entstiegenen Männer, und Columbus theilte, um sie zutraulich zu machen, kleine Geschenke unter sie aus: Glasperlen, Nadeln und kleine Schellen. Die Leute gingen vollständig nackt, nur einige Weiber trugen eine Art Schürze von Blättern oder Gras oder zu dem Zweck bearbeiteter Baumwolle. Metall war ihnen unbekannt, Waffen trugen sie nicht. Daß sie in der Hautfarbe den Bewohnern der Canarischen Inseln glichen, fand Columbus ganz natürlich, denn die entdeckte Insel lag unter derselben Breite mit Ferro. Und unter denselben Breiteparallelen, so lautete damals ein allgemein gültiger Lehrsatz, haben die Menschen gleiche Farbe, und zwar um so dunkler, je näher dem Aequator. Einige der Insulaner erschienen auch bemalt, schwarz,[S. 247] roth oder mit weißen Streifen im Gesicht oder am ganzen Leibe. Ihr Haar war schwarz und straff.
Facsimile des Titelholzschnittes einer zu Florenz im Jahre 1493 gedruckten italienischen Flugschrift, darstellend die Landung des Columbus. (London, British Museum.)
Bald eröffnete sich ein gewinnbringender Tauschhandel, denn man sah hie und da goldenen Nasenschmuck, den die Spanier für Kleinigkeiten einzuhandeln verstanden. Auf die Frage, woher das Gold stamme, wiesen die Indianer (Indios nannte Columbus sie bereits am vierten Tage) nach Südosten, woraus man also auf das Vorhandensein anderer Länder in der Nachbarschaft schließen konnte; denn wenn die Eingebornen auch Ruderkähne, aus einem Stamme gearbeitet, besaßen, mit denen sie erstaunlich schnell fuhren,[S. 248] so taugten diese Fahrzeuge doch nur zu einem Verkehr zwischen nahegelegenen Inseln oder größeren Landmassen, aber keineswegs zu weiteren Fahrten über den Ocean.
Die Vermuthung, daß noch andere Inseln in der Nähe lägen, wurde durch den weiteren Verkehr mit den Wilden bestätigt, woraus man mittelst der Gebärdensprache soviel verstehen konnte, daß manche unter ihnen im Kampfe mit den über See kommenden feindlichen Stämmen Wunden davongetragen hatten, deren Narben die Spanier an den Insulanern bemerkten.
Bevor wir den weiteren Verlauf der Entdeckungsfahrt schildern, müssen wir die Insel nachzuweisen suchen, welche Columbus zuerst betrat. Sicherlich umwebt ein historischer Glanz jene Stätte, wo die Menschheit der alten und neuen Welt sich zuerst einander entgegen trat, und doch muß man fast mit Beschämung gestehen, daß mit bindender Beweiskraft jene Insel nicht nachzuweisen ist. Nur eine größere oder geringere Wahrscheinlichkeit fällt ins Gewicht und läßt die Schale der Entscheidung sinken. Daß das Geschwader auf eine der flachen Koralleneilande gestoßen, welche als die dritte Gruppe der westindischen Inseln unter dem Namen der Bahama-Inseln am meisten bekannt ist, unterliegt keinem Zweifel; aber welche unter diesen den Ehrennamen S. Salvador verdient, ist streitig.
Die ENTDECKUNGEN des COLUMBUS
auf seiner ersten Reise.
Karte eine Theiles von Westindien, nach der englischen Admiralitätskarte No 761.
Gez. v. C. Riemer.
G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung.
Die Gruppe der Bahama besteht aus 12 größeren Inseln und über 600 Inselchen, ungerechnet die nach Tausenden zu zählenden Seeklippen. Dieselben sind auf einer Strecke von 150 deutschen Meilen in der Richtung von Südost nach Nordwest den großen Antillen vorgelagert und erstrecken sich von dem Norden Haitis bis gegen die Halbinsel Florida. Obwohl über einen so weiten Raum ausgedehnt, umfassen die meist in der Richtung des ganzen Zuges sich hinlagernden schmalen Inseln doch nur einen Flächenraum, welcher nicht ganz die Größe des Königreichs Sachsen erreicht. Sämmtliche Inseln bestehen aus Korallenbauten, welche sich auf submarinen Plateaus von Sandbänken oder Korallenkalk aufgesetzt haben. Ihre Höhe übersteigt nirgend 60 m. Es sind also flache Eilande, meistens auch noch von Korallenriffen umschlossen und mit untiefen Korallenbänken untermischt, zwischen denen die Schifffahrt mit größter Vorsicht betrieben werden muß. Hie und da erheben sich am Strande niedere Kalkklippen. Viele der Inseln sind frisch grün, sogar bewaldet, aber es fehlt an frischen Quellen; die Teiche und Lagunen auf manchen dieser Eilande haben salziges oder brakisches Wasser, weil sie unterirdisch mit der See in Verbindung stehen. Wenn nun auch der Reichthum an Nutzhölzern immerhin erwähnenswerth ist, so konnte doch das Verlangen der Spanier nach Gold und Gewürzen auf den der See entstiegenen flachen Eilanden nicht befriedigt werden. Columbus hielt sich darum auch nur einige Tage an jeder der größeren Inseln auf und tastete[S. 250] an den Korallenbänken und Riffen hin, seinen Weg nach Südwesten, wohin ihn alle Indianer auf seine Fragen nach Gold wiesen. Denn alles Sinnen und Trachten des Entdeckers war auf das edle Metall gerichtet, sein Schiffstagebuch schreibt davon am 15. 16. 19. 22. und 27. October, am 4. 5. 6. 12. u. s. w. November; und grade diesem Verlangen konnten die Bahama-Inseln nicht entsprechen. Darum sind auch die späteren Entdeckungsfahrten nie wieder auf diese Korallengebilde gerichtet, dieselben wurden als gefährlich gemieden und höchstens aufgesucht, um Menschen zu fangen. Hierin haben wir auch einen Grund zu suchen, daß S. Salvador eigentlich verschollen ist. Der Hauptgrund aber, warum man die Insel nicht wieder findet, liegt in der mangelhaften astronomischen Bildung des Admirals. Er hatte sich zwar beim Beginn der Fahrt vorgenommen, neben einer genauen Segelanweisung auch eine Karte von den entdeckten Gebieten zu entwerfen, aber von einer Ausführung dieses Vorhabens ist nirgend mehr die Rede. „Im Tagebuche des Columbus findet sich während der ganzen Fahrt über den Ocean auch nicht eine einzige Breitenbestimmung, und die, welche er in Westindien angestellt haben will, sind so ungeheuerlich, daß sie schon seinerzeit Verdacht erregten; er gibt zum Beispiel an der Küste von Cuba eine Breite von 42° statt 21°. Es läßt sich nun einmal nicht abstreiten, daß Columbus einen sehr geringen Grad wissenschaftlich-nautischer Kenntnisse besaß.“[199] Und allein von diesen Thatsachen ausgehend, darf man behaupten, daß die von der Vida del Almirante zuerst verbreitete Nachricht, Columbus habe in Pavia studirt (s. oben S. 220) auf Unwahrheit beruht; denn auf einer Universität wird man schwerlich gelehrt haben, was die roheste Empirie verräth, daß man die geographische Breite eines Ortes aus der Dauer des Tages abzuleiten habe. Und doch scheint aus dem Tagebuch hervorzugehen, daß Columbus auf diese Weise am 13. December 1492 rechnete. Es fehlt also in Beziehung auf die Lage von San Salvador jedweder Anhalt einer astronomischen Bestimmung; daher konnten die späteren Historiker bei ihren Vermuthungen drei volle Breitengrade von einander abweichen.
Man muß also auf anderem Wege die Lage der zuerst entdeckten Insel zu ermitteln suchen. Es liegt nahe, vor allem die ältesten Karten jener Inselwelt zu Rathe zu ziehen. Allein wir vermissen auf allen Darstellungen bis weit ins 17. Jahrhundert den Namen Salvador, sowie die folgenden von Columbus weiterhin ertheilten neuen Inselbenennungen. Schon die erste, von einem Begleiter des Entdeckers, um 1500 von dem Basken Juan de la Cosa entworfene Karte Amerikas (siehe die Beilage) führt nur die einheimischen Inselnamen und darunter auch Guanahani auf. Aber diese Karte ist hier so ungenau, daß Capitän Becher sie als ein altes Document bezeichnet, das den Namen einer „Karte“ nicht verdiene.[200] In gleichem Sinne[S. 251] haben auch die späteren Kartographen die Bahama-Inseln sehr ungenau dargestellt, weil man sie für ziemlich werthlos hielt. War doch auch Peter Martyr der Ansicht, nachdem er die Antillen genau beschrieben, es sei überflüssig, diese Koralleninseln einer eingehenden Darstellung zu würdigen, weil die Spanier diese armen Inseln, wo man höchstens Fischfang und etwas Landbau treiben könne, aufgegeben hätten.[201]
Es scheint zwar noch einen andern Ausweg zu geben, das fragliche Guanahani zu ermitteln, indem man unter den Bewohnern des Archipels selbst sich erkundigte; denn da der Name von den Eingebornen ertheilt ist und die Sprache der Insulaner vermuthlich wenig Aenderung erlitten haben könnte, so müßte, sollte man meinen, auch der Name der Insel entweder sich noch erhalten haben oder doch noch in Erinnerung geblieben sein. Allein auch dieser Ausweg ist seit mehr als drittehalbhundert Jahren vollständig versperrt: die Urbevölkerung ist ausgestorben oder deutlicher gesagt, durch die Spanier vernichtet, und man darf nicht verhehlen, daß Columbus selbst den Anlaß dazu gegeben. Schon am 13. October schreibt er: „Diese gutartigen Menschen müssen ganz brauchbare Sklaven abgeben.“ Bei seiner Abfahrt entführt er von Salvador mehrere Insulaner mit Gewalt, „damit sie unsere Sprache lernen und uns Auskunft geben können über ihr Gebiet“. Als nun die Königin Isabella durch ein Edikt vom 30. October 1503[202] gestattete, die dem Christenthum und ihren neuen Unterthanen in Westindien feindlichen Canibalen wegzufangen und zu verkaufen, war damit dem Sklavenfang der Stempel der Berechtigung aufgedrückt; und fünf Jahre später erhielt eine spanische Gesellschaft die Erlaubniß, auch die Bahama-Insulaner einzufangen, angeblich um sie so leichter zum Christenthum bekehren zu können. Die ohnehin spärlich bewohnten Inseln waren bereits um 1525 dermaßen entvölkert, daß der fromme Pedro de Isla die letzten Bewohner, nur noch 11 Personen, zusammensuchen und nach Haiti bringen ließ, um sie vor seinen Landsleuten zu retten.[203] Damit war der Urstamm der dortigen Insulaner erloschen, und folglich aus ihrem Munde auch die Lage von Guanahani nicht mehr zu ermitteln.
Die neuern Historiker haben darum den einzigen noch möglichen Weg eingeschlagen, indem sie der von Columbus in seinem Tagebuche gegebenen Beschreibung seiner Fahrt, der Coursrichtung, den abgeschätzten Entfernungen von einer Insel zur andern, und der Schilderung einzelner Oertlichkeiten nachgingen. Die mancherlei Lücken des Berichts, die offenbaren Ungenauigkeiten, die aus falscher Schätzung der Verhältnisse entstanden, die Unklarheiten im Ausdruck haben diese kritische Spürarbeit erschwert und die abweichenden[S. 252] Ansichten verursacht. Die hauptsächlichen Meinungsverschiedenheiten sind auf der, einer englischen Admiralitätskarte entlehnten Darstellung jenes Inselgebiets, welche unserem Werke beigegeben ist (S. 249), zu ersehen.
Wenn wir diese Ansichten nicht historisch, sondern geographisch ordnen, so sehen wir, daß muthmaßlich der Schiffscours auf vier verschiedene Inseln gerichtet ist, welche von Nordwest nach Südost in folgender Ordnung sich aneinanderreihen: Cat Island, Watling Island, Mariguana (oder Mayaguana), Turk Islands.
Nach Cat Island führen den Entdecker W. Irving[204] und Alex. v. Humboldt,[205] nach Watling der treffliche spanische Geschichtsschreiber Muñoz[206] und Capitän Becher,[207] nach Mariguana läßt ihn Varnhagen[208] gelangen, nach den Turk-Inseln Navarrete.[209] Von diesen Erklärungsversuchen ist derjenige Navarretes mit Recht von den Neueren ganz aufgegeben, weil er dem Texte des Reiseberichtes weder nach der Beschreibung der zuerst betretenen Insel, noch in Bezug auf die später eingeschlagenen Course entspricht. Gegen Irving und Humboldt ist in erster Linie beizuwenden, daß Columbus nach dem Wortlaut seines Tagebuches die Insel Guanahani thatsächlich auf der Nordseite umsegelt hat, während nach der Vorstellung der beiden genannten Forscher San Salvador nur an seinem Südende berührt wurde. Ferner aber hat auch die im weitern Verlauf der Fahrt bis zur Nordküste Cubas gedachte Courslinie ihre großen Bedenken, weil dieselbe auf der Westküste von Long Island durch die ganze Breite der Bahamabank führen müßte, wo an manchen Stellen die Wassertiefe wenig über einen Faden mißt. Da Muñoz weiterhin bei der Erzählung der Fahrt zu den andern Inseln in der Bahamagruppe nur allgemein gehaltene Vermuthungen ausspricht über die Identität der von Columbus berührten Inseln, ohne sich eingehend mit der Prüfung der eingeschlagenen Richtungen und der berührten Oertlichkeiten einzulassen, so bleiben nur noch die Hypothesen Bechers und Varnhagens zu vergleichen. Beide haben auf das sorgsamste das Tagebuch des Columbus zu Rathe gezogen und alle darin enthaltenen Angaben für ihre Idee zu verwerthen gesucht. Es läßt sich nicht leugnen, daß für Varnhagen manche wichtige Momente sprechen, daß namentlich die fast rathlos erscheinenden Kreuzfahrten zwischen den nächst San Salvador besuchten Koralleninseln nach den Aufzeichnungen sehr geschickt erklärt sind und zu den angegebenen Courslinien der Schiffe passen. Allein zwei Momente von Bedeutung gestatten nicht, daß wir uns für Varnhagen erklären. Varnhagen hält nämlich Mariguana oder Mayaguana für San Salvador, und grade Mayaguana ist auf allen älteren[S. 253] Karten, von Juan de la Cosa an, neben, d. h. südöstlich von Guanahani eingetragen. Mögen nun auch die früheren Kartographen die Umrisse der einzelnen Inseln noch so ungenau und falsch gezeichnet haben, so ist doch bei allen die klare Ueberzeugung zu erkennen, daß sie Guanahani und Mayaguana als zwei verschiedene Inseln wollen betrachtet wissen. Sodann paßt auch die von Columbus gegebene Beschreibung der Insel nicht recht auf Mariguana. Und in dieser Beziehung trägt Bechers Ansicht entschieden den Sieg davon. Man muß dem englischen Capitän beipflichten, wenn er sagt: „Beides, Lage und Beschreibung dieser Insel (Watling Island) entspricht in jeder Weise dem Journal“ (des Columbus).[210] Man kann sogar behaupten, daß nur Watling auf die Beschreibung paßt, welche der Entdecker gegeben hat. „Diese Insel,“ sagt er, „ist ziemlich groß und ganz flach und hat sehr viel Bäume und viel Wasser und in der Mitte eine sehr große Lagune, aber keine Gebirge.“ Daß die Insel Süßwasserquellen besitzt, ist nicht gesagt.[211] Wir werden uns im Folgenden an die Auffassung von Becher halten, ohne indeß der Ansicht zu sein, daß die Untersuchung schon vollständig abgeschlossen sei.
Von S. Salvador steuerte Columbus nach Südwesten, berührte die kleine Insel Rum Cay und wandte sich von da nach dem Nordende von Long Island, welche er S. Maria de la Concepcion nannte. Westlich davon fand er die dritte Insel, Groß Exuma und gab ihr den Namen Fernandina, zu Ehren des Königs. Widrige Winde hinderten ihn, dieses Eiland zu umsegeln, er kehrte nach Concepcion zurück und segelte, weil die Indianer Samaot oder Saomet als eine Localität nannten, wo man Gold finde, an der Ostseite von Long Island südwärts bis zum Cap Verde und suchte von hier aus, wobei die Schiffe getrennt ihren eigenen Cours gingen, ostwärts das Land Saomet auf. Nach drei Stunden Fahrt tauchte eine neue Insel auf: es war das gesuchte Saomet, jetzt Crooked Insel, an deren Nordwestende die Schiffe sich wieder vereinigten. Sie erhielt den Namen Isabella, nach der Königin. Im Charakter glich dieselbe den übrigen, war schön bewaldet und etwas hügelig. Während die Schiffe an dieser Insel kreuzten, erhielt Columbus bestimmte Nachrichten von einer großen Insel gegen Süden. Die Indianer nannten sie Colba (Cuba), Columbus vermuthete, es sei Cipangu. So ging er am 24. October dahin unter Segel und wollte von da direct nach Quinsay fahren, um dem Großkaan die königlichen Briefe zu überreichen. Er war um so mehr überzeugt, daß er die Wunderinsel Cipangu vor sich habe, weil[S. 254] dieselbe auf den Globen, die er gesehen, und auf den Weltkarten in dieser Gegend angegeben war.[212]
Zuerst ging die Fahrt nach Südwesten und dann, nachdem man am Abend des 26. October auf den Untiefen der Columbusbank vor Anker gegangen war, am folgenden Morgen südwärts. Bei Einbruch der Nacht wurde Land gesehen; da aber der Regen in Strömen fiel, konnte man sich demselben nur mit Vorsicht nähern. Am 28. October liefen die Schiffe in einen prachtvollen Fluß an der Nordküste Cubas ein, wahrscheinlich in Port Nipe. Columbus strebte unaufhaltsam vorwärts; und wenn er auch in begeisterten Worten die Pracht der entdeckten Inseln schildert, er will doch nicht eher anhalten, als bis er in genügender Menge Gold und Gewürze findet, um seine Schiffe damit zu befrachten, denn das ist der einzige Zweck seiner Unternehmung. Auf Cuba entzückten ihn die majestätischen Palmen, welche er von den afrikanischen verschieden fand. Von den Indianern wurde ihm gesagt, man brauche zwanzig Tage, um Cuba zu umschiffen. Es mußte demnach eine Insel sein. Als aber der Capitän der Pinta die abweichende Ansicht äußerte, unter Cuba müsse man eine Stadt verstehen, das vor ihnen liegende Land gehöre zu Asien und das weiter westlich gelegene Gebiet gehöre bereits zum Reiche des Großkaan, da ließ sich auch Columbus willig zu dieser Auffassung, welche seinen Wünschen und Zielen so sehr entgegen kam, bekehren und erklärte im Tagebuch bereits am 1. November: Cuba ist das feste Land von Asien, wir befinden uns vor Quinsay und Zaiton in einem Abstande von etwa 100 spanischen Meilen.[213] Martin Alonso, der Führer der Pinta, war aber zu seiner irrigen Annahme durch ein Wort der mitgenommenen Indianer verleitet, welche, als sie wiederholt die Fundstätten von Gold nachweisen sollten, den Ausdruck Cuba-nacān gebrauchten, was in ihrer Sprache soviel als die Mitte von Cuba bedeuten sollte, während die Spanier das Wort als „Kaan oder Can von Cuba“ deuteten. Später brachte Columbus auch den Ausdruck Caniba, mit dem die furchtsamen Stämme der kleinen Inseln ihre gefährlichen Nachbarn, welche die erschlagenen Feinde verzehrten, mehrfach bezeichneten, mit dem „Kaan“ in Zusammenhang und meinte, unter Canibalen seien die Unterthanen des Großkaan zu verstehen.
In welchem Theile des indischen Meeres er damals sich zu befinden glaubte, wird auch noch durch die befremdende Bemerkung des Tagebuches genauer bestimmt, daß er noch keine Sirenen gefunden habe. Es findet sich nämlich auf dem Behaim’schen Globus zwischen den Inseln, welche westlich von Cipangu gezeichnet sind, die Inschrift: „Hie findt man vil merwunder von[S. 255] serenen und anderen Fischen.“ Man darf wohl annehmen, daß Behaim manche seiner Inschriften von anderen Karten, die ihm in Portugal bekannt geworden waren, entlehnt hat, und daß dergleichen Bemerkungen auf den Weltkarten zu lesen waren, welche der Entdecker eingesehen hatte oder bei sich führte.
Nach allen diesen merkwürdigen Trugschlüssen scheint es nun ganz natürlich, daß Columbus danach strebte, sich möglichst bald mit dem Großkaan in Verbindung zu setzen. Daher schickte er bereits am 2. November zwei Spanier ans Land: Rodrigo de Jerez und den gelehrten Juden Louis de Torres, der Hebräisch, Chaldäisch und sogar etwas Arabisch verstand. Zugleich sandte er mit ihnen zwei Indianer; gemeinschaftlich sollten sie das Land ausforschen, dem König die Briefe aus Spanien überreichen, und sich unterwegs nach Gewürzen erkundigen, zu welchem Zwecke ihnen sogar Proben der verschiedensten Spezereien mitgegeben wurden. An Stelle des Geldes erhielten sie Perlenschnüre, um sich Lebensmittel dafür einzutauschen.
Am vierten Tage kamen diese Abgesandten wieder zurück und erzählten, sie seien 12 Meilen zu einem Orte von 50 Häusern und etwa 1000 Einwohnern gekommen. Man hatte sie nach Landessitte feierlich empfangen und in den besten Häusern untergebracht. Die Indianer küßten ihnen Hände und Füße, weil sie die Fremdlinge für Sendboten des Himmels hielten. Die Vornehmsten des Dorfes trugen sie auf ihren Armen zu dem größten Gebäude und ließen sie niedersitzen; auch die Frauen erschienen sodann und erwiesen ihnen gleiche Verehrung wie die Männer. Auf die Frage nach Gewürzen, von denen man den Eingebornen die Proben vorlegte, zeigten diese nach Süden, wo dergleichen Produkte gedeihen sollten. Bei ihrer Wanderung durch das Land lernten die beiden Spanier auch zuerst die Sitte des Rauchens kennen. Man nannte nicht das Kraut, sondern die daraus gefertigten Rollen, welche man anzündete und deren Rauch man einsog, tabaco. Der Admiral fügte diesem Berichte die Hoffnung hinzu, daß die spanischen Majestäten bald Geistliche herübersenden würden, um die zahlreichen Völker zum rechten Glauben zu bekehren.
Am 12. November lichtete er die Anker, um seine Entdeckungsfahrt weiter fortzusetzen. Mit günstigem Fahrwind steuerte er an der Nordküste Cubas weiter gegen Nordwesten. Mit Entzücken spricht er von dem Reichthum an Gold, Perlen und Spezereien und hofft bald die großen Städte des Kaans zu erreichen. Da sich aber die Küste immer weiter gegen Nordwesten zog, und Columbus fürchtete, in den Winter hineinzukommen (denn nach einer ganz fehlerhaften Beobachtung glaubte er schon bis zur Breite von Spanien, bis zum 42° n. Br. vorgedrungen zu sein), und da ferner seine indianischen Begleiter wiederholt die Insel Babeque als besonders goldreich nannten und behaupteten, dieselbe liege weiter nach Osten, so ließ Columbus am 13. November die Schiffe wenden und wieder nach Osten steuern. Er war etwa bis zum 77½° westlich von Greenwich gelangt.[214]
Am folgenden Tage (am 14. Nov.) glaubte er in der Nähe der zahllosen Inseln sich zu befinden, welche auf den Weltkarten im äußersten Osten, Asien vorgelagert, gezeichnet sind. Diese phantastische Inselwelt fand sich also wahrscheinlich bei Toscanelli in ähnlicher Weise dargestellt, wie auf dem Globus Behaims. Von diesen Vorstellungen war Columbus ganz erfüllt und wie in einem Banne gefangen. Nie hat er sich von diesen Anschauungen losmachen können und schloß dann später daraus, daß, da er nach seiner Schätzung nicht so weit von den Canarien entfernt war, als man nach der Darstellung der ihm vorliegenden Karten erwarten konnte, die Erde einen geringeren Umfang besitze, als die Kosmographen auf die Autorität der Alten hin allgemein annahmen.
Mit widrigen Winden kämpfend ging Columbus an der Nordseite Cubas wieder zurück nach Osten. Als er am 21. November, nahe der östlichen Spitze der Insel, sich genöthigt sah, die Küste zu verlassen und gegen Nordosten weit ins Meer hinauszusteuern, so daß er bereits den halben Weg nach der Bahama-Insel Isabella zurückgelegt hatte, entfernte sich am Abend die Pinta heimlich von den andern Schiffen, um auf eigene Hand das goldreiche Babeque aufzusuchen. Der Admiral selbst wandte sich wieder nach Cuba zurück. Entzückt von der Schönheit dieses Theils der Insel schrieb er am 27. November, tausend Zeugen genügten nicht, alle die Herrlichkeiten zu preisen, und seine Hand sei nicht im Stand, die Wunder, die ihn umgäben, zu beschreiben. In dem milden, lieblichen Klima, welches von demjenigen an der Guineaküste durchaus verschieden sei, befände sich die ganze Mannschaft wohl, nicht ein Einziger sei krank. Aber, setzt er hinzu, die spanischen Majestäten dürften keinen Menschen, der nicht gut katholisch sei, gestatten, dies Paradies zu betreten. „Denn das ist das Ziel der Entdeckungen gewesen, die ich auf Befehl Ew. Maj. gemacht habe, und die nur unternommen sind, den christlichen Glauben zu verbreiten und zu verherrlichen.“
Am 5. December steuerte er von der Ostspitze Cubas, dem C. Maysi, dem er den Namen Alpha und Omega gab, weil er dasselbe für den äußersten Vorsprung Asiens hielt, nach Haiti hinüber und erreichte die Nordwestspitze dieser Insel am folgenden Tage. Wegen der Aehnlichkeit mit südspanischen Landschaften benannte der Entdecker sie Espagnola.[215] Sie schien noch herrlicher als Cuba. „Ihre Berge und Ebenen, ihre Auen und Fluren sind so schön und üppig. Hier könnte man alle Feldfrüchte bauen, alle Arten Vieh züchten,[S. 257] Städte und Dörfer gründen. Die Küste ist reich an Häfen; die Menge und Größe der Flüsse, von denen die meisten Gold in ihrem Sande mit sich führen, übertrifft alles.“ Acht Tage später glaubte er ganz nahe jener Gegend zu sein, wo die Erde die größten Reichthümer birgt, und er hoffte, daß Gott ihn bald in die ergiebigsten Goldfelder führen werde. Dieser lebhafte Wunsch wird zum täglichen Gebet und Stoßseufzer. Möge der Herr nach seiner Barmherzigkeit mich die Goldminen finden lassen! Die letzten Tage der Fahrt waren sehr mühevoll gewesen, Columbus hatte zwei Tage lang kein Auge zugethan. Da die See ruhig geworden, begab er sich am Abend des 24. December, erschöpft von Anstrengungen, in seine Cajüte, um auszuruhen. Er wußte das Steuer in sicherer Hand; aber auch der Pilot hatte das Bedürfniß nach Ruhe empfunden und unverantwortlicher Weise die Leitung des Fahrzeuges einem Schiffsjungen überlassen. So kam es, daß kurz vor Mitternacht die Santa Maria auf eine Untiefe gerieth und auf eine Sandbank stieß. Auf das Geschrei des unerfahrenen Steuermanns eilte der Admiral sofort herbei, allein das Schiff war nicht mehr zu retten. Die bestürzte Mannschaft wollte sich zum Theil auf die nicht weit entfernte Niña retten, fand aber, als sie mit dem Bote dort anlangte, mit Recht keine Aufnahme, denn das Meer war vollkommen ruhig. Als nun aber bei zunehmender Ebbe das Hauptschiff sich stark auf die Seite zu neigen begann, ließ Columbus den Hauptmast kappen, um das Fahrzeug zu erleichtern; aber umsonst, das Schiff neigte sich immer mehr und füllte sich mit Wasser. Da die Windstille glücklicherweise anhielt, wurde mit Hilfe des Capitäns der Niña, Vicente Yañez Pinzon, nicht nur die Mannschaft des gescheiterten Schiffes gerettet, sondern am nächsten Tage ein großer Theil der Ladung geborgen. Hierbei halfen auch zahlreiche Indianer, mit denen Columbus bereits in freundschaftlichen Verkehr getreten war, und deren Häuptling Guacanagari die geretteten Sachen bewachen ließ.
Der Admiral hielt den Schiffbruch für eine unmittelbare Fügung Gottes, der ihn dadurch gleichsam auf die in der Nähe befindlichen, sehr goldreichen Gebiete hinführen wolle.[216] In diesem Glauben wurde er noch besonders durch den Namen einer Landschaft in Haiti bestärkt, welche die Indianer Cibao nannten und welche Columbus, durch die Aehnlichkeit des Klanges getäuscht, für Cipangu hielt. Da nun das Volk sehr gutmüthig schien und viel Gold in der Nähe zu finden sein sollte — hatte man doch den Spaniern schon mancherlei goldenen Zierat und dünne Goldblättchen gegeben —, da ferner der Boden des Küstenlandes eine üppige Fruchtbarkeit zeigte, so beschloß Columbus hier eine Colonie anzulegen, um so mehr, als in dem einzigen kleinen Fahrzeuge, welches ihm noch geblieben war, die ganze Mannschaft[S. 258] nicht untergebracht und nach Spanien zurückgeführt werden konnte. In diesem Plane wurde er noch dadurch unterstützt, daß sich viele Matrosen freiwillig erboten, zurückzubleiben, die sich schmeichelten, durch einträglichen Tauschhandel ihre Goldgier in kurzer Frist befriedigen zu können. So wurde auch der Admiral über den Verlust seines Schiffes bald beruhigt und schrieb am zweiten Weihnachtstage: „Ich hoffe zu Gott, daß ich bei meiner Zurückkunft von Castilien hieher eine Tonne Goldes finden werde, welche die Hierbleibenden eingetauscht haben, und daß diese inzwischen die Goldminen selbst und die Spezereien in solcher Fülle entdeckt haben, daß, ehe drei Jahre vergehen, der König und die Königin die Eroberung Jerusalems in Angriff nehmen können. Denn das war — ich bezeugte es vor Ew. Maj. — mein Verlangen, durch meine Unternehmung die Mittel zur Eroberung Jerusalems zu schaffen. Ew. Maj. lachten darüber und sagten, daß ihnen das gefalle, daß sie aber auch ohne dies bereit seien, die Entdeckungsfahrt zu unterstützen.“ Dies sind, fügt Las Casas hinzu, die eigenen Worte des Columbus.[217]
In der neuen Colonie, welche den Namen Navidad (Weihnachten) erhielt, blieben 39 Spanier zurück. Am 4. Januar 1493 nahm Columbus Abschied und steuerte der Heimat zu. Zwei Tage darauf traf er zufällig wieder mit der Pinta zusammen, welche seit jener Zeit, wo sie im November sich getrennt, zuerst die Insel Groß-Inagua (nördl. von dem Canal, welcher Cuba von Haiti trennt) und dann die östlichen Theile von Haiti besucht hatte. Hier war sie dem Admiral zuvorgekommen und hatte viel Gold eingetauscht, für ein Stück Schnur hatte Pinzon schöne, zwei Finger lange, selbst handgroße Goldstufen erhalten.[218] Martin Alonso kam zum Admiral an Bord der Niña und entschuldigte sich wegen seiner Sonderfahrt, welche nur durch die ungünstigen Verhältnisse veranlaßt und gegen seinen Willen geschehen sei. Columbus glaubte ihm zwar nicht, aber er zeigte sich mit der Erklärung zufriedengestellt, „um den Lockungen des Satans nicht nachzugeben, welcher diese Reise von Anfang an zu hindern gesucht hatte“.
Von nun blieben beide Schiffe zusammen. Am 13. Januar fand der erste blutige Zusammenstoß mit Indianern statt, bei welchem zwei derselben schwer verwundet wurden. Am 16 Januar verließen sie bei dem Cap Samana (19° 18′ n. Br., 69° 8′ w. L. Gr.) die Insel Haiti und steuerten über den[S. 259] Ocean zurück. Die Fahrt ging bis zum 12. Februar ohne Unfall von statten, aber in den folgenden Tagen überfiel sie ein heftiger Sturm. Auf der Niña gelobte Columbus eine Walfahrt nach Loreto und Guadelupe, je nachdem das Los einen von der Mannschaft dazu bestimmte; auch verpflichteten sich alle, am nächsten Lande, wohin sie sich retten würden, im Bußgewande eine Procession zu machen und der heiligen Mutter ihr Dankgebet darzubringen. Als in der Nacht vom 13. zum 14. Februar die Gefahr aufs höchste stieg, und die kleinen Fahrzeuge sich unter der Wuth der Elemente kaum noch über Wasser hielten, so daß Columbus das schlimmste fürchtete, traf er Vorkehrung, um womöglich wenigstens eine Kunde seiner Entdeckungen nach Europa gelangen zu lassen und ließ den auf Pergament geschriebenen Bericht seiner Reise sorgfältig in Segeltuch einpacken und in einem wasserdichten Kistchen verwahrt über Bord werfen, in der Hoffnung, daß die Wellen und die Strömung die Botschaft irgendwohin ans Gestade tragen möchten. Am 15. Februar kam die südöstlichste der Açoren, Sa. Maria, in Sicht, aber erst am 17. konnten sie landen. Die Hälfte der Mannschaft zog in Procession zur Kapelle der Mutter Gottes, aber der portugiesische Gouverneur der Insel Juan da Castañeda ließ sie während der Andacht überfallen und gefangen nehmen. Erst nach Verlauf mehrerer Tage, während welcher das Unwetter von neuem losbrach und auf der unsichern Rhede die Schiffe von den Ankern riß, erhielt Columbus seine Leute zurück, nachdem er den Abgesandten des Statthalters seine königlichen Vollmachten vorgezeigt hatte, welche ihn zu seiner Reise autorisirten. Um sich weiteren Unannehmlichkeiten zu entziehen, ging der Admiral am 24. wieder unter Segel; aber am 3. März Abends brach ein so wüthender Orkan los, daß die Schiffe von einander getrennt und der Segel beraubt ein willenloser Spielball der aufgeregten Elemente wurden. Glücklicherweise beruhigte sich die See am andern Morgen, je näher sie dem Lande kamen und zu ihrem großen Entzücken erkannte die Mannschaft in der hochaufsteigenden Küste das Cintragebirge an der Mündung des Tajo. Das Schiff des Columbus gelangte glücklich in den Hafen von Lissabon, wo sich die Kunde von der staunenswerthen Reise, welche durch das Erscheinen der mitgenommenen Indianer beglaubigt wurde, rasch verbreitete und gewaltiges Aufsehen machte. Das portugiesische Wachtschiff verlangte, Columbus solle an Bord kommen und über sein Unternehmen Auskunft geben; dieser aber, im Bewußtsein seines hohen Ranges als castilischer Admiral lehnte die Forderung ab und sandte nur seine königlichen Vollmachten. Sofort wurde dem Könige Johann II., welcher sich in Valdeparaiso bei Santarem, oberhalb Lissabon am Tajo aufhielt, die Nachricht von dem großen Ereigniß überbracht, und dieser lud den glücklichen Entdecker ein, an den Hof zu kommen. In der am 9. März stattfindenden Audienz wurde Columbus freundlich empfangen, wenn auch der König äußerte, daß nach den wiederholten Schenkungen der Päpste und den Verträgen mit Castilien die neuentdeckten Länder von Rechtswegen ihm gehören müßten. Aus solchen Aeußerungen glaubten einige[S. 260] Hofleute entnehmen zu dürfen, daß sie ihrem Könige einen großen Gefallen erwiesen, wenn sie den Genuesen beseitigten. Sie erboten sich, mit demselben wie von ungefähr Händel anzufangen und ihn zu tödten, um so die Entdeckung für immer zu vernichten. Aber der König wies solches Ansinnen entschieden zurück und entließ seinen Gast unter Gnadenbezeugungen. — Columbus segelte am 13. März von Lissabon ab und langte nach zwei Tagen glücklich an der Barre von Saltes vor Palos an. An demselben Tage kam auch Alonso Pinzon mit seinem Schiffe dahin zurück. Er war nach der Nordwestküste Spaniens, nach Galicien verschlagen worden, hatte von dort aus die erste Kunde der glücklichen Heimkehr an den König von Spanien gelangen lassen und um Audienz gebeten, war aber dahin bedeutet worden, daß er nur im Gefolge seines Admirals zu erscheinen habe. Diese Zurücksetzung kränkte ihn so tief, daß er bald darauf starb. Unzweifelhaft war er der bedeutendste unter den Begleitern des Columbus, was schon daraus hervorgeht, daß er auf eigne Hand auf Entdeckungen ausging, indem er sich von Columbus trennte, wenn auch nicht geleugnet werden darf, daß er durch dieses eigenmächtige Verfahren den Erfolg der kühnen Unternehmung im ganzen in Frage stellte. Erst später hat die spanische Krone diese Verdienste anerkannt, indem sie die Nachkommen Alonso’s in den Adelsstand erhob.
Unter dem Jubel des Volkes zog Columbus in Palos ein und ging von da nach Sevilla. Durch Eilboten wurden die kgl. Majestäten, welche zu jener Zeit in Barcelona Hof hielten, von der glücklichen Heimkehr und dem glänzenden Erfolg der Expedition in Kenntniß gesetzt. Durch ein königliches Schreiben vom 30. März wurde der Entdecker eingeladen nach Barcelona zu kommen; zugleich wurde die Ausrüstung einer großen Flotte nach dem Wunsche des Admirals angeordnet und ihm selbst die Ertheilung der verheißenen Titel und Würden zugesagt. Mit allen Kostbarkeiten und Merkwürdigkeiten Indiens, welche er auf seiner Fahrt gesammelt hatte, und mit einigen der entführten Indier brach Columbus von Sevilla auf und zog wie im Triumphzuge durch ganz Spanien. Die Kunde von den unerhörten Entdeckungen flog durchs Land, überall strömte das Volk zusammen, um den Bezwinger des Oceans zu sehen und seine Wunderdinge anzustaunen. So zog er in der Mitte des April in Barcelona ein.[219] Bei Hofe wurden ihm die höchsten Ehren zu Theil, in öffentlicher Audienz lud man ihn ein sich zu setzen, was als die höchste königliche Gnadenbezeugung galt,[220] und von seiner Fahrt[S. 261] zu erzählen. Da Columbus gegen Ausgang und zum Schluß seiner Reise zwei ziemlich gleichlautende Berichte in Briefform über den Erfolg seiner Entdeckungsfahrt abgefaßt und dieselben, den einen „auf der Höhe der Canarischen Inseln,“ am 15. Februar 1493 unter der Adresse des Geheimsecretärs Luis de Sant-Angel[221] an den König und die Königin gerichtet und den andern von Lissabon aus am 14. März an den königlichen Schatzmeister Rafael Sanchez[222] gesandt hatte, und da in diesen Schreiben der Gesammtgewinn der Unternehmung zusammengestellt ist, so darf man wohl annehmen, daß der mündliche Bericht an die Majestäten in ähnlicher Weise, wenn vielleicht auch in glühenderen Farben und in wärmeren Worten erfolgt ist. Jedenfalls lernen wir aus jenen Schreiben die Anschauungen und Hoffnungen des Admirals deutlich erkennen. Daß er wirklich im indischen Meere gewesen, bezweifelt er keinen Augenblick. Wenn auch die volkreichen Städte und Seeplätze mit ihren Gewürzfrachten, die im äußersten Asien liegen, noch nicht gefunden sind, so haben doch die großen neuentdeckten Inseln so viele werthvolle Produkte, und verheißen in ihren goldführenden Flüssen eine so reiche Ernte des edelsten Metalles, daß das zweite Ziel und die zweite Aufgabe, welche der Entdecker sich gestellt hat, das heilige Land wieder zu gewinnen, bald wird in Angriff genommen werden können. So viel steht fest, daß die Zweifler und Spötter verstummen werden „denn Gott hat auf so wunderbare Weise alles bestätigt, was ich behauptet habe gegenüber den Meinungen hochgestellter, einflußreicher Persönlichkeiten, welche meinen Plan für Träumerei und mein Vorhaben für ein Hirngespinnst hielten“. „Aber daß dieses große Unternehmen so glänzend verlaufen, ist nicht mein Verdienst, sondern dasselbe gebührt dem heiligen katholischen Glauben und der Frömmigkeit unserer Monarchen, weil, was der menschliche Geist nicht zu fassen vermag, doch der göttliche Geist den Menschen gibt. Denn es erhört Gott die Gebete seiner Diener, welche seine Gebote befolgen, auch dann, wenn sie, wie in diesem Falle, Unmögliches zu bitten scheinen. So habe auch ich Erfolg gehabt in meinem Unternehmen, welches bis jetzt menschliche Kraft überstieg; denn wenn bisher einige über diese Inseln geschrieben oder gesprochen haben, so geschah es doch nur in der Form von Muthmaßungen, da noch niemand dieselben gesehen hatte, so daß das ganze fast für Fabel gehalten wurde. Deshalb mögen nun der König und die Königin, die Fürsten und ihre glücklichen Staaten, so wie alle anderen [S. 262] Länder der Christenheit, wir alle, dem Erlöser unserm Herrn Jesu Christo danken, daß er uns einen solchen Sieg verliehen hat. Es mögen Processionen begangen und heilige Feste gefeiert, die Tempel mit grünen Zweigen geschmückt werden. Christus mögen auf Erden jubeln, wie im Himmel, wenn er so vieler Völker bis hieher verlorene Seelen gerettet sieht. Auch wir wollen uns freuen über die Erhöhung unseres Glaubens, über den Zuwachs an weltlichen Gütern, an denen in Zukunft nicht blos Spanien, sondern die ganze Christenheit theilhaben wird.“
Die erste Flugschrift,
welche die Kunde von der Entdeckung Amerikas brachte.
Original im brit. Museum.
Ein Brief des Christoforus Colonus, dem unsere Zeit viel verdankt: Von den neulich entdeckten Indischen Inseln jenseit des Ganges. Um dieselben aufzusuchen war er acht Monate früher unter den Auspicien und auf Kosten des unüberwindlichsten Königs Ferdinand von Spanien ausgesendet. Der Brief ist an den Schatzmeister desselben durchlauchtigsten Königs, an Raphael Sanxis gerichtet, und durch den edlen und gelehrten Aliander de Cosco aus dem Spanischen ins Lateinische übersetzt: am 29. April 1493 im ersten Jahre des Papstes Alexander VI. (Gedruckt in Rom.)
Anfang des Berichts über die ersten
Entdeckungen, nach dem ersten deutschen Flugblatte.
Nach dem Original in der Staatsbibliothek in München.
Dieser Bericht enthält eine freie Uebersetzung des lateinischen Briefes, dessen Anfang Seite 262 gegeben ist. Ein merkwürdiger Uebersetzungsfehler ist bei der Wiedergabe des Namens der vierten Insel begangen, indem man statt Hysabella oder Isabella Isla bella las und durch „schöne Insel“ übersetzte.
Seine schwärmerische Begeisterung, welche der Admiral auch bei dieser Gelegenheit zur Schau trug, mochte recht wohl zu dem eignen Entzücken über die herrliche Natur der neuentdeckten Welt passen und dem beredten Munde des heimgekehrten Helden Ohr und Herz aller Hörer zuwenden. Aber wenn dann die praktischen, nüchternen Fragen herantraten: wo auf der Erde liegt das neue Indien, wie groß sind die bedeutendsten Inseln, dann mußte doch manchem kritischen Geiste hie und da ein Bedenken über die Zuverlässigkeit der Angaben und die Sicherheit der Behauptungen des Columbus auftauchen, zumal derselbe nicht im Stande gewesen war, eine Karte der entdeckten Gebiete zu entwerfen. An der Küste von Cuba war er nach seiner Meinung 107 Leguas in gerader Linie von Osten nach Westen entlang gefahren, ohne das westliche Ende erreicht zu haben; und doch liegt sein Cours nur zwischen 78 n. 74 w. v. Gr. Die Länge der Nordküste Haitis schätzte er gar auf 138 Leguas, während die von ihm besegelte Nordseite der Insel in der That in grader Richtung nur 60 geogr. Meilen lang ist. Aus diesen Irrthümern erwuchsen die Ueberschätzungen der Größe jener Inseln. Cuba war demnach größer als England und Schottland zusammen, Haiti größer im Umfange als ganz Spanien von Catalonien herum bis nach Fuentarabia in Biscaya. Cuba galt ihm, trotz der bestimmten Erklärung der befragten Insulaner, für das Festland von Catayo, Haiti für Cipangu, oder, wie P. Martyr angibt, auch wohl für das Salomonische Ophir. Dazu kommen noch die ganz unbegründeten Breitenangaben dieser Inseln, die Nordküste Cubas soll unter 42° n. Br., der Westen Haitis unter 34°,[223] der Osten unter 26° n. Br. liegen, wenn er die letzte Bestimmung auch nur als Vermuthung gibt.[224] Vor allem aber konnte ihm mit Recht eingewendet werden, daß er nicht gehalten, was er versprochen, daß er Katai nicht erreicht, daß er die eigentlichen Gewürzländer nicht gefunden habe und daß die geringen Goldproben und die zweifelhaften Gewürze die rege gemachten Erwartungen nicht befriedigen könnten.
Darum schreibt auch Peter Martyr kaum einen Monat nach jenem großartigen Aufzuge und Empfang in Barcelona an den Grafen Boromeo ziemlich nüchtern: „Bald darauf (nämlich nach dem Mordanfall gegen den König[S. 266] Ferdinand im December 1492) kehrte von den westlichen Antipoden ein gewisser Cristóbal Cólon zurück, ein Ligure, welcher von meinen Monarchen nur mit Mühe zur Reise nach jener Gegend drei Fahrzeuge erhalten hatte, weil, was er behauptete, als Fabel erschien. Er kam mit vielen werthvollen Dingen heim und brachte namentlich Proben von Gold mit, welches jene Länder von Natur liefern. Doch lassen wir so fern liegende Dinge bei Seite.“[225]
In einem späteren Briefe vom 1. October 1493 an den Erzbischof von Braga bemerkt derselbe fleißige Schriftsteller, Colon habe mehrere Inseln entdeckt an einem Gestade, das er für das indische halte. Angeblich seien es dieselben, welche nach den Kosmographen (Toscanelli?) in dem Ostmeere von Indien liegen sollten. „Ich will das nicht ganz in Abrede stellen; allein die Größe des Umkreises der Erde scheint zu einer andern Annahme führen zu müssen. Doch gibt es Leute, welche meinen, daß die Entfernung zwischen der spanischen Seeküste und dem Gestade Indiens nur gering sei.“[226]
Manche Irrthümer des Columbus wurden auch bald von der Kritik berichtigt oder zu berichtigen gesucht. So sagt Martyr, daß wenn man die Karten genau prüfe, Haiti in der Gegend der Antillen, aber nicht bei Asien liegen müsse,[227] und daß der Admiral die Größe dieser Insel übertrieben habe.[228]
Zunächst aber stand Columbus in der Gunst der Monarchen so fest und wurde so mit Ehren überhäuft, daß auch die kühleren Herzen sich mit ihm zu befreunden beflissen waren. So stand auch Peter Martyr bald mit dem berühmten Entdecker, dem Granden Spaniens, in Briefwechsel und bezeichnete ihn nicht ohne Eitelkeit als seinen intimen Freund.
Am 28. Mai 1493 erhielt Columbus eine neue Bestätigung seiner ausbedungenen Privilegien und Gerechtsame als Admiral und Vicekönig und ein Wappen verliehen, in welchem außer seinem Familienwappen die Wappen von Castilien und Leon und goldene Inseln in blauen Meereswogen enthalten waren. Fünf Anker waren das Abzeichen seiner Admiralswürde und die Umschrift lautete: A Castilla y a Leon Nuevo Mondo dió Colon. (Columbus gab Castilien und Leon eine neue Welt.)
Dann beeilte man sich, den Papst Alexander VI. für die Pläne weiterer Entdeckungen und der damit zu verbindenden Ausbreitung des Christenthums zu gewinnen. Man mußte vor allem gesichert sein vor den Ansprüchen der Portugiesen, denen bereits zu wiederholten Malen durch päpstliche Erlasse alle neuen Erwerbungen in Afrika und Indien sanctionirt und monopolisirt waren. So gelang es auch schon im Mai 1493, die gewünschte Concession von Seiten des Papstes zu erhalten. Die darauf bezüglichen Decrete sind vom 3. und 4. Mai datirt, in denen natürlich die Verkündigung der christlichen Lehre unter den Indianern als ein Gott wohlgefälliges Werk vorangestellt wurde. „Da nun,“ heißt es weiter, „Columbus gewisse weit entlegene Inseln und Festländer (terras firmas mit Anspielung auf Cuba), welche bisher noch nicht gefunden waren, entdeckt hat, so geben wir aus freier Bewegung, ohne Euren (d. h. der spanischen Monarchen) oder irgend jemandes Antrieb, und aus apostolischer Machtvollkommenheit, Euch alle diese neu entdeckten und neu zu entdeckenden Inseln und Länder, so weit sie noch keinem christlichen König gehören, Euch und Euren Erben und verbieten allen anderen, bei Strafe der Excommunication, dahin zu fahren und ohne Eure Erlaubniß Handel zu treiben.“ Da aber bei der zu allgemein gehaltenen Erklärung doch Verwicklungen und Streitigkeiten mit der portugiesischen Krone entstehen konnten, wenn die Entdeckungsbereiche beider Mächte nicht genauer abgegrenzt wurden, so wurde in einem Decret vom folgenden Tage, vom 4. Mai, noch eine Demarcationslinie eingefügt und bestimmt, daß eine meridional gezogene Linie, welche hundert Leguas westlich jenseits der Açoren und Caboverdischen Inseln vom Nordpol zum Südpol laufe, beide Nationen in ihren Unternehmungen von einander halten solle.[229] Die westliche Erdhälfte solle spanisch, die östliche dagegen portugiesisch sein. Es sollte also der Erdball wie ein Apfel halbirt, und jedem Staate eine Hemisphäre zugewiesen werden. Warum man die Scheidelinie hundert Meilen westlich von den bisher bekannten westlichen Inseln verlegte, darf wohl auf die Ansichten und Beobachtungen des Columbus zurückgeführt werden, welcher an der genannten Linie glaubte ein wesentlich anderes Klima, und den Anfang eines neuen Himmels und einer neuen Erde gefunden zu haben.
„Ich erinnere mich,“ schreibt der Entdecker 1498, „daß, so oft ich nach Indien segelte, 100 Leguas westlich von den Açoren sich die Temperatur änderte, und daß dies überall von Norden nach Süden stattfand.“ An einer späteren Stelle desselben Berichtes kommt Columbus noch einmal auf dasselbe Thema zurück. „Wenn ich von Spanien nach Indien segelte, fand ich, sobald ich hundert Meilen (Leguas) westlich von den Açoren zurückgelegt hatte, eine[S. 268] sehr große Veränderung am Himmel und den Gestirnen, in der Temperatur der Luft, in dem Wasser des Meeres, und ich habe diese Erscheinungen mit großer Sorgfalt beobachtet. Ich bemerkte, daß wenn man die genannten 100 Leguas vor den genannten Inseln passirt, von Norden nach Süden, die Compaßnadeln, welche bisher nach Nordosten abwichen, sich nun einen vollen Viertelwind[230] nach Nordwesten wandten, und daß dies stattfand von der Zeit an, wo ich jene Linie erreichte. Und zur selben Zeit trat eine Erscheinung ein, als wenn eine Erhöhung der Erde sich hier fände; denn ich fand die See ganz mit einem Kraut überdeckt, welches Tannenzweigen glich und Früchte wie vom Mastixbaum trug und zwar so dicht, daß ich auf meiner ersten Reise meinte, es sei eine Untiefe, und die Schiffe müßten auflaufen. Sobald wir jenen Strich erreicht hatten, fand sich nicht ein Zweig mehr. Auch bemerkte ich, daß an diesem Punkte das Meer ruhig und glatt und fast nie von einem Winde bewegt war. Desgleichen fand ich, daß von derselben Linie an, gegen Westen, die Temperatur immer milde war, und daß Sommer und Winter sich wenig unterschieden.“[231]
„Diese Stelle,“ bemerkt A. v. Humboldt,[232] „enthält Ansichten der physischen Erdkunde, Bemerkungen über den Einfluß der geographischen Länge auf die Abweichung der Magnetnadel, über die Inflexion der isothermen Linien zwischen den Westküsten des alten und den Ostküsten des neuen Continents, über die Lage der großen Sargasso-Bank in dem Becken des atlantischen Meeres, und die Beziehungen, in welchen dieser Meeresstrich zu dem über ihm liegenden Theile der Atmosphäre steht. Irrige Beobachtungen der Bewegung des Polarsternes in der Nähe der açorischen Inseln hatten Columbus schon auf der ersten Reise, bei der Schwäche seiner mathematischen Kenntnisse, zu dem Glauben an eine Unregelmäßigkeit in der Kugelgestalt der Erde verführt. In der westlichen Hemisphäre ist nach ihm die Erde „angeschwollener“, die Schiffe gelangen allmählich in größere Nähe des Himmels, wenn sie an den Meeresstrich kommen, wo die Magnetnadel nach dem wahren Norden weist; eine solche Erhöhung ist die Ursache der kühleren Temperatur. Wenn man dazu erwägt, daß Columbus gleich nach seiner Rückkehr von der ersten Entdeckungsreise die Absicht hatte, selbst nach Rom zu gehen, um, wie er sagt, dem Papste über alles, was er entdeckt, Bericht abzustatten; wenn man der Wichtigkeit gedenkt, welche die Zeitgenossen des Columbus auf die Auffindung der magnetischen Curve ohne Abweichung legten, so kann man wohl eine von mir zuerst aufgestellte historische Behauptung gerechtfertigt finden, die Behauptung, daß der Admiral in dem Augenblick der höchsten Hofgunst daran gearbeitet hat, die physische Abgrenzungslinie in eine politische verwandeln zu lassen.“
Es ist klar, daß die von Columbus auf einer Meridianlinie zusammengelegten großen Unterscheidungsmerkmale der östlichen und westlichen Welt einen ungeheuren Eindruck auf den Entdecker machen mußten, und daß er die Hemisphäre jenseit der 100 Seemeilen, von den Açoren ab, für die in den alten Weissagungen genannte und durch ihn zuerst betretene „neue Erde“ ansah, von welcher er auch keinen Fußbreit abtreten möchte. Die Merkmale schienen ja auch zahlreich und sicher genug zu sein, um eine erkennbare Scheidelinie zu bilden. Der entschiedene Ausspruch des Entdeckers, daß eine so auffällige Veränderung am Himmel und auf der Erde hundert Leguas westlich von den Açoren sich zeige, konnte dem Papste genügen. Wenn es in dem Erlasse auffälligerweise heißt, die Linie soll 100 Meilen westlich von jeder beliebigen (qualibet) Insel der Açoren oder Capverden gelegt werden, so wird auch dabei unentschieden gelassen, welche Gruppe und welche Insel die westlichste ist. Gegenwärtig wissen wir, daß die westliche der Capverden beinahe 6 Meridiangrade weiter östlich liegt als die äußerste der Açoren; in jenen Tagen, wo bekanntlich noch alle Mittel fehlten zu einer exacten Längenbestimmung, war diese Frage noch nicht entschieden. Und eben bei der Unmöglichkeit, die nach den Angaben des Columbus postulirte Demarcationslinie wirklich ermitteln zu können, sahen sich die beiden Seemächte bald in die Lage versetzt, mit einander in Unterhandlungen zu treten, um diesen Unklarheiten, als möglicher Ursache unendlicher Streitigkeiten, baldigst eine Grenze zu setzen. Denn wie sehr der portugiesische Monarch über seine vermeintlichen Rechte in Bezug auf den Ocean wachte, sieht man daraus, daß er, kurz nachdem er Columbus entlassen hatte, dem Hof in Spanien seine vom Papst sanctionirten Entdeckungsräume nachweisen ließ und sogar mit dem Plane umging, eine Flotte nach der neuen Welt zu entsenden. Seine Gesandten Pedro Dias und Ruy de Pina verlangten in Spanien den Parallelkreis der Canarischen Inseln als Grenze oder Demarcationslinie. Die Spanier sollten nur nördlich von dieser Inselgruppe über den westlichen Ocean segeln und also nur außerhalb der Tropen sich auch in den neuentdeckten Gewässern bewegen dürfen. Man wünschte sie von allem Eindringen in die heiße Zone fern zu halten. Lope de Herrera ging wiederum als Gesandter Spaniens nach Lissabon. So schienen sich durch das Hin- und Wiedersenden der Botschafter die Verhandlungen verschleppen zu wollen, als durch ein anderweites Ereigniß der politische Einfluß Spaniens bedeutend hervortrat und dadurch ein Druck auf Portugal ausgeübt wurde, welcher es zu unerwartetem Nachgeben geneigt machte. Spanien hatte nämlich von Frankreich die Rückgabe der Grafschaften Roussillon und Cerdaigne erlangt. Damit war eine wichtige Streitfrage erledigt, Spanien hatte keinen äußeren Feind mehr zu fürchten und konnte, falls Portugal noch länger gerechten Anforderungen widerstreben sollte, wenn es sein mußte, die Entscheidung der wichtigen maritimen Frage dem Schwerte anvertrauen.
So kam denn am 7. Juni 1494 der berühmte Vertrag von Tordesillas[S. 270] (in Altcastilien am Duero, südwestlich von Valladolid, wo Columbus 12 Jahre später starb) zustande, in welchem die Monarchen Spaniens zunächst die Gerechtsame des Nachbarstaats auf Guinea u. s. w. in vollem Umfange anerkannten und ferner zugaben, daß die Demarcationslinie 270 Leguas über die anfänglich vom Papste genehmigte Grenze hinaus, nämlich auf 370 Leguas westlich von den Capverden verlegt wurde. Nach unserer jetzigen Kenntniß von dem Unterschiede der Lage der westlichen Açoren und westlichsten Capverden können wir hinzufügen, daß der von Spanien noch eingeräumte Meridiangürtel von 270 Leguas sich noch weiter um mindestens 90 Leguas verminderte, weil man nach dem neusten Vertrage nur von den Capverden ausging und die Açoren nicht weiter in die Streitfrage hineinzog.
Da nun der von Columbus über den Ocean zurückgelegte Weg von den Canarien aus mindestens 600 Leguas bis zu den neuen Inseln betrug, so konnte man unbedenklich den mittleren Strich des atlantischen Ocean preisgeben. Was man auf dieser Seite aufgab, erhielt man natürlich, da die Theilungslinie auch über die andere noch unbekannte Erdhälfte hinweglief, auf jener Seite, im Westen wieder. Und gerade hier sollte sich später den Spaniern ein ganz unerwarteter Gewinn zeigen, als es nach Entdeckung der eigentlichen Gewürzinseln fraglich wurde, ob dieselben auf spanischer oder portugiesischer Hemisphäre lägen. Wir werden darüber noch im Verfolg der Weltreise Magalhães’ zu berichten haben. Vorläufig war in dem Vertrag auch noch die Frage offen gelassen, auf welche Weise die Demarcationslinie festzulegen sei, ob durch eine Gradbestimmung oder auf eine andere Weise, „wie es sich am genauesten werde berechnen lassen“. Innerhalb der nächsten zehn Monate nach Ratification des Vertrages sollten von beiden Parteien eine oder zwei Caravelen oder auch noch mehr, je nach Uebereinkommen, auf Gran Canaria zusammenkommen, um durch Piloten und Astronomen, von beiden Seiten gleich viel Personen, die Grenzlinie zu fixiren. Diese Commission sollte von Canaria sich nach den Capverden begeben und von da 370 Leguas weit westwärts segeln, um dann die Entfernung entweder durch Schiffstagereisen oder sonst wie zu bestimmen. Diese von beiden Parteien gemeinschaftlich bestimmte Linie sollte dann für alle Zeiten gültig bleiben.[233] Allein diese Expedition kam nie zustande, vielleicht weil beiderseits keine Autoritäten sich fanden, welche mit Sicherheit die gewünschte Demarcation anzugeben wagten. Ueber diese Linie war man auch noch 20 Jahre später ebenso im Unklaren. Peter Martyr erzählt,[234] wie er in Burgos die Karten der neuen Entdeckungen, nach den Aufnahmen des Amerigo Vespucci, Bartolomeo Colon, Juan de la Cosa, Morales und anderer Castilier, auch auf einem Globus die Entfernungen geprüft und mittelst eines Zirkels den Abstand von der Westspitze Portugals und von den Capverden bis zur Theilungslinie und weiter bis zu den Küsten Brasiliens gemessen habe; aber die Karten[S. 271] stimmten nicht genau überein und nahmen die Küstenabstände der alten und neuen Welt verschieden an, so daß also ein entscheidendes Urtheil nicht gefällt werden konnte.
Wenn auch im atlantischen Ocean kein streitiges Object lag, so mußte doch die Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit der Demarcationslinie nothwendigerweise in Südamerika noch wieder zu Differenzen führen.
Inzwischen war aber bereits der Admiral des indischen Meeres mit einer stattlichen Flotte zum zweiten Male über den Ocean gesegelt, ohne den Abschluß der Verhandlungen abwarten zu können. Juan Rodriguez de Fonseca erhielt die Leitung der indischen Angelegenheiten und mußte, wenn auch widerstrebend, allen Forderungen des Columbus bezüglich der Ausrüstung einer großen und theuren Flotte nachgeben, welche aus 14 Caravelen und drei großen Lastschiffen bestand und 1200 Bewaffnete und Reiter mit an Bord nahm. Es waren Vorkehrungen getroffen, die europäischen Hausthiere in genügender Anzahl nach Westindien zu verpflanzen, sowie Getreide, Gemüse und Weinreben anbauen zu können. Es war nicht mehr ein bloßes Entdeckungsgeschwader, sondern eine Flotte mit Auswanderern; denn es galt die thatsächliche Besitzergreifung der neuen Welt. Columbus wollte nicht allein Admiral des Meeres sein, sondern auch den andern Theil seines neuen Titels „Vicekönig“ durch Gründung von Colonien verwirklichen. Ein großes Gefolge von Beamten und Soldaten mußte diesen Plan unterstützen. Als Geistlicher wurde Fray Bernardo Boïl, ein Benediktiner von Monserrat in Catalonien, mitgegeben, welcher von Rom aus zum apostolischen Vicar in den neuen Ländern ernannt worden war. Auch war der spanische Adel in diesem Seezuge vertreten: Alonso de Hojeda, Juan Ponce de Leon, der Entdecker Floridas, sowie die späteren Statthalter von Cuba und Jamaica, Diego Velasquez und Juan de Esquivel nahmen an dem Zuge theil, welcher ebensowohl glänzenden Gewinn als die mannigfachsten Abenteuer in Aussicht stellte. War dann an geeignetem Platze die erste Niederlassung, in größerem Maßstabe als bei der ersten Fahrt in Navidad, begründet, dann wollte Columbus seine an der Küste Cubas abgebrochenen Entdeckungen wieder aufnehmen und nicht blos bis nach Cipangu und Katai zu den Weltmärkten Ostasiens vordringen, sondern wo möglich von da aus, in derselben Richtung weiter steuernd, den Erdball umkreisen. Es war also auch eine Erdumsegelung geplant, welche der Admiral um so eher auszuführen hoffte, weil er nach den auf der ersten Reise gemachten Beobachtungen überzeugt war, die Erde sei nicht so groß, als die Astronomen und Kosmographen behaupteten.
Am 25. September 1493 brach die Flotte von der Bucht von Cadix auf und steuerte zunächst nach den Canarischen Inseln. Wir besitzen über diese Expedition den Bericht eines Augenzeugen, des Doctor Chanca aus[S. 272] Sevilla, welcher als Arzt die Fahrt mitmachte und in objectiver Weise seine Beobachtungen aufgezeichnet hat.[235]
Am 2. October erreichte die Flotte Gran Canaria und mußte hier und später auch in Gomera einlaufen, weil eines der Schiffe leck geworden war und ausgebessert werden mußte. Erst am 13. October stach man von Ferro aus in See, durchschnitt in 20 Tagen den atlantischen Ocean, wobei Columbus einen südlicheren Weg einschlug, als auf der ersten Fahrt.
Am 3. November, am ersten Sonntage nach Allerheiligen, entdeckte man, unter dem allgemeinen Jubel des Schiffsvolks, das erste Land. Die Piloten schätzten die Entfernung von Ferro auf 780 bis 800 Leguas. Rechts neben der ersten Insel wurde noch eine andere sichtbar. Jene war hoch und gebirgig, diese flach, aber dicht bewaldet. Als es heller Tag wurde, erschienen auf beiden Seiten noch andere Inseln. Die zuerst gesehene erhielt den Namen Dominica. Dieselbe liegt in der Mitte der Reihe der kleinen Antillen, zwischen 15 und 16° n. Br. Columbus erreichte also auf dieser Fahrt die westindischen Inseln an einem Punkte, welcher 8 bis 9 Breitengrade südlicher lag, als bei seiner ersten Unternehmung. Dominica bot aber keinen Hafen, und so steuerte die Flotte nach der zweiten nördlicheren Insel, welche nach dem Admiralschiffe den Namen Maria galante erhielt. Hier stieg der Flottenführer ans Land und nahm, mit dem spanischen Banner in der Hand, von der Insel Besitz. Dieselbe schien aber unbewohnt. Der nächste Tag führte die Entdecker nach der Doppelinsel Guadalupe. Einem Versprechen zufolge, welches Columbus den Mönchen des Klosters von Guadalupe in Estremadura gegeben, erhielt die Insel den neuen Namen. Von der See aus bot sie einen großartigen Anblick dar: vom hohen Gebirge stürzte sich ein prachtvoller Wasserfall ins Thal herab. Die Landung erfolgte bei mehreren verlassenen Hütten, in denen man Lebensmittel und viel, zum Theil verarbeitete Baumwolle fand, aber auch Menschenknochen. Die Insel war also von Menschenfressern bewohnt. „Menschenfleisch ist ihr bestes Essen, Knaben werden verschnitten und zu Festmahlen aufgemästet.“ Von einzelnen gefangenen Insulanern erfuhr man, daß die Bewohner Cariben hießen. Man deutete den Namen auf Canib und dachte sich die Leute als Unterthanen des Großchanes, nach dessen Lande man suchte. So entstand durch Misverständniß und falsche Deutung bald die Bezeichnung der Canibalen für die wilden Stämme, welche ihre Mitmenschen verzehrten. Bei dem Verkehr mit den Indianern leisteten die auf der ersten Entdeckungsreise entführten Bahama-Insulaner als Dolmetscher wesentliche Dienste. Leider waren von den sieben Mitgenommenen nur noch zwei am Leben geblieben. Die Canibalen zeigten offenbar eine höhere Entwicklung als die an Hilfsmitteln armen Bahama-Indianer und verstanden auch bessere Häuser zu bauen. Die einheimischen Freien und die von andern Inseln weggefangenen und zu Sklavinnen gemachten[S. 273] Weiber unterschieden sich durch Bänder von gewebter Baumwolle, welche am Knie und Fußgelenke getragen wurden. Die Sklavinnen ließen sich von den Fremdlingen leicht gefangen nehmen, oder kamen auch wohl aus freien Stücken zu den Schiffen. Von ihnen erfuhr man auch, daß die weiterhin entdeckte Insel Monserrat durch die Cariben erst entvölkert worden sei. Sodann gelangte man zu den Inseln Sa. Maria la Redonda, Sa. Maria la Antigua, San Martin. Sie erhielten ihre Namen nach den spanischen Kirchen, in denen man besondere Gelübde gethan hatte. Dann folgte am 15. November die Entdeckung von Sa. Cruz, Sa. Ursula und der 11,000 Jungfrauen, und endlich tauchte die schöne und fruchtbare Insel Puerto rico, die östlichste der großen Antillen, vor den Augen der Entdecker auf. Die Eingebornen nannten sie Burequen oder Burenquen,[236] der von Columbus zuerst gegebene Name „San Juan Bautista“ fand nicht lange Verbreitung. Hier lebten keine Cariben mehr.
Von dieser Insel aus erreichte das Geschwader am 22. Nov. die Insel Hispaniola; derjenige Theil der Küste, wo man zuerst landete, hieß Haiti. Aber man verweilte nicht lange, sondern strebte der Ansiedlung Navidad zu, welche man nach der Meinung des Admirals in blühendem Zustande und vielleicht auch schon im Besitz reichlichen Goldes, welches von den Indianern so leicht zu erlangen war, anzutreffen wähnte. Aber es sollte bald eine furchtbare Enttäuschung eintreten. Das Vorspiel dazu bot sich ihnen im Hafen von Monte Christi, 12 Meilen von Navidad, dar. Zuerst fand man zwei Leichen nicht weit vom Strande im hohen Grase, unbekleidet und bereits unkenntlich geworden; von denen trug die eine noch einen Strick um den Hals, die andere um die Füße. Am zweiten Tage wurden noch zwei Leichen entdeckt, von denen eine durch ihren großen Bart auffiel; ein sehr verdächtiges Zeichen, weil die Insulaner sämmtlich bartlos waren. Am Abend des 27. November, kurz vor Mitternacht, kam die Flotte vor Navidad an, aber wegen den Klippen blieb man die Nacht auf See und landete erst am folgenden Morgen. Der Admiral ließ zwei Kanonen lösen, um seine Ankunft zu melden und wartete in höchster Spannung auf Antwort. Aber alles blieb still. Statt, wie man gehofft hatte, eine fröhliche, jubelnde Menge sich am Strande versammeln zu sehen, ließ sich in der Nähe des Hafens nur ein einsamer, indianischer Nachen sehen. Bange Ahnung erfüllte das Schiffsvolk. Endlich kam das Boot näher und fragte nach dem Admiral. Die Indianer brachten zwei goldene Masken als Geschenk ihres Königs mit und erwiderten auf die Fragen nach den zurückgebliebenen Spaniern in zurückhaltender, dunkler Weise: diejenigen, welche im Kastelle geblieben seien, befänden sich wohl. Einige seien an Krankheiten gestorben, andere in einem unter ihnen ausgebrochenen Streite erschlagen worden. Ihr Land, berichteten die Indianer ferner, sei von zwei Fürsten, Caonabo und Mayreni überfallen[S. 274] und verheert, die Hütten niedergebrannt. Ihr König Guacamari[237] sei im Kampfe verwundet und habe daher nicht kommen können.
Das hölzerne Kastell in Navidad war bis auf den Grund niedergebrannt, man sollte danach wohl annehmen, es sei von feindlicher Hand vernichtet. Aber auffällig blieb, daß die Indianer in der Nähe sich gegen früher sehr scheu zeigten. Nur mit Mühe wußte man einige zu bewegen, an Bord zu kommen. Hier gestanden sie nun, daß die Spanier sämmtlich todt seien. Aber man fand in der nächsten Umgebung von Navidad keine Leiche. Man durchstreifte nun weiterhin das Land und entdeckte zunächst in einem kleinen aus 7 oder 8 Hütten bestehenden Dorfe, deren Insassen geflohen waren, mancherlei Gegenstände, namentlich Kleidungsstücke, welche den Spaniern gehört hatten. Nach der Stätte der Festung zurückgekehrt, zeigten die inzwischen bereits dreister gewordenen Indianer die Stellen, wo man von hohem Grase überwuchert, die Leichen von eilf Spaniern fand. Dann suchte der Admiral in stärkerer Begleitung den anscheinend kranken Guacanagari auf. Derselbe lag, mit verbundenem Bein, ausgestreckt auf einem Lager, das nach Landesart aus einem von starken Baumwollfäden gefertigten Netzwerk bestand, welches an beiden Enden an die Pfosten der Hütte befestigt war. Es ist die erste Erwähnung der Hängematte. Der König beklagte thränenden Auges den Tod der Spanier. Einige seien an Krankheiten gestorben, andere auf einem beabsichtigten Beutezuge nach den Goldminen im Gebiete Caonabos erschlagen, der Rest in der Citadelle angegriffen und bei der Vertheidigung gefallen. Der begleitende Arzt, Doktor Chanca, welcher über diese Vorfälle ausführlich berichtet hat,[238] erbot sich, den Verwundeten zu heilen. Dieser schien gerne dazu bereit; da es aber in der Hütte zu dunkel war, um die Wunde untersuchen zu können, so mußte er seine Lagerstelle verlassen. Mehr aus Furcht vor den Spaniern, als aus Neigung begab er sich, auf den Admiral gestützt, ins Freie. Er wollte durch einen Steinwurf empfindlich getroffen sein. Als der Verband entfernt war, war keine Verletzung zu bemerken, trotzdem klagte der Indianer über heftigen Schmerz. Unbekannt mit dem wahren Verlauf der betrübenden Katastrophe, konnte Columbus nicht zu einem entscheidenden Schritte bewogen werden. Mehrere seiner Begleiter glaubten entschieden an die Mitschuld Guacanagari und riethen deshalb dem Admiral, den Fürsten gefangen zu nehmen. Aber Columbus lehnte dieses trotz mancherlei Verdachtsgründe ab. Er suchte so lange wie möglich mit den Eingebornen in Frieden zu leben. Auf seinen Plan, die niedergebrannte Festung wieder zu errichten, wollte Guacanagari keine zustimmende Meinung äußern, er wies vielmehr, und wohl auch mit Recht, auf die ungesunde Lage des Platzes hin. So entschloß sich denn Columbus, eine geeignetere Stelle auszusuchen; aber man suchte lange vergeblich nach einer günstigen Oertlichkeit. Man steuerte an der Küste zurück[S. 275] und kämpfte dabei mühsam gegen Wind und Wetter. So vergingen drei Monate, ehe man 10 Leguas östlich von Monte Christi den Fuß ans Land setzte und hier sich zu befestigen beschloß. Die neue Burg erhielt den Namen Isabella. Daneben wurde der Plan zu einer Stadt entworfen, in welcher die Hauptgebäude aus Stein errichtet werden sollten. Jetzt finden sich nur noch einige Trümmer dieser Anlagen, alles ist mit Wald bedeckt; denn es zeigte sich bald, daß auch dieser Platz ein ungesundes Klima hatte, welches den dritten Theil der neuen Ankömmlinge aufs Krankenlager warf. Selbst der Admiral blieb nicht verschont und konnte in Folge dessen ein Vierteljahr lang sein Tagebuch nicht fortführen.
Von der Willfährigkeit der Indianer äußerte Chanca:[239] „Ich glaube, wenn wir mit dem Volke sprechen könnten, würde man es leicht bekehren können, denn sie machen alles nach, beugen die Knie vor den Altären und machen bei dem Ave Maria sowie bei den anderen Ceremonien das Zeichen des Kreuzes. Sie sind zwar Götzendiener, denn man findet in allen Hütten Götzenbilder; aber sie wünschen Christen zu werden.“ Die Gegend schien reich an werthvollen Produkten, man glaubte mancherlei Gewürze, Zimmt und Muskatnüsse entdeckt zu haben und sammelte Wachs und Baumwolle. Besonders aber lockte die Kunde von Goldfeldern, welche im Innern der Insel, 25 bis 30 Leguas von der Küste entfernt, in einer Landschaft, Namens Cibao, liegen sollten. Im Januar 1494 machte sich der muthige Alonso Hojeda mit 15 Begleitern auf den Weg, kam nach 7 Tagen ans Ziel und brachte als besten Beleg für den Erfolg seines Streifzuges aus den Bächen gesammelten Goldsand mit.
Nachdem Columbus am 2. Februar sodann 12 Schiffe unter Antonio de Torres nach Spanien zurückgeschickt hatte, theils um die Kranken heimzubringen, welche bei dem zunehmenden Mangel an guten Lebensmitteln sich nicht erholen konnten und der Colonie zur Last fielen, theils um den spanischen Majestäten einen Bericht über den Verlauf seiner Reise zu überreichen, brach er selbst mit einer größeren Schar nach dem Goldlande auf. Mit kriegerischer Musik und mit fliegenden Fahnen zog er durch die Dörfer, erreichte am 16. März das Bergland von Cibao und ließ dort zum Schutze für die Goldgräber aus Holz und Erde ein festes Haus anlegen, in welchem eine Besatzung von 56 Mann unter dem Befehle des Pedro Margarita zurückblieb. Columbus kehrte dann wieder nach Isabella zurück. Er war der Ueberzeugung, das Ophir Salomos gefunden zu haben.[240] Den unerwartet reichen Goldfund bestätigt auch Chanca am Ende seines Berichtes. „Seit Anfang der Welt ist kein solches Wunder gesehen oder davon gelesen. Man wird Gold in solcher Menge mitbringen, daß man staunen soll. Man mag mich[S. 276] vielleicht für einen Schwärmer halten; aber Gott ist mein Zeuge, daß ich auch nicht im mindesten übertreibe.“
Dann schickte sich Columbus an, nachdem er von den wiederholten Fieberanfällen genesen war, den Plan seiner ersten Reise wieder aufzunehmen und den Weg nach Katai zu vollenden. In der Niederlassung ließ er seinen Bruder Diego als Statthalter zurück und lichtete am 24. April die Anker, um zunächst nach Cuba zu segeln. Am folgenden Tage erreichte er mit seinen drei Schiffen Niña, S. Juan und Cardera die Insel Tortuga und steuerte am 29. April von der Nordwestspitze Haitis, von dem Cap S. Nicolas, nach der Südküste Cubas hinüber.
Während Columbus an dieser Küste entlang fuhr, näherten sich ihm die Indianer zutraulich in ihren Böten und brachten Früchte, Fische, Wasser, oder luden ihn ein ans Gestade zu kommen und ihre Gastfreundschaft anzunehmen. Wenn sie nach Gold befragt wurden, wiesen sie in der Regel nach Süden. Ihrem Fingerzeige folgte der Admiral, verließ am 3. Mai das Gestade von Cuba und steuerte nach Südwesten. Am 2. Tage erreichte er die Mitte der Nordküste Jamaicas, deren landschaftliche Schönheit ihn über alles entzückte, so daß er sie nur mit den Wohnungen der Seligen vergleichen zu können meinte, und nannte die Gegend daher Santa Gloria und den zuerst gefundenen Hafen Santa Anna. Da er aber zur Ausbesserung seines leck gewordenen Hauptschiffes einen günstigeren Ankerplatz wählen wollte, richtete er den Lauf seiner Schiffe wieder nach Westen bis zum Hafen, der noch heute Puerto bueno heißt. Die Insulaner zeigten sich weit kriegerischer als auf Cuba, umschwärmten in ihren Kähnen unter wildem Geschrei seine Schiffe, schossen ihre Pfeile ab und schienen eine beabsichtigte Landung ernstlich hindern zu wollen. Aber man vertrieb die Indianer leicht durch einige Schüsse, ganz besonders aber dadurch, daß man große Bluthunde auf sie hetzte. Als die Einwohner, welche vor solchen unbekannten Angriffswaffen zurückwichen, in den folgenden Tagen sich wieder ermannten und allmählich näherten, zeigten sie sich in ihrer Haltung wesentlich verändert, sie begannen sogar den üblichen Tauschhandel mit den Spaniern. Man bemerkte mit Vergnügen, daß sie in manchen Dingen sich weiter entwickelt zeigten als auf Cuba, ihre großen, bis zu 96 Fuß langen und 8 Fuß breiten, aus einem Stamm gefertigten Kriegsböte waren an beiden Enden mit Schnitzwerk hübsch verziert; aber, was man vor allem bei ihnen suchte, Gold, war nirgends zu finden. Darum verließ Columbus, nachdem sein Schiff wieder in Stand gesetzt war, die Insel, der er den Namen Santiago gab, und kehrte, nordwärts steuernd, wieder nach Cuba zurück. Vom Cap Santa Cruz, wo das Gebirge an der Südostküste jener Insel endigt, drang er in das Labyrinth von Klippen und kleinen zum Theil grünbewachsenen Inseln ein, welche den größten Theil der Südküste Cubas umsäumen. In diesem „Garten der Königin“, wie Columbus diesen Theil Westindiens nannte, hatte er, unter täglich wiederkehrenden Gewittern mit tausend Gefahren zu kämpfen[S. 277] und mußte die äußerste Wachsamkeit üben, um seine Fahrzeuge sicher hindurchzuführen. Die unzähligen kahlen Korallenbänke und grünen Eilande, die er um sich sah, hielt er für jenen Archipel, welcher nach Marco Polos Erkundigungen östlich von Cim (China) liegen und über 7000 Inseln umfassen sollte.[241] Von diesem wunderbaren Inselgarten erzählt auch eine Inschrift auf dem Globus Behaims, westlich von Cipango, also in jener Weltgegend, wo sich Columbus bereits zu befinden glaubte. Er athmete ja auch die Wohlgerüche, die von den mancherlei Gewürzbäumen und prächtigen Blumen übers Wasser zu ihm herüberwehten.
In Kreuz- und Querfahrten, bald nach Norden, bald nach Westen steuernd, tastete der Admiral in dem gefährlichen Wundergarten weiter, ohne die Küste von Cuba aus dem Gesicht zu verlieren. Unzählige buntfarbige Fische tummelten sich in den klaren Gewässern, die Muscheln umschlossen kostbare Perlen, das Meer wimmelte von großen Schildkröten.[242] In seiner Meinung, in Cuba bereits das Festland von Asien erreicht zu haben, wurde er von neuem durch die falsche Deutung eines Namens bestärkt, als er von den Eingeborenen erfuhr, daß weiter im Westen ein großer Fürst namens Magon wohne. Magon und Mango waren identisch, und Mango war der König von Mangî (China). Er gelangte endlich zu der größern Insel de Pinos, nahe dem Westende Cubas. Auf Befragen hatten die Cubaner erklärt, daß man die Grenzen ihres Landes nicht kenne, er könne wohl noch 20 Tage weiter fahren, ehe er das Ende erreiche. Nach seiner Berechnung war er bereits 335 Leguas an diesem großen Lande entlang gesegelt,[243] welches er mit größter Bestimmtheit für den Anfang Indiens erklärte. Er wähnte, nur noch 2 Sonnenstunden (also 30 Meridiangrade) von dem goldenen Chersones — mit diesem Namen bezeichnete man seit dem Alterthum die Halbinsel Malaka in Hinter-Indien — entfernt zu sein.[244] So schmal dachte er sich den noch völlig unbekannten, noch nie betretenen Abschnitt auf dem Erdball. Als er dann der Insel de Pinos gegenüber die Küste Cubas sich nach Süden wenden sah, war auch der letzte Zweifel gehoben: denn die asiatische Küste[S. 278] lief nun, nach seiner Meinung, in südöstlicher Richtung bis zum goldenen Chersones weiter. Bei der Insel Evangelista, denn so nannte er die Isla de Pinos, nahm er neue Vorräthe an Wasser und Lebensmitteln ein. Wäre er nur noch einen oder höchstens zwei Tage weiter gesegelt, so hätte er das Ende des vermeintlichen Continentes erreicht. Schon von der Höhe des Mastes aus hätte man das freie Meer westlich vom Cap S. Antonio sehen können. Leider nöthigte ihn der üble Zustand seiner Schiffe zur Umkehr, so daß er die eigentlich beabsichtigte Fahrt um Indien, wodurch er eine erstmalige Erdumsegelung zu beschließen hoffte, aufgeben mußte. Aber er nöthigte auch noch die gesammte Mannschaft, ein von dem Schreiber Fernan Perez de Luna aufgesetztes Protokoll zu unterzeichnen, in welchem sie sich alle bei schwerer Ahndung zu der verkehrten Ansicht ihres Admirals bekennen mußten, daß man die Provinz Mango vor sich habe.[245] Das geschah am 12. Juni 1494.
Dann wandte sich Columbus wieder nach Osten. Bei ungünstigem Wetter legten die Schiffe den gefährlichen Weg noch einmal unter steten Sorgen zurück. Am 6. Juli gerieth die Niña auf den Strand, wurde zwar mit großer Anstrengung wieder flott gemacht, war aber dabei dermaßen beschädigt, daß man, behufs der Ausbesserung, in der Bucht bei Cap S. Cruz landen mußte. Erst nach 10 Tagen konnte die Fahrt weiter fortgesetzt werden. Am 8. Juli wurde das Cap S. Cruz dublirt und am 20. Juli ging Columbus nach Jamaica hinüber, um diese Insel auch auf der Südseite zu erforschen. Das Land entzückte durch seine Schönheit und Fruchtbarkeit. Von der Menge seiner Bewohner zeugten die zahlreichen Dörfer an der Küste. Auch hier mit widrigen Winden kämpfend, gelangten die Schiffe erst am 19. August an die Ostspitze Jamaicas (das heutige Cap Morante). Am folgenden Tage sah man eine neue Küste vor sich aufsteigen. Das nächste Vorgebirge erhielt den Namen S. Michael (jetzt Cap Tiburon); es war die Westspitze von Haiti erreicht. Gewißheit darüber, daß man die Insel ihrer Niederlassung glücklich wieder gefunden, gewann man erst am zweiten Tage, als einige Indianer am Strande den Seefahrern außer einigen spanischen Ausdrücken auch das Wort „Almirante“ zuriefen.
Bald darauf jagte ein Sturm das kleine Geschwader auseinander, doch fanden sich die Fahrzeuge nach sechs Tagen glücklich wieder zusammen, segelten[S. 279] nach der kleinen Insel Beata weiter, welche mitten vor der Südseite Haitis liegt, entdeckten die reizende Bucht an der Mündung des Neivaflusses und empfingen hier von den Eingebornen die frohe Kunde, daß neue Schiffe von Spanien bei der Colonie angelangt seien. Um seine bevorstehende Ankunft zu melden, sandte Columbus neun Mann mitten durch die Insel nach seinem Blockhause S. Thomas und setzte dann seine Fahrt weiter fort. Die Schiffe wurden durch Sturm und Unwetter von einander getrennt. Der Admiral selbst, der aus gewissen Anzeichen den Ausbruch desselben vorhergesehen, brachte sein gebrechliches Fahrzeug noch bei Zeiten in den geschützten Canal, welcher von der Insel Saona (nahe der Südostecke Haitis) und der Hauptinsel gebildet wird. Aus einer Mondfinsterniß, welche er hier beobachten konnte (14./15. September), berechnete er den Abstand von Cadiz bis Saona auf fünf Stunden 23 Minuten[246] (oder 80° 45′). Nach Ablauf einer bangen Woche konnten sich die drei Schiffe wieder vereinigen. Zwar beabsichtigte der Admiral noch weiter nach Osten zu gehen, Puertorico und die kleinen Antillen vollständig zu entdecken und zugleich die unbändigen Cariben zu züchtigen, allein als er die kleine zwischen Haiti und Puertorico gelegene Insel Mona am 24. September erreicht hatte, brach seine Kraft zusammen. Die übermenschlichen Anstrengungen, die steten Aufregungen der gefahrvollen Reise, (er hatte 32 Nächte nicht geschlafen) hatten seine Energie übermannt. Er brach zusammen und verfiel in eine tiefe, einer Ohnmacht ähnliche Schlafsucht. Alle weiteren Pläne wurden aufgegeben und noch zweifelnd, ob sie ihren Admiral am Leben erhalten könnten, richteten die Piloten den Lauf der Schiffe gegen Nordwesten und segelten nach Isabella, wo sie am 29. September anlangten. Hier erholte sich Columbus bald wieder unter entsprechender Pflege und konnte nun mit Befriedigung die Resultate seiner zweiten Entdeckungsfahrt überblicken, auf welcher ein Gesammtbild von den vier großen Antillen gewonnen war, von denen Haiti und Jamaica vollständig, Cuba fast ganz umsegelt worden war. Wäre er hier nicht durch seine kosmographischen Autoritäten irregeleitet und wie in einem Zauberbanne gefangen, welcher ihn die Inselnatur Cubas nicht erkennen ließ; so hätte er seine weiteren Entdeckungen an jenem Westende der Insel wieder aufnehmen müssen, und wäre vielleicht schon nach dem Goldlande Mexiko gelangt. So aber traute er den Angaben der Indianer zu sehr, welche ihn bei allen Fragen nach Gold immer nach Süden wiesen, und suchte darum auf seiner dritten Reise einen südlichern Weg schon über den Ocean einzuschlagen.
In seiner Colonie fand Columbus eine unerwartete, aber sehr willkommene Stütze an seinem Bruder Bartholomäus. Derselbe war schon vor[S. 280] Beginn der ersten Reise in seines Bruders Auftrage nach England gegangen, um dem britischen Könige Vorschläge behufs einer Fahrt nach Indien zu machen, und war 1493, ehe ihm selbst sichere Kunde von dem Erfolge seines Bruders zugekommen war, von dem Könige Heinrich, welcher directe Nachricht von der Entdeckung der neuen Welt erhalten hatte, mit dem Versprechen entlassen, die Pläne des Christoph Columbus unterstützen zu wollen. Bartholomäus eilte über Frankreich nach Spanien, wo er, für den ihm in England gewordenen Auftrag allerdings zu spät, eintraf, aber doch bei Hofe sehr wohlwollend aufgenommen wurde und durch sein festes männliches Auftreten, durch seine gewandte Rede und seine nautischen Fertigkeiten sich bald einen günstigen Boden bereitete. Man ertheilte ihm den Titel eines „Don“ und übergab ihm die Führung dreier Schiffe, welche, mit den von dem Admiral erbetenen Vorräthen und Hilfsmitteln versehen, nach Haiti abgehen sollten. Columbus erhielt zugleich Nachricht von dem mit Portugal abgeschlossenen Theilungsvertrage und fand in dem Briefe der Monarchen vollständige Zustimmung zu den bisher von ihm getroffenen Maßnahmen. Auch noch andere in demselben Jahre 1494 einlaufende Briefe ließen in schmeichelhafter Weise die ungeminderte Gunst des Hofes erkennen. Aber neben diesen erfreulichen Zeichen seiner wachsenden Macht fand der Vicekönig von Indien unter den Spaniern Mißstimmung, Unzufriedenheit, Aufruhr. Der Geistliche Boïl, dem man das Seelenheil der Indianer anvertraut, war seines mühevollen Amtes überdrüssig geworden, der Anführer der Truppen, Margarit, der sich den Anordnungen des vom Admiral eingesetzten Statthalters nicht gefügt hatte: beide verließen auf den Schiffen, mit denen Don Bartolome Colon gekommen war, die Ansiedlung und kehrten nach Spanien zurück. Unter den spanischen Truppen war die Manneszucht in bedenklicher Weise gelockert. „Margarit,“ sagt Muñoz,[247] „brachte unter unsere Leute die Pest der Zwietracht und veranlaßte bei den Indianern einen tödtlichen Abscheu gegen den spanischen Namen. Er hielt das Kriegsvolk beständig in der angebautesten und wohlversehensten Gegend der Vega-Real (Königsgau), wo es schwelgen und sich alle Freiheit erlauben durfte.“ Dieser Uebermuth der Soldateska trieb die Indianer aus ihrer Schlaffheit auf, die bedeutendsten und mächtigsten Häuptlinge der Insel traten zu einem Bunde zusammen, um die fremden Eindringlinge zu vernichten. An der Spitze der Verschwörung stand Caonabo. Diesen gefährlichsten Gegner zu beseitigen, übernahm der verwegene Alonso Hojeda, welcher mit einer Handvoll unternehmender Gesellen den feindlichen Caziken aufsuchte und unter der Vorspiegelung besonderer Auszeichnung zu bereden wußte, sich mit glänzenden Handfesseln schmücken zu lassen, an denen kleine Glöckchen, woran die Indianer ganz besonders Gefallen fanden, befestigt waren. Der auf solche Weise bereits halbgefangene Häuptling mußte sich dann zu Hojeda auf sein Roß setzen, um dergestalt, mit den neuen Abzeichen eines[S. 281] hohen Ranges geschmückt, in der Mitte seines Volkes zu erscheinen. Statt aber in das Dorf, wie versprochen war, einzureiten, jagte Hojeda mit seinem Gefangenen der Küste zu; die Indianer aber wurden durch das kühne Auftreten des spanischen Ritters und durch das ihnen unbekannte Roß so in Schrecken gesetzt, daß sie zu spät an die Befreiung ihres Herren dachten. Hojeda kam glücklich, wenn auch erschöpft und halbverhungert, mit seinem Gefangenen in Isabella an, wo er den Caziken in die Burg ablieferte. Caonabo blieb hier, sorgfältig bewacht, bis er von Columbus selbst auf seiner Rückreise mit nach Spanien genommen wurde; aber er starb auf der See.
Der Admiral sah sich aus verschiedenen Ursachen bewogen, im Frühjahr 1496 nach Spanien zurückzukehren. Zwar war von Seiten der Regierung ein strenges Verbot ergangen, welches allen privaten Handel mit der neuen Colonie untersagte, daneben war es aber jedem Spanier gestattet, dahin auszuwandern, und überdies durften Handelsschiffe zur Aufsuchung neuer Länder über den Ocean und überall, ausgenommen in Haiti, Handel treiben. Dadurch wurde offenbar das dem Entdecker der neuen Welt gegebene Privilegium verletzt. Columbus wollte daher seine Gerechtsame persönlich wieder in Erinnerung bringen, außerdem aber den Anfeindungen und Verleumdungen, welche bereits gegen ihn und seine Verwaltung laut wurden, entgegen treten. Bei dieser Gelegenheit sollten auch mehr als 200 Colonisten, welche dem Lande zur Last lagen und auf Staatskosten erhalten werden mußten, zurück gebracht werden. So verließ denn der Admiral, nachdem er die Verwaltung der Insel seinem Bruder Bartolome als Adelantado übertragen hatte, am 10. März 1496 mit zwei Schiffen, 225 Spaniern und 30 Indianern Haiti, steuerte durch die Reihe der kleinen Antillen, berührte Guadalupe und langte am 11. Juni in Cadiz an.
Wiederum zog der Entdecker, wie bei seiner Rückkehr von der ersten Fahrt, mit prunkendem Gefolge durch Spanien an den Königshof. Die vornehmsten Indianer wurden mit goldenem Schmuck behängt, den sie recht augenfällig zur Schau tragen mußten. Andere zeigten Gewürze und feine Hölzer. Dadurch sollte der Glaube an den Reichthum der neuen Länder wieder aufgefrischt und beim Volke verbreitet werden. Durch die Sicherheit seines Auftretens wußte er selbst seiner Behauptung, in Haiti das Ophir Salomos gefunden zu haben, Eingang zu verschaffen. Zwar waren die Zeitverhältnisse seinen weiteren Plänen wenig günstig, denn einerseits war Aragonien mit Frankreich in Krieg verwickelt und alle verfügbaren Mittel und Kräfte des Landes wurden gesammelt, um das Königreich Neapel den Franzosen wieder zu entreißen, andererseits war die große Gönnerin des Columbus, die Königin Isabella, durch Familienangelegenheiten, durch die bevorstehende Vermählung ihrer Kinder, des Infanten Don Juan und der Infantin Dona Juana mit den Kindern des Kaisers Maximilian, dem Erzherzog[S. 282] Philipp und der Prinzessin Margarethe von Oesterreich, vollständig in Anspruch genommen. Trotzdem fanden die spanischen Monarchen noch Gelegenheit, den Bericht des Admirals anzuhören und ihm die wiederholte Versicherung ihrer Gunst auszusprechen. Wenn somit auch nicht sofort zur Ausrüstung eines neuen Geschwaders verschritten werden konnte, so fand Columbus doch Gelegenheit, sich seine Privilegien von neuem bestätigen und die Rechte eines Admirals neu verbriefen zu lassen. Auch die eigenmächtig vorgenommene Ernennung seines Bruders Bartolome zum Statthalter (adelantado) wurde nachträglich bestätigt. Eine neue Verzögerung erlitt die Vorbereitung zur dritten Reise durch den unerwarteten Tod des spanischen Thronerben Don Juan, am 4. October 1497. Die bereits für die indischen Unternehmungen bewilligten Gelder mußten für den französischen Krieg verausgabt werden, so daß erst im Januar 1498 zwei Schiffe mit Vorräthen nach Haiti, zur Versorgung der Colonie, vorausgesendet werden konnten. Die fortdauernden Störungen seines Planes, die in einflußreichen Kreisen offen zu Tage tretende Misgunst gegen seine kostspieligen Unternehmungen lasteten schwer auf dem ungeduldig harrenden Admiral und verstimmten ihn tief. Da für eine neue, auf der Südseite der Insel anzulegende Colonie sich nur mit Mühe eine hinlängliche Anzahl von Auswanderern freiwillig aufbringen ließ, so verfiel Columbus auf den gefährlichen Gedanken, sein indisches Reich mit Sträflingen zu bevölkern. Die spanischen Gerichte erhielten die Anweisung, alle Verbrecher, welche mit Verbannung bestraft werden mußten, nach Indien zu verweisen. Auch die portugiesische Regierung hatte bei den Fahrten Gamas und seiner Nachfolger zu dem Mittel gegriffen, einige Verbrecher zur Ausführung lebensgefährlicher Unternehmungen, Kundschaften und dergleichen mit an Bord zu senden; Columbus ging aber in seinem Plane weiter, und machte die Verbrecher zu Colonisten, welche in der jungen, nur mühsam zu erhaltenden Ansiedlung die Elemente der Unzufriedenheit und Gährung verstärkten. Dazu kam der immer mehr zu Tage tretende Zwiespalt des Admirals mit dem Bischof Fonseca als dem Leiter des indischen Amts, welcher sich den zu hohen Anforderungen des Columbus überall widersetzte. In Folge dieser Misstände und des Miskredits, dem die indischen Angelegenheiten bereits unterlagen, konnte Columbus erst am 30. Mai 1498 die Rhede von San Lucar de Barrameda an der Mündung des Guadalquivir mit sechs Schiffen verlassen und in See gehen.
Um französischen Kaperschiffen, welche ihm vom Cap S. Vicente aus den Weg verlegen wollten, auszuweichen, steuerte der Admiral auf einem Umwege nach Madeira, wo er sich sechs Tage aufhielt, und dann weiter nach den Canarien. Auf der Höhe der Insel Ferro entsandte er drei Schiffe direct nach Haiti und gebot ihnen denselben Cours einzuschlagen, welchen er 1493 genommen hatte, und an der Küste Hispaniolas entlang zu seiner Colonie zu segeln, um derselben neue Hilfsmittel zuzuführen. Er selbst ging weiter gegen Südwesten nach den Capverden, indem er ein größeres Schiff und zwei Caravelen[S. 283] bei sich behielt. Seine Absicht war, die heiße Zone aufzusuchen und in der Nähe des Aequator über das Weltmeer nach Westen zu steuern, denn hier hoffte er die kostbarsten Produkte zu finden. In dem allgemeinen Glauben der Zeit, daß nur die heiße Zone neben den schwarzhäutigen Bewohnern auch die edelsten Erzeugnisse hervorbringe, wurde er durch die Mittheilungen eines angesehenen Seemanns bestärkt, welcher auf Anregung der Monarchen ihm seine Gedanken darüber in einem schmeichelhaften Briefe[248] mittheilte. Moisen Jaime Ferrer aus Blanes, einem catalonischen Hafenorte nordöstlich von Barcelona, huldigte in seinem Schreiben den überschwenglichen Vorstellungen, welche der Admiral von seiner Sendung selbst hatte. Er nannte die Entdeckungsfahrt mehr göttlich als menschlich, bezeichnete den Führer als einen Abgesandten Gottes, welcher ausersehen sei, in den unbekannten Westen das Christenthum zu tragen, wie einst der heilige Apostel Thomas nach dem Osten, nach Indien gezogen sei. Er sprach dabei die Hoffnung aus, daß sein Unternehmen zur Ehre Gottes und zu Nutz und Frommen der ganzen Christenheit, besonders Spaniens gedeihen werde und behauptete, daß nach allen seinen Erkundigungen, welche er in Syrien und Aegypten bei den Händlern über die Herkunft der werthvollsten Produkte eingezogen habe, Edelsteine, Gold, Gewürze und Droguen größtentheils aus der heißen Zone stammten, und daß Columbus diese Dinge nur dort erst in Ueberfluß antreffen werde, wo die Menschen schwarz oder dunkelhäutig wären.
Diese Ideen waren für den Admiral maßgebend, und er machte sie sich dergestalt zu eigen, daß er aus ihnen wiederum als aus unanfechtbaren Lehrsätzen seine seltsamen kosmographischen Folgerungen zog. Wir besitzen von Columbus selbst einen ausführlichen Bericht über den Verlauf seiner dritten Reise,[249] in welchem diese merkwürdigen Ansichten niedergelegt sind. Die eigenthümliche Gemüthsstimmung, welche diese Erzählung durchweht, und welche die Behauptung Ferrers, daß auch er den Columbus für das unmittelbare Werkzeug Gottes halte, noch verstärkte, lernen wir am besten aus den eigenen Worten des Entdeckers kennen, mit denen er den Verlauf seiner ersten Fahrten und die später lautwerdende Misgunst berührt. „Ich zog aus,“ schreibt der Admiral, „im Namen der heiligen Trinität und kehrte bald wieder heim, mit dem Beweis in der Hand von alle dem, was ich gesagt hatte. Ew. Hoheiten schickten mich zum zweitenmale und ich entdeckte in kurzer Zeit durch Gottes Gnade das Festland im äußersten Osten auf einer Strecke von 330 Leguas,[250] und dazu noch 700 Inseln. (!) Ich umsegelte die Insel Hispaniola, welche größer als Spanien ist.“ Diese arge Uebertreibung erklärt sich nur daraus, daß Columbus, ohne eigne Berechnung einfach die auf den Karten (man vergleiche den Globus Behaims) niedergelegte Größe Cipangus (denn dafür hielt er die Insel Haiti), mit jener von Spanien verglich und beide Länder ziemlich[S. 284] gleichgroß gezeichnet fand; denn in Wahrheit ist Spanien mindestens sechsmal und die ganze pyreneische Halbinsel, welche Columbus wahrscheinlich im Auge hatte, sogar mehr als siebenmal so groß wie Haiti. „Dann,“ fährt der Admiral fort, „erhoben sich Klagen und Verdächtigungen, um meine Unternehmungen zu verkleinern, weil ich nicht gleich mit goldbeladenen Schiffen heimkehrte. Die Kürze der Zeit und andere Hemmnisse wurden dabei nicht in Rechnung gebracht. Daher fiel ich, entweder wegen meiner Sünden oder zu meinem Heile, wie ich glaube, in Misgunst und fand bei allem, was ich sagte und wünschte, Widerstand.“ Weiter zeigt er dann mit ausführlichen historischen Belegen, daß er für Spanien das Goldland Ophir wiedergefunden und in Besitz genommen habe. „Von den Capverden segelte ich 480 millas oder 120 Leguas gegen Südwesten (Anfang Juli), wo ich fand, daß der Polarstern 5 Grad hoch stand. Da trat Windstille ein,[251] die Hitze war so groß, daß ich fürchtete, Schiffe und Mannschaften würden versengt. Kein Mann wagte sich unter Deck, um auf Wasser- und Mundvorräthe zu achten.[252] Diese Hitze dauerte acht Tage; am ersten Tage war der Himmel klar, am zweiten wurde es nebelig und regnete es; aber wir fanden keine Erleichterung, so daß ich glaube, wir wären alle umgekommen, wenn die Sonne wie am ersten Tage geschienen hätte. Nach acht Tagen sandte mir Gott einen günstigen Wind und ich steuerte nun nach Westen.“ Columbus gab also den weitern Cours gegen Südwesten auf, weil er sich von seinen frühern Fahrten erinnerte, daß er jenseits von 100 Leguas westlich von den Açoren stets eine merkliche Abnahme der Hitze beobachtet hatte und daher auch jetzt die Region der milderen Temperatur aufzusuchen beschloß. Unter der Breite von Serra Leona, wie er meinte, steuerte der Admiral 17 Tage mit günstigem Winde nach Westen und fand am Morgen des 31. Juli Land. Es war eine in drei Bergen aufsteigende Inselküste. Unter dem Gesange des Salve regina näherte man sich in freudiger Erregung dem Strande. Die Insel erhielt den Namen Trinidad, das zuerst berührte Vorgebirge wurde Cabo de la Galea (jetzt Cap Galeota) benannt. Man hatte also die südlichste der kleinen Antillen erreicht, welche nahe an der Küste des südamerikanischen Continentes liegt. Dieser zunächst gelegene flache Streifen des Festlandes erhielt den Namen Gracia. Auf Trinidad bemerkte man Häuser, von gutgepflegten Gärten umgeben und zahlreiche Menschen. Auch Böte ließen sich blicken, aber scheu vermieden die Schiffer jede Annäherung an die fremdartigen großen Fahrzeuge. Man suchte sie durch Lockmittel, auch durch Musik, die vom Verdeck ertönte, zu bewegen, näher zu kommen; aber vergebens. Man sah nur aus der Ferne, daß sie mit Bogen und Pfeilen und hölzernen Schilden bewaffnet waren, und bemerkte mit Staunen, daß diese Indianer eine viel hellere[S. 285] Hautfarbe hatten, als die früher gesehenen. Ihre Haare waren nach spanischer Art vor der Stirn abgeschnitten.[253] Als Bekleidung trugen sie nur einen aus buntfarbigen Baumwollfäden gefertigten Schamgürtel.
An der Südküste Trinidads segelte der Entdecker gegen Westen, erreichte am 1. August die westliche „Sandspitze“ der Insel, welche sich auf zwei Leguas dem gegenüberliegenden Orinocodelta nähert. Trichterartig verengt sich gegen Westen der Ocean zwischen Insel und Festland und drängt die gewaltigen Massen süßen Wassers, welche sich aus den Deltaarmen des Orinoco ergießen, unter der Wucht des nordwestlich flutenden Aequatorialstromes zu der immer enger werdenden Straße nach dem Pariagolfe. Das Wasser strömte mit solcher Gewalt in den Golf hinein, wie der Guadalquibir bei Hochwasser, also ungefähr 2½ Meilen in einer Stunde. „Wenn man weiter nach Norden fahren will,“ schreibt Columbus, „so trifft man auf eine Reihe von Stromschnellen, welche den Canal durchsetzen und einen furchtbaren Lärm machen. Ich glaubte, dies komme von Felsen und Riffen, welche den Eingang sperren. Dahinter zeigten sich zahlreiche tosende Strudel, wie wenn die Wogen sich über Felsen brechen.“ Außerhalb des Canals gingen die Schiffe vor Anker, denn Columbus fürchtete wegen der Strömung nicht zurückkehren und wegen der vor ihm liegenden Untiefen nicht vorwärts kommen zu können. „Tief in der Nacht vernahm ich vom Decke des Schiffes aus ein furchtbares Getöse, welches von Süden her gegen das Schiff kam.“ Die wirbelnden schiffshohen Wasserberge, welche heranrollten, drohten die Schiffe zu kentern. Columbus war von Jugend auf mit den mannigfachsten Gefahren der See vertraut, aber niemals war er durch die übermächtigen Gewalten des Ocean so in Angst und Schrecken versetzt, als hier.[254]
„Am folgenden Tage,“ erzählt Columbus weiter, „sandte ich unsere Böte aus, um die Straße zu sondiren. Man fand 6 bis 7 Faden Tiefe, aber in heftigen Gegenströmungen flutete das Wasser hier in den Golf hinein und dort wieder aus demselben heraus. Doch gefiel es Gott, uns günstigen Fahrwind zu geben, und so passirte ich diese Straße glücklich und kam bald in ruhiges Wasser. Zum Erstaunen der ganzen Mannschaft war das Wasser im ganzen Golfe, wo man es auch schöpfte, süß und trinkbar. Columbus steuerte nordwärts über das Becken des Golfs auf die gebirgige Halbinsel Paria zu, welche die Bucht im Norden abschließt. Hier zeigte sich ein zweiter, noch engerer und gefährlicherer Schlund, wo sich thurmartig einzelne dunkele Klippen aus der brandenden Flut erhoben. Die Küste der Pariahalbinsel zog sich gegen Südwesten, und da Columbus in dieser Richtung eine ruhige Fahrt hoffte, wendete er sich nach Westen. Je weiter man kam, desto frischer und gesunder zeigte sich das Wasser. Das Land schien angebaut, das[S. 286] Geschwader ging vor Anker, Böte wurden zur Kundschaft ans Gestade geschickt, aber die Hütten waren verlassen. Weiter im Westen, wo das Land flacher wurde, hoffte man mehr Menschen zu finden und wünschte mit ihnen in Verkehr zu treten. Wiederum wurden an der Mündung eines Flusses die Anker ausgeworfen. Dort waren die Eingeborenen zutraulicher, näherten sich den Fremden und gaben an, daß ihr Land Paria heiße, und daß dasselbe weiter gegen Westen noch mehr bewohnt sei. Dies bestätigte sich auch bald, als man noch weiter an dem Lande entlang segelte. Reizende, dicht bewohnte Gegenden luden zum Verkehr ein. Die Eingeborenen kamen an Bord und baten den Admiral, im Namen ihres Königs, ans Land zu kommen. Sie trugen Goldschmuck auf der Brust und mit Perlen besetzte Armbänder. Auf die Nachfrage, wo die Perlen gefunden würden, wiesen sie nach Norden und bemerkten, die Fundstätten lägen nicht allzufern. Am Lande zeigten sich die Indianer sehr höflich, die Häuptlinge an ihrer Spitze empfingen sie, führten sie zu großen, geräumigen Häusern, wo man die Gäste zum Niedersitzen nöthigte und mit Brod, Früchten und verschiedenen Arten von rothem und weißem Wein bewirthete, welcher nicht aus Trauben, sondern aus anderen Früchten bereitet war. Leider konnte man sich nur wenig verständigen, weil man keine Dolmetscher hatte. Von dem Mais, welchen sie anbauten, nahm Columbus später mit nach Spanien, um dieses amerikanische Getreide auch nach der alten Welt zu verpflanzen. Das Gold, womit sie sich schmückten, stammte aus den Bergen an der Grenze des Landes, doch warnte man die Spanier durch Zeichen, sich nicht dahin zu wagen, weil dort Menschenfresser wohnten.[255]
Aber Columbus hatte nicht die Absicht, sich dahin zu wenden, noch auch die Perlenbänke zu besuchen, denn die Mundvorräthe drohten bei der längeren Dauer der Reise zu verderben, auch waren die Schiffe für eine schwierige Entdeckungsfahrt nicht mehr geeignet, und endlich litt er selbst an den Augen und fürchtete, wie es auf einer der früheren Reisen schon geschehen war, zeitweilig des freien Gebrauchs des Augenlichts beraubt zu werden. Da er Paria noch für eine Insel hielt, so hoffte er sie westlich umsegeln zu können, um sich dann nordwärts zu wenden. Ein Caravele wurde zur Prüfung des Fahrwassers vorausgesendet, man fand aber leider, daß sich der Golf westwärts immer mehr verengte, daß unter dem Einströmen zahlreicher Flüsse das Wasser der Bucht vollständig Süßwasser werde, daß demnach nach dieser Richtung kein Ausgang zu finden sei. Man mußte also umkehren, konnte aber der Strömung wegen nicht an dem bisher besuchten und bevölkerten Gestade von Paria wieder entlang gehen, sondern mußte, der Wirbelbewegung des Wassers im Golfe folgend, an den flachen Ufern der Orinocoinseln hin fast bis zum südlichen Eingang zurücksegeln und dann nordwärts den einzigen Ausweg durch den gefürchteten Drachenschlund zwischen Trinidad und Paria[S. 287] wählen. Die Erscheinung der stürmischen Wirbel an den beiden Ausgängen aus der Pariabucht erkannte der Admiral richtig als die Folge des Zusammenstoßes der gewaltigen Wassermassen, welche der Orinoco ergoß, mit der Strömung des Meeres und bezeichnete die Insel Trinidad als ein durch die abspülende Kraft der Gewässer losgetrenntes Stück des Continents. Am 13. August gelang es dem Geschwader glücklich die gefürchtete Straße des Drachenschlundes zu passiren und in das caribische Meer zu kommen. „Als ich den Drachenschlund verließ,“ berichtet der Admiral weiter, „strömte das Meer so mächtig westwärts, daß ich in einem Tage 65 Leguas zurücklegen konnte; und dabei blies nicht etwa ein starker Wind, sondern es wehte ganz gelinde, was mich zu dem Schlusse führte, daß das Meer gegen Süden beständig ansteigt und dem entsprechend gegen Norden abfällt. Ich halte es für sicher, daß das Meerwasser sich mit dem Himmel von Osten nach Westen bewegt und daß es, weil es in diesem Striche reißender fließt, so viel Land abgespült hat, woher die große Zahl von Inseln — Columbus hat die Reihe der kleinen Antillen im Auge — entstanden ist. Und in der That bieten diese Inseln einen weiteren Beweis dafür, da einerseits alle diejenigen Eilande, welche sich von Osten nach Westen oder genauer von Nordwesten nach Südosten erstrecken, breit sind, andererseits diejenigen, die sich von Norden nach Süden oder von Nordosten nach Südwesten ausdehnen, schmal und kleiner sind. Allerdings scheinen die Wasser in einigen Strichen nicht dieselbe Strömungsrichtung zu haben; aber man trifft dies nur an vereinzelten Stellen, wo sie, durch Land aufgehalten, in eine andere Richtung gedrängt werden.
Neben diesen großartigen Anschauungen über physische Erdkunde begegnen wir auch den wunderlichsten Vorstellungen über die Gestaltung der Erde, die jemals ein Seefahrer ausgesprochen. Aus falschen Voraussetzungen, ungenauen astronomischen Beobachtungen und irrigen Verknüpfungen der Naturerscheinungen mit ein für allemal bei dem Entdecker feststehenden Lehrsätzen, die er aus seiner mittelalterlichen Kosmographie geschöpft hatte, baute er sich ein System von Schlüssen auf, welches in der ungeheuerlichen Behauptung gipfelte, die Erde habe nicht Kugelgestalt, sondern sei wie eine Birne geformt.
„Irrige Beobachtungen der Bewegungen des Polarsternes in der Nähe der açorischen Inseln hatten Columbus schon auf seiner ersten Reise bei der Schwäche seiner mathematischen Kenntnisse zu dem Glauben an eine Unregelmäßigkeit in der Kugelgestalt der Erde geführt.“ Dieser Ausspruch Humboldts[256] findet seine Erklärung in den Bemerkungen des Columbus über seine dritte Reise. „Ich bemerkte,“ sagt er, „daß ich den Polarstern während der Nacht in einer Höhe von 5 Grad hatte und seine Geleitsterne (die Sterne β und γ des kleinen Bären) grade über dem Kopfe; dann um Mitternacht[S. 288] befand sich der Stern in 10 Grad Höhe und bei Anbruch des Tages waren die Begleiter zu Füßen, in 5 Grad Höhe. Ich sah das mit Staunen, beobachtete die Sterne mehrere Nächte hindurch auf das sorgfältigste und mußte, da ich meine erste Wahrnehmung bestätigt fand, es für etwas ganz neues ansehen, daß auf einem so kleinen Raume eine so große Differenz am Himmel vor sich gehen könne.“[257] Zur Erklärung dieser „neuen“ Thatsache verfiel nun Columbus auf die Birnengestalt der Erde. Man wird den Trugschlüssen, welche zu diesem Resultate führten, um so leichter folgen können, wenn wir auch im Folgenden die eigenen Worte des Admirals wiedergeben, und dadurch zugleicherzeit die historische Localfarbe des Gemäldes bewahren.
„Ich habe stets gelesen, daß die Welt, Land und Wasser zusammen, sphärisch sei, und die von Ptolemäus gemachten Beobachtungen, so wie diejenigen der anderen Gelehrten, welche über diesen Gegenstand geschrieben, haben durch die Mondfinsternisse und andere Erscheinungen oder Beweise, welche in der Richtung nach Osten und Westen beobachtet sind, so wie durch die Erhebung des Poles über den Horizont von Süden nach Norden, dasselbe dargethan.“
„Ich sah aber eine so große Unregelmäßigkeit (disformidad, Unterschied in der Elevation des Polarsternes), daß ich mir eine andere Vorstellung von der Welt machte, und daß ich daraus schloß, sie sei nicht rund, wie man es bisher beschrieben hat, sondern wie eine Birne gestaltet (de la forma de una pera), welche vollkommen rund ist, mit Ausnahme der Stelle, wo der Stil ansetzt, oder auch wie ein ganz runder Ball, an dem auf irgend einem Punkte eine Art Warze, wie die Brustwarze einer Frau, aufgesetzt ist, und daß dieser Punkt der Warze höher und dem Himmel näher liegt und im äußersten Osten im Ocean sich unter dem Aequator befindet. Ich nenne den äußersten Osten jene Gegend, in welcher alles Land und alle Inseln endigen.[258] Zur Unterstützung dieser Ansicht verweise ich auf die Linie 100 Meilen westlich von den Açoren,[259] von wo gegen Westen sich die Schiffe sanft gegen den Himmel erheben und man sich einer milderen Temperatur erfreut. Die Magnetnadel verändert in Folge dieser Milde ihre Richtung um einen[S. 289] Viertelswind, und je mehr man westwärts kommt und sich (zu der Anschwellung der Birnenform) erhebt, um so mehr weist die Nadel nach Nordwesten. Und diese Erhebung bewirkt die Abweichung des Kreises, welchen der Polarstern mit seinen Begleitern beschreibt. Je mehr man sich dem Aequator nähert, desto höher erheben sich die Gestirne über den Horizont und desto größer wird der Unterschied in den Kreisen sein, welche die Begleitsterne beschreiben. Ptolemäus und andere Gelehrte, welche von dieser Welt geschrieben haben, betrachten die Erde als kugelförmig und meinen, daß sie es überall ebenso sein müsse wie an jenen Orten, wo sie sich befanden; namentlich auf jener Hemisphäre, deren Mittelpunkt mit der Insel Arin zusammenfällt,[260] welche unter dem Aequator (!) zwischen dem arabischen und persischen Meerbusen liegt. Die Grenzen dieser Hemisphäre laufen im Westen durch das Cap S. Vincente in Portugal, im Osten durch Cangara (Cattigara) und das Land der Serer (vgl. oben S. 6. und 7.); und so findet sich keine Schwierigkeit anzunehmen, daß die Erde auf dieser Hälfte kugelförmig sei. Aber die westliche Erdhälfte gleicht einer halben Birne mit der Anschwellung am Stiel. Ptolemäus und die übrigen, welche über die Welt geschrieben haben, kannten diesen Theil der Erde nicht, der damals unbekannt war, und so urtheilten sie nur nach der sphärischen Gestalt auf der ihnen bekannten Seite.“
„Allein auf der von mir entdeckten Erdseite,“ meint Columbus, „liegen die Verhältnisse anders und nöthigen zu anderen Schlußfolgerungen. Denn an der Küste Afrikas, unter dem Parallel von Arguin (vgl. oben S. 91) fand ich die Bewohner dunkel und die Erde wie ausgeglüht. Unter der Breite der Capverden waren die Eingebornen noch schwärzer[261] und je weiter nach Süden, desto schwärzer dergestalt, daß unter dem Parallel von Serra Leona, wo der Polarstern sich 5 Grad erhebt, auch die allerschwärzesten Menschen wohnen.“
„Bei meiner Fahrt von hier gegen Westen stieg anfangs die Hitze noch aufs höchste; so bald ich aber die Grenzlinie (100 Meilen westlich von den Açoren) überschritten hatte, fühlte ich, wie die Temperatur milder wurde, so daß mir bei der Insel Trinidad und dem Lande Gracia, welche gleichfalls unter dem 5. Grad n. Br. liegen,[262] das Klima so milde erschien, und Felder und Bäume so schön grün waren, wie im Monat April in den Gärten von[S. 290] Valencia. Dazu waren die Eingebornen nicht so dunkel, als ich sie früher in Indien gesehen hatte. Die liebliche Temperatur rührt nur von der Höhe dieses Theils der Erdoberfläche her. Folglich kann die Erde hier nicht sphärisch gestaltet sein.“
Wenn schon zu diesen mit großer Zuversicht ausgesprochenen neuen Lehrsätzen Alexander von Humboldt bemerkt,[263] daß die Hypothese von der Unregelmäßigkeit der Figur der Erdkugel einen Mangel an mathematischen Vorkenntnissen und eine Verirrung der Einbildungskraft verrathe, die uns mit Recht überraschen müsse; so wächst unser Erstaunen und unsere Verwunderung noch mehr, wenn wir aus dem Munde des Columbus vernehmen, daß er sich in Bezug auf astronomische Vorgänge auf den naivsten Standpunkt des Kinderglaubens der Naturvölker stellt. Um nämlich zu beweisen, daß auf jener birnenförmigen Anschwellung das irdische Paradies liege, und daß er selbst so glücklich gewesen sei, in dessen Nähe zu kommen, fährt er in seiner Deduction also fort: „Was aber noch besonders zur Unterstützung meiner Ansicht beiträgt, ist dieses: Als der Herr die Sonne schuf, geschah es am ersten Punkte des Orients, wo das erste Licht erschien (!)[264] und wo die höchste Erhebung der Erde ist. Obwohl nun Aristoteles der Ansicht gewesen, daß der antarktische Pol oder das Land unter ihm der höchste Theil der Erde und dem Himmel am nächsten sei,[265] haben doch andere Gelehrte sich dagegen erklärt und sich für den arktischen Pol ausgesprochen. Demnach scheint also die Annahme gerechtfertigt, daß ein Theil der Erde dem Himmel näher sei als der andere. An die äquatoriale Zone dachten sie nicht, und das ist keineswegs zu verwundern, denn über diese Region fehlte es an einer genauen Kenntniß, da vor mir noch niemand zur Entdeckung ausgesendet worden.“ „Dort nun,“ führt Columbus aus, „in der Nähe des Drachenschlundes rasen die Wasser des Oceans und kämpfen mit den Ergüssen des Orinoco, welche mit ungeheurer Wucht nach den Ausgängen des Golfes von Paria drängen.“ Diese gewaltigen Strömungen lassen sich nach seiner Meinung nicht anders deuten, als daß die Süßwasserströme aus einer bedeutenden Höhe (von der birnenförmigen Anschwellung) herabrauschen, auf welcher das irdische Paradies gelegen ist.
„Die heilige Schrift bezeugt, daß unser Herr das irdische Paradies schuf, und daß dort vier Flüsse aus einer Quelle entspringen. Ich finde nicht und habe noch nie gefunden irgend eine Schrift der Griechen oder Lateiner, welche genau die Lage des Paradieses angebe und habe es noch auf keiner Karte gefunden, welche nach zuverlässigen Angaben gemacht ist. Einige verlegen es nach Aethiopien an die Quellen des Nil; aber andere, welche diese Länder durchzogen, fanden weder die Temperatur, noch die Sonnenhöhe ihren[S. 291] Ideen entsprechend. Andere wieder haben das Paradies auf den Canarischen Inseln gesucht.“
„St. Isidor, Beda, Strabon (Walafried Strabo, der Verfasser der scholastischen Geschichte) und St. Ambrosius, Scotus und alle gelehrten Theologen stimmen darin überein, daß das Paradies im Osten lag. Ich nehme nicht an, daß das irdische Paradies auf einem steilen Berge liege, wie man es uns gelehrt hat, sondern daß dasselbe auf der Höhe der angedeuteten Anschwellung der Erde gelegen sei, welche sich aus weiter Ferne in unmerklichem Ansteigen erhebt, und daß niemand auf den Gipfel kommen kann; daß aber alle die Wasser, welche hier die See bedecken (am Golfe von Paria), von dort herabkommen. Auch glaube ich nicht, daß dieser erhabene Ort schiffbar ist oder daß dort Wasser sich findet, vielmehr halte ich es für unmöglich, dahinanzusteigen, weil ich überzeugt bin, daß ohne den Willen Gottes niemand zu dem Orte des irdischen Paradieses gelangen kann.“
„Es sind hier also gewichtige Anzeichen für die Nähe des Paradieses, und die Ansichten der heiligen und gelehrten Theologen stimmen mit meinen Beobachtungen überein. Und wenn die Wasser (des Orinoco) nicht aus dem irdischen Paradiese kommen, so scheint das ein noch größeres Wunder zu sein, weil ich nicht glaube, daß man auf der ganzen Welt einen so mächtigen und tiefen Fluß findet. Und ich glaube,“ fügt Columbus an einer andern Stelle hinzu, „daß, wenn der erwähnte Fluß nicht aus dem irdischen Paradiese käme, derselbe in einem ausgedehnten Lande im Süden entspringen müßte, von welchem wir bisher noch keine Kunde gehabt haben.“
Las Casas läßt den Entdecker sogar die Worte gebrauchen: „Sollte es doch ein Festland sein, so wird die gelehrte Welt tief darüber erstaunen.“[266] Der Verfasser der vida del Almirante berichtet dazu noch bestimmter, daß Columbus, nachdem er mehrere Inseln entdeckt hatte, überzeugt gewesen sei, in Paria das Festland erreicht zu haben, weil er darin einen mächtigen Strom gefunden, und weil er die Angabe der Bewohner auf den kleinen Antillen bestätigt gesehen, welche von einem großen Lande im Süden gesprochen. Um so befremdender erscheint das Benehmen des Admirals, der schon am zweiten Tage, nachdem er den Drachenschlund glücklich durchsegelt hatte, mit der Strömung gegen Nordwesten zwischen den Testigos und der Insel Margarita hindurchsteuernd, die kaum als continental erkannten Küsten wieder verließ und, indem er die begonnene Entdeckung kurz abbrach, nach Haiti segelte.
War der Eindruck seiner Paradies-Hypothese so mächtig, daß er sein Auge gegen die ermittelte Existenz einer großen Landmasse verschloß, oder beherrschten seine Autoritäten, welche in diesen Erdstrichen von einem Festlande nichts wußten und nichts berichteten, auch jetzt noch seine Ansichten so sehr, daß er ihnen gegenüber und ihnen entgegengesetzt nicht auszusprechen wagte, was der Augenschein lehrte? Das Räthsel wird nicht gelöst durch[S. 292] die vorgebrachte Entschuldigung, es habe seinen Schiffen bereits an Lebensmitteln gefehlt und er selbst sei von einem Augenleiden befallen gewesen, so daß er sich von den Piloten habe berichten lassen müssen. Denn wenn er wirklich zu einer längeren Erforschungsreise ausgerüstet war, konnten doch die Vorräthe nach Verlauf von 14 Tagen (denn länger weilte er nicht an der Küste Südamerikas) nicht schon erschöpft sein. Auch auf den früheren Reisen war er wochenlang durch Krankheiten an der persönlichen Leitung der Schiffe behindert, ohne seine Unternehmungen deshalb sofort abzubrechen. Vielleicht war es, wie Peschel angibt,[267] innere Unruhe über das Schicksal der Colonie, die er seit 29 Monaten verlassen; weniger wohl Besorgniß, daß die Lebensmittel, welche er zuführte, verderben möchten, denn der größere Theil seiner Flotte war bereits von den Canarien aus direct nach Hispaniola gegangen.
Daß er selbst den rein geographischen Werth seiner neuen Entdeckung weniger würdigte, darf man wohl aus den wunderlichen Theorien schließen, welche er darauf aufbaute, und daß er gegen die Weiterführung der Küstenaufnahmen ziemlich gleichgültig geworden war, spricht auch Humboldt aus:[268] „Columbus legte bei seiner dritten Reise mehr Werth auf die Perlen der Insel Margarita und Cubagua als auf die Entdeckung der Terra firma, da er bis zu seinem Tode fest überzeugt war, schon im November 1492 auf seiner ersten Reise in Cuba einen Theil des festen Landes von Asien berührt zu haben.“
Möglicherweise wollte er auch den immer lauter werdenden Widersachern in Spanien nicht neue Veranlassung zu dem schon oft gehörten Vorwurf geben, daß er in nutzlosen Fahrten viel Geld vergeude, sondern wollte sich ganz der Pflege und Ausbeutung seiner Colonie widmen, um sie so bald wie möglich von den Unterstützungen durch das Mutterland unabhängig zu machen.
In fünf Tagen segelte das Geschwader von der Küste des Continents über das caribische Meer nach Haiti. Die westliche Abdrift führte die Schiffe über ihr Ziel hinaus, so daß, als Columbus das Ufer seines Coloniallandes erreicht hatte, der Cours, nach Osten zurück, eingeschlagen werden mußte, um den Platz der neuen von Bartolomé Colon gegründeten Stadt San Domingo zu erreichen, welche an der Mündung des Ozamáflusses lag.
Während der Abwesenheit des Vicekönigs hatte sein Bruder Bartolomé als Adelantado oder Statthalter die Colonie verwaltet, die Zahl der festen Häuser auf der Insel vermehrt und die Häuptlinge zur Anerkennung der spanischen Oberhoheit gebracht. Der ihnen auferlegte Tribut bestand entweder in Gold oder in anderen den Spaniern willkommenen Erzeugnissen des Landes. Unter dem thätigen Hieronymiten Fray Ramon Pane, welcher[S. 293] innerhalb eines Jahres die Sprache der Eingeborenen erlernte, und unter dem Franziskaner Fray Juan Borgoñon hatte das Bekehrungswerk unter den Indianern begonnen. Nach dieser Richtung war also die Befestigung der Colonie in günstiger Entwicklung begriffen. Anders verhielt es sich mit den eingewanderten Spaniern, den Soldaten und Colonisten. Hier trat der tiefe Gegensatz der Nationalitäten immer greller zu Tage. Daß sie genuesischen Fremdlingen gehorchen mußten, ertrug ihr Stolz mit Widerwillen. Der Adelantado forderte strenge Manneszucht; statt des erträumten glückseligen Lebens, dessen Vorspiegelungen sie über das Meer gelockt hatten, warteten ihrer angestrengte Arbeiten, sollten sie mit Entbehrungen aller Art, selbst mit Hungersnoth kämpfen und wurden in unablässigen Märschen nach allen Theilen des Landes ermüdet.
Während der Abwesenheit des Statthalters brach in der Stadt Isabella der Aufstand aus. Der Commandant Diego Colon, dem es überhaupt an Energie zu fehlen schien, gerieth in eine mißliche Lage, um so mehr, als der Oberrichter Francisco Roldan sich an die Spitze der Unzufriedenen stellte. Bei der Rückkehr des Adelantado mußte Roldan mit seinem Anhange aus der Stadt weichen, fuhr aber fort, die Familie des Columbus zu verdächtigen und zu schmähen als Feinde des spanischen Blutes. Auch das wurde besonders den Genuesen zum Vorwurf gemacht, daß sie die Goldminen als Familienmonopol behandelten. Um die Indianer für sich zu gewinnen, erklärte Roldan ihnen, er wolle sie gegen die Bedrückungen des Statthalters schützen. In Folge dessen verweigerten jene den Tribut und lieferten keine Nahrungsmittel mehr. Selbst die treugebliebenen Spanier wurden durch die nun eintretende Noth entmuthigt und begannen zu desertiren, und wenn nicht im Anfange des Jahres 1498 zwei Schiffe von Spanien neue Lebensmittel und Mannschaften gebracht, so hätte schon damals die Colonie sich vielleicht aufgelöst. Durch diese Zufuhr gewann Bartolomé Colon neue Kräfte, die aufrührerischen Caziken zu bändigen und Roldan in den entfernten Gau von Jaragua zu verdrängen, wo derselbe sich einem üppigen Leben hingab und seinem Gefolge Zügellosigkeiten und Bedrückungen aller Art gestattete. Ende Juli kamen die drei von Columbus vorausgesendeten Schiffe an die Südseite von Haiti, wo Roldan Gelegenheit fand, sofort einen Theil der neuen Ankömmlinge auf seine Seite zu ziehen, und grade einen Monat später traf auch der Admiral selbst bei der neugegründeten Stadt San Domingo ein. Vor allem war ihm daran gelegen, den Unfrieden unter den Spaniern, durch welchen die Entwicklung der Colonisation vollständig gelähmt wurde, zu beseitigen. Da er sah und hörte, daß viele des unerquicklichen Lebens und Treibens auf der Insel überdrüssig geworden waren, denn man vernahm oft den auffälligen Schwur: „So wahr mich Gott wieder nach Castilien bringe“, so erließ Columbus eine Bekanntmachung, in welcher er jedem Spanier gestattete, auf einem der fünf zur Abfahrt nach Spanien vorbereiteten Schiffe in die Heimat zurückzukehren. Er hoffte dadurch besonders die Zahl seiner[S. 294] Widersacher und der Misvergnügten zu lichten. Aber Roldan und seine Partei gingen darauf nicht ein; sie hielten sich für mächtig genug, dem Vicekönige zu trotzen. Dieser ließ sich dann sogar dazu herbei, einen freundlichen Brief an den Oberrichter zu schreiben und eine Versöhnung anzutragen, fand aber auch dafür kein Gehör; denn seine Gegner erkannten seine hilflose Lage, daß er ohne Geld gekommen und seinen Soldaten den rückständigen Sold nicht bezahlen, sich bei einem ausbrechenden Kampfe also auch nicht auf sie verlassen konnte.
Die Flotte, auf welcher Columbus gekommen war, mußte, nach dem Vertrage mit den Rhedern, binnen Monatsfrist wieder abgefertigt werden, und wenn er sie auch bis über sechs Wochen zurückbehielt, so mußte er sie doch endlich am 18. October entlassen, ohne, wie er gewünscht hatte, den spanischen Monarchen von dem wiedergewonnenen Frieden in der Colonie berichten zu können. Er schilderte in seinem Briefe seine Gegner als Diebe, Schurken, Räuber und Landstreicher und erklärte in seiner Aufregung, er werde sich noch genöthigt sehen, die äußersten Gewaltmaßregeln anzuwenden, um diese Friedensstörer zu vernichten.
Natürlich hatte auch die Gegenpartei Gelegenheit gefunden, in einem Schreiben an die Regierung ihr Verhalten zu begründen und über den Admiral und seine Verwandten die ärgsten Beschuldigungen von Willkürherrschaft und Grausamkeit vorzubringen, wodurch die Feindschaft gegen die Genuesen am spanischen Hof neue Nahrung gewann. Das konnte freilich nicht ohne bedenkliche Folgen auf die Anschauung der Monarchen bleiben.
Columbus sah sich wieder zu neuen Verhandlungen getrieben und mußte schließlich, wenn auch widerstrebend, unter schimpflichen Bedingungen mit den Meuterern Frieden machen. Dieselben erhielten demgemäß zwei Schiffe mit Proviant, um nach Spanien zurückkehren zu können. Auch mußte ihnen der Vicekönig einen Schein ausstellen, wonach ihnen der rückständige Sold in Spanien bezahlt werden sollte und ertheilte ihnen schließlich sogar noch das Zeugniß, daß sie sich in Indien um den König wohl verdient gemacht hätten. Alle, welche in Indien bleiben wollten, erhielten freie Geleitsbriefe.
Weil aber Columbus die versprochenen Schiffe zur gesetzten Frist nicht ausrüsten konnte, erklärten seine Gegner auch diesen Vertrag für nichtig. So dauerte die Zwietracht bis zum September 1499. Endlich bequemte sich Columbus sogar dazu, Roldan wieder als Oberrichter einzusetzen, dessen Parteigenossen mit Ländereien zu beschenken und zu gestatten, daß, wenn der rückständige Sold nicht voll ausgezahlt werde, die Meuterer das Recht haben sollten, diese Zusagen mit Gewalt zu erzwingen.
Tiefer konnte sich ein Statthalter nicht erniedrigen, als in solcher Weise den Aufruhr durch Belohnung auszuzeichnen. Zwar hatte Columbus gar nicht die Absicht, diese Versprechungen zu halten, und darum den Vertrag an Bord eines Schiffes unterzeichnet, wo er, wie er sich selbst und auch seinem königlichen Herrn zu bereden suchte, nur in seiner Stellung als[S. 295] Admiral rechtskräftige Urkunden unterzeichnen konnte, während der Ausgleich mit den Meuterern hätte von ihm auf dem Lande in seiner Eigenschaft als Vicekönig vollzogen werden müssen.[269] Aber zeigte er durch solche Handlungs- und Denkweise nicht auf das klarste, daß ihm zu einer höchsten Verwaltungsstelle alle Befähigung abging?
In Spanien hörten die Klagen gegen ihn nicht auf. Daß er den Antheil der Krone an der Ausbeute aus den Goldminen nicht rechtzeitig einsandte, nannte man bereits Unterschlagung; und daß er den Oberrichter Roldan, den er selbst gleichsam als seinen Liebling großgezogen und zu der hohen Stellung vorgeschlagen hatte, jetzt als seinen gefährlichsten Feind bezeichnete, mußte Bedenken erregen. Die Königin war erzürnt, daß Columbus mit dem letzten Geschwader wiederum, um dem Fiscus Geld zuzuführen, eine Fracht von Sklaven gesendet hatte, statt der so oft in Aussicht gestellten Schätze von edlem Metall und Gewürzen.
Man sah wohl, daß die Colonie unter den beständigen Wirren ihrer Auflösung entgegenging. Ein Mittel, die Ordnung wieder herzustellen, bot sich in dem Wunsche des Vicekönigs, welcher um einen tüchtigen Richter bat, um die Streitigkeiten auf der Insel zu untersuchen und Recht zu sprechen. Aber die königliche Vollmacht, welche dem neuen Richter auch die ganze Verwaltung der Insel übertrug und von Columbus sogar die Uebergabe der höchsten militärischen Gewalt verlangte, ging wiederum zu weit, weil sie die wiederholt bestätigten Rechte des Genuesen als Vicekönig ohne weiteres bei Seite schob.[270] Francisco de Bobadilla, dem so weitgehende Befugnisse durch Decret vom Mai 1499 ertheilt wurden, erhielt sogar das Recht, jeden, der ihm für das Wohl der Colonie gefährlich schien, mit Gewalt aus der Insel zu entfernen. Seine Entsendung nach Haiti erfolgte aber erst im Sommer 1500, seine Ankunft vor San Domingo am 23. August. In der Woche zuvor hatte Columbus noch sieben Spanier mit dem Tode am Galgen bestraft, weil sie Unruhen anstifteten; und doch schrieb er an die Amme des Prinzen Juan: „als Bobadilla nach S. Domingo kam, war die Insel ruhig“. Bobadilla sah die Leichen der Erhängten noch am Galgen beiderseits der Einfahrt in den Hafen, und sah diese Art der Justiz als einen Beleg für die Grausamkeit des Genuesen an, welcher er entgegentreten müßte. Weder der Admiral noch sein Bruder Bartolomé waren um diese Zeit in der Stadt anwesend. Bobadilla landete am nächsten Morgen mit seiner Schar, und ließ, nachdem er in der Kirche der Messe beigewohnt, seine Beglaubigungsschreiben der versammelten Menge vorlesen. Als er dann noch zum Schluß das königliche Mandat verkündigte, daß allen in königlichen Diensten Stehenden der rückständige Gehalt ausgezahlt werden solle, hatte er[S. 296] bereits einen großen Theil der Spanier gewonnen. Dann drang er mit Gewalt, aber ohne Blutvergießen in die Festung ein und ließ sich die Gefangenen ausliefern, um seinem Amte gemäß ihre Vergehen zu untersuchen. Seine Wohnung nahm er im Hause des Columbus, dessen Eigenthum und Papiere er mit Beschlag belegte, als sei er nur abgesendet, dem Vicekönig den Proceß zu machen, nicht aber, die Rechtsansprüche beider Parteien zu prüfen. Das ganze Volk zog er aber dadurch auf seine Seite, daß er am nächsten Tage verkündigen ließ, in den nächsten 20 Jahren könne jedermann ungehindert sich mit Goldgewinnung befassen, falls nur der eilfte Theil des Ertrages an die Krone abgeliefert würde. So entfremdete er mit Ausnahme der wenigen Getreuen dem Vicekönig die Gemüther aller Spanier und konnte es auch wagen, indem er den ihm gewordenen königlichen Auftrag verkannte und überschritt, Hand an den Admiral und seine Verwandten zu legen. Gebieterisch fordert er diesen auf, vor ihm zu erscheinen, und Columbus leistete, als er die königlichen Befehle gesehen, Folge, indem er ohne Begleitung nach San Domingo reiste. Mittlerweile hatte Bobadilla den Bruder des Vicekönigs, Don Diego, in Ketten an Bord eines seiner Schiffe bringen lassen. Gleiches Schicksal widerfuhr kurz darauf dem Admiral selbst. Bobadilla erreichte von dem Gefangenen sogar, daß dieser seinem energischen Bruder Bartolomé schrieb, er möge sich gleichfalls der königlichen Entscheidung unterwerfen. So wurde auch der dritte von den genuesischen Brüdern gefesselt. Bobadilla scheute sich, persönlich mit den Gefangenen zu verkehren. „Ich habe nie mit ihm gesprochen,“ klagte Columbus in seinem Briefe an die Amme des Prinzen, „auch hat er keinem anderen erlaubt, mit mir zu sprechen. Ein Gouverneur, der z. B. nach Sicilien geschickt wird und das Land nach bestehenden Gesetzen friedlich regiert, hat eine ganz andere Stellung als ich in einem ganz fremden, neu unterworfenen Lande mit fremden Menschen und Sitten. Wenn ich geirrt habe, so geschah es ohne Schuld oder unter dem Zwange der Verhältnisse. Was mich am meisten kränkt, ist die Wegnahme meiner Papiere, die ich nie wieder sammeln kann, und die meine Unschuld am besten beweisen würden.“[271]
Columbus war durch die ihm widerfahrene Schmach so vollständig gebrochen, daß er selbst für sein Leben fürchtete. Als der Hidalgo Alonso de Villejo, ein Verwandter Fonsecas, mit der Wache bei ihm erschien, um ihn aufs Schiff zu bringen, fragte Columbus, in dem Glauben, man führe ihn zum Tode: „Villejo, wohin führt Ihr mich?“ „Aufs Schiff um abzusegeln,“ lautete die Antwort. „Abzusegeln?“ wiederholte der Admiral fast ungläubig. „Villejo, redet Ihr die Wahrheit?“ Erst bei der wiederholten Versicherung,[S. 297] daß man ihn nicht täusche, fühlte sich Columbus beruhigt. Auch fand er sowohl bei dem Schiffscapitän Andreas Martin als bei Villejo Ehrerbietung und Theilnahme. Man wollte ihm die Ketten abnehmen; aber er lehnte es ab: Spanien sollte die Schmach sehen, die ihm, angeblich auf königliches Geheiß, als Lohn für seine hohen Verdienste angethan war. Eine kurze und glückliche Ueberfahrt ließ ihn schon in der letzten Woche des November 1500 in Cadiz landen.
Der Hof befand sich in Granada. Der Capitän Andreas Martin hatte gestattet, daß Columbus einen Brief an die Amme des Prinzen richten dürfe, welche, wie er wußte, bei der Königin bedeutenden Einfluß besaß. So gelangte die Darstellung der Verhältnisse nach seiner Auffassung eher zu Ohren des Königpaars, als der bestimmt feindselige Bericht Bobadilla’s.
Wie es schon in Cadiz und Sevilla, soweit die Kunde gedrungen war, das größte Aufsehen erregte, daß man den Entdecker der neuen Welt in Ketten nach Spanien zurückbefördert hatte, so fühlten auch die Monarchen, daß die gleichsam in ihren Namen dem Vicekönig angethane Schmach ihren Schatten auf die eigne Majestät werfe, und gaben daher sofort ihr höchstes Misfallen darüber zu erkennen. Columbus sollte sogleich seiner Fesseln entledigt und mit aller ihm gebührenden Auszeichnung behandelt werden. Zu gleicher Zeit ließen sie ihm eine bedeutende Summe (2000 Ducaten) zustellen, damit er seinem Range gemäß reisen und bei Hofe erscheinen könne. Daß er in seinen Ketten vor dem Thron erschienen, darf wohl als romantische Ausschmückung bezeichnet werden; eher aber dürfen wir dem Zeugniß Herreras[272] glauben, daß Columbus, als er vor den Majestäten am 17. December erschien, und dem Königspaar knieend seine Huldigung darbrachte, vor innerer Bewegung nicht sprechen konnte.
Wenn ihm auch bei dieser Gelegenheit und in Zukunft stets mit Auszeichnung begegnet wurde, und er darin eine Vergeltung für das ihm zugefügte bittere Unrecht erblicken konnte, so sah er sich in dem Einen, was er vor allem wünschte, getäuscht, daß er nicht wieder in seine Hoheitsrechte über die neue Welt eingesetzt wurde.
Es scheint, als ob König Ferdinand vor der Hand nicht daran dachte, den einmal vollendeten Eingriff in die Rechte des Columbus wieder rückgängig zu machen. Die Verwaltung der indischen Colonien mußte vor allem in einen geregelten Gang gebracht werden. Bobadilla hatte sich durchaus untauglich gezeigt durch die übereilte Parteinahme gegen den rechtmäßigen Statthalter, den er, ohne ihn nur zu sehen und zu hören, von der Insel entfernte. Seine Anordnungen lockerten alle Bande, Zügellosigkeit und Gesetzwidrigkeiten[S. 298] traten an die Stelle der straffen Zucht Bartolomé’s, so daß die bessern Elemente sich von dem neuen Regimente abwandten. Auch war man auf der Insel selbst dem beseitigten Befehlshaber eine entschiedene Genugthuung schuldig. Daher wurde im königlichen Rathe beschlossen, Bobadilla durch den gerechten und unparteiischen Don Nicolas de Ovando zu ersetzen; denn es galt zu gleicher Zeit auch, den nutzlosen Bedrückungen und Grausamkeiten, welche sich die spanischen Herren über ihre indischen Unterthanen erlaubten, ein Ziel zu setzen. Ovando erhielt von der Königin Isabella den ausdrücklichen Befehl, den Caziken und andern Indianern die bestimmte Versicherung zu geben, daß sie selbst ihre neuen Unterthanen in jeder Beziehung zu beschützen gesonnen sei. Nur für den königlichen Dienst sollten die Indianer zu Arbeiten herangezogen werden dürfen. Dieses letzte Recht bot aber in der Folgezeit wieder die Handhabe für fortdauernde neue Quälereien. Auch sollte es gestattet sein, gewiß in der guten Absicht, die Indianer zu entlasten, Negersklaven nach Haiti einzuführen entweder von Spanien oder von der Westküste Afrikas, wo der Menschenhandel schon seit langer Zeit bestand. Damit war der erste Anlaß zu dem für Amerika so verhängnißvoll gewordenen schwarzen Sklaventhum gegeben, welches in den folgenden Jahrhunderten so oft zu blutigen Conflicten und staatserschütternden Kämpfen führen und — ein eignes Verhängniß — nach 300 Jahren grade die erste spanische Colonie, Haiti, ganz in die Hände der Schwarzen und Farbigen liefern sollte.
Das von Bobadilla confiscirte Vermögen des Statthalters sollte Ovando zurückfordern, die dem Vicekönig zustehenden Einkünfte ihm ungeschmälert überweisen, die von Bobadilla erlassene Verfügung bezüglich des freien Bergbaus auf Gold wieder aufheben.
Das Vertrauen, welches man in Spanien auf die Tüchtigkeit Ovando’s setzte und die Hoffnung, mit seinem Eintreffen in Haiti die Colonie geordneten Verhältnissen wieder zugeführt zu sehen, ermuthigte eine große Zahl von Auswanderungslustigen, ihr Heil in der neuen Welt zu suchen. So segelte er mit 30 Schiffen und 2500 Personen am 13. Februar 1502 von San Lucar de Barrameda ab. Ein Schiff ging leider im Sturm unter, die übrigen erreichten indeß am 15. April ihr Ziel. Ovando wurde ohne Schwierigkeit, nachdem er die königlichen Befehle vorgelegt, als Statthalter anerkannt. Gegen Bobadilla, dessen Ansehen mit einem Male verschwand, wurde keine Untersuchung eingeleitet, doch mußte er nach Spanien zurückkehren. Roldan dagegen und seine eifrigsten Parteigänger wurden in Haft genommen und zur Verurtheilung auf die Flotte gebracht, welche den neuen Befehlshaber herübergeführt hatte. Nachdem dieselbe befrachtet war, sollte sie in die Heimat zurückkehren.
Columbus hatte inzwischen, da er sah, daß er nicht sofort in seine westindische Herrschaft wieder eingesetzt werde, sich zu einer neuen großen Entdeckungsfahrt gegen Westen erboten. Man darf annehmen, daß die Erfolge der Portugiesen einen wesentlichen Einfluß auf seine neuen Pläne aus[S. 299]übten. Vasco da Gama war im September 1499 aus dem indischen Gewürzlande zurückgekehrt, zu einer Zeit also, wo Columbus noch in heftigem Kampfe gegen Roldan lag. In Spanien hatte er weitere Nachrichten über Indien eingezogen, und da er sich überzeugt hielt, das Ostgestade des asiatischen Continents bereits in Cuba und Paria berührt zu haben, da ferner durch die Entdeckungsfahrten spanischer Privatunternehmer, der Hojeda, Vespucci, Pinzon noch weitere Küsten des Festlandes, zu welchem Paria gehörte, besucht waren, so schloß er daraus, eine Fahrt zwischen Cuba und Paria gegen Westen werde ihn nach dem portugiesischen Indien bringen. Die gewaltige Meeresströmung, welche an der Küste Südamerikas ungestüm nach Westen drängte, mußte nach seiner Vorstellung durch eine noch unerforschte Meerenge führen, hinter welcher er das indische Meer „jenseits des Ganges“, wie es seit dem Alterthum genannt wurde, zu finden meinte. Durch diese Vorstellungen war die Richtung der neuen von ihm ins Auge gefaßten Unternehmung bestimmt. Sein Plan wurde von den spanischen Souveränen gern genehmigt, und so konnte er bereits im Herbste 1501 an die Vorbereitungen zur Ausrüstung der bewilligten Schiffe gehen. Er scheint selbst sein Leben daran setzen zu wollen, um einen großen Erfolg zu erzielen; aber als ein vorsichtiger Mann wollte er dabei die Zukunft seiner Familie möglichst sicher stellen. Darum ließ er von den wichtigsten Dokumenten beglaubigte Abschriften nehmen und dieselben in der Bank von Genua niederlegen. Darunter befand sich auch die am 14. März 1502 von der Krone gegebene erneuerte Versicherung, daß ihm und seinen Kindern alle seine verbrieften Rechte unverkürzt erhalten bleiben sollten. Er hatte vier kleine Caravelen, von 70 resp. 50 Tons ausgerüstet und mit 150 Leuten bemannt. Sein Bruder Bartolomé, der ihm überall die kräftigste Stütze gewesen war, sowie sein jüngerer, damals erst 13jähriger Sohn Ferdinand begleiteten ihn.
Am 9. Mai 1502 ging er von Cadiz aus in See. Beseelt von frommer Hoffnung, daß seine Unternehmung gelingen werde, schrieb er von den Canarien aus an seinen Freund und Rathgeber, der Karthäusermönch Gaspar Gorricio in Sevilla. „Ich reise im Namen der heiligen Trinität und hoffe auf Sieg“.[273] Eine rasche Fahrt von 19 Tagen brachte das Geschwader von den Canarischen Inseln über den Ocean nach Martinique (Matinino) und von hier an den kleinen Antillen und der Südküste von Puertorico entlang nach San Domingo. So lange seine Schiffe im Stande waren, wollte er seine Reise beeilen, aber da eins derselben zur Forschungsreise untauglich war und schlecht segelte, so wollte er dasselbe gegen ein besseres vertauschen und dieses auf seine Kosten ausrüsten lassen. Im Haupthafen von San Domingo lag die große Flotte noch vor Anker, als er am 29. Juni vor der Stadt erschien. Aber Ovando gestattete dem Admiral nicht, ans Land zu[S. 300] kommen und Columbus hinwieder hatte sich mit der Hoffnung geschmeichelt, sein gesunkenes Ansehen in seiner Colonie wieder zu heben, wenn er als Befehlshaber eines Geschwaders einlaufe. Nur die von ihm aus Spanien mitgebrachten Briefe konnten abgegeben werden, Ovando lehnte jede weitere Annäherung ab. Auch darin fand Columbus kein Gehör, daß er aus astrologischen Ursachen[274] den nahebevorstehenden Ausbruch eines furchtbaren Sturmes verkündete und daher den Statthalter Ovando warnte, vor Ablauf einer Woche die im Hafen segelbereite Flotte, auf welcher sich Bobadilla, Roldan u. a. befanden, nicht abfertigen zu wollen.
Wenn nun bald darauf, als die Flotte wirklich ausgelaufen war, der Orkan losbrach, gegen 20 Schiffe mit Mann und Maus verschlang und dabei auch Bobadilla und Roldan vernichtete; wenn von allen Fahrzeugen nur ein einziges, und dazu ziemlich gebrechliches, welches aber das wieder ausgelieferte Vermögen des Admirals an Bord hatte, endlich nach Spanien die Reise fortsetzen konnte: mußte Columbus in allem nicht die unmittelbare Hand Gottes und sein Strafgericht erkennen? Er selbst hatte sich mit seinen vier Schiffen in die Nähe der Küste geflüchtet und dort das verderbliche Unwetter glücklich überstanden, wenn auch der schlechte Segler, den sein Bruder befehligte, aufs Meer getrieben und seiner Böte beraubt wurde. „Der Sturm war furchtbar,“ schreibt Columbus, „die Schiffe wurden getrennt und ich fürchtete, daß die übrigen untergegangen. Wie schmerzlich ist es bei solcher Gefahr und in Angst um den Sohn, den Bruder, die Freunde, nicht ans Land oder in den Hafen flüchten zu dürfen, an einer Küste, welche ich unter so vielen Mühseligkeiten für Spanien selbst gewonnen habe.“
Am 14. Juli segelte Columbus von Haiti ab und steuerte, indem er die Inseln Jamaica und Cuba zur Rechten ließ, grade gegen Westen. Jenseits Jamaica trieb ihn aber eine heftige Strömung gegen Nordwesten bis zu der Region, wo die „Gärten der Königin“ lagen, doch sah er das Land nicht. Von hier steuerte er nach der terra firma hinüber und erreichte am 30. Juli die im äußeren Golf von Honduras gelegene Insel Guanaja,[275] welche er nach dem prächtigen Fichtenwalde Isla de Pinos nannte. Dort traf er mit yukatanischen Händlern zusammen, welche in ihren großen, aus einem Stamm gefertigte Barken allerlei Handelswaren hatten, als messingene Schellen, Messer und Beile von hellem, durchscheinenden Stein, hölzerne Schwerter, deren Schneiden aus scharfen Steinen bestanden, welche beiderseits in Rinnen eingefügt waren, schön geschnitzte hölzerne und marmorne Gefäße, baumwollene, in verschiedenen Farben gewebte Decken u. a. Columbus erkundigte sich bei den Insassen der Böte nach dem Lande im Westen. Man nannte das Land der Maya (Yukatan). Da die Handelswaren eine höhere[S. 301] Kultur verriethen, als die Spanier bisher im westindischen Gebiete angetroffen, so wäre Columbus, wenn er die Heimat der einheimischen Händler aufgesucht hätte, zu den Städten in Yukatan, vielleicht gar an das Gestade von Mexiko gelangt. Aber von der Vorstellung einer Meerenge beherrscht, welche ihn weiter südlich um die vermeintliche hinterindische Halbinsel, in deren Nähe er sich zu befinden glaubte, in den Golf von Bengalen führen sollte, blieb der Admiral seinem Plane treu und segelte statt nach Westen, nach Osten, und sah sich dadurch auch bei der letzten Fahrt auf die Erforschung innerhalb des caribischen Meeres beschränkt. Zunächst ging der Admiral nach dem im Süden gelegenen festen Lande hinüber und landete in der Nähe des Cap Honduras, um von dem neu entdeckten Gebiete für Spanien Besitz zu ergreifen. Es scheint, daß er bei dem fortdauernd schlechten Wetter hier gegen 14 Tage verweilte, dann steuerte er an der Küste gegen Osten. Aber die heftigen Stürme und die furchtbare Gegenströmung ließen ihn kaum einen Schritt vorwärts gewinnen. In einem Zeitraum von vier Wochen, vom 14. August bis zum 12. September (Columbus gibt irrthümlich 60 Tage, Peter Martyr richtiger 40 Tage, den Aufenthalt bei Guanaja eingerechnet), legte er, unter stetem Laviren, nur einen Abstand von drei Meridianen zurück. „Es regnete, donnerte und blitzte unaufhörlich, es sah aus, als ob die Welt untergehen sollte. In der ganzen Zeit sah ich weder Sonne noch Sterne. Meine Schiffe hatten furchtbar gelitten, die Segel waren zerrissen. Wir hatten Anker, Takelwerk, Böte und eine große Menge Vorräthe eingebüßt. Das Schiffsvolk war krank und niedergedrückt. Manche gelobten ein religiöses Leben zu führen und alle verpflichteten sich zu Walfahrt und Beichte. Wir haben manche Stürme erlebt, aber nie einen von solcher Heftigkeit.“[276] Am meisten war Columbus um seinen 13jährigen Sohn besorgt; aber er fand einen Trost darin, daß dieser sich auf der See bewährte. Dann machte er sich Vorwürfe darüber, daß er seinen Bruder Bartolomé, den er gegen dessen Willen mitgenommen, stets der äußersten Gefahr ausgesetzt sah, weil er sich auf dem schlechtesten Fahrzeuge befand. Der Admiral selbst lag fieberkrank danieder, leitete aber trotzdem von einer kleinen Cabine aus, die auf Deck errichtet worden war, den Lauf des Schiffes. Krankheit und Sorgen preßten ihm die Klage aus, daß er nun in 20 Dienstjahren voll Mühen und Gefahren noch nichts gewonnen habe und bis jetzt in Castilien noch keinen Dachziegel erworben habe, daß er in Spanien beständig auf das Wirthshausleben angewiesen gewesen sei und meistens kaum die Mittel besessen habe, um seine Rechnungen bezahlen zu können.
So erreichte er endlich am 12. September das östlichste Vorgebirge von Honduras, von wo die Küste nach Süden lief und ihm besseres Wetter und günstiger Fahrwind in Aussicht stand.
Zum Dank für die Errettung Aller nannte er jenes Vorgebirge Gracias[S. 302] à Dios (Gott sei Dank), wie es noch heute heißt. Die Küste, welche sich von da ab, zwischen dem 15° und 10° n. Br. nach Süden zog, bewahrte zwar noch denselben Charakter, aber die Fahrt ging leichter von statten. Hinter dem flachen, sandigen Strande breiten sich zahlreiche Lagunen hin. Der Boden ist, bisweilen bis dicht ans Meer, mit Pechtannen bewachsen oder mit üppigem Platanenwald bedeckt. Große Savannenflächen breiten sich dazwischen aus. Die ganze Gegend gilt als gesund. Erzgänge kennt man hier nicht; aber manche Flüsse, wie der Rio Tinto gegen Norden, und der Rio Pataca scheinen reich an goldführendem Sande zu sein.
Am 25. September gelangte das Geschwader zu einer reizenden Gestadeinsel, welche Columbus den Garten (la Huerta) benannte. Am festen Lande lag, in der Nähe der Mündung eines Flusses, das Indianerdorf Cariai.[277] Hier gönnte er (vielleicht in der Nähe der heutigen Stadt Greytown) seiner Mannschaft eine längere Ruhe, ließ die Schiffe ausbessern und Vorräthe einnehmen. Aus den Erkundigungen, welche Bartolomé Colon am Lande einzog, ging hervor, daß weiter gegen Südosten reiche Goldgestade ihrer warteten. So steuerten denn die Schiffe am 5. October dieser verheißenden Küste zu und kamen nach zwei Tagen in die heutige inselreiche Bai von Chiriqui. Die Indianer nannten diese Gegend Cerabaró oder Carabaro. „Ich selbst,“ schreibt Columbus, „erhielt Mittheilung über die gesuchten Goldbergwerke in der Provinz Ciamba und zwei Indianer führten mich nach Carambaru, wo das nackte Volk Goldschmuck am Halse trug.“
Die Provinz Ciamba, welche Columbus nennt, ist das schon von Polo erwähnte Königreich Tschampa in Hinter-Indien. Der Irrthum des Admirals erklärt sich aber, sowie wir einen Blick auf den Globus Behaims werfen. Westlich von Cipangu (Haiti, nach Ansicht des Columbus) erstreckt sich die Ostküste Asiens zwischen dem 20° und 10° n. Br. von Norden nach Süden. An dieser Küste glaubte der Admiral angelangt zu sein, und eben hier sehen wir auf Behaims Globus das Königreich Ciamba eingezeichnet. So fest war auch hier wieder Columbus von seinen Ideen eingenommen, daß er ohne weitere Erklärung und mit der größten Sicherheit von der „Provinz Ciamba“ spricht.
Wo südlich von der Mündung des Rio San Juan die Küste des mittelamerikanischen Isthmus in den Staaten Costarica und Panama sich im allgemeinen mehr nach Osten zieht, ändert sich die Natur des Gestades. Dicht bewaldete Berge treten bis an die See; größere und kleinere, zum Theil mit Berginseln malerisch besetzte Buchten öffnen sich und bieten guten Ankergrund. Gegenüber von Carabaró lag auf den anderen Seiten der herrlichen,[S. 303] fischreichen Bucht von Chiriqui die Landschaft Aburéma, beide reich an Gold in allen Flüssen. Hier war es, wo Columbus die erste dunkle Kunde von dem großen Ocean erhielt, diese Nachricht aber auf das indische Meer jenseits des Ganges bezog. Neun Tagereisen quer durch das Land nach Westen lag nach den Angaben der Indianer, denen man Glauben schenken durfte, das goldreiche Land Ciguara, dessen Bewohner Korallenschmuck im Haar und große Korallenarmbänder trugen. Auch sollte dort der Pfeffer bekannt sein. Columbus erfuhr weiter, daß in jenem Lande Messen und Märkte abgehalten würden, daß die Leute kunstreich gearbeitete Kleidung trügen, mit Schwertern, Bogen und Pfeilen bewaffnet, sogar mit Harnischen gerüstet seien. Auch glaubte der Admiral aus den weiteren Mittheilungen zu verstehen, daß das Volk auf seinen Schiffen Kanonen führe und Streitrosse besitze. Die goldreiche Küste jenseits der Bai von Chiriqui wurde nach einem Indianerorte Veragua genannt. Eine höhere, der Küste parallel laufende Gebirgskette war fast immer in Wolken gehüllt. Ihre Gipfel schätzte Columbus auf 50,000 Fuß Höhe. Am Fuß der Gebirge, sagte er, öffne sich ein Pfad zu dem asiatischen Ostmeere, so daß Veragua und Ciguara einander gegenüber liegen wie Tortosa und Fuentarabia in Spanien, oder Venedig und Pisa in Italien. Er hoffte also, da er sich die mittelamerikanischen Landschaften auf den einander gegenüberliegenden Küsten einer Halbinsel, wie Spanien und Italien vorstellte, bei einer Weiterfahrt das Ende des Landes umsegeln zu können und eine Meerenge zu finden in ähnlicher Lage, wie südlich von Italien oder Spanien. Darum fügt er hinzu: Die See umgibt Ciguara und in 10 Tagen kommt man von da zum Ganges. Er glaubte also nahe dem südlichen Ende der hinterindischen Halbinsel zu sein, wo nach der Vorstellung des Ptolemäus der Hafen Catigara lag. Bestärkt wurde Columbus noch durch die Angaben der Kosmographie des Aeneas Sylvius[278] (Papst Pius II.), welche er auf seinem Schiffe mit sich führte. Hier fand er bei der Beschreibung Ostasiens, Katais und Matschins (Großchinas) Mittheilungen über das Tätowiren, über den Sonnenkultus u. a., was er an der Küste von Mittelamerika auch beobachtet hatte, so daß er daraus folgerte, er sei in die Nähe des alten Handelshafens von Catigara angelangt, die Halbinsel sei nur noch 9 Tagereisen breit und jenseits derselben erreiche man bei günstiger Fahrt in 10 Tagen den Ganges.
War diese Berechnung richtig und hatte er damit, auf die Autorität des Ptolemäus bauend, welcher Catigara 180 Meridiane östlich von den Canarischen Inseln ansetzt, gegen Westen segelnd, die Hälfte des Erdballs umfahren, dann konnte auch der Umfang der Erde nicht so groß sein, wie seit der Berechnung des Alterthums allgemein angenommen wurde; denn er war sich wohl bewußt, daß er in geradem Abstande von Osten nach Westen noch nicht eine so große Strecke durchmessen hatte, welche der Hälfte des Erdumfanges[S. 304] entspräche. Aber auch vor dieser Consequenz schreckte er nicht zurück und erklärte darum in seinem Briefe aus Jamaica: Die Welt ist nicht so groß, als man gewöhnlich annimmt, denn ein Aequatorialgrad beträgt nicht 60 sondern nur 56⅔ Meilen (millas).[279]
Unter diesen Vorstellungen und in der sicheren Erwartung, die Meerenge bald zu erreichen, segelte er weiter, ohne das Goldland von Veragua genauer zu untersuchen. Am Abend vor Simon und Judä wurde er widerstandslos vom Sturme fortgetrieben und fand erst nach mehreren angstvollen Tagen Schutz vor der wilden See und dem rasenden Sturme in einem prächtigen Hafen, dem er den Namen Puerto bello gab. Hier blieb er vom 2. bis 9. November liegen, bis das Unwetter sich ausgetobt zu haben schien. Nach den Goldminen von Veragua wollte er nicht zurückkehren; er sah sie schon als spanisches Eigenthum an. Unter heftigen Regengüssen segelte er weiter, wurde aber schon nach kurzer Fahrt genöthigt, wider seinen Willen, an der schützenden Küste eine Zuflucht gegen die von neuem losbrechenden Wetter zu suchen. Die Umgebung des Hafenplatzes war wohl angebaut und bot eine willkommene Fülle von Nahrungsmitteln, daher erhielt die Bucht den Namen Puerto de los bastimentos (Hafen der Vorräthe). Sturm und Ungewitter hielten ihn hier bis zum 23. November fest. Als er sich ohne günstiges Wetter von neuem wieder hinauswagte, konnte er unter großer Anstrengung nur 15 Meilen zurücklegen; denn Wind und Strömung waren ihm dermaßen entgegen, daß er nach dem verlassenen Hafen zurückweichen mußte. Unterwegs fand er einen andern Hafen, den er Retrete nannte. Es war ein ganz kleiner, unbequemer Hafen, der von Sandbänken und Felsen umsäumt war. Hier ward er von neuem auf die Dauer von 14 Tagen festgehalten. Am 5. December, als er die Zufluchtsstätte verlassen und nur vier Meilen weit gekommen war, brach der Sturm mit gesteigerter Wuth wieder los und machte ihn völlig rathlos. Die schaumbedeckte See erhob sich zu furchtbarer Höhe, wie er noch nie erlebt hatte. „Der Wind war uns grade entgegen,“ so beschreibt Columbus diese Unwetter, „und machte es uns unmöglich, nach einer vor uns liegenden Landspitze zu steuern. Die See kochte wie ein Kessel über starkem Feuer. Tag und Nacht flammte der Himmel von den zuckenden Blitzen, welche von so entsetzlichem Donner begleitet waren, daß wir alle fürchteten, die Schiffe müßten untergehen.“ Neun Tage schwebte er so in Lebensgefahr und während dieser ganzen Zeit strömte das Wasser vom Himmel nicht wie Regen, sondern wie eine neue Sündflut. Die Mannschaft wurde so muthlos, daß sie den Tod als eine Erlösung aus diesem Jammer ansah. Zweimal hatten die Schiffe bereits Verluste an Böten, Ankern und Tauwerk erlitten und lagen nun ohne Segel bei.
In der Nähe der eigentlichen Landenge von Panama wurde Columbus zur Umkehr genöthigt. Seine Schiffe waren in dem erbärmlichsten Zustande und hielten sich, von Bohrwürmern angegriffen, kaum noch über Wasser. Aber auch auf dem Rückwege nach Veragua tobte das Wetter und hielten widrige Winde ihn beständig auf, so daß er wiederholt sich in den Schutz der Küste flüchten mußte; so auch am Weihnachtsabend, wo er aus der bevorstehenden Opposition des Saturns mit der Sonne auf ein neues Ausbrechen der Wuth der feindlichen Elemente sich glaubte gefaßt machen zu müssen. Erst mit dem Beginn des neuen Jahres 1503 trat günstigeres Wetter ein und so erreichte er, im Zustande höchster Erschöpfung, denn die Mannschaft lag größtentheils krank darnieder, die Küste von Veragua am Epiphaniastage und lief in den Fluß Belen oder Yebra ein, über dessen Barre er zwar mit großer Schwierigkeit, aber doch glücklich in stilles Fahrwasser gelangte. Am folgenden Tage brach der Sturm wieder los und hätte es ihm unmöglich gemacht über die Barre zu kommen, wenn er von dem Unwetter noch auf der See überrascht worden wäre. Der Regen hielt bis zum 14. Februar an, so daß man anfangs nicht im Stande war die Schiffe zu verlassen. Am 24. Januar schwoll der Fluß plötzlich so gewaltig an, daß er die Schiffe von ihren Kabeln losriß und beinahe wieder auf das Meer hinausgetrieben hätte.
Erst am 6. Februar konnte der Admiral es wagen, seinen Bruder Bartolomé mit 68 Mann auf Kundschaft nach dem Veraguafluß zu senden. Der Adelantado erreichte in seinen Böten bald das Dorf des Quibian oder Caziken von Veragua. Der Häuptling, nach Landessitte bemalt, aber nackt, kam den Fremden mit großem Gefolge, aber unbewaffnet entgegen. Bei der Zusammenkunft holten seine Begleiter aus der Nähe einen großen Stein herbei, wuschen denselben in dem Flusse sorgsam ab, rieben ihn trocken und legten ihn vor ihrem Fürsten nieder, damit er, seiner Würde gemäß, sitzend die Unterhaltung beginnen könne.[280] Auf den Wunsch der Spanier, zu den Fundstätten des Goldes geführt zu werden, zeigte sich der Quibian sofort bereit und bestellte drei Führer, um die Fremden dahin zu geleiten. Bartolomé Colon sandte einen Theil seiner Mannschaft zum Schutz der Böte zurück und brach mit den übrigen nach den Minen auf. In allen Gewässern konnte man mit leichter Mühe zwischen den Wurzeln der Bäume, unter dem Flußgeröll und im Sande Goldblättchen auflesen. Weiter brachten die Indianer den Adelantado mit seinem Gefolge auf einen hohen Berg, von wo aus man das Land weit und breit übersehen konnte und erklärten, daß überall, namentlich gegen Westen auf 20 Tagereisen weit sich Gold sammeln lasse und nannten Städte und Dörfer, welche in jenem Goldgebiete lägen. Nachher erfuhr man, daß der schlaue Quibian den Spaniern die ergiebigen Gebiete eines ihm feindlichen Nachbarfürsten hatte zeigen lassen, um die[S. 306] Fremdlinge mit seinem Feinde in Streit zu bringen, daß er aber die besten Goldfelder im eignen Lande verheimlicht hatte.
Am 16. Februar setzte Bartolomé die Erforschung des Landes weiter fort, fand überall reichliche Spuren von Gold, besuchte mehrere Caziken, bei denen er freundliche Aufnahme fand, erkannte aber, daß das Gebiet von Veragua von allen am reichsten sei. Auch wiederholte sich hier wieder die Kunde von einem mächtigen Kulturvolke, das an dem andern Meere wohnen sollte.
Es schien klar, daß man sich hier in der Nähe der reichsten Gebiete Asiens befand, und daher beschloß Columbus hier eine Niederlassung zu gründen. Veragua war der goldene Chersones. (Siehe oben S. 207.)[281]
Am Flusse Belen wurden Häuser errichtet, der Adelantado entschloß sich in der Colonie die Leitung zu übernehmen und mit einem Fahrzeuge zurückzubleiben, indeß Columbus nach Spanien zurückkehren und von da neue Verstärkungen herüberführen wollte. Der Quibian, den der Admiral durch Geschenke für seinen Plan gewonnen glaubte, sah die Versuche seiner Gäste, sich häuslich niederzulassen, mit schelem Blick und wachsendem Unbehagen. Das gute Einvernehmen zwischen Spaniern und Indianern wurde allmählich getrübt, denn die Eingeborenen hatten von der Anmaßung der Fremden zu leiden. Der Quibian benutzte die entstehende Zwietracht zu einer allgemeinen Verschwörung, man wollte die neuen Häuser der Colonie in Brand stecken und die Insassen tödten. Diego Mendez, ein dem Columbus treu ergebener Mann, erhielt zuerst von diesem Plan Kenntniß; er bewachte die Bewegungen[S. 307] der bewaffneten indianischen Scharen, so daß sie im geheimen ihre Absicht nicht ausführen konnten, ja er drang sogar bis zu dem Mittelpunkte der feindlichen Macht, bis zur Behausung der Caziken vor, indem er sich für einen Wundarzt ausgab, welcher dem verwundeten Häuptling Linderung bringen wolle. Nachdem er sich dabei noch einmal vergewissert hatte, daß in der That ein Angriff auf die spanische Niederlassung bevorstehe, kehrte er nach dem Belen zurück. Bartolomé Colon wählte sofort gegen 50 tüchtige Leute aus, rückte vor das Haus des Quibian und nahm denselben sammt seiner zahlreichen Familie gefangen. Leider entkam der Häuptling in der darauf folgenden dunkeln Nacht wieder und gab nun das Signal zum Angriff auf die Ansiedlung. Inzwischen hatte der Admiral im Anfang April drei Schiffe aus dem Flusse wieder über die Barre aufs Meer gebracht, um nach Spanien zurückzukehren, während sein Bruder nebst einem Schiffe in Veragua zurückbleiben sollte. Als aber durch den erbitterten Angriff der Indianer die am Lande befindlichen Spanier aus ihren Hütten vertrieben wurden, und als vollends der Capitän Diego Tristan mit seiner Bootsmannschaft, welche den Fluß Belen hinaufgegangen war, um Wasser zu holen, von den Feinden erschlagen worden, war das Schicksal der Colonie besiegelt. Es galt nur noch, den Adelantado mit seinen Leuten, die sich am Strande verschanzt hatten, zu retten. Der Admiral, selbst in heftigem Fieber liegend, und fast aller seiner Böte beraubt, nicht fähig seinem Bruder Hilfe zu bringen, gerieth in die höchste Aufregung. „Ich war allein draußen,“ erzählte er später, „an der gefährlichen Küste, von schwerem Fieber befallen und todesmatt. Alle Hoffnung, zu entkommen, war dahin. Ich arbeitete mich mühsam auf den höchsten Theil des Schiffes und rief mit zitternder Stimme unter heißen Thränen die Hauptleute mir zu Hilfe zu kommen, aber es kam keine Antwort.“ In seinen Fieberphantasien glaubte Columbus nun, als er völlig erschöpft eingeschlafen war, eine mitleidige, tröstende Stimme zu vernehmen, welche zu ihm sprach: „Warum verzagst du in deinem Glauben an Gott? Was that er mehr für Moses oder für seine Knechte, als er für dich gethan? Seit deiner Geburt hat er die größte Sorge um dich gehabt. Als er dich zu den von ihm bestimmten Jahren kommen sah, hat er deinen Namen in der ganzen Welt ertönen lassen. Er gab dir Indien, den reichsten Erdtheil, du vertheiltest es nach deinem Belieben. Du empfingst von ihm die Schlüssel zum Ocean, der bisher mit starken Ketten verschlossen war. Man gehorchte deinen Befehlen in den unermeßlichen Ländern, und du hast unsterblichen Ruhm unter den Christen erworben. Was that er mehr für das Volk Israel, als er es aus Aegypten führte, und für David, den er aus dem Hirtenstand zum Throne Judas erhob? Kehre zurück zu deinem Gott, erkenne endlich deinen Irrthum; sein Mitleid ist ohne Grenzen. Dein Alter (ta vejez) wird dich nicht hindern, große Thaten zu thun. Er hält in seiner Hand die glänzendste Erbschaft... Sprich, wer hat dich so tief und so oft gebeugt, Gott oder die Welt? Gott hält stets, was er verspricht. Fürchte nichts, fasse Muth!“
Die peinliche Ungewißheit über die am Lande Zurückgelassenen währte tagelang, denn wegen der starken Brandung war aller Verkehr mit der Küste abgeschnitten. Endlich erbot sich der Pilot Pedro Ledesma, durch die Brandung zu schwimmen, wenn man ihn mit dem letzten verfügbaren Bote bis an die Grenze derselben bringe. Diese kühne That gelang, und so erhielt Columbus Nachricht, daß sein Bruder sich noch an der Küste vertheidige. Trotz seiner gefahrvollen Lage — denn die von Würmern zerfressenen Schiffe hielten sich kaum noch über Wasser — mußte er noch längere Zeit ausharren, bis das Wetter sich günstiger gestaltete und es ermöglichte, die am Lande befindliche Mannschaft, wenn auch mit Zurücklassung ihrer Caravele, wieder einzuschiffen und die Gründung einer Colonie einer späteren Zeit vorzubehalten. So gelang es denn Ende April, die gefährliche Goldküste von Veragua mit drei Schiffen zu verlassen. Das Geschwader ging nach Osten an der Küste entlang, mußte bei Puerto bello noch ein Schiff zurücklassen, welches zu einer Fahrt über das Meer völlig untauglich geworden war, und drang bis an den Golf von Darien vor. Von hier steuerten die beiden letzten Schiffe grade nach Norden, um womöglich Jamaica zu erreichen; aber Wind und Strömung trieben sie von ihrem Cours ab und zu weit nach Westen, so daß sie statt nach Jamaica an die kleine Cayman-Insel und von da nordwärts zu der Inselwolke kamen, welche Columbus bei seiner Erforschung der Südküste Cubas bereits besucht und mit dem Namen „Gärten der Königin“ belegt hatte. „Die See war sehr stürmisch und ich wurde rückwärts getrieben vor Top und Takel (volver atras sin velas). Das eine Schiff verlor drei Anker. Um Mitternacht brach ein Wetter los, als sollte die Welt untergehen, so daß auch die Kabel des andern Schiffes rissen und dasselbe mit solcher Gewalt auf uns zutrieb, daß alles in Stücke zu gehen drohte. Nur ein Anker hielt noch, und war nächst Gott unsere einzige Rettung.“[282] Erst nach sechs Tagen, als das Wetter ruhiger geworden war, konnte man weiter segeln. Es war eine verzweifelte Fahrt. Die Schiffe waren von den Würmern wie Honigwaben durchlöchert. Die Mannschaft war völlig verzagt und muthlos. Als Columbus die Südwestspitze Cubas, Cap de la Cruz erreicht hatte, hoffte er an der Küste entlang ostwärts nach Haiti zu kommen; aber Wind und Strömung waren ihm dermaßen entgegen, daß er mit seinen kaum noch haltbaren Schiffen nicht dagegen ankämpfen konnte und sich genöthigt sah, sich nach Jamaica zu wenden. Das Wasser drang unaufhaltsam in die Fahrzeuge ein und konnte, trotzdem man mit drei Pumpen, mit Töpfen und Kesseln am Ausschöpfen arbeitete, nicht bewältigt werden, sondern stieg im Schiffsraum immer höher. Man war froh, mit den sinkenden Schiffen bis nach Jamaica hinübergekommen und wenigstens das Leben gerettet zu haben. So ließ denn der Admiral beide Schiffe an einer günstigen Stelle an den Strand laufen. Es war am 25. Juni 1503, daß die Schiffe sich im Hafen Santa Gloria, jetzt Christovals-[S. 309]Bucht genannt, nahe am Lande auf seichtem Grunde mit Wasser füllten, so daß sie bis ans Verdeck sanken. Das Verdeck selbst blieb über Wasser, und hier wurde in gedeckten Cajüten die Mannschaft untergebracht. So konnten die Wracks noch als Holzfestungen gegenüber unerwarteten Angriffen von Seiten der Bewohner dienen, auch wurden die Mannschaften abgehalten, am Lande herumzuschweifen und den Indianern Anlaß zu Conflicten zu geben, welche bei der hilflosen Lage der Spanier allen den Untergang bereiten konnten, wenn ihnen vom Lande her die erforderlichen Lebensmittel versagt wurden, denn die Schiffsvorräthe waren natürlich sämmtlich verloren gegangen.
Glücklicherweise zeigten sich die Indianer, welche bald scharenweise am Strande erscheinen, geneigt, zum Tausch gegen europäische Artikel Lebensmittel herzuzuschaffen. Aber diese Art der Verproviantirung konnte bei ihrer Unregelmäßigkeit auf die Dauer die Spanier nicht vor Hungersnoth schützen. Es mußte das Gebiet der Bezugsquellen weiter ausgedehnt, es mußten mit den entfernteren Dörfern gewissermaßen Lieferungsverträge abgeschlossen werden.
Zu dem Ende erbot sich Diego Mendez, mit drei Leuten auf Kundschaft auszuziehen. Ueberall fand er freundliche Aufnahme; Cassavebrod und Fische wurden ihm in Fülle gereicht. So zog er von einem Dorf zum andern und gelangte endlich bis an den äußersten Osten der Insel, wo er sogar mit dem Caziken Blutsfreundschaft schloß und seinen Namen eintauschte. Hier kaufte Mendez ein Boot, belud es mit Nahrungsmitteln und brachte es nach der Hafenbucht von Santa Gloria.
War damit und mit dem in Folge des Uebereinkommens reichlich zugeführten Lebensbedarf die Noth der Schiffbrüchigen gehoben, so blieb doch ihre Lage eine absolut hoffnungslose, wenn es nicht gelang, nach Haiti zum Statthalter Ovando eine Mittheilung von ihrem Aufenthalte und ihrem Schicksal zu befördern. Auch zu diesem Wagniß erbot sich Mendez. Zwar schlug der erste Versuch fehl, da er mit seinen Genossen am östlichen Strande von Jamaica gefangen genommen wurde und nur mit Noth den Eingeborenen entrinnen konnte. Aber er war auch zum zweiten Male bereit, sein Leben für die Rettung des von ihm verehrten Admirals und seiner Begleiter zu wagen. Diese zweite Unternehmung wurde besser vorbereitet. Es gingen nämlich zwei Böte, indianische Canoes, welche für die Seefahrt besonders hergerichtet waren, unter Mendez und Bartolomeo Fiesco ab. In jedem Bote befanden sich sechs Spanier und zehn indianische Ruderer; es fand nämlich ein Verkehr über See zwischen den großen Inseln statt und die Indianer konnten dabei den Spaniern die Segelrichtung angeben. Damit aber die beiden Böte, welche erst vom Ostende Jamaicas sich nordwärts über das Meer wagen sollten, nicht wieder von Indianern überfallen werden könnten — denn es konnte der Fall eintreten, daß wegen widriger oder hochgehender See die Böte nicht sofort vom Strande ablaufen durften, sondern mehrere Tage auf günstiges Wetter zu warten hatten; — so begleitete sie der Adelantado mit[S. 310] 50 Bewaffneten, die am Strande hinzogen und denselben so lange schützten, bis ihre Genossen sich mit den Canoes aufs Meer hinaus wagen durften. Diese kühne Bootfahrt fällt in den August 1503. Fünf Tage und vier Nächte wurde unablässig gerudert, Mendez saß ohne Unterbrechung am Steuer. So erreichten sie das Cap St. Miguel (jetzt Cap Tiburon), die Westspitze Haitis, wo sie, erschöpft von der großen Anstrengung, zwei Tage rasteten. Dann setzten sie ihre Fahrt längst der Südküste weiter fort. In der Landschaft Jaragua traf Mendez den Statthalter Ovando, welcher ihn zwar freundlich empfing, aber doch seinem Bericht über die trostlose Lage der Schiffbrüchigen auf Jamaica nicht trauete, vielmehr argwöhnte, Columbus wolle durch eine plumpe List ihn täuschen, um wieder den Boden seiner Colonie betreten zu dürfen.
Monate vergingen, ehe der Statthalter von Haiti dem Drängen des Mendez nachgab und ein Schiff unter Diego de Escobar auf Kundschaft nach Jamaica entsendete. Die Wahl dieses Sendboten war als eine für Columbus nicht günstige aufzufassen, denn Escobar hatte zu den Parteigängern Roldans gezählt, war aber später begnadigt worden. Er kürzte auch seinen Besuch in Jamaica möglichst ab, nahm Briefe des Columbus mit und ging bald wieder in See mit dem Versprechen, ein größeres Schiff zu senden, um den Admiral aus seiner gefährlichen Lage zu befreien; das Fahrzeug, auf welchem er gekommen, sei zu klein, um die Schiffbrüchigen alle aufzunehmen.
Mendez hatte sich indessen bemüht, mit dem Gelde des Columbus in Haiti ein Schiff zu miethen, konnte aber seine Absicht erst im Frühling 1504 erreichen, weil nicht eher Schiffe von Spanien angekommen waren. Er belud dann ein Fahrzeug mit Vorräthen aller Art und sandte es nach Jamaica, während er selbst nach Spanien ging, um dem Könige von dem Schicksal des Columbus Mittheilung zu machen. So kam es, daß der Admiral sich ein ganzes Jahr unter wachsender Gefahr und aufreibenden Sorgen auf Jamaica festgehalten sah.
Bald nach der Abfahrt des Mendez hatten die Indianer die weiteren Lieferungen von Lebensmitteln verweigert und konnten nur durch eine auf ihre Einfalt und ihren Aberglauben berechnete List bewogen werden, die weitere Verpflegung der fremden Gäste zu übernehmen. Columbus wußte, daß am 29. Februar 1504 eine Mondfinsterniß eintreten werde. Er drohte daher den Indianern mit dem Zorn der himmlischen Gottheit, welche ihr leuchtendes Angesicht von ihnen abwenden werde, wenn man den Spaniern den nöthigen Nahrungsbedarf entzöge. Die kindlichen Gemüther der Eingebornen wurden durch das rasche Eintreffen der drohenden Prophezeihung so erschreckt, daß sie, um den Zorn des Lichtgottes zu besänftigen, sich alsbald bereit erklärten, die Spanier mit Vorräthen zu versehen.
Weit gefährlicher und langwieriger gestaltete sich die Meuterei der beiden Brüder Francisco und Diego Porras, welche mit 48 Gesinnungsgenossen unter Drohungen, denen sich der muthige Adelantado vergebens zu[S. 311] widersetzen suchte, die Schiffe verließen und auf demselben Wege wie Mendez und Fiesco ihr Heil versuchen und nach Haiti segeln wollten, weil sie meinten, Columbus habe gar nicht die Absicht, Jamaica wieder zu verlassen, sondern wolle sie zwingen, mit ihm dort eine dauernde Colonie zu gründen. Ihr Versuch, auf indianischen Böten ihre Flucht auszuführen, scheiterte an der Ungunst des Wetters, sie waren nach kurzem Kampf mit dem feindlichen Elemente genöthigt, nach Jamaica zurückzukehren. Columbus suchte vergebens eine Verständigung herbeizuführen, aber diese zerschlug sich an den unbilligen Forderungen der Meuterer. Und als diese vollends sich anschickten, einen geeigneten Hafenplatz, wo man die Landung der verheißenen rettenden Fahrzeuge erwartete, zu besetzen, und sich dadurch zu Herren der Rettungsschiffe zu machen, blieb der dem Columbus treu gebliebenen Mannschaft, an deren Spitze der Adelantado trat, nichts übrig, als die Entscheidung der Waffen anzurufen. So kam es am 19. Mai 1504 zu einem blutigen Zusammenstoß, in welchem mehrere Meuterer erschossen und Francisco Porras gefangen genommen wurde. Die Besiegten baten um Gnade und mußten unter feierlichem Eidschwur von neuem Treue geloben. Nur unter dieser Bedingung wurden sie in dem Schiffe mit aufgenommen, welches, von Diego Mendez gesendet, am 28. Juni vor der Bucht von Santa Gloria eintraf und alle Spanier nach Haiti hinüberbrachte, wo sie am 13. August den Hafen von San Domingo erreichten. Ovando nahm den Admiral mit seinen Leuten ehrerbietig auf, zeigte ihm aber auch seine höhere Amtsgewalt, indem er dem gefangenen Francisco Porras seine Fesseln abnehmen ließ. Am 12. September trat Columbus seine letzte Heimreise aus der neuen Welt an und erreichte im Anfang November nach einer stürmischen Ueberfahrt den spanischen Boden in Cadiz.
Gekränkt und in seiner Ehre verletzt, niedergedrückt durch den Verlust aller Schiffe, mit denen er von Spanien ausgezogen, siech an Körper und Geist kam er von dieser seiner letzten Fahrt zurück. Niemand kümmerte sich um die Heimkehr des armen Schiffbrüchigen. Der Jubel, der ihn sonst empfangen, war verstummt. Peter Martyr, welcher in seinen Briefen ehedem sich der intimen Freundschaft des Admirals gerühmt hatte, schweigt in seinen gleichzeitigen Briefen über die Resultate dieser Reise. Columbus ist ihm ein gefallener Mann, den man nicht mehr nennen darf, ohne sich zu compromittiren. Man darf wohl daran erinnern, daß Martyr auch in seinen Decaden (Dec. I. lib. 10) am gehörigen Orte nur ganz kurz diese letzte Fahrt des Columbus erwähnt; und erst viel später, in den 1515 geschriebenen Abschnitten seines Werkes (Dec. III. lib. 1–4) wo er die Ereignisse von 1513 auf dem mittelamerikanischen Isthmus erzählt, erinnert er sich seines an Columbus begangenen Unrechts und holt die Geschichte der letzten Fahrt nach.
Gewiß, Columbus hatte, als er wieder in Spanien eintraf, nur noch wenig Freunde und sollte bald nach seiner Ankunft auch noch die treueste Freundin, die Königin, verlieren. Isabella starb am 26. November 1504, also nur wenige Wochen, seitdem Columbus in Cadiz angekommen war. Daher fand dieser keine Gelegenheit, seine hohe Beschützerin noch einmal zu sehen.
Der Admiral brachte den folgenden Winter in Sevilla zu. Er erwartete, den schriftlichen Zusagen der Krone gemäß, baldigst in seine Rechte und Würden wieder eingesetzt zu werden, er rechnete darauf, daß ihm die versprochenen Einkünfte und der Antheil an den Erträgnissen der Colonie, welche er seit mehreren Jahren nicht erhalten, ausbezahlt würden. Wiederholt richtete er Briefe an seinen Sohn Diego, um seine Angelegenheiten bei Hofe nachdrücklicher zu betreiben. So schrieb er am 1. December 1504: „Mein Leiden gestattet mir nur des Nachts zu schreiben, denn bei Tage habe ich keine Kraft dazu in den Händen“. Er brannte vor Verlangen, von seinem Sohne zu hören, wie es bei Hofe zugehe und wie seine Sachen stünden. Er ermahnt ihn, so oft als irgend möglich zu schreiben.
Auch an den König Ferdinand richtete er einen langen Brief, in welchem er die Misstände der Colonialverwaltung ausführlich darlegte, und forderte, es solle ein Vertrauensmann zur Untersuchung hinübergesandt werden. Aber er erhielt keine Antwort darauf. Er beklagte sich bitter, daß ihm kein Mensch mehr schreibe.
Man liest diese Briefe des Verlassenen nicht ohne Mitleid; die steten Wiederholungen seiner Wünsche, die drängende Ungeduld, die wehmüthigen Klagen — alles zeigt uns den gebrochenen Mann.
Der König Ferdinand behandelte die ganze Angelegenheit ohne Wärme und persönliche Theilnahme und überließ die Ordnung derselben einem Tribunal, welches die testamentarischen Verfügungen der Königin ordnen sollte. Daher vermochte selbst Bartolomé Colon, der sich mit seinem Neffen Ferdinand ebenfalls an den Hof begab, nichts ausrichten. Endlich machte sich der Admiral im Mai 1505 selbst auf die beschwerliche Reise nach Segovia, wo sich damals der König aufhielt. Zwar erwies man ihm hier die seinem Range gebührende Achtung, aber eine von Herzen kommende Werthschätzung seiner Verdienste mußte er schmerzlich vermissen. Offenbar waren nach dem Tode der Königin die Stimmen der Gegner noch lauter aufgetreten und hatten den König Ferdinand gewonnen, so daß auch der edle Las Casas gestehen muß, er habe von manchen dem Monarchen nahe stehenden Personen zu seinem Bedauern Aeußerungen vernehmen müssen, welche diese Abneigung und den Mangel des königlichen Wohlwollens bestätigten.[283] Das einberufene Tribunal, die Junta de Descargos, hielt zwar mehrere Sitzungen, traf aber keine Entscheidung. Man behandelte die ganze Frage als eine rein castilische Angelegenheit. Als dann nach längerem Zögern dem Entdecker der neuen Welt[S. 313] der Vorschlag gemacht wurde, seine Rechte auf das Vicekönigthum gegen Besitzungen und Titel in Castilien zu vertauschen, wies Columbus diesen Antrag zurück, weil er darin einen Bruch des gegebenen königlichen Wortes erblickte und seine höchste Ehre darein setzte, den Ruhm seines mühevollen Lebens seiner Familie in vollem Maße zu erhalten. Auch als er sich bereit erklärte, zu Gunsten seines Sohnes Diego auf seine indischen Würden zu verzichten, ging man nicht darauf ein und zog es vor, die Entscheidung noch weiter hinauszuziehen. Man gewöhnte sich daran, die Verdienste eines Mannes zu unterschätzen, „welcher lästig zu werden anfing, als er zu nützen aufgehört hatte“.[284] Ein letzter Hoffnungsstrahl schien dem Verlassenen noch zu winken, als die neuen Monarchen Castiliens, Philipp und Johanna am 28. April 1506 von Flandern nach Spanien kamen. Selbst krank und leidend, sandte er seinen Bruder Bartolomé dem jungen Königspaar entgegen, um demselben in seinem Namen zu huldigen. Er erhoffte von der Tochter der Isabella dieselbe Güte und Gunst, welche ihm die Mutter stets bewiesen. Es war natürlich, daß die neuangekommenen Regenten nicht sofort eine Entscheidung treffen, sondern nur freundliche Zusagen machen konnten. Aber auch davon sollte Columbus nichts mehr vernehmen, er starb am Himmelfahrtstage, den 21. Mai 1506 zu Valladolid, nachdem er zwei Tage vorher, im Vorgefühl des Todes sein bereits 1505 verfaßtes Testament gerichtlich hatte bestätigen lassen. Er setzte seinen älteren Sohn Diego zum Haupterben ein, da dieser allein aus einer rechtmäßigen Ehe entsprossen war. Seine letzten Worte waren: In manus tuas, Domine, commendo spiritum meum. Er starb in den Armen der Franziskaner und wurde auch im[S. 314] Franciskanerkloster beigesetzt. Die Welt hatte ihn bereits vergessen; sein Tod machte keinen Eindruck mehr. Das Cronicon de Valladolid, welches sonst die kleinsten Vorfälle in der Stadt bespricht, erwähnt des Todesfalls mit keiner Silbe. Selbst Peter Martyr, der sich 10 Jahre früher gerühmt hatte, mit dem Genuesen im Briefwechsel zu stehen, schweigt in seinen Briefen darüber, und erwähnt auch in den Decaden nur einmal ganz nebenbei, daß Columbus gestorben; und doch befand er sich vom 10. Februar bis zum 26. April 1506 zu Valladolid, also zu einer Zeit, wo Columbus schon den Keim des Todes in sich fühlte. Ruchhamer hatte bis zum 20. September 1508, wo er sein Werk (Unbekanthe landte) vollendete, noch nichts vom Tode des Columbus gehört, sondern schreibt vielmehr, daß er „noch auf den gegenwertigen Tage“ mit seinem Bruder Bartolomé am spanischen Hofe lebe.
Wahrscheinlich im Jahre 1513 wurde die Leiche nach Sevilla ins Kloster Santa Maria de las Cuevas übergeführt und vermuthlich erst hier erhielt der Sarg die Inschrift: A Castilla y à Leon Nuevo Mondo dió Colón, welche sich auch in dem Wappen des Vicekönigs befand. Der Admiral hatte den Wunsch ausgesprochen, in San Domingo auf Haiti beigesetzt zu werden. Dorthin wurden die sterblichen Ueberreste in der Zeit zwischen 1540 und 1559 gebracht und in dem Dome bestattet, in welchem später auch sein Sohn Diego und wahrscheinlich auch sein Bruder der Adelantado Bartolomé und seine Enkel Don Luis und Christoval ihre Ruhestätte fanden.
Als 1795 Domingo an Frankreich abgetreten wurde, ließ der Admiral Don Gabriel d’Artizabel die Gewölbe der Kathedrale in der Hauptstadt öffnen, die wenigen Reste des Entdeckers der neuen Welt auf dem Schiffe San Lorenzo nach Habana hinüberführen und dort im Dome am 19. Januar 1796 feierlich wieder beisetzen; denn es vertrug sich nicht mit der spanischen Ehre, die Asche des Mannes, welcher für Spanien so große Verdienste hatte, den Fremden zu überlassen. Wie Columbus in seinem Leben ruhelos umhergetrieben war, so sollten auch seine Gebeine erst nach Jahrhunderten Ruhe finden.[285]
Vor der welthistorischen Größe des Columbus stehen wir mit getheilten Gefühlen. Wir bewundern die Kühnheit, die aus der felsenfesten Ueberzeugung von der Richtigkeit seiner Theorien und Combinationen entsprang, wir fühlen uns vielseitig angeregt durch seine treffenden Naturbeobachtungen, in denen wir die ersten Keime einer physischen Erdkunde erblicken dürfen;[286] aber auf der andern Seite fühlen wir uns abgestoßen durch seinen blinden Autoritätsglauben, durch die Zuversichtlichkeit, mit der er seine aus falsch oder un[S. 315]genügend angestellten Beobachtungen in seinem eignen Fache, der Nautik, abgeleiteten abenteuerlichen Lehrsätze verkündet, durch die schwärmerische Anmaßung, mit der er sich so oft als Abgesandten Gottes einführt, durch die kleinliche Habsucht, mit welcher er die einem armen Matrosen gebührende Belohnung sich selbst aneignet, durch die in der Verschwörung Roldan zu Tage tretende Charakterschwäche. Wenn Humboldt gemeint hat (a. a. O. II, 5), die großartige Gestalt des Columbus beherrsche das Jahrhundert, so muß dagegen daran erinnert werden, daß man den Entdecker der neuen Welt schon bei seinen Lebzeiten fast vergessen hatte, und daß das Gesammtgebiet seiner Entdeckung kurz nach seinem Tode nach einem seiner Nachfolger, nach Amerigo Vespucci benannt wurde, und daß erst im 7. Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts mit dem Erscheinen der vida del Almirante die Aufmerksamkeit der Welt wieder in erhöhtem Maße auf Columbus gelenkt wurde. Die weiteren Folgen seiner Entdeckungszüge, die Eroberung der neuen Welt, die Erdumsegelungen, die Enthüllung der allgemeinen Züge des ganzen Erdballs beherrschten allerdings das Interesse aller seefahrenden Nationen des Abendlandes, aber die Person des Entdeckers trat dabei ganz zurück. Seine Stärke lag in dem scharfen Blick, mit dem er die Erscheinungen in der Natur auffaßte, nicht blos in den Schilderungen, welche er mit poetischer Begeisterung von den entdeckten Tropenländern gab, sondern in der Aufstellung allgemeiner Gesetze, zu denen er, ohne wissenschaftliche Bildung, in einzelnen Fällen das Richtige treffend, die wahrgenommenen Erscheinungen combinirte. „Dieses Bestreben, die Resultate der Beobachtung zu verallgemeinern, verdient um so größere Aufmerksamkeit, als kein ähnlicher Versuch vor dem Schlusse des 15. Jahrhunderts, fast hätte ich gesagt, vor den Tagen des Pater Acosta hervorgetreten war. Bei den Urtheilen, welche Columbus über Gegenstände der physischen Geographie fällte, ließ er sich ganz gegen seine sonstige Gewohnheit nicht von Erinnerungen aus der scholastischen Philosophie leiten.[287] Dahin gehören seine Beobachtungen über die Vertheilung der Wärme, die Variation des Erdmagnetismus, die äquatoriale Meeresströmung und die durch diese Strömung bedingte Gestaltung Trinidads und der übrigen kleinen Antillen. „Columbus hat Fragen angeregt aus dem Gebiete der physischen Geographie und Anthropologie, die damals die aufgeklärten Geister Spaniens und Italiens beschäftigt: die Frage nach der Vertheilung der Menschenrassen, die Configuration der Ländermassen. Colon hat dem menschlichen Geschlechte wesentliche Dienste geleistet, indem er so viel neue Gegenstände auf einmal dem Nachdenken darbot; er hat die Masse der Ideen vergrößert; durch ihn hat ein wahrhafter Fortschritt des menschlichen Denkens stattgefunden. Das Zeitalter des Columbus war auch die Zeit des Copernicus, Ariosto, Dürer und Rafael.“[288]
Aber neben diesen persönlichen und sachlichen Verdiensten, neben den richtigen Beobachtungen und daraus abgeleiteten Lehrsätzen erscheint eine so breite Phalanx von veralteten Theorien und unverzeihlichen Verirrungen, wie sie nur in einem aller objectiven Beurtheilung unfähigen Kopfe entstehen und von einem dem blindesten Autoritätsglauben unterworfenen Geiste verkündigt werden konnten.
Wir brauchen hier nur auf die Abhängigkeit hinzuweisen, in welcher Columbus bei den Fragen über die Größe oder Kleinheit der Erde, über die Schmalheit des Oceans und den geringen Antheil, welcher der Wasserdecke gegenüber der Landhülle des Erdballs zugewiesen wird, ferner über die Theorien von der Lage des irdischen Paradieses und den Weltuntergang sich von den Schriften des Cardinal d’Ailly befand, auf seine Abhängigkeit von Toscanelli in Bezug auf Richtung und Ziel seiner Fahrten, um dieses Verzichtleisten auf eigne Kritik zu erkennen. Und wenn er in den erforschten Regionen Ophir und Cipangu, Katai und den goldenen Chersones wiedergefunden zu haben glaubte, so liegt eine Hauptursache in der Unfähigkeit des Admirals, annähernd richtige astronomische Bestimmungen zu machen, in Folge dessen nicht einmal sein Landungspunkt in der neuen Welt mit Sicherheit nachzuweisen ist. Weil er den Karten Toscanelli’s u. a. bezüglich der Größe Cipangus mehr traute, als seinen eignen Erfahrungen, hielt er die Insel Haiti für eben so groß als ganz Spanien und verlegte die Nordküste der großen Antillen bis unter den 40. Breitengrad.
Aber nicht blos, daß ihm thatsächlich in dieser Beziehung die wissenschaftliche Kenntniß in seinem eigentlichsten Fache abging,[289] er verschmähte sogar die Wissenschaft selbst, wenn er in seinem Libro de la profecias[290] behauptet: „Zur Ausführung einer Fahrt nach Indien haben Vernunftschlüsse, Mathematik und Weltkarten mir zu nichts geholfen. Es ist einfach in Erfüllung gegangen, was der Prophet Jesaias vorhergesagt hat.“
Man erkennt darin den mächtigen Einfluß, den die Geistlichkeit auf das gläubige Gemüth des Genuesen ausübte. Wie er das Zustandekommen seiner Unternehmung nur der Unterstützung und Befürwortung durch die Geistlichkeit verdankte, und diese ihm auch behilflich war bei der Sammlung und Erklärung der Stellen der heiligen Schrift, welche er in zuversichtlichem Glauben auf sich bezog, wie er sich für den Abgesandten Gottes erklärte, um die heiligen Prophezeiungen zu erfüllen, so trug er auch äußerlich diese schwärmerisch-religiöse Richtung zur Schau. „Da der Admiral,“ erzählt Las Casas (lib. I. Cap. 102), „den Lehren des heiligen Franziskus sehr ergeben war, so liebte er vorzugsweise die braungraue Farbe; wir haben ihn zu Sevilla in einer Kleidung gesehen, welche mit der der Franziskanermönche fast vollkommen übereinstimmte.“
Dahin rechnen wir auch die pedantische Gruppirung, in welcher Columbus bei dem mystischen Bau seiner Namensunterschrift die seinem Eigennamen vorangestellten sieben Buchstaben, unter denen wieder das A größer als die übrigen sein mußte, theilweise nur mit Punkten versah. Diese Unterschrift (d. h. die einzelnen Buchstaben)
S.
S. A. S.
Χ Μ Υ
ΧΡΟ FERENS.
malte er mit peinlicher Genauigkeit unter alle seine Briefe, selbst an seine Söhne, und verlangte die sorgfältige Nachahmung ausdrücklich auch von den Erben seines Majorats. Diese Unterschrift ist verschieden gedeutet. Margry[292] erklärt sie: Supplex Servus Altissimi Servatoris. Christus Maria Joseph Christoferens. Becher[293] liest: Servidor Sus Altezas Sacras Jesus Maria Ysabel Christoferens. W. Irving macht zwar dabei darauf aufmerksam, daß[S. 318] es früher in Spanien Sitte gewesen, seinem Namen irgend eine abgekürzte Sentenz beizusetzen, welche, gegenüber den Juden und Mauren, den Schreiber als Christen auswies;[294] aber Columbus hatte bei dieser langen Unterschrift, welche auch Humboldts gerechten Widerwillen erregte,[295] die Absicht, seinen Eigennamen Christoph, Christoferens in nicht mißzuverstehender Weise mit der heiligen Familie in Verbindung zu bringen und sich als den Christbringer zu erklären, welcher, dem ihm gewordenen göttlichen Auftrage gemäß, das Christenthum über den Ocean tragen sollte.
Facsimile der Schlußzeilen eines Briefes von Christoph Columbus, datirt Granada, 6. Februar 1502 „à los Reyes Católicos exponiendo algunas observaciones sobre el arte de naveger“.[291]
Diesem Gedanken, den Admiral als den Christusträger zu verherrlichen, hat auch Juan de la Cosa auf seiner Karte von Amerika vom Jahre 1500 bildlichen Ausdruck gegeben, indem er auf dem damals noch nicht enthüllten mittelamerikanischen Isthmus, wo Columbus 1503 eine Meerenge suchte, den heiligen Christopherus darstellt, welcher das Christkind durch den Ocean trägt. Einen erhöhten Reiz gewönne dies Bild, wenn die oben bereits (S. 233) mitgetheilte Vermuthung das Richtige träfe, daß der Kopf des Christopherus das Porträt des Entdeckers sei.
Dieselbe Karte enthält noch ein zweites bedeutsames Bild in der künstlerisch ausgeführten Strichrose, unter welcher der Wendekreis des Krebses hinläuft. Inmitten der nautischen Rose thront Maria mit dem Kinde, umgeben von anbetenden Engeln. Daß auch spätere Kartographen noch dem Glauben an die göttliche Sendung des Columbus huldigten, erkennt man aus der naiven Weise, in welcher Diego Ribero auf seiner 1529 entworfenen Weltkarte der zuerst von Columbus entdeckten Insel San Salvador eine geradezu symbolische Gestalt gab. Er zeichnet sie nämlich in Gestalt eines Kreuzes und gruppirt die Korallenbänke ringsum als eilf rundliche Inseln. Wir sehen also den Erlöser (San Salvador) von seinen eilf Aposteln umgeben.
Endlich ist hieher noch das merkwürdige Titelbild zu rechnen, mit welchem die erste deutsche Ausgabe des Berichtes über die erste Entdeckungsfahrt des Columbus geziert ist, von welchem Anfang und Schluß bereits (S. 263) in Facsimiledruck mitgetheilt ist. Hier erscheint Christus vor dem Könige von Spanien und weist bedeutsam auf das Wundmal seiner Hand; ebendahin zeigte auch die rechte Hand des Königs. Ist es nicht eine deutliche Anspielung auf den Unglauben des Apostel Thomas, und ist der ungläubige[S. 319] spanische Monarch, welcher jahrelang der Versicherung des Columbus mistraute, nicht durch den Erfolg der ersten Reise bekehrt worden?
Den Glauben, daß der Genuese profane und heilige Prophezeihungen aus alter Zeit erfüllt habe, theilten die Zeitgenossen mehrfach. So schrieb der gelehrte Sohn des Columbus, Ferdinand in die Tragödien des Seneca zu der (S. 236) mitgetheilten Stelle aus der Medea: Venient etc. „Diese Prophezeihung hat mein Vater erfüllt.“ So machte Agostino Giustiniani (geb. 1470 in Genua, seit 1514 Bischof in Mebbio auf Corsica) in seinem polyglotten Psalter[296] zu der bekannten Stelle im 19. Psalm: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“ die Bemerkung, Columbus habe oft gesagt, daß er von Gott berufen sei, den Gedanken des fünften Verses: „Durch alle Lande gehet ihr Klang, bis ans Ende der Welt ihr Ruf“ zu verwirklichen. Und dabei benutzt der Verfasser die Gelegenheit, an dieser Stelle seinem Commentare eine längere Lebensbeschreibung des Columbus einzuverleiben.[297]
Alle diese verschiedenen Aeußerungen des Glaubens und Vertrauens auf die Berufung des Columbus hatten ihren Ursprung in der felsenfesten Zuversicht des Genuesen zu seiner von Gott bestimmten Lebensaufgabe, welche von ihm selbst auf seine Umgebung überging. Im allgemeinen repräsentirt sich in ihm der unverwüstliche Drang der Zeit zu großen Entdeckungen, aber seine unerschütterliche Ausdauer entsprang nur seinem schwärmerischen Glauben. Dieser gab ihm den Muth, auf seinen ungemessenen Forderungen zu verharren, ehe noch die Unternehmung gesichert war, dieser verlieh ihm auch die unvergleichliche Energie, welche er sowohl auf der ersten, als auch auf der letzten Reise bewiesen. In dieser unerschütterlichen Ueberzeugung, in diesem Glauben an sich selbst lag eine Größe, welche seine Genossen zuweilen mit fortriß.
Den Eindruck, welchen die Kunde von den ersten Entdeckungen machte, fühlen wir am besten aus den Briefen Peter Martyrs.
Auf die erste Mittheilung vom 15. Mai 1493, worin er schreibt: „Von den westlichen Antipoden ist ein gewisser Christopherus Colon, ein Ligure, zurückgekehrt mit Proben von kostbaren Produkten, namentlich von Gold“[298] folgt im September desselben Jahres (13. Sept.) schon der Ausdruck wärmerer Theilnahme. „Merket auf und vernehmet die neue Entdeckung,“[299] worauf ein ausführlicher Bericht über die erste Fahrt des Columbus folgt. Ein anderer Brief[300] von demselben Tage bezeichnet die Entdeckung als ein wunderbares Ereigniß, als eine gesegnete That. Kurz darauf (1. Oct. 1493) spricht er seine Freude darüber aus, daß die bisher noch unbekannte Erdhälfte durch den Wetteifer der Spanier und Portugiesen, welche immer weiter südwärts vordringen, nun immer mehr enthüllt werde.[301] Er bezeichnet Columbus als[S. 320] den Entdecker der „neuen Welt“ (novi orbis repertor) und jubelt, daß Tag für Tag neue Wunder aus jenen Regionen gemeldet werden, und daß der Admiral fast schon den goldenen Chersones erreicht habe.[302] Er nimmt sich vor, diese ewig denkwürdigen Ereignisse mit gespannter Aufmerksamkeit zu verfolgen, zu sammeln und den Gelehrten mitzutheilen. Sein Freund Pomponius Laetus, der ausgezeichnete Förderer der classischen römischen Literatur, war bei der Kunde von den wunderbaren Erfolgen der Westfahrten vor Entzücken aufgesprungen und hatte sich kaum der Freudenthränen erwehren können. „Ich ersehe,“ schreibt ihm Martyr, „aus deinem Briefe, was du empfunden hast und wie du die Bedeutung dieser Entdeckungen zu würdigen weißt. Welche Nahrung kann für erhabene Geister willkommener sein? Ich fühle es an mir selbst. Ich bin freudig erregt, wenn ich verständige Männer spreche, welche aus jenen Gegenden zurückkommen. Wer mag heute noch staunen über die Entdeckungen, welche Saturn, Ceres und Triptolemos gemacht haben sollen? Selbst die Phönizier müssen mit ihren Leistungen zurücktreten.“[303] Ganz ähnlich spricht er sich in den Decaden (I. lib. X. p. 119) aus: „Weder dem Saturn, noch dem Herkules, noch irgend einem der Alten, welche neue Küsten aufgesucht haben, stehen die Spanier unserer Zeit nach. Wie weit wird die Nachwelt das Christenthum ausgebreitet sehen, ein wie weiter Raum ist der Ausbreitung der Menschen angewiesen? Was ich darüber empfinde, vermag ich weder mit Worten noch mit der Feder wiederzugeben.“
Aber diese hohe Begeisterung schien nur kurze Zeit zu dauern. Als das Ansehen des Columbus nach seiner dritten Reise sank, als er selbst in Ketten nach Europa geschafft wurde, wurde die Aufmerksamkeit der Handelsvölker vielmehr nach dem von den Portugiesen wirklich erreichten Indien gelenkt. Hier war das lang erstrebte Ziel thatsächlich gefunden, hier waren die Gewürzländer selbst erreicht, und gewinnbringende Frachten kehrten nach Lissabon zurück. An den Fahrten nach der neuen Welt betheiligten sich nur spanische Fahrzeuge, zum indischen Handel drängten sich deutsche und italienische Handelshäuser und unterstützten den wachsenden Verkehr mit Schiffen und Geld. Daher erklärt sich die merkwürdige Erscheinung, daß sich die Geschichtsschreiber in England, Frankreich und Portugal gar nicht um die Entdeckungen des Columbus bekümmerten, daß alle durch Flugblätter verbreiteten Berichte nur in lateinischen, deutschen oder italienischen Uebersetzungen vorhanden sind, und daß von den vier Reisen des Admirals nur eine einzige, und zwar die erste, in spanischer Sprache vorliegt. Daran ist aber der Entdecker selbst schuld, insofern er in ängstlicher Sorge um sein Monopol die große Angelegenheit als sorgfältig zu hütendes Geheimniß behandelte und von seinen Gefährten sogar die von ihnen entworfenen Karten abforderte, damit niemand ohne seine Erlaubniß sein privilegirtes Gebiete beträte. Selbst in seinen Mittheilungen an die Monarchen Spaniens war er in dieser Beziehung zurückhaltend.
Nur zwei Briefe des Columbus drangen in die Oeffentlichkeit — und zwar über die erste und vierte Reise. Der Inhalt des ersten an den Schatzmeister Raphael Sanchez gerichteten Briefes wurde in der ersten Flugschrift über Amerika 1493 in Rom veröffentlicht. Wir haben bereits oben (S. 262) das Facsimile des Anfangs dieses interessanten Blattes mitgetheilt. Von dieser lateinischen Ausgabe erschienen gleich im ersten Jahre sechs verschiedene Auflagen, dann folgten spanische und italienische Texte und endlich 1497 eine deutsche Bearbeitung unter dem Titel: Eyn schön hübsch lesen von etlichen inßlen u. s. w. Endlich folgte 1505 die lettera rarissima, ein Brief über die vierte Reise, welcher gleichfalls in Italien bekannt gemacht wurde.[304] Damit erlosch die speciell columbische Literatur; aber bereits seit 1503 beherrschten Amerigo Vespucci’s ausführliche Reiseberichte den buchhändlerischen Markt, und so erntete dieser den Ruhm, welcher dem Entdecker gebührte, so daß endlich sogar die ganze neue Welt seinen Namen erhielt. Columbus selbst hatte leider bis an seinen Tod nicht die Ueberzeugung gewinnen können, daß er einen neuen Erdtheil entdeckt habe.
Wir fügen diesem Abschnitt eine kurze Uebersicht über die Familie des Columbus an.
Bartolomeus Columbus, spanisch Don Bartolomé Colon, war der erste Vertraute und auf seinen späteren Reisen eine wesentliche Stütze seines Bruders. In dessen Auftrage war er schon 1488, ehe der Vertrag mit Spanien zum Abschluß gekommen, nach England gegangen, um dem Könige Heinrich VII. den Plan seines Bruders vorzulegen. Möglicher Weise entstanden aus den dabei gegebenen Anregungen die Pläne zu den Fahrten der Cabots. Bartolomé machte dann die zweite Entdeckungsreise mit, gründete als Adelantado die erste Stadt der neuen Welt, San Domingo, 1496 und machte sich namentlich auf der letzten Reise 1502 sehr verdient. Nach dem Tode des Admirals ging er mit seinem Neffen Diego wieder nach Westindien und war 1511 in Besitz der kleinen Insel Mona zwischen Haiti und Puertorico. Er starb am 12. August 1514 auf Haiti. Las Casas rühmt seine Tüchtigkeit als Kosmograph und Kartograph. Unzweifelhaft besaß er in der ganzen Familie am meisten Thatkraft und Charakterstärke.
Weniger bedeutend ist der zweite Bruder Diego, der als Befehlshaber in Isabella und in der Stadt San Domingo auftritt, aber ohne diese schwierige Stelle befriedigend behaupten zu können. Auch er starb auf Haiti.
Der einzige rechtmäßige Sohn des Admirals und Vicekönigs war gleichfalls Diego benannt. Er hatte von Kind auf den Vater während der langen[S. 322] peinlichen Zeit des Hoffens und Harrens in Spanien auf seinen Wanderungen begleitet, war ihm zur Seite, als in dem Kloster la Rabida endlich die günstige Wendung des Geschickes eintrat, wurde später, als der Vater seine Fahrten begann, unter die Pagen der Königin aufgenommen und kam erst 1509 nach Haiti. Er hatte dann den langwierigen fiscalischen Proceß wegen der Würden und Privilegien, die dem Vater zugesichert waren, zu führen, und erbte endlich den Titel eines Admirals von Indien. Er starb am 23. Februar 1526.
Ferdinand Columbus, der natürliche Sohn des Entdeckers, erhielt eine wissenschaftliche Bildung und wurde später Geistlicher. Nachdem er Amerika besucht hatte, ließ er sich in Sevilla nieder, wo er eine für jene Zeit bedeutende Bibliothek von 20,000 Bänden sammelte, welche noch unter dem Namen Biblioteca Colombina vorhanden ist. Es zeugt von seiner wissenschaftlichen Bedeutung, daß Cabot ihn einst als Schiedsrichter anrief. Er galt bisher als Verfasser der Lebensgeschichte seines Vaters, der s. g. vida del almirante (Historie et vera relatione della vita é de’ fatti dell Ammiraglio D. Christofero Colombo), welche 1571 erschien; allein dieses Werk enthält so viel gradezu legendenhaften Stoff und dazu anekdotenhafte Züge, welche nicht blos thatsächlich Unmögliches berichten, sondern auch aus der Feder des in der Nautik wohlerfahrenen Sohnes unmöglich stammen können,[305] so daß die Authenticität der „vida“ mit vollem Rechte bestritten ist.[306]
Don Luis, der Sohn Diego’s, führte den fiscalischen Proceß zu Ende und gab seine Ansprüche auf das Vicekönigthum auf gegen den Titel Herzog von Veragua, Marquis von Jamaica, Admiral von Indien und für eine Pension von 1000 Dublonen Gold. Er starb 1572 und es folgte ihm der Sohn seines Bruders Christobal, Don Diego II., als vierter Admiral von Indien. Mit ihm erlosch 1576 die directe männliche Linie des Columbus.
Es war eine natürliche Folge des Misgeschicks, welches den Entdecker Amerikas auf seiner dritten Reise während seines Aufenthalts auf Haiti traf, daß, da sein Ansehen in dem unerquicklichen Streite mit der Partei Roldans im Sinken begriffen war, eine Anzahl von kühnen Unternehmern von der bereits 1495 gegebenen Erlaubniß, auf Entdeckungsfahrten ausziehen zu dürfen,[S. 323] Gebrauch machte und die Untersuchung des Festlandes von Paria, welches Columbus auf seiner dritten Reise aufgefunden hatte, weiter fortsetzte. „Do aber Admirans (Admiral) jnn das vngluck kam, das man in acht als wer er jn vngnaden der könig, do vndernamen sich vil der seinen, die vast wol kundten auff dem Meer faren, und vnderstunden vestigklich sich jn das gluck zu begeben, und vnerfaren ort der welt zu ersuchen“.[307]
Der erste, welcher diese günstigen Zeitumstände benutzte, war der jugendliche Ritter Alonso de Hojeda. Derselbe war ums Jahr 1470 in der Stadt Cuenca in Neu-Castilien aus einer angesehenen Familie geboren[308] und trat als Page in den Dienst eines der einflußreichsten, mächtigsten Granden Spaniens, des Don Luis de Cerda, Herzog von Medina Celi. Dieser ist uns bereits als einer der frühesten Gönner des Columbus bekannt, und in seinem Hause hatte Hojeda jedenfalls schon den Genuesen kennen gelernt und sich für dessen Pläne begeistert; denn wir haben schon oben (S. 280) mitgetheilt, daß Hojeda die zweite Reise des Columbus mitmachte und sich durch die Gefangennahme des Caziken Caonabo auszeichnete. Dann verweilte er einige Jahre in Spanien und wurde durch die Vermittlung seines Vetters, des Dominikanermönches Alonso de Hojeda, welcher als einer der ersten Inquisitoren Spaniens bei den Monarchen in Gunst stand, mit dem Bischof Fonseca, dem Leiter der indischen Angelegenheiten bekannt und erhielt durch diesen Einsicht in die Briefe und die Karte, welche Columbus über den Verlauf seiner dritten Reise und namentlich über die Entdeckung der Küsten von Südamerika eingesandt hatte. Diese Nachricht lief etwa um Weihnachten 1498 in Spanien ein. Wahrscheinlich ward bald nach dieser Zeit schon der Beschluß gefaßt, den Admiral von seiner Statthalterschaft in Haiti zu beseitigen; Fonseca förderte deshalb bereitwillig den Plan Hojeda’s, die perlenreiche Küste von Paria auszubeuten und stellte ihm einen Erlaubnißschein zur Ausrüstung von Schiffen aus; doch durfte Hojeda weder portugiesisches Gebiet berühren, noch jene Regionen besuchen, welche Columbus bis zum Jahre 1495 entdeckt hatte. Als Piloten für seine Expedition gewann der junge Ritter den Basken[S. 324] Juan de la Cosa, welcher nach Abschluß dieser Fahrt seine Karte, die erste von der neuen Welt, entwarf. Außerdem nahm an dem abenteuerlichen Zuge der Florentiner Amerigo Vespucci theil, welcher es verstand, durch die lebendigen Schilderungen seiner Erlebnisse und Beobachtungen sich bald einen weltbekannten Namen zu machen.
In welcher Stellung Vespucci mitging, läßt sich nicht mehr ermitteln. Er war am 9. März 1451 in Florenz geboren, also nur wenige Jahre jünger als sein Landsmann Columbus. Er war der Sohn eines öffentlichen Notars und von seinem Oheim, einem gebildeten Geistlichen, unterrichtet worden und zwar in Gemeinschaft mit Pietro Soderini, dem späteren Gonfaloniere von Florenz. An diesen hat Vespucci im Jahre 1501 den Bericht seiner zweiten Reise gesandt. Seit dem Jahre 1493 finden wir Vespucci in Spanien, wohin sich damals viele unternehmende Italiener wandten. Dort trat er in den Dienst des seit 1486 in Spanien ansäßigen italienischen Handelshauses Berardi, welches für das indische Amt die Geschäfte besorgte und die Ausrüstung der nach Westindien gehenden Schiffe übernommen hatte. Hierbei war auch Vespucci thätig und wird 1495 und 1496 erwähnt.[309]
In der Zeit vom April 1497 bis zum Mai 1498 finden wir ihn fast immer unterwegs zwischen Sevilla, dem Sitze des indischen Amts, und dem Hafen von San Lucar, von wo Columbus aussegeln wollte.
Aelteste Karte von
AMERIKA.
Westlichster Theil der im Jahre 1500 von Juan de la Cosa gezeichneten Erdkarte. Original (auf Pergament) im Marine-Museum zu Madrid. Facsimile-Reproduktion in ½ der Höhe des Originals.
Die englischen Entdeckungen unter Cabot in Nordamerika und die spanischen Entdeckungen in Mittel- und Südamerika sind durch Wappenfähnlein kenntlich gemacht. — Die über das ganze Kartenblatt laufenden, von den Strichrosen ausgehenden Linien sind nur an ihren Durchschnittspunkten markiert. Die weissen Stellen im Festland von Amerika bezeichnen im Original befindliche Löcher.
Alfr. Runge, Geogr.-artist. Inst. Leipzig-Reudnitz.
G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Das kleine Geschwader Hojeda’s ging am 18. Mai 1499 von Cadix ab, steuerte zuerst nach den Canarischen Inseln hinüber und nahm von Gomera ab dieselbe Richtung, welche Columbus auf seiner dritten Reise eingeschlagen hatte. In 27 Tagen gelangten sie über den Ocean an die Gestade von Surinam etwa unter 6° n. Br. Sie folgten der flachen Küste nach Nordwesten, entdeckten die Mündung des Essequibo, den sie Rio dulce nannten, und das Delta des Orinoco und verfolgten von hier aus, nachdem sie 200 spanische Meilen Küstenlinien entdeckt hatten, den Spuren des Columbus. Auf Trinidad fanden sie Zeichen von der früheren Anwesenheit des Admirals und gingen durch den Golf von Paria und den Drachenschlund auf die Nordseite des Continents. Sie folgten der Küste, besuchten auch die Perleninsel (Margarita) und Curaçao, wo, wie aus dem Berichte Vespucci’s hervorgeht, die Seefahrer überrascht waren durch den großen indianischen Menschenschlag, den sie dort antrafen, infolge dessen man sie die Insel der Giganten nannte. Am 9. August erreichten sie das Cap S. Roman (nach dem Heiligen des Tages benannt) und entdeckten weiterhin den Golf von Venezuela, welcher seinen Namen daher erhält, weil man an der Ostküste des Golfes viel Volk antraf, welches an der Küste in auf Pfahlrosten errichteten Hütten über dem Wasser wohnte. Durch diese kunstreichen Pfahlbauten wurden die Entdecker an die Anlage Venedigs erinnert und nannten daher zunächst das Dorf, dessen einheimischer Name Coquibacoa war, Klein-Venedig, also Venezuela und demnach[S. 325] weiterhin auch den ganzen Golf. Bekanntlich hat späterhin die ganze Küste und neuerdings die spanisch-amerikanische Republik den Namen Venezuela erhalten.
Von dem Golf aus drangen die Schiffe am 24. August durch den engen Hals in die innere Bucht, in den See von Maracaibo ein, an dessen Eingange sie den Hafen San Bartolomé benannten. Langsam vorrückend, besuchten sie darauf die westlich vom Golf gelegene Halbinsel Guajira. Bis hieher ist auf der Karte Juans de la Cosa der Verlauf der Küste recht wohl zu erkennen; an dieser Halbinsel endete die Entdeckung am 16. September bei dem Cabo de la vela. In der Ferne sah man noch einen hohen Berg, welcher bei Cosa Monte de Santa Eufemia heißt, wahrscheinlich die Sierra nevada von Santa Marta. Dann brach man die Untersuchung des Continentes ab und steuerte in sieben Tagen nach Haiti hinüber und lief am 23. September in die Bucht von Yaquimo ein. Dem Vicekönig, welcher damals mitten in dem unerquicklichen Streit mit Roldan lag, war der Besuch Hojeda’s höchst unbequem, so daß er noch nach Jahren in dem Briefe an die Amme des Prinzen Juan darauf zurückkommt mit den Worten: „Dann kam Hojeda, in der Absicht, diese Unordnungen auf Haiti zu besiegeln.“
Nach dem Bericht Vespucci’s nahm das Geschwader von Haiti aus den Weg durch die Bahama-Inseln, wo man, um einen Theil der Ausrüstungskosten decken zu können, 232 Menschen raubte, um sie in Spanien als Sklaven zu verkaufen, und kehrte endlich, auf der Fahrt von den Açoren nach den Canarien verschlagen, in Mitte Juni 1500 nach Cadix zurück.
Wenn man auf Cosa’s Karte die Insel Cuba bereits als Insel dargestellt sieht, obwohl dieser Kartograph wenige Jahre früher eidlich seine Ueberzeugung hatte zu Protokoll geben müssen, daß er Cuba für das Festland von Asien halte (s. S. 278), so sollte man vermuthen, daß vielleicht auch auf dieser Expedition Hojeda’s schon das Westende Cubas aufgefunden sei. Darauf weist auch eine etwas unbestimmt gehaltene Bemerkung Peter Martyrs, daß von gewisser Seite behauptet sei, man habe Cuba umfahren.[310]
Der Gewinn der Unternehmung war gering. Nach Abzug der Kosten blieben nur 500 Ducaten, welche unter 55 Personen zu vertheilen waren.
Daher kam es auch, daß die geographischen Erfolge weniger Beachtung fanden, als sie verdienten, und daß die zwei Monate früher vollendete Expedition des Per Alonso Niño mehr Eindruck machte, weil der materielle Gewinn ein größerer war.
Palos und das benachbarte Moguer[311] waren durch die Unternehmung des[S. 326] Columbus mächtig angeregt. Wie die dortigen Seeleute sich der ersten Fahrt angeschlossen, so versuchten sie späterhin mehrfach in selbständigen Expeditionen nach der neuen Welt ihr Glück.
Der erste war Per (Pedro) Alonso Niño aus Moguer, welcher unter Columbus die erste und dritte Reise mitgemacht hatte[312] und von dem Banquier Luis Guerra in Sevilla die Mittel zur Ausrüstung eines Schiffes unter der Bedingung erhielt, daß dessen Bruder Cristobal Guerra nominell die Leitung erhalte. Das kleine Fahrzeug von fünfzig Tons segelte mit 33 Mann im Juni 1499, einige Tage nach der Abfahrt Hojeda’s, von Palos ab. Fonseca hatte dazu die königliche Erlaubniß erwirkt, aber unter der Bedingung, daß sie sich wenigstens 50 Leguas von denjenigen Plätzen entfernt hielten, welche Columbus berührt hatte.[313]
Mit günstigem Fahrwinde erreichten Niño und Guerra die Küste von Paria etwas südlicher als Columbus und gingen, nachdem sie am Golfe Brasilholz geschlagen, durch den Drachenschlund nach der Perlenküste (Costa de perlas auf Cosa’s Karte) mit der Absicht, dort Perlen einzutauschen. An der Küste von Cumana und la Guaira machten sie den reichsten Eintausch, denn sie langten 14 Tage eher dahin als Hojeda. Westwärts gingen sie nur bis zu der Landschaft Cauchieto, wo nach Angabe der Indianer viel Gold zu finden war. Allein darin fanden sie sich getäuscht. In Folge dessen gingen sie im Anfang November noch einmal nach Cumana und der Insel Margarita zurück, welche Columbus nicht betreten hatte, und traten dann die Heimreise an, nachdem sie die feste Ueberzeugung gewonnen hatten, daß das entdeckte Land ein Continent und keine Insel sei, da sie Hirsche, Eber und anderes Wild angetroffen, wie man es auf Inseln nicht findet, und da sie eine bedeutende Strecke an der Küste hingefahren waren.[314] Im Februar (nach Andern im April) erreichten sie die Nordwestküste von Spanien wieder und liefen in den galicischen Hafen von Bagona ein. Die gesammte Ausbeute belief sich auf 96 Mark (libras octunciales) Perlen, von denen ein Fünftel an den königlichen Fiscus abgegeben wurde. Der glückliche Verlauf und der reiche Gewinn reizte zu neuen Fahrten.
Am Schlusse desselben Jahres 1499 brach von Palos ein zweites Geschwader auf. Die reiche Familie der Pinzone hatte es auf ihre Kosten ausgerüstet. An der Spitze standen Vicente Yañez Pinzon und seine Neffen Diego Fernandez und Perez Arias. Am 18. November gingen 4 Caravelen unter Segel und steuerten von der capverdischen Insel St. Jago am 13. Januar 1500 gegen Südwesten trotz Stürme und großer Gefahr über den[S. 327] Aequator. Jenseit des fünften Grades südl. Br. stießen sie am 26. Januar südlich von dem Cap S. Roque auf die brasilianische Küste und nannten den ersten Landvorsprung das schöne Vorgebirge, Rostro Hermoso. Die Portugiesen nannten dasselbe später Cap Sa. Cruz oder S. Agostinho. Juan de la Cosa bezeichnet diese Stelle mit der Inschrift: „Dieses Cap wurde im Jahre 1499 (irrthümlich statt 1500) für Castilien entdeckt, der Entdecker war Vicentians.“[315] Der Führer der Expedition stieg mit mehreren königlichen Notaren ans Land und nahm für den König von Spanien Besitz von demselben, indem er Zweige von den Bäumen abhieb, von dem Wasser des Landes trank und Kreuze errichtete. Ein Versuch, mit den Eingebornen in friedlichen Tauschverkehr zu treten, wurde durch das feindselige Benehmen derselben vereitelt. Man steuerte darauf an der Küste des Landes gegen WNW. So wurde also auch, wie Peter Martyr triumphirend schreibt, hier, jenseit des Oceans die alte Streitfrage, an welcher sich Philosophen, Dichter und Kosmographen lebhaft betheiligt hatten, ob nämlich der heiße Aequatorialgürtel für Menschen bewohnbar sei, endgiltig durch den Augenschein gelöst.[316] Auf der Weiterfahrt geriethen sie mit den Indianern in blutigen Streit, welcher mehreren Matrosen das Leben kostete. Sie hielten daher etwas von der Küste ab und gelangten vor die Mündung des mächtigen Amazonenstroms; sie waren nicht wenig erstaunt, als sie in einer Entfernung von 40 spanischen Meilen vom Lande trinkbares Wasser von der Meeresfläche schöpfen konnten. Daß solche gewaltige Massen von süßem Wasser, welche den Ocean bedeckten, nur von einem Riesenstrome herrühren konnten, wurde klar, jemehr sie sich nun dem Gestade näherten, an welchem sie mehrere Inseln entdeckten. Auf einer derselben nahmen sie 36 Eingeborene gefangen und führten sie als Sklaven mit sich fort. An der Mündung des Marañon, wo sie zuerst den Polarstern wieder zu Gesicht bekamen, beobachteten sie eine Springflut und glaubten aus den Angaben der Indianer zu verstehen, daß weiter aufwärts am Fluß viel Gold zu finden sei. Offenbar hatte man ein bedeutendes Festland vor sich, dem man unmöglich die kleine Bezeichnung „Insel“ ertheilen konnte, man müßte denn, wie Martyr bemerkt, die ganze bewohnte Erde (universum terrae orbem) als Insel ansehen. Wegen der ungeheuren Breite des Amazonenstroms, welche die Entdecker auf 30 spanische Meilen schätzten, hielt Martyr die Erzählung anfangs für eine Fabel. Als er sie dann aber weiter fragte, ob sie nicht etwa eine Meerenge für einen Fluß angesehen hätten, bemerkten ihm jene, daß, je weiter man in den Strom hinauf fahre, das Wasser um so süßer werde. Durch diese Erklärung beruhigt, ruft der[S. 328] Verfasser der Decaden aus: „Wer will es der Natur nehmen, daß sie nicht noch größeres selbst als diesen Fluß schaffen könne!“ Die Entdeckung des gewaltigsten Stroms der Erde erregte mit Recht die staunende Bewunderung der Zeitgenossen. So verschwommen aber waren damals noch die Vorstellungen, welche man über diese Gebiete in Spanien hatte, daß Peter Martyr glaubte, der Marañon sei derselbe Fluß, den Columbus auf seiner dritten Reise gefunden; der Amazonenstrom und Orinoco schienen ihm also identisch. Daß beide neben einander existiren könnten, schien unglaublich.
Aus den prachtvollen Urwäldern nördlich vom Strome, wo sie Riesenstämme antrafen, welche 16 Männer kaum zu umspannen vermochten, nahmen sie eine Ladung von Brasilholz[317] mit und gingen dann am Orinocodelta vorüber durch den Drachenschlund, entdeckten jenseit Trinidad die Insel Tabago, berührten mehrere der kleinen Antillen und trafen am 23. Juni 1500 in Haiti ein. Von hier aus wandte sich das Geschwader, welches weder Gold noch Perlen gewonnen hatte, zur Menschenjagd nach den Bahama-Inseln, verlor aber in einem furchtbaren Sturm zwei Schiffe. Die beiden andern Fahrzeuge erreichten am 30. September 1500 den heimatlichen Hafen. Der geographische Erfolg dieser Reise war ein bedeutender, aber der materielle Gewinn fehlte vollständig. Die Droguen und Hölzer, welche man für Ingwer und Zimmet gehalten, waren werthlos. Es blieb nur die Sklavenfracht und das Brasilholz; dazu stürzte der Verlust zweier Schiffe die Familie der Unternehmer in Schulden und ließ den Gedanken an eine Fortführung der Pläne nicht aufkommen, obwohl man dem Ziele weit näher gekommen zu sein meinte, als Columbus; denn man war überzeugt, über Catai hinaus das indische Gestade jenseit des Ganges erreicht zu haben.[318]
Kaum einen Monat später, als die Pinzone, brach ebenfalls von Palos, etwa in der Mitte des December 1499 Diego de Lepe mit zwei Schiffen auf und segelte von der capverdischen Insel Fuego 500 Leguas gegen Südwesten, bis er in der Nähe von Cap Agostinho auf die Küste des Festlandes stieß. Der Verlauf der Expedition am Marañon vorüber nach dem Parialande ist ziemlich derselbe wie bei der Fahrt der Pinzone; doch würde Lepe’s Reise noch ein besonderes Interesse gewinnen, wenn, wie vermuthet ist, Amerigo Vespucci daran theilgenommen hätte und der Bericht von der zweiten Schifffahrt des Florentiners sich auf Diego de Lepe’s Unternehmung bezöge.[319][S. 329] Vespucci, welcher zweimal am Cap Agostinho war, bestimmte die südliche Breite desselben zu 8 Grad, nach den Aussagen Sebastian Cabots, Juan Vespucio’s u. a. (Navarrete III, 319. 320). Andreas Morales entwarf nach den Angaben der Entdecker und der nachfolgenden Expeditionen eine Karte für den Bischof Fonseca, auf welcher auch die Lage des Cap Agostinho nach Rücksprache mit Lepe angegeben war. Diego de Lepe’s Karte wurde später auch von Juan Diaz de Solis geprüft. Das Cap Agostinho gewann aber deshalb eine so große Wichtigkeit, weil man durch seine Fixirung den ersten festeren Anhalt für die Bestimmung der Demarcationslinie zu finden glaubte. Lepe’s Karte wurde dabei zu Rathe gezogen und Vespucci hat, nach der Aussage namhafter Zeugen, seine Lage bestimmt (Navarrete III, 319). Die Beziehungen zwischen Diego de Lepe und Amerigo Vespucci treten dadurch so deutlich hervor, daß die Vermuthung, Vespucci habe mit Lepe seine zweite Reise gemacht, dadurch an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Ueber Haiti kehrten die Schiffe wieder heim und langten vor dem November 1500 in Spanien an, denn schon am 9. November desselben Jahres ist ein Erlaß der spanischen Majestäten, Diego Lepe betreffend, ergangen (Navarrete III, 80).
Um die Küsten des caribischen Meeres weiter zu erforschen, zog Rodrigo de Bastidas im October 1500 mit zwei Schiffen von Cadiz aus, besuchte den Golf von Venezuela, sowie die Länder im Süden und Westen der Landschaft Coquibacoa. Von Cabo de la vela begann er seine Entdeckungen, berührte die Küste der Sierra nevada de Sa. Marta und drang über die Mündung des Magdalenenstroms in das Innere des Golfes von Darien (oder Urabá). Von hier wandte er sich nach Nordwesten und verfolgte den Saum der darischen Landenge bis zur Punta San Blas oder dem nahegelegenen Puerto de Escribanos.[320] Er erreichte also den Isthmus von Panama vor Columbus, welcher erst am 26. November 1502 hieher gelangte. Durch diese Reise des Bastidas wurde die Aufnahme der Nordküste Südamerikas vollendet.
Im Januar 1502 machte sich Hojeda zum zweitenmale auf, nachdem er zur Beschaffung der Mittel sich mit Juan de Vergara und Garcia de Ocampo oder del Campo verbunden und mit der Krone durch Vermittlung Fonseca’s einen Vertrag geschlossen hatte, wonach ihm die Umgebung des Golfes von Maracaibo unter dem Namen einer Statthalterschaft von Coquibacoa oder Cichibacoa überlassen wurde. Er ging mit vier Schiffen über die Capverden nach der Küste von Venezuela, entdeckte den Golf von Coro, den östlichen Theil des Golfs von Venezuela und beschloß dort eine Niederlassung zu[S. 330] gründen; aber die Eingeborenen vertheidigten ihr Land mit den Waffen und tödteten in einem Gefechte zwanzig Spanier. Mangel an Lebensmitteln riefen unter der Mannschaft einen Aufruhr hervor, in welchem Hojeda gefangen genommen und in Ketten geworfen wurde. Dann gaben die Meuterer die Ansiedlung auf und gingen nach Haiti, wo Hojeda dem Gericht überliefert und nach Spanien gebracht, im Jahre 1503 aber völlig freigesprochen wurde.
Noch unglücklicher verliefen die beiden Expeditionen, welche 1504 nach jenen Gegenden auszogen. Das eine Geschwader unter Cristobal Guerra und Luis Guerra bestand aus vier Schiffen, das andere unter Juan de la Cosa aus drei oder vier Schiffen. Nachdem sie die Gestade Venezuelas gebrandschatzt und Menschenraub getrieben hatten, scheiterten mehrere der Fahrzeuge am Golf von Darien. Man sah sich gezwungen, dreiviertel Jahr unter Hunger und Mühsal an der Küste auszuharren, wobei mehr als die Hälfte der Mannschaft dem Fieber erlag. Von den 200 Abenteurern beider Geschwader retteten sich schließlich nur etwa vierzig über Jamaica und Haiti nach Spanien. Trotz aller Mißerfolge fand Alonso de Hojeda im nächsten Jahre wieder Gelegenheit, mit drei Schiffen den Versuch, seine Statthalterschaft in Coquibacoa zu begründen, zu wiederholen. Nähere Umstände über diese 1505 ausgeführte Unternehmung sind aber nicht bekannt geworden.
Es ist bereits oben (S. 129) berichtet, unter welchen Umständen bei der zweiten portugiesischen Expedition nach Indien unter Pedralvarez Cabral im April 1500 die Küste Brasiliens zufällig berührt wurde. Da die Portugiesen von der fast gleichzeitig erfolgten Auffindung der nördlicheren Gestade des südamerikanischen Continents durch die Spanier noch keine Nachricht erhalten hatten, so hielt Cabral das entdeckte Land für eine große Insel, welcher er den Namen Santa Cruz beilegte, und schickte den Capitän Gaspar de Lemos mit der Kunde von dieser Entdeckung nach Portugal zurück, während er selbst seinen Weg nach Indien fortsetzte.
In Lissabon erkannte man sofort den Vortheil, welchen die neue Insel den Indienfahrern gewähren könne, da sie sehr günstig gelegen sei, um Schiffe auszubessern und Wasser einzunehmen.[321] Es wurde daher beschlossen, durch ein zu diesem Zweck entsendetes Geschwader den von Cabral gemachten Fund weiter untersuchen zu lassen. Um diese Zeit war Amerigo Vespucci von seiner zweiten Fahrt, auf welcher er bis zum 8. Grad s. Br. gekommen war, zurückgekehrt und weilte in Sevilla. Da nun Amerigo auch eine von Fachleuten anerkannte Geschicklichkeit besaß, mittelst Quadranten die geographische Breite zu bestimmen, so suchte König Manuel ihn zu gewinnen, die beabsichtigte Fahrt nach dem Sa. Cruzlande mitzumachen und sandte daher einen Florentiner,[S. 331] Giuliano di Bartolomeo del Giocondo von Lissabon nach Sevilla. Erst auf wiederholte Bitte erklärte Vespucci sich bereit und reiste nach Portugal. Im Mai 1501 liefen drei Schiffe von Lissabon aus, an Bord des einen befand sich Vespucci, wahrscheinlich als Astronom. Der Name des Capitäns ist unbekannt, da Vespucci, dessen Briefe die einzige Quelle über die Fahrt sind, uns denselben verschweigt. Das Geschwader ging an der afrikanischen Küste bis über das grüne Vorgebirge hinaus, nahm dort bei den Bissagos Lebensmittel, Holz und Wasser ein und steuerte dann mehr westlich haltend über den Ocean. In der Region der Calmen, in der Nähe des Aequators, brachen furchtbare Unwetter los, welche sie lange dort festbannten.[322] Erst am 16. August kam die Küste von Südamerika in Sicht in der Nähe von Cap S. Roque, unter 5° s. Br. Man nahm für den König von Portugal in üblicher Weise Besitz vom Lande und versuchte mit den Eingeborenen einen kleinen Tauschhandel zu eröffnen. Es entstand aber auch hier bald Mißhelligkeit und Streit und die Europäer mußten es erleben, daß einer ihrer jungen Matrosen am Strande erschlagen und verzehrt wurde. Man folgte nun der Küste weiter nach Südwesten und ertheilte, wie es scheint, einzelnen Punkten den Namen der Kalenderheiligen des Tages. Der Atlas des Vaz Dourado[323] läßt in solcher Weise den Fortschritt der Entdeckung klar erkennen. Demgemäß war man am 16. August, am Tage des heil. Rochus zuerst auf den Continent am Cap San Roque, gestoßen, hatte das Cap des heil. Augustin (8° südl. Br.) am 28. August erreicht, den Rio de San Miquel (10° südl. Br.) am Michaelistage berührt, den Rio de San Franciso am 4. October gefunden. Weiterhin streifte man die von Cabral entdeckte Küste und erkannte daraus, daß die von demselben als Ilha de Sa. Cruz bezeichneten Gestade einem gewaltigen Continente angehörten, und lief nun weiter über den Rio de Sa. Luzia, wahrscheinlich den heutigen Rio Doce, zu welchem man nach der Bestimmung des Tages am 13. December gelangte, zum Cabo de San Thomé (21. December). Das Sternbild des kleinen Bären war ihnen bereits entschwunden[324] und auch der große Bär stand nur noch sehr niedrig.[325] Vermuthlich entdeckte man den Eingang der prachtvollen Bucht am Rio de Janeiro[S. 332] am 1. Januar 1502 und westlich davon die Angra dos Reis am heiligen Dreikönigstage, also am 6. Januar, Porto de San Vicente am 22. Januar und gleich darauf Cananea (25° s. Br.), fälschlich auf den damaligen Karten als Cananor bezeichnet. Mit diesem Punkte hören auf den Karten, welche bis 1510 erschienen, die Küstenbenennungen auf, obwohl Vespucci berichtet, das Geschwader habe bis zum 32° südl. Br. das Land in Sicht behalten.
Bis hieher läßt sich der Verlauf der Entdeckungen also bestimmt verfolgen. Vespucci erzählt aber, man habe von da an ihm persönlich die weitere Leitung übertragen und er sei nun vom Lande ab gegen Süden bis zum 50° oder 52° s. Br. in das südliche Meer vorgedrungen, wo man am 2. April eine von Klippen umsäumte, unbewohnte, öde Küste entdeckt, an der man 20 Seemeilen entlang gesegelt; und weil man in den südlichen Winter hineingerieth, habe man nun die weitere Fahrt aufgegeben und sei über den Ocean nach der Serra Leona zugesteuert. Welche Küste er gesehen haben will, läßt sich nicht bestimmen.[326] Man hat an die Falkland-Inseln und die patagonische Küste gedacht.
An der Küste der Serra Leona wurde eins von den drei Schiffen, welches untauglich geworden war, verbrannt, die beiden andern langten über die Açoren am 7. September 1502 in Lissabon an, so daß also die ganze Reise 16 Monate gewährt hatte.
Der Erfolg dieser auf Staatskosten unternommenen Erforschungsreise war in geographischer Beziehung ein sehr bedeutender, und Vespucci verstand es, durch seine Briefe und Berichte sich dabei als den Hauptträger und wissenschaftlichen Leiter hinzustellen. Die ausführlichen Schilderungen der entzückend schönen, tropischen Küstenlandschaften des südamerikanischen Continents, dessen gewaltige Ausdehnung nach Süden durch diese Fahrt zuerst erkannt wurde, die Schönheit des südlichen Himmels, von dessen Sternbildern Vespucci einige unförmliche Zeichnungen entwarf, und endlich die sichere Behauptung, daß er mit seinen Schiffen wenigstens bis zum 50° s. Br. gekommen sei, alles dies trug ohne Zweifel dazu bei, gerade diese dritte Reise Vespucci’s berühmter als alle anderen zu machen; denn es war eine Seefahrt gewesen, welche sich von Lissabon, also etwa von 40° n. Br. an, in der Richtung der Meridiane über den vierten Theil des Erdumfanges ausdehnte. In der deutschen Uebersetzung eines Briefes des Florentiner Kosmographen an seinen Freund Lorenzo di Pierfrancesco de Medici wird dieses Resultat mit den Worten zusammengefaßt. „So ist küntlich vnnd offenbar das wir den vierdenteyl[S. 333] der welt durchschyffet haben.“ In demselben Sinne gibt Ruchamer[327] diesem Abschnitt seines Werkes den Titel: „Wie Alberich den vierten Theil der Welt entdeckt hat.“ Der Brief Vespucci’s machte ungeheures Aufsehen, wurde 1503 zuerst durch Jean Lambert zu Paris in lateinischer Uebersetzung und weiter in Augsburg und Straßburg in deutscher Sprache gedruckt.
Titelblatt der deutschen Uebersetzung des Briefes, welchen Am. Vespucci über seine dritte Reise an Pierfrancesco de Medici schrieb.
(Königl. Bibliothek zu Dresden.)
Und wenn schon auf dem Titel, auf dem der König von Portugal in herausfordernder Weise sich spreizt und mit den Errungenschaften zu brüsten scheint, die neu entdeckten Länder als eine Welt bezeichnet werden, so spricht Vespucci selbst es in der Einleitung seines Briefes noch deutlicher aus, daß man die großen Länderräume, welche er im Auftrage des Königs von Portugal[S. 335] aufgefunden, die neue Welt nennen könne, zumal da man früher gar keine Kunde davon gehabt, vielmehr der Ansicht gewesen sei, daß südlich vom Aequator sich nur Wasser über die ganze Hemisphäre erstrecke. Nun seien aber zahlreiche Völker und eine eben so reiche Thierwelt aufgefunden, wie sie in der alten Welt bekannt sei.
Durch die Erzählungen von einer neuen Welt, welche Vespucci mit bewußtem Stolze Asien, Afrika und Europa gegenüberstellte, verdunkelte er das niedergehende Gestirn seines Landsmannes Columbus vollständig und gab wenige Jahre später die Veranlassung, daß der neu entdeckte Erdtheil seinen Namen erhielt. Der Florentiner war aber mit seinen Erfolgen noch nicht zufrieden, er wollte, wie er an Lorenzo de Pierfrancesco schreibt, noch einen ausführlicheren Bericht über seine Beobachtungen und Entdeckungen liefern, „damit mein gedechtnuß bei vnßern nachfaren, löblich beleib, Vnd des almechtigen gots so groß köstlich, künstliche werk bekant werde.“ Zugleich kündigte er auch seine Absicht an, noch eine vierte Reise zu unternehmen, zu welcher bereits zwei Schiffe ausgerüstet seien. Er plante dabei nicht geringeres, als durch den Süden nach dem Orient zu segeln,[329] oder wie der Text der Dresdner Flugschrift noch bestimmter sagt „durch den wyndt, genant Affricus“, also gegen Südwesten.
Es ist also zuerst von Vespucci der Vorsatz klar ausgesprochen, auf südwestlichem Wege Indien zu erreichen und dabei vor allem den Gewürzmarkt von Malakka aufzusuchen — ein Gedanke, welchen Magalhães 16 Jahre später verwirklichte. Die Expedition, an welcher Vespucci Theil nahm, stand unter dem Befehle des Gonzalo Coelho; sie zählte sechs Schiffe und ging am 10. Juni 1503 von Lissabon ab. Von der Serra Leona steuerte sie nach Südwesten, nach der Küste Brasiliens hinüber; unter 4° s. B. scheiterte das größte Schiff an einer Klippe vor der öden Felseninsel Fernando Noronha. Getrennt von einander gingen die Fahrzeuge weiter nach dem verabredeten Sammelplatze der Allerheiligenbai (Bahia). Als Vespucci mit seinem Begleitschiff hier über zwei Monate vergebens gewartet hatte, folgte er der schon bekannten Küste weiter nach Süden und legte unter 18° s. B. die erste Niederlassung in Brasilien an, in welcher 24 Mann von dem gestrandeten Schiffe als Colonisten blieben, nahm darauf eine Ladung Rothholz mit und kehrte am 2. April nach Europa zurück. Am 18. Juni 1504 erreichte er den Hafen von Lissabon. Nach und nach kamen auch die übrigen Schiffe zurück. Das Unternehmen war vollständig misglückt, die der Expedition vom König von Portugal gestellte Aufgabe, auf jeden Fall nach Indien zu segeln, blieb ungelöst. Vespucci gab der Unerfahrenheit und dem Hochmuth Coelho’s alle Schuld und meinte, da derselbe noch nicht zurückgekehrt war, als Vespucci seinen Bericht entwarf, Gott werde ihn wegen seines Stolzes auf dem Meere[S. 336] vernichtet haben.[330] Er schwebte in Ungewißheit, was der König weiter über ihn selbst beschließen werde. Er sehnte sich nach so vielen Anstrengungen nach Ruhe; aber auf Belohnung für seine Dienste konnte er nicht rechnen, da die letzte Unternehmung fehlgeschlagen war. Er nahm daher gern die Gelegenheit wahr, mit einem Schreiben des portugiesischen Königs sich nach Sevilla zu begeben. Hier traf er im Februar 1505 mit Columbus zusammen, der ihn wie einen Leidensgenossen behandelte, welcher gleichfalls von dem Undanke der Könige betroffen sei. „Vespucci,“ so schrieb der Admiral an seinen Sohn Diego, „hat sich mir gefälllg erwiesen. Dem ehrenwerthen Manne ist das Glück abhold gewesen, wie so vielen andern. Auch er hat den gebührenden Lohn für seine Leistungen nicht empfangen.“[331] Der König Ferdinand benutzte die dargebotene Gelegenheit, den tüchtigen und kenntnißreichen Florentiner wieder für sich zu gewinnen; am 11. April ehrte er ihn durch ein königliches Geschenk, und vierzehn Tage später verlieh ihm sein Schwiegersohn, König Philipp, das Bürgerrecht in Spanien.
Von da an blieb Vespucci in spanischen Diensten.
Neuerdings sind noch einige venetiansche Gesandtschaftsberichte bekannt geworden,[332] aus denen hervorgeht, daß Vespucci noch eine fünfte Reise unternommen und wiederum die Terra Firma berührt hat, aber ohne neue bedeutende Entdeckungen zu machen.
Amerigo hatte von 1505 sich wieder in den Dienst Spaniens begeben und blieb demselben bis zu seinem Tode treu. Im Jahre 1508 wurde er mit 200 Ducaten Gehalt als Reichspilot angestellt und hatte das Amt, die Befähigung der Piloten zu prüfen und als Kartograph thätig zu sein. Daß er Seekarten entworfen hat, finden wir mehrfach bestätigt; aber leider hat sich kein Originalblatt erhalten. Dagegen darf mit Sicherheit angenommen werden, daß die in der Straßburger Ausgabe des Ptolemäus von 1513 enthaltene Karte der neuen Welt (tabula terre nove) von Vespucci stammt. Er starb am 22. Februar 1512 zu Sevilla und erhielt den Juan Diaz de Solis zum Nachfolger.
Während Columbus schon bei Lebzeiten seinen Ruhm vollständig erbleichen sah, widerfuhr dem Vespucci die unverdiente Ehre, daß bereits im Jahre 1507 der Vorschlag gemacht wurde, die neuentdeckten großen Landmassen Amerika zu nennen.
Die Entstehung des Namens Amerika ist beachtenswerth genug, um hier ausführlicher dargelegt zu werden. Es ist bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß Amerigo ein fleißiger Briefsteller war, und indem er mit einer frischen Beobachtung auch die Gabe verband, namentlich das Völkerleben der neuen Welt in pikanter Weise zu schildern, so wurden seine Berichte außerordentlich[S. 337] gern gelesen und waren in vielfachen Ausgaben und Uebersetzungen verbreitet. Außer den einzelnen Briefen erschien seit 1507 eine zusammenfassende Darstellung seiner vier ersten Reisen nach der Fassung, welche der Reisende selbst in den Berichten an seinen florentinischen Freund Soderini gegeben hatte. Diese „Quatuor navigationes“ (Vier Schifffahrten) erlebten wiederum eine Reihe von lateinischen Auflagen, während weder von Magalhães’ noch von Vespucci’s Reisen gleichzeitige spanische oder portugiesische Ausgaben bekannt sind.
Lies: De vuestra reverendisima señoria hymylmente beso las manos.
Amerrigo Vespucci,
piloto mayor.
Facsimile der Schlußzeilen eines Briefes von Amerigo Vespucci an den Cardinal Arzobispo de Toledo (Ximénez de Cisneros); datirt Sevilla, 9. December 1508.
Unverkennbar macht sich in ihnen ein eitles Haschen nach Gelehrsamkeit bemerklich, denn Amerigo citirt den Plinius, Virgil und Aristoteles, auch ist der Verfasser, wie die meisten Reisenden seines Zeitalters zu Uebertreibungen geneigt und weiß sich auch als praktischer Astronom einen gewissen Nimbus zu verschaffen. Alexander von Humboldt hat es ganz treffend als ein Uebermaß astronomischer Ruhmredigkeit bezeichnet,[333] wenn Vespucci in Bezug auf die Längenbestimmungen zur See sich folgendermaßen äußert: Längenbestimmungen zu machen ist eine sehr schwierige Sache, und nur diejenigen Personen verstehen es, welche sich den Schlaf versagen können. Ich habe die nächtliche Ruhe so oft gemieden, daß ich mein Leben dadurch um zehn Jahre verkürzt habe, ein Opfer, welches ich keineswegs bedaure, weil ich hoffe dadurch in späteren Jahrhunderten mir noch Nachruhm zu erwerben. Und da er selbst nun von seiner dritten Fahrt berichtete, er habe seine Reise über den vierten Theil des Erdumfanges ausgedehnt und die von ihm berührten Länder könne man wohl füglich eine Welt für sich nennen und den Erdtheilen der alten Welt gegenüber stellen, so verbreitete sich nun sehr rasch die Meinung, Amerigo sei der Entdecker, und um so mehr wurde diese Ansicht widerspruchslos weitergetragen, weil über die Reisen des Columbus nach dem Lande Paria und dem Goldlande Veragua kaum ein Laut in[S. 338] die Oeffentlichkeit drang und weil man den Genuesen nur für den Entdecker von „etlichen Inseln“ hielt. Man staunt über die lange Reihe von Schriften und Verfassern, welche sämmtlich dem Amerigo das Verdienst der Entdeckung des Festlands von Amerika zuschreiben.[334] Daher erklärt sich auch, daß als einmal der Vorschlag aufgetaucht war, das neue Land „Amerika“ zu nennen, man ohne Zögern den Gedanken als einen glücklichen, treffenden bezeichnete und auch für die weitere Verbreitung des Ausdrucks sorgte.
Anfänglich waren die Bezeichnungen für die neuen Entdeckungen noch ziemlich unsicher und schüchtern aufgetreten, so lange man noch keine klare Vorstellung von der großen Ausdehnung zusammenhängender Landmassen besaß. Columbus hatte von einem neuen Himmel und einer neuen Erde gesprochen, in lateinischer Form lautete danach die Bezeichnung mundus novus oder novus orbis, was dann wieder in „neue Welt“ verdeutscht wurde. Während man in den wenigen von Columbus bekannten Mittheilungen nur von Inseln erzählen hörte, erklärte Vespucci mit großer Sicherheit, er habe einen neuen Erdtheil entdeckt. Kein Wunder, daß dann die jungen Gelehrten, welche sich in der lothringischen Stadt St. Dié mit Geographie befaßten und die vier Schifffahrten des Vespucci in lateinischer Uebersetzung verbreiteten, auch die Ueberzeugung gewannen, man müsse dann auch dem Florentiner zu Ehren jene Länder nennen. Der Urheber des Namens Amerika ist Martin Waltzemüller.[335] In seiner 1507 zuerst veröffentlichten Einleitung zur Kosmographie[S. 339] (Cosmographiae introductio) gibt er im 9. Capitel eine ganz kurze Charakteristik der Erdtheile Europa, Afrika und Asia und bemerkt dazu, daß in der neusten Zeit diese Erdtheile nicht nur genauer bekannt geworden, sondern daß durch Amerigo Vespucci auch noch ein vierter Erdtheil entdeckt worden sei, welchem man mit gutem Fug und Recht den Namen Amerige, gleichsam Amerigo’s Land oder Amerika geben könne, da sowohl Europa als auch Asia nach Frauen benannt worden seien. Ueber Land und Leute dieses neuen Erdtheils sollen dann die der Kosmographie angehängten vier Schifffahrten des Vespucci genaueres berichten. Da an dieser Stelle der Name „Amerika“ zuerst in der Literatur erscheint, so geben wir hier vorstehend eine getreue Copie dieser interessanten Stelle.
Facsimile der Stelle, in welcher zum
erstenmale der Name „Amerika“ vorgeschlagen wird.
Aus Cosmographiae Introductio des
Hylacomylus von 1507.
Der Vorschlag Waltzemüllers fand zunächst unter den deutschen Gelehrten Anklang. So erschien denn der Name Amerika zuerst in dem kleinen anonym veröffentlichten Werke Globus mundi (Straßburg 1509) und in demselben Jahre auf einer in Wien befindlichen Karte. Zwei Jahre später lesen wir die neue Benennung in einem englischen Schauspiel (A new interlude). Weiterhin begegnen wir derselben in einem 1512 von Joachim Vadianus an Rudolf Agricola gerichteten Briefe, welcher in der 1518 erschienenen Ausgabe des Pomponius Mela abgedruckt wurde. Im Jahre 1515 schrieb Johannes Schöner in Bamberg den Namen Amerika auf seinen Globus. Dann folgte die wahrscheinlich 1516 entworfene merkwürdige Weltkarte Leonardo da Vinci’s, 1520 Peter Apian, welcher für die von Camers (Giov. Rienzi Vellini aus Camerino in Umbrien) besorgte Ausgabe des Solinus eine Weltkarte zeichnete, und sodann das von dem französischen Kosmographen Oronce Fine (Orontius Finaeus) 1531 gefertigte Weltbild. Aber allgemein befestigt war die Benennung damit noch nicht, denn durch das ganze 16. Jahrhundert begegnen wir für Südamerika auch den Bezeichnungen Peruana (Peru) oder Brasilia. Erst im 17. Jahrhundert erlangte der Name allgemeine Gültigkeit.
Alonso Hojeda hatte bereits drei Fahrten nach der Nordküste Südamerikas gemacht (vgl. oben S. 325 und 329), aber seine Versuche, sich in der ihm zuertheilten Statthalterschaft von Coquibacoa am Maracaibosee mit Waffengewalt festzusetzen, waren an dem zähen Widerstande der kriegerischen Cariben gescheitert. Trotzdem gab der unbeugsame spanische Ritter seine Pläne nicht auf, er ließ sich 1508 mit der ganzen Küste, welche nun den Namen Nueva Andalusia erhielt, von neuem belehnen und verpflichtete sich, daselbst zwei feste Plätze anzulegen. Zu gleicher Zeit wurde einem anderen Bewerber, Diego de Nicuesa, der Küstenstrich des mittelamerikanischen Isthmus von Honduras bis Darien überwiesen; die Grenze sollte der Atrato bilden, welcher sich in den Golf von Darien ergießt. Gegen Osten, auf dem Gebiet Hojeda’s, trug die Landschaft den indianischen Namen Uraba, gegen Westen erstreckte sich weiterhin das goldreiche Veragua. Hojeda ging im Herbst 1509 mit vier Schiffen und 300 Mann nach seinem Gebiete unter Segel. In seiner Begleitung befanden sich der Pilot Juan de la Cosa, als sein Stellvertreter, und Francisco Pizarro. Kurz darauf folgte Nicuesa, welcher über bedeutendere Mittel verfügte, mit sieben Segeln und 700 Mann und steuerte nach Veragua.
Hojeda landete in der Gegend von Cartagena und beschloß die Dörfer der Cariben zu überfallen, um die Einwohner zu Sklaven zu machen. Mit dem Erlös der Beute hoffte er einen Theil der Ausrüstungskosten decken zu[S. 341] können. Vergebens warnte Juan de la Cosa vor den vergifteten Geschossen der kriegerischen Küstenstämme, deren Gefährlichkeit er auf früheren Fahrten hatte kennen lernen, und empfahl weiter westlich zu landen; allein Hojeda verschmähte den wohlgemeinten Rath. Mit einer Schar von 70 Mann rückte er in der Morgendämmerung aus, überwältigte das erste Dorf, machte alles nieder, was Widerstand leistete, und brachte die Ueberlebenden als Menschenbeute auf seine Schiffe. Nach diesem ersten Erfolge aber überließen sich die Spanier in der heißen Mittagszeit sorglos der Ruhe und wurden nun von den benachbarten Indianern, deren Ortschaft gleichfalls bedroht war, vollständig überrumpelt. Unter den Giftpfeilen der Cariben fielen alle Spanier, zuletzt auch Juan de la Cosa; nur Hojeda, der sich hinter seinem großen Schilde vollständig decken konnte, schlug sich durch und rannte der Küste zu, aber ohne die Schiffe erreichen zu können. Zum Glück kam zur selben Zeit Nicuesa mit seinem Geschwader in dieselbe Gegend, fand Hojeda’s Schiffe und beschloß, mit dem Reste der Mannschaft desselben die Gegend zu durchstreifen, um das Schicksal der Expedition gegen die Indianer aufzuklären. Zuerst fand man Hojeda, tief im Mangrovegebüsch versteckt, wohin er sich geflüchtet hatte, entkräftet durch Hunger, sprachlos vor Erschöpfung, aber den Degen in der Faust und am Arme den Schild, auf welchem gegen 300 Pfeilschüsse zu zählen waren. Dann kam man zur Stätte des unheilvollen Ueberfalls und stieß auf die Leiche Cosa’s; dieselbe war an einen Baum gebunden und von zahllosen Geschossen durchbohrt, „ein Igel von Pfeilen“. Von dem todbringenden Gift gräßlich aufgedunsen, bot die Leiche ein so grauenvolles Bild, daß keiner der Spanier, aus Furcht, von einem ähnlichen Schicksal betroffen zu werden, auch nur noch eine Nacht an dem Orte zu bleiben wagte. Alle kehrten zu den Schiffen zurück: Nicuesa steuerte nach Veragua, Hojeda lief an dem Gestade westwärts und gründete im Anfange des folgenden Jahres 1510 am Golf von Uraba, hart an der Grenze seines Gebiets eine Niederlassung, welche er San Sebastian nannte und durch ein festes Blockhaus sicherte. Aber da die Indianer der Nachbarschaft ebenso kriegerisch und feindselig waren als bei Cartagena, so sahen sich die Ansiedler fast ganz auf ihr Blockhaus beschränkt und durften es einzeln nicht verlassen, aus Furcht, von den lauernden Cariben aus dem Hinterhalte erlegt zu werden. So stellte sich bald Mangel an Lebensmitteln ein und in seinem Gefolge Unmuth und Mißstimmung, welche zu Meutereien ausartete; und wenn auch Hojeda strenge Mannszucht zu halten verstand, so war er doch nicht im Stande, der immer drohender nahenden Hungersnoth vorzubeugen. Um Verstärkungen an Abenteurern heran zu ziehen, sandte er ein Schiff mit Sklaven und Gold nach Haiti. Durch die vielverheißenden Berichte ließ sich ein spanischer Colonist von Haiti, namens Talavera, welcher, weil er in Schulden steckte, die Insel zu verlassen wünschte, mit einer Anzahl verwegner Leute gleicher Lage verleiten, ein mit Lebensmitteln beladenes Schiff, welches an der äußersten Südwestspitze von Haiti[S. 342] vor Anker lag, zu überfallen und in Besitz zu nehmen, um mit diesem Raube dem Goldlande zuzusteuern. Die Ankunft der Räuberbande mußte der bedrängten Colonie Hojeda’s willkommen sein; sie brachte eine namhafte Verstärkung an Mannschaft und — Brot. Nach dem rechtlichen Erwerb des Schiffes und der Fracht durfte der Leiter der kleinen Ansiedlung nicht fragen. Mit neubelebtem Muthe trat man den Indianern entgegen; aber schon bei einem der nächsten Ausfälle aus dem Blockhause erhielt Hojeda einen vergifteten Pfeilschuß in den Schenkel. Um den bekannten, unausbleiblichen Wirkungen der gefährlichen Verletzung zuvorzukommen, ließ der kühne Hidalgo sich die Wunde mit einem glühenden Eisen ausbrennen und einen in Essig getauchten Verband darumlegen. Und nur durch solche unerhörte Energie rettete er sein Leben.
Kaum war er genesen, so ging er auf Talavera’s Schiffe selbst nach Haiti, um neue Zufuhr herbeizuschaffen, da sich ohne dieselbe seine Colonie nicht aufrecht erhalten ließ. Als seinen Stellvertreter ließ er den Francisco Pizarro[336] zurück und setzte fest, daß, wenn er binnen 50 Tagen nicht wieder erschienen sei, Pizarro die Niederlassung ausheben und mit dem Reste der Leute Veragua aufsuchen könne.
Hojeda landete mit dem Piratenschiff an der Südküste Cuba’s. Unter unsäglichen Beschwerden wanderte er dreißig Meilen weit durch die menschenleeren Strandsümpfe und Lagunen ostwärts. Tagtäglich betete er zu seiner Patronin, der Jungfrau Maria, deren Bildniß, in Flandern gemalt und ein Geschenk seines Gönners Fonseca, er am Halse trug. In dem ersten Indianerdorfe, welches er antreffen würde, gelobte er dem Madonnenbilde eine Capelle zu bauen. Und als er mit seinen Leidensgefährten, halb verhungert und verschmachtet, dasselbe erreichte, führte er sein Gelübde aus. Denn er fand freundliche Aufnahme und die Indianer gaben ihm sogar Führer und ein Boot, um ihn nach Haiti hinüberzubringen. Talavera mit seinen Raubgesellen fiel hier in den Arm der Gerechtigkeit und erlitt für seine Verbrechen den Tod am Galgen. Hojeda wurde freigesprochen; aber auch sein Muth war gebrochen, er starb, von allen Freunden verlassen, in tiefster Armuth, wahrscheinlich 1515. Ein tragisches Geschick hatte alle seine hochfliegenden Pläne vereitelt. Die anmuthige Rittergestalt war ein Schreckbild[S. 343] für alle Glücksjäger geworden. Er selbst fühlte dies in tiefster Seele und verfügte in seinem letzten Willen, man solle ihn an der Schwelle der Klosterkirche des heiligen Franciscus in San Domingo begraben, damit jeder, welcher das Gotteshaus besuche, den Fuß auf seinen Grabstein setzen müsse. So wollte er selbst noch im Grabe für seinen Stolz büßen und sich demüthigen.
Nachdem die verabredeten fünfzig Tage verflossen waren, ohne daß von Hojeda irgend welche Kunde einlief, entschloß sich Pizarro im Sommer 1510 mit den letzten sechzig Mann, die ihm noch geblieben waren, die unglückliche Niederlassung von San Sebastian in Uraba aufzulösen und mit seinen zwei Schiffen den Weg nach San Domingo (Haiti) einzuschlagen. Aber das Misgeschick verfolgte sie auch aufs Wasser. Das eine Fahrzeug ging im Sturme unter, das andere stieß unerwartet auf ein Schiff des Rechtsgelehrten (Baccalaureus) Martin Fernandez de Enciso, welcher auch an der Küste der Tierra firme als Entdecker und Colonisator sein Glück versuchen wollte. Aber auch Enciso verlor an der Ostspitze des Golfs von Darien, an der Punta Caribana, sein Schiff, und die Mannschaft sah sich genöthigt, am Strande hin nach der nahe gelegenen Niederlassung von San Sebastian zu gehen. Da man aber die kaum verlassenen Hütten bereits durch die Indianer zerstört und verbrannt antraf, entschloß sich der ganze Haufe der unglücklichen Abenteurer, auf die andere Seite des Golfs hinüber zu ziehen und sich dort festzusetzen, ohne sich viel darum zu kümmern, daß dieser Theil der Küste bereits zu Veragua, also unter die Botmäßigkeit Nicuesa’s gehörte. Die Anregung zu diesem Schritte gab Vasco Nuñez Balboa, ein armer Edelmann aus Jerez de los Caballeros in Estremadura, südlich von Badajoz. Derselbe zählte damals etwa 38 Jahre, war aber schon vor fast zehn Jahren mit Bastidas in dieser Gegend gewesen und hoffte dort einen günstigern Boden für eine Ansiedlung zu finden, als in Uraba. Jahre lang hatte er dann auf Domingo, wo er Ländereien erhalten, Feldbau getrieben. Aber des einförmigen Landlebens überdrüssig und von Schulden gedrückt, suchte er eine Gelegenheit, sich seinen Verpflichtungen zu entziehen. Als Enciso im Hafen von Domingo seine Ausrüstung betrieb, nahm Balboa diese Gelegenheit wahr, ließ sich, da nach dem Gesetz kein Schuldner ohne Wissen seiner Gläubiger die Insel verlassen durfte, von seinem Landgute aus in einer Proviantkiste an Bord schaffen und kam erst auf offner See, als er sich sicher glaubte, aus seinem Versteck hervor. Enciso hatte zwar anfangs die Absicht, um nicht selbst durch Balboa’s Erscheinen in Ungelegenheit zu kommen, den Eindringling an der ersten wüsten Insel auszusetzen, ließ sich dann aber bewegen, den Flüchtling als guten Kriegsmann zu behalten.
In der neuen Niederlassung am Flusse Darien, welche den Namen Santa Maria del Antigua erhielt, wollte Enciso, der sich für den einzigen rechtmäßigen Leiter ansah, alles nach seinen gelehrten Rechtsbegriffen ordnen und leiten, fand aber dabei in der Schar der zügellosen Abenteurer den heftigsten Widerstand. Militärischem Commando entzogen sie sich nicht, aber[S. 344] die Fesseln einer papiernen Rechtspflege ertrugen sie nicht. Balboa trat an die Spitze der Widersacher und erklärte den Baccalaureus für abgesetzt und gefangen; doch ließ man ihn später wieder los. Enciso durfte nach Spanien zurückkehren. Die Erbitterung Balboa’s gegen diesen Rechtsgelehrten war so groß, daß er noch im Anfange des Jahres 1513 an den König von Spanien schrieb und bat, er möge allen Juristen und studirten Leuten, außer den Medicinern verbieten, die Tierra firme zu betreten, denn sie hätten alle den Teufel im Leibe und stifteten mit ihren tausenderlei Rechtshändeln und Niederträchtigkeiten nur Unheil an.[337]
Doch in Santa Maria del Antigua erschien bald wieder die Noth und der Mangel an Lebensmitteln, welcher namentlich in den ersten Stadien der Bildung einer neuen Colonie verhängnißvoll geworden ist. Glücklicherweise brachten im November 1510 zwei Schiffe unter Rodrigo Enriquez de Colmenares unerwartete Hilfe. Dieselben waren für Rechnung Nicuesa’s mit Lebensmitteln befrachtet und liefen an der Küste hin, um dessen Niederlassung aufzusuchen. Colmenares ließ sich bewegen, einen Theil seiner Vorräthe an Balboa und seine Leute abzugeben und setzte dann seine Reise fort, um Nicuesa aufzufinden.
Dieser war im November 1509, also ein Jahr vorher, von Cartagena nach Darien gegangen und steuerte von da nach Veragua. Einer Karte des Bartolomé Colon folgend, war er irrthümlich über das Ziel hinausgerathen. Der Sturm trieb die Schiffe auseinander, einige gingen unter, mit dem letzten lief er nothgedrungen in die Mündung eines Flusses ein, wo dasselbe auf den Grund gerieth und durch den heftigen Wogenschwall zerschlagen wurde. Die Mannschaft rettete sich ans Land. In der Nähe des von Columbus entdeckten Vorrathshafens (puerto de bastimentos) legte er nothgedrungen seine Niederlassung an und gab ihr den Namen Nombre de Dios. Von Lebensmitteln entblößt, an einer fieberschwangern Küste zwischen Sümpfen und dichten Wäldern festgehalten erlag die Schar der Colonisten größtentheils den vereinten Angriffen von Krankheit und Hunger. Colmenares fand nur noch die bleichen Trümmer einer stattlichen Ausrüstung. Als Nicuesa durch ihn von der Unternehmung Balboa’s hörte, der sich auf seinem Gebiet an einem günstigen Platze festgesetzt hatte, beschloß er mit den Ueberlebenden, — er zählte nicht mehr als sechzig Mann — sich dorthin zu wenden und Nombre de Dios aufzugeben. Als einige Jahre später (1515) Gonzalo de Badajoz mit achtzig Mann hier ans Land ging, um in das Innere des Isthmus einzudringen, fand er in der Nähe von Nicuesa’s Blockhaus nur noch zahlreiche Steinhaufen, mit rohen Holzkreuzen versehen, unter denen die Leichen der Verhungerten bestattet waren.
Balboa’s Colonie hatte sich indessen, dank der ihr durch Colmenares gewordenen Unterstützung, fester organisirt und die erste schwerste Prüfungszeit[S. 345] glücklich überwunden; aber sie war nicht gewillt, sich unter die Botmäßigkeit Nicuesa’s zu begeben. Man war gefaßt darauf, daß der nominelle Herr von Veragua seine Ansprüche werde geltend machen und hatte darum auf den Höhen an der See Wachtposten ausgestellt, um nicht durch einen unerwarteten Besuch Nicuesa’s überrascht zu werden. Als dieser nun mit seiner sehr gelichteten Schar auf dem Schiffe des Colmenares erschien, rotteten sich die Ansiedler von Santa Maria zusammen und der „procurador de la ciudad“ rief ihm vom Strande mit lauter Stimme entgegen, bei Todesstrafe keinen Fuß ans Land zu setzen. Zurück in seine unheilvolle Colonie konnte Nicuesa nicht; ließ man ihn nicht in Santa Maria ans Land, so war er unabwendbar dem Verhängniß verfallen. Trotz aller Verhandlungen und Vorstellungen beharrte das Volk auf seinem Willen, und drohte zu den Waffen zu greifen. Erst am nächsten Morgen ließ man den unglücklichen Mann ans Land kommen, aber nur, um ihm einen Theil seiner Gefährten zu entfremden und ihm selbst dann hinterlistiger Weise einen Eid abzunehmen, der ihn verpflichtete, unverzüglich wieder in See zu gehen und an keinem Punkte in der neuen Welt anzulaufen, sondern direct nach Spanien zu segeln. Vergebens wies Nicuesa auf die gefährlichen Folgen eines solchen verrätherischen Verfahrens hin (auf Balboa’s Haupt sollte das gleiche Geschick fallen), man ließ ihm nur die schlechteste und am wenigsten seetüchtige Brigantine und stieß ihn im März 1511 mit 17 Leidensgefährten aufs Meer hinaus. Es ist ungewiß, ob Balboa oder sein Genosse Zamudio der Hauptanstifter dieses Verraths gewesen. Nicuesa ist verschollen, nirgends ist eine Spur von ihm aufgefunden. Die Reste von drei verunglückten Colonisationsversuchen waren von da ab, in einer Stärke von 300 Mann, unter Balboa’s energischer Leitung in Santa Maria del Antigua vereinigt.
Aus der ganzen Reihe der Abenteurer traten nur zwei Männer von bekanntem Namen hervor, Balboa und Pizarro. Pizarro, damals noch in untergeordneter Stellung, wurde von Balboa herangezogen und erhielt zu kleinen Unternehmungen das Commando. So kam er empor und sollte später an Balboa die Hand legen, um dessen Laufbahn ein plötzliches Ende zu bereiten. Aehnlich war dieser mit Enciso und Nicuesa verfahren.
Balboa drang auf glücklichen Streif- und Beutezügen ins freiere Binnenland von Darien und bis ins Quellgebiet des Chucunaque vor, der sich in den großen Ocean, in den Golf von San Miguel ergießt. Als ein eingeborner Fürst, Panciaco, die Goldgier der Spanier sah, wies er sie nach dem südlichen Meere, welches man in sechs Tagereisen übers Waldgebirge erreichen, aber auf dem näheren Gebirgskamme bereits sehen könne. Schon Columbus hatte dunkle Kunde von jenem anderen Meere erhalten, jetzt trat die Nachricht bestimmter auf. Um aber in jene völlig unbekannten Räume vordringen zu können und das Gestade des gegenüberliegenden Meeres zu erreichen, bedurfte man bedeutenderer Kräfte, als sie augenblicklich der in Noth befindlichen Colonie zur Verfügung standen. Dem Admiral Don Diego[S. 346] Colon sollte ein Schiff die wichtige Entdeckung nach Haiti melden und die Bitte um Zusendung von Waffen und Lebensmitteln vortragen; aber das Fahrzeug, welches zugleich den königlichen Fünften an Gold überbringen sollte, scheiterte an der Küste von Yukatan. Die Mannschaft rettete sich zwar anfänglich ans Land, fiel dort aber dem Stamm der Maya in die Hände, welche die Gefangenen zum Theil in ihren Tempeln opferten, zum Theil als Sklaven behielten. Einer dieser letzteren, der Pater Jeronimo de Aguilar wurde 1519 durch Cortes befreit. Als der Erfolg dieser Schiffssendung ausblieb, schickte Balboa das letzte verfügbare Schiff 1512 direct nach Spanien, zufällig kamen vom Admiral im folgenden Jahre zwei Fahrzeuge mit Lebensmitteln nach Darien und befreiten die hungerleidenden Ansiedler aus äußerster Noth. Noch günstiger war, daß eine Schar von 150 Mann die bereits zusammengeschmolzene Zahl der Colonisten verstärkte und daß der Statthalter von Haiti dem Balboa die Oberleitung übertrug. Aber trotz dieser Anerkennung fürchtete Balboa mit Recht, daß man ihn in Spanien als Empörer gegen Enciso und Nicuesa nicht so glimpflich behandeln und ihm einen Nachfolger senden werde, denn Enciso war nach Spanien gegangen und hatte beim indischen Rathe Klage gegen ihn erhoben und seinen Verrath gegen Nicuesa gebrandmarkt. Balboa war daher entschlossen, durch eine große That den übeln Eindruck seines Verrathes abzuschwächen. Er faßte den Plan, das südliche Meer auszusuchen und die daran grenzenden reichen Gebiete der spanischen Krone zu unterwerfen. So brach er am 1. September 1513 mit 190 Spaniern, 600 einheimischen Lastträgern und einer Meute von Bluthunden von seiner Niederlassung auf und ging mit einer Brigantine und neun großen Canoes an der Küste entlang nordwestlich nach Careta’s Dorf. Der Häuptling gab ihm von hier Wegweiser mit ins Innere. Diese Richtung des Marsches zeigt, daß Balboa über die Lage der Südsee wohl unterrichtet war, denn von dem Punkte aus, wo er landete, beträgt die Luftlinie zu dem gegenüberliegenden Gestade nur neun Meilen, und die Waldgebirge auf dieser Landenge erheben sich nur 700 Meter hoch. Aber dicht verschlungener Urwald umhüllt den mittelamerikanischen Isthmus dergestalt, daß kaum ein Sonnenstrahl das Blätterdach durchdringt und den Boden erreicht. Selbst noch in unserem Jahrhundert ist ein Marsch über die Landenge mit den größten Schwierigkeiten verbunden. So hat im Jahre 1853 der bekannte Reisende Carl v. Scherzer sich vergebens bemüht, weiter im Westen, im Staate Costarica, unter dem 10° n. Br. von Angostura aus, den Hafen von Limon zu erreichen. In Begleitung von 30 Trägern, unterstützt von Ingenieuren mußte man nach vergeblicher Arbeit von 16 Tagen davon abstehen, die Küste des nur 10 Meilen entfernten caribischen Meeres zu erreichen. Der Wald war überall so dicht, daß nur ein fahler Schein, der durch die Blätternacht brach, die Tageszeit verkündete.[338]
Auf versteckten Waldwegen, auf denen die Indianerstämme sich zu nächtlichem Ueberfall und Raub beschleichen, drang Balboa’s Schar ins Gebirge hinein, welches hier, der Ostküste näher, sich am Golfe von Darien hinzieht. Dahinter erstreckt sich, von zahlreichen Bächen durchschnitten, das Waldland bis ans südliche Meer. Der Uebergang über die Cordillere, ohnehin durch die natürlichen Verhältnisse erschwert, wurde überdies den Spaniern durch die Häuptlinge, in deren Gebiet Balboa eindrang, streitig gemacht. Erst am 25. September konnten die eingebornen Wegweiser dem spanischen Anführer die langersehnte Meldung machen, daß er auf dem nächsten, vor ihnen liegenden Bergrücken das neue Meer sehen werde. Balboa ließ den ganzen Zug halten, er wollte zuerst sich an dem Anblick der Südsee erfreuen. Allein schritt er voran und erreichte den Gipfel. Er fällt auf die Kniee, hebt die Hände zum Himmel empor, grüßt den Süden und dankt Gott und allen Himmlischen auf das innigste, daß ihm als einem Manne von nicht hervorragenden Gaben, nicht vornehmer Geburt ein solcher Ruhm zu theil geworden. Dann winkt er den Gefährten mit der Hand und zeigt ihnen das ersehnte Meer. Alle sinken auf die Kniee, und Balboa fleht zum Himmel, namentlich zur Jungfrau Maria, daß das Unternehmen einen glücklichen Ausgang finden möge. Jubelnd stimmen alle den Lobgesang an und blicken auf das Land hinunter. Kühner als Hannibal, der seinen Soldaten von den Alpenhöhen herab das italische Land zeigte, verheißt er den Genossen unermeßliche Schätze. Zum Zeichen der Besitznahme wird von rohen Steinen ein Altar aufgethürmt. Dann werden beim Hinabsteigen rechts und links die Namen des Königs in die Bäume geschnitten, damit die Nachwelt die kühnen Entdecker nicht der Lüge zeihen könne, daß die große That nicht wirklich ausgeführt sei.[339] Der begleitende Notar Andres de Valderrabano nahm[S. 348] über das wichtige Ereigniß der Entdeckung und Besitzergreifung ein Protokoll auf, in welchem alle 67 anwesenden Spanier aufgezählt wurden, an zweiter Stelle nennt er den Geistlichen Andres de Vera, als dritten Francisco Pizarro. Noch ein siegreicher Kampf mußte ausgefochten werden, um die Häuptlinge zum Frieden und zum Bündniß zu bewegen, dann erreichte Balboa am 29. September mit 26 Begleitern die Mündung des Sabanas, der sich in den innern Golf von San Miguel ergießt, welcher nach dem Tage der wichtigen Entdeckung seinen noch jetzt gültigen Namen erhielt. Bei eintretender Flut schritt Balboa mit Schwert und Fahne bis an die Kniee ins Wasser der See und nahm von allen Ländern, Gestaden und Inseln dieses Meeres „vom Nordpol bis zum Südpol“ im Namen seines königlichen Herrn feierlich Besitz. Wochenlang blieb er dann an der Küste des Golfes, befuhr auf den Böten der Eingeborenen die Südsee und machte die anwohnenden Häuptlinge tributpflichtig. Vor den Augen der Spanier wurden im Golf von S. Miguel Perlen gefischt, doch wurde der weiter draußen gelegene Archipel der Perleninseln, wegen der stürmischen Jahreszeit, noch nicht aufgesucht. Der Anführer selbst zog auch hier wieder möglichst genaue Erkundigungen über die näheren und ferneren Landschaften ein und ließ sich von dem Caziken Tumaco über eine mächtige Nation im Süden berichten, welche unermeßlich reich sein, Schiffe und Lastthiere besitzen sollte, wie sie in der Nähe von Darien nicht bekannt waren. Eine Figur aus Thon, welche Tumaco von diesem Hausthiere fertigte, sah fast wie ein Kamel aus. Die Spanier erhielten so die erste Kunde von dem Goldlande Peru und von dem dort in Herden gezüchteten Lama. Auf keinen der Zuhörer machten diese Erzählungen einen tieferen Eindruck als auf Pizarro, der den lockenden Berichten mit gespannter Aufmerksamkeit lauschte.
Am 3. November trat Balboa den Rückmarsch an, er schlug einen anderen Weg ein und zog das Thal des Chucunaque, welches damals noch gut bevölkert war, bis zu den Quellen des Flusses hinauf. Trotz der mühevollen Märsche fanden die Spanier Gelegenheit den einheimischen Fürsten ihre Schätze an Gold abzupressen und für jedes kleine Vergehen die grausamste Justiz an denselben auszuüben. So wurde der Cazike Poncoa, nachdem er sein Gold hingegeben, nebst drei anderen Häuptlingen, schmachvoll den Bluthunden geopfert und von diesen zerrissen. Unter der täglich schwerer werdenden Last von Gold sanken die erschöpften Träger nieder; aber erst als auch den Spaniern die Kräfte zum Weiterzuge versagten, machte Balboa eine längere Rast in dem Dorfe Pocorosa’s und kehrte von da nach Careta zurück. Am 19. Januar 1514 erreichte er endlich seine Niederlassung in Sa. Maria del Antigua wieder, ohne einen Spanier verloren zu haben. Im darauffolgenden März sandte der glückliche Entdecker ein Schiff nach Spanien mit dem Berichte über seinen kühnen Zug und wußte den Werth seiner Eroberung durch Beifügung eines ansehnlichen Schatzes von 20,000 Castellanos an Gold und 200 der besten Perlen als königlichen Antheil an der Beute in das beste[S. 349] Licht zu setzen. Die Kunde von der Entdeckung eines neuen Oceans machte natürlich das größte Aufsehen. Von nun an konnte erst mit Recht die Frage aufgeworfen werden, ob die neue Welt wirklich, wie man bisher angenommen, einen Theil von Ostasien bilde, oder ob, was immer wahrscheinlicher wurde, das von Columbus erreichte Indien, einen Welttheil für sich bilde. Die Folgen der Entdeckung waren unermeßlich, sie gaben den ersten Anstoß zu der Weltumsegelung Magalhães’ und zu der Eroberung Peru’s durch Pizarro.
Aber Balboa sollte die Früchte seiner glänzenden That nicht ernten. Sein Schicksal war bereits besiegelt, als seine Sendung in Spanien eintraf. Bereits am 11. April 1514 war sein Nachfolger, der 60jährige Pedrarias de Avila mit einer ansehnlichen Flotte von ca. 20 Schiffen und 1500 Mann nach Darien unter Segel gegangen. Hätte Balboa sich mit der Absendung des Schiffes mehr beeilen können, und wäre seine Botschaft um vier Wochen früher nach Spanien gelangt, so hätte sein Geschick und das der ganzen Colonie von Darien gewiß eine andere Wendung genommen. Allein der Leiter der indischen Angelegenheiten, der Bischof Fonseca, war über den an seinem Günstlinge Nicuesa verübten Verrath empört und daher entschlossen, gegen Balboa auf das strengste zu verfahren. Die Nachricht von Balboa’s Entdeckung würde seine Maßnahmen unfehlbar gemildert oder ganz verändert haben, aber bis zur Absendung Pedrarias’ hatte Balboa keinen Fürsprecher in Spanien.
Der neue Statthalter des Landes Castilla aurifia, denn so hatte der König befohlen, solle das Gebiet der Eroberung Balboa’s in Zukunft heißen,[340] landete am 30. Juni 1514 in Sa. Maria del Antigua. Er brachte ein so glänzendes Gefolge von Rittern und gelehrten Männern mit, wie es die neue Welt noch nicht beisammen gesehen. Viele von ihnen haben sich in der Folgezeit hervorgethan und in der Geschichte der Eroberung einen dauernden Namen erworben. Vier unter diesen Männern haben uns werthvolle historische und geographische Arbeiten über die neue Welt hinterlassen: Bernal Diaz del Castillo, der Waffengefährte des Cortes, schrieb eine Geschichte der Eroberung Mexiko’s, Gonzalo Fernandez de Oviedo, welcher als Inspector (veedor) eingesetzt wurde, schrieb die historia general de las Indias, der Baccalaureus Enciso, welcher das Amt eines Alguacil mayor (Gerichtsbeamter) bekleidete, verfaßte eine Summa de geografia, und Pascual de Andagoya aus Cuartango in der Provinz Alava, der Mitentdecker von Nicaragua, entwarf eine Schilderung der Thaten der Spanier unter der Herrschaft des Pedrarias de Avila.[341] Außerdem betraten den Boden Amerika’s Diego Almagro, der Eroberer von Chile, Benalcazar, der Eroberer von Quito und Bogota, Fernando de Soto, der Waffengefährte Pizarro’s und Entdecker des mittleren Mississippithals, und Francisco Vasquez[S. 350] Coronado, der Eroberer von Cibola und Quivira. Als erster Pilot der Flotte wird Juan Serrano genannt, welcher mit Magalhães die erste Reise um die Erde unternahm und zugleich mit diesem auf den Philippinen getödtet wurde.
Die große Schar der neuen Ankömmlinge sah sich bei der Landung sehr enttäuscht, da für die Urbarmachung des Landes und für Gewinnung von Feldfrüchten fast noch nichts geschehen war. Die Umgebung von Sa. Maria war mit Wald und Sümpfen bedeckt, der Landbau war völlig vernachlässigt und wurde erst nach Balboa’s Rückkehr von der Südsee in Angriff genommen. Auch Pedrarias de Avila war nicht der Mann, um hier energisch einzugreifen und Hilfe zu schaffen. In kurzer Zeit erlagen gegen 500 der Neuangekommenen dem Fieber und Hungertode, andere wurden von Indianern getödtet. Der neue Statthalter war zu alt für einen solchen gefährlichen und verantwortlichen Posten; mißtrauisch und eifersüchtig auf Balboa’s Ruhm, überwachte er seinen Nebenbuhler mit argwöhnischem Auge. Hart gegen die Indianer und auf gewaltsame Eroberungen bedacht, ward er mehr zum Verwüster als zum Begründer eines Colonialgebiets. Las Casas verurtheilt ihn, ohne seinen Namen zu nennen, aufs schärfste, wenn er schreibt: „Im Jahre 1514 kam ein unseliger Statthalter nach der Terra firme, der grausamste Tyrann, ohne Erbarmen und ohne Klugheit, ein Werkzeug des göttlichen Zorns.“[342]
Zunächst wurde Ayora mit 400 Mann ausgesandt, um eine Reihe von Stationen von einem Meere zum andern anzulegen. Es war ein Vernichtungszug gegen die eingeborenen Häuptlinge, die der grausame Spanier verbrennen, hängen oder von Hunden zerreißen ließ. Aber seine Gründungen wurden von den erbitterten Indianern wieder zerstört. Im November 1515 sollte Antonio Tello de Guzman die Pläne Ayora’s wieder aufnehmen. Ebenso grausam wie dieser drang er gegen Westen über die Landenge und erreichte zuerst Panama. Von hier aus plünderte er die Landschaft Chagre, wurde auf dem Rückwege von Indianern angegriffen, kam indeß glücklich nach Maria del Antigua zurück.
Im Juni 1515 machten Balboa und der von Pedrarias ernannte Befehlshaber Luis Cavillo einen Zug nach Dabaiba am Atrato gegen Süden, um die dortigen, angeblich von Gold strotzenden Tempel aufzusuchen. Aber die Indianer griffen die spanischen Böte auf dem Flusse an und stürzten dieselben um, wobei Cavillo das Leben einbüßte. Der Rest kehrte unverrichteter Sache nach der Colonie zurück. Als in der Folgezeit noch drei andere Expeditionen nach dem goldenen Tempel fehl schlugen, gab man die Eroberung nach dieser Richtung auf.
Inzwischen kam im Juli 1515 aus Spanien eine Anerkennung für[S. 351] Balboa’s Leistungen; er wurde, allerdings unter dem Oberbefehl des Pedrarias, zum Adelantado der Südsee ernannt und bekam dadurch einen eignen Verwaltungs- oder Vergewaltigungsbezirk. Aber diese Gestade an der Südsee waren das einzige kostbare Land in der Terra firme, ohne welches die Ostseite, wo Pedrarias hauste, völlig werthlos war. Dazu war es gesünder und für Europäer zuträglicher. Sollte Pedrarias es seinem Rivalen überlassen? Er schickte seinen Neffen Gaspar de Morales und Pizarro mit 60 Mann an den Michaelsgolf, um die Perleninseln zu erobern. Mit 30 Mann gingen sie auf Böten nach der Isla rica, wie Balboa die größte Insel im Perlenarchipel genannt hatte, hinüber, vor dessen Häuptling selbst die Fürsten des Festlandes zu zittern schienen. Nach einem erbitterten Kampfe unterwarf sich der Inselfürst und bot den Fremden einen Korb voll kostbarer Perlen an. Dann führte er seine Gäste auf den Thurm seines Hauses, zeigte ihnen alle Inseln, die unter seiner Botmäßigkeit standen und sämmtlich ergiebige Perlenfischerei besaßen, und berichtete von der mächtigen Nation im fernen Süden, deren Schiffe er oft gesehen habe. Während Pizarro’s Phantasie aufs neue lebhaft dadurch angeregt wurde und mit kühnen Plänen ins Weite schweifte, hielt sich Morales an das vor Augen Liegende und dachte nur an die Ausbeutung der besetzten Inselgruppe. Zu dem Zweck legte er dem unterworfenen Fürsten einen jährlichen Tribut von 100 Mark Perlen auf. Dann kehrten die Spanier nach dem festen Lande und nach der Ostseite des Continents zurück, wobei wiederum unerhörte Schandthaten gegen die Eingebornen verübt wurden. Bei einer zu freundschaftlichem Gespräch berufenen Versammlung hetzte man die Bluthunde unter die Häuptlinge und ließ achtzehn Caziken zerreißen; zu Hunderten wurden die Indianer hingemordet und als die gefühllosen Räuber dann von dem ergrimmten Volke verfolgt wurden, schlugen sie hundert gefesselten Eingebornen, Weibern und Kindern, welche sie als Sklaven vor sich her getrieben hatten, die Köpfe ab oder skalpirten sie, nur um die Verfolger von weiterem Nachdringen abzuschrecken. Selbst Balboa berichtete mit höchstem Unwillen über solche Greuel; aber der Neffe des Gouverneurs ging ohne Strafe aus.
Um eine Versöhnung zwischen den beiden Rivalen Pedrarias und Balboa herbeizuführen, regte Quevedo, Bischof von Darien, eine Heirath zwischen der ältesten Tochter des Statthalters und dem Entdecker der Südsee an; beide Parteien schienen dazu geneigt, aber Pedrarias lauerte nur auf eine Gelegenheit, den ihm lästigen Eidam unschädlich zu machen. Diese Gelegenheit bot sich, sobald Balboa seine Machtstellung am großen Ocean erweitern wollte. Um den Befehl des Königs, eine sichere Verbindungslinie zwischen beiden Meeren herzustellen, in Ausführung zu bringen, wurde jenseit Careta der Hafenplatz Acla angelegt und auf trocknem Grund ein festes Blockhaus errichtet. Von diesem Punkte aus sollte dann Balboa das Material zum Bau mehrerer Schiffe über den Isthmus schaffen und am Strande der Südsee zu seetüchtigen Fahrzeugen zusammenzimmern lassen. Als Balboa aber nach[S. 352] Acla kam, fand er den Platz bereits durch die Indianer wieder zerstört, die spanische Besatzung todt. Es war also seine Aufgabe, zunächst das Blockhaus wieder herzustellen und die Indianer zu unterwerfen. Geraume Zeit verstrich, ehe das Baumaterial für die kleine Flotille mühsam auf dem Rücken indianischer Lastträger über die Landenge geschafft werden konnte, wo es am Rio Balsa, dem untern Laufe des Chucunaque, zusammengesetzt werden sollte. Aber hier zeigte sich, daß es zu lange am Strande von Acla der Witterung und zerstörendem Insektenfraß ausgesetzt gewesen war, so daß man aus den durchbohrten und morschen Planken kein seetüchtiges Fahrzeug bauen konnte. Und doch hatte der nutzlose Transport von Holz und Eisen über den Isthmus an 500 Indianern das Leben gekostet. Las Casas gibt den Verlust an Menschenleben sogar auf 2000 an. Man mußte also von neuem an die Arbeit gehen, um das Baumaterial herbeizuschaffen.
Inzwischen war König Ferdinand, 1516, gestorben und es hieß, Pedrarias werde in der Person des bisherigen Gouverneurs auf den Canarien, Lope de Sosa, einen Nachfolger erhalten. Um durch diesen nicht in seinen Unternehmungen an der Südsee gehemmt zu werden, beeilte sich Balboa, seine Schiffsausrüstung zu vollenden. Aber dieser Eifer wurde ihm falsch ausgelegt. Die Freunde des Pedrarias behaupteten, er wolle sich vom Statthalter von Darien unabhängig machen und direct mit der spanischen Krone in Verbindung treten. Das sah Pedrarias als Verrath an, denn Balboa hatte seinen Auftrag binnen 18 Monaten ausführen sollen und diese Zeit war unter den mühsamen Vorbereitungen verstrichen, ehe er hatte in See gehen können. Als nun Balboa zum letztenmal auf Einladung des Pedrarias nach Acla zurückkehrte, um durch persönliches Eingreifen die Ausrüstung zu beschleunigen, und mit dem Statthalter die Ziele seines Unternehmens zu besprechen, ließ dieser ihn durch Pizarro gefangen nehmen und nach kurzem Proceß, den Espinosa als Alcalde mayor zu führen hatte, nebst vier Anhängern enthaupten; wahrscheinlich im Jahre 1517. Balboa war etwa 42 Jahre alt geworden. Sein Tod war ein Unglück für die Entwicklung der spanischen Herrschaft. Rohe Abenteurer zertraten in kurzer Zeit Land und Volk und machten das Gebiet fast menschenleer. Sicher hatte Balboa sich gegen den unglücklichen Nicuesa schwer vergangen, aber das Urtheil des Pedrarias war ein ungerechtes. Nachdem die Krone seine Verdienste durch Ernennung zum Adelantado anerkannt hatte, war damit zugleich Verzeihung für sein früheres Benehmen ausgesprochen. Leider ist die ganze Geschichte der spanischen Eroberungen in der neuen Welt eine unausgesetzte Reihe von Treubruch und Verrath, und diesem Verhängniß erlag auch Balboa. Aber kühn in seinen Unternehmungen, fest im Entschluß, als Staatsmann und Krieger zum Befehlen geboren, gebildet und von reifem Urtheil, hätte unter seiner Leitung die Colonie einen ungeahnten Aufschwung nehmen können. Zwar hatte auch unter Balboa das Land gelitten, aber weit schlimmer wurden die Verhältnisse unter Pedrarias und die Verödung der einst volkreichen[S. 353] Landstriche nahm dermaßen zu, daß es im Anfange des 17. Jahrhunderts in der Provinz Panama mehr Neger als Indianer gab.
An der Südsee wurde Espinosa Balboa’s Nachfolger. Mit Hilfe der von Balboa erbauten Flotte von vier Brigantinen und der verfügbaren Mannschaft gründete er 1519 die Colonie von Panama, welcher Karl V. im Jahre 1521 Stadtrecht verlieh. Aber in dem ungesunden Klima gingen in den ersten 28 Jahren 40,000 Menschen dort zu Grunde. Daher befahl Philipp II. später den Ort zwei Meilen weiter westwärts an einer gesünderen Stelle anzulegen und bestimmte als Ausgangspunkt für die Isthmusstraße Puerto Bello, nordöstlich von Aspinwall oder Colon, von wo jetzt die Eisenbahn nach Panama hinüberführt.
Espinosa unterwarf die Stämme und Landschaften auf dem Isthmus und Bartolomé Hurtado befuhr die Küste der Südsee bis zum Golfe von Nicoya (unter 10° n. Br.), und in den folgenden Jahren gingen alle von Pedrarias angeordneten Entdeckungsfahrten nach Nordwesten, im ausgesprochenen Gegensatz zu den Plänen Balboa’s, der sein Augenmerk stets nach dem Süden gerichtet hatte. Möglicherweise ließ auch schon Pedrarias nach einer mittelamerikanischen Meerenge forschen, wie sie später so eifrig von Cortes gesucht wurde.
Noch weiter als Espinosa gelangte Gil Gonzalez de Avila. Derselbe hatte zwar im Jahre 1519 durch königlichen Befehl das Commando über die Flotte Balboa’s erhalten, mußte aber, da Pedrarias über dieselbe bereits verfügt hatte, auf den Perleninseln 4 andere kleine Fahrzeuge bauen und segelte damit im Jahre 1521 zunächst nach dem Dorfe Nicoya’s, wo der Häuptling sich willig mit sammt seinem Volke taufen ließ, und entdeckte dann weiter das fruchtbare, offene, volkreiche Land, das nach seinem damaligen Fürsten noch den Namen Nicaragua trägt. Die Kultur zeigte sich bei den Indianern, je weiter man nach Norden kam, immer mehr entwickelt, denn die Landschaften von Nicaragua und Honduras standen bereits unter dem Einfluß der von Mexiko und Yukatan her verbreiteten höheren materiellen und geistigen Bildung. Gonzalez verließ seine Schiffe und zog friedlich zu dem Fürsten Nicaragua, der an dem See gleichen Namens hauste und von dessen Macht ihm bereits Nicoya erzählt hatte. Auch Nicaragua ließ sich mit 9000 Mann auf einmal taufen und ließ es ruhig geschehen, daß der Spanier mit seinem Pferde in den See hineinritt, von dem Wasser trank und durch diese Ceremonie von dem umgebenden Lande Besitz ergriff. Auch bei diesem Zuge sollen 100,000 Pesos in Gold erbeutet sein.[343]
Auf dem Rückwege an die Küste wurde Gonzalez zwar von den Eingebornen angegriffen, aber seine Schar behauptete den Sieg und erreichte glücklich den Strand der Südsee. Inzwischen hatte der Steuermann Andres Niño die Entdeckungsfahrt weiter bis zur Fonsecabai und darüber hinaus bis auf „die Rückseite von Yukatan“ fortgesetzt.[344]
Am 25. Juni 1523 kam die ganze Expedition nach Panama zurück. Die alte Niederlassung Santa Maria del Darien (Antigua) begann schon 1521 zu veröden und wurde 1524 ganz aufgegeben. An ihre Stelle trat Panama.
Zur weiteren Ausbeutung seiner Entdeckungen, die ihm Pedrarias nur unter seinem Namen gestatten wollte, begab sich Gil Gonzalez nach S. Domingo, warb Schiffe und Mannschaften und segelte damit im Frühling 1524 nach der Ostküste von Nicaragua und Honduras und wollte an der Mündung des Rio Ulea landen. Er benannte den Hafen Puerto de Caballos, weil er gezwungen wurde, im Sturme mehrere Pferde über Bord zu werfen, um das Schiff zu retten. Dann ging er weiter nach Osten zum Cap Honduras und drang von hier aus gegen Süden in der Richtung zum Nicaraguasee vor. Dort stieß er auf eine Abtheilung der spanischen Schar, welche um dieselbe Zeit von Süden her unter dem Commando des Hernandez de Cordova dasselbe Gebiet zu erobern suchte. Gewissenlos fiel er über seine Landsleute her und nahm ihnen ihre Beute an Gold und ihre Waffen ab. Als er aber nach Puerto Caballos zurückkam, wurde ihm wiederum von Cristoval d’Olid, welchen Cortes entsendet, das Land streitig gemacht. Ueber den Ausgang dieser Unternehmungen werden wir im Verlauf der Eroberung Mexiko’s (Cap. 2. 24) weiter zu berichten haben.
Auch Francisco Hernandez de Cordova war von Pedrarias zur Eroberung Nicaragua’s ausgesendet. Er legte den Grund zu den Städten Granada, am nordwestlichen Ende des Sees und Leon, in der Nähe des Golfes von Fonseca. Eine Brigantine, am Gestade der Südsee auseinander genommen und im Nicaraguasee wieder zusammengesetzt, diente zur Befahrung des Binnensees und entdeckte den Abfluß desselben, den Rio S. Juan, den man aber wegen der Klippen und Stromschnellen nicht bis zum caribischen Meere verfolgen konnte. Wie fast alle Conquistadoren, wenn sie einigen Erfolg gehabt, strebte auch Cordova nach Unabhängigkeit von dem Statthalter Pedrarias. Seine Hauptleute Hernando de Soto und Compañon, welche den Verrath misbilligten, sagten sich von ihm los und kehrten nach Panama zurück. Da raffte sich Pedrarias zum letztenmal auf, erschien mit seinen Truppen unerwartet in Nicaragua, nahm den rebellischen Hauptmann gefangen und ließ ihn in Leon 1526 enthaupten. Als er im Februar 1527 nach Panama zurückkam, war sein Nachfolger Pedro de los Rios bereits auf dem Isthmus gelandet. Pedrarias zog sich nach Leon zurück und starb 1530. Dreizehn Jahre hatte das Land unter seiner Verwaltung geseufzt, er war nicht mehr fähig gewesen, seine Unterbefehlshaber zu zügeln, welche unter einander und gegen den Statthalter selbst zu den Waffen griffen.[S. 355] Die dissoluten Verhältnisse, welche seine schlechte Leitung über die herrlichen Landschaften von Mittelamerika gebracht, machten sich auf immer fühlbar. Sein Name war mit Recht verrufen.
Bisher hatten sich fast alle Unternehmungen im Umkreis des caribischen Meeres bewegt. Columbus selbst hatte dazu die Richtung angegeben. Seit dem ersten Zusammentreffen mit den Bewohnern der neuen Welt waren die Spanier bei ihren unermüdlichen Fragen nach den Goldländern auf den Südwesten gewiesen, und diese Richtung war selbst dann maßgebend geblieben, als Columbus an der Küste von Yukatan zuerst mit der Kultur der Mayastämme in Berührung kam. Daher blieb das Meer im Nordosten von Cuba zwanzig Jahre unbesucht. Der erste kühne Versuch in diesen unbekannten Norden einzudringen, ging merkwürdiger Weise von dem Statthalter von Puertorico, Juan Ponçe de Leon aus. Die Bewohner der Bahamainseln hatten von einem Wunderlande im Nordwesten berichtet, in dessen Heilquellen das Alter sich verjüngen könne.[345] Ponçe de Leon betrat dieses Land am Ostertage, 27. März, 1513 und nannte es nach dem Tage der Entdeckung Pascua Florida. Er fuhr dann an der Ostküste von Florida bis zum 10° n. Br., ließ es aber noch unentschieden, ob es eine Insel oder ein Theil des Festlandes sei.[346] Von hier kehrte er zur Südspitze der Halbinsel zurück und ging eine Strecke weit an der Westküste nach Norden, wo zwischen 25° und 26° n. Br. die Bahia de Ponçe de Leon noch den Namen des Entdeckers trägt. Die erste Karte von Florida lieferte sein Pilot Antonio de Alaminos.[347] Die feindselige Haltung der kriegerischen Einwohner hatte jeden Versuch einer Besiedelung vereitelt. Mehr als Puertorico schien Cuba schon durch seine Lage berufen der Ausgangspunkt aller Unternehmungen zu werden, welche gegen die Länder im Westen gerichtet wurden. Die „Perle der Antillen“ war mit leichter Mühe von Diego Velasquez unterjocht, welcher seit dem Jahre 1511 daselbst als Statthalter eingesetzt war. Die ganze Insel wurde sammt den Indianern unter die Eroberer vertheilt, und bei der großen Ausdehnung des Landes strömten immer mehr Abenteurer dahin. Aber zum friedlichen Landbau nicht geneigt, unternehmungslustig, unstät, durch jede neue Kunde von goldreichen Ländern aufgereizt, scharten sich die jüngeren Leute bald zusammen, um auf eigene Entdeckung und Eroberung auszuziehen. Sie rüsteten zwei Schiffe aus, wählten Hernandez de Cordova zu ihrem Hauptmann, gewannen Antonio de Alaminos aus Palos als Piloten und erhielten zur Ausrüstung eines dritten Schiffes von Velasquez das Geld vor[S. 356]gestreckt.[348] Am 8. Februar 1517 gingen die Schiffe unter Segel und steuerten von Cuba nach Westen. Beim Cap Catoche erreichten sie die Küste von Yukatan. Diese Entdeckung war von höchster Bedeutung, denn hier trafen die Spanier zuerst auf ein Kulturvolk, das prächtige Steinhäuser besaß, sich in baumwollene Gewänder kleidete und in Tempeln von behauenen Steinen, welche auf abgestumpften Pyramiden errichtet waren, ihren Götzen Menschenopfer darbrachten. Ueberrascht waren die Entdecker, hier mehrfach das Zeichen des Kreuzes in Stein gehauen zu finden, welches, wie sie später erfuhren, ein Symbol des regenbringenden Gottes war. Das Volk der Maya, welches das Land bewohnte, bediente sich sogar einer eigenartigen Bilderschrift, welche noch nicht entziffert ist. Abgesehen von der Verwendung derselben auf den monumentalen Bauwerken, welche sich, im Urwald begraben, zum Theil noch erhalten haben und das lebhafteste Interesse der europäischen Forscher auf sich gezogen haben,[349] sind nur drei oder vier Manuscripte der Maya-Sprache mit farbigen Bildern erhalten. Die werthvollste und umfangreichste dieser Mayahandschriften bewahrt die königliche Bibliothek in Dresden. Das Material dieser Handschriften besteht aus einzelnen Blättern, die aus den Fasern der mexikanischen Agave gefertigt und mit einer feinen Gypsschicht überzogen sind.[350] Neben den merkwürdigen Ruinen, deren bedeutendste Ueberreste sich im Süden des Landes bei Uxmal und Palenque finden, sind noch hohe Steinbilder, aus Monolithen geschaffen, vor der Zerstörung durch die Spanier, welche bei der fanatischen Verbreitung des Christenthums alle Erinnerungen an das Heidenthum der Eingeborenen zu vernichten strebten, sowohl in Yukatan als in den Nachbargebieten von Mexiko, Guatemala und Honduras erhalten. Diese Steinbilder stellen vielfach vergötterte Könige und Fürsten dar, denen, nach Weise des Heroencultus, Opfer gebracht wurden,[351] oder erschienen als Frauengestalten in der eigenthümlichen Landestracht, erstere mit kurzem Baumwollpanzer, letztere in gesticktem Rock mit Perlen und Fransen.
Die Spanier unter Cordova versuchten an mehreren Punkten der Küste zu landen, wurden aber von den kriegerischen Bewohnern blutig zurückgewiesen. Alaminos segelte an der Nord- und Westseite der Halbinsel bis Champoton, südlich von Campeche; aber als hier in einem Gefechte der Anführer lebensgefährlich verwundet wurde, stand man von der Fortführung des Kampfes ab, da man sich zu einer Eroberung zu schwach fühlte, und ging wieder in See. In dem Irrthum befangen, daß der nächste Weg nach Cuba über die Halbinsel Florida führe, steuerte Alaminos zuerst nach diesem Lande, welches er von der ersten Fahrt Juan Ponçe’s kannte, sah sich aber auch hier von den Indianern feindlich empfangen und segelte nach Cuba, wo Cordova 10 Tage nach der Landung seinen Wunden erlag. Der Statthalter Velasquez berichtete über den Verlauf der Expedition nach Spanien und rühmte sich der Entdeckung, sowie der darauf verwendeten Kosten.[352] „Von uns aber,“ fügt Bernal Diaz bitter hinzu, „die wir das Land gefunden hatten, wurde keiner genannt.“[353] Im nächsten Jahre rüstete Velasquez eine neue Flotte aus und sandte im April oder Mai 1518 vier Schiffe unter seinem Neffen Juan de Grijalva nach Yukatan ab. Als Pilot fungirte wiederum Antonio de Alaminos; außerdem begleitete ihn der tapfere Pedro de Alvarado, welcher sich später unter Cortes bei der Eroberung Mexiko’s hervorthat. Südlich vom Cap Catoche erreichten sie bei der Insel Cozumel, welche damals ein berühmtes Heiligthum besaß, gegenwärtig aber dicht bewaldet und unbewohnt ist, die Küste Yukatans und umfuhren die ganze Halbinsel bis zur Laguna de Terminos und bis Tabasco. Die zahlreichen gut gebauten Ortschaften, welche man mit ihren weißen Steinhäusern am Strande schimmern sah, erinnerten die Seefahrer an ihre Heimat, weshalb man das Land „Neuspanien“ zu nennen anfing. Auf der Halbinsel zeigten sich die Bewohner ebenso feindlich als bei der ersten Expedition und erst am Rio Tabasco, welchen man den Grijalvafluß nannte, gelang es einen friedlichen Verkehr mit dem Volke und seinen Häuptlingen zu eröffnen. Dann ging die Fahrt nach Westen an dem gefährlichen Gestade[354] weiter bis in die Nähe der heutigen Hafenstadt von Vera Cruz. Hier liegen mehrere kleine Inseln am Strande, wo man landete. Die erste erhielt den Namen Opferinsel (Isla de Sacrificios), weil im Tempel kurz zuvor fünf Indianer geopfert waren. Auch auf der näher an Vera Cruz gelegenen Insel S. Juan de Ulua waren zwei Knaben unter dem Opfermesser der schwarzgekleideten Priester verblutet. Mit den wachsenden Anzeichen einer höheren Kultur[S. 359] mehrten sich, zum Entsetzen der Spanier, auch die Spuren des gräßlichen Opfercultus der Mexikaner. Nichts desto weniger landete Grijalva hier mit seiner ganzen Macht und verstand es, mit den Caziken in freundlicher Weise Geschenke zu wechseln und die Schätze des Landes, Gold, Edelsteine und Gefäße von wunderbarer Form im Werthe von 15 bis 20,000 Goldpesos gegen Glasperlen, Nadeln und Scheeren auszutauschen. Hier war also ein wirkliches Goldland gefunden, welches eine unermeßliche Beute verhieß. Alvarado wurde mit dem ersten Gewinn und mit der Botschaft der wichtigen Entdeckung nach Cuba zurückgesandt, während Grijalva seine Küstenfahrt noch bis zur Landschaft Panuco, bis nach Tampico, unter 22° n. Br., weiter ausdehnte und erst an einem stürmischen Vorgebirge abbrach, um dann über Yukatan nach Cuba zurückzukehren, wo er am 15. November 1518 in St. Jago landete. Die bedeutsamen Nachrichten, welche Grijalva mitbrachte, regten die Unternehmungslust des Statthalters von Cuba mächtig an und drängten ihn zu raschen Entschließungen, um sich den Gewinn dieser Entdeckung zu sichern. Während er einerseits Boten mit reichen Geschenken nach Spanien sendete, um die Krone zu bewegen, die entdeckten Gebiete seiner Statthalterschaft unterzuordnen, rüstete er andererseits eine größere Flotte, um jene Länder zu erobern, und ernannte Ferdinand Cortes zum Befehlshaber der Expedition.
Sculpturen von Copán.
Am Fuße einer Pyramide an einem Altar stehende männliche Figur. Ueber derselben ein baldachinartiger Aufbau von Ornamenten mit mehreren sitzenden menschlichen Figürchen. Die Figur trägt auf dem Haupte einen Helm in der Form eines phantastischen Thierkopfes; von ihm hängen Zierrathen aus Goldblechstreifen, mit Perlen besetzt, zu beiden Seiten herab. Die übermäßig großen Ohren scheinen Symbole der Würde des Dargestellten zu sein. Die Brust bedeckt ein Panzer, der oben aus Kugeln, unten aus gewebten Stoffen in Form von Rollen zusammengesetzt ist. Letztere umschließt ein breiter Gürtel mit Masken und verzierten Goldblechtafeln zwischen ihnen. Vorn hängt der Gürtel bis auf den Boden herab. Um den Hals trägt die Figur an einem Bande eine Zierrath. Die Arme sind mit dreifachen Armbändern, die Beine mit Kniebändern, aus Masken und Perlen gebildet, und über den Knöcheln mit Ringen geschmückt. Die Sculptur ist in einem Steine ausgehauen und mißt in der Höhe 364, in der Breite 133, in der Dicke 91 Centimeter.
Weibliche Figur, an einem Opfersteine stehend. Das kurze Gewand ist mit netzartigen Ornamenten und am Saume mit Perlen und Fransen geschmückt. Ein in derselben Weise verzierter Gürtel umschließt den Leib; derselbe hat einen Thierkopf als Mittelpunkt und ist an den Seiten, über den Hüften der Figur mit menschlichen Masken besetzt. Ein breiter mit Goldblech und Perlen besetzter Streifen fällt vom Gürtel auf den Boden herab. Die Figur trägt einen prächtigen Kopfschmuck, dessen Kern ein phantastisches Thierhaupt ist, in welchem die Zähne durch mit Perlen besetzte Fransen dargestellt werden. Von demselben gehen nach beiden Seiten und oben viele Federn aus, deren größere Ringe tragen und die auch sonst mit Rosetten, Perlen und Quasten reich geschmückt sind. Eine kleine menschliche Figur krönt den Federschmuck; unter ihm hängen vor den Ohren lange dünne Locken herab. Die nackten Arme sind von Armbändern aus kleinen Platten, Perlen und Fransen umschlossen. Die Brust wird von einem aus viereckigen, plattenartigen Stücken zusammengesetzten Gewand bekleidet. Auf demselben liegt ein Geschmeide, welches bis zu den Schultern reicht und daselbst in Masken und Arabesken endigt. Die Füße sind von Halbschuhen, welche die vordere Fußhälfte freilassen, bedeckt. Maaße: Höhe 345, Breite 98, Dicke 101 Centimeter.
Für die erfolgreichste Ausdehnung der spanischen Macht in der neuen, indischen Welt war die auf Cortes gefallene Wahl eine überaus glückliche, wenn sie auch für Velasquez selbst eine Reihe bitterer Enttäuschungen brachte und ihm den gehofften Lohn gänzlich aus den Händen riß. Unter den wenigen wahren Heldengestalten der spanischen Conquistadoren, welche jenes Zeitalter gebar, ragt Cortes vor allen hervor. Sein edler, großer Charakter, seine kühnen Thaten erfüllen uns mit Bewunderung. Cortes war 1485 in Medellin in Estremadura geboren, hatte in Salamanca zwei Jahre studirt und sich dort, wenn er auch keine ausgesprochene Neigung zu den Wissenschaften zeigte, doch einen Grad allgemeiner Bildung erworben, wie er unter den Heerführern in den Colonialländern selten war. Der Reiz des Wunderbaren, welches die neue Welt belebte, die Lockung zu romantischen Abenteuern, welche jenseits des Oceans goldene Berge verhieß, erfüllte, wie die ganze spanische Jugend, so auch ihn. Und so ging er schon 1504 zum Statthalter Ovando nach San Domingo. Sieben Jahre später nahm er an der Eroberung Cuba’s theil und erwarb sich dadurch Landbesitz. Seine literarische Bildung beförderte ihn zum Secretair des Velasquez und später zum Alcalden von St. Jago, so daß er bereits eine der ersten Beamtenstellen auf der Insel einnahm. Seine Zeitgenossen schildern ihn als einen übermittelgroßen, schönen Mann mit breiter männlicher Brust und großen, dunkeln Augen in dem blassen Gesichte. In allen ritterlichen Uebungen gewandt, muthig und fest in seinen Entschlüssen,[S. 360] wie klar und überlegend in seinen Plänen; durch rasche Auffassung und klaren Geist, wie durch gewandte und feurige Rede seine Umgebung beherrschend, war er zum Anführer wie selten ein Mann in der neuen Welt geschaffen. Als Velasquez ihm das Commando übertrug, zählte er 33 Jahre. Es war dem Statthalter willkommen, daß Cortes aus eignen Mitteln einen Theil der Ausrüstung bestreiten konnte, welche mit 11 Schiffen den kühnen Angriff auf einen mächtigen Staat ausführen sollte.[355]
Aber noch ehe Cortes seine Vorbereitungen getroffen hatte, erwachte bereits die Eifersucht des Statthalters, welcher, durch seine Getreuen gewarnt, bereits fürchtete, dem gewählten Führer zu viele Machtmittel anvertraut zu haben, mit denen er sich womöglich eine unabhängige Stellung schaffen könnte. Er schien entschlossen zu sein, die Ernennung des Cortes zum General wieder zurückzunehmen; aber dieser brach, noch ehe der zögernde Velasquez sich entschied, mit seiner Flotte von St. Jago auf, bevor die Ausrüstung und Verproviantirung vollendet war, und ging zunächst nach der ebenfalls auf der Südseite von Cuba gelegenen Stadt Trinidad und, nachdem er hier noch 100 Mann von der zurückgekehrten Expedition Grijalva’s angeworben hatte, weiter nach Habana. Hieher sandte Velasquez an die Behörden des Orts den Befehl, Cortes zu verhaften, und gebot diesem in einem Briefe, er solle nicht eher absegeln, als bis er selbst nach Habana gekommen sei. Aber Cortes ließ sich an der Spitze seiner bedeutenden Macht weder als ein einzelner Edelmann gefangen setzen, noch befolgte er das unglaublich ungeschickt vorgebrachte Gebot des Velasquez, auf ihn zu warten; vielmehr begab er sich am 10. Febr. 1519 nach dem Sammelpunkt seiner Flotte am Cap S. Antonio, der Westspitze von Cuba, und ging von hier aus acht Tage später mit seinen eilf Schiffen unter Segel. Der erfahrene Steuermann Alaminos, der nun zum viertenmale nach Yukatan steuerte, denn er hatte bereits die letzte Fahrt des Columbus mitgemacht und dann die Expedition Cordova’s und Grijalva’s geleitet, war sein Hauptpilot. Seine bewaffnete Macht bestand aus 400 spanischen Soldaten, darunter 13 Büchsenschützen und 32 Armbrustschützen, und 200 Indianern, ferner aus 16 Reitern, 10 schweren Bronzegeschützen und 4 leichten Feldschlangen. Auch begleiteten zwei Geistliche den Zug, um den Götzendienst zu vernichten und die Indianer zu taufen. Das Geschwader steuerte nach der Insel Cozumel. Die Einwohner flohen bei der Landung zwar anfangs aus Furcht ins Innere, kamen dann, durch Dolmetscher beschwichtigt, zurück, ließen es geschehen, daß ihre blutigen Altäre gestürzt und daß in ihren Tempeln christlicher Gottesdienst gefeiert wurde, ja sie bequemten sich sogar zur äußerlichen Annahme des Christenthums.
Schon auf der Expedition Cordova’s hatte Alaminos mehrfach das Wort Castillan gehört, ohne sich dasselbe in dem Munde der Indianer erklären zu[S. 361] können. Cortes vermuthete sofort richtig, es müßten Spanier bereits früher hieher gelangt sein. Diese Vermuthung wurde durch die Angabe eines Häuptlings bestätigt, daß noch zwei Spanier als Gefangene im Lande lebten. Unter ihnen befand sich Fray Jeronimo de Aguilar (s. o. S. 346), den Cortes befreite und der ihm als Dolmetscher wichtige Dienste leistete. Dann ging die Fahrt in gewohnter Weise um Yukatan herum nach dem Rio de Tabasco oder Grijalva. Die Einfahrt in den Fluß war so seicht, daß keins der größeren Schiffe einlaufen konnte; Cortes befuhr ihn daher in den kleinen Brigantinen und mit bewaffneten Böten, um die Stadt Tabasco selbst zu besuchen. Seine Erklärung, er komme in friedlicher Absicht, wurde mit Drohungen und Kriegsgeschrei beantwortet. Aber die Spanier ließen sich dadurch nicht abschrecken. Der Kampf begann schon in den Böten, dann im Wasser am Strande, das den Angreifenden bis an den Gürtel ging, und setzte sich am Lande fort, wo am 25. März mit Geschütz und Reiterei eine förmliche Schlacht geliefert wurde, in welcher die tapferen Tabascaner, deren Heer nach der eigenen Angabe des Cortes[356] aus 40,000 Mann bestand, durch die ungewohnte Kriegsmacht einer[S. 362] Reiterei in die Flucht geschlagen wurden und 220 Todte auf dem Schlachtfelde zurückließen.
Am nächsten Tage unterwarfen sich die Caziken und brachten unter anderen Geschenken 20 Sklavinnen, deren eine, eine geborene Mexikanerin, von den Spaniern den Namen Donna Marina erhielt und sich den Eroberern anschloß, denen sie als Dolmetscherin die wesentlichsten Dienste leistete. In Tabasco vernahm man auch die Worte Culhua, womit die gewerbreiche Stadt Cholula[357] westlich von Mexiko bezeichnet wurde, und den Namen Mexiko selbst. Nachdem am Palmsonntag noch in feierlicher Messe die Häuptlinge die Taufe empfangen hatten, segelte Cortes weiter und landete am Charfreitag, 21. April 1519, mit seiner ganzen Macht an der Stelle der heutigen Stadt Vera Cruz; zwei Tage später stattete ihm bereits der aztekische Statthalter einen Besuch ab und erhielt die Mittheilung, daß Cortes von einem mächtigen Herrscher jenseits des Meeres mit Geschenken und einer persönlichen Botschaft an den Fürsten des Landes abgesendet sei und freien Durchmarsch begehre. Die Mexikaner waren geschickte Maler; um seinen Bericht an den Kaiser möglichst anschaulich zu machen über die seltsamen, weißen, dem Meere entstiegenen Fremdlinge, ließ der Gouverneur des Küstenlandes die Spanier abzeichnen. Cortes ließ dies gern geschehen und, um den Eindruck, den sein Erscheinen offenbar hervorrief, noch zu verstärken, mußte die Reiterei und die Artillerie kriegerische Uebungen ausführen, damit auch diese mit abgebildet würden. Dann richtete er sich hinter den Dünen ein festes Lager ein und erwartete die Antwort auf seine Botschaft.
Ehe wir den Verlauf der Verhandlungen weiter verfolgen, werfen wir zunächst einen Blick auf die Natur des Landes und die Geschichte der Bevölkerung.
Hinter einem mehrere Meilen breiten, flachen Küstenstriche, der durch seine Fieber verrufen ist, und an dem es keinen einzigen guten, natürlichen Hafen gibt, erhebt sich das mittlere Land zu einem mächtigen Plateau von durchschnittlich 2000 Meter Höhe. Der östliche Steilrand des Hochlands wird von einzelnen Bergriesen, die über 5000 Meter emporsteigen, überragt. Hier besitzt Mexiko keinen schiffbaren Strom; von der Küste führen nur schwierige Landwege und Gebirgspässe auf das innere Hochland von Anahuac, das Centrum des alten Reichs, welches sich nordwärts etwa bis zum Wendekreise erstreckte. Das Hochthal von Mexiko, der Hauptstadt, erhebt sich bis über 2200 Meter und erscheint als ein Oval von 73 Kil. Länge und 35 Kil. Breite. Von einem thurmartigen Walle von Porphyrfelsen umschlossen, war dieses Thal früher grün und dicht mit Bäumen bewachsen, erscheint aber gegenwärtig an manchen Stellen weißlich von den Salzefflorescenzen und macht von den Höhen aus fast den Eindruck einer Steppe in folge der Abnahme des Sees, welcher ehedem, die Stadt umgebend, eine weit größere Ausdehnung hatte. Trotzdem ist die ganze Landschaft von großer, eigenartigen Schönheit, erhöht durch den Kranz von Bergen, über welche die beiden Schneegipfel, der Popocatepetl (5400 Meter) und der Ixtaccihuatl (5200 Meter) mit breitem Rücken mächtig emporragen.
Nördlich von dem Thale von Mexiko liegt Tula, die erste Ansiedlung der Tolteken, jenes räthselhaften Kulturvolkes, welches aus dem unbekannten Norden zu unbekannter Zeit (man nennt in der Regel das 7. Jahrh. n. Chr.) hier einzog. Sie führten den Anbau von Mais, Baumwolle und des sog. spanischen Pfeffers als unentbehrliches Gewürz ein. Sie bearbeiteten die edlen Metalle und entfalteten eine originelle Baukunst. Sie liebten es, ihre Steinhäuser und Tempel auf Anhöhen anzulegen, die verschiedenen Wohnräume lagen in verschiedener Höhe und waren durch kleine Treppen und enge Corridore verbunden.[358] Eigenartig waren auch die Stufenthürme oder Tempelpyramiden.
Nach einem Aufenthalte von mehreren Jahrhunderten verschwanden die Tolteken wieder, wahrscheinlich zogen sie weiter nach Süden und verbreiteten ihre Kultur über Yukatan und Honduras.
Nach ihnen rückten von Nordwesten die Chichimeken ein und wählten die Ostseite des Sees von Mexiko zu ihrer Hauptansiedlung, wo sie die Stadt Tezcuco gründeten. Dort verschmolzen sie mit den Acolhuern oder Acolhuas. Ihre Herrschaft unterlag wieder unter den Angriffen eines verwandten kriegerischen Stammes, der Tepaneken, bis sie sich mit Hilfe der Azteken in Mexiko wieder befreiten und sich mit diesen verbanden. Als letzter Zug der Einwanderer treten die Azteken auf, welche wahrscheinlich erst im Anfang des 14. Jahrhunderts die Stadt Tenochtitlan (Mexiko) auf einer Insel im See gründeten. Allmählich erst gelangten sie zu bedeutenderer Macht, hatten aber zur Zeit der Ankunft der Spanier durch ihre Kriegstüchtigkeit ihre Herrschaft von einem Meere zum andern ausgebreitet, und dabei zahlreiche fremde, nicht verwandte Stämme unterworfen, ohne aber in der verhältnißmäßig[S. 365] kurzen Zeit trotz ihres Gewaltregiments die verschiedenartigen Volkselemente mit einander verschmelzen zu können. Eine blutige Schreckensherrschaft lastete auf dem weiten Länderraume zwischen dem Golf von Mexiko und der Südsee, denn die Azteken verlangten für ihre Götzenaltäre zahllose Menschenleben von den unterworfenen Stämmen. Man gibt die Zahl der Menschenopfer auf jährlich 20,000 an. Die Schädel der Geschlachteten wurden zu Pyramiden aufgethürmt; Spanier aus dem Gefolge des Cortes wollten an einem Orte 136,000 Schädel gezählt haben.
Nur Furcht und Schrecken hielt das große Reich zusammen; ein Angriff von außen mußte viele nach Befreiung seufzende Völkerstämme in das Lager der Feinde treiben. So fiel nach diesem Gesichtspunkte die Ankunft des Cortes in eine ihm günstige Zeit, und es stand zu erwarten, daß er nach den ersten bedeutenden Waffenerfolgen den aztekischen Staatsverband lockern und manche der unterworfenen Völker auf seine Seite ziehen werde.
Aus einer ursprünglich aristokratischen Regierung hatte sich bei den Azteken ein fast unumschränktes Königthum entwickelt. Wenn die Könige auch nur durch Wahl, welche von den vier vornehmsten Adligen vollzogen wurde, auf den Thron gelangten, so blieb doch die höchste Würde stets in derselben Familie. Bei Hofe war ein ängstliches Ceremoniell und morgenländisches Gepränge eingeführt, den unmittelbaren Dienst bei der Person des Monarchen versah der zahlreiche Lehnsadel.
Der Nationalgott der Azteken (man zählte an 2000 Localgötter), Huitzilopochtli[359], war der zur Gottheit erhobene erste Anführer gewesen, der das Volk nach Anahuac geführt. Er verlangte die meisten Menschenopfer. Dagegen war Quetzalcoatl, ursprünglich ein Priester und Reformator der Tolteken in Tula, aus dem Lande vertrieben, weil er die Menschenopfer abschaffen wollte, und sollte der Sage nach an der östlichen Meeresküste im niedrigen Waldlande am Goatzocoalco verschwunden sein. Später verehrte man ihn als einen Gott der Luft, als den Wohlthäter des Volkes, welches ihm die Kunst des Landbaues und der Metallbearbeitung verdankte. Man dachte ihn sich von hoher Gestalt, mit weißer Hautfarbe und wallendem Barte. An das östliche Meer vertrieben, schiffte er sich dort auf einem aus Schlangenhaut gefertigten Zauberschiffe ein, nachdem er feierlich erklärt, er werde dereinst zurückkehren und sein Reich wieder in Besitz nehmen. An seine baldige Wiederkunft glaubte das ganze Volk. Die Unterdrückten und selbst der König sahen in Cortes die Prophezeihung verwirklicht.
Die von den Tolteken geschaffene materielle Kultur hatten die Azteken weiter entwickelt. Der Landbau stand in hoher Blüte; außer Mais, Baumwolle und Pfeffer baute man die Aloe (Magnay) an, deren Blattfasern Papier, deren Saft den berauschenden Pulquewein lieferte, erntete Cacao,[S. 366] deren Bohnen als kleinste Münze cursirten, oder zur Bereitung des Chocolatl (Chokolade) verwendet wurden, und Vanille. Bananen boten die beliebteste Frucht, den Tabak rauchte man aus Pfeifen oder in Form von Cigarren. Der Bergbau wurde eifrig betrieben, doch verstand man die Gewinnung des Eisens nicht und bediente sich zu Messern und Schwertern der scharfen Splitter des glasartigen Obsidians. Die Töpferei war allgemein verbreitet, Trinkschalen schnitzte man aus Holz, bemalte sie und überzog sie mit Firniß. Sehr geschickt waren die Handwerker in der Herstellung buntfarbig gestickter Baumwollgewänder, wie in den zum Schmuck dienenden prächtigen Federarbeiten. Ein lebhafter Marktverkehr fand zu bestimmten Zeiten in den Städten statt, und durch das ganze Land zog sich ein Netz von mit Posthäusern besetzten Straßen. Eilboten beförderten die Befehle der Regierung. Die militärische Einrichtung war durch Bildung von Kriegerorden und Abzeichen am Kleide darauf berechnet, den Ehrgeiz anzustacheln. Die Soldaten trugen ein dichtes Baumwollkleid, welches die leichten Wurfgeschosse nicht durchdringen ließ. Die Brust der Führer war außerdem durch goldene oder silberne Platten gedeckt. Man trug hölzerne, zuweilen mit Silber belegte und mit Federn geschmückte Helme, außerdem auch Arm- und Beinschienen. Das Heer war in Armeecorps von 8000 Mann und diese wieder in Compagnien zu 3–400 Mann abgetheilt. Die Waffen bestanden aus Schwertern, Lanzen, Keulen, Bogen und Pfeilen und Schleudern. Wenn es zur Schlacht ging, trug der Feldherr die Standarte. Im Kampfe war man vor allem darauf bedacht, Gefangene zu machen, um sie den Götzen zu opfern.
Unter den Wissenschaften, welche von den Priestern gepflegt wurden, hatte die Eintheilung des Sonnenjahres in 18 Monate zu 20 Tagen, wozu am Ende des Jahres noch fünf Ergänzungstage kamen, religiöse Bedeutung, weil danach die Opfer- und Feiertage geregelt wurden. Eine farbige Bilderschrift wurde auf die Faserstoffe der Agave, auf baumwollene Tücher oder sorgfältig bereitete Häute aufgetragen. Auch verstand man auf dem gleichen Material große Karten des Reichs, der Provinzen und der Küsten zu zeichnen. Cortes zog eine solche Karte auf seinem Feldzuge nach Honduras zu Rathe.
Seit 1502 regierte der König Montezuma (Cortes schrieb Muteczuma). Ehrgeizig, wie alle aztekischen Fürsten auf die Ausbreitung ihres Reiches und ihres Cultus bedacht, denn er hatte die Stelle eines Oberpriesters bekleidet, hatte er, allzueifrig und unbesonnen, den Krieg in zu entfernte Landstriche getragen, bevor er alle seine Feinde in der Nähe vollständig bezwungen hatte. So war er mit seinem Heere bis Guatemala und Honduras (Vera-Paz), vielleicht sogar bis Nicaragua vorgedrungen und hatte doch die Tlascalaner, in der östlichen Nachbarschaft seiner Hauptstadt, nicht unterworfen. Ernst, zurückhaltend, stolz, hatte er sich die Gemüther des Volkes entfremdet und schlich mistrauisch, wie man es ähnlich von Harun al Raschid erzählt, des Nachts vermummt durch die Gassen seiner Residenz, um die Stimmung zu belauschen, angeblich um den ihm etwa verheimlichten Misbräuchen in der[S. 367] Verwaltung auf die Spur zu kommen. Aus Mistrauen hatte er seine Verwandten beseitigt, um des Thrones sicherer zu sein und ließ sich den Spaniern gegenüber dann doch durch seinen Aberglauben entwaffnen.[360]
Dieser Aberglaube bezog sich auf die bereits berührte Sage von der Wiederkunft des Quetzalcoatl. Allerlei Zeichen deutete das Volk auf die baldige Erfüllung dieser Prophezeihung. Der Thurm des Haupttempels war abgebrannt, im Osten war ein seltsames Licht aufgegangen, drei Kometen waren am Himmel erschienen u. dgl. mehr.
Im Jahre 1516 starb der Fürst von Tezcuco; in dem nun ausbrechenden Thronstreite begünstigte Montezuma den Cacama und wußte ihm das Haupterbtheil nebst der Hauptstadt zuzuwenden, während die nördliche Hälfte an den zweiten Sohn Ixtlixochitl fiel, den sich der aztekische König dadurch zum Feinde machte.
Unter diesen Ereignissen kam die Kunde von der Landung der Spanier. Das Volk sah in ihnen die Erben des vertriebenen Gottes. Montezuma berief seine Räthe. Die muthigen verlangten energischen Kampf, die bedächtigen riethen zum Frieden. Montezuma wollte selbständig scheinen und schlug einen gefährlichen Mittelweg ein. Auf die Botschaft des Cortes antwortete er mit reichen Geschenken und mit der Bitte, den beabsichtigten Besuch in der Hauptstadt zu unterlassen. Aber diese wunderbaren Geschenke reizten die Spanier nur noch mehr.[361]
Den Wunsch Montezuma’s, die Spanier möchten mit diesen reichen Geschenken heimkehren, befolgte Cortes nicht, er erwiderte vielmehr: er habe den Auftrag erhalten, den König selbst zu sprechen. Eine zweite mexikanische Gesandtschaft erschien mit neuen Gaben und wiederholte das frühere Gesuch. Umsonst. Die Spanier blieben, aber sie mußten bald empfinden, daß die[S. 368] Beziehungen zu dem aztekischen Fürstenhofe kühler wurden. Die Indianer verließen die Nähe des spanischen Lagers, sie lieferten keine Lebensmittel mehr und brachten dadurch die Fremden in eine schwierige Lage. Da erschienen glücklicherweise mehrere Totomaken, ein von den Azteken physisch und sprachlich verschiedener Volksstamm, welcher nördlich von Vera Cruz an der Küste wohnte und erst kürzlich von Montezuma unterworfen war, und luden Cortes zu einem Besuch in ihrer Stadt Cempoalla ein. Der spanische Heerführer erkannte daraus, daß das Reich Montezuma’s manche widerstrebende Elemente umfaßte, welche er für sich gewinnen konnte. Ehe er aber diese Einladung annahm, wurde in Vera Cruz eine förmliche Stadt mit spanischen Einrichtungen gegründet. Dieselbe erhielt in glücklicher Verbindung der beiden Hauptziele der Spanier: Gold und Christenthum, den Namen „Die reiche Stadt des wahren Kreuzes“ (Villa rica de la vera cruz). Vor dem aus seinen Getreuen zusammengesetzten Rathe der neuen Stadt legte Cortes dann, indem er sich erlaubte, eine kleine Komödie aufzuführen, das ihm von Velasquez anvertraute Amt feierlich nieder. Der Rath ernannte ihn natürlich sofort „im Namen der spanischen Majestät“ zum obersten Feldherrn und Richter und damit war das Abhängigkeitsverhältniß von der Statthalterschaft Cuba als gelöst zu betrachten. Die neue Colonie stellte sich unmittelbar unter die spanische Krone. Die Anhänger des Velasquez, welche sich dadurch überrumpelt sahen, rotteten sich zusammen; aber Cortes ließ die Rädelsführer in Ketten werfen und beugte einem Aufstande vor. Dann marschirte er nach Cempoalla. Damals zählte der Ort wenigstens 20–30,000 Einwohner, jetzt ist er verfallen. Die Spanier wurden festlich empfangen und die Totomaken begaben sich unter die spanische Botmäßigkeit. An Stelle der Götzentempel wurden christliche Altäre errichtet und die Einwohner ließen sich taufen. Hier erfuhr Cortes auch genauere Nachrichten von der feindlichen Stellung des tlascalanischen Staats zu den Azteken.
Das Zerwürfniß, welches zwischen beiden Stämmen herrschte, bestärkte den kühnen Spanier in seinen Eroberungsplänen. Aber ehe er ins Innere des Landes hineindrang, mußten an der Küste die Verhältnisse geordnet und befestigt werden. Mit Zustimmung der Soldaten wurde der ganze bisher erworbene Schatz an Gold und Schmuck an den König von Spanien gesendet; auch mußte der Rath von Villa rica denselben ersuchen, Cortes als Oberfeldherrn zu bestätigen. Am 26. Juli 1519 ging Alaminos mit einem Schiffe nach Spanien; er hatte zwar die strengste Weisung erhalten, direct nach der Heimat zu steuern, trotzdem lief er in Cuba an, und so erhielt Velasquez die ersten zuverlässigen Nachrichten über den Abfall der Truppen und beschloß die Empörer zu züchtigen. Seine Partei im Heere des Cortes erhob sich von neuem, sie wollten sich von Cortes trennen und heimlich nach Cuba zurückkehren. Dadurch wäre dessen Macht zersplittert, sein großer Plan erschwert. Die Hauptanstifter wurden mit dem Tode bestraft, und um ähnlichen Verschwörungen für alle Zeiten ein Ende zu machen, griff der Feldherr[S. 369] zu dem verzweifelten Mittel und ließ die Flotte, mit Ausnahme eines einzigen kleinen Schiffes, auf den Strand laufen, nachdem ein ihm willkommenes Gutachten dieselbe für nicht mehr seetüchtig erklärt hatte. Alles brauchbare Geräth, alles Eisen wurde ans Land geschafft. Bernal Diaz (I, 52), indem er die Erzählung des Historikers Gomara corrigirt, welcher behauptete, Cortes habe die Fahrzeuge heimlich versenken lassen, schreibt dagegen: „Es ist weltkundig, daß Cortes die Schiffe mit Zustimmung der ganzen Mannschaft und vor aller Augen auf den Strand laufen ließ, damit auch die Seeleute an unserem Feldzuge theilnehmen könnten.“ So war also der Rückzug abgeschnitten; es gab fortan nur noch ein Ziel: die feindliche Hauptstadt zu erobern, zu siegen oder zu fallen.
Nachdem in Villa rica 150 Mann und 2 Reiter als Besatzung zurückgelassen waren, brach Cortes am 16. August mit 300 Spaniern, 1300 totomakischen Kriegern, 1000 Trägern, 15 Reitern und 7 Geschützen auf und marschirte ins Bergland nach Westen. Durch das tropische Küstenland kam der Zug in zwei Tagen nach Jalapa, wo in einer Höhe von 1300 Metern die Palmen verschwinden. Je höher man stieg, desto kühler wurde das Klima; die Pflanzenwelt änderte sich, und ehe man die Gebirgspässe erreichte, hatte man auch die Region der Eichenwälder bereits hinter sich gelassen. Drei Tage marschirten sie durch rauhes, unbewohntes Land, wo mehrere von den cubanischen Indianern der Kälte erlagen. Dann erreichten sie, an dem mehr als 4000 Meter hohen Cofre de Perote vorbei, der südlich von ihnen lag, das Plateau von Anahuac. Als Cortes hier einen Dorfhäuptling fragte, ob er auch ein Unterthan Montezuma’s sei, antwortete dieser: „Wer wäre es denn nicht? Er ist der Herr der Welt.“[362] Obwohl das Landvolk sich friedlich verhielt, zog Cortes doch stets in fester Schlachtordnung weiter auf Tlascala. Auf der Hochebene wurde bedeutender Maisbau getrieben, Tlascala bedeutet „Brotland“. Das Volk der Tlascalaner war im 12. Jahrhundert eingewandert und hatte sich nach mancherlei Kämpfen in dem Gebiete niedergelassen. Sie standen nicht unter einem Könige, sondern sie bildeten eine Art Bundesstaat, dessen vier Fürsten sämmtlich in der Hauptstadt wohnten. In heftigen Kämpfen mit den Azteken hatten sie sich auf ihrem Gebiet behauptet und ihre Freiheit bewahrt. Den eindringenden Spaniern setzten sie den heftigsten Widerstand entgegen. Die Anzahl ihrer Krieger schätzte Cortes auf 100,000. Nach mehrtägigem, verzweifeltem Ringen, in welchem auch zwei Pferde getödtet wurden, gewannen die Spanier, besonders durch ihre Kanonen, am 5. September einen entscheidenden Sieg. Als dann auch noch der Versuch eines nächtlichen Ueberfalls durch die Wachsamkeit des Cortes vereitelt worden, welcher das Geständniß von der beabsichtigten Ueberrumpelung von einem gefangenen Indianer herausgelockt hatte, nahmen die Tlascalaner das Freundschaftsanerbieten des Siegers an und schlossen Frieden. Der[S. 370] tapfere Fürst Xicotencatl erschien persönlich im Lager der Spanier. Zum Abschluß eines Bündnisses trug besonders die Erklärung der Leute von Cempoalla bei, daß die Fremden Feinde des Montezuma seien. Ohne den Bund mit Tlascala wäre das Unternehmen des Cortes schwerlich gelungen. Sehr richtig befolgte dieser überall das Princip sich Freunde zu erwerben und Frieden zu schließen. Der römische Wahlspruch: Divide et impera verhalf auch ihm zum endlichen Siege.
Als die Nachricht von den wiederholten Siegen über die Tlascalaner zu Montezuma drang, welcher trotz seiner großen Machtmittel den kleinen Freistaat nicht hatte bezwingen können, befestigte sich in ihm der Glaube immer mehr, die Spanier seien jene längst erwarteten Erben Quetzalcoatls. Seine Boten suchten unter Ueberreichung wiederholter Geschenke dem Heerführer der Weißen den Marsch in die Hauptstadt des mexikanischen Reiches als ein höchst gefährliches Unterfangen hinzustellen. Montezuma erklärte sich sogar zu einem Tribut an den König Karl von Spanien bereit und ließ Cortes ersuchen, die Höhe und den Umfang an Gold, Silber, edlen Steinen, Sklaven und bunten Baumwolltüchern nach seinem Gutdünken zu bestimmen;[363] allein dieser beharrte um so mehr bei seiner einmal abgegebenen Erklärung: er habe von seinem königlichen Herrn den ganz bestimmten Befehl erhalten, Mexiko selbst zu besuchen.
Am 23. September 1519 zog Cortes in Tlascala ein, die Stadt schien ihm größer als Granada zu sein.[364] Vor einer großen Zahl von neugierigen Zuschauern wurde täglich Messe gelesen. Mehrere vornehme Indianerinnen, darunter die Tochter Xicotencatls ließen sich taufen und gingen mit spanischen Officieren ein Ehebündniß ein.
In Tlascala erfuhr Cortes Genaueres über die Streitkräfte des Beherrschers von Mexiko. Montezuma, so erzählten die Tlascalaner, habe eine so große Kriegsmacht, daß er, wenn er einen großen Ort erobern, oder in eine Provinz einfallen wolle, jedesmal 100,000 Mann ins Feld rücken lasse. Die Mexikaner seien aber in allen Provinzen und bei allen Völkerschaften, welche Montezuma ausgeplündert und unterjocht habe, äußerst verhaßt und die mit Gewalt ausgehobenen Truppen schlügen sich nur mit Widerwillen und ohne Tapferkeit. Dann berichteten sie weiter von der Bewaffnung und Kriegsführung der Mexikaner und brachten zur Erklärung alles dessen große Stücke Nequen herbei, worauf ihre Schlachten abgebildet waren.[365] Es war also eine Militärherrschaft, welche nur aus Furcht vor einem noch schlimmeren Regiment ertragen wurde.
Nach einer Rast von drei Wochen rückte Cortes weiter nach Cholula, einer der größten Städte, welche unter mexikanischer Botmäßigkeit stand, denn sie zählte 20,000 Häuser, war ein Haupthandelsplatz und besaß ein blühendes[S. 371] Gewerbe. Hier hatte Quetzalcoatl auf seinem Marsch an die Küste 20 Jahre geweilt. Ihm war ein gewaltiger Tempelbau geweiht, dessen Stufenabsätze im ganzen 177 Fuß hoch sich erhoben. Oben in dem Tempel befand sich das riesige Bild des Gottes. Außerdem gab es noch 400 andere Opferthürme in der Stadt. Die Scheußlichkeit der Menschenopfer trat immer greller hervor, jemehr man sich der Hauptstadt näherte. Aus mächtigen Balken waren große Käfige gezimmert, in welchen Männer und Knaben zum Opfer gemästet wurden. Diese Menschenställe wurden von den Spaniern zerstört und die Gefangenen in ihre Heimat entlassen. Schon in Tlascala hatte man Cortes vor dem hinterlistigen, heuchlerischen Charakter der Cholulaner gewarnt; aber 6000 tlascalanische Krieger, welche mit ihm zogen, um an dem Feldzuge gegen Montezuma theilzunehmen, meldeten ihm alles, was auf eine gegen ihn geplante Verrätherei hindeutete. So erfuhr er denn, daß ein Theil der Stadt verbarrikadirt sei, und daß viele Einwohner den Ort bereits verlassen hätten. Donna Marina erfuhr ferner, daß man die Spanier bei ihrem Abzuge aus der Stadt überfallen wolle. Deshalb kam Cortes ihnen zuvor und ließ einen Theil der versammelten Caziken und Soldaten niederhauen. Dann drangen auch die tlascalanischen Hilfstruppen aus ihrem Lager vor der Stadt ein und setzten, aus Haß gegen Cholula, das Plündern und Morden fort, bis Cortes ihnen Einhalt gebot. In diesem Straßenkampfe kamen gegen 3000 Menschen um. Der große Tempel wurde erstürmt und verbrannt. Diese rasche Züchtigung eines Verrathes, welcher, wie sich nachher herausstellte, auf Montezuma’s Befehl geplant war, übte einen gewaltigen Eindruck, so daß die Nachbarstädte sich, um einem ähnlichen Geschick zu entgehen, schleunig unterwarfen.
Dann ging der Marsch weiter nach Mexiko, dessen Thalbecken von Cholula durch eine kurze von Süden nach Norden streichende Gebirgskette, über welche einige Vulkankegel emporsteigen, getrennt wird. Der Gebirgspaß, welchen die Spanier überschritten, führt zwischen den beiden Hochgipfeln des Popocatépetl („rauchender Berg“) und dem nördlich davon gelegenen Iztaccihuatl („weiße Frau“) hindurch. Von der Höhe des Passes aus ließ Cortes durch den spanischen Hauptmann Diego Ordaz eine Besteigung des Popocatépetl versuchen; aber es war wegen der Menge Schnee, der großen Kälte und der Wirbelstürme in der Höhe nicht möglich, den höchsten Gipfel zu erreichen. Von der Höhe des Gebirgskammes genoß man eine herrliche Ansicht des schönen Thals von Mexiko mit der Hauptstadt, welche, gleich Venedig, in einem See erbaut war. Der See war damals größer als jetzt und verlängerte sich gegen Südosten in das schmale Wasserbecken von Xochimilco und weiter gegen Osten in den rundlichen See von Chalco, welcher von den ersteren durch einen künstlichen Damm getrennt war. Nach der Hauptstadt selbst führten von verschiedenen Seiten drei Dammstraßen, jede mit mehreren Durchschnitten, über welche Holzbrücken gelegt waren. Unter denselben konnten die Kähne von einem See-Abschnitt in den andern gelangen.[S. 372] Wurden aber die Brücken abgenommen, so bestand die Dammstraße aus mehreren inselartig von Wasser umgebenen Stücken, und es war nicht möglich in die Stadt einzudringen. Diese war auch im Innern von zahlreichen Canälen durchschnitten, über welche Zugbrücken führten. Die Häuser waren mit einer Art von Brustwehr versehen und dienten jedes als eine kleine Festung für sich.
Außer der Hauptstadt lagen noch zahlreiche Städte und Dörfer am See, welcher zum Theil auch noch schwimmende Gärten trug, die den Reiz der eigenthümlichen Scenerie erhöhten. Derartige Gärten haben sich noch bis in die Gegenwart erhalten. Die Stadt Mexiko selbst zählte damals wenigstens 60,000 Häuser, woraus man auf eine Bevölkerung von über 300,000 Einwohnern schließen kann, besaß aber auch große Marktplätze, von denen einer so groß wie die Stadt Salamanca gewesen sein soll; der große Opfertempel, von dessen hoher Plattform, zu welcher 114 Stufen hinanführten, man die ganze Stadt überschauen konnte, ragte mächtig über alle Gebäude empor. Der Haupttempel hatte 40 Thürme, alle sehr stark von behauenen Steinen gebaut, das Gebälk wohl zusammengefügt und bemalt. Die vornehmsten Herren in der Stadt hatten in diesen Thürmen ihre Götzen und Familiengrüfte. Auf der Höhe der Plattform befanden sich in einer Tempelhalle zwei Götzenbilder, welche von Gold und Edelgestein strotzten. Hier war die Hauptopferstätte, wo die Gefangenen auf einem Jaspisblocke geschlachtet wurden. Boden und Wände der Halle waren schwarz von Menschenblut. Die Köpfe der Schlachtopfer wurden auf Gerüsten aufbewahrt. An einem dieser Schädelberge wollte ein Spanier 136,000 Köpfe gezählt haben.
Trotzdem Montezuma immer wieder durch Botschafter seinen schon mehrfach ausgesprochenen Wunsch erneuern ließ, marschirte doch Cortes gerade auf die Stadt zu. Den Eindruck, welchen die Capitale der Azteken auf die Europäer machte, malt Bernal Diaz in einzelnen charakteristischen Zügen aus. „Wir gelangten,“ erzählt er, „auf die breite Heerstraße von Iztallapan, wo uns zu erstenmale die Menge von Städten und Dörfern, welche mitten in den See gebaut waren, die noch größere Zahl von bedeutenden Ortschaften am Ufer und die schöne schnurgrade Straße, welche nach Mexiko führte, ins Auge fiel. Unsere Verwunderung stieg in der That auf das höchste, und wir sprachen unter einander, daß hier alles den Zauberpalästen in Amadis’ Ritterbuche gleiche: so hoch und stolz stiegen Thürme, Tempel und Häuser mitten aus dem Wasser hervor. Ja manche unserer Leute behaupteten gradezu, daß alles, was sie sähen, nur ein Traumgesicht sei. In Iztallapan selbst stiegen unsere Vorstellungen von der Macht und dem Reichthum dieses Landes immer höher. Wir wurden in wahre Paläste einquartirt, die von ansehnlichem Umfange, mit großen Höfen umgeben, aus schön behauenen Quadersteinen, aus Cedern- und anderm wohlriechenden Holze aufgeführt waren. Sämmtliche Gemächer waren mit Tapeten von baumwollenen Zeugen behangen.“
„Am nächsten Morgen zogen wir nach Mexiko. Die Dammstraße war acht Schritt breit, aber gegenwärtig für die Menge von Menschen, welche in die Stadt hineinwollten und aus derselben herausströmten, um uns zu sehen, viel zu enge, so daß wir uns kaum bewegen konnten. Alle Thürme und Opfertempel waren mit Zuschauern bedeckt, der ganze See lag voll von Fahrzeugen, die mit Neugierigen angefüllt waren. Wer wollte sich auch darüber wundern, da man Leute unserer Art und Pferde noch nie hier gesehen hatte. Von Strecke zu Strecke hatten wir eine neue Brücke zu passiren und vor uns dehnte sich die große Stadt Mexiko in all ihrer Herrlichkeit aus. Und wir, die wir durch die zahllosen Menschenmassen hinzogen, waren ein Häufchen von 450 Mann und hatten den Kopf noch voll von den Warnungen der Bewohner von Tlascala und anderer Städte, und von den Vorsichtsmaßregeln, die sie uns empfohlen, um unser Leben gegen die Mexikaner sicher zu stellen. Wenn man unsere Lage erwägt, darf man wohl fragen, ob es je Männer gegeben, welche ein so kühnes Wagestück unternommen haben.“[366]
Dieser denkwürdige Einzug in Mexiko geschah am 8. Nov. 1519. In der Hauptstraße der Stadt kam der König dem einrückenden spanischen Feldherrn mit einem glänzenden Gefolge von 200 Personen entgegen, sämmtlich barfuß, mit Ausnahme des Herrschers, welcher von Edelleuten in einem goldverzierten Sessel getragen wurde, über dem sich eine Art Thronhimmel, mit grünen Federn, Gold, Silber und edeln Steinen geschmückt, erhob. Als die Spanier nahten, verließ Montezuma seinen Sitz und schritt über ausgebreitete Decken den Fremden entgegen, angethan mit einer reichen, malerischen Kleidung, auf dem Kopf den Federbusch von grüner Farbe. Grün galt als die königliche Farbe. Seine mit Juwelen besetzten Halbstiefel hatten goldene Sohlen. Wie er durch die Menge daher schritt, durfte keiner zu ihm aufschauen; alle senkten demüthig den Blick. Cortes stieg, als er des Königs ansichtig wurde, vom Pferde, ging dem aztekischen Herrscher entgegen und hing ihm als Geschenk eine Kette von funkelndem Kristallglas um den Hals, er wollte ihn sogar umarmen, wurde daran aber durch die beiden begleitenden Fürsten, welche dem Kaiser zunächst standen, verhindert, damit die Person des Landesherrn nicht entweiht würde. Nachdem dieser dann für Cortes noch ein reiches Geschenk zurückgelassen, zog er sich mit seinem Gefolge zurück.
Mit Musik und fliegenden Fahnen hielten die Spanier ihren Einzug. Sechstausend Tlascalaner folgten ihnen. Inmitten der Stadt lagen an einem geräumigen Marktplatze der hohe Tempel des Kriegsgottes, da wo jetzt die Stiftskirche in Mexiko steht, und die weitläufigen Gebäude des Palastes, welchen der Vater Montezuma’s gebaut. Diesen wies Montezuma seinen[S. 374] Gästen als Wohnung an. Die besten Zimmer waren auch hier mit bunten baumwollenen Vorhängen bedeckt und der Fußboden mit Matten belegt. Cortes ließ den ganzen Gebäudecomplex, der durch die umgebende dicke Mauer und die Mauerthürme an sich schon einer Festung glich, mit Wachen besetzen und vor die Eingänge Kanonen aufpflanzen. Am Abend erschien Montezuma zum Besuch, erzählte dem Cortes ausführlich die Sage von Quetzalcoatl und erklärte schließlich: nach allem, was er bisher von den Spaniern über ihr Land und über ihren König gehört, glaube er ganz fest, dieser sei der rechtmäßige Herr von Mexiko.[367] Cortes möge daher über ihn und über sein Land verfügen.
Am nächsten Morgen erwiderte Cortes in Begleitung von vier Hauptleuten, Pedro de Alvarado, Juan Velasquez de Leon, Diego de Ordaz und Gonzalo de Sandoval, den Besuch. Der königliche Palast umschloß mehrere Höfe, in einem derselben spielte ein Springbrunnen. Der ganze Bau war aus behauenen Steinen ausgeführt. Die Wände der Gemächer waren mit Marmor, Jaspis und Porphyr belegt, in dessen glattpolirten Flächen man sich spiegeln konnte, oder sie waren mit kostbaren Webstoffen oder Federteppichen behängt, auf denen Vögel und Blumen eingestickt waren. Im Laufe des Gesprächs ließ Cortes durch den Dolmetscher erklären, er habe von seinem Herrn den Auftrag erhalten, Montezuma zum Christenthum zu bekehren und begann daher ihm die Grundlehren des Glaubens auseinanderzusetzen. Allein der König, welcher früher selbst das Amt eines Oberpriesters bekleidet hatte, wich einer weiteren Erörterung über die Vorzüge der beiden Religionen aus; doch wiederholte er auch hier seine Bereitwilligkeit, dem spanischen Könige als seinem Oberherrn Tribut zu bezahlen. Bernal Diaz, welcher im Gefolge des Cortes dieser Audienz beiwohnte, gibt bei dieser Gelegenheit folgende Beschreibung von der Person Montezuma’s.[368]
„Der große Montezuma mochte um diese Zeit in seinem vierzigsten Jahre stehen. Er hatte eine ansehnliche Statur, war von schlankem Wuchs, etwas mager von Gliedern, aber in den besten Verhältnissen gebaut. Seine Farbe fiel nicht sehr ins Braune, sondern streifte blos an das Colorit der Indianer. Die Haare trug er nur über den Ohren stark, welche ganz von den Locken bedeckt wurden. Er hatte einen schwachen, aber wohlaussehenden, schwarzen Bart. Sein Gesicht war länglich und heiter, und seine wohlgeformten Augen drückten, je nachdem es paßte, Liebe und Ernst aus.“
Die Spanier richteten sich dann, mit Genehmigung des Königs, in ihrem Palaste eine christliche Kapelle ein, entdeckten dabei eine vermauerte Thür und dahinter den verborgenen Privatschatz des Königs. Nachdem eine Woche verstrichen war, entschloß sich Cortes, den aztekischen Herrscher gefangen zu nehmen. Den Vorwand dazu boten die Ereignisse in seiner Station an[S. 375] der Küste, wo Juan de Escalante mit 150 Mann als Besatzung zurückgeblieben war. Ein benachbarter Cazike hatte dieselbe verrätherisch überfallen, mehrere Spanier getödtet und den Befehlshaber tödtlich verwundet. Mit mehreren zuverlässigen Leuten ging Cortes zu Montezuma, sowie er von diesen Vorfällen benachrichtigt war, und beschuldigte denselben als geheimen Urheber des Verraths, auch verlangte er die Bestrafung des Caziken. Montezuma sagte dieses bereitwillig zu und ließ den Frevler sofort nach der Hauptstadt zur Verantwortung rufen. Damit noch nicht zufrieden, forderte Cortes, der König solle solange, bis die Sache entschieden sei, in dem Palaste der Spanier seine Wohnung nehmen. Montezuma bot seinen Sohn und seine Töchter als Geißeln an; aber Cortes ging nicht darauf ein, sondern bestand darauf, daß nur die eigne Person des Königs den Spaniern in der Hauptstadt die nöthige Sicherheit gewähren könne. Als dieser Wortwechsel schon eine gute halbe Stunde gedauert hatte, verloren die Officiere des Cortes die Geduld und Velasquez de Leon rief erregt: „Wozu noch viele Worte! Entweder geht er freiwillig mit uns, oder wir stoßen ihn nieder. Denn hier kömmt es darauf an, unser eignes Leben zu retten; und geschieht es nicht auf diese Weise, so sind wir unfehlbar verloren.“[369]
Durch diese Drohung erschreckt, gab Montezuma nach und ging mit. Dem Volke, das sich zusammenrottete, gab er die Erklärung, er gehe freiwillig. Man behandelte ihn ehrfurchtsvoll, wie den Herrn eines großen Reichs und ließ ihm seinen ganzen Hofstaat sammt dem ceremoniellen Gepränge. Er ertheilte in gewohnter Weise Audienzen und stand mit seinem Volke ununterbrochen in Verkehr.[370] Es schien fast keine Veränderung eingetreten, aber Montezuma selbst empfand sie tief.
Als der aztekische Statthalter Quauhpopoca (Cortes schreibt Qualpopoca), welcher die Spanier an der Küste überfallen hatte, auf Befehl Montezuma’s mit seinem Sohne und 15 Hauptleuten in der Hauptstadt erschien, wurde er Cortes zur Verurtheilung übergeben. Sie gestanden alle, daß Montezuma sie zu dem Ueberfall veranlaßt habe, und wurden dann auf dem großen Platze vor dem Palaste verbrannt. Während der Hinrichtung ließ Cortes den König als Urheber des Verraths in Fesseln legen. Wenn es nun auch nach dieser Demüthigung Montezuma freigestellt wurde, in seinen eignen Palast zurückzukehren, so wagte er es doch nicht mehr aus Furcht, die Azteken möchten sich dann gegen die Fremden erheben und er könne dem Ingrimm seines Volks keinen Einhalt gebieten. Er zog es also vor, unter dem Schutze der Spanier zu bleiben. Da beschloß der Neffe des Königs, Cacama, Fürst von Tezcuco, einer großen Stadt am östlichen Seeufer, welche etwa 150,000 Einwohner zählte, der unwürdigen Behandlung des Landesherrn mit Gewalt ein Ende zu machen. Aber da der Adel ohne Zustimmung[S. 376] Montezuma’s nichts unternehmen wollte, so erfuhr auch Cortes von dem Plan, ließ Cacama mit Hilfe von tezcucanischen Edelleuten, die im Dienste Montezuma’s standen, gefangen nehmen und durch seinen Oberherrn für abgesetzt erklären. Auch die übrigen Verschworenen wurden auf Montezuma’s Befehl verhaftet. Dann leistete dieser in öffentlicher Versammlung der Caziken und Vornehmen den Huldigungseid dem Könige von Spanien, wobei er darauf hinwies, daß die Prophezeihung Quetzalcoatl’s nun in Erfüllung gegangen sei. Er schloß seine Ansprache an die Häuptlinge des Landes mit den Worten: „Gehorchet also von nun an dem großen König Karl als eurem natürlichen Oberherrn, und dem General, der ihn vertritt. Bezahlt ihm die Abgaben, die ihr mir entrichtet habt und dienet ihm, wie ihr mir gedient habt.“[371] Montezuma sprach unter Thränen und Seufzern, er fügte sich fatalistisch ergeben in sein Geschick. Cortes ließ die Akte der Unterwerfung von einem Notar aufsetzen und von beiden Parteien unterzeichnen.
Von eingebornen Beamten begleitet, zogen dann die Spanier weit und breit durchs Land, um Steuern zu erheben und den Tribut für den König von Spanien in Empfang zu nehmen. Sie drangen bis zu 100 Meilen Entfernung von der Hauptstadt ohne Schwierigkeit vor und kehrten mit Gold und Silber beladen zurück. Montezuma fügte dem aus seinem Privatschatze noch andere Kostbarkeiten hinzu. „Die Kleinodien,“ schrieb Cortes, „sind, abgesehen von ihrem Metallwerth, wegen ihrer Neuheit und eigenartigen Form unschätzbar. Kein Fürst der Welt kann dergleichen haben. Alles, was Montezuma auf der Erde gesehen, oder aus der Tiefe des Meeres gezogen, wurde auf seinen Befehl in Gold, Silber, Edelsteinen und bunten Federn aufs vollkommenste nachgebildet. Er hat auch nach meinen Zeichnungen Crucifixe, Medaillen, Kleinodien und Halsbänder nach europäischem Geschmack anfertigen lassen. Außerdem hat mir Montezuma eine große Menge baumwollner Stoffe von der größten Schönheit, sowohl wegen der Farbe als der Arbeit, ferner Tapeten für Kirchen und Wohnhäuser, baumwollne und aus Kaninchenwolle gefertigte Decken, sowie zwölf prächtig verzierte und gemalte Blasrohre geschenkt.“[372] Ungerechnet die feinern Kunstarbeiten, die nicht eingeschmolzen wurden, betrug von den übrigen Tributen und Geschenken der königliche Quint 32,400 pesos d’oro.
Um eine genauere Vorstellung von der Größe des Landes und seiner Küsten zu bekommen, namentlich, um die Ankerplätze ausfindig zu machen, ließ sich Cortes vom Kaiser eine auf Nequenstoff gemalte Karte geben.[373] Durch die dadurch gewonnene Kenntniß wuchs der Einfluß der Spanier im Lande immer mehr, und es schien, als ob sich der Uebergang der Herrschaft allmählich und auf friedlichem Wege vollziehen sollte. Da trat aber ein Ereigniß[S. 377] ein, durch welches Cortes genöthigt wurde, die Hauptstadt zu verlassen und die bereits gewonnene Machtstellung gegen die eignen Landsleute zu vertheidigen.
Der Statthalter von Cuba, Velasquez, hatte, nachdem sich Cortes mit seinem Heere von ihm losgesagt, die Hoffnung noch nicht aufgegeben, den abtrünnigen Befehlshaber zu bezwingen und das Goldland Mexiko für sich zu gewinnen. Seine in Spanien angebrachte Beschwerde hatte bei Fonseca Gehör gefunden, welcher in folge dessen die Abgesandten des Cortes nicht, wie sie erwartet hatten, empfing, sondern ihr Anliegen verschob. Velasquez rüstete inzwischen ein neues Heer in der Stärke von wenigstens 800 Mann, darunter 80 Musketiere und 120 Armbrustschützen, ferner 80 Reiter und 17 bis 18 Kanonen und übergab das Commando dem Panfilo de Narvaez, mit dem Befehl, Cortes abzusetzen und gefangen nach Cuba abzuführen. Sobald der Vicekönig von Haiti, Diego Colon, von diesen Rüstungen hörte, sandte er einen gewandten Mann, den Licentiaten Lucas Vasquez de Ayllon nach Cuba, um dem dortigen Statthalter zu bedeuten, daß er unter keinen Umständen gegen Cortes feindlich auftreten dürfe, um den Erfolg des so glänzend begonnenen Unternehmens nicht in Frage zu stellen. Als Velasquez auf diese Vorstellungen nicht eingehen wollte, hielt sich Ayllon für verpflichtet, die bereits segelfertige Flotte von 18 Schiffen nach Mexiko zu begleiten. Narvaez kam am 23. April 1520 an dieselbe Stelle der mexikanischen Küste, bei der heutigen Stadt Vera Cruz, wo auch Cortes gelandet war. Als auch hier Ayllon seinen Protest gegen ein feindliches Vorgehen wiederholte, ließ Narvaez ihn auf ein Schiff bringen und nach Haiti zurückschaffen, wo er dem Vicekönige über die Verhältnisse Bericht erstattete. Da dieser sich durch die seinem Gesandten angethane Beleidigung in seiner Autorität verletzt sah, führte er beim königlichen Gerichtshof in Spanien gegen Velasquez und Narvaez Beschwerde. Er nahm also für Cortes Partei, was für diesen in der Folgezeit von Wichtigkeit wurde und eine ihm selbst günstige Entscheidung herbeiführte.
Nachdem Narvaez mit seinem Heere gelandet war, forderte er den Befehlshaber von Villa Rica, Gonzalo de Sandoval, auf, sich ihm zu ergeben und den Platz zu überliefern. Dieser aber schickte die Gesandten, den Priester Guevara und fünf andere Spanier, gebunden auf dem Rücken indianischer Lastträger direct nach Mexiko, welches sie in vier Tagen erreichten, um ihren Auftrag persönlich an Cortes auszurichten. Dieser ließ die unfreiwilligen Gesandten vor der Stadt beritten machen, damit sie würdig einziehen könnten, und empfing sie sehr höflich. Nachdem er ihnen die Verhältnisse in der Hauptstadt auseinandergesetzt hatte, gewann er sie bald alle für sich und schöpfte auch aus den Mittheilungen der Gesandten die Hoffnung, das gegen ihn ausgeschickte Heer zu gewinnen. Man fürchte, sagte man ihm, nur den[S. 378] Feldherrn Narvaez; allein sein Einfluß sei nicht groß, da er sich durch seine Anmaßung und seinen Geiz viele entfremdet habe.
Cortes entsandte darauf den klugen Pater Olmedo mit einem versöhnlichen Briefe an Narvaez, in welchem er ihm Waffenbrüderschaft und Theilung der Macht anbot. Außerdem waren für die Officiere des gelandeten Heeres reichliche Goldgeschenke beigelegt. Die Erzählungen und Berichte Guevara’s und Olmedo’s gewannen die Soldaten bald für Cortes, aber Narvaez wollte von einem Vergleiche nichts wissen. Ohne die Antwort abzuwarten, deren Inhalt ihm nicht zweifelhaft sein konnte, beschloß Cortes, seinem Rivalen entgegenzurücken, ehe er Zeit gewinnen könne, ins Innere vorzudringen. Nachdem er den König Montezuma unter der Obhut des tapferen und zuverlässigen Pedro de Alvarado mit 140 Mann und allem Geschütz zurückgelassen hatte, brach er selbst mit nur 70 seiner tapfersten Leute und 2000 Indianern, welche gegen die Reiter des Narvaez mit langen Lanzen bewaffnet waren, im Mai 1520 von der Hauptstadt auf, traf in Cholula mit einer Abtheilung seines Heeres, welche, 120 Mann stark, unter Velasquez de Leon südlich von Vera Cruz einen Hafen hatte aufsuchen sollen, aber auf die Nachricht von der Landung des Narvaez zurückgerufen war, zusammen, begegnete in der Nähe von Tlascala seinem zurückkehrenden Gesandten Olmedo und verfügte nun, nachdem in der Nähe des Pico de Perote noch Sandoval von Villa rica mit 60 Mann zu ihm gestoßen war, über eine Streitmacht von etwa 260 Spaniern. Mit diesen rückte er dem Narvaez, welcher bei Cempoalla lagerte, kühn entgegen. In einer regnerischen, dunkeln Nacht, am Abend vor Pfingsten, überfiel er seinen Gegner, dessen Stellung er genau ausgekundschaftet hatte. Er benutzte die Nacht, damit seine Gegner nicht durch die geringe Zahl seiner Mannschaft zu stärkerem Widerstande gereizt würden. „Als wir eindrangen,“ erzählt Bernal Diaz, „war es stockfinster und es regnete stark, und erst später ging der Mond auf; aber auch die Finsterniß war uns von großem Nutzen, denn in der dunklen Nacht flogen eine Menge Leuchtkäfer umher, die von Narvaez’ Leuten für Lunten zum Losbrennen der Musketen gehalten wurden und ihnen daher einen ganz besonderen Begriff von der großen Zahl unserer Feuergewehre beibrachten.“[374] Cortes wußte genau das Quartier des feindlichen Heerführers und kam unbemerkt bis in den Hof des Hauses, wo erst die Gegner allarmirt wurden. Sandoval drang in das Thurmzimmer ein, wo Narvaez wohnte. Im nächtlichen Getümmel verlor dieser durch einen Lanzenstich ein Auge und wurde gefangen genommen. Der Kampf gegen seine Truppen dauerte nur kurze Zeit, ihr Widerstand hörte mit der Gefangennahme des Feldherrn auf. Nur zwei Spanier waren gefallen. Die Soldaten huldigten Cortes, welcher den verwundeten Gegner und seine entschiedensten Anhänger nach Villa rica bringen ließ. Erst am nächsten Morgen kamen die 2000 indianischen Hilfstruppen[S. 379] an, welche Cortes am Kampfe gegen seine Landsleute nicht hatte theilnehmen lassen, damit sie sich nicht eines Sieges über die Weißen rühmen könnten. Es war ein leicht errungener Erfolg gewesen. „Ich kann Euch versichern,“ hatte Cortes zu dem gefangenen Narvaez gesagt, „daß dieser Sieg eine der geringsten Waffenthaten ist, die wir in Neu-Spanien verrichtet.“ Aber der Sieg war trotzdem von höchster Bedeutung, weil ohne ihn die begonnene Unterwerfung des aztekischen Reichs unmöglich gewesen wäre.
Kurze Zeit darauf erhielt Cortes eine Nachricht, welche ihn veranlaßte, so rasch als möglich nach Mexiko zu eilen. Alvarado hatte bei einem großen Opferfeste in der Stadt, welches angeblich von den Mexikanern hatte benutzt werden sollen, um ihren König wieder zu befreien, allzurasch zu Gewaltmaßregeln sich hinreißen lassen, auf die versammelte Menge einzuhauen befohlen und ein Blutbad angerichtet, wobei viele vom aztekischen Adel niedergestoßen waren. In folge dessen erhob sich die ganze Stadt und griff die spanische Besatzung in ihrem Palaste so energisch an, daß Alvarado Boten entsenden und den Oberfeldherrn um schleunige Hilfe bitten mußte. Die Kranken und Verwundeten in Cempoalla zurücklassend, eilte Cortes mit seiner ganzen Macht auf das Tafelland zurück. In Tlascala hielt er kurze Rast und musterte sein Heer. Er verfügte wieder über eine Streitmacht von 1300 Mann, darunter 90 Reiter, 80 Armbrustschützen und ebensoviel Musketiere. Je näher er der Hauptstadt kam, um so kühler wurde der Empfang von seiten der Bewohner. Alvarado war seit vierzehn Tagen in seiner Festung belagert. Als Cortes am Johannistage 1520 wieder in die Hauptstadt einrückte, empfing ihn nicht mehr eine neugierige Volksmenge, wie das erste Mal. Alle Bewohner hielten sich scheu zurück. Die Stadt schien wie verödet.
Bald nachdem Cortes sich mit Alvarado vereinigt hatte, erfolgte ein wüthender Angriff auf die Festung, der bis zur Nacht andauerte, aber durch die Kanonen abgeschlagen wurde. Die Brustwehren und Hauswände waren mit Pfeilen dermaßen bedeckt, daß man kaum gehen konnte. Die Menge der Schleudersteine verdeckte fast den ganzen Boden der Palasthöfe. Am nächsten Morgen machten die Spanier einen Ausfall und begannen einen erbitterten Kampf gegen die dichten Massen der Indianer. Sie feuerten Schuß auf Schuß gegen sie, sie rückten dicht an sie heran und stießen in jedem Anlauf 30 bis 40 Indianer nieder; umsonst, die Feinde behaupteten ihre Stelle und ihre Kraft schien eher zu wachsen als abzunehmen. Von den Dächern der Häuser warf man große Steine auf die Weißen. Cortes ließ zwar, um seine Gegner zu vertreiben, die nächsten Häuser anzünden; allein da dieselben durch Wassergräben von einander getrennt waren, so verbreitete sich das Feuer nicht weiter.
Da ein fortgesetzter Kampf aus dem Innern der Stadt für die Spanier[S. 380] völlig nutzlos war, so forderte Cortes den König auf, sich seinem Volk zu zeigen und demselben zu erklären, daß die Fremden bereit seien, die Stadt zu verlassen, wenn man ihnen unbelästigten Abzug gestatte. Nach einigem Zögern erschien Montezuma in vollem königlichen Schmucke auf der Plattform des Thurmes. So wie das Volk seiner ansichtig wurde, trat eine ehrfurchtsvolle Stille ein. Er erklärte laut: er sei kein Gefangener und die Spanier wollten abziehen. Aber das erzürnte Volk nahm die Worte des Herrschers für ein Zeichen von Feigheit und rief ihm zu, sie hätten seinen Vetter, den Fürsten von Iztapalapan, auf den Thron gehoben und geschworen, die Waffen nicht eher niederzulegen, als bis alle Spanier getödtet seien. Ein Hagel von Steinen und Geschossen begleitete diese Worte. Ehe die neben dem Könige stehenden Spanier ihn mit ihren Schilden decken konnten, erhielt er mehrere Wunden und wurde durch einen Steinwurf an den Kopf besinnungslos niedergeworfen.[375] Diese Demüthigung durch sein eignes Volk empfand Montezuma so tief, daß er, als er aus seiner Betäubung erwacht war, alle ärztliche Hilfeleistung von sich wies, den Verband abriß und am dritten Tage starb, am 30. Juni 1520. Mit seinem Tode hörte auch der letzte Rest von Rücksicht auf, welche die Azteken um ihres Königs willen noch an den Tag gelegt. Ihr Ziel war auf die vollständige Vernichtung ihrer gefährlichen Feinde gerichtet, und zu dem Zwecke hatte man auch die Dammbrücken beseitigt, um den Spaniern den Rückzug abzuschneiden. Dazu gingen die Lebensmittel aus. Cortes mußte den Abmarsch vorbereiten und ließ zu dem Vorhaben eine tragbare Brücke zimmern, um damit die Dammbrücken, eine nach der andern, überschreiten zu können. Bei dunkler Nacht, am 1. Juli 1520, brach Cortes mit seinem Heere auf und schlug den Weg über den westlichen Damm ein. Die Töchter des Montezuma und den Fürsten Cacama nahm er als Gefangene mit. Da die Goldschätze wegen ihres bedeutenden Gewichtes nicht auf einmal zu transportiren waren, so ließ er nur den königlichen Antheil aufpacken; von dem übrigen Vorrathe konnte sich jeder Soldat nehmen. Doch warnte der Feldherr, sich nicht zu sehr zu beladen. Mancher wurde durch seine Habgier ins Verderben gezogen, wenn er in dem Gedränge des nächtlichen Kampfes durch seine Goldlast in der Führung seiner Waffen gehemmt wurde. Ebenso kamen alle Tlascalaner ums Leben, denen der Kronschatz anvertraut war.
Die erste Dammlücke wurde mittelst der tragbaren Brücke glücklich überschritten, obwohl die Azteken zu Lande lebhaft nachdrängten und von zahlreichen Kähnen aus die Abziehenden mit Wurfgeschossen überschütteten. Schon bei der zweiten Lücke wurde die Lage der Spanier höchst bedenklich. Da es regnete, waren die Brückenbalken glatt geworden; zwei Pferde glitten aus, wurden scheu, überschlugen sich in den See und auch die Brücke schlug um.[S. 381] Nun entstand ein verzweifeltes Gedränge, die vorderen Reihen wurden ins Wasser gestoßen, wo sich Kampf und Gemetzel fortsetzte. Wer sich durch Schwimmen zu retten suchte, wurde von den Kähnen eingeholt und gefangen fortgeschleppt. Die Dammlücke füllte sich mit todten Rossen und Menschenleibern, mit Kanonen und Karren und darüber ging der Strom der dichten, wogenden, kämpfenden Menschenmenge. Jeder war nur noch auf die Rettung des eignen Lebens bedacht, es galt kein Commando, es gab keinen Zusammenhalt mehr. Alles drängte nach dem festen Lande hinüber. Von den 1300 Soldaten, welche mit Cortes in die Stadt gezogen waren, kamen nicht mehr als 440 mit dem Leben davon, und auch sie waren alle verwundet. Ueber 860 Mann wurden getödtet oder fielen den Azteken in die Hände, welche sie ihren Göttern opferten.[376] Verloren gingen ferner alle Kanonen, aller Schießbedarf, alle Büchsen und 46 Pferde, so daß die Reiterei nur noch aus 23 Mann bestand. Dieser Rückzug ist unter dem Namen der traurigen Nacht (la noche triste) bekannt. In Popotla zeigt man noch den Cederbaum, um welchen Cortes mit dem Reste seiner Truppen in jener Nacht lagerte.[377] Am nächsten Morgen zog der Feldherr der Spanier nordwärts und um den See herum gegen Osten, unter steter Verfolgung des Feindes die Schwerverwundeten in der Mitte führend und mit seiner Reiterschar die Flanken deckend. Am 7. Juli gelangte er zu den noch vorhandenen, vielleicht ältesten Baudenkmälern des Landes, den beiden Pyramiden von Teotihuacan (d. h. „Wohnung der Götter“), von denen die größere an der Basis 208 Meter lang ist und eine senkrechte Höhe von 55 Metern hat. Beide waren genau nach den Himmelsgegenden orientirt. Oestlich davon in der Ebene von Otumba suchte ihnen ein mexikanisches Heer den Rückzug zu verlegen. Die große Uebermacht — ihre Zahl wird auf 200,000 angegeben — schloß die kleine spanische Schar völlig ein. Sie stand da wie eine Insel in stürmisch brandender See[378], aber Cortes wußte seine Leute durch ermunternden Zuspruch zu beleben: „Heute ist noch nicht der Tag, an dem wir besiegt werden sollen.“ Trotzdem erkannte er den ganzen Umfang der Gefahr. Er schrieb später an den König: „Wir fochten, so zu sagen, unter einander gemischt, und wir hielten dies für unser letztes Gefecht in unserem Leben: so schwach waren wir, so mächtig und stark waren hingegen die Feinde.“[379] Cortes wurde durch zwei Steinwürfe empfindlich am Kopfe verwundet und mußte sich verbinden lassen. Da rettete der Ritter Juan Salamanca seine Genossen durch eine kühne That. Er sah mitten im Getümmel den feindlichen Anführer, der das Feldzeichen trug, drang mit wenig Reitern auf ihn ein, indem er alles vor sich niederritt, tödtete den Gegner und nahm die Standarte.[380][S. 382] Der Fall des Führers gab das Signal zur Flucht. Nachdem die erschöpften Truppen drei Tage in der Stadt Huejotlipan gerastet, zogen sie nach Tlascala, wo sie freundlich empfangen wurden und in Ruhe die Heilung ihrer Wunden abwarten konnten. Cortes selbst bedurfte vor allem der Pflege. Seine Kopfwunden hatten sich verschlimmert, er hatte außerdem zwei Finger der linken Hand eingebüßt und war durch die gewaltige Aufregung und Ueberanstrengung nicht unbedenklich erkrankt. Kein Wunder, daß unter solchen Verhältnissen auch den Soldaten der Muth sank, und daß ein großer Theil nach der Küste zurückzukehren wünschte. Dazu wurde ihre Lage höchst unsicher, weil eine Gesandtschaft der Mexikaner die Tlascalaner zum Bündniß gegen die Spanier aufforderte und der Häuptling Xicotencatl nicht abgeneigt schien, sich auf die Seite der Azteken zu stellen. Glücklicherweise hielt sein eigner Vater fest an dem Bunde mit Cortes.
Nachdem sich das Heer genügend erholt hatte, und Cortes wieder genesen war, kehrte auch der alte Unternehmungsgeist der Truppen wieder zurück. In glücklichen Kämpfen unterwarfen sie mit Hilfe der Tlascalaner das Land zwischen dem Popocatépetl und dem Citlaltépetl. Neue Scharen, welche Velasquez gesendet, in dem Glauben, Narvaez sei Herr des Landes, traten sofort zu Cortes über. Dann schrieb dieser von der Stadt Tepeaca aus, welche er Segura de la frontera nannte, seinen berühmten Brief, vom 30. October 1520 datirt, an den König von Spanien, in welchem er über die bisherigen Vorgänge genau Bericht erstattete, und schloß mit den Worten: „Wegen aller Aehnlichkeiten, welche ich zwischen diesen Ländern (Mexiko und Spanien) gefunden, in Bezug auf Fruchtbarkeit, Größe, Klima u. a. habe ich für passend gehalten, ihnen den Namen „Neuspanien des Oceans“ (la nueva España del Mar Oceano) zu geben und wage, Ew. Maj. zu ersuchen, diese Benennung zu bestätigen.[381] Aus diesem Berichte ersah man zuerst in Spanien, daß Cortes im Begriff stand, ein mächtiges Reich, das eine Fülle der geschätztesten Produkte besaß, der spanischen Krone zu unterwerfen, und Peter Martyr beeilte sich seinen Gönnern und Freunden die Pracht der Hauptstadt „Tenustitan alias Mexiko“ und die Reichthümer des Landes zu schildern.[382]
Cortes hatte beschlossen, die feindliche Hauptstadt von neuem anzugreifen. Aber um von dem See aus nicht wieder durch die Kriegsböte der Azteken belästigt zu werden, wollte er sich vor allem zum Herrn der die[S. 383] Stadt umgebenden Gewässer machen, um derselben die Verbindung mit dem Lande abzuschneiden. Zu dem Zwecke ließ er eine Anzahl von Brigantinen bauen, wozu er das Takelwerk und Eisen von Vera Cruz heraufschaffen ließ. Die Schiffstheile wurden in Tlascala angefertigt und von da an den See geschafft, wo sie zusammengesetzt wurden. Als er in der Mitte des December von Tepeaca aufbrach, bestand sein Heer aus 550 Mann zu Fuß, 40 Reitern und 8 oder 9 Kanonen. Das Heer der mit ihm verbündeten Indianer, welche mit der Eroberung der aztekischen Hauptstadt ihre Unabhängigkeit von dem drückenden Joche zu gewinnen hofften, zählte über 100,000 Mann.
Auf einem schwierigen Gebirgspasse nördlich vom Iztaccihuatl zog er nach Tezcuco, dessen Bewohner sich theils zu Boot über den See, theils zu Fuß über das Gebirge geflüchtet hatten.
In Mexiko war der Bruder und Nachfolger Montezuma’s nach viermonatiger Regierung gestorben und an seine Stelle der Neffe der beiden letzten Regenten, der 25jährige Quauhtemotzin[383] oder Guatemotzin gewählt worden. Dieser ließ die Stadt gegen den beabsichtigten Angriff der Spanier von allen Seiten befestigen. Nachdem Cortes sich in Tezcuco festgesetzt hatte, ließ er einen Graben, welcher zu dem eine halbe Legua entfernten See führte, so weit vertiefen, daß seine 13 neuerbauten Schiffe in den See einlaufen konnten. Dann unternahm er einen Recognoscirungszug rings um den See, um die Zugänge zur Hauptstadt kennen zu lernen, unterwarf die Städte, welche am Seeufer lagen und griff, nachdem er von Haiti noch eine erbetene Verstärkung an Truppen, 200 Mann zu Fuß und 70 bis 80 Pferde, erhalten hatte, die Stadt Xochimilco (d. h. Blumenfeld, nach den schwimmenden Gärten so genannt) an, welche theilweise im See lag. Bei der Erstürmung wäre Cortes fast in Gefangenschaft gerathen. Im Getümmel des Kampfes that sein Roß einen Fehltritt und stürzte nieder. Augenblicklich war er von Feinden umringt, gegen die er sich mit seiner Lanze vertheidigte. Er wäre fortgeschleppt worden, wenn nicht ein treuer Diener und ein Tlascalaner ihn aus der drohenden Gefahr befreit hätten. Kurz darauf hatte er einen Angriff Guatemotzins abzuschlagen, der mit 2000 Kähnen und 12,000 Mann der Stadt zu Hilfe eilte.
Die Anhänger des Velasquez, deren es noch manche in dem spanischen Heere gab, und denen die gewaltigen Anstrengungen, welche Cortes ihnen auferlegte, nur eine nutzlose Vergeudung von Menschenleben schienen, ohne Aussicht, endlich in den Besitz der gehofften Schätze zu gelangen, stifteten wieder eine Verschwörung an und beabsichtigten, den Feldherrn sammt seinen treusten Officieren zu ermorden und dann nach der Heimat zurückzukehren. Aber auch von diesem Verrath erhielt Cortes rechtzeitig Kunde, ließ den[S. 384] Anstifter hinrichten und zerriß die Liste aller Verschworenen, die er bereits in Händen hatte. Doch umgab er sich von da an mit einer zuverlässigen Leibwache.
Endlich war nach einer Arbeit von 50 Tagen der 12 Fuß tiefe Graben durch 8000 Arbeiter am 28. April 1521 vollendet und die Schiffe liefen vor den Augen des versammelten Heeres in den See. Nun erst konnte man den unaufhörlichen Belästigungen durch die feindlichen Böte, welche jeden Vormarsch auf die Seedämme erschwerten, ein Ende machen. Jedes Schiff erhielt eine Kanone und 25 Mann Besatzung. Dann wurde das Heer, welches wieder auf mehr als 800 Mann angewachsen war, in drei Haufen getheilt und diese unter den Befehl von Alvarado, Olid und Sandoval gestellt. Durch einen glänzenden Sieg über die feindliche Flotille machte sich Cortes zum Meister des Sees. Anfänglich war es seine Absicht gewesen, die aztekischen Böte, die in einer Anzahl von 500 gegen ihn auf Kundschaft ausgeschickt waren, unbehelligt herankommen zu lassen, um sie dann mit Kanonenschüssen zu empfangen und so bei dem ersten Zusammentreffen eine für den ganzen Krieg wichtige Entscheidung durch die Ueberlegenheit der europäischen Schifffahrtskunst herbeizuführen. Da erhob sich aber plötzlich ein günstiger Wind vom Lande her. Sofort ließ Cortes die Brigantinen mit vollen Segeln gegen die Böte steuern und gab Befehl, die feindlichen Fahrzeuge bis an die Stadt zu verfolgen. Zahllose Kähne wurden übersegelt und die Mannschaft in den See gestürzt und getödtet. Drei Meilen weit wurde die Verfolgung fortgesetzt und ein Sieg errungen, herrlicher als man gehofft hatte.[384] Dann wurde den Mexikanern das Trinkwasser der Röhrenleitung abgeschnitten und die südlichen Dämme besetzt, welche von den Vertheidigern der Stadt verschanzt waren, aber, sobald die Brigantinen vorgingen, verlassen worden waren. Die drei Heerführer der Truppentheile erhielten zu ihrer Unterstützung mehrere Brigantinen, Alvarado und Olid besetzten die südlichen Dammstraßen, Sandoval die nördlichen. So war die ganze Stadt cernirt. Die Dammlücken wurden unter heftigen Kämpfen zugeschüttet, aber näher der Stadt warfen die Belagerten immer neue Gräben aus und erwiesen sich trotz der Einschließung unerschüttert und todesmuthig. Ueberall zu Lande und zu Wasser ertönte ihr wildes Kriegsgeschrei, als ob das Weltall einstürzen sollte.[385] Endlich gelang es den Spaniern, bis an die Stadt vorzudringen. Die in den Straßen aufgeworfenen Bollwerke wurden von den Kanonen zusammengeschossen und über dieselben hinweg gelangten die Sieger bis zu dem großen Tempel, dessen erneuertes Götzenbild sie zertrümmerten. In einem wüthenden Angriff der Indianer wurde das spanische Fußvolk zurückgetrieben, aber durch einen kühnen Reiterangriff aus der Bedrängniß gerettet. Die Stadt schon jetzt[S. 385] zu behaupten war unmöglich, weil man bei Tag und Nacht von allen Seiten bedroht war. Aber unter dem Eindruck der spanischen Erfolge lockerte sich der Lehnsverband im aztekischen Reiche immer mehr; der Fürst von Tezcuco, der lange zweifelhaft gestanden, ging mit 50,000 Mann zu den Eroberern über; andere Städte folgten seinem Beispiel und begaben sich in die spanische Botmäßigkeit. Täglich wurden die Angriffe auf die Stadt wiederholt und einzelne Gebäude niedergebrannt, Hungersnoth stellte sich ein, aber die Mexikaner wiesen alle Friedensbedingungen zurück. „Wir waren,“ berichtet Cortes, „mehrere Tage nacheinander in der Stadt gewesen, viermal schon hatte sich das Gemetzel wiederholt. Ein Theil der Stadt war abgebrannt, die meisten Terrassen waren zerstört, die natürlichen und künstlichen Hindernisse wurden überwunden; immer siegreich hatten wir den Feind mit Kanonen und Musketen niedergeschmettert. Ich erwartete daher täglich, sie würden um Frieden bitten und mein Herz wünschte sehnlich, daß sie den nothwendigen Schritt thun würden. Erbittert über den zähen Widerstand glaubte ich sie zum äußersten zwingen zu müssen.“[386] So wurde, nachdem der Kampf bereits drei Wochen gedauert hatte, ein allgemeiner Angriff befohlen und zwar von Süden und Westen her. Beim Vorrücken war der Hauptmann Alderete zu eilig gewesen und drang, ohne eine Dammlücke gehörig ausfüllen zu lassen, unvorsichtig bis auf den großen Marktplatz vor. Von dort wurde er durch die Azteken zurückgetrieben und mit seiner Schar ins Wasser gedrängt. Cortes wollte ihnen mit einer Handvoll Soldaten zu Hilfe kommen, wurde im Gewühl am Bein verwundet und niedergeworfen. Schon legten mehrere Mexikaner Hand an ihn und hätten ihn unfehlbar gefangen genommen, wenn ihm Antonio de Quiñones nicht beigesprungen und ein anderer junger Spanier sich für ihn geopfert hätte. Trotzdem wollte Cortes noch nicht zurückweichen und mußte von mehreren Officieren mit Gewalt aus dem Getümmel fortgetragen werden. In diesem unglücklichen Gefechte kamen gegen 40 Spanier um und 62 wurden nebst vielen Verbündeten lebendig fortgeschleppt, um den Göttern geopfert zu werden. Am Abend hörte man die große Trommel in dem Tempel des Kriegsgottes, und ein langer Zug von Kriegern bewegte sich die hohe Treppenflucht hinauf zum Tempel. Da die Entfernung nicht sehr groß war und man die Plattform des Tempels ganz deutlich sehen konnte, so mußten die Spanier mit Entsetzen gewahren, wie die Mexikaner ihren unglücklichen Kameraden die Köpfe mit Federn schmückten und sie zwangen, vor dem Götzenbilde zu tanzen, und wie sie dieselben dann auf dem Opfersteine niederstreckten, ihnen mit Feuersteinmessern die Brust aufschlitzten, die zuckenden Herzen herausrissen und sie ihren Götzen darbrachten. Cortes spricht mit Entsetzen von dem Anblick dieser Gräuel, der das Herz seiner Soldaten erstarren machte.
Nach einer Ruhe von 8 Tagen wurde der Angriff erneuert und wurde[S. 386] beschlossen, weil kein anderes Mittel von Erfolg war, die Stadt, so weit man sie besetzt hatte, Haus für Haus niederzureißen; denn jedes diente den Vertheidigern als Festung. So dauerte nun Kampf und Zerstörung tagelang fort, auch Guatemotzins Palast ging in Flammen auf, die Hungersnoth wuchs, die Einwohner verzehrten Wurzeln, Kraut und selbst Holz; aber an Unterwerfung dachten die Azteken nicht. Sie wollten unter den Trümmern ihrer Hauptstadt begraben sein und den Fall des Reiches nicht überleben.
Die Belagerung währte vom 30. Mai bis zum 13. August, 75 Tage lang, und erreichte erst ihr Ende, als Guatemotzin bei seinem Versuch, in einem Boote über den See zu flüchten, von den Brigantinen eingeholt und gefangen genommen wurde. Die auswärtigen Krieger ließ Cortes auf Bitten des gefangenen Königs aus der Stadt abziehen. Drei Tage und Nächte waren die Dammstraßen mit großen Zügen von Männern, Weibern und Kindern bedeckt, die sich vor Entkräftung nur noch mühsam fortschleppten. Der Zustand der Stadt, welche nun allen Widerstand aufgab, war entsetzlich. Alle Häuser in dem Stadttheile, den Guatemotzin bis zuletzt behauptet hatte, waren mit Todten angefüllt, und was noch am Leben war, hatte kaum noch Kraft sich zu erheben. Der Verlust an Menschenleben wird auf 120,000 bis 240,000 angegeben. Dem Fall Mexiko’s folgte rasch die Unterwerfung aller Nachbarstaaten. Die Menge des erbeuteten Goldes belief sich auf 130,000 Goldcastellanos. Die goldenen Schilde und die kostbaren Federschmuckarbeiten als einzig in ihrer Art wurden mit allgemeiner Zustimmung an den König nach Spanien gesendet. Dann schritt Cortes zum Wiederaufbau der Stadt und zeigte darin sein organisatorisches Geschick. Viele Gräben wurden zugeschüttet, die Straßen breiter angelegt, aber die Hauptstraße der alten Stadt in ihrer Anlage erhalten. An Stelle des Tempels des Kriegsgottes erhob sich eine Kirche des heiligen Franciscus, welche seit 1573 durch eine prachtvolle Kirche, die Kathedrale der heiligen Maria de la Asuncion, ersetzt wurde. Eine starke Festung auf dem heutigen Matadoroplatze hatte auch den Zweck, die Brigantinen zu decken, welche im Falle eines Aufstandes wichtig waren für die Beherrschung des Sees. In wenigen Jahren waren bereits 2000 spanische Familien ansässig, denn der Zuzug von den Antillen und vom Mutterlande her wurde nach der Eroberung von Mexiko immer lebhafter. Im Jahre 1524 konnte Cortes die Größe der Einwohnerschaft schon zu 30,000 Seelen angeben. Die Zerstörung der alten Kultur, mit welcher zugleich das Gewerbe der Eingebornen zu Grunde ging, ist zwar zu beklagen, da mit dem Fall des Adels und der Priesterschaft alle höheren Bildungselemente verloren gingen; allein die Beseitigung der gräßlichen Menschenopfer und des Canibalismus ist höher anzuschlagen. Leider riß mit der Vernichtung der bisherigen staatlichen und socialen Ordnung eine beklagenswerthe Demoralisation des Volkes ein. Land und Leute wurden den Conquistadoren zugetheilt und die Eingeborenen geriethen[S. 387] in drückende Knechtschaft.[387] Doch nahm sich die spanische Geistlichkeit ihrer nach Kräften an und daher schlossen sich die Indianer leicht an die Priester an und ließen sich taufen.
Unter den einheimischen Fürsten, welche sich dem siegreichen Spanier unterwarfen, befand sich auch der Beherrscher von Michoacan. Durch seine Abgesandten erhielt man zuerst zuverlässige Nachrichten über die Nähe der Südsee. Cortes sandte vier Spanier dahin, mit der bestimmten Weisung, nicht eher zurückzukehren, als bis sie für den König von Spanien von diesem Meere Besitz genommen. Zwei der Abgesandten führten den Befehl vollständig aus. Sandoval und Alvarado drangen mit Heeresabtheilungen in die südlichen Länder, namentlich nach dem reichen Thal von Oaxaca, welches später zur Hälfte dem Eroberer Mexiko’s als Privateigenthum zufiel und wovon er den Titel Marques de Valle erhielt. Dann wurden die Landschaften Colima im Westen und Tabasco im Südosten dem spanischen Gebiet einverleibt, selbst der Fürst von Guatemala zeigte seine Unterwerfung an. Cortes bezwang nach hartnäckigem Widerstand das Gebiet von Panuco und erweiterte damit den Küstenbesitz am Golf von Mexiko. Das westliche Weltmeer aber hatte für ihn eine besondere Anziehung, weil er hier, der Anschauung der Zeit huldigend, mit Gold und Spezereien gesegnete Inseln zu finden hoffte. Sowie die Landschaft Michoacan ihn als Oberherrn anerkannt hatte, befahl er in dem Hafen von Zacatula vier Schiffe zu bauen, um die Südsee zu erforschen. Leider brach noch während des Baues auf der Werfte Feuer aus und zerstörte die Fahrzeuge, sodaß der Plan einer Entdeckungsreise noch verschoben werden mußte.
Noch hatte Cortes von der spanischen Regierung kein Schreiben, keine Anerkennung seiner Verdienste erhalten. Fonseca war vielmehr immer noch der Ansicht, man müsse den Usurpator und Empörer absetzen. Ja, er unterzeichnete sogar am 11. April 1521 einen Verhaftsbefehl gegen Cortes und übertrug die Ausführung desselben dem Cristoval de Tapia. Als dieser in Vera Cruz ans Land stieg, ließ man nicht zu, daß er ins Innere zur Hauptstadt reise; er verstand sich dann auch dazu, seine Ausrüstung und Waffen gegen Bezahlung zurückzulassen und ging nach Cuba.
Erst im Jahre 1522, als Karl V. nach Spanien kam, und die Abgesandten des Cortes nebst den ausführlichen Berichten des glücklichen Eroberers auch die Kostbarkeiten und kunstreichen mexikanischen Arbeiten ihrem Könige vorlegen konnten, übertrug derselbe die Entscheidung der wichtigen Streitfrage einem besonderem Rathe, und dieser erklärte sich für Cortes. So wurde derselbe durch königliches Dekret vom 15. October 1522 als Statthalter und Oberbefehlshaber von Neuspanien bestätigt.
Von dem Augenblicke an fühlte sich Cortes erst sicher in dem errungenen Besitz und entwarf weitschauenden Blickes eine Reihe kühner Pläne zur festen Begründung der spanischen Macht in Mexiko und den Nachbargebieten und zur Erweiterung der Kenntniß von unbekannten Regionen, mit denen und durch welche eine Verbindung und ein Verkehr ihm für die Erweiterung seiner politischen Machtstellung in Neuspanien von großer Bedeutung schien. Aus den kleineren Streifzügen wurden unter diesen Gesichtspunkten bedeutende Entdeckungsfahrten und kühne Eroberungszüge, theils um die Ausdehnung der Südsee kennen zu lernen, theils um eine Verbindung des östlichen und westlichen Oceans, also eine mittelamerikanische Meerenge ausfindig zu machen, theils um die Grenzen seiner Herrschaft nach Südosten bis zur Statthalterschaft des Pedrarias auszudehnen.
Die Idee einer Meerenge hat Cortes beschäftigt, seitdem ihm Montezuma eine Küstenkarte seines Reiches übergab. Alle Land- und Wasserexpeditionen, welche er in den ersten Jahren nach Bezwingung der Hauptstadt aussandte, hatten den Auftrag danach zu forschen. Von beiden Oceanen, von den gegenüberliegenden Küsten wurde zu gleicher Zeit nach dieser Meerenge gesucht.[388] Anfänglich glaubte er, sie in der Nähe des Goatzacoalcoflusses zu treffen, weil auf der mexikanischen Karte in dieser Gegend eine große Hafenbucht zwischen Gebirgen angegeben war. Der genannte Fluß ist an der Mündung ein Kilometer breit, weitet sich oft seenartig aus und hat selbst noch oberhalb der neuen Stadt Amatitlan einen Durchmesser, wie der Rhein bei Cöln.[389]
Als sich hier am Isthmus von Tehuantepec die gewünschte Durchfahrt nicht fand, richtete er seinen Blick auf die zweite Verengung des centroamerikanischen Landes, auf den Golf von Honduras, und sandte Cristoval d’Olid (Dolid) dahin, um das Gebiet zu besetzen, weil, wie er an den König von Spanien schrieb, nach der Ansicht vieler Piloten dort eine Wasserstraße zum andern Meere führe, und es sein sehnlichster Wunsch sei, dieselbe zu entdecken, da eine solche Wasserverbindung für die Entwicklung der spanischen Macht von großer Bedeutung sei.[390] Mit der Expedition d’Olid’s sandte er zugleich seinen Vetter Hurtado de Mendoza mit drei kleinen Schiffen aus, welche, während Olid am Golf von Honduras eine Colonie gründete, die Küsten des caribischen Meeres bis nach Darien hin auf das Vorhandensein eines natürlichen Canals untersuchen sollten.
Später suchte Cortes die Straße weiter nordwärts. Nachdem Magalhães durch das Südmeer den Weg bis zu den Molukken gebahnt hatte, wuchs die Bedeutung einer solchen Straße in hohem Maße. Wie leicht konnte, wenn eine solche Meerenge in Mittelamerika vorhanden war, der[S. 389] Weg von Spanien nach den Gewürzinseln zurückgelegt werden. Es war nicht mehr ein auf haltlose Hypothesen gebautes nautisches Problem, wie zur Zeit des Columbus, welches den Eroberer Mexiko’s zu diesen Unternehmungen trieb, sondern ein weiter, staatsmännischer Blick; denn wenn sein neuspanisches Reich an die Hauptfahrbahn des Weltmeers gerückt wurde, mußte seinem Pflanzlande an einer solchen Weltstraße zwischen Europa und dem gewürzreichen Indien eine glänzende Entwicklung zu theil werden.
All sein Sinnen und Trachten ging nur darauf aus, diese höchstwichtige Straße zu finden.[391] Er suchte sie entweder zwischen Mexiko und Florida, oder zwischen Florida und Neufundland. Die Fahrt durch diese Straße würde den Weg zu den Gewürzländern bedeutend abkürzen und ganz sicher sein, weil er stets durch spanisches Gebiet führe.
An Stelle der beiden ersten auf der Werft von Zacatula verbrannten Caravelen wurden neue Schiffe gebaut und in den Jahren 1523 und 1524 von beiden Gestaden Mexiko’s aus die Untersuchungen nach einer Passage fortgesetzt, aber umsonst. Und der Plan, die Schiffe an der Westseite bis zur Magalhãesstraße auszusenden, unterblieb, seitdem er selbst sich durch seinen (im nächsten Capitel zu schildernden) Feldzug von Honduras überzeugt hatte, daß bis dorthin keine Verbindung zwischen den beiden Meeren vorhanden sei. Dazu waren die weiter südlich gelegenen Striche in der Statthalterschaft von Darien bereits genauer bekannt, und kurz darauf nahmen die von Pizarro begonnenen Unternehmungen gegen Peru ihm nach dieser Seite die Arbeit ab. Um so lebhafter wurden die Forschungen in den nordwestlichen Gewässern, aber erst zehn Jahre später aufgenommen. Ehe er dazu vorschreiten konnte, mußte das weite Gebiet Neuspaniens am großen Ocean erst völlig unter die Verwaltung der neuen Herren gebracht und die Communication nach den Küstenplätzen geregelt sein.
Zunächst war Cortes noch mit der Organisation des eigentlichen, engeren Gebiets von Mexiko beschäftigt. Ueber die Zahl der Städte, Dörfer und Bewohner wurden statistische Erhebungen veranstaltet. Der Landbau wurde[S. 390] durch Einfuhr von neuen Kulturgewächsen: Wein, Oliven, Orangen, Mandeln, Pfirsichen und Zuckerrohr bereichert, und für die Auffindung von Kupfer, welches zur Herstellung von Waffen von großer Wichtigkeit war, wurden Prämien ausgesetzt. So wurden im Lande selbst kupferne Feldschlangen gegossen, und da sich Salpeter und Schwefel in reichlicher Menge vorfand, auch das für den Kriegsbedarf erforderliche Pulver fabricirt.
Dann wurden nacheinander zwei größere Expeditionen gegen Südosten ausgeschickt. Die eine unter Alvarado wendete sich zu Lande nach der Küste der Südsee und drang durch den heutigen Staat Guatemala bis in das Gebiet von S. Salvador vor, die andere unter Olid nahm den Weg zur See nach Honduras.
Alvarado brach zuerst auf, angeregt durch das Gerücht von einem Kulturvolke, welches in den Landstrichen südlich von Tabasco wohnen sollte. Da der Fürst von Tehuantepec sich bereits den neuen Herrn von Mexiko unterworfen hatte, und dem Alvarado bei seinem Erscheinen auch Soconusco huldigte, so waren damit die Thore des Hochlandes von Guatemala, wo jenes gesuchte Kulturvolk seinen Sitz hatte, geöffnet. Ansteckende Krankheiten hatten dort kurz vorher die Hälfte der Bewohner hinweggerafft und ihre Widerstandsfähigkeit gebrochen; daher wurden die Abgesandten Alvarado’s freundlich aufgenommen und reich beschenkt entlassen. Diese Geschenke reizten aber den spanischen Heerführer nur noch mehr, das Land zu unterwerfen. Den Grundstock der Bevölkerung bildeten Mayastämme: die Quiché, die Kakchiquel, zur Zeit der Eroberung der mächtigste Stamm, und die Zutugil. Seit 1500 war Guatemala dem Aztekenreiche einverleibt gewesen; aber mit dem Fall von Mexiko hatte sich der Verband gelockert. Aztekische Ortsnamen reichten durch Guatemala bis nach Honduras; doch verdankte das alte Quichéreich den Tolteken seine Kultur. Unter der Anregung und Leitung dieser altamerikanischen Baumeister waren auch hier prächtige Steinbauten, Terrassentempel und mit reichen, buntbemalten Stuckaturen versehene Paläste entstanden, deren dicht überwachsene Ruinen nur theilweise erst wieder ans Licht gezogen und bekannt geworden sind.[392] Ihre Waffen bestanden in Schwertern mit Steinschneiden, Bogen, Pfeilen, zum Theil vergiftet, Lanzen und Schleudern; die Krieger trugen dicke, bis auf die Füße reichende und daher schwerfällige Baumwollpanzer. Der religiöse Cultus war ähnlich, wie in Mexiko.
Am Ende des Jahres 1523 hatte Alvarado ein Heer von 120 Reitern und 300 Mann spanischen Fußvolks, sowie 20,000 einheimische Krieger um sich versammelt und brach damit im Februar 1524 von der Südküste her, von Soconusco, in Guatemala ein. Unter großen Schwierigkeiten stieg er durch[S. 391] die Bergschluchten ins Hochland hinauf, wo sich ihm ein Heer von 60,000 Mann entgegenstellte. Aber diese Scharen wurden in mehreren Gefechten besiegt und die schwerfällig gepanzerten Krieger von den spanischen Reitern niedergeritten. Alvarado gründete die Stadt Quetzaltenango, welche nach dem prächtigen Vogel Quejal oder Quetzal (Trogon) benannt wurde, dessen lange, glänzend grüne Federn ein schmückendes Abzeichen des Adels waren. Oestlich von der Stadt wurde der Kampf erneuert. Der König Tecum Umam griff selbst die Spanier an, brachte das Pferd Alvarado’s zu Fall, wurde aber von der Lanze seines Gegners durchbohrt. Utatlan, die alte Hauptstadt der Quiché, stand in der Nähe des heutigen Sa. Cruz del Quiché. Der königliche Palast galt als eines der schönsten Gebäude in ganz Mittelamerika. Hieher lud der neue König, indem er sich scheinbar den Siegern unterwarf, die Spanier zu einem Besuche ein. Allein schon beim Einrücken in die Stadt wurde ihr Verdacht rege. Die Einwohner waren sämmtlich in Waffen, die Gassen der Stadt zeigten sich so schmal, daß die Rosse sich kaum bewegen konnten. In den Wohnungen waren Holz und Reißig in Menge aufgehäuft. Die indianischen Verbündeten Alvarado’s brachten bald bestimmtere Nachrichten von dem Plane des Feindes, die ganze Stadt sammt den Spaniern zu verbrennen, nachdem man die zu dem Orte führenden Brücken abgebrochen. Alvarado ritt scheinbar unbefangen in die Versammlung des Adels der Quiché und zog sich dann, unter dem Vorwande, erst für die Unterkunft der Pferde[S. 392] Sorge tragen zu wollen, zurück. Als dann der König mit seinen Edlen den Besuch im Lager der Spanier erwiderte, wurde er mit seinem Gefolge gefangen genommen. Man machte ihm zwar Hoffnung auf Befreiung, wenn er ein hohes Lösegeld an Gold zahle; aber ohne dieses abzuwarten, wurde sein Gefolge theils gehängt, theils lebendig verbrannt; dem Könige erwies man die Gnade der christlichen Taufe, ehe er ebenfalls mit dem Strange gerichtet wurde.[393] Die Burg der Quiché wurde zerstört und das Land unterworfen. Im April 1524 rückte Alvarado weiter nach Patinamit (Guatemala), der Hauptstadt der Kakchiquel. Der alte König kam den Spaniern in feierlichem Zuge friedlich entgegen und ersparte seinem Lande, indem er sich unterwarf, die Gräuel des Kriegs und der Verwüstung.
Dann wurde auch der Fürst von Amatitlan aufgefordert, sich unter die Botmäßigkeit der Spanier zu begeben, aber trotzig ließ dieser die Abgesandten der Eroberer tödten und zwang Alvarado ihn zu züchtigen. Die Hauptburg des Landes lag im See von Atitlan, einem gegen 1000 Meter hoch gelegenen Gebirgssee, der in malerischer Landschaft von drei Vulkanen überragt wird. Ein mehrfach durch Holzbrücken unterbrochener Damm führte zu dem Inselfelsen. Nach einem siegreichen Kampfe am Gestade des Sees drangen die Spanier zugleich mit den flüchtigen Indianern über die Brücken und bemeisterten die Burg. Mit ihrem Fall war der Widerstand des Volkes gebrochen.
Von hier marschirte Alvarado ins Küstenland hinab nach Escuintla (Itzcuintlan); durch dichte, unwegsame Urwaldterrassen stieg er in drei Tagen ins Land hinunter, wo angebaute Felder und Sümpfe abwechselten. Nachdem die Hauptstadt überrumpelt und gestürmt war, unterwarf sich das Volk. Bei seinem weiteren Vorrücken gegen Südosten fand aber Alvarado das ganze Land unter Waffen, dazu wurden in der beginnenden Regenzeit die Wege immer schwieriger. Trotzdem drang er durch eine Reihe von Küstenstädten bis in das Gebiet des heutigen Staates S. Salvador. Vor der Küstenstadt Acayutla widersetzte sich ihm in fester Stellung ein großes Heer. Durch einen scheinbaren Rückzug wurde dasselbe aus seiner gut gewählten Position herausgelockt, und dann machten die Spanier Kehrt, die Reiter holten die Indianer, welche in ihren Panzern nicht entfliehen konnten, ein und ritten sie nieder. Alvarado, der durch mehrere empfangene Wunden über den Widerstand erbittert war, ließ es geschehen, daß die meisten am Boden liegenden Feinde abgeschlachtet wurden. Verheerend rückte er weiter bis Cuscatlan (S. Salvador). Dort aber zwang ihn der Regen zur Umkehr nach Guatemala. Mit neuen, von Mexiko kommenden Truppen wurden weitere Aufstände der Indianer unterdrückt, 1525 die Stadt S. Salvador gegründet und damit die Unterwerfung des Gebiets vollendet, in welchem eine ähnliche Besitzergreifung des Landes und[S. 393] Vertheilung der Bewohner an die Conquistadoren durchgeführt wurde, wie in Mexiko. Zwar wurden auch hier 1529 Gesetze zum Schutz der Indianer erlassen und suchten seit 1538 die Dominikaner sich der Unterworfenen anzunehmen, aber mit geringem Erfolg. Die alte Kultur wurde zertreten, das Volk geknechtet und decimirt und so das herrliche Land in die traurigste Lage gebracht, aus welcher es sich, auch nach Befreiung von der spanischen Herrschaft, nicht hat erheben können.
Bald nachdem Alvarado seinen Eroberungszug begonnen, ging auch Cristoval d’Olid, ein Edelmann aus Baeza oder Linares, auf Cortes’ Befehl, am 11. Januar 1524 von Vera Cruz unter Segel. Er sollte jenseits der Halbinsel Yukatan, an der Küste von Honduras eine Niederlassung gründen, um das Reich von Neuspanien möglichst weit gegen Südosten zu erweitern. Ein Geschwader von vier großen Schiffen und einer Brigantine, mit 400 Soldaten bemannt, sollte zunächst in Cuba anlaufen und sich dort mit Vorräthen versehen. Zu gleicher Zeit bekam (wie bereits oben S. 388 erwähnt ist) der Vetter des Cortes, Hurtado de Mendoza, den Auftrag, nach einer mittelamerikanischen Meerenge zu forschen, allein derselbe konnte wegen der eigenthümlichen Stellung, welche Olid bald einnahm, nicht ausgeführt werden. Cortes wirft nämlich seinem Unterfeldherrn vor, er habe sich von seinem alten Widersacher, Velasquez, dem Statthalter von Cuba, bei seiner Anwesenheit auf der Insel zum Abfall von seinem Oberfeldherrn verleiten lassen und, durch Velasquez beredet, den Plan gefaßt, seine Colonie von Neuspanien unabhängig zu gestalten. Wenn dieses Gerücht sich bestätigen sollte, schrieb Cortes bald darauf an den König, werde er mit Truppen nach Cuba gehen, den Velasquez gefangen nehmen und gefesselt nach Spanien dem Gericht überliefern. Olid sollte von Velasquez sogar die Zusage kräftiger Unterstützung bei seinen verrätherischen Plänen erhalten haben. Er ging von Cuba zunächst nach dem Golf von Higueras, wie man damals den inneren Theil des Golfs von Honduras nannte.[394] Vierzehn Meilen östlich vom Hafen Caballos[395] ging er am 3. Mai 1524 ans Land und nahm dasselbe zunächst noch im Namen des Cortes in Besitz. Die Stadt, welche er anlegte, erhielt nach dem Tage der Landung den Namen Triumfo de la Cruz. Das Land war weit und breit friedlich, die Indianer widersetzten sich den Fremden nirgends. Einzelne Spanier konnten ohne Belästigung die Gegend nach Gefallen durchstreifen.[396]
Bald aber trat Olid mit seinen Plänen hervor und fand bei den meisten seiner Leute Zustimmung. Als die erste Kunde davon nach Mexiko gelangte, und zwar über Cuba, entsandte Cortes seinen Schwager Francisco de las Casas mit vier Schiffen und 150 Mann nach Honduras,[397] wo Olid[S. 394] ihm die Landung verwehren wollte. Casas nahm die beiden Schiffe Olid’s mit Gewalt, während die Mannschaft ans Ufer entfloh. Unter dem Vorwande, die Vorbereitungen zur Uebergabe der Colonie zu treffen, bat Olid um Waffenstillstand, benutzte aber die Zeit, um seinen im Innern befindlichen Hauptmann Pedro de Briones mit seiner Schar herbeizurufen. Dieser erhielt aber zu gleicher Zeit eine Warnung durch Las Casas und zog es vor, dem Befehl seines Vorgesetzten nicht zu folgen und ihn im Stich zu lassen. So zog sich eine Kette des Verraths von S. Domingo, der Hauptstadt Indiens, über Mexiko bis zu den Wildnissen Centroamerika’s: Velasquez empört sich gegen Diego Colon, Cortes gegen Velasquez, Olid gegen Cortes, Briones gegen Olid.[398] In der nächsten Nacht warf ein Sturm die ganze Flotille des Las Casas an den Strand, 40 Mann ertranken dabei und der Capitän selbst gerieth in Olid’s Gefangenschaft. Dann nahm dieser auch den von Süden hergekommenen Gil Gonzalez, der mit seiner zusammengeschmolzenen Mannschaft ziellos umherschweifte, gefangen, behandelte aber beide Gegner mit äußerster Milde, zog sie ins Haus und an seinen Tisch, als ob er sie dadurch gewinnen wollte, gab ihnen aber dadurch die bequemste Gelegenheit, sich zu verständigen, wie man sich am sichersten des Usurpators entledigen könne. Sie fielen eines Mittags über Olid her, welcher, da er unbewaffnet war und sich nicht vertheidigen konnte, flüchten mußte, um das Leben zu retten, und sich im nahen Walde verbarg. Sein Versteck wurde durch einen Geistlichen verrathen. Seine Leute hatten ebenso leicht seine Partei verlassen, wie früher ergriffen; den Verschworenen der königlichen Partei wurde es dadurch leicht gemacht, sich seiner Person zu bemächtigen und ihm den Proceß zu machen. Er büßte seinen Verrath mit dem Leben. Dann gründete Las Casas die Stadt Trujillo[399] und entließ sämmtliche Spanier, welche sich der neuen Niederlassung nicht anschließen wollten, nach Mexiko oder Spanien.
Dem Statthalter von Neuspanien lag seine Colonie in Honduras sehr am Herzen; mit großer Sorge hatte er die Nachricht von dem Verrathe seines Waffengefährten Olid erhalten, mit Spannung erwartete er günstigere Kunde über den Verlauf der Sendung seines Schwagers. Da aber jede Botschaft ausblieb, weil derselbe seine Schiffe verloren und selbst in Gefangenschaft gerathen war, so fürchtete er schon, sein Rivale Velasquez möchte in Gemeinschaft mit Olid in Honduras festen Fuß gefaßt haben und könnte ihn von dieser Seite her bedrohen oder seinem Pflanzlande Schwierigkeiten bereiten. Ehe er also von dem für ihn glücklichen Ausgang der Sendung des[S. 395] Las Casas vernommen, beschloß er selbst zu Lande nach Honduras zu ziehen und seinen ungehorsamen Vasallen zu bändigen.
Nachdem er den Schatzmeister Alonso de Estrada zu seinem Stellvertreter in der Statthalterei ernannt hatte, verließ er mit seinen Truppen im October 1524 die Hauptstadt Mexiko. Um etwaigen Aufständen und Unruhen während seiner Abwesenheit vorzubeugen, veranlaßte er den letzten aztekischen Kaiser Guatemotzin und andere mexikanische Fürsten, ihn zu begleiten. Als Dolmetscherin folgte ihm wieder die bewährte Donna Marina. Wenn er den schwierigsten Weg zu Lande wählte, so wurde er dazu zum Theil durch den Besitz einer aztekischen Karte veranlaßt, welche ihm in der ersten Hälfte seines Marsches durch Angabe der hauptsächlichsten Oertlichkeiten wesentliche Dienste leistete; dann trieb ihn aber auch der Drang zu neuen Entdeckungen. Sollte zwischen Mexiko und Honduras eine Meerenge existiren, so mußte sie auf diese Weise sicher gefunden werden. Cortes sagt selbst, er sei mehrere Jahre bereits unthätig gewesen; der Abfall Olid’s bot ihm also die beste Gelegenheit, nicht nur diesen wieder zu unterwerfen, sondern auch sich zu neuen Thaten auszumachen und neue Länder zu entdecken. Niemand hat diesen Feuergeist treffender gezeichnet als sein Waffengefährte Bernal Diaz, wenn er schreibt: „Wie denn Cortes’ Gedanken immer sehr hoch gingen, so gedachte er in allen Dingen den König Alexander von Macedonien nachzuahmen.“[400]
Seine Schar bestand aus 140 Arkebusieren und Armbrustschützen und aus 93 Reitern, dazu kamen noch 3000 Mann indianischer Hilfstruppen. So lang der Weg von dem Plateau von Anahuac nach der Landschaft Tabasco führte, fand er gebahnte Straßen und konnte sich auf der mitgenommenen Karte orientiren. Vom Isthmus von Tehuantepec bis an die Wurzel der Halbinsel Yukatan ist aber das Küstenland von einem Gewirre wasserreicher Flußadern durchzogen. Die Kulturen der Indianer bilden nur Oasen in dem Waldlande und zwischen den ausgedehnten Sümpfen. Der Verkehr der Eingeborenen ist fast ganz auf die zahlreichen Wasserwege angewiesen, und ein Marsch mit Truppen und Heerestroß wird ebenso häufig durch die von Wald umschlossenen Wasserläufe, welche meist erst überbrückt werden mußten, aufgehalten, als die Verpflegung einer größeren Menschenmenge in den Urwaldwildnissen immer mehr erschwert wird.
In Tabasco versanken die Pferde zwischen Chilapan und Tepetitan fast im Sumpfe[401]. Die indianischen Ortschaften waren beinahe alle niedergebrannt und verlassen, man fand nur noch wenig Getreide vor und mußte sich mit unreifen, von den Feldern gepflückten Maiskolben behelfen. Ehe man das ganze Heer der Gefahr aussetzte, in den Wüsteneien zu verhungern, mußte man einige Abtheilungen auf Kundschaft voraussenden. „In Tepetitan,“ berichtet Cortes, „fanden wir einen Indianer. Der Mann kannte den Weg[S. 396] nach Iztapan, dem nächsten Ort auf meiner Karte, nicht. Es gäbe dahin keinen Landweg, doch unternahm er uns zu führen. Mit diesem Indianer sandte ich 30 Reiter und 30 Mann zu Fuß voraus mit dem Befehl Iztapan aufzusuchen und mir dann eine genaue Beschreibung ihres Weges zu machen, der ich folgen könnte. Ich beschloß so lange Rast zu machen, bis ich von ihnen eine Nachricht bekäme. Nach zwei Tagen, als weder ein Brief noch eine Meldung eintraf, beschloß ich, da die Truppen bereits Mangel litten, ihnen zu folgen, ohne Führer, ohne andere Anzeichen als die Spuren der Vorausgesandten in den Schlammsümpfen, welche das ganze Land bedeckten, und ich kann Ew. Majestät versichern, daß selbst auf den höheren Stellen unsere Pferde, die wir am Zügel führten, bis an den Gurt in den Morast sanken. So marschirten wir zwei Tage ohne irgend eine Nachricht zu erhalten, so daß ich fast rathlos wurde. Ich konnte nicht zurück, und vorwärts zu gehen ohne Gewißheit von der Richtung des einzuschlagenden Weges, war eben so gefährlich. In dieser Noth, als wir erschöpft und niedergeschlagen schon fürchteten verhungern zu müssen, kamen zwei Indianer mit Briefen von der vorausgeschickten Schar.“ Dieselbe hatte Iztapan erreicht. Der Ort lag, von Sümpfen umgeben, an einem großen Flusse und war voll Indianer, welche sich durch die Natur der Oertlichkeit sicher glaubten. Als sie aber sahen, daß die spanischen Reiter durch den Fluß schwammen, wollten sie das Dorf in Brand stecken. Hieran wurden sie zwar durch die Spanier gehindert; doch begann eine allgemeine Flucht auf Böten, oder schwimmend, wobei viele ertranken. In Iztapan fand man ausreichende Lebensmittel, und die Truppen konnten sich erholen, auch gelang es ihnen die Einwohner zu beruhigen und zur Rückkehr ins Dorf zu bewegen. Der Beschreibung nach lag dasselbe am Usumaçinta, dem größten Flusse Mittelamerika’s, dessen Gebiet den ganzen Norden der gegenwärtigen Republik Guatemala umfaßt, und der sich nach einem Lauf von über 100 Meilen in die Laguna de Terminos ergießt.
Beim Weitermarsch gegen Südosten gerieth das Heer in den dichtesten Urwald, wo die indianischen Führer den Weg verloren. Der Wald war undurchdringlich und hemmte jeden weitern Blick, selbst von dem Gipfel der mächtigen Bäume, zu welchen die Späher hinaufkletterten, konnte man höchstens einen Steinwurf weit sehen. Man mußte umkehren, um den Pferden, die seit 18 Stunden nichts zu fressen bekommen hatten, Futter zu verschaffen. Die Menschen waren vor Erschöpfung und Hunger halb todt. Da ließ sich Cortes seinen Schiffscompaß bringen, welcher ihm schon oft große Dienste geleistet hatte, aber nie mehr als in dieser gefährlichen Lage,[402] er erkundigte sich bei den begleitenden Eingebornen nach der Lage des Dorfes, wohin sie sie[S. 397] hatten führen wollen, und schloß daraus, daß ein Marsch in nordöstlicher Richtung sie dahin bringen werde. Der Weg wurde nach der angegebenen Himmelsgegend gebahnt und das Dorf glücklich gefunden. Die freudige Aufregung über die Entdeckung des Ortes war so groß, daß die meisten Leute, ohne auf die weiten Sümpfe vor ihnen zu achten, gerade auf die in der Ferne sichtbare Ansiedlung zueilten, wobei manche Pferde so tief in den Morast einsanken, daß man sie erst am nächsten Tage herausbringen konnte, denn in ihrem Hunger hatten die Reiter sie im Stich gelassen. Glücklicherweise ging kein Thier dabei verloren. Auch dieser, am Usumaçinta gelegene Ort war niedergebrannt und verlassen, bot aber für alle Mannschaften genug Vorräthe, so daß man sich eine Rast von acht Tagen gönnte. Der directe Weg nach Honduras hatte sich als unmöglich erwiesen, Cortes mußte in einem nördlichen Bogen ausweichend, durch Yukatan sein Ziel zu erreichen suchen. Er setzte über den Fluß und zog nach der Landschaft Acalan, welche an die Laguna de Terminos stößt. Nach einem dreitägigen Marsch durch die Bergwälder wurde der Zug durch einen weiten Sumpfsee aufgehalten. Die Führer meinten, man brauche 20 Tage, um ihn zu umgehen. Mittelst eines kleinen Kahns, den man fand, wurde das Wasser untersucht, es war vier Klafter tief und an den zusammengebundenen Speeren, die man hinabsenkte, zeigte es sich, daß eine zwei Klafter dicke Schlammschicht den Boden bedeckte. Der Sumpf war nicht zu durchwaten und wegen der vielen Bäume und verschlungenen Wurzeln in demselben konnten auch die Pferde nicht hindurchschwimmen. Da die Lagune nur etwa 500 Schritt breit schien, entschloß sich Cortes, eine Brücke zu bauen. Man fertigte mehrere Flöße an und trieb von ihnen aus eine Reihe von 9 bis 10 Klafter langen Pfosten senkrecht in den Boden. Die schwere Arbeit erschöpfte die Kräfte der Spanier, die zu ihrer Nahrung nur wildwachsende Kräuter und Wurzeln hatten, derart, daß sie sich weigerten, sie weiter zu führen. Da erklärte Cortes, dann werde er mit seinen Indianern, denen er bei seiner Rückkehr nach Mexiko reichliche Belohnung versprach, den Bau allein vollenden. Jenseit des Sumpfes läge das fruchtbare Acalan; man müsse über das Wasser, oder davor verhungern, denn hinter ihnen seien durch die vom Regen angeschwellten Bäche alle ihre Brücken weggerissen. Diese Erwägungen verfehlten ihre Wirkung nicht. Die Spanier legten mit Hand an und in vier Tagen wurde die Brücke fertig, zu der man gegen 1000 Stämme gefällt und eingerammt hatte. Aber nachdem der See glücklich überwunden war, gerieth man wieder in Sümpfe, wo die Pferde tief einsanken; man mußte ihnen, da sie, unruhig geworden, immer tiefer zu versinken drohten, Reißigbündel und Buschwerk unter den Bauch schieben, um sie zu erhalten. Glücklicherweise kamen einige vorausgesandte Spanier mit 80 Indianern zurück, welche von Acalan Lebensmittel brachten. Die Hauptstadt Çancanar (Izancanas) lag am Ufer einer Seebucht, die sich bis zur Laguna de Terminos erstreckte. Der Fürst von Acalan unterstützte die Spanier nach Kräften und zeigte ihrem Heerführer[S. 398] auf einer Karte, welchen Weg er einzuschlagen habe.[403] Acalan ist fast ganz von Seen und Sümpfen umgeben, die mit der Bai von Terminos in Verbindung stehen, und da das Land gut bevölkert und reich an Produkten war, so trieben die Bewohner einen lebhaften Handel nach Tabasco. Ob, wie man damals im Lande behauptete, das nordöstlich gelegene Yukatan eine Insel sei, wollte Cortes auf seinem weiteren Zuge zunächst ermitteln. Am ersten Sonntag in den Fasten des Jahres 1525 zog er mit indianischen Führern weiter. Während dieses Marsches durch Acalan erfolgte die Hinrichtung Guatemotzins und des Fürsten von Tacuba, weil sie die Absicht gehabt haben sollten, alle Spanier sammt Cortes niederzumachen, Mexiko zur Befreiung aufzurufen und das Joch der Fremden abzuschütteln. Ob eine solche Verschwörung wirklich stattgefunden, ist nicht erwiesen. Befremdlich bleibt die Eile, mit welcher Cortes, sobald ihm von dem Plan der aztekischen Fürsten eine Mittheilung geworden, Verhör, Verurtheilung und Vollstreckung des Urtheils aufeinander folgen ließ. Aber die rasche Entscheidung war wohl durch die schwierige Lage geboten, in welcher sich die ganze Unternehmung befand. Da Cortes niemals leichtfertige und unnütze Bluturtheile gefällt hat, so müssen auch bei dieser wichtigen Entscheidung die Verdachtsgründe schwerwiegend gewesen sein. „Als ich mich überzeugt hatte,“ schreibt er an Karl V., „daß diese beiden (Guatemotzin und Tacuba) die Hauptschuldigen seien, gab ich Befehl, sie zu hängen, und so wurden sie gehängt.“[404] Sich rasch zu entschließen und ungesäumt zu handeln, lag in seiner Art; aber in diesem Falle kam selbst den begleitenden Spaniern der Verlauf des Processes binnen 24 Stunden so unerwartet und plötzlich, daß sie an der Rechtmäßigkeit des Spruches zweifelten. Bernal Diaz erklärt unumwunden, daß der Tod der aztekischen Fürsten ihn aufs tiefste geschmerzt und daß derselbe in den Augen aller, die den Zug mitmachten, eine Ungerechtigkeit gewesen sei.[405] Jedenfalls verfehlte das summarische Verfahren auf die übrigen Mitwisser des Planes seine Wirkung nicht; sie schrieben dem spanischen Heerführer Zauberkräfte zu und meinten, er bringe alle Geheimnisse durch seine Seekarte und seinen Compaß (carte de marear y un ahuja) heraus. Cortes ließ sie bei dem Wahn, welcher ihn seinen Gegnern so furchtbar machte.
Von Acalan zog er gegen Südosten zum Peténsee in der Landschaft Taiza, welcher auf allen Seiten von 60 bis 150 Meter hohen, waldbedeckten Kalksteinketten umgeben ist und keinen oberirdischen Abfluß hat. Die Halbinsel, welche von Osten her in den See hineinragt und denselben in ein nördliches und südliches Becken theilt, ist noch mit künstlichen Hügeln bedeckt, auf denen die Spuren alter Gebäude zu sehen sind.[406] Zu Cortes’ Zeit lag[S. 399] die Hauptstadt des Gebiets auf einer Insel am Ende dieser Landzunge und umfaßte eine Menge Tempel und Steinbilder. Von menschenleeren Wildnissen umgeben, behauptete sich hier ein kleiner selbstständiger Staat, welcher erst 1697 von den Spaniern zertrümmert wurde.[407] Denn wenn sich auch bei Cortes’ Ankunft der Fürst des Landes der spanischen Oberhoheit unterwarf und Geschenke brachte, so hatte doch diese Herrschaft nur bis zum Abzuge der Spanier Bestand.
Weiter ging der Zug zuerst über ebenes, nur hier und da waldiges Land; dann gelangte man aber an mehrere Reihen niedriger, sehr steiler Bergzüge, welche dem Vorrücken die größten Schwierigkeiten bereiteten. Ueber die erste Kette konnte man die Pferde am Zügel noch sicher hinüberführen, auf der zweiten verloren die Reitthiere fast alle die Hufeisen, so daß man einen Rasttag machen mußte, um dieselben wieder zu beschlagen. Dann folgte aber der beschwerlichste von allen Paßübergängen. Das Gebirge war von unbeschreiblicher Wildheit[408]. Man brauchte 12 Tage zu einem Wege von 8 Meilen und verlor eine Anzahl von Rossen durch Sturz von jähen Felsen, oder durch Erschöpfung. Alle Thiere waren beschädigt und blieben drei Monate zum Reiten untauglich. Dabei regnete es Tag und Nacht unaufhörlich und trotzdem litten Roß und Mann Durst, weil zwischen den schneidigen Felskämmen sich nirgend Wasser ansammelte und das, was man in Gefäßen zur Nachtzeit auffing, für das Heer nur auf kurze Zeit ausreichte. Ein Neffe des Cortes erlitt durch den Sturz seines Pferdes mehrfachen Beinbruch in schwerer Rüstung und konnte nur mit Mühe fortgebracht werden. Am Fuß dieses Gebirges, dem die Spanier den Namen Feuersteingebirge beilegten, mußten wieder gegen 20 Bergschluchten, in denen das Regenwasser über Klippen brauste, überbrückt werden. Erst am 15. April, am Tage vor Ostern, waren die bedeutendsten Schwierigkeiten überwunden und erfuhr Cortes hoch erfreut, daß er nur noch einige Tagereisen von der durch Gil Gonzalez in Nito gegründeten Niederlassung entfernt sei. Man war also endlich bis in die Nähe des Golfs von Honduras vorgedrungen und hatte den Polochic erreicht, der sich in den Golfo dulce ergießt und aus diesem, nach einer zweiten seenartigen Erweiterung als Rio dulce in die Bucht von Amatique, den innern Theil des Golfes von Honduras, fällt. Die spanische Colonie konnte allerdings den heranziehenden Truppen keine Unterstützung gewähren, denn fast alle Ansiedler lagen fieberkrank darnieder und litten Mangel, so daß ohne Cortes’ Dazwischenkunft ihr Schicksal besiegelt schien. Statt also mit[S. 400] dem Reste seiner noch kriegstüchtigen Mannschaft sofort weiter auf Olid’s Niederlassung marschiren zu können, mußten zunächst für die Truppen und Colonisten neue Vorräthe vom Golfo dulce herbeigeschafft werden. Uebrigens hoffte Cortes bei dieser Gelegenheit mancherlei nützliche Entdeckungen im Binnenlande machen zu können. Er unternahm diese Fahrt mit einer Brigantine, zwei Böten und vier Canoes. In dem tiefen Fahrwasser des Rio dulce, der zwischen 100 Meter hohen malerischen Felswänden in den See mündet, gelangte die kleine Flotille, gegen den Strom rudernd, in einer anstrengenden Fahrt von zwei Nächten und einem Tage zu der ersten nur zwei Leguas vom Meere entfernten Flußerweiterung, einem von sumpfigen Ufern umgebenen Flußsee, und von hier nach 24 stündiger Arbeit durch die zweite Flußenge in den Golfo dulce oder den See von Izabal, wie er nach einem neuerdings an der Südseite angelegten Orte benannt wird. Dieser See, welcher etwa 30 engl. Meilen lang und 12 Meilen breit ist, wird von hohen Bergketten umrahmt. Am südlichen Ufer ging Cortes ans Land, fand aber das erste Dorf verlassen; denn offenbar hatten die Indianer die Fahrzeuge ankommen sehen und sich geflüchtet. Nur ein einziger rauher Bergpfad führte südlich vom See an den Micobergen entlang nach Westen. Unter Führung von zwei eingefangenen Indianern folgte man dem Pfade, mußte auf dem Steilgehänge theilweise auf Händen und Füßen weiter klettern, mehrere Bergströme durchwaten und endlich, von Moskitos gepeinigt, unter Sturm und Regen die Nacht zubringen. In der Morgendämmerung wurde das nächste Dorf überfallen; da es aber wenig Lebensmittel bot, erkundigte sich Cortes nach größeren Ortschaften und gelangte endlich nach Chacujal.[409] Eine Stadt von dieser Ausdehnung mit Tempeln, Steingebäuden und großem Platze hatte man seit Acalan nicht mehr angetroffen. Es schien daher zweifelhaft, ob man mit der geringen Mannschaft den volkreichen Ort werde bezwingen können. Einige riethen zur Umkehr, aber Cortes hoffte durch Verwegenheit die Einwohner zu entwaffnen. Er überfiel den Ort bei Nacht, vertrieb die Bewohner und bemächtigte sich der reichen Vorräthe an trocknem Mais, Cacao, Bohnen, Pfeffer, Salz, Hühnern und einer Art Fasanen, die man in Käfigen hielt; außerdem fand man hübsche Webstoffe und rohe Baumwolle. Hier blieb die kleine Schar 18 Tage, ging dann nordwärts ins Thal des Polochic hinab und holte, da sich der Fluß schiffbar erwies, ein Boot und ein Canoe vom Golfo dulce herauf, um bei dem Transporte von Lebensmitteln Hilfe zu leisten. Cortes ließ dann vier Flöße bauen, um die Lebensmittel, namentlich Mais, auf dem Fluß herunter zu schaffen. Da man während der Fahrt auf dem Wasser erwartete von den Indianern angegriffen zu werden, so wurde die Mannschaft getheilt und begleitete entweder die Schiffsfracht oder ging zu Lande an den See (Golfo dulce) hinunter, wo ein Sammelplatz bestimmt[S. 401] war. Cortes selbst überwachte die Beförderung der Vorräthe auf den Flößen. Das Canoe wurde vorausgesandt, um nach etwaigen Hinterhalten der Indianer auszuspähen, dann folgten die Flöße und zuletzt das Boot, in welchem Cortes mit zwei Armbrustschützen sich befand, um, wenn nöthig, den Flößen beispringen zu können. Die Flußfahrt war gefährlich, sowohl wegen der bedeutenden Strömung, als auch wegen der Angriffe der Indianer. Gegen Abend stieß ein Floß so heftig gegen einen im Flußbett festsitzenden Baumstamm, daß es ganz untertauchte und die Hälfte der Ladung verlor. Bei einer Wendung des Stroms, wo die Fahrzeuge durch den Strudel hart an den einen Uferrand getrieben wurden, erwarteten sie die Indianer und überschütteten sie mit einem Hagel von Geschossen, so daß fast alle Spanier verwundet wurden. Cortes selbst, der seinen Helm abgenommen, erhielt einen Steinwurf an den Kopf. Glücklicherweise war das Wasser an jener Stelle tief, die Ufer hoch, so daß die Fahrzeuge in wenigen Minuten an dem Hinterhalte vorbeigetrieben wurden. Auch war die Nacht zu dunkel, um den Angreifern deutliche Zielpunkte für ihre Geschosse zu zeigen. Am nächsten Tage erreichte man den Golfo dulce und fand die Brigantine zur Stelle. Die von den Flößen hinübergeschafften Vorräthe wurden aus den Maisfeldern am See, wo inzwischen das Getreide zur Reife gelangt war, noch vervollständigt, und als die von Chacujal zu Lande kommende Schar ebenfalls eingetroffen war, kehrte die Expedition, nach Verlauf von 25 Tagen, befriedigt zur Niederlassung an der Bai St. Andres zurück. Der Platz der bisherigen Ansiedlung wurde wegen seiner ungesunden Lage aufgegeben und weiter ostwärts eine neue Stadt gegründet, welche den Namen Natividad de nuestra señora erhielt. Dann erst brach Cortes nach dem letzten Ziel seines mühevollen Zuges, nach Triumfo de la Cruz, der Niederlassung Olid’s, auf. Hier erfuhr er den Tod seines ungetreuen Vasallen; das ganze Unternehmen erwies sich somit eigentlich als unnöthig. Aber unermüdlich, und trotz aller Strapazen immer noch mit weiter gehenden Plänen beschäftigt, hoffte er die Küste von Honduras zum Ausgangspunkt weiterer Eroberungen zu machen. Die Indianer der Umgebung von Trujillo, dessen Hafen sich besonders günstig erwies, wußte er zu beruhigen, so daß sie den Platz wieder mit Lebensmitteln versorgten, und befuhr die weiter nach Osten streichenden Küsten, um auch Nicaragua seinem Colonialreiche einzuverleiben. Allein diese Unternehmung fand einen vorzeitigen Abschluß, weil in Mexiko Unruhen ausgebrochen waren, da sich das Gerücht verbreitet hatte, Cortes sei in den Sümpfen von Chiapas, südlich von Tabasco, mit seinem ganzen Heere umgekommen. Er wollte rasch zu Schiffe die Rhede von Vera Cruz zu erreichen suchen, aber zweimal trieb der Sturm das Fahrzeug mit gebrochenem Maste an die Küste zurück. Cortes lag am Fieber schwer krank darnieder. Erst am 25. April 1526 konnte er Honduras verlassen, erreichte Ende Mai Vera Cruz und hielt im Juni seinen festlichen Einzug in Mexiko.
Vier Wochen später langte Luis Ponçe de Leon als Bevollmächtigter[S. 402] der spanischen Regierung dort an, um die von den Widersachern des Cortes vorgebrachten Klagen über Verschwendung der Staatsgelder zu unnützen Unternehmungen zu untersuchen und die Civilverwaltung von Neuspanien zu übernehmen. Man hatte in Europa sogar das verleumderische Gerücht verbreitet, Cortes wolle sich ganz unabhängig machen. Da aber Ponçe de Leon, dessen trefflicher, unparteiischer Charakter gerühmt wird, leider bald starb, so folgte ihm zuerst Marcos de Aguilar und nach dessen Tode der Schatzmeister Estrada, welcher, voll feindlicher Gesinnung, danach trachtete, den Eroberer von Mexiko zu demüthigen; er verbannte ihn aus der Hauptstadt, und wenn er auch bald darauf diesen Befehl zurücknahm und sich mit Cortes zu versöhnen suchte, so vermied dieser doch absichtlich, die Stadt Mexiko zu betreten.[410]
Um den unaufhörlichen Verleumdungen und Beschuldigungen, welche seine Feinde in Spanien gegen ihn erhoben und welche darin gipfelten, daß er den Tod der kaiserlichen Statthalter durch Gift veranlaßt habe, auf das kräftigste entgegentreten zu können, beschloß Cortes, sich persönlich nach Spanien zu begeben, um mündlich seine Sache zu führen und sich zu rechtfertigen. In seinem Gefolge befanden sich mehrere treuergebene Ritter, namentlich Sandoval, sodann die Söhne der Fürsten von Tlascala, eine Anzahl Gaukler, indianische Tänzer und Zwerge, von denen einige später dem Papste verehrt wurden, und endlich Proben von verschiedenen merkwürdigen Landesprodukten, dazu kam noch eine reiche Sammlung von Edelsteinen, 200,000 pesos d’oro und 1500 Mark Silber. Die Fahrt ging rasch von statten und in 41 Tagen segelte er, ohne irgendwo anzuhalten, über den Ocean und landete im December 1527 bei dem Kloster La Rabida vor Palos. Dort traf er mit Franz Pizarro zusammen, welcher ebenfalls in die Heimat geeilt war, um für seine kühnen Eroberungspläne sich die Unterstützung der Regierung zu sichern und die Geldmittel aufzutreiben. Cortes erlitt kurz nach seiner Landung einen schmerzlichen Verlust, denn es starb sein treuer Waffenbruder Gonzalo de Sandoval, welcher bereits krank ans Land gebracht war, kurze Zeit darauf in Palos, im kräftigsten Mannesalter, erst 31 Jahre alt. Er war der ausgezeichnetste unter den Gefährten des Cortes; in seinem 22. Jahre kam er nach Mexiko und erwies sich überaus tapfer und entschlossen. Sein grades, offnes Wesen, sein schlichtes Aeußere, seine ritterliche Freigebigkeit bei der Austheilung der Beute, seine Besonnenheit und Ruhe in der Gefahr, machten ihn zum Liebling aller Soldaten. Und wenn man auch hie und da seine Art zu sprechen — er stieß nämlich mit der Zunge an — im Lager nachahmte; seine Befehle wurden befolgt, sein Vorbild riß die Lässigen mit fort. Cortes verlor in ihm seine zuverlässigste Stütze.
In Toledo empfing ihn Karl V. in glänzender Audienz und ließ ihm auch die Urkunde[411] über seine bereits 1522 erfolgte Ernennung zum Marques de Valle (nämlich Oaxaca) aushändigen, wobei ihm in diesem schönsten Theile Neuspaniens große Ländereien als Eigenthum überwiesen wurden. Aber die Regierung von Mexiko erhielt er nicht zurück, sondern nur das Commando über die Militärmacht. Im Frühjahr 1530 kehrte er, vor seinen Feinden allerdings gerechtfertigt, aber doch unbefriedigt, weil ihm die Civilverwaltung entzogen war, nach Mexiko zurück und beschäftigte sich einige Jahre auf seinen Gütern, namentlich in Cuernavaca, südlich von der Hauptstadt, mit dem Landbau, bis er im Jahre 1532 seine Entdeckungen in dem westlichen Ocean wieder ausnahm.
Die erste von ihm ausgerüstete Expedition ging unter seinem Vetter Diego Hurtado de Mendoza am 30. Juni 1532 mit zwei Schiffen von Acapulco aus, ging an der Westküste nach Norden, entdeckte die kleine Inselgruppe der „drei Marien“ (las tres Marias) zwischen 21 und 22° n. Br., erreichte weiterhin Culiacan in Sonora, welches in späteren Zeiten der Ausgangspunkt merkwürdiger Entdeckungszüge wurde und segelte von da nach der Küste der Halbinsel Californien hinüber. Dort brach unter dem Schiffsvolk eine Meuterei aus, der Capitän Mendoza wurde erschlagen, die beiden Schiffe trennten sich, das Hauptschiff mit den Meuterern blieb verschollen, das andere kehrte nach Jalisco zurück.
Auch die zweite Expedition, welche bereits im October 1533 segelfertig war, wurde von Misgeschick verfolgt. Die beiden Schiffe, welche am 30. October von St. Jago (19° n. Br.) ausgingen, wurden schon am nächsten Tage durch Sturm getrennt und vereinigten sich nicht wieder. Der Capitän des Hauptschiffes, Diego Bezerra, wurde von seinem Lotsen Fortun Ximenes im Schlaf überfallen und getödtet. Dann steuerte dieser nach Californien hinüber, wurde aber bei seiner Landung in der Bai von Sa. Cruz (jetzt Bahia de la Paz) mit etwa zwanzig seiner Leute von Indianern erschlagen. Die übrige Mannschaft kehrte darauf nach dem Hafen von Chamatla, südlich von Mazatlan, zurück. Das andere Schiff unter Hernando de Grijalva und dem Portugiesen Martin de Acosta als Pilot suchte zuerst nach dem Sturm das Hauptschiff in südlicher Richtung, angeblich bis 13½° n. Br.,[412] wandte sich am 9. November wieder nordwärts, kam aber, von Windstillen aufgehalten, nur langsam vorwärts, ging am 7. December über den Wendekreis und entdeckte, sich wiederum nach S.-W. wendend, am 28. December die Revilla-Gigedo-Gruppe, deren Hauptinsel San Tomas (jetzt Socorro) genannt wurde. Nachdem man durch Errichtung eines Kreuzes von der Entdeckung Besitz genommen, ging man an die Küste Neuspaniens zurück und lief im Januar 1534 in den Hafen von Zacatula (18° n. Br.) ein.
Da die bisherigen Resultate den Erwartungen, welche Cortes von diesen Fahrten gehegt hatte, zu wenig entsprachen, so machte er sich im Jahre 1535 selbst auf mit drei Schiffen, welche er in Tehuantepec hatte bauen lassen und nach Chamatla (Chiametlan, 23° n. Br.) schickte, wo er sich an Bord begab und am 15. April 1535 unter Segel ging. Am 3. Mai erreichte er die Friedensbucht an der Halbinsel Californien und fand dort den Tod des Lotsen Ximenes bestätigt. Seine Versuche, sich dort festzusetzen, schlugen, bei der Unfruchtbarkeit des Landes, fehl. Von hier ging er noch 50 Meilen in den Golf von Californien nordwärts, lief auf der Rückkehr noch einmal in der Friedensbucht an, verlor aber, da die Lebensmittel ausgingen, viel Mannschaft; denn die wenigen Eingebornen, welche man antraf, nährten sich kärglich nur vom Fischfange. Man hatte ihn in Mexiko bereits aufgegeben, als er im Anfang des Jahres 1537 nach Acapulco zurückkam. Trotz aller Miserfolge schickte Cortes im nächsten Jahre noch einmal den Francisco Ulloa von Acapulco ab. Eins von den drei Schiffen ging kurz nach der Abfahrt (8. Juli 1538) unter, die beiden andern steuerten nach der Halbinsel Californien und erreichten an der Westseite die Punta del Engaño[413] (Cabo bajo), unter 21½° n. B. Da das eine der beiden Schiffe stark beschädigt war, so ging es nach der Westküste von Mexiko zurück, wo es glücklich anlangte. Ulloa setzte in der „Trinidad“ allein seine Entdeckungsfahrt fort und kehrte nicht zurück.
Cortes blieb trotz aller Unglücksfälle unerschütterlich. Das Glück versagte ihm beharrlich auf dem Meere die Ruhmestitel, womit es seine Unternehmungen zu Lande ausgezeichnet hatte. Wenn daher der Vicekönig von Neuspanien, Mendoza, ihm nicht gestatten wollte, dem westlichen Ocean weitere Opfer zu bringen, so fühlte sich Cortes dadurch in seinem eigentlichen Amte als Oberfeldherr und Befehlshaber an der Küste der Südsee beeinträchtigt. Sein Geist war viel zu lebhaft, um sich in müßiger Ruhe dem Genusse des Errungenen hinzugeben. Um die Entscheidung über seine Differenz mit dem Vicekönig dem König vorzulegen, ging er 1540 zum zweitenmale nach Spanien. Aber Karl V. empfing ihn ziemlich kühl, und so blieb Cortes, nachdem er 1541 an Karls Feldzug gegen Algier theilgenommen hatte, jahrelang auf günstigen Bescheid hoffend in Spanien, bis er am 2. December 1547 in Castilleja de la Cuesta, einem Dorfe bei Sevilla, starb. Er war 63 Jahre alt geworden. Sein Schicksal erinnert an das des Columbus. In den späteren Jahren war sein Name schon halb vergessen und durch den Glanz des peruanischen Goldes auch sein Ruhm verdunkelt. Er starb wie Columbus, in beständiger Erwartung, wieder in seine Rechte eingesetzt zu werden. Die Sonne, die im Zenith gestrahlt und am Abend hinter Wolken[S. 405] untergeht, ist ein treffendes Bild, welches auf beide Entdecker paßt. Aber Cortes war ein reicher Mann geworden, Columbus starb in Dürftigkeit. Seine Gebeine wurden 1562 nach Neuspanien und zwar nach Tezcuco gebracht, dann 1629 in der Kirche des heiligen Francisco in Mexiko beigesetzt und 1794 in das von ihm gegründete Hospital Jesus von Nazareth über[S. 406]geführt. Von hier wurden die irdischen Überreste 1823 während des Aufstandes entfernt, man weiß nicht, wohin? Seine männlichen Nachkommen starben im vierten Gliede aus.
Cortes war von hoher kräftiger Gestalt, der Ausdruck seines bleichen Gesichtes war gewöhnlich ernst; er trug einen dünnen, schwarzen Bart, den er in späteren Jahren, als er ergraute, zu färben liebte. Er war ein vorzüglicher Reiter und in jeder Kampfesart, zu Fuß oder zu Roß, sehr gewandt. Als junger Mann soll er auf Hispaniola manchen Liebeshandel mit Frauen und manchen Degenkampf mit Männern bestanden haben. Bei einer solchen Gelegenheit war er im Gesicht verwundet und trug davon am Kinn eine Narbe, welche der Bart nicht ganz verdeckte. Karten- und Würfelspiel liebte er auch noch im Lager, aber er blieb dabei stets, auch wenn er verlor, guter Laune. Seine äußere Erscheinung, seine Haltung, sein Gang, sein Benehmen verriethen den Mann von hohem Stande. Er kleidete sich einfach und trug als einzigen Schmuck immer dieselbe zierliche Goldkette mit dem Bilde der Mutter Gottes. Auf der Universität hatte er sich den Grad eines Baccalaureus der Rechte erworben, und durch diese seine wissenschaftliche Bildung überragte er alle seine Kriegsgenossen und sämmtliche Conquistadoren, welche sich in der neuen Welt als Heerführer einen Namen erwarben. Mit gelehrten Leuten verstand er Lateinisch zu reden. Er schrieb fließend und gewandt und pflegte seine Briefe mit lateinischen Citaten zu schmücken. Seine ausführlichen Berichte an den König Karl, in denen er eine klare Darstellung seiner Kriegsthaten gegeben, gehören zu den werthvollsten Urkunden der Geschichte der spanischen Eroberungen, sie fesseln durch die Schlichtheit und Natürlichkeit, welche den Stempel der Wahrheit an sich trägt. Sie zeigen uns den ganzen Mann, klar und entschieden in seinem Wollen, umsichtig in seinen Plänen, rastlos thätig, immer bemüht zu schaffen, zu ordnen. Denn er war Feldherr und Staatsmann zugleich und besaß einen weiten politischen Blick.
Als Heerführer im Kampfe war er kühn, fast tollkühn. In der Schlacht zeigte er sich stets allen voran und gerieth dabei mehrfach in höchste Lebensgefahr. Bei seinen kriegerischen Unternehmungen war er unbeugsam, es mochte kosten was es wollte, und er ließ trotz aller gutgemeinten, aber ängstlichen Rathschläge nicht ab, bis er sein Ziel erreicht. Manches Beispiel seiner treffenden Reden, mit denen er in gefährlicher Lage sein Kriegsvolk zu ermuntern pflegte, hat uns Bernal Diaz aufbewahrt. Wenn seine Soldaten unruhig und mismuthig wurden und ihn durch ihre Reden in Zorn brachten, dann schwoll ihm eine Ader am Hals und an der Stirn, er warf wohl auch in der Aufregung den Mantel von sich, aber nie ließ er ein Schimpfwort hören. Redete ihn jemand ungebührlich an, so rief er, ohne heftig zu werden. „Schweigt!“ oder „Geht in Gottes Namen und besinnt Euch eines Besseren, daß Eure Rede Euch nicht bösen Lohn bringt.“ Sein gewöhnlicher Schwur war: „Auf mein Gewissen!“ Schlagfertig in seinen[S. 407] Antworten, setzte er unter die Spottverse, welche man nach der Eroberung Mexiko’s, enttäuscht über die geringe Beute an Gold, in der Nähe von Cortes’ Wohnung an die Wand geschrieben hatte, sofort seine Erwiderung in Versen und brachte dadurch die Murrenden zum Schweigen. Im Dienste war er sehr pünktlich und inspicirte die Wachen selbst bei Nacht persönlich. Wo er Unordnung fand, nannte er die Leute räudige Schafe, denen die eigne Wolle zur Last sei.
Im Beginn seines Feldzuges gegen Mexiko war es ein staatskluger Schritt von der höchsten Wichtigkeit, daß er nach mehreren Siegen das tapfere Volk der Tlascalaner für seine Partei zu gewinnen wußte. Aber der romantische Zug, welcher der ganzen spanische Ritterschaft jener Zeit im hohen Grade eigen war, ließ ihn auch nach der Eroberung des aztekischen Reiches noch nicht zur Ruhe kommen. Der Gedanke einer mittelamerikanischen Meerenge, welche sein Neuspanien unmittelbar an die Hauptstraße des beginnenden Weltverkehrs verlegen sollte, trieb ihn nach Honduras und Californien. Und erst als ihm die Weiterführung dieser, wie wir jetzt erkennen, fruchtlosen Unternehmungen versagt wurde, zog er sich von dem Schauplatze seiner Thätigkeit zurück. Die Anerkennung aber seiner Verdienste um die spanische Krone findet ihren charakteristischen Ausdruck in dem Wappen, welches ihm Kaiser Karl am 7. März 1525 verlieh. Das Wappenschild (escudo de armas) des Marques de Valle umfaßt vier Mittelfelder, rechts oben den kaiserlichen, doppelköpfigen schwarzen Adler, darunter rechts unten einen goldenen Löwen in rothem Felde, um den Löwenmuth des Cortes anzudeuten. Links oben zeigten sich drei goldene Kronen auf schwarzem Grunde, sie stellten die drei mexikanischen Könige vor. Im letzten Felde, links unten, erschien die Stadt Mexiko. Rings um den vierfeldigen Mittelschild standen die Köpfe der sieben bezwungenen Fürsten im goldenen Felde, durch eine goldene Fessel an einander gekettet. So waren seine Thaten auf dem Wappenschild verherrlicht. Wenn ihm in späteren Jahren die Verwaltung von Neuspanien entzogen wurde und nur das Heer untergeben blieb, so liegt die Ursache dieser für Cortes demüthigenden Maßregel der Regierung wohl weniger in dem Einfluß der Verleumdungen und Intriguen seiner Feinde, als in der Erwägung, daß Cortes sich durch einen ungesetzmäßigen Schritt von dem Statthalter von Cuba losgerissen hatte, und daß man für die Folgezeit den Act der Felonie nicht sanctioniren wollte. Dessen ungeachtet bleibt Cortes eine der anziehendsten Gestalten in der Geschichte der spanischen Eroberungen.
Im weiten Umkreise des mexikanischen Golfes hatten die nördlichen Gestade längere Zeit weniger Beachtung gefunden und die Eroberungslust der Spanier nicht gereizt. Nach dem ersten Versuche Juan Ponçe’s (s. S. 355) im Jahre[S. 408] 1513 war die Aufmerksamkeit der Eroberer mehr nach den im Südwesten der Antillen gelegenen Regionen gerichtet, als nach Nordosten und Norden, bis in den Jahren 1519 und 1520 kurz nach einander mehrere Expeditionen ausliefen, um in jenen Gebieten festen Fuß zu fassen oder Menschenjagden anzustellen. Juan Ponçe versuchte 1520 noch einmal mit 200 Mann sich auf Florida festzusetzen, wurde aber von den kriegerischen Einwohnern, welche ausgezeichnete Bogenschützen waren, so energisch abgewiesen, daß er, selbst schwer verwundet, seinen Plan aufgeben und nach Cuba zurückweichen mußte, wo er seinen Wunden erlag.
Fast um dieselbe Zeit schickte der Licentiat Lucas Vasquez Ayllon von Haiti aus zwei Schiffe an die Ostküste von Florida, um Indianer einzufangen, welche auf den Antillen als Arbeiter verwendet werden sollten. Der Küstenstrich am atlantischen Ocean etwa zwischen 32 und 34° n. Br. hieß bei den Eingebornen Chicora und Gualdape. Man benannte dort die S. Helenabai[414] und den Jordanfluß, welcher, nach Vergleich der älteren Seekarten, mit dem Flusse von Charleston identisch zu sein scheint. Das Land machte einen so günstigen Eindruck, daß Ayllon, dem Bericht seines ausgesandten Piloten trauend, sich in dem Land festzusetzen beschloß und sich mit dem indischen Amte in Spanien in Verbindung setzte, worauf er von diesem unter dem Titel eines Adelantado die Ermächtigung erhielt, jene Länder zu erobern. Er verpflichtete sich zu gleicher Zeit, die Küsten weiterhin zu erforschen und namentlich nach einer Meeresstraße auszuspähen, welche den östlichen und westlichen Ocean verbinden sollte.
Im Jahre 1526 segelte er mit sechs Schiffen und 500 Mann nach dem Jordanflusse; bei der Einfahrt in denselben ging sein Hauptschiff sammt allen Vorräthen unter. Die indianischen Dolmetscher, welche man zur Verständigung mit den Eingeborenen mitgebracht hatte, entflohen und ließen die Spanier rathlos am Strande, dessen niedriger, unfruchtbarer Boden ihren Erwartungen keineswegs entsprach. Man versuchte etwa 40 Meilen weiter nordwärts bessere, günstigere Verhältnisse zu finden, ging dahin unter Segel und lief in einen seichten Fluß ein, dessen Barre nur mittelst der Flut zu passiren war. Das Land war fruchtbarer, aber auch ungesund. Viele der neuen Ankömmlinge starben noch in demselben Sommer; im Herbst (18. October) 1526 erlag auch Ayllon, und nun hielt sich die auf 150 Mann zusammengeschmolzene Schar nicht weiter verpflichtet, sondern verließ den ungastlichen Strand und kehrte nach Westindien zurück. Lange Zeit noch heißt diese Gegend auf den Karten Ayllon’s Land, aber weitere Colonisationsversuche wurden nicht gemacht.
Die Nordküste des mexikanischen Golfes enthüllt zu haben, ist das Verdienst des Statthalters von Jamaica, Francisco de Garay, welcher bereits[S. 409] die zweite Fahrt des Columbus mitgemacht hatte und nun von dessen Sohne mit der Verwaltung von Jamaica betraut war. Garay entsandte den tüchtigen Capitän Alonso Alvarez de Pineda mit vier Schiffen, um einen größeren Golf oder eine Meeresstraße in dem Festlande zu entdecken.[415] Pineda begann seine Küstenaufnahme am Nordende der Halbinsel Florida bei der Apallacheebucht und verwendete, alle Krümmen der Küste genau vermessend, 8 bis 9 Monate darauf, ehe er an die Grenzdistrikte von Mexiko gelangte. Das Land war anmuthig, die Indianer, welche mit den Seefahrern friedlich verkehrten, nannten es Amichel. Man berührte eine größere Anzahl indianischer Ortschaften, glaubte auch in den Flüssen Spuren von Gold zu entdecken, war entzückt, dieses Metall bei den Eingeborenen vielfach als Schmuck verwendet zu finden und lief auch mehrere Meilen weit in einen mächtigen Strom hinein, dem der Name Rio del Espiritu santo ertheilt wurde. Ohne Zweifel haben wir in diesem „Heiligengeist-Flusse“ den Mississippi vor uns. Dort blieb die Flotille 40 Tage. Daß die Entdecker in der Freude über ihren Fund die Natur des Landes zu günstig beurtheilten, oder in Bezug auf das Vorkommen von Gold sich angenehmen Selbsttäuschungen hingaben, hat sich zu oft wiederholt, um besonders aufzufallen; allein wenn sogar auch die einheimischen Menschenstämme in Giganten und Zwerge zerfallen sollten, so wären solche Berichte wohl geeignet gewesen, besonneneres Urtheil und ruhige Erwägung zu veranlassen, sofern es sich um weitere Ausdehnung der Eroberungspläne handelte; allein grade das Wunderbare in diesen Berichten lockte an und reizte die Habgier der Spanier.
Pineda fuhr vom Mississippi bis in die Gegend von Vera Cruz, wo bei einer Landung ein Theil seiner Leute dem Cortes in die Hände fiel. Hier mußte bald eine bestimmte Grenze zwischen dem Garay-Lande und Cortes-Lande (Mexiko) gezogen werden. Die Krone Spaniens entschied, daß der Rio Panuco (Tampico) die Gebiete der beiden Eroberer scheiden solle. Im Jahre 1523 ging nun Garay selbst mit elf Schiffen und bedeutender Mannschaft nach dem Palmenflusse, nördlich von Panuco, um dort eine Niederlassung in der Nähe von Mexiko zu gründen. Aber kaum waren die Truppen gelandet, so lief bereits ein Theil zu Cortes über, unter dessen Fahnen mehr Beute in Aussicht stand. Garay selbst mußte sich seinem glücklichen Rivalen ebenfalls ergeben, blieb im Lande und starb in Mexiko. Nach seinem Tode verlieh der König von Spanien die nördliche Golfküste an Narvaez.
Pamfilo de Narvaez faßte 1528 die Eroberung dieses Gebietes von neuem ins Auge. Cortes gegenüber hatte er zwar eine empfindliche Schlappe erlitten und in dem nächtlichen Kampf ein Auge verloren; allein sein Unternehmungsgeist erwachte wieder. Sein Name hatte immer noch Klang genug, um Mannschaften, welche das Abenteurerleben nach der neuen[S. 410] Welt hinübergeführt hatte, unter seiner Fahne zu sammeln. Er ging mit 400 Mann und 80 Pferden in vier Schiffen nach dem Hafen Sa. Cruz in Florida, wahrscheinlich an der Tampa-Bai, 28° n. Br., hinüber, landete mit 300 Mann und zog, während die Schiffe an der Küste folgen sollten, parallel dem Meeresstrande nordwärts und ins Innere. Am 26. Juni erreichte er die Indianerstadt Apalachee (der Name haftet vielleicht noch an der Apalacheebai im Norden von Florida), rastete dort fast vier Wochen und zog von da weiter nach Aute. Nachdem sie von hier aus mehrere Tagereisen weite Streifzüge nach Westen unternommen hatten, ohne dabei Gold oder Anzeichen dieses begierig gesuchten Metalles entdeckt zu haben, wandten sie sich der See zu, in der Hoffnung, ihre Schiffe zu finden; aber diese hatten fast ein ganzes Jahr lang an der Küste weiter westlich nach dem ins Binnenland eingedrungenen Heere gesucht und waren dann unverrichteter Sache zum Theil nach Cuba zurückgekehrt. Einige Schiffe gingen unter. Nach langem, vergeblichem Harren, von Krankheiten und Noth bedrängt, mußte man sich entschließen, fünf Böte zu bauen, auf denen man, gegen Westen am Land hinschiffend, endlich zu spanischen Niederlassungen zu kommen hoffte. Die Schar war bereits auf 250 Mann zusammengeschmolzen. Sieben Tage ging die Fahrt am Gestade hin, man kam an der Mündung eines bedeutenden Flusses vorbei. Dann wurden vier Böte bei heftig bewegter See ans Land geworfen, während das fünfte, in dem sich der Capitän Narvaez befand, aufs Meer hinausgetrieben wurde und dort für immer verschwand. Nur ein Theil der Gestrandeten entrann dem Tode im Meer, rettete zwar augenblicklich das Leben, gerieth aber, von einander getrennt und den feindlichen Indianern gegenüber hilflos geworden, in Gefangenschaft, aus welcher nach jahrelanger Drangsal nur vereinzelte befreit wurden. Das merkwürdigste Schicksal hatte Alvar Nuñez Cabeça de Vaca, dessen Boot zunächst an eine flache Küsteninsel trieb, welche den Namen Malhado (Unglücksinsel) erhielt. Von hier rettete er sich aufs Festland, verlor noch mehrere von seinen Begleitern, bis ihm nur noch drei Genossen: Andres Dorantes, Alonso del Castillo Maldonado und ein Mohr, Namens Estebanico erhalten blieben. Es gelang ihnen durch einige glückliche Krankenheilungen das Vertrauen der Indianer zu gewinnen, so daß sie von der Küste sich ins Binnenland retten konnten, wahrscheinlich nach dem Norden Alabama’s. Von da zogen sie gegen Westen, setzten über einen großen Fluß,[416] den Mississippi, gingen über den Arkansas, überschritten den Canadian oberhalb des großen Cañon (vielleicht in derselben Gegend, wo später die Expedition Coronado’s auf dem Marsche nach Quivira ihn berührte) und kam endlich nach langem Umherirren durch das heutige Neumexiko und Arizona nach Culiacan, in der Nähe des californischen Golfes, wo sie endlich im Jahre 1536 anlangten, von Melchior Diaz, welcher in dem seit 1532 von den Spaniern besetzten[S. 411] Gebiete als Befehlshaber stand, aufgenommen wurden und sich unter dem Schutz und der Pflege ihrer Landsleute von ihrer mühseligen Wanderung erholen konnten.
So unglücklich auch der ganze Zug des Narvaez verlaufen war, so fand er doch wenige Jahre, nachdem die geringen Trümmer seiner Schar den Boden Neuspaniens erreicht hatten, einen Nachfolger, der seinen Plan wieder aufnahm, und zwar in Hernando de Soto aus Barcarroto in Estremadura, südlich von Badajoz. Dieser ausgezeichnete Ritter hatte sich in Goldcastilien und Nicaragua hervorgethan, war dann mit Pizarro (s. unten, Cap. 29) nach Peru gezogen, war von diesem zum Generallieutenant (Teniente de Capitan general) erhoben, hatte dann aber, in folge des unerquicklichen Streits zwischen Pizarro und Almagro, das südamerikanische Goldland verlassen und war nach Spanien zurückgekehrt.
Sobald er dort mit dem Plane hervortrat, eine Expedition nach Florida zu unternehmen, lockte der glänzende Ruf seines ritterlichen Charakters so viele tüchtige Kräfte, selbst zahlreiche Hijosdalgo und Priester herbei, daß er sich bald an der Spitze eines Heeres von tausend Mann sah. Mit ihnen ging er am 6. April 1538 auf zehn Schiffen von San Lucar nach Cuba ab, vervollständigte in Habana seine Ausrüstung und landete am 31. Mai 1539 mit 900 Soldaten und 350 Pferden in der Bai von Espiritu santo auf Florida. Zufällig trafen seine Begleiter einen Landsmann, Juan Ortiz, welcher, durch die Frau des Caziken gerettet, allein von dem Heere des Narvaez noch am Leben war. Aber über das Land vermochte er nur wenig Auskunft zu geben, er hatte nur gehört, daß das Binnenland wegen seiner Fruchtbarkeit sehr gerühmt werde. Indes konnte Ortiz doch als Dolmetscher sehr nützlich werden.
Nachdem Soto zur Bewachung der Schiffe 40 Mann zu Pferde und 80 Mann zu Fuß zurückgelassen hatte, zog er mit seinen Truppen gegen Nordnordwesten ins Innere des Landes. Man stieß auf Ortschaften mit mehr als 600 Hütten, mußte auf rasch geschlagenen Brücken sich den Weg über Flüsse und Sümpfe bahnen und hatte mehrfach feindselige Begegnungen mit den Indianern, welche verpallisadirte Hügel besetzt hielten. An die Flotte ging der Befehl zurück, zunächst nach Apalachee zu segeln und von da aus 100 Meilen gegen Westen alle Buchten und Häfen sorgfältig aufzunehmen. Soto bezog seine Winterquartiere in der Landschaft Apalachee, wo man Lebensmittel genug fand. Im Frühjahr 1540 rückte er gegen Norden; seinen Truppen schickte er stets gewandte Botschafter voraus, welche von den Eingebornen nur friedlichen Durchzug zu fordern hatten. Einer der Häuptlinge, durch dessen Gebiet man zog, der Cazike von Cofachi (Cofaqui), führte als Waffe ein mächtiges, zweihändiges Holzschwert. Wiederum ging es über große und kleine Flüsse nordwärts und nordostwärts. Als man an den Xuala gelangte, hielten die Seeleute, welche an dem Zuge theilnahmen, denselben für den nämlichen, dessen Mündung an der Ostküste Ayllon mit dem[S. 412] Namen Santa Elena belegt hatte,[417] weiter nordwärts kam man in die Nähe von Kupferminen.[418] Dann scheint der Marsch mitten durch Alabama nach Westen gegangen zu sein. In der dichtbewohnten, fruchtbaren Landschaft Coça (Cossa) machten sie eine zwölftägige Rast und rückten weiter nach dem befestigten Talisse im Gebiete des Tascaluço. Dieser Häuptling war ein Riese von Gestalt. Er erbot sich, das spanische Heer eine Zeitlang zu begleiten, und bat deshalb um ein Pferd. Soto gab ihm eines von seinen Lastpferden. Als er darauf saß, reichten seine Füße fast bis auf die Erde.[419] Tascaluço führte seine Gäste verrätherischer Weise zu einer starken indianischen Festung, Mavila (Mobile), um sie dort zu überfallen. In den 80 casernenartig großen Häusern der Festung sollen sich je 1000 Krieger befunden haben. Die Spanier waren arglos in den Ort eingerückt, zogen sich aber, als sie die drohende Gefahr bemerkten, zurück und griffen von außen die Pallisadenverschanzung an, schlugen die Holzpforten mit Beilen ein und legten Feuer an die Häuser. Soto wurde im Kampfe verwundet, blieb aber im Gefecht, um seine Leute nicht zu entmuthigen. Selbst die indianischen Weiber nahmen am Kampfe theil; als aber das Feuer mehr um sich griff, sprangen die Vertheidiger von den Wällen herab und suchten sich durch die Flucht zu retten. Der Kampf dauerte neun Stunden. Die Spanier verloren 83 Mann, theils im Gefecht, theils an den Wunden, da es an jeglicher Pflege fehlte. Dazu büßte man 45 Pferde ein. Der Verlust, den die Indianer erlitten, wird auf 11,000 Mann angegeben. Mehr als 3000 Todte zählte man in den Straßen der Festung, über 4000 sollen im Feuer umgekommen sein. Den Körper des Verräthers Tascaluço fand man nicht, man nahm für gewiß an, daß er den verdienten Tod in den Flammen gefunden habe und mit verbrannt sei.
Der bedeutende Verlust, den die Spanier erlitten hatten, machte sie muthlos. Da man kein Gold fand und überall von einer feindseligen Bevölkerung bedroht war, wollte man lieber heimkehren. Soto aber wollte seinen Feldzugsplan noch nicht aufgeben, er gönnte seinen Truppen eine vierzehntägige Rast und zog dann weiter ins Land der Chikasa. Am Grenzflusse wehrten ihm die Indianer den Uebergang, aber Soto ließ zwei große Böte bauen, bemannte sie mit je 40 Schützen und 10 Reitern, ging in der Morgendämmerung über das Wasser und vertrieb die Gegner, so daß der Haupttheil seines Heeres unbelästigt folgen konnte. In dem Hauptorte der Landschaft, welchen man in vier Tagen erreichte und welcher in günstiger Lage, reichlich mit Vorräthen versehen, sich für einen längern Aufenthalt eignete, schlugen die Spanier wieder ihre Winterquartiere auf; aber allzu sorglos hatten sie versäumt, Wachen auszustellen. So wurden sie im Spätherbste von den Indianern bei Nacht überrumpelt, welche ihnen die Strohdächer der Hütten über dem Kopfe[S. 413] anzündeten. Soto, welcher stets in Waffen schlief, war zuerst auf dem Platze; aber er verlor in dem nächtlichen Kampfe wiederum 40 Soldaten und büßte 50 Pferde ein, von denen 20 verbrannten. Man mußte die Quartiere eine Meile weiter nach dem auch für die Pferde sichereren Orte Chicacolla verlegen. Wenn auch hier unablässig von den Eingebornen beunruhigt, behauptete sich Soto doch bis Ende März. Unter steten Kämpfen zog er weiter, bald nach Südwesten, bald nach Westen. Sein Marsch ging, wie es scheint, über den oberen Alabama und am mittleren Tennessee hinab, welcher an Größe dem Guadalquibir bei Sevilla glich, und führte ihn endlich an den Mississippi. In Verbindung mit einem Caziken machte das Heer, welches bereits auf die Hälfte zusammengeschmolzen war, einen Kriegszug auf 80 Canoes den Strom hinab gegen einen feindlichen Nachbarn, dessen Hauptstadt erobert und vernichtet wurde. In diesen Kämpfen wird auch zuerst der blutigen Sitte der Indianer, Skalpe zu erbeuten, Erwähnung gethan. Dann ging Soto über den Strom, fand auch jenseits noch fruchtbares Land und zahlreiche Ortschaften. Aber in der Landschaft Quigualtangui wurde der Feldherr, welcher bisher unermüdlich ausgeharrt hatte, vom Fieber ergriffen und starb am 21. Mai 1541 in seinem 42. Jahre. Auf seinem Sterbelager hatte er in Gegenwart sämmtlicher Hauptleute den Luis de Moscoso de Alvarado zu seinem Nachfolger ernannt.
Soto war sehr beliebt gewesen bei seinen Soldaten, mit denen er alle Mühseligkeiten ertragen hatte. Er wurde bei Nacht bestattet, damit die Kunde seines Todes sich unter den Indianern nicht verbreite. Der Sarg wurde in einen 19 Ellen tiefen Seitencanal des Stromes versenkt.
Am 5. Juli rückten die Truppen in großen Tagemärschen nach Westen, 100 Meilen weit durch unfruchtbares Steppenland, dann durch Wüsteneien, in denen sich selbst die indianischen Führer verirrten. Da die Lebensmittel ausgingen und der neue Heerführer die ermatteten Soldaten nicht der äußersten Gefahr in den menschenleeren Wildnissen aussetzen wollte, so ordnete er im Angesicht der hohen Gebirge (man hatte also den östlichen Fuß der Felsengebirge erreicht) den Rückzug an, um den großen Strom wieder zu erreichen. Viele Soldaten fielen auf dem Marsche, der Winter kam heran, die Lebensmittel mußten mit Blut erkämpft werden. In den Niederungen des Mississippi mußten sie mehreremale, weil sie nachts keine geeigneten Lagerplätze fanden, die Reiter zu Pferde bleibend, die übrigen Soldaten, bis an die Knie im Wasser stehend, den Morgen erwarten. Barfuß und in Thierfelle gehüllt, — denn die europäische Kleidung war zerfetzt und zerfallen, — erreichten die Trümmer des Heeres im Winter, Ende November, den großen Strom wieder, etwa 16 Meilen oberhalb der Stelle, wo sie ihn im Sommer überschritten hatten. Man setzte sich an einem von tiefen Wassergräben umzogenen Orte mit Gewalt fest und behauptete sich dort für den Winter. Eine Musterung ergab nur noch 320 Mann Infanterie und 70 Pferde; aber in folge der entsetzlichen Strapazen starben während des Winters noch[S. 414] manche, unter ihnen auch Juan Ortiz, dem es nicht vergönnt sein sollte, nachdem er so vielen Gefahren und jahrelangen Mühen entronnen war, die Heimat wieder zu sehen. Von einem benachbarten Häuptlinge mit Lebensmitteln und Decken versorgt, brachte man so den letzten traurigen Winter zu, nur noch belebt durch die Hoffnung, auf dem Wasserwege ans Meer und wieder zu spanischen Colonien zurückgelangen zu können. Im März und April bauten sie sieben feste Böte, welche vorn und hinten gedeckt waren. Aber die gewaltigen Frühjahrsfluten des Riesenstromes verzögerten noch wochenlang die Abfahrt. Das Wasser begann am 10. März zu steigen und überschwemmte vom 20. April an das ganze, weite Flußthal, so daß noch am 20. Mai die Straßen des Ortes nicht gangbar waren. Erst am Johannistage waren die Böte mit Vorräthen hinlänglich versorgt, und in den letzten Tagen des Juni konnte man sich einschiffen. In jedem Boote befanden sich etwa fünfzig Spanier und vier Indianer (Männer und Weiber), welche freiwillig die Fahrt mitmachten. Die Vorbereitungen waren den südlichen Anwohnern des Stromes nicht entgangen, sie beschlossen den Fremden den Durchzug zu wehren. Mit 1000 Kriegscanoes, darunter manche mit 25 Rudern an jeder Seite, versperrten sie den Spaniern die Wasserstraße. Die Krieger waren meist schwarz und blau bemalt, und die Canoes trugen die entsprechende Farbe. Die spanischen Böte mußten sich mitten durch die übermächtige feindliche Flotte den Weg bahnen, Verfolgung und Kampf dauerte zehn Tage lang, wobei mancher Spanier noch das Leben einbüßte. Dann erst konnten sie ungehemmt weiter segeln. Der Strom wurde so breit, daß man von der Mitte aus kaum die niedrigen Ufer sehen konnte. Am 19. Tage der Fahrt erreichten sie das Meer und beschlossen nun, ohne Compaß und ohne Karten, am Gestade nach Westen steuernd, zu versuchen, ob sie Neuspanien fänden. Einen Tag lang war das Meer von den Fluten des Mississippi noch mit süßem Wasser bedeckt. Dreiundfünfzig Tage segelten sie am Lande hin, ergänzten ihre Vorräthe durch ergiebigen Fischfang und nahmen von Zeit zu Zeit an der Küste frisches Wasser ein. Gegen das Ende der im allgemeinen äußerst günstigen Fahrt wurde die Flottille von Sturm und heftigen Regengüssen überfallen, welche die Böte zu füllen und zu versenken drohten. Ohne Schlaf und Speise mußten die Seefahrer 26 Stunden bei ununterbrochner Arbeit ausharren, ehe es ihnen gelang, einen Landungsplatz zu finden. Da sie hofften, nun endlich bald in das Gebiet von Neuspanien zu gelangen, so verließen sie ihre Schiffe und marschirten am Strande gegen Süden. Nach einer Wanderung von 13 oder 14 Meilen war die ganze Schar von Entbehrungen und Hunger so erschöpft, daß man sich lagern mußte. Fast am Ziel und doch, wie es schien, noch dem Untergange geweiht. Da erbot sich Gonzalo Quadrado Xaramillo mit noch einem Genossen, nur mit Schwert und Schild bewaffnet, barfuß, nachts die Gegend zu durchstreifen, während die übrigen sich der Ruhe hingaben. Bald traf er Indianer an, von denen er erfuhr, daß sie nicht fern von Panuco, also[S. 415] bereits auf neuspanischem Boden sich befänden. Der Gouverneur nahm die halbnackten, in Thierfelle gekleideten Landsleute, welche mit ihren verwilderten Bärten mehr den Wilden als civilisirten Menschen glichen, freundlich auf und schickte eine Botschaft an den Vicekönig Mendoza, welcher sie sofort mit allem Bedarf an Kleidung, Lebensmitteln und Arznei versehen ließ.
Manche von den Abenteurern kehrten nach Spanien zurück, für immer von ihrem Entdeckungsfieber geheilt, andere blieben in Mexiko, wieder andere ließen sich für Peru anwerben, einzelne traten in einen geistlichen Orden ein. So lösten sich die Trümmer des stattlichen Heeres, welches Soto einst hinausgeführt hatte, wieder auf und trugen durch ihre abschreckenden Berichte dazu bei, daß das Mississippigebiet nicht wieder zum Ziel spanischer Eroberungsgelüste ausersehen wurde.
Nach der Eroberung Mexiko’s blieben die Blicke noch jahrzehntelang auf das unbekannte Gebirgsland im Norden gerichtet. Die Fahrten, welche im westlichen Meere schon von Cortes selbst angeregt waren, hatten eine unendlich weite Erstreckung des Festlandes mit bedeutenden Gebirgszügen im Norden nachgewiesen. Im Binnenlande rückte man in die öderen Striche des neuspanischen Vicekönigreichs nur langsam nach Norden vor. Es bedurfte besonderer, lockender Aussichten, um die dort beginnenden Wüsteneien zu durchbrechen. Der Präsident des königlichen Gerichtshofes in Mexiko, welcher von 1528–31 die Civilverwaltung des reichen Pflanzlandes leitete, Nuño de Guzman, hatte schon im Jahre 1530 von einem Indianer Mittheilungen erhalten über ein im Norden liegendes Land Tejos (Texas?), wo er sieben Städte wollte besucht haben, jede so groß wie Mexiko, in denen ganze Straßen mit Juwelierläden besetzt seien. Der Weg dahin führe 40 Tage durch eine Wüste. Guzman beschloß mit 400 Spaniern und 2000 Indianern sich dahin einen Weg zu bahnen; aber er fand, indem er sich vornehmlich an den westlichen Terrassen des Hochlandes nordwärts bewegte, schon in Culiacan, südlich von 25° n. Br., so bedeutende Schwierigkeiten, daß er von seiner Unternehmung abstand und sich dabei begnügte, Culiacan zu colonisiren. Dieser Ort bildete in der Folgezeit den Ausgangspunkt mehrerer Expeditionen in die nördlichen Regionen. Die Fabel von den goldreichen Städten tauchte 1536 von neuem auf, als die letzten Ueberbleibsel der Expedition des verunglückten Narvaez, Nuñez Cabeça, Dorantes, Maldonado und der Mohr Estebanico sich nach Neuspanien zurückgefunden hatten. Sie behaupteten, es gäbe im Norden Städte, deren Häuser sechs bis sieben Stockwerke hätten, und die Thürgewände seien mit kostbaren Steinen geschmückt.
Im Auftrage des Vicekönigs Antonio Mendoza (1535–57) schickte Coronado, welcher damals Commandant in Culiacan war, den Priester Marcos de Niza nebst einem Franciskaner Fray Onorato und Estebanico[S. 416] im Frühling 1539 nach Norden.[420] Onorato blieb schon in Sonora wegen Krankheit zurück. Die andern zogen mit einigen Indianern weiter. Der Mohr wurde auf Kundschaft vorausgeschickt. Je weiter man nach Norden durch die sporadischen Ansiedlungen der Indianer vorwärts drang, um so bestimmter lauteten die Angaben über eine große Stadt Cibola. Bald aber erhielt Marcos de Niza die Trauerbotschaft, Estebanico sei bei seinem Eintritt in die Stadt getödtet worden; wie sich später herausstellte, war er als ein Opfer seiner Lüsternheit und Habgier gefallen. Marcos konnte seine indianische Begleitung nur durch Geschenke bewegen, ihm so weit zu folgen, bis er die Wunderstadt mit eignen Augen, wenn auch nur aus der Ferne, sähe.
Es gelang ihm in der That, so weit vorzudringen. Er sah die Stadt in einer Ebene, am Abhange eines runden Hügels. Ob er sich selbst täuschte oder ob der Eindruck aus der Ferne ein größerer wurde: Marcos hielt die Stadt für ansehnlicher und größer als Mexiko. Gern hätte er die Stadt selbst besucht, allein bedenkend, daß, wenn er getödtet werde, alle Kunde seiner Entdeckung verloren ginge, stand er davon ab. Auf der Höhe, wo er stand, thürmte er einen Steinhaufen auf, errichtete darüber ein kleines Kreuz und nahm im Namen des Vicekönigs von dem Lande Besitz. Dann kehrte er zurück und stattete noch im September desselben Jahres dem Vicekönig in Mexiko Bericht ab. Coronado, mit welchem Marcos in Guadalajara zusammengetroffen war, schickte noch im Herbst den Capitän Melchior Diaz ab, weil ihm die Erzählung des Priesters nicht hinreichend beglaubigt schien. Aber Diaz konnte wegen der eintretenden Winterkälte in den wenig bewohnten Regionen nicht ans Ziel gelangen, sondern mußte sich in seinem Bericht, den er am 20. März 1540 an Coronado abgehen ließ, auf die unterwegs gemachten Erkundigungen stützen. Wenn nun auch dadurch die überschwenglichen Schilderungen des Pater Marcos etwas gedämpft wurden, so mußte er doch die Existenz von sieben merkwürdigen Städten, deren vornehmste Cibola war, bestätigen.
Diese Thatsachen bestimmten sodann den Vicekönig, ein ansehnliches Heer unter Coronado[421] zur Erweiterung seiner Herrschaft nach Norden zu entsenden. Dieser brach im Frühjahr 1540 mit einem Heere, welches an Spaniern und Indianern über 1000 Mann zählte, von Mexiko auf und ging über Compostella nach Culiacan. Da von hier aus der Weg beschwerlicher wurde, so mußte eine kleine Schar immer vorausgesandt werden, um die Gegend zu erforschen. Auch begleiteten zwei Schiffe unter Pedro de Alarcon die Expedition, indem sie möglichst nahe sich an der Küste hielten.[S. 418] Der Marsch ging von Culiacan im allgemeinen nach Nordwesten bis etwa zum 30° n. Br. und richtete sich dann nach Norden und später nach Nordosten. Man durchschnitt das Thal von Sonora und wandte sich vom Rio de S. Ignacio nordöstlich ins Gebirge, um den oberen Lauf des Rio Sa. Cruz (Nexpa) zu erreichen, an dessen Ufer man zwei Tage abwärts und später über die öden Flächen zum Rio Gila gelangte, welcher, weil man auf Flößen übersetzte, den Namen Rio de las balsas erhielt. Dem südwestlichen Steilabfall des Coloradoplateaus ausweichend, führte der Weg in östlicher Richtung über einen mit Fichten bestandenen Berg. Ueber grasige Ebenen, Schluchten und ödes Bergland ging es weiter nach Nordosten, bis man Cibola erreichte. Die Truppen hatten den Weg sämmtlich zu Fuß gemacht, jeder Mann trug seinen Bedarf an Lebensmitteln selbst, auch die Pferde waren beladen. Vierzehn Tage nach Ankunft der Vortruppen langte auch das Hauptcorps an; aber das erreichte Ziel, Cibola, brachte große Enttäuschungen, man verwünschte die übertriebenen, lockenden Schilderungen des Marcos de Niza und erklärte spöttisch, manche Farm in Neuspanien mache einen stattlicheren Eindruck als dieser Ort, der aus Stein und Lehm auf einen Felsen gebaut, höchstens 200 Krieger bergen könne. Mit leichter Mühe wurde der Ort gestürmt und die Indianer verjagt. Das Land war kalt und hoch gelegen, der Boden sandig und nur spärlich mit Grün bedeckt. Die Indianer waren in baumwollne Tücher oder in Thierfelle ärmlich gekleidet. Schätze durfte man hier nicht erwarten und die herrlichen sieben Städte, von denen gefabelt war, bestanden in kleinen Ortschaften (pueblozuelos), die in einem Umkreise von etwa sechs Meilen den Hauptplatz umgaben.
Wo lag Cibola, dessen Namen wir auf modernen Karten vergeblich suchen? Zahlreiche nordamerikanische Gelehrte und Reisende haben sich mit der Frage beschäftigt.[422] Cibola ist das heutige Zuñi am Zuñiriver, welcher sich durch den kleinen Colorado in den Colorado del Occidente ergießt. Es liegt im Territorium von Neu-Mexiko nahe der Grenze von Arizona unter 35° n. Br. Nach der Angabe von Simpson (p. 324) erscheint Zuñi aus einer Entfernung von drei Meilen als ein niedriger brauner Felsrücken in baumloser Umgebung. Das Flußbette ist 150 Yards breit, aber das Wasser nur sechs Fuß breit und einige Zoll tief. Die Stadt ist terrassenartig gebaut, jedes Stockwerk der Häuser — in der Regel sind es drei — tritt nach oben weiter zurück und läßt für eine Plattform Raum. Die aufsteigenden Gassen sind sehr enge. In der Umgebung von Zuñi finden sich noch, am Rio Vermejo, die Ruinen von sechs Pueblos, alle dicht zusammen. Daß Zuñi und Cibola identisch sind, geht auch aus dem Ausspruche Antonio’s de Espejo hervor, welcher 1583 das Gebiet besuchte und erklärt, die Spanier unter Coronado[S. 419] hätten dem von den Indianern Zuñi benannten Orte den Namen Cibola gegeben.[423]
Während das Hauptheer nach Cibola marschirte, hatte Coronado schon vom Sonoraflusse aus den Capitän Melchior Diaz mit 25 Mann ans Meer hinabgesandt, um die Schiffe Alarcon’s aufzusuchen und ihm, womöglich, Verhaltungsmaßregeln für seine weitere Fahrt zu geben. Diaz zog an dem östlichen Strande des californischen Meerbusens gegen Norden, bis er an das Ende des Golfes kam. Da er aber von den Schiffen nirgends eine Spur fand, ging er an dem dort mündenden Strom weiter, bis er einen mächtigen Baum fand, in dessen Rinde die Nachricht eingegraben war, daß Alarcon bis dahin mit seinen Schiffen gekommen sei und am Fuß des Baumes einen Brief niedergelegt habe. Der Inhalt des Schreibens ergab, daß Alarcon hier längere Zeit gewartet und dann, da er mit seinen Schiffen nicht weiter vordringen, also nicht mehr in der Nähe Coronado’s bleiben konnte, den Rückweg angetreten habe. Alarcon war am 9. Mai 1540 vom Hafen Natividad ausgesegelt, hatte von Jalisco aus noch einen Transport mit Vorräthen für die Truppen mitgenommen und war im August an das Nordende des Meerbusens gelangt. Mit Böten war er noch 85 Meilen weit den Colorado, welchen er Rio de buena guia nannte, hinaufgegangen und hatte alles versucht, um sich mit Coronado in Verbindung zu setzen, aber vergeblich. Er sah sich zur Umkehr genöthigt. Sein Pilot Domingo del Castillo entwarf eine Karte[424] von den Küsten des Golfes und bewies damit, daß das westliche Land, Niedercalifornien, eine Halbinsel sei. Später hat allerdings lange und bis über die Mitte des vorigen Jahrhunderts hinaus die falsche Vorstellung geherrscht, als sei Californien eine Insel.
In der Nähe des Colorado kam Diaz durch einen unglücklichen Zufall ums Leben und seine Mannschaft kehrte nach Mexiko zurück.
Inzwischen hatte Coronado von Cibola aus, wo er vorläufig sein Standquartier nahm, zunächst die umliegenden Ortschaften unterwerfen lassen und dann nach verschiedenen Richtungen einzelne Truppentheile in entfernte Regionen zur Erforschung der Länder entsendet. In der Landschaft Tuzan oder Tuçaya hörten die Spanier von einem großen Flusse im Norden. Diesen Strom aufzusuchen zog Garcia Lopez de Cardenas aus. Er ging mit seiner kleinen Schar über das Coloradoplateau und trat dann, bestürzt über den wilden Abgrund, an den Rand des großen Colorado-Cañons. Eine Welt in Trümmern, ein von klaffenden Spalten zerrissener Felsboden, auf dessen Grunde allein das spülende und grabende Wasser arbeitet, zeigte sich hier den erstaunten Blicken, wie sie in solcher Großartigkeit in keinem Erdtheil wieder auftritt.[425] Die Spanier unter Cardenas meinten, die Stromschluchten[S. 420] seien drei bis vier Meilen tief, neuere Messungen haben die Tiefe des großen Cañons auf etwa 100 Meter bestimmt. Drei Tage lang irrten sie am Plateaurande umher, nach einem Passe ausspähend, der sie zum Wasser hinunterführe, umsonst. Einige Wagehälse versuchten zwischen dem zerklüfteten Gestein hinabzuklettern, mußten aber unverrichteter Sache zurücksteigen. Sie versicherten, daß einige Felsen, die von oben gesehen etwa Mannesgröße gezeigt hätten, in der That höher als die Cathedrale von Sevilla gewesen seien. Cardenas trat vor dieser unbezwinglichen Naturschranke den Rückweg an. Er hatte zuerst den großartigsten Theil des mittleren Colorado gesehen.
Eine andere Schar ging unter Hernando d’Alvarado von Cibola nach Osten; jenseits der Zuñigebirge trafen sie wieder auf mehrere indianische Ortschaften, welche in ähnlicher Weise, wie Cibola angelegt waren. Unter diesen war namentlich Acuco (jetzt Acoma)[426] durch seine Lage auf einem zerklüfteten Sandsteinfelsen merkwürdig. Auf der Nordseite hat der Wind den Sand so hoch angehäuft, daß man auf demselben fast bis zur Höhe hinaufsteigen kann. Dann bleibt aber noch der nackte Fels zu erklimmen; in einer engen Spalte windet sich der Pfad hinauf, den die Indianer durch eingezwängte Holzstufen bequemer gemacht haben. Alvarado mußte mit seinen Leuten auf Händen und Füßen den Felsen erklettern. Diese Felsendörfer lagen in der Nähe eines Flusses, der gegen Südosten floß und sich bald mit einem größeren nach Süden ziehenden Strome vereinigte. Bis nach Cibola hin hatten alle Stromrinnen vorwiegend eine westliche Richtung gezeigt. Die Bedeutung dieser hydrographischen Verhältnisse entging dem Scharfblick des Capitän Jaramillo nicht. Treffend bemerkt er in seinem Bericht: „Alle Gewässer, Flüsse und Bäche, welche wir bis Cibola oder noch ein paar Tagereisen weiter antrafen, laufen zum Südmeere (d. h. zum großen Ocean), von da ab aber zum Nordmeere (d. h. zum mexikanischen Golfe).“[427] Mit der größten Sicherheit erkennen wir daraus, daß die Expedition die Wasserscheide zwischen dem Colorado del Occidente und dem Rio grande del Norte überschritten[S. 421] hatte und sich nun im Gebiet des letzteren befand. Auch dieser Strom wurde überschritten und in der Landschaft Tiguex vereinigte sich Coronado wieder mit dem vorausgegangenen Alvarado. Weiterhin wurde der östliche Nebenfluß des Rio grande, der Rio Pecos, erreicht; denn der Häuptling, welcher hier in einer festen Stadt, Namens Cicuyé, hauste, sollte begehrenswerthe Schätze besitzen. Auf diesen waren die Spanier durch einen Indianer aufmerksam gemacht, welcher viel von gold- und silberreichen Städten zu erzählen wußte. Dort, berichtete er, halte ein Fürst seine Siesta unter einem mächtigen, großen Baume, dessen Zweige mit goldenen Glöckchen behängt seien, damit sie, wenn er entschlummere, im Luftzuge leise erklängen. Er selbst habe einige von diesen Schellen besessen, aber der Fürst von Cicuyé[428] habe sie ihm abgenommen. Alvarado rückte nach Cicuyé, um die Glocken zu holen, fand aber keine Spur von Gold, und die Einwohner erklärten jenen Indianer für einen unverschämten Lügner. Dann nahm er zwar den Häuptling gefangen und brachte ihn zu Coronado, der ihn sechs Monate in Haft hielt, aber damit nur erzielte, daß die Indianer allenthalben sich gegen die Spanier erhoben, welche sich unter steter Unruhe den Winter über in Tiguex behaupteten. Im Mai des Jahres 1541 sollte das vielversprechende Quivira aufgesucht werden; über den Pecosfluß nach Nordosten, und am Gebirge hin über die Steppen ziehend, traf man hier mit Jagdindianern zusammen, welche ohne feste Wohnsitze (sin casas) in Lederzelten lebten und alle wichtigen Lebensbedürfnisse von der Beute an erlegten Büffeln bestritten, Nahrung, Kleidung und Schuhwerk.[429] Weiterhin begegnete man einem Indianer, welcher durch Zeichen zu verstehen gab, daß er schon Spanier gesehen habe. Offenbar bezog sich diese Andeutung auf Cabeça de Vaca und seine Genossen.
Nachdem man, wenn auch in kurzen Tagemärschen, einen Monat lang nach Nordosten gezogen war, erreichte man einen großen Fluß, dem man nach dem Tage der Entdeckung den Namen Rio de San Pedro y San Pablo (Arkansas) beilegte. Jenseits desselben stieß man wieder auf jagende Indianer, deren Wohnungen drei oder vier Tagereisen weiter hinab ins Land gegen Osten lagen. Diese Ortschaften gehörten bereits zu Quivira. Ziemlich einstimmig erklären die ältern Geschichtsschreiber, Coronado sei etwa bis zum 40° n. Br. vorgedrungen. Wenn nun Theilnehmer des Zuges, wie Jaramillo, erfreut über das frischgrüne Ansehen der Landschaft, Quivira ein prachtvolles Land nennen, wie es nicht besser in Spanien, Frankreich oder Italien zu finden, und meinen, es sei für alle Arten von Kulturen geeignet, denn man finde an einigen Bächen sogar Trauben von ziemlich gutem Geschmack, und wenn ferner dieses Land nicht mehr als gebirgig, sondern nur als hügelig und eben, von Strömen getränkt, geschildert wird, und wenn der Zug über den[S. 422] Peter-Paulsfluß hinaus zu einem noch größeren Strome gelangte, an welchem die Ortschaften sich mehrten und die einheimische, in Strohhütten lebende Bevölkerung wuchs; so darf aus allen diesen Angaben mit ziemlicher Sicherheit geschlossen werden, daß Coronado im nordöstlichen Kansas bis an den Missouri gelangte. Den Marsch noch weiter auszudehnen, versprach wenig Erfolg, denn von den edlen Metallen hatten die Indianer gar keine Kenntniß; selbst die Häuptlinge trugen nur Kupfer als Schmuck. Man nannte zwar den nachforschenden Fremdlingen noch eine fernere Landschaft Harahey; aber auch diese bot nichts Verlockendes. Dazu war bereits der Augustmonat herangekommen, man sah sich also, um nicht etwa von dem einbrechenden Winter auf den öden Hochsteppen überrascht zu werden, genöthigt, den Rückmarsch anzutreten.[430] Zum Zeichen, wie weit man gekommen sei, errichteten die Soldaten ein Kreuz und schnitten den Namen ihres Feldherrn Francisco Vasquez de Coronado in das Holz des Stammes. Den Rückweg nahm man in mehr südlicher Richtung und gerieth in noch sterilere Regionen, in denen auf den Salzsümpfen 4–5 Zoll starke Salzplatten schwammen. Nachdem man den nördlichen Theil des Llano estacado passirt, erreichte man den Pecosfluß etwa 30 Meilen südlich von der Stelle, wo man ihn auf dem Hinwege überschritten hatte. Während Coronado in Quivira weilte, waren von der Landschaft Tiguex aus Streifzüge nach Norden und Süden, flußauf und flußab gemacht. Immer traf man wieder auf die nämliche Form der Oasendörfer. Am weitesten drang man am Rio grande abwärts und fand, nachdem man vier größere Ortschaften entdeckt, schließlich eine Stelle, wo der Strom im Boden zu verschwinden schien. Vermuthlich ist damit die Gegend bezeichnet, wo unter 31° 39′ n. Br. der „große Fluß“ in seinen tiefen und unpassirbaren Cañon eintritt. Hier entzog sich derselbe ihren Blicken; doch sollte er, nach Angabe der Indianer, weiter unten im Lande noch wasserreicher wieder hervorbrechen.
Coronado hatte die Absicht, nach der Ueberwinterung in Tiguex im nächsten Frühling zeitiger einen zweiten Zug nach Quivira zu unternehmen, um womöglich noch weiter in das fruchtbare Land vorzudringen. Allein ein Unfall, welcher ihn im Turnier mit Pedro Maldonado traf — er wurde im Ringrennen aus dem Sattel geworfen und schwer verletzt — nöthigte ihn, von weiteren Plänen abzustehen. So brach er im April 1542 auf und kehrte über Cibola nach Culiacan zurück. Die theure Expedition war ohne Gewinn verlaufen, ohne Schuld Coronado’s; aber der Vicekönig empfing den berichterstattenden Heerführer in der Hauptstadt sehr ungnädig und nahm ihm die Oberleitung in dem nördlichen Theil seines Vicekönigreichs, welches man mit dem Namen Neu-Galicien bezeichnete.
Die weite, scheinbar unbegrenzte Erstreckung der Landschaften, welche[S. 423] man betreten hatte, gegen Norden, der Abschluß des californischen Golfes, hinter welchem das Land ins Unendliche nach Nordwesten verlief, gab zu eigenthümlichen Vorstellungen von der Vertheilung und Gruppirung der Landmassen, sowie zu seltsamen Vermuthungen über die Bewohner Anlaß. So vermuthete der Capitän Castañeda, die Indianer von Quivira müßten aus Großindien stammen, weil ihre Sitten und Lebensformen so gänzlich von den bisher beobachteten Erscheinungen indianischen Lebens abwichen. Nach Uebersteigung der Gebirge, meinte er, seien sie dem Laufe der Flüsse, wie z. B. des Rio grande, nach Süden gefolgt. Es müsse in dem Lande, von wo die Indianer eingewandert seien, große Reichthümer geben; dieses Land müsse theils im äußersten Gebiete von Ostindien liegen, theils in jenem weiten Binnenlande zu suchen sein, welches sich fast von China bis Norwegen erstrecke.
Nach diesen Vorstellungen setzte sich also die Westküste Amerika’s mit Asien in Verbindung, während der Ostrand der neuen Welt über Florida und Grönland nach Norwegen liefe. Uebrigens waren derartige Anschauungen nicht etwa dem müssigen Kopfe eines ungebildeten Kriegsmannes entsprungen, sie wurden auch in Europa getheilt, und so findet sich ein klares Bild dieser tellurischen Träume auch in der 1562 zu Venedig erschienenen Geographia Claudii Ptolemaei auf der Carta marina nuova tavola.
Wie lange solche trügerische Vorstellungen selbst unter den Gebildeten sich noch erhalten konnten, dafür gibt den sichersten Beleg ein Ausspruch Lorenzana’s, des Erzbischofs von Mexiko, welcher noch 1770 darüber im Dunkeln ist, ob nicht Mexiko einerseits mit China, andererseits mit Grönland zusammenhänge.[431]
Ueber die Beziehungen zur asiatischen Küste brachte auch die Expedition Juan Rodriguez Cabrillo’s keine weitere Aufklärung. Derselbe wurde bald nach der Rückkehr Coronado’s mit mehreren Schiffen auf die Westseite der Halbinsel Californien gesendet, und kam im Sommer 1542 an der Cedros-Insel (28° n. Br.) vorbei, wahrscheinlich bis zu den südlichen Ausläufern der Sierra nevada, denn er sah, angeblich unter 40° n. Br., hohe schneebedeckte Gebirge. Nachdem Cabrillo während der Ueberwinterung im Hafen bei der Insel Posesion an den Folgen eines unglücklichen Sturzes das Leben verloren hatte, versuchte sein Nachfolger, der Pilot mayor Bartolomé Ferrel, noch einige Breitengrade weiter vorzudringen und behauptete, bis zum 43° n. Br. gekommen zu sein. Doch sind diese Angaben sehr zweifelhaft und die Configuration der Festlandsküste blieb in jenen Breiten durchaus unklar.
Man suchte hier im Norden nach einer Straße, welche zum atlantischen Ocean hinüberführen und etwa bei Neufundland ausmünden sollte. Denn es war eine weitverbreitete Ansicht, daß, der eingebildeten Gleichförmigkeit wegen, im Norden eine ähnliche Wasserverbindung bestehen müsse, wie sie im Süden durch Magalhães aufgefunden sei. Dieser postulirten Straße, welche zwischen 1560 und 1570 den Namen Anianstraße erhielt, schrieb man militärische Wichtigkeit für Spanien zu und noch im Jahre 1602 schickte Philipp III. von Spanien Schiffe aus, um dieselbe zu besetzen, damit nicht ungebetene Gäste, Engländer oder Franzosen, auf diesem Wege den Westküsten der neuen Welt unliebsame Besuche abstatten könnten; aber die Straße wurde nicht gefunden und der spanische Entdeckungseifer erlahmte an den Küsten Californiens etwa unter dem 43° n. Br. Den weitern Verlauf der Küsten aufzuhellen, blieb einer späteren Zeit und anderen Seemächten überlassen, denn die allgemeine Aufmerksamkeit hatte sich schon nach dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts fast ausschließlich den Entdeckungen und Vorgängen in Südamerika zugewandt.
Der Name Peru wurde zum erstenmale vernommen, als unter der Verwaltung des Pedrarias de Avila der Generalaufseher der Indier Andagoya im Jahre 1522 vom Michaelsgolfe aus an der Landenge von Panama einen Entdeckungszug an den Küsten nach Süden unternahm und dabei in eine kleine Landschaft Biru gelangte, von welcher das weiter südlich gelegene mächtige Inkareich seinen Namen Peru bei den Europäern erhielt.[432] Er traf in dem dicht bewohnten Lande eine kriegerische Bevölkerung, drang aber doch in das Land ein und konnte manche werthvolle Nachricht über den weitern Süden und den dortigen mächtigen Staat sammeln. Ein Fall aus dem Boot ins Meer, wobei er fast ertrunken wäre, machte ihn unfähig, seine Entdeckungen weiter südwärts auszudehnen. Er legte daher die Fortführung der Unternehmung in die Hände Pizarro’s; allein es verging noch ein Jahr, ehe dieser die Mittel fand, seine Pläne ins Werk zu setzen. Aber seit dieser Zeit bezeichnete man alle Fahrten nach Süden mit dem Ausdruck „Expeditionen nach Biru“, und je weiter sich vor den unermüdlichen Entdeckern die Küste nach Süden erstreckte, um so größere Ländermassen faßte man unter dem Namen „Peru“ zusammen.
Werfen wir zunächst einen Blick auf den mächtigen und ausgedehnten Staat, welchen der spanische Abenteurer, nur von wenigen Genossen unterstützt, zu zertrümmern und zu unterwerfen trachtete.
Auf dem Rücken der Cordilleren, des längsten Kettengebirges der Erde, im Westen von den Fluten der Südsee bespült und nach Osten sich in den Schatten unermeßlicher Urwälder verlierend, dehnte sich der Staat der Peruaner von Neu-Granada oder Columbia bis nach Chile aus. Die herrschenden Stämme waren die Quechuá und Aymará. Die Küste der Südsee zeigt wenig Gliederung, besonders in den südlicheren Theilen, aber während sie im Norden, von Panama bis über den Aequator hinaus, unter der Wirkung reichlicher Regengüsse mit feuchten Urwäldern bedeckt ist, über welchen in weiterer Ferne die majestätischen Ketten der Anden sichtbar werden, nimmt an der Nordgrenze des heutigen Staates Peru das Gestade einen andern Charakter an und verläuft mit zunehmender Dürre ungegliedert gegen Südosten. „Dürftig und düster ist die Natur, die den Reisenden bei dem Anblick des Landes der Sonne und dem Reiche der Inka’s empfängt, des Landes abschreckende Unfruchtbarkeit scheint sich schon aus dem einförmigen zwischen Braun und Grau liegenden Colorit zu ergeben. Ein flaches Land, das nur langsam nach dem Innern zu sich erhebt, wird durch einen weißlichen Sandstreifen des Gestades begrenzt. So weit das Auge trägt, ergrünt kein Baum auf den öden, steinigen Flächen. In größerer Entfernung erheben sich in dem Gewande einer Dürre, welche diejenige des Vordergrundes noch übertrifft, die niedrigen Felsberge, welche die ehemalige Grenze des Oceans bezeichnen.“[433] Eine trübe, schwere Wolkenbank hängt fast beständig über dem Lande, so daß man selten den Anblick der Cordilleren genießt. Zerreißt der Flor, dann haben diese Berge, in Stufen einer hinter dem andern aufsteigend, durch die Oeffnungen der Wolken gesehen, ein sehr großartiges Ansehen.[434]
Im Küstenlande, zwischen den Cordilleren und dem Ocean, wo der Regen fast völlig unbekannt ist, ziehen sich, durch sandige Einöden von einander geschieden, fruchtbare Thäler an den kurzen Gebirgsbächen von den Höhenkämmen bis an die See hernieder. Das Land zwischen den parallelen Hochgebirgsketten bezeichnet der Spanier mit dem Namen Sierra; dasselbe besteht aus weitgedehnten Hochebenen und Weideländern, welche von reichen, warmen Thälern und Schluchten durchzogen sind, deren wasserreiche Ströme sämmtlich zum Gebiet des Amazonas gehören. Inmitten dieses großartigen Gebirgslandes lag die alte nationale Hauptstadt Cuzco, für die Inkaperuaner der „Nabel“, d. h. der Mittelpunkt der Welt. Noch weiter im Süden lagert sich in malerischer Gliederung und im Osten von den Riesen des Hochgebirges[S. 426] überragt, in einer Höhe von mehr als 3800 Meter der sagenreiche Titicacasee, welcher an Ausdehnung fast die Größe des Königreichs Sachsen erreicht. Uebersteigt man von diesen Hochebenen aus die östlichen Ketten der Anden, dann gelangt man in die Region der tropischen Urwälder, die bis auf unsere Tage noch wenig erforscht und fast unbekannt geblieben sind.
Das peruanische Reich war durch stete Kriege vergrößert und umfaßte zahlreiche und verschiedene einheimische Stämme. Die Aymará, deren Sitze sich um den Titicacasee gruppirten, waren wohl das ältere Kulturvolk, wie die Tolteken in Mexiko. Daher lag auch das alte nationale Heiligthum auf einer Insel im See. Die merkwürdigsten Bauwerke der älteren Kulturepoche erhoben sich in der Nähe des Sees. Die Fürsten der Quechua führten den Titel Inka, als Begründer ihrer Dynastie gilt Manco Capac, um 1000 n. Chr. Cuzco machte er zu seiner Residenz, aber auch am heiligen Titicaca erhob sich ein fürstliches Schloß, Tiahuanaco.
Die frühere Geschichte des Inkareichs ist sagenhaft, ein helleres Licht fällt erst auf das letzte Jahrhundert vor der Eroberung. Der große Eroberer Huayna-Capac regirte von 1475 bis 1525, unter ihm erweiterte sich das Reich besonders nach Norden. Aber gerade von hier, wo die neu erworbenen Gebietstheile noch nicht fest mit dem Hauptlande verbunden waren, erfolgte der Angriff der Spanier. Die Zustände waren ähnlich wie in Mexiko bei dem Einmarsche des Cortes; aber Pizarro gewann um so leichter das Feld, weil er zu einer Zeit erschien, in welcher die Söhne Huayna-Capacs, von denen Huascar in Cuzco und Atahuallpa in Quito residirte, mit einander in einen Bruderkrieg verwickelt waren. Atahuallpa war der Sohn der früheren Fürstin von Quito, welches von Huayna-Capac unterworfen worden, und mußte daher dem legitimen Thronfolger Huascar nachstehen. Er hatte trotzdem eine Partei für sich gewonnen, war gegen seinen Bruder im Felde siegreich gewesen und befand sich auf der Heimkehr, als die Spanier ihn in Cajamarca erreichten. Seinen Bruder hatte er gefangen genommen und behauptete augenblicklich die unumschränkte Obergewalt.
Die Inkas wurden als die Söhne der Sonne bezeichnet, sie rühmten sich göttlicher Herkunft und genossen einer fast göttlichen Verehrung. Im ganzen Lande besaßen sie viele Paläste und Residenzen außer in den beiden Hauptstädten Cuzco und Quito, wie Huanuco, Jauja, Tacanga; ein Lieblingssitz war Yucay bei Cuzco. Der Palast in der Hauptstadt war 350 Schritt lang und ganz mit goldenen Ziegeln gedeckt, reich geschmückt und von großen Gärten umgeben. Die Inkas erschienen in einem prächtigen, farbenreichen Kostüm, dessen Stoff aus der feinsten Wolle gewebt und mit Gold und Edelsteinen verziert war. Ein Federstutz am buntfarbigen Kopftuche war das Abzeichen des höchsten Würdenträgers. Der religiöse Cultus, von den Aymará bereits ausgebildet, gipfelte in der Verehrung der Sonne. Daher gab es viele reich mit Gold verzierte Sonnentempel, in denen auch goldene Götzenbilder errichtet wurden. Daneben fanden auch die Gestirne und Naturerscheinungen,[S. 428] selbst Berge und Felsen, Quellen und Ströme eine religiöse Verehrung. Nach ihrem Tode wurden auch die Inkas unter die Götter versetzt. Die Priesterschaft nahm den höchsten Rang nächst dem Könige ein, die Oberpriester stammten aus fürstlichem Geblüt. Eine strenge Regel ordnete ihr Leben, welches in Zurückgezogenheit auch Fasten und Bußübungen auferlegte. Die Sonnenjungfrauen, welche gleich den Vestalinnen das heilige Feuer zu bewachen hatten, lebten klösterlich in strenger Zucht. Der Opferdienst unterschied sich vortheilhaft von dem mexikanischen, wenn auch hier in einzelnen Fällen Knaben getödtet wurden, denen man, wie bei den Azteken, die Brust mit einem Steinmesser öffnete, um das Herz herauszureißen.
Eine zweite bevorzugte Classe des Volks bildete der Adel, zu welchem einerseits alle Mitglieder der zahlreichen königlichen Familie und Verwandtschaft zählten, denen neben einer sie allein auszeichnenden Tracht auch besondere Vorrechte eingeräumt wurden und die allein auf die höchsten Staatsämter, als Oberpriester, königliche Räthe und Befehlshaber im Heere Anspruch hatten; andererseits rechnete man zu dem Adel die Curacas oder Häuptlinge der unterworfenen und dem Staate einverleibten Volksstämme, sowie die Nachkommen dieser Caziken.
Die große Menge des gemeinen Volkes entbehrte jeder freien Bewegung, jeder Selbstbestimmung. Die Berufsthätigkeit erbte in den Familien stets vom Vater auf den Sohn. Lebensweise und Tracht waren gesetzlich geregelt. Niemand konnte reich, aber auch niemand arm werden, denn das ganze Land, welches in Tempelgut, Königsgut und Staatsgut zerfiel, mußte vom Volke vorschriftmäßig bebaut werden. Die Staatsländereien wurden jährlich nach der Größe der Familien und Gemeinden neu ausgetheilt, und aus den Erträgnissen erhielt jede Familie ihren Lebensbedarf zugewiesen. Darin waren die Peruaner den Azteken in Bezug auf materielle Kultur voraus, daß sie ein werthvolles Haus- und Lastthier, das Lama, besaßen; allein die Lamaherden waren ausschließlich königliches Eigenthum, und von der Wollernte erhielt jede Familie für die Anfertigung der Kleider ihren Antheil zugemessen. In gleicher Weise war alles Gold und Silber als Staatsgut erklärt und fand seine Verwendung fast nur in der Ausschmückung der Tempel und Paläste. Außer Wolle dienten auch Baumwolle und andere Faserpflanzen zur Herstellung der Gewänder. Die Männer trugen kurze Röcke, in jeder Provinz nach vorgeschriebenen Farben; die Frauen lange, hemdenartige Gewänder, dazu Kopfbinden und Sandalen.
Der Landbau war hoch entwickelt. Man verwendete den Guano als Dünger, legte die Felder an den Berggehängen terrassenartig an und bewässerte sie künstlich durch Herbeileitung der Gebirgsbäche. Man baute Quinoahirse und Mais, Kartoffeln, Bananen und Agaven. Das Blatt des Cocastrauches wurde, zur Anregung der Nerventhätigkeit, gekaut, Tabak wurde nur geschnupft, nicht geraucht und diente als Heilmittel. Der Baumwollenbau wurde namentlich in den warmen Thälern betrieben.
Altperuanisches Gobelingewebe aus dem Todtenfelde von Ancon.
Das Ornament des Gewebes, aus dessen ganzer Fläche das hier abgebildete Stück herausgenommen ist, zeichnet in energisch stilisirender Weise einen mit hohem Schmucke versehenen menschlichen Kopf. Der Grund des Gewebes ist ein gesättigtes Roth. Das Gesicht ist in der Ansicht von vorn gezeichnet und in blaßrother Farbe ausgeführt; es wird von einer grün und gelb gemusterten Borte umgeben, erst außerhalb derselben stehen die großen Ohren. Die mützenartige Kopfbedeckung ist von einer blau grundirten Borte umsäumt; über derselben erhebt sich der schirmartige bunte Kopfschmuck mit sehr mannigfaltig gemusterten Borten. Die Innenseite der Kopfbedeckung ist in quadratische Felder getheilt, auf deren dunklem Grund kleine stilisirte Vögel gezeichnet sind. — Neben dem Gesichte in der rothen Grundfläche verbliebene kleinere Räume enthalten kleinere menschliche Figuren und andere Ornamente. — Dieses Gewebe ist eins der beachtenswerthesten aller in Ancon ausgegrabenen: es zeichnet sich durch eine gewisse Großartigkeit und einheitlichen Charakter der Ornamentirung aus und ist auch in allen Details sorgfältig und fein ausgeführt. — Die Kette besteht aus starken Baumwollenfäden, der Durchschlag aus feinster Wolle.
Die Gewerbthätigkeit lieferte beachtenswerthe Erzeugnisse. Ohne das Eisen zu kennen — denn die Werkzeuge waren aus Kupfer, Bronze oder Stein — verstand man doch vorzügliche Metallarbeiten herzustellen, lieferte lebensgroße Figuren aus Gold, Spiegel von polirtem Metall, selbst Brennspiegel; die in den schönsten Mustern ausgeführten Gewebe bekunden den ausgebildeten Farbensinn. Daß man sich sogar auf eine Art Gobelinweberei verstand, haben die Ausgrabungen von Stübel und Reiß auf dem Todtenfelde von Ancon, an der Küste nördlich von Lima, bewiesen.[435]
Der Hausbau richtete sich nach der Verschiedenartigkeit des Klimas. Im regenlosen Littoral baute man mit Luftziegeln (Adoba) und setzte[S. 431] auf die Mauern ein flaches Dach. Im Gebirge bestand die Wohnung aus Steinwand mit Strohdach. Licht fiel nur durch die Thür in den innern Raum; die Gebäude waren in der Regel nur ein Stockwerk hoch. Größere Ortschaften und Städte waren von mehreren Mauern umgeben, deren Thore nachts geschlossen wurden. Die große Festung Sacsahuaman, welche älteren Bauwerken von Tiahuanaco nachgebildet zu sein scheint, war von drei, winkelartig vorspringenden, cyklopischen Mauern umschlossen. Die Prachtbauten zeigen einen ernsten, einförmigen Stil, dem der Schmuck der Säulen fehlt. Der Drang nach bildnerischem Schaffen fand nur in strengen Formen typischer Reliefs einen rohen Ausdruck.
Weit wichtiger müssen die gewaltigen Wasserleitungen und großartigen Kunststraßen gelten, die das ganze Reich der Länge nach durchzogen und nach der Hauptstadt zusammenliefen. Die längste dieser Straßen von Cuzco[S. 432] nach Quito und Pastos, in grader Linie eine Entfernung von 225 Meilen, war 15 bis 25 Fuß breit, war mit behauenen Quadern gepflastert und zum Theil von Baumreihen beschattet. Dabei waren Schluchten ausgefüllt, Felsen weggesprengt und lange Treppenfluchten angelegt. Denn da Wagen nicht im Gebrauch waren, und Lamas allein zum Lasttragen verwendet wurden, bildeten solche Treppen für den Verkehr keine Schwierigkeit, während die spanische Reiterei dieselben nur mit Mühe überwand. Die Bergströme und Schluchten wurden auf steinernen und hölzernen oder auf Seilbrücken überschritten. Meilensteine gaben oft die Entfernungen in gleichen Abständen an. Alle drei oder vier Meilen waren Herbergen (Tambos) für die Unterkunft der Inkas und ihres Gefolges errichtet. Sarmiento, der die Inkastraßen noch in ihrer ganzen Erhaltung sah, bemerkt, Kaiser Karl würde mit aller seiner Macht nicht einen Theil dessen schaffen, was das wohl eingerichtete Regiment der Inkas über die gehorchenden Stämme vermochte. Hernando Pizarro, der gebildetste der drei Brüder, ruft aus: „In der ganzen Christenheit sind so herrliche Wege nirgends zu sehen.“ Und Alexander von Humboldt setzt hinzu: „Was ich von römischen Kunststraßen in Italien, dem südlichen Frankreich und Spanien gesehen, war nicht imposanter als diese Werke der alten Peruaner; dazu finden sich letztere nach meinen Barometermessungen in der Höhe von 12440 Fuß.“[436] Auf diesen Straßen besorgten Schnellläufer (Chasquis), ähnlich wie in Mexiko, den Postdienst und setzten den Inka von allen Vorfällen in seinem weiten Reiche auf das schleunigste in Kenntniß.
Eine Schrift besaß das Volk nicht; aber einen Ersatz dafür hatte man in den „Quipos“ (d. h. Knoten) gefunden, welche aus künstlich verschlungenen und verknüpften Schnurenbündeln aus gedrehter Wolle von verschiedener Farbe bestanden, sich in Haupt- und Nebenstränge gliederten und in mannigfachster Weise verknotet waren, so daß diese Quipo-Bündel das Gewicht eines halben Centner erreichen konnten. Die Stärke und Länge der Schnüre, die Weise der Verknüpfung, die Zusammensetzung der Farben erhielten einen conventionellen Sinn und Bedeutung. Weiß bedeutete Frieden oder Silber, Roth den Krieg oder Soldaten, Gelb entsprach dem Gold, Grün dem Mais. So konnte man aus den Quipos Tributregister (ähnlich den noch in türkischen Ländern üblichen Kerbhölzern) oder Soldatenlisten u. s. w. ablesen.
1. Umhängetasche aus Wollenstoff, deren Oeffnung durch ein eingezogenes Band zusammenzuschnüren ist; 18 cm breit.
2. Aus Riedgras geflochtenes Arbeitskörbchen, wie es zur Aufbewahrung der Spinngeräthe und anderer täglich gebrauchter Gegenstände diente. Oben auf liegen blau und roth bemalte Spindeln, darunter konische Bündel fein ausgekämmter Baumwolle, eine Spindel mit aufgesponnenem Garn und in der Ecke der Kopf einer Thonfigur. Das Körbchen ist ca. 38 cm lang.
3. Perlmutterhalsband. Die Verzierungen sind aus dünnen Perlmutterstückchen geschnitten und auf ein Stück Baumwollenzeug zu regelmäßigen Figuren aufgesetzt. 33 cm lang.
4. Ein großer aus rothen, blauen, grünen und gelben Federn gebildeter Kopfschmuck. Jede einzelne Feder ist mit Fäden an ein geflochtenes Band befestigt und alle Bänder vereinigen sich zu einem knollenartigen Stile des Federbusches.
5. Aus Stroh gefertigte, durch Wollfäden zusammengehaltene Kopfbedeckung (Tendema). In derselben wurden die Federbüsche getragen, oder auch in ihren Rand einzelne Federn eingesteckt; oberer Durchmesser 15 cm.
6. Standartenartiges Ehrenzeichen mit schwarz-rothem Wollbüschel und dem Tuche, in welches das Ganze gegen den Staub des Grabes geschützt eingeschlagen war; 94 cm lang.
7. Kleine Kürbisschale; den Rand bildet eine Vogelborde und auch die sonstige Ornamentik der Schale besteht aus Vogelfiguren; oberer Durchmesser 9–10 cm.
8. Kleiner Flaschenkürbis mit eingeritzten roth gefärbten Ornamenten; 7 cm hoch.
9. Birnförmiger Kürbis; der obere Theil dient als Deckel des unteren, von letzterem greifen zwei Vorsprünge in entsprechende Ausschnitte des Deckels ein, demselben Halt gewährend; 12½ cm hoch.
10. Eine Grabtafel. Es ist dies eine aus Rohrstäben gefertigte Tafel, überspannt mit weißem Baumwollenzeug, dessen Ränder auf der Rückseite zusammengenäht sind, und an einen oben weniger, unten mehr hervorragenden Stab gesteckt. Auf der Tafel befindet sich die in rothen und schwarzen Linien ausgeführte Andeutung einer menschlichen Gestalt. In den gleichen Farben sind die Ränder der Tafel mit einem höchst einfachen Ornament bemalt und zwischen diesem Rande und der Figur stehen, zumeist in symmetrischer Anordnung, einige Zeichen. Auf dem abgebildeten Exemplar ist die Gestalt verhältnißmäßig gut gezeichnet: An dem Kopfe ist ein großer Ohren- und Federschmuck erkennbar; Arme und Hände sind dreifingerig angedeutet; die rechte Hand hält irgend einen Gegenstand. Der Zweck der Tafeln ist vorläufig noch unverständlich: ob nur Grabesschmuck, ob Zauberformeln, ob Hindeutung auf die Lebensverhältnisse der Verstorbenen? 32 cm hoch.
11. Lanze aus festem Holze mit rautenförmiger, in der Mitte wulstig verdickter Spitze; der Schaft ist gewaltsam geknickt und umgebogen; 148 cm lang.
12. Morgensternartige Waffe: ein sechszackiger Stern von Stein mittelst Baumwollenzeug an einem langen Holzschaft befestigt; 115 cm lang.
13. Keulenartiger Stab; 105 cm lang.
14. Schleuder mit einem zur Unterlage des zu werfenden Steines dienenden Geflecht; am linken Ende die Fingerschleife. Die Schleudern wurden meist aus den Fasern der Agave, und aus Wolle und Baumwolle gemacht, doch auch aus Menschenhaaren; 192 cm lang.
15. Schleuder, zum Theil aus Menschenhaaren gefertigt, mit steifem Mittelstück, zur Aufnahme des Steines; 140 cm lang. (Die Schleudern wurden häufig auch als Kopfbinden benutzt.)
16. Bruchstück eines Trinkkruges, aus feinem Thone gefertigt (schwarz), eine wassertragende Indianerin darstellend. Dieselbe trägt als Schutz gegen die Sonne ein Tuch über dem Kopf; größte Höhe 21 cm.
17. Krug aus Thon mit konischem Boden, tief angesetzten Henkeln und oben zum Durchziehen von Schnuren eingebohrten Löchern; 21 cm hoch.
18. Rothes kannenartiges Thongefäß mit weißer Bemalung; 145 mm Durchmesser.
19. Flasche aus rothem Thon. Am Halse nach beiden Seiten hin ein menschliches Gesicht; auf der Wandung ein katzenartiges Thier, über ihm ein ausgezacktes Bogenornament; 165 mm hoch.
20. Hellfarbiges Thongefäß den Körper eines sitzenden Indianers nachbildend; die Arme und die im Knie stark gebogenen Beine sind roh angedeutet. Der Kopf bildet den Hals des Gefäßes. Der Indianer trägt auf dem Rücken ein Lama, dessen Kopf in unserer Ansicht über der Schulter sichtbar ist; 225 mm hoch.
21. Gefäß aus röthlichem Thone. Die Oberfläche ist mit einer dünnen Lage gelblichen Thones überzogen und darauf die Verzierungen in violetter Farbe aufgetragen; 25½ cm hoch.
22. Gesichtsurne. Fast kugelrundes Gefäß, auf welches als Hals ein menschlicher Kopf aufgesetzt ist, dessen Gesicht einen lachenden Ausdruck hat und von roh gearbeiteten, als Henkel dienenden Armen gestützt wird; 18 cm Durchmesser.
23. Thongefäß mit Abbildungen altperuanischer Krieger (nicht aus Ancon, sondern aus der Gegend von Trujillo); in Besitz des Dr. Macedo in Lima. Eine der vollkommensten Leistungen altperuanischer Keramik. Höhe vom Becken bis zum Helmschmuck der Deckelfigur 28 cm.
Das Kriegswesen war ebenso fest und streng geregelt, wie das bürgerliche Leben. Die Bewaffnung bestand aus Kupferkeulen und bronzenen Streitäxten, Spieße und Pfeile waren mit Kupferspitzen versehen. Auch Schleuder und Stein gehörten einer besondern Waffengattung an. Als Schutzwaffen bediente man sich baumwollner Panzer und mit Baumwolle gefütterter hölzerner Helme, welche mit Metall und Edelsteinen bei den Vornehmen geziert waren, während die gemeinen Soldaten eine Art Turban trugen. Trommeln und Hörner bildeten die Kriegsmusik. Im Felde lagerten die Truppen unter[S. 433] baumwollenen Zelten. Die Schleuderer bildeten das Vortreffen, die Keulenmänner und Axtträger standen im Mitteltreffen. Die Heere waren nach der Kopfzahl in bestimmte Abtheilungen gegliedert und zählten in großen Kriegen bis zu 200,000 Mann.
In keinem Lande der neuen Welt haben die spanischen Eroberer die alte Kultur in so rücksichtsloser Weise von dem Erdboden vertilgt, wie in Peru. Fast nur dasjenige, was die Altperuaner zu ihren Todten unter die Erde gebettet haben, ist uns erhalten, um uns von den gewerblichen Leistungen und dem Kulturgrade derselben Zeugniß zu geben. Aber das Kostbarste ist auch hier schon längst durch die habgierigen Hände der nach Schätzen suchenden und grabenden Conquistadoren vernichtet. Die Mumien der Könige, welche im Sonnentempel zu Cuzco auf goldenen Stühlen saßen, sind ihres Schmucks beraubt und zerstört, die steinernen Erbbegräbnisse der Vornehmen, deren Leichen ebenfalls balsamirt waren, sind erbrochen und ausgeplündert. Um so willkommner ist die in vierteljähriger Arbeit durchgeführte Aufdeckung des Todtenfeldes von Ancon durch Reiß und Stübel, welche uns am besten das bürgerliche Leben in alter Zeit vergegenwärtigt. Wenn der spanische Historiker Gomara uns berichtet, daß schon in dem ersten Decennium nach der Eroberung gegen anderthalb Millionen Indianer ums Leben gekommen seien, dann darf man wohl mit Recht auf eine früher viel dichtere Bevölkerung des Landes schließen. Darauf weist auch die ausgedehnte Nekropole von Ancon hin, welche ein Quadratkilometer Flächenraum an dem völlig öden Strande besetzt und trotz dieser Ausdehnung — sie war mit einer Steinmauer abgeschlossen — auch außerhalb dieser Umfriedigung stundenweit noch von Grabreihen umgeben war. In den bis zu sechs Meter tiefen Grabstätten waren bisweilen mehrere Todte in eine gemeinschaftliche Gruft gebettet. Der Leichnam wurde in hockender oder kauernder Lage eng zusammengeschnürt und in[S. 434] einen Sack von grobem Webstoff fest eingenäht, die Vornehmen waren in farbenprächtige Gewandstücke oder Tücher und Decken eingehüllt, welche von der Kunst und dem Geschmack der Bewohner zeugen und ihre Leistungen weit über den Begriff einfacher Naturvölker erheben. Allerlei Hausrath, wie er täglich in Gebrauch kam, wurde den Todten mitgegeben, seien es Waffen, Hals- und Arm-Schmuck, verzierte und bemalte Thongefäße, oder seien es die verschiedensten zum Spinnen und Weben erforderlichen Geräthschaften und Stoffe, wie buntfarbige Spindeln und gesponnene Wolle oder Baumwolle oder endlich allerlei Kinderspielzeuge; alles dieses läßt uns die Anschauung und Begabung des alten Inkavolkes erkennen; und um so tiefer ist es zu beklagen, daß diese vielversprechenden Keime einer höheren Gesittung in schonungsloser Weise zertreten wurden.
Francisco Pizarro, welcher wie (S. 424) erwähnt ist, die Pläne Andagoya’s aufnahm, suchte, da es ihm selbst an Mitteln fehlte, Genossen, welche ihn einerseits durch Geldmittel, andererseits durch ihren kräftigen Arm unterstützten. Erstere fand er durch Vermittlung eines klugen und gewandten Geistlichen, Fernando de Luque in Panama, welcher ihm auch die Bewilligung des Statthalters für seine Pläne erwirkte, letzteren bot ihm Diego de Almagro, ein Mann von dunkler Herkunft, der als Kind an einer Kirchenthür ausgesetzt gefunden worden sein soll.[437] In der Heimat hatte er nichts zu erwarten, in der neuen Welt hoffte er sich eine Stellung zu erringen. Er war ein vortrefflicher Soldat und ein so ausgezeichneter Fußgänger, daß er im dichtesten Bergwalde die Spur eines Indianers verfolgen und denselben einholen konnte, wenn derselbe auch eine Meile Vorsprung hatte.[438] Tapfer und graden Herzens war er ein Feind aller Schleichwege und Intriguen, doch wußte er seine Leidenschaftlichkeit nicht immer zu beherrschen. Pizarro rüstete zwei Schiffe zu 40 und 70 Tonnen Gehalt nebst einer kleinen Brigantine aus, und Almagro warb als Mannschaft 112 Spanier. Es war die Verabredung getroffen, daß Pizarro vorausgehen und Almagro ihm folgen solle, während de Luque durch sein Amt an der Kirche (clerigo presbitero, vicario de la santa iglesia) in Panama zurückgehalten wurde und von hier aus die Unternehmung zu fördern hatte.
1. Mit einem reichen Prachtgewande bekleidete Mumie. Allem Anscheine nach ist dies die Mumie eines in hohem Range Verstorbenen, denn sie zeichnet sich durch die Bestattung selbst, wie auch durch die reiche Bekleidung des Mumienballens aus. Der letztere enthält nämlich nicht, wie sonst, den vollständigen Körper, sondern nur die zu einem Bündelchen zusammengeschnürten Knochen desselben. Der Mumienballen, dessen Vorderansicht unsere Abbildung zeigt, ist mit grobem Baumwollenzeug überspannt und seine Form ist so, daß sie dem darüber gezogenen Prachtgewand völlig entspricht. Dasselbe ist von seinem Wollenstoff und in zwei Stücken gewebt; die Farbe der beiden breiten helleren Streifen ist goldgelb, das übrige purpurroth. Die Streifen sind mit vielen Figuren, die ein farbenprächtiges Muster bilden, reich verziert. Der Kopf ist imitirt und mit einem blau-, roth- und goldfarbigen Tuche umwunden. Unter letzterem befindet sich eine Tendema (s. Abbildung dieser Kopfbedeckung auf der Tafel „Altperuanische Geräthschaften“). Unter derselben dringen die langen, in viele Zöpfe geflochtenen Haare einer dem falschen Kopfe aufgesetzten Perrücke hervor. Diese Mumie befand sich in einem Grabe mit noch zwei anderen, aber ärmlich ausgestatteten und umgeben von mancherlei Geräthen, von denen ein Arbeitskörbchen auf unserer Abbildung sichtbar ist. Die größte Breite dieser Mumie ist 1 Meter; ihre größte Höhe 76 Centimeter.
2. Seitenansicht einer Mumie in gewöhnlicher Ausstattung. Die mehrfache Umhüllung birgt die Leiche eines Erwachsenen in hockender Stellung und auf deren Kopfe ein kleines mit Tüchern umwickeltes Kind. Der hier als Kopf sichtbare Aufsatz umschließt nicht den wirklichen Kopf, sondern ist ein Gebilde aus Kissen, einer Perrücke und einer rohen roth bemalten Gesichtsform. Der Mumienballen ist mit Stricken fest umwunden: die vier starken aus Riedgras geflochtenen Seile haben zum vorsichtigen Versenken der Mumie gedient. Größte Höhe 142 Centimeter; Schulterbreite 1 Meter, Umfang 280 Centimeter.
3. Durchschnitt einer einfachen Mumie. Diese Abbildung zeigt, wie der im Innersten des Mumienballens sitzende Todte mit den verschiedenen Hüllen umgeben worden ist.
In den meisten der Mumien finden sich Armspangen, Halsbänder, Fingerringe und schöner Kopfputz, mit welchen der Todte geschmückt worden ist.
Am 14. November 1524 segelte Pizarro mit zwei Schiffen ab und landete an der mit Sumpfwald bedeckten Küste am Flüßchen Biru. Von Sturm und Ungewitter wurden die Schiffe auf der See hart betroffen. Das eine[S. 435] Fahrzeug unter Montenegro ging nach Panama zurück, während Pizarro mit einem Theil der Mannschaft zurückblieb und allem Ungemach Trotz bot; denn er fühlte recht wohl, daß mit seiner erfolglosen Rückkehr das Unternehmen für immer begraben werde. Siebenundvierzig Tage harrte er in einem Hafen aus, welcher, da die Spanier in ihrer Noth sogar gegerbtes Leder kochen und verspeisen mußten, den Namen Hungerhafen erhielt. Mehrere Soldaten waren bereits gestorben, als man in der Nähe der Küste ein indianisches Dorf entdeckte, wo man etwas Mais und Cacao fand. Als dann das nach Panama entsendete Schiff neue Zufuhr brachte, ging Pizarro weiter nach Süden, überfiel dort eine auf einem Hügel gelegene und mit Pfahlwerk befestigte Stadt, fand dieselbe aber von ihren Einwohnern bereits verlassen. Bei einem weitern Streifzuge in der Umgebung wurde er von den Indianern überfallen, verlor fünf Leute im Gefecht und wurde selbst mehrfach verwundet. Da er sich zu schwach fühlte, den Kampf fortzusetzen, so kehrte er nun nach Panama zurück, um Almagro sich zur Hilfe zu holen. Dieser war indessen, ohne Pizarro anzutreffen oder Zeichen seiner Anwesenheit (Einschnitte an den Bäumen) zu finden, bis zum 4° n. Br. vorgedrungen, bis zum Rio de San Juan. Obwohl er in der Nähe des Orts, wo bereits Pizarro einen Kampf bestanden, gleichfalls von den Indianern angegriffen wurde und in folge einer im Gefecht erlittenen Kopfwunde ein Auge verloren hatte, ließ er sich doch nicht abhalten noch weiter zu steuern, bis er immer deutlichere Beweise von der Nähe eines großen und goldreichen Staates vor sich sah. Dann trat auch er den Rückweg an, weil er über das Schicksal seiner Genossen völlig in Ungewißheit war.
In Panama wurde nun am 10. März 1526 zwischen den drei Unternehmern Pizarro, Almagro und Luque ein förmlicher Vertrag über die Eroberung Peru’s aufgesetzt. De Luque schoß dazu wieder eine bedeutende Geldsumme (20,000 Pesos in Gold) vor, und erhielt dafür Anspruch auf ein Drittel des erbeuteten Goldes und eroberten Landes. Für Almagro und Pizarro, welche nicht einmal ihren Namen schreiben konnten, beglaubigten zwei spanische Ansiedler in Panama und ein Notar den Vertrag.
So konnte im Frühjahr 1526 auf zwei Schiffen unter der Führung des Piloten Bartolomeo Ruiz aus Moguer bei Palos und mit 160 Mann ein zweiter Zug unternommen werden. In einem Indianerdorfe an der Mündung des San-Juanflusses wurde etwas Gold erbeutet. Um noch mehr Leute zu werben, mußte Almagro mit diesem Lockmittel noch einmal nach Panama zurückkehren, während Pizarro in der Nähe des Flusses blieb.
Ruiz kundschaftete indessen die weiter südlich gelegenen Küsten aus; berührte die Insel Gallo in der Bucht von Tumaco (2° n. Br.), die Bai von S. Mateo (1° 30′ n. Br.) und erreichte endlich den Aequator. Jenseit des Cap Passado (1° s. Br.) traf er mit einer peruanischen Balsa (einem Floß mit Segeln) aus der Stadt Tumbez (3½° s. Br.) zusammen. Sein Erstaunen wuchs, als er bei dieser Gelegenheit die schön gewebten Stoffe,[S. 436] die farbigen Muster prüfen konnte und genauere Nachrichten von dem Inkareiche erhielt. Mit dieser günstigen Kunde ging der Pilot zu Pizarro zurück, und als sich auch Almagro mit 80 neu angeworbenen Leuten einfand, rückte die ganze Schar bis zur Insel Gallo vor. Die Spuren zunehmender Kultur traten, je weiter gegen Süden, um so deutlicher hervor. An einer Stelle der Küste, wo man landen wollte, sammelte sich alsbald ein Heer von 10,000 Kriegern, mit denen man den Kampf nicht aufzunehmen wagte. Auf Gallo, wohin man zurückging, theilte sich die Expedition. Almagro segelte mit dem einen Schiffe nach Panama, das andere blieb vorläufig bei Pizarro zurück. Doch da dieser sah, daß sich unter seinen Gefährten noch mancher Zaghafte befand, welcher die Kühneren hätte entmuthigen und zum Abfall bestimmen können, so beschloß der verwegene Capitän, auch das letzte Schiff mit der unzuverlässigen Mannschaft nach der Landenge zurückzusenden, und blieb, auf bessere Tage hoffend und seinem Stern vertrauend, auf der kleinen Küsteninsel zurück.
Sobald der Statthalter von Panama von diesem verzweifelten Entschluß benachrichtigt worden war, sandte er zwei Schiffe ab unter Tafur, mit dem bestimmten Befehl an Pizarro, zurückzukehren, da das aussichtslose Unternehmen nur vergebliche Opfer an Menschenleben forderte. Pedrarias war zu diesem Befehl durch einen Brief bestimmt worden, welchen einer der bei Pizarro zurückgebliebenen Leute in einem auf das letzte Schiff verladenen Baumwollenballen versteckt hatte, und in welchem die traurige Lage der Abenteurer auf Gallo drastisch beleuchtet war.
Mit den Schiffen Tafur’s hatten aber Almagro und de Luque ermuthigende Briefe an Pizarro gesandt, welche diesen aufforderten, auszuharren, da sie ihm bald Hilfe senden würden. Pizarro und sein Pilot Ruiz weigerten sich daher, nach Panama zurückzukehren. Der Capitän rief, als Tafur den Befehl des Statthalters verkündigt hatte, seine Leute zusammen und zog mit dem Schwert eine Linie in den Sand von Osten nach Westen: „Hier,“ sprach er, nach Süden weisend, „liegt Peru mit seinen Schätzen, dort Panama mit seiner Armuth. Wählt! Ich gehe nach Süden.“ Und damit überschritt er die gezogene Linie. Außer dem treuen Piloten folgten ihm noch 12 andere entschlossene Männer. Ihre Namen haben die spanischen Geschichtsschreiber uns aufbewahrt; denn ihre Entscheidung bestimmte das Loos Pizarro’s und Peru’s. Nur bis zu der 15 Meilen nördlicheren und etwas größeren Insel Gorgona, welche in Wald und Wasser Nahrungsmittel bot, wich Pizarro vorläufig zurück und hielt sich dort sechs bis sieben Monate, bis Almagro ihm in einem kleinen Schiff wenig neue Mannschaft zuführen konnte. Somit fand Pizarro wieder Gelegenheit, noch einmal weiter nach Süden vorzugehen, bis sie am südlichen Gestade der Bai von Guayaquil die peruanische Stadt Tumbez erreichten. Die Natur der Küste änderte sich hier, statt der fieberschwangeren Sumpfwälder lag hier ein trockner, gesunder Sandstrand vor ihnen. Die Stadt, von drei Mauerringen umgeben, war [S. 438] der bedeutendste Ort im Norden des peruanischen Reiches. Der Tempel war mit goldenen und silbernen Platten belegt. Der Verkehr mit den Eingeborenen gestaltete sich friedlich. Der Spanier Molina und der griechische Ritter Pedro de Candia, in voller Rüstung, begaben sich ans Land auf Kundschaft, und letzterer zeigte den erschreckten Eingeborenen, indem er mit einer Hakenbüchse nach einem gesteckten Ziele schoß, die Wirkung europäischer Waffen. Dann wurde die Fahrt nach Süden weiter fortgesetzt, am Cap Blanco (4° 17′ s. Br.), welches nur wenige Meilen nördlich von dem äußersten, westlichen Vorsprunge von Südamerika, der 16 Meter hohen Punta Pariña, gelegen ist, begann die Küste höher zu werden; aber sie bot keinen Hafen bis Santa (9° s. Br.), wo der größte unter den Bergströmen Peru’s mündet. Bis hieher kam Pizarro. Er hatte genug von dem großen Reiche gesehen, um zu wissen, von welcher Bedeutung sein Besitz für Spanien werden könne, aber auch, um zu erkennen, daß die Eroberung nur ausführbar sei, wenn die Krone ihn zu derselben autorisire und ihn unterstütze.
Kaum war er darum nach Panama zurückgekehrt, als er sich schon auf den Weg machte nach Spanien, denn der Statthalter von Panama versagte ihm die erforderlichen Mittel. Er nahm die von Ruiz gezeichneten Karten, deren Inhalt sich auf der Weltkarte Ribero’s vom Jahre 1529 zum erstenmale wiedergegeben findet, mit sich, um dem Könige die große Ausdehnung Peru’s zeigen zu können.
Bei seiner Landung in Sevilla wurde er zwar auf Antrag des Baccalaureus Enciso, welcher von der Ansiedlung an der Küste von Darien her noch Geldansprüche an ihn zu erheben hatte, gefangen gesetzt, allein auf Befehl der Regierung, welche bereits von dem Zweck seiner Botschaft wußte, in Freiheit gesetzt.
Pizarro traf den König Karl in Toledo, dort legte er ihm die Erzeugnisse des peruanischen Gewerbfleißes und goldenen Schmuck vor und erregte namentlich durch das mitgebrachte Lama Aufsehen.
Karl empfahl die Angelegenheit dem indischen Rathe, und so konnte Pizarro am 26. Juli 1529 mit der Krone (die Königin unterzeichnete im Namen des abwesenden Monarchen) zugleich im Namen Almagro’s und de Luque’s, einen Vertrag abschließen, wonach Pizarro selbst zum Adelantado von Peru, sein Waffengefährte zum Commandanten von Tumbez und der Pfarrer von Panama zum Bischof dieser nördlichsten Stadt Peru’s ernannt wurde. Ruiz wurde zum Oberpiloten der Südsee erhoben. Zugleich erhielten alle einen ihrem Range entsprechenden Gehalt aus den Einkünften von Peru angewiesen. Die zwölf treuen Genossen von der Insel Gorgona wurden zu Edelleuten (hijosdalgo) erklärt. Die materielle Unterstützung, welche die Regierung dem Unternehmen angedeihen ließ, bestand nur in Geschütz und anderem Kriegsbedarf, sowie in Pferden, welche von Jamaica entnommen werden sollten.
Im Januar 1530 ging Pizarro von San Lucar aus mit drei Schiffen[S. 439] und mit Truppen in See nach Nombre de Dios. Da seine Expedition nun unter die staatlich autorisirten zählte, fehlte es weder an Mitteln noch an Mannschaft. Seine drei Brüder, Hernando, Juan und Gonzalo begleiteten ihn.[439] Almagro fühlte sich zurückgesetzt, daß Pizarro in dem Vertrage mit der Regierung ihn nicht, wie verabredet worden, zu seinem Stellvertreter, sondern nur zum Befehlshaber in einer Stadt hatte ernennen lassen; aber Pizarro suchte ihn durch die Erklärung zu beruhigen, daß die Regierung so entschieden habe. Damit gab sich zwar Almagro zufrieden, allein es war doch in diesem bedeutenden Rangunterschiede der Keim der Eifersucht gepflanzt, welcher für beide Theile zu einem tragischen Ausgange führte.
Mit drei Schiffen, 180 Mann und 37 Pferden stach Pizarro im Januar 1531 von Panama aus in See. Widrige Winde ließen ihn das beabsichtigte Ziel, Tumbez, nicht sofort erreichen. Das Geschwader lief in die Bai von San Mateo (nahe der Nordgrenze des heutigen Staats Ecuador) ein, ein Theil der Mannschaft ging ans Land und machte in der Stadt Coaque eine ansehnliche Beute an Gold, Silber und Smaragden. Ein Fünftel des Raubes wurde als Kronantheil zurückgelegt, das übrige nach Verhältniß des Ranges unter die Leute vertheilt. Auch schickte Pizarro eine namhafte Summe nach Panama, um noch mehr Mannschaft anzulocken.[440] Während sie sich noch in der Nähe des Golfes von Guayaquil befanden, stieß auch bereits Sebastian de Benalcazar mit 30 angeworbenen Soldaten zu dem Hauptcorps. Dann gings weiter nach der Insel Puna (damals S. Jago), wo man freundliche Aufnahme fand, die Regenzeit vorübergehen ließ und weiteren Nachschub an Truppen erwartete. Die Inselbewohner lebten in Feindschaft mit den Peruanern von Tumbez. Die Städter verdächtigten ihre Feinde bei dem spanischen Heerführer und theilten ihm mit, die Punenser hätten den verrätherischen Plan gefaßt, alle Fremden zu vernichten. Pizarro glaubte an die Verschwörung, ließ die Häuptlinge der Insel gefangen nehmen und hinrichten. Dem Volk, welches in folge dieser Grausamkeit zu den Waffen griff, brachte er eine Niederlage bei. Sein Heer wurde nochmals durch 100 Mann verstärkt, welche ihm Hernando de Soto, bestochen durch die Smaragden- und Goldsendungen, welche nach Panama geschickt waren, auf zwei Schiffen zuführte. Dann ging Pizarro nach Tumbez und erfuhr hier die für ihn sehr wichtige[S. 440] Nachricht, daß zwischen den Söhnen des letzten Inka Huayna-Capac ein blutiger Bürgerkrieg ausgebrochen sei. Atahuallpa und Huascar hatten von 1525–1530 friedlich neben einander regiert, jener in Quito, dieser in Cuzco, bis der ehrgeizige und kriegerisch gesinnte Atahuallpa, welcher sein Reich zu vergrößern strebte, auf das an der Bai von Guayaquil gelegene Gebiet von Tumibamba (jetzt Cuenza, 3° s. Br.) Anspruch erhob und dasselbe besetzte. Dann war er siegreich nach Süden gedrungen, hatte seinen Bruder in dem entscheidenden Kampfe bei Chontacaxas, nahe vor der Hauptstadt Cuzco, besiegt und gefangen genommen, worauf seine beiden tüchtigsten Feldherren Quizquiz und Chalcuchima sich der alten Residenz bemächtigten. Das war im Frühling 1532, kurz vor Ankunft Pizarro’s, geschehen. Die Familie des gefangenen Inka war auf Befehl des Quizquiz fast gänzlich ausgerottet, nur wenige waren dem Blutbade entronnen. Der Inka Atahuallpa stand mit seinem Heere bei Cajamarca, etwa 50 Meilen südlich von Tumbez. Diese Stadt hatte in dem Bürgerkriege sehr gelitten. Pizarro fand die Einwohner ängstlich und mistrauisch. Er zog daher, nachdem er seine Truppen ausgeschifft hatte, weiter gegen Süden, überall die Oberherrschaft des spanischen Königs proklamirend, was die Bewohner des Landes ohne Anstand geschehen ließen, weil sie den Sinn solcher Formalitäten nicht verstanden.
Im Thale von Tangarara (5° s. Br.) wurde die Niederlassung San Miguel gegründet; da sich aber der Ort bald als ungesund erwies, wurde die junge Stadt später nach Piura verlegt. Von San Miguel rückte Pizarro am 24. September 1532 weiter in der Richtung nach dem Lager Atahuallpa’s. Seine Schar bestand aus 110 Mann zu Fuß, 67 Reitern und einigen wenigen Büchsenschützen. Weil aber unter dieser Anzahl sich noch einige Misvergnügte und Feiglinge befanden, so schickte er noch fünf Fußgänger und vier Reiter nach San Miguel zurück und besaß, als er sich anschickte, ein Reich von 400 Meilen Länge zu erobern, im ganzen 168 Mann. Ein Abgesandter des Inka lud ihn zum Besuch nach Cajamarca ein. Zwei Indianer, welche bereits mit Pizarro in Spanien gewesen waren, Philipp und Martin, dienten als Dolmetscher. Der spanische Heerführer stieg mit seiner kleinen Schar kühn über die Cordilleren ins Hochland hinauf, wo er die große Reichsstraße fand, welche er gegen Süden verfolgte. Mehrfach kamen ihm noch Boten des peruanischen Oberherrn mit Geschenken entgegen, welche den geheimen Auftrag hatten, sich genau über Zahl, Waffen u. s. w. der Fremdlinge zu unterrichten.
Krieger aus der Inca-Zeit: Malerei auf einem altperuanischen Thongefäß. (½ der natürlichen Größe.)
Die Bewaffnung aller fünf Figuren ist lediglich die Lanze, an den Schäften mit großen kreuzförmigen Aufsätzen versehen, welche vielleicht als streitkolbenartige schwere Keulen zu betrachten sind. Als Schutzwaffen tragen die Krieger hohe, spitze, unter dem Kinn mit Bändern befestigte Helme mit einem halbmondförmigen aufgesetzten Zierrath und einem über den Nacken herabhängenden Tuche. Einen Schild führt nur die äußerste Figur rechts. Mit Ausnahme des mittleren tragen die Krieger alle große Taschen. Die Körperbekleidung besteht aus einem bis fast auf die Knie herabfallenden Untergewand mit verziertem Rande und darüber eine bis zur Hüfte reichende Jacke aus verschiedenartig ornamentirtem Gewebe. Die Gewänder sind ganz in der Form des Ponchos der heutigen Südamerikaner gearbeitet und lassen die Arme unbekleidet. Auch die Beine sind nackt, auf unserem Vasenbilde aber, wie auch die Gesichter und Hände, bemalt. Die mittlere Figur trägt einen Nasenring, die beiden neben ihr ansehnliche Pflöcke in den Ohren. Vier von den Kriegern haben auf der linken Schulter eine Schleife, der fünfte trägt den Kopf eines phantastischen Thieres als Helmschmuck. Die Gesichter sind von dem charakteristischen Indianer-Typus. — Die Form des Gefäßes ist durchaus ungewöhnlich und deshalb auf der Tafel „Altperuanische Geräthschaften“ mit abgebildet (s. d.). Das Gefäß befindet sich in Privatbesitz zu Lima und soll aus der Gegend von Trujillo stammen.
Nach einem Marsche von sieben Tagen langte Pizarro in dem wohlangebauten Thale von Cajamarca an, welches sich bei einer Höhenlage von 2860 Meter eines angenehmen, kühlen Klimas erfreut. Fruchtbare Ackerfelder und blühende Gärten zogen sich das Thal entlang. In der Ferne sah man die Dampfsäulen der warmen Bäder von Pultamarca, Schwefelquellen von 55° R., aufsteigen, welche noch heute den Namen der Inkabäder[S. 441] führen und wo Atahuallpa zu baden pflegte. Am Bergabhange davor breitete sich die Zeltstadt des peruanischen Lagers, welches 40,000 Mann zählte, aus. Pizarro zog in die kleine, menschenleere Stadt ein, welche mit einer festen und hohen Mauer umschlossen war, und besetzte am 15. November den Marktplatz. Dann untersuchte er die Verhältnisse der Stadt, um eine feste Stellung für sein Lager zu ermitteln, damit er nicht unerwartet überfallen werden könnte. Soto, welcher schon vorher einen kühnen Kundschafterritt ausgeführt hatte, ritt darauf mit 20 andern Reitern als Gesandtschaft in das Lager des Inka hinüber und jagte die letzte Strecke bis an den Bach, welcher sie noch vom Lagerplatze trennte, im Galopp vor, um seine Reiterkünste zu zeigen und die Indianer durch die Erscheinung der schnaubenden Rosse zu erschrecken. Der Inka befand sich im Hofe des Palastes, von seinem Gefolge umgeben. Von einem Thronsessel aus sah er hinter einem zarten durchsichtigen Schleier, den zwei Frauen vor ihm hielten, damit er nach Landessitte nicht von jedem unberufenen Auge beobachtet werde, die Spanier sich nähern. Als Soto heransprengte, befahl Atahuallpa den Schleier zu senken.[441] Dann trat Hernando Pizarro vor und hielt durch den Mund des Dolmetschers eine Ansprache an den König, worin er sich als Abgesandten eines mächtigen Monarchen bezeichnete und sich erbot, die Peruaner im wahren Glauben zu unterrichten.
Der Inka schwieg auf diese Worte, nur einer seiner ersten Beamten erwiderte: „Es ist gut.“ Pizarro begann von neuem und bat den Fürsten, die Spanier in ihrem Lager zu besuchen. Atahuallpa sagte für den nächsten Tag, nach Beendigung der Fastenzeit, den Besuch zu. Inzwischen möchten die Spanier sich in den Staatsgebäuden von Cajamarca einrichten. Dann verabschiedete er die fremden Gäste.
Die glänzende Erscheinung des Inka mit seinem Hofstaat, die fast göttliche Verehrung, die seine Umgebung dem Herrscher zollte, der Eindruck der Machtfülle und unumschränkten Gewalt über bedeutende Heereskräfte, die den Spaniern bei dieser Audienz fühlbar wurden — alles das ließ die Absichten derselben höchst gewagt erscheinen. Man konnte sich unmöglich auf einen vorbereiteten, regelrechten Kampf mit dem peruanischen Heere einlassen, welches die kleine Schar der verwegenen Abenteurer mühelos schien erdrücken zu können. Das einzige Mittel, sich der höchsten Gewalt zu bemächtigen und den Widerstand zu lähmen, schien sich in der unerwarteten Gefangennehmung des Inka zu bieten. Und zu diesem Handstreich erklärte sich auf Pizarro’s Vorschlag der zusammenberufene Rath seiner Officiere bereit. Am nächsten Abend erschien Atahuallpa, von Edelleuten auf einem Sessel getragen, mit großem Gefolge und 5000 Mann erlesener Truppen vor der Stadt, wo er sein Lager aufschlagen wollte. Auf die Einladung Pizarro’s, daß alles zu seinem Empfang bereit sei, rückte er arglos und auf[S. 442] seine Macht vertrauend bis auf den großen Platz von Cajamarca. Kein Spanier war zu sehen, man wollte den Muth der Indianer nicht durch den Anblick der kleinen Anzahl der Fremdlinge steigern. Aber im Geheimen war jeder auf den Schlag vorbereitet und in Waffen, die Pferde standen gesattelt in den Höfen; die beiden Feldgeschütze waren auf den Platz gerichtet. Zwanzig entschlossene Soldaten hatten den Auftrag, den Inka im Auge zu behalten und sich seiner Person zu bemächtigen.
Als der Inka auf dem Platze hielt, trat zuerst der Dominicaner Vincente de Valverde (später Bischof von Cuzco) mit Kreuz und Brevier hervor und trug in kurzen Worten dem Könige den Inhalt der christlichen Glaubenslehre vor, von der Schöpfung und dem Sündenfall bis auf Christus, welcher alle Macht auf Erden seinem Apostel Petrus und dessen Nachfolgern, den Päpsten übergeben habe. Der Papst in Rom habe alle Länder unter die christlichen Fürsten vertheilt und dem Könige Karl die neue Welt überwiesen, damit alle Völker zum christlichen Glauben bekehrt und getauft würden. Atahuallpa verstand, daß in diesen letzten Aeußerungen ein bestimmter Angriff auf seine Hoheitsrechte enthalten sei und erklärte ruhig: Er wisse von Christus und Sanct Peter nichts, die Sonne gelte als höchste Gottheit, und er habe sein Land von seinen Vätern ererbt. Als der Geistliche darauf erwiderte: alles, was er gesagt, sei in der Heiligen Schrift von Gott selbst verkündet, nahm der Inka das Buch, blätterte darin und warf es mit den Worten: „Das Buch sagt nichts“, verächtlich auf den Boden. Ob, durch diese Schändung des göttlichen Wortes empört, der Geistliche die Spanier mit dem Rufe: „Auf sie!“ zum Losbrechen ermuntert und ihnen für den Verrath sogar Absolution ertheilt habe, ist nicht sicher festzustellen, da die Augenzeugen und ältesten Geschichtsschreiber über den raschen Verlauf des Gesprächs verschieden berichten. Doch gab Pizarro, da der Ueberfall geplant war, unmittelbar darauf das Signal zum Angriff, welcher durch die verächtliche Behandlung des Priesters und der Heiligen Schrift am einfachsten sich entschuldigen ließ. So wie die Trompeten erklangen und die Geschütze von der Festung erdröhnten, brachen die Spanier, Fußvolk und Reiter, aus dem Versteck hervor und fielen über die Indianer her. Ein heftiger Kampf entbrannte um den Inka, welcher von seinem Sessel zu Boden gestürzt und gefangen genommen wurde. 2000 Peruaner wurden auf dem Platze niedergehauen, die übrigen flüchteten.
Am nächsten Tage wurde das große Heer des Königs ohne Mühe zerstreut, da sie keinen Widerstand leisteten; viele Vornehme wurden zu Gefangenen gemacht und die Inkabäder geplündert. Dann schickte Pizarro Eilboten nach San Miguel, um Verstärkungen heranzuziehen, denn ohne dieselben wagte er doch nicht gegen die Hauptstadt aufzubrechen. Um seine Freiheit wieder zu erlangen und um zu verhindern, daß nicht Huascar von den Spaniern wieder auf den Thron gehoben würde, erbot sich Atahuallpa zu einem hohen Lösegelde. Er wollte das Zimmer, in welchem er gefangen gehalten wurde[S. 443] — dasselbe war 22 Fuß lang und 17 Fuß breit — mit Gold füllen lassen, so hoch ein Mann mit der Hand reichen könne. Pizarro nahm dieses Gebot begierig an, der weiße Strich wurde 9 Fuß hoch an der Wand ringsum gezogen. Der Inka verlangte zur Erfüllung seines Versprechens eine Frist von zwei Monaten.
Die Schätze der Sonnentempel von Cuzco, Huaylas (9° s. Br.), Huamachuco (östlich von Trujillo) und Pachacamac (südöstlich von Lima) wurden zu dem Zwecke herbeigetragen. Der Inka wurde indessen bewacht, aber nicht gefesselt, er war von seinem Gefolge umgeben und bedient und konnte mit dem Volke verkehren. Er erfuhr, daß sein Bruder Huascar sich ebenfalls an Pizarro gewendet, und daß dieser eine Zusammenkunft mit demselben beabsichtigte, um dessen Ansprüche kennen zu lernen und danach den Thronstreit zu entscheiden. Da gab Atahuallpa den Befehl, seinen Bruder zu beseitigen. Derselbe wurde entweder im Fluß von Andramarca ertränkt oder erst erdrosselt und der Leichnam dann ins Wasser geworfen. Wenn nun auch der gefangene Inka die Schuld an dem Brudermorde ableugnete, so wurde ihm derselbe doch zur Last gelegt und bildete ein wichtiges Motiv für seine spätere Hinrichtung.
Der Widerstand des Volks war vorläufig ganz gebrochen, so daß die Spanier ohne Schwierigkeit das Land bereisen konnten. So zog Hernando Pizarro mit Fußvolk und Reitern nach dem Tempel von Pachacamac. Der Marsch ging anfangs auf der Reichsstraße und dann von Pachicoto ab nach der Küste hinunter. Das Fußvolk setzte auf Balsas über die Flüsse, die Pferde schwammen hinüber. Die Indianer waren ihnen dabei behülflich. Dann marschirten sie weiter über die Stätte von Ancon und von dem später erbauten Lima, überall gastlich aufgenommen, bis sie im Februar 1533[S. 444] nach Pachacamac[442] kamen, wo Pizarro mit Gewalt in den Tempel drang, das Götzenbild zerstörte und ein Kreuz an seine Stelle setzte. Dann ging Hernando Pizarro im Anfang März auf demselben Wege bis Huara zurück, wandte sich von hier ins Innere, erreichte in Cajatambo die große Straße und marschirte über Tarma nach Janja (östlich von Lima), wo damals Chalcuchima mit ansehnlicher Truppenmacht stand. Dem Beispiel seines Bruders folgend, faßte er den Plan, den peruanischen Feldherrn inmitten seines Heeres gefangen zu nehmen und gab dazu den beiden Hauptleuten Soto und Pedro del Barco den Befehl; aber der Peruaner ging freiwillig mit nach Cajamarca.
Noch weiter nach Süden drangen die beiden Spanier Martin Bueno und Pedro Martin de Moguer, die mit Geleitsbriefen des Inka und unter der Führung eines peruanischen Edelmanns, von indianischen Trägern auf das bequemste befördert, nach Cuzco reisten. Nach ihrer Rückkehr, im Sommer 1533, berichteten sie von dem buchstäblich mit Goldplatten belegten Sonnentempel, einem quadratischen Gebäude, dessen Seiten je 350 Schritt lang waren. Siebenhundert Goldplatten, dazu Gefäße und Schmuck in den verschiedensten Formen nahmen die Spanier mit sich fort und erschienen, indem sie auch auf dem Rückweg die zum Lösegeld für den gefangenen Fürsten dienende Beute noch vermehrten, endlich mit 200 Ladungen Gold, 25 Ladungen Silber und 60 Ladungen geringeren Goldes in Cajamarca. Hier wurde der unermeßliche Schatz, wie er bisher in den neuen Ländern noch nicht gesehen war, getheilt, der königliche Antheil (ein Fünftel), darunter die kostbarsten Goldarbeiten, ausgesondert und durch Hernando Pizarro persönlich nach Spanien überbracht. Der königliche Quint betrug 262,259 Pesos in Gold und 10,121 Mark Silber. Jeder Reiter erhielt 8880 Pesos in Gold und 262 Mark Silber.[443][S. 445] Etwa fünf Wochen nach der Gefangennahme Atahuallpa’s kamen Boten von San Miguel mit der erfreulichen Meldung an Pizarro, daß sechs Schiffe mit Mannschaften angelangt seien und zwar drei große Schiffe unter Almagro und Ruiz mit 120 Mann und drei kleine Caravelen von Nicaragua mit 30 Mann und dazu mit 84 Pferden. Am Abend vor Ostern, am 14. April 1533, rückten diese Truppen, welche die Macht Pizarro’s verdoppelten, unter der Führung Almagro’s in Cajamarca ein. Der Inka forderte nun, nachdem das Lösegeld gezahlt und angenommen war, seine Freiheit; aber Pizarro gab sie nicht, angeblich, weil allerlei dunkle Gerüchte von Erhebungen und Heeresansammlungen der peruanischen Partei einliefen. De Soto wurde auf Kundschaft ausgeschickt, fand aber das ganze Volk ruhig. Trotzdem sollte Atahuallpa als Verräther gerichtet werden. Umsonst protestirten Soto und zwölf andere Spanier gegen die Verurtheilung des Inka, nur der König von Spanien könne über einen Fürsten zu Gericht sitzen, alles Gerede von Aufständen der Indianer sei falsch und grundlos. Trotzdem setzte Pizarro das Bluturtheil durch. Am 29. August 1533 wurde Atahuallpa gefesselt auf den Marktplatz geführt, um als Thronräuber, Brudermörder, Gotteslästerer verbrannt zu werden. Da er sich vorher zur Annahme der Taufe bequemte, wurde er zum Erdrosseln begnadigt und dann auf dem Friedhofe der Stadt beerdigt. Dieser Schandfleck in der Geschichte der Eroberung Peru’s, der sich nur aus der unersättlichen Goldgier erklären läßt, bildete den Anfang des großen Räuberdramas, in welchem alle Hauptpersonen gewaltsam ums Leben kamen. Atahuallpa war ein schöner stattlicher Mann; aber aus seinen feurigen Augen leuchtete eine Wildheit, vor welcher die Seinen erbebten. Als der Häuptling von Guailas ihn in seiner Gefangenschaft besuchte, um ihm Geschenke darzubringen, zitterte derselbe, wie Pedro Pizarro berichtet, der dabei stand, am ganzen Leib so gewaltig, daß er sich kaum auf den Beinen halten konnte. Der Inka hob den Kopf ein wenig, lächelte und gab dem Häuptling ein Zeichen, daß er sich entfernen könne. „Ich habe in ganz Peru,“ schließt Pizarro seine Schilderung des Fürsten, „keinen Indianer gesehen, der dem Atahuallpa an Wildheit und Ansehen gleich käme.“[444]
Francisco Pizarro ernannte nun einen Nachfolger des Inka in der Person des Toparca (oder Tubalipa), eines Bruders des Huascar, um in dessen Namen bequemer die Indianer beherrschen zu können; aber derselbe starb schon nach einigen Monaten, vielleicht, wie von einem Historiker berichtet wird, von Chalcuchima vergiftet.
Im September brach Pizarro mit einem Heere von 500 Mann nach Cuzco auf. Die nach dem Tode Atahuallpa’s unruhig gewordenen Peruaner hatten die Dörfer an der Straße verbrannt, die Brücken zerstört und schienen entschlossen, den fremden Eindringlingen den Weg zu ihrer Hauptstadt versperren zu wollen. Soto ging wieder mit 60 Reitern voraus, wurde aber in einem Gebirgspasse in einen ungleichen Kampf verwickelt, aus welchem ihn der nacheilende Almagro befreien mußte. Der Feldherr Chalcuchima, den man des Einverständnisses mit den Feinden beschuldigte, wurde vor Cuzco verbrannt. Dann hielt Pizarro im November seinen Einzug in die Hauptstadt, welche damals 200,000 Einwohner zählte und viele herrliche Gebäude umfaßte. Indes wurden die alten Paläste und Tempel bald zerstört und aus ihren Trümmern neue Gebäude in europäischer Art aufgeführt. Auf den Grundmauern des Tempels der Sonnenjungfrauen steht jetzt das Kloster Santa Catalina. Was sich an Gold und Edelsteinen noch vorfand, wurde unter die Eroberer getheilt, selbst die Inkamumien wurden ihres Schmuckes und ihrer Juwelen beraubt.
Ein neuer Inka aus königlichem Stamme, Namens Manco, wurde gewählt und erhielt die königliche Kopfbinde aus der Hand Pizarro’s, er erkannte damit die Oberherrlichkeit Spaniens an. Manche der Gefährten Pizarro’s ließen sich in Cuzco nieder und wurden mit Häusern und Staatsländereien beschenkt.
Während Pizarro sich in Cuzco aufhielt, hatte sich im Norden ein Rivale eingefunden, Pedro de Alvarado, der Eroberer Guatemala’s, welcher, nachdem er von den Erfolgen Pizarro’s gehört, das Königreich Quito zu erobern beschloß in dem Glauben, dasselbe gehöre nicht zum peruanischen Staate, also auch nicht zu dem Pizarro überwiesenen Bereiche. Eine nach den Molukken bestimmte Flotte brachte ihn im März 1534 mit 500 Mann nach der Bucht von Caracas, westlich von Quito. Von der Küste marschirte er über die beschneiten Hochpässe, verlor aber dabei viel Mannschaft, ehe er Riobamba erreichte. Hier mußte er leider aus deutlich sichtbaren Pferdespuren schließen, daß ihm ein anderer Spanier in der Besetzung des Landes zuvorgekommen war. Es war Benalcazar, welchen Pizarro zum Commandanten von San Miguel eingesetzt hatte. Als man ihm von den vermeintlichen Schätzen Quito’s erzählte, brach er auf eigne Verantwortung mit 140 Mann dahin auf und erreichte, weil er bequemere Wege fand als Alvarado, auf der Straße über Riobamba eher das Ziel.
Unterdessen war aber die Kunde von dem Einbruche Alvarado’s auch nach Cuzco gedrungen, und Almagro machte sich sofort mit Truppen auf den Marsch, um den Eindringling zurückzuweisen. Nachdem er sich mit Benalcazar vereinigt hatte, stellte er sich bei Riobamba dem Statthalter von Guatemala entgegen, welcher sich, um dem unerwarteten Kampfe auszuweichen, zu einem Vertrage herbeiließ, für eine Summe von 100,000 Pesos Flotte und Heer sammt allen Vorräthen und Kriegsmaterial seinen Gegnern überließ und nach Guatemala zurückkehrte, während seine Truppen bereitwillig unter die Fahnen Almagro’s traten.
Im Januar 1535 gründete Pizarro die neue Hauptstadt Ciudad de los Reyes (heilige Dreikönigsstadt, nach dem Tage der Gründung) am Ufer des Rimac; aber sie wurde bald allgemein Lima (verstümmelt aus Rimac) genannt.
Nachdem das Hauptland von Peru bezwungen worden war, beschloß Almagro auch die südlichen Länder zu unterwerfen. Es war der schwerste und kühnste Heereszug, welcher je durch die Wüsteneien der südamerikanischen Hochgebirge ausgeführt wurde. Zwei indianische Edelleute, der Bruder des Inka, Paulo Topa, und der Oberpriester Vilehoma, wurden in Begleitung dreier Spanier vorausgesendet, um den Weg zu zeigen, die Indianer über die Absichten des Zuges zu beruhigen und Quartiere zu schaffen. Dann brach Almagro am 3. Juli 1535 von Cuzco auf[445] und zog durch das Gebiet der Conchas, nordwestlich vom Titicacasee, und am westlichen Ufer des Gebirgssees durch die Landschaft Collao, ging dann auf der Ostseite des Aullagassees südöstlich über das Hochland von Potosi nach Tupiza, an der Südgrenze Boliviens, wo er, nachdem er bereits einen Marsch von wenigstens 200 Meilen gemacht hatte, seinen Truppen zwei Monate Rast gönnte. Während des Aufenthaltes entfloh der Oberpriester Vilehoma sammt seinem Gefolge bei Nacht und kehrte nach dem Norden, nach der Landschaft Collao zurück.
Almagro stand hier an der Grenze des Inkareiches, weiter hinaus hatte er unabhängige Bergstämme vor sich, durch deren Gebiet er sich mit Gewalt den Weg bahnen mußte. Es standen ihm, um nach Chile zu gelangen, dessen Schätze ihn lockten, zwei in gleichem Maße schwierige Wege offen. Entweder mußte er von Tupiza aus sich westwärts über die unwirthlichen Einöden und den Hauptkamm der Anden übersteigend nach der Küste wenden und die wasserlose Atacamawüste durchschneiden, oder den mühsamen Gebirgsmarsch nach Süden fortsetzen und ausgedehnte Schneeregionen durchziehen, wo für die Mannschaften weder Vieh noch Getreide zu beschaffen war. Almagro wählte den letzteren Weg, weil er kürzer schien. Da von den Eingeborenen in Jujuy drei Spanier, welche vorausgeschickt waren, getödtet worden, so wurde der Capitän Salcedo mit 50 Reitern und Fußgängern ausgesandt, die Indianer zu züchtigen. Diese hatten sich in eine Festung zurückgezogen, welche Salcedo erst anzugreifen wagte, als ihm Francisco de Chaves Unterstützung brachte. Darauf flohen die Indianer ins Gebirge und ließen den Paß frei. Nun rückte das Heer weiter durch Jujuy in die Landschaft Chicoana, südlich von der modernen Stadt Salta. Das fruchtbare Thal war verödet, wilde Bergstämme waren von Norden her eingebrochen, hatten die Kulturen zerstört und die Ortschaften in Trümmerhaufen verwandelt. Doch gelang es Almagro noch, seine Truppen mit einigen Vorräthen von Vieh und Mais[S. 448] zu versorgen; allein beim Uebergang über einen reißenden Bergstrom ging ein großer Theil der Thiere verloren, ein empfindlicher Verlust, der nicht wieder ersetzt werden konnte, wenn auch hie und da in den Hochthälern noch einige wenige kleine Ortschaften angetroffen wurden. Von Chicoana (Salta) ging der Zug in südwestlicher Richtung über das Campo del Arenal westlich von der Sierra Aconquija durch das Thal von Arroyo nach dem Hauptrücken der nördlichen chilenischen Anden, um diese zu übersteigen. Hier stand den Truppen noch die schwerste Arbeit bevor. Als sie aus einer Gebirgsschlucht (Quebrada) heraustraten, sahen sie hohe, schneebedeckte Gebirge in unabsehlicher Ausdehnung vor sich. Nachdem sie eine Zeit lang daran hingezogen, sahen sie sich genöthigt, dieselben zu übersteigen, ohne ihre Breite zu kennen. Aber muthig wagten sie sich hinein, mit den Elementen und mit dem Hunger kämpfend, mit wenig Lebensmitteln, mit Waffen und allerlei Geräth, um Brücken oder Flöße zu bauen, beladen.
Almagro zog mit 20 Reitern vorauf, um Wege und Pässe ausfindig zu machen, und womöglich dem nachfolgenden Heere Lebensmittel zu schaffen. Sieben Tage lang ging’s über Salzboden und wieder über beschneite Pässe, wo die Augen von dem blendenden Schnee entzündet wurden. Sturm und Kälte erschwerte jeden Tritt. Am dritten Tage der schwersten Leiden öffnete sich gegen Osten das Thal von Copiapo, wo Almagro’s kleine Schar sich erholen und den nachfolgenden Truppen Lebensmittel entgegensenden konnte. Ohne diese Hilfe wäre das ganze Heer in den schrecklichen Wüsteneien umgekommen. Die indianischen Lastträger, welche den Zug mitmachen mußten, litten noch mehr als die Spanier.[446] Manche sanken vor Erschöpfung nieder; die Luft war so kalt, daß man kaum athmen konnte. Dazu nachts kein Feuer, um sich zu erwärmen, kein Schutz vor den rasenden Winden, keine ausreichende Nahrung, um den Körper widerstandsfähiger zu machen. Der Hunger war so arg, daß die lebenden Indianer das Fleisch ihrer gefallenen Kameraden verzehrten und die Spanier mit Begier das sonst verschmähte Fleisch gefallener Pferde unter sich theilten. Das Heer verlor bei diesem Uebergange 150 Mann und 30 Pferde. Erst im Thal von Copiapo konnten die Soldaten bei längerer Rast sich erholen und stärken. Rodrigo Orgoñez, welcher dem Almagro später von Cuzco her neue Truppen zuführte und denselben Weg über die Anden einschlug, hatte noch mehr Verluste als der Adelantado. Die Schneemassen begruben manchen Mann und manches Roß. Dann marschirte Almagro im chilenischen Küstenlande weiter nach Süden, nach Coquimbo. Hier traf er unerwartet einen Spanier, welcher, vor einer angedrohten Strafe flüchtig, aus Peru 600 Meilen weit nach Chile gelaufen war, ohne Schaden zu erleiden. (Oviedo, historia 47, 4). Von Coquimbo aus ließ Almagro dann das Land im Süden bis zum Rio Maule (35° s. Br.) erforschen und trat dann, da die erträumten Schätze sich nirgends zeigen wollten, enttäuscht[S. 449] den Rückweg an. Um das Heer nicht noch einmal den Gefahren des Hochgebirgs auszusetzen, wählte er diesmal den Küstenweg, welchen ihm die Indianer in Jujuy bereits empfohlen hatten. Zwar mußte er hier die Atacama passiren und verlor durch Mangel an Wasser und Futter mehr als 30 Pferde, aber keinen Mann. Sein Heer war in kleine Abtheilungen vertheilt, Almagro bildete mit seinem Gefolge den Schluß. So überwand er glücklich diese Wüste und stieg dann von Arequipa nach dem Hochland von Cuzco hinauf, wo er im Frühling 1537 wieder anlangte. Es war ein überaus verwegener, aber erfolgloser Entdeckungszug gewesen.
Während Almagro auf dem Marsche nach Chile war, suchte die nationale Partei unter ihrem Inka Manco die Gelegenheit, das spanische Joch abzuschütteln, zu benutzen, so lange ein ansehnlicher Theil des feindlichen Heeres aus dem Lande abwesend war. Manco entwich aus Cuzco und rief das Volk zu den Waffen. Die Hauptstadt wurde belagert und durch brennende Pfeile leicht in Brand geschossen, da die meisten Häuser mit Stroh gedeckt waren. Die halbe Stadt wurde zerstört, die Festung fiel in die Hände der Peruaner. Juan Pizarro eroberte zwar einen Theil derselben wieder, wurde aber dabei durch einen Steinwurf so gefährlich verletzt, daß er bald darauf starb. Erst nach seinem Tode konnten die Spanier die Festung wieder gewinnen; dann wurden sie aber Monate lang von einem großen indianischen Heere in Cuzco belagert und ihre Verbindungen mit Lima abgeschnitten, so daß Francisco Pizarro vergebens, da die Indianer die Bergpässe besetzt hielten, versuchte, der bedrohten Hauptstadt Ersatz zu bringen. Erst als in der Zeit der Feldbestellung das peruanische Belagerungsheer sich theilweise auflöste, wich die äußerste Noth, in welcher sich die Besatzung befunden hatte. Man machte in dieser Zeit sogar den, wenn auch verfehlten Versuch, sich durch einen Handstreich der Person des Inka zu bemächtigen. Francisco Pizarro fühlte, daß der ganze Besitz seiner Eroberung durch den allgemeinen Aufstand auf dem Spiel stehe, wenn nicht rasche Hilfe komme. Er entsandte Schiffe nach Mittelamerika und forderte die dortigen Statthalter unter lockenden Verheißungen auf, ihn mit Truppen zu unterstützen.
Unter solchen Verhältnissen erschien Almagro wieder in Peru. Die schon lange im Stillen glimmende Eifersucht zwischen ihm und Pizarro hatte zwar schon vor seinem Abmarsch nach Chile eine scheinbare Versöhnung gefunden, da sich beide Rivalen durch schriftlichen Vertrag und Eidschwur auf die Hostie am 12. Juni 1535 zur Beilegung des Streites bereit erklärt hatten; allein da nun nach seiner Rückkehr Almagro erfuhr, daß eine königliche Vollmacht ihn zum selbständigen Statthalter über alle Länder ernenne, welche 270 Leguas (17½ Leguas = 1 Breitengrad von 15 Meilen) südlich vom Santiagoflusse[447] beginnend, sich gegen Süden ausdehnten, so glaubte er[S. 450] Anspruch auf den Besitz von Cuzco zu haben. Bei der Unsicherheit genauer astronomischer Bestimmungen konnte zu jener Zeit allerdings die Entscheidung dieser Frage zweifelhaft sein, wenn wir jetzt auch mit Bestimmtheit sagen können, daß die alte Hauptstadt noch zum Gebiete Pizarro’s gehört. Ehe Almagro noch in die Nähe von Cuzco gelangt war, suchte er mit dem Fürsten Manco, mit welchem er früher befreundet gewesen, eine Zusammenkunft, wurde von diesem aber überfallen. Nachdem er den Angriff siegreich abgewiesen hatte, rückte er mit seinem Heere vor Cuzco und forderte von Gonzalo und Hernando Pizarro, welche in derselben befehligten, die Uebergabe der Stadt. Da dieselbe unter verschiedenen Vorwänden verzögert wurde, so drang er in einer finstern Nacht am 8. April 1537 in Cuzco ein und nahm beide Brüder nach kurzem Kampfe in ihrem Hause, welches dabei in Flammen aufging, gefangen.
Inzwischen war Alvarado, von Francisco Pizarro zu Hilfe gerufen, zum zweitenmale in Peru erschienen und stand, im Begriff mit 500 Mann auf Cuzco zu marschiren, 13 Meilen von der Hauptstadt entfernt in Jauja. Almagro ließ ihm die erfolgte Besetzung seiner Hauptstadt melden, aber Alvarado befahl, die Boten in Ketten zu werfen. Erbittert über solchen Verrath fiel Almagro rasch über ihn her, besiegte ihn bei der Brücke von Abancay, am 12. Juli 1537, und kehrte dann nach Cuzco zurück. Der Inka wurde mit dem Rest seiner Scharen ins Gebirge getrieben und das Land von den Aufständischen gesäubert. Es kam nun vor allem darauf an, eine directe Verbindung mit dem Mutterlande zu schaffen und einen Seehafen im südlichen Peru ausfindig zu machen. Deshalb zog Almagro ins Küstenland hinunter, um dort einen befestigten Landungsplatz zu gründen. Sein Augenmerk war auf das fruchtbare Chinchathal gerichtet; Hernando Pizarro mußte als Gefangener folgen, während es dem andern Bruder Gonzalo gelang, aus der Haft zu entfliehen und Lima zu erreichen.
Francisco Pizarro, welchem vor allem daran gelegen war, seinen noch gefangenen Bruder dem siegreichen Gegner zu entreißen, zeigte sich sehr friedlich gesinnt und knüpfte Unterhandlungen an. Beide Parteien kamen am 13. November in Mala, südlich von Lima, zusammen und Almagro verstand sich dazu, gegen die vorläufige Anerkennung seiner Ansprüche auf Cuzco, Hernando Pizarro freizugeben. Die endgiltige Entscheidung des Streits wurde der spanischen Regierung überlassen.
Kaum war Hernando frei, so erklärte bereits Francisco Pizarro den Vertrag für ungiltig, und der Streit begann von neuem. Almagro ging nach Cuzco zurück, wohin ihm sein erbitterter Gegner Hernando im Frühling des nächsten Jahres folgte. Am 26. April 1538 kam es zum Kampfe bei Las Salinas, eine kleine Meile von der Hauptstadt. Keine der beiden Parteien verfügte über mehr als 700 oder 800 Mann, aber das Gefecht war sehr heftig und dauerte den ganzen Tag. Almagro konnte, weil er krank war, nicht unmittelbar in den Streit eingreifen, aber er befand sich ganz in der Nähe. Während des Gefechtes fielen nur 15 bis 20 Mann, aber bei[S. 451] der Verfolgung der geschlagenen Truppen Almagro’s, welcher selbst gefangen genommen wurde, sollen noch 150 Mann niedergemacht worden sein. Hernando hatte für den überwundenen Gegner, den frühern Waffengefährten, der ihm großmüthig die Freiheit geschenkt, kein Mitgefühl, kein Erbarmen; er sann auf Rache für die angethane Schmach. Almagro wurde nach Cuzco gebracht und ihm dort der Proceß gemacht. Unter Aufbietung einer ansehnlichen Truppenmacht wurde ihm öffentlich am 8. Juli der Urtheilsspruch verkündet. Dann ließ Hernando ihn im Gefängniß erdrosseln.
Almagro war eine offne, rohe Natur, welche sich nie mit heuchlerischen Hintergedanken oder mit Racheplänen trug. Er besaß einen empfindlichen Ehrgeiz und liebte es, durch verschwenderische Geschenke seine Truppen zu belohnen. Tapfer und in allen Strapazen ausharrend, machte ihn seine durch und durch soldatische Natur bei seinem Heere beliebt. Seine Verbindung mit dem herz- und gewissenlosen Pizarro stürzte ihn ins Verderben.
Der junge Diego Almagro befand sich inzwischen in Lima, aber die Statthalterschaft seines Vaters erhielt er nicht; auch wurden seine Anhänger, die „Chilenen“, durch Verachtung gekränkt. Man wandte sich um Recht nach Spanien. Um diesen Bemühungen der Partei Almagro’s, besonders des eifrigen Diego de Alvarado entgegenzuwirken, ging Hernando Pizarro 1539 selbst nach dem Mutterlande. Kurz nach seiner Ankunft in Valladolid am Hofe starb dort Alvarado ganz plötzlich, man sagte: durch Gift, welches Pizarro ihm beigebracht. Der Henker Almagro’s fand keinen freundlichen Empfang, man beschuldigte ihn mit Recht, daß er einen von der Krone eingesetzten Statthalter — ob aus eignem Antriebe oder durch seinen Bruder bestimmt, blieb dabei unerörtert — habe hinrichten lassen. Er wurde daher gefangen genommen und blieb auf der Festung Medina del Campo bis 1560 eingesperrt, so daß er alle seine Verwandten und auch — seinen Ruhm überlebte.
Um die verwirrten und unerquicklichen Verhältnisse in Peru zu ordnen, wurde der Rechtsgelehrte Vaca de Castro entsendet als „königlicher Richter“, oder, für den Fall, daß Francisco Pizarro bereits gestorben, als königlicher Statthalter. Im Sommer 1541, während er noch auf der Reise begriffen war und sich in Popoyan, nördlich von Quito (2½° n. Br.), aufhielt, erreichte ihn schon die Nachricht, Francisco Pizarro sei von seinen Gegnern ermordet. Die chilenische Partei hatte unter Anführung des Juan de Herrada mit einer Anzahl von Verschworenen am Sonntage den 26. Juni 1541, da Pizarro nicht zur Messe gegangen, den Zugang zu seinem Palaste in Lima erzwungen und, wie der junge Almagro behauptete, den Statthalter gefangen nehmen wollen, weil dieser in gleicher Weise wie seinem Vater, auch ihm, nach dem Leben getrachtet habe. Bei seiner Vertheidigung wurde[S. 452] Pizarro sammt seinem Bruder Francisco Martin und seinem Pagen Tordoya getödtet, während das übrige Gefolge floh. Er war 63 Jahre alt, als er zur Sühne für den an seinem Genossen Almagro verübten Mord unter den Streichen der Verschworenen fiel.[448] Wenn er auch Jahre lang sein Ziel, Peru zu erobern, kühn und unbeugsam im Auge behielt und dabei eine erstaunliche Thatkraft entfaltete, so läßt sich seinem Charakter doch keine sympathische Seite abgewinnen. Ungebildet und gefühllos trat er Freund und Feind nieder. Er hatte Cortes mehrfach als Vorbild genommen, so namentlich in der Gefangennahme des Fürsten; auch war ihm die Eroberung des Landes leichter geworden, als jenem, welcher zuerst mit einem amerikanischen Kulturvolke rang, die Besiegung von Mexiko. Aber verglichen mit einem Feldherrn und gebildeten Staatsmann wie Cortes erscheint Pizarro nur als ein gemeiner Abenteurer, und zwar als der grausamste von allen, welcher das eroberte Land ausplünderte und mit Blut überschwemmte und den spanischen Namen für immer in Südamerika verhaßt machte.
Als Cristoval Vaca de Castro in Popayan das Schicksal Pizarro’s erfuhr, nahm er, seiner Instruction gemäß, den Titel eines Statthalters an. Zwar suchte der junge Almagro einen Vergleich herbeizuführen, wonach ihm die seinem Vater zugewiesene südliche Hälfte des eroberten Reiches überlassen werde; allein Vaca de Castro konnte, nach den Vorfällen in Lima, darauf nicht eingehen. Er verlangte vielmehr, daß Almagro sich unterwerfe, das Heer, welches er um sich gesammelt hatte, entlasse und ihm, dem rechtmäßigen Statthalter, alle am Morde Pizarro’s betheiligten Personen zur Bestrafung ausliefere. Almagro weigerte sich, und so kam es am 16. September 1542 auf der Ebene von Chupas bei Guamango (jetzt Ayacucho) zwischen Lima und Cuzco zum Entscheidungskampfe. Castro’s Heer zählte 328 Reiter und 420 Fußgänger, Almagro stellte dagegen 220 Reiter und 280 Fußgänger ins Feld.[449] Die chilenische Partei wurde aufs Haupt geschlagen, Almagro floh nach Cuzco, wurde aber bald ausgeliefert und enthauptet. Damit war auch das Loos seiner Anhänger entschieden. Der Widerstand hörte auf, und die Parteigänger Almagro’s unterwarfen sich. Der königlichen Autorität stand, als Castro im Jahre 1544 durch den Vicekönig Blasco Nuñez Vela ersetzt wurde, nur noch der letzte Bruder Pizarro’s, Gonzalo, gegenüber, welcher sich im nördlichen Theil des Reichs festgesetzt hatte und sich nicht beugen wollte. Er war schon im Jahre 1540 zum Statthalter von Quito gemacht und hatte mit einem Heere von 350 Spaniern und 4000 Indianern das Land besetzt. Von hier war er dann, angelockt von dem fabelhaften Goldreichthum, welcher sich nach den Erzählungen der Indianer in den östlichen Waldgebieten finden sollte, in der Nähe des Aequators über[S. 453] die östlichen Anden gestiegen und an dem Rio Napo abwärts vielleicht bis zu dem Katarakt del Cando in die Urwälder eingedrungen, wo ihn die unwegsame Wildniß und Mangel an Lebensmitteln in die äußerste Noth brachten. Hier beschloß er ein Fahrzeug zu bauen, um die Truppen, wenigstens zum Theil, namentlich die Kranken, und außerdem das Geschütz, zu Wasser weiter stromabwärts befördern zu können. Zum Schiffscapitän wurde Francisco de Orellana aus Trujillo gemacht. Landheer und Schiff rückten noch eine Zeitlang neben einander den Strom hinunter, bis die zu Lande marschirenden Soldaten durch den verschlungenen Urwald nicht mehr weiter konnten. Dazu trat die Regenzeit ein, die Vorräthe waren erschöpft, alle Pferde mußten geschlachtet werden. Das Heer machte Halt, Orellana erhielt den Auftrag, mit dem Schiffe allein weiter zu gehen, um Lebensmittel aufzutreiben; aber er kehrte nicht wieder zurück. Ueber sein Schicksal wird das nächste Capitel berichten. Nachdem Pizarro wochenlang vergebens gewartet hatte, mußte er endlich erfahren, daß Orellana ihn im Stich gelassen und weiter gesegelt sei. Er mußte sich daher entschließen, den Rückmarsch nach Quito anzutreten. Hunger und Fieber hatten seine Mannschaft bereits decimirt. Unter den beständigen Regengüssen war der Waldboden in Sümpfe verwandelt. Mit zerrissenen Kleidern, abgezehrt, zum Tode erschöpft erreichten nur 80 Spanier das Hochthal von Quito. Hier erfuhr Gonzalo, daß sein Bruder Francisco vor Jahresfrist von Mörderhand gefallen und der junge Almagro die Gewalt an sich gerissen hatte, daß aber Vaca de Castro bereits über Quito nach dem Süden gezogen sei. Aus Haß gegen Almagro bot er dem königlichen Statthalter seine Unterstützung gegen den Mörder seines Bruders an; aber Castro lehnte dieselbe ab, um sich nicht, wenn die chilenische Partei von der Anwesenheit eines Pizarro in seinem Lager erfahre, jede Aussicht auf einen friedlichen Ausgleich mit den Almagristen zu versperren. Aber diese Ablehnung seiner Hilfe verletzte Gonzalo aufs tiefste, trotzdem begab er sich später, nach der Hinrichtung des jungen Almagro mit einer Reiterschar zuerst nach Lima und dann auf den Befehl Castro’s nach Cuzco, wo sich der königliche Statthalter befand. Er hoffte noch, daß ihm, nach dem Tode seines Bruders und der Bewältigung des Aufstandes der chilenischen Partei, die Statthalterwürde zufallen werde. Das kluge Benehmen Castro’s bei dieser Zusammenkunft raubte ihm aber jeden Grund zu einer Schilderhebung, und da dieser ihm empfahl, seine Besitzungen im Charcasgebiete[450] in Frieden auszubeuten, so begab er sich nach dem Süden, wo er die schon den Inkas bekannten Silberminen mit großem Erfolg abbaute. Erst als Castro in der Person des Blasco Nuñez einen Nachfolger empfing, und dieser die vermeintlichen Rechte der Spanier über die Indianer, welche sie als ihre Hörigen behandelten, antastete, ging Gonzalo nach Cuzco, wo man ihn an die[S. 454] Spitze der gegen den neuen Vicekönig gerichteten Bewegung stellte und ihn ermächtigte, Truppen zusammenzuziehen. Dann rückte er mit seiner Schar gegen Lima, wo Vasco Nuñez, der sich nirgend Freunde zu gewinnen verstand, in einer Revolte der Stadtbevölkerung mit seinen wenigen Getreuen ohne Blutvergießen gefangen genommen und von den gegen ihn gesinnten königlichen Richtern bald darauf nach Panama zurückgeschafft wurde. Am 28. October 1544 zog Gonzalo in Lima ein und wurde zum Statthalter von Peru proclamirt. Der Vicekönig war indes nicht nach Panama gelangt, sondern hatte Mittel gefunden, in Tumbez wieder ans Land zu gehen, von wo er sich nach Quito begab, um von hier aus sich mit Gewalt wieder in Besitz der ihm durch königliches Mandat übertragenen Macht zu setzen. Gonzalo Pizarro verfolgte ihn bis über Pastos hinaus, ohne ihn zu erreichen, wußte ihn dann aber durch eine List bis in die Nähe von Quito zu locken, wo er ihn bei Añaquito am 18. Januar 1546 besiegte. Vasco Nuñez fiel selbst im Kampfe. Dann kehrte Pizarro nach Lima zurück und führte die unbestrittene Obergewalt in Peru, bis König Karl den Geistlichen Pedro de Gasca mit den weitgehendsten Vollmachten nach Peru sandte. Ohne Heer und großes Gefolge, in einfachem Priestergewande wußte sich der gewandte Mann zunächst die Landung im Nombre de Dios und dann den Eintritt in Panama zu ermöglichen, obwohl Pizarro beide Plätze durch seine Untergebenen besetzt hielt und eine starke Flotte von mehr als 20 Schiffen im Hafen von Panama lag. Er bezeichnete seine Sendung als eine friedliche und richtete auch in diesem Sinne ein Schreiben an Pizarro, um ihn zu bewegen, die Befehle seines Königs anzuerkennen. Dann gelang es ihm, den Befehlshaber der Flotte, Hinojosa, einen eifrigen Parteigänger Pizarro’s, zu gewinnen, die königliche Vollmacht anzuerkennen und sich seinem Befehl zu unterwerfen. Im Besitz der Flotte begann de Gasca nun Truppen auszuheben, um mit bewaffneter Macht in Peru zu erscheinen. Vier Schiffe wurden voraufgeschickt, um allen Spaniern in Peru, die zu ihrer Pflicht zurückkehrten, volle Verzeihung und Sicherheit ihres Besitzes anzukündigen. Diese Proclamation lichtete die Reihen der Anhänger Pizarro’s rasch, die Bewohner von Cuzco erklärten sich für den König, und die wichtige Provinz Charcas ging gleichfalls verloren. Gasca ging mit der Flotte nach Tumbez, während die vier vorausgesendeten Schiffe in dem Hafen von Lima landeten und, da Pizarro gegen Cuzco gezogen war, auch die neue Hauptstadt ohne Schwierigkeit besetzten.
Zwar leuchtete dem letzten Pizarro noch einmal das Glück, da er in dem blutigen Gefecht bei Huarina am Titicacasee am 26. October 1547 über seine Gegner den Sieg gewann und noch einmal in Cuzco einzog, wo er sich zum Entscheidungskampf rüstete, denn das Hauptheer Gasca’s befand sich zu jener Zeit in Jauja und rückte erst im Frühjahr 1548, 2000 Mann stark, gegen die altnationale Hauptstadt vor.
Vier Meilen von Cuzco in dem Thale von Xaquixaguana standen sich[S. 455] beide Heere kampfbereit am 9. April 1548 gegenüber. Gasca hatte bis zuletzt den Gegner aufgefordert, sich zu unterwerfen und die Gnade des Königs anzunehmen; aber Pizarro hatte auf sein Glück bauend, das ihn aus allen Kämpfen und Gefahren siegreich hatte hervorgehen lassen, den Frieden abgewiesen, obwohl die Heeresmacht Gasca’s stärker war. Allein in diesen Tagen verließ ihn das Glück, verließen ihn seine Freunde. Vor Beginn der Schlacht gab der Anführer seines Fußvolks das Zeichen zum Abfall, indem er zur königlichen Partei hinüberjagte. Ihm folgten die Truppen zu Fuß und zu Roß, so daß Pizarro sich gefangen geben mußte. Ihm und seinen entschiedensten Anhängern Francisco de Caravajal und Juan de Costa wurde der Proceß gemacht, und sie büßten alle ihre Rebellion mit dem Tode.[451] Gasca ordnete die Verhältnisse des Landes einsichtsvoll und kehrte 1550 nach Spanien zurück.
Es ist bereits im vorigen Capitel erwähnt, daß Francisco Orellana von Gonzalo Pizarro auf seinem abenteuerlichen Zuge in das Waldland des Amazonengebiets am Rio Napo mit einem Schiffe entsendet worden war, um für das bedürftige Heer nach Lebensmitteln zu suchen. Orellana hatte 50 Mann an Bord und 2 Geistliche.[452] In der Strömung des mächtig flutenden Wassers legte Orellana täglich 20 bis 25 Meilen zurück, ohne Ansiedlungen am Ufer anzutreffen. Statt für das zurückgelassene Heer sorgen zu können, wurden sie selbst vom Gespenst des Hungers verfolgt und verspeisten das Leder der Sättel. Erst in der Nähe des Amazonenstroms, wohin man am 8. Januar 1541 gelangte, stieß man auf ein Indianerdorf. Umzukehren war nicht möglich, denn zu Lande gab’s keinen Weg und zu Wasser würde man bei aller Anstrengung, gegen den im untern Laufe allerdings langsam dahinziehenden Strom zu rudern, Monate gebraucht haben. Es blieb ihnen also keine andere Wahl, als der Strömung des Wassers zu folgen und sich bis ans Meer tragen zu lassen, ungewiß wo man es erreichen werde. Da man aber von den Indianern in Erfahrung gebracht, daß man nicht fern von einem sehr großen Strome sei, so beschloß Orellana, um den unbekannten Gefahren auf dem Wasser besser begegnen zu können, noch eine feste Brigantine zu bauen. Am Abend des 1. Februar schifften sie sich wieder ein, nachdem sie durch die Indianer mit allerlei Vorräthen an Schildkröten, Hühnern und Fischen versorgt waren. Die Brigantine besetzten 30 Mann, die Barke 20. Zehn Tage später erreichten sie eine Stelle, wo sich drei Flüsse vereinigten; der von rechts kommende Strom schien sich von Ufer zu Ufer wie ein weites Meer auszudehnen (una amplissima mar. Oviedo l. c. p. 548). Man hatte damit den oberen Marañon[S. 456] selbst erreicht. Am 26. Februar wurde wieder angelegt, um die Schiffe auszubessern. Man blieb bei den freundlich gesinnten Einwohnern bis nach Ostern, nur, wie der die Expedition begleitende Geistliche, Carvajal, klagt, von der „ägyptischen Plage“ der Moskitos belästigt. Weiter stromab stieß man auf kriegerische Stämme, welche die Spanier auch auf dem Wasser mittelst ihrer Canoes angriffen. In der beständigen Feuchtigkeit des Stromthals war aber das Pulver naß geworden, und die Sehnen der Armbrüste hatten ihre Spannkraft verloren; ihre besten, fernhintragenden Waffen waren also unbrauchbar geworden. Die beiden Schiffe hielten sich womöglich in der Mitte des großen Stromes, wo sie am wenigsten belästigt wurden, und erreichten am Abend vor Trinitatis einen von links mündenden Zufluß, dessen Wasser schwarz wie Tinte erschien. Man gab ihm den Namen Rio Negro; es ist der bedeutendste aller linken Zuflüsse des Amazonas. Unterhalb desselben wuchs die Bevölkerung am Ufer ganz bedeutend, man segelte an vielen großen Ortschaften vorbei,[453] von denen die eine sich mit ihren Hütten eine ganze Meile am Strande hinzog. Hier konnte man überall Mais und Hühner erlangen. Am 24. Juni trafen sie ein Dorf, das nur von Frauen bewohnt war, welche keinen Verkehr mit Männern pflegten (sin conversaçion de varones). Diese Weiber erschienen, nach Carvajals Angabe groß und von starken Gliedmaßen, waren von heller Hautfarbe und trugen lange Haarflechten. Mit Bogen und Pfeil griffen sie die Spanier an, verloren aber sieben bis acht Kämpfende. Von dieser Begegnung mit bewaffneten Frauenvölkern, eine selbst in dem Wunderlande der neuen Welt den Spaniern unerwartete Erscheinung, hat der Strom seinen Name Rio das Amazonas (Strom der Amazonen) erhalten.[454] Weiter abwärts zum Meere wohnten Cariben, verabscheuungswürdig, weil sie das Fleisch der Erschlagenen verzehren, aber geschickt in allen Waffen und in Verfertigung schöner Gefäße, die sie verzieren und bemalen.
Trotz häufiger Kämpfe verloren die Spanier doch nur drei Genossen an Wunden, dagegen acht an Krankheiten.
Ehe man ins Meer hinaussteuerte, wurden beide Schiffe mit einem[S. 457] festen Verdeck versehen, die Segel setzte man aus mitgenommenen peruanischen Mänteln zusammen. Mit diesen Vorbereitungen beschäftigt, blieb Orellana 24 Tage in der Nähe der Mündung und steuerte dann am 26. August kühn ins Meer hinaus; ohne Piloten, ohne Compaß wußte er kaum, wohin er steuern sollte. Aber alle sahen es als eine besondere Gnade des Himmels an, daß in der ganzen Zeit, seit sie den großen Strom verlassen und am Lande hin nordwärts segelten, kein Regen fiel und das schönste Wetter sie begleitete. Sonst hätten wohl kaum die gebrechlichen Fahrzeuge die See behaupten können. Zwar wurden sie bei Nacht durch die Strömung des Meeres getrennt, gingen einzeln durch den Pariagolf und durch den stürmischen Drachenschlund, langten aber beide doch glücklich am 11. September auf der Insel Cubagua neben der Perleninsel Margarita an und wurden von ihren Landsleuten freundlich aufgenommen.
Die größte, schiffbare Stromrinne des südamerikanischen Continentes war so mit einem Schlage aufgefunden. Orellana’s romantische Fahrt läßt sich nur mit Stanley’s staunenerregender Congofahrt in dem jüngst verflossenen Jahrzehnt vergleichen.
Von Cubagua sandte der glückliche Entdecker des Riesenstroms einen Bericht an den König und begab sich dann mit seinen Gefährten nach dem Mittelpunkte der westindischen Welt, nach Haiti, wo er am 20. December 1541 ans Land ging.
Orellana’s Pläne waren aber auf eine Besiedlung des entdeckten Gebietes gerichtet; darum kehrte er im nächsten Jahre nach Spanien zurück und schloß mit der Regierung eine Capitulation, wonach er zur Eroberung des Landes autorisirt wurde. Sehr treffend erhielt es den Namen Neu-Andalusien. Denn wie das spanische Andalusien von dem wasserreichsten „großen Strome“, d. i. dem Guadalquibir, dem größten der ganzen Halbinsel, bespült wird, so Neu-Andalusien von dem mächtigsten Wasser der neuen Welt. Es gelang Orellana für sein Project Theilnahme und Unterstützung zu finden, und so segelte er am 11. Mai 1544 mit vier Schiffen und 400 Mann von San Lucar de Barrameda ab; aber diese Expedition hatte beständig mit Misgeschick zu kämpfen. Drei Monate wurde das kleine Geschwader bei Teneriffa, zwei Monate am grünen Vorgebirge aufgehalten und verlor durch den Tod 98 Personen, während 50 andere davonliefen. Bei der Ueberfahrt über den Ocean jagte der Sturm die Schiffe auseinander, zwei derselben, auf deren einem sich Orellana befand, wurden bis zur Ostspitze Brasiliens getrieben. Von hier gingen sie dann an der Küste des Festlandes nach Nordwesten bis zum mar dolce und fanden endlich die Mündung des großen Stromes wieder, welchem Orellana seinen Namen beilegte. Aber dort wurde der größte Theil der Mannschaft an der ungesunden Küste bald von Fiebern hinweggerafft; und als auch Orellana ins Grab sank, löste sich die Unternehmung auf, und die Ueberlebenden wandten sich nach San Domingo.
Alle Eroberungszüge der Spanier in der neuen Welt, so weit sie durch die Entdeckungsfahrten des Columbus angeregt waren, bewegten sich fast ausschließlich in den Grenzen des heißen Erdgürtels und nahmen von der Inselflur Westindiens als der natürlichen Eingangspforte zu diesen Regionen ihren Ausgang. Der Reiz der Neuheit der sie umgebenden Naturprodukte, die Romantik der wunderbarsten Abenteuer, welche das Leben zu einem Roman gestalteten, die Befriedigung, welche die Einen in der Aufspürung und Erbeutung edler Metalle und die Andern in der Bekehrung unzähliger Menschenstämme zum Christenthum fanden, rief unter den Spaniern ein wahres Auswanderungsfieber und einen unglaublichen Entdeckungs-Schwindel hervor, welcher das Mutterland zu entvölkern drohte. Fand doch der venetianische Gesandte Andrea Navagiero, welcher 1525 Spanien bereiste, in Sevilla, dem Sitze des indischen Amtes, so wenig Männer vor, daß er meinte, die Stadt sei fast ganz den Weibern überlassen.
Die großartige Erweiterung des Horizontes und der Umschwung der ganzen Weltanschauung, welche Europa’s Kultur dadurch gewann, wurde leider durch den Untergang origineller Bildungselemente in der neuen Welt und durch die Vernichtung unzähliger Menschenleben erkauft, welche unter der harten Hand der Eroberer trotz aller Bemühungen der Geistlichkeit und aller Gesetze der Regierung zu Grunde gingen.
Nachdem Amerigo Vespucci im Jahre 1501 auf seiner Entdeckungsfahrt an den Küsten Brasiliens bis zum 25° s. Br. vorgedrungen war (s. oben S. 332), faßte er 1503 bereits den Plan auf südwestlichem Wege bis zu den Gewürzländern zu segeln (s. oben S. 335), aber das Ungeschick des Capitäns Coelho vereitelte die Ausführung. Er kam nicht so weit nach Süden als zwei Jahre früher. Sicher war aber Vespucci der erste, welcher auf diesen neuen Weg hinwies. Als er im Jahre 1505 ganz nach Spanien übersiedelte, suchte er auch hier seinem Plane Geltung zu verschaffen. Schon im nächsten Jahre hören wir von der Absicht der spanischen Regierung, Schiffe nach den Gewürzländern zu schicken (para descobir la especeria), wobei das Gutachten der beiden erfahrensten Männer, Vicente Yañez Pinzon und Amerigo Vespucci, eingeholt werden solle.[455] Doch scheint die Absendung sich[S. 459] verzögert zu haben, wenigstens ist über eine Fahrt in der angegebenen Richtung und in dem genannten Jahre nichts bekannt. Erst 1508 liefen am 29. Juni zwei Schiffe unter Pinzon und Juan Dias de Solis von San Lucar aus, gingen über die Capverden nach dem Cap Augustin hinüber und kamen bis etwa zum 40° s. Br. Aber die Eifersucht und Uneinigkeit zwischen den beiden Leitern der Expedition vereitelte den Erfolg, die Schiffe kamen Ende October 1509 wieder nach Spanien zurück.
Wenn nun auch dieser erste Versuch resultatlos verlief, so traten doch bald in dem Fortschritt der mittelamerikanischen Entdeckungen so wichtige Momente hervor, daß dadurch ein erneuerter Anstoß gegeben wurde, das Project eines südwestlichen Weges wieder aufzunehmen. Dies war die Entdeckung der Südsee durch Balboa im Jahre 1513 (s. oben S. 347). Nun erkannte man, daß sich im Rücken der neuen Welt ein unermeßliches Meer ausdehnte, welches das westliche Indien von dem östlichen Asien trennte. Mit der Entdeckung dieser „Südsee“ trat zugleich der sehnliche Wunsch hervor, einen Wasserweg vom atlantischen Ocean in das neu gefundene Weltmeer aufzuspüren. Da nun die Küste Südamerika’s bis zum 40. Grade nach Südwesten lief, so stand zu erwarten, daß man in dieser Richtung entweder die Continentalmasse in ähnlicher Weise, wie es den Portugiesen um Süd-Afrika herum gelungen war, werde umsegeln können, oder daß man eine Straße finden werde, welche beide Oceane mit einander verbinde.
Der Glaube an das Vorhandensein einer Meerenge fand um so leichter Annahme, als schon Columbus auf seiner vierten Fahrt zwischen den Inseltheilen Westindiens eine offene Wasserbahn nach Westen gesucht hatte. Die Vorstellung fand weitere Nahrung in Schifferberichten, welche wenigstens schon seit 1508 einliefen und sogar bestimmt von der erfolgten Auffindung der Straße erzählten, welche genau in derselben Richtung von O. nach W. laufe und die Landmassen theile, wie die Meerenge von Gibraltar Europa von Afrika scheidet.[456] Möglicherweise datiren derartige Gerüchte noch um mehrere Jahre zurück. Es wird nämlich von glaubhafter Seite versichert, Magalhães habe bei seiner berühmten Fahrt sich auf eine von Martin Behaim (Martin de Boemia) gezeichnete Karte, im Besitz des Königs von Portugal, berufen, auf welcher etwa unter 40° s. Br. eine Straße, wenn auch sehr versteckt[S. 460] (multo occulto) angegeben sei.[457] Da nun Behaim schon 1506 oder 1507 starb, müßte die Straße bereits vor diesen Jahren aufgefunden sein. Daß seine Zeichnung, welche vor der Entdeckung der Südsee durch Balboa entworfen war, anders ausfallen mußte, als ein Jahrzehent später, liegt auf der Hand. Weder in Spanien noch in Portugal hat sich aus dieser Zeit eine Karte mit einer südlichen Meerenge erhalten, wohl aber sind uns derartige Entwürfe aus Italien und Deutschland überliefert, deren Entstehung annähernd gleichzeitig, nämlich in das Jahr 1515 bezüglich 1516 zu setzen ist. Beide Bilder geben die Umrisse der südamerikanischen Insel in fast gleicher Gestalt. Die italienische stammt von der Hand des berühmten Lionardo da Vinci,[458] die deutsche von Johannes Schöner.[459] Die Zeitung aus Presillg Landt war, wie bereits erwähnt ist, von Italien nach Deutschland gekommen, die beiden Darstellungen von Südamerika passen auffällig zu der dort berichteten Fahrt. Es wäre also möglich, daß mit dem Bericht über die dunkle Reise auch eine flüchtige Skizze aus Portugal zuerst nach Italien gelangt und dann ihren Weg nach Deutschland gefunden hätte, denn da Vinci’s Zeichnung bietet nur rasch hingeworfene allgemeine Umrisse, gleichsam um die neuerworbenen Vorstellungen von der Ländervertheilung zu fixiren. Daß aber beide Zeichnungen beeinflußt sind durch den Bericht der „newen Zeytung“, geht mit Gewißheit daraus hervor, daß Joh. Schöner seinem Globus eine kleine geographische Abhandlung beigab, in welcher er mehrere Stellen aus der „Zeitung“ wörtlich aufnahm.
Die Auffindung der Straße war angeblich durch Portugiesen erfolgt; wollten die Spanier nun durch dieselbe sich einen Zugang zur Westseite Amerika’s bahnen, mußten sie selbständig die Meerenge zu entdecken suchen. Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß in demselben Jahre, als Schöner seinen Globus veröffentlichte, auch einer der ersten Seeleute Spaniens im Begriff stand, das erwähnte Problem zu lösen und praktisch zu verwerthen. Juan Dias de Solis schloß nämlich im November 1514 mit der Krone einen Vertrag ab, wonach er sich verpflichtete, die nach der Südsee führende Straße zu entdecken und auf die Rückseite des Landes (á las espaldas de la tierra) zu gehen, um sich mit Pedrarias de Avila, dem Statthalter von Darien, in Verbindung zu setzen. Von hier aus wollte er dann noch 1700 spanische Meilen, von der Demarcationslinie an gerechnet, in der Richtung nach den Gewürzinseln vorzudringen suchen, ohne dabei, was bei Todesstrafe verboten wurde, portugiesisches Gebiet zu berühren.[460]
SÜDAMERICA
mit einer südlichen Meerenge,
nach dem
von Joh. Schöner 1515
entworfenen Globus.
Die punktirten Conturen zeigen die richtigen Umrisse des Landes.
Solis stand wegen seiner Leistungen im Seewesen in hohem Ansehen, er bekleidete, nach dem Tode Vespucci’s, das Amt eines Reichspiloten. Er erhielt für seine Expedition drei Schiffe und lief am 8. October 1515 von dem Hafen von Huelva aus, erreichte bei Cap S. Roque die südamerikanische Küste, segelte von da nach Südwesten und drang jenseit des Cabo de Sa. Maria (34° 39′ s. Br.) in die weite Oeffnung des Laplatastromes hinein, welcher damals Rio de Solis genannt wurde, und wagte sich, unvorsichtig, mit einer Caravele, während die beiden andern Fahrzeuge zurückblieben, ans Land. Hier wurde er nebst acht andern Genossen bei der Landung durch versteckte indianische Bogenschützen getödtet und verzehrt.
Nach dem traurigen Fall des Führers brach sein Schwager Francisco de Torres die Entdeckungsfahrt ab und kehrte nach Spanien zurück.
Die bisherigen Versuche eines Vespucci, Pinzon und Solis, auf südwestlicher Bahn die Molukken zu erreichen, waren fehlgeschlagen, sie hatten gezeigt, daß selbst die Begabung dieser Seefahrer nicht ausreichte, eine so wichtige Aufgabe zu lösen. Es lag, wenn auch nicht direct ausgesprochen, ja vielleicht nicht einmal klar erkannt, in dieser Aufgabe das höchste nautische Problem: die Umschiffung des Erdballs, und ein solches Problem verlangte auch den größten Mann seiner Zeit, welcher mit der Tüchtigkeit des Seemanns Besonnenheit und Willensstärke verband und seinen Befehlen unbedingte Geltung zu verschaffen wußte; denn Rivalität und Zwiespalt über die Führung des Geschwaders hatten mehrere Expeditionen seiner Vorgänger vereitelt. Wir rechnen den kühnen Bahnbrecher in der Umkreisung des Erdballs, den Portugiesen Ferdinand Magalhães[461], unter die hervorragendsten Seefahrer aller Zeiten, wenn er nicht der bedeutendste von allen ist.
Magalhães stammte aus vornehmer Familie. Daß er nicht in Oporto, sondern in Saborosa, im District von Villa real der Provinz Tras os Montes geboren ist, geht aus seinem Testamente hervor, welches er wenige Monate, bevor er zum erstenmale nach Indien ging, aufsetzte.[462] Um 1480 mag er geboren sein.
Mit Francisco d’Almeida ging er 1505 nach den indischen Gewässern, focht in Quiloa, kehrte 1508 auf kurze Zeit in die Heimat zurück, betheiligte sich aber im nächsten Jahre schon an der bekannten Expedition nach Malaka, rettete 1510 zwei Schiffe, welche bei den Malediven gestrandet waren, und zeichnete sich derart aus, daß er in demselben Jahre zu dem Kriegsrathe mit herangezogen wurde, welchen Albuquerque berief, um ihn für seinen Plan, Goa anzugreifen, zu gewinnen. Magalhães sprach bei dieser Gelegenheit offen gegen den Plan des Generalcapitäns und verlor dadurch die Gunst desselben, so daß er sich von selbständiger Leitung wichtiger Unternehmungen in Indien ausgeschlossen sah (s. oben S. 165). Während sein Freund Francisco Serrão bis nach den Molukken seine Entdeckungsfahrt ausdehnte, kehrte Magalhães in die Heimat zurück und versuchte sich einen[S. 464] seinen Fähigkeiten angemessenen Platz in Afrika zu erringen. Er nahm daher an den Feldzügen gegen Marokko theil, erhielt aber 1514 eine schwere Verwundung am Bein, in folge deren er zeitlebens hinkte. Da man ihn vollends beschuldigte, sich mit dem Feinde ins Vernehmen gesetzt zu haben, so ging er, ohne von seinem Vorgesetzten Pedro de Sousa Urlaub zu nehmen, nach Lissabon, um sich beim Könige zu beschweren. Dieser aber weigerte sich ihn zu empfangen und befahl ihm, zum Heere nach Azamor zurückzukehren und sich dort zu rechtfertigen. In der nun angestellten Untersuchung erwies sich zwar seine Schuldlosigkeit und wurde er freigesprochen; allein der weitere Kriegsdienst war ihm dadurch so verleidet, daß er seinen Abschied nahm und sich wieder nach Portugal begab. Er erhielt wie alle, welche dem Könige gedient hatten, eine kleine Pension. Das Ansehen seiner gesellschaftlichen Stellung richtete sich nun nach der Höhe des Gnadengehalts. Magalhães glaubte Anspruch auf eine Erhöhung der Pension zu haben und bat um eine monatliche Zulage von einem halben Ducaten; aber auch dieses Gesuch schlug der König ihm ab. So an der Ehre verletzt, in dem Range zurückgesetzt und nach allen Richtungen in seinem Verlangen, sich auszuzeichnen, gehemmt, zog sich Magalhães verstimmt und erbittert vom Hofe zurück und beschäftigte sich mit Kosmographie und Nautik, wozu ihn besonders ein Brief Serrão’s über seine abenteuerliche Fahrt nach den Molukken (s. oben S. 204) anregte; denn es stieg dabei in ihm der Gedanke auf, ob nicht die Gewürzinseln bereits auf der spanischen Erdhälfte lägen, da er die Entfernung derselben von Malaka weit größer angegeben fand, als sie in der That war. In seinem Verkehr mit dem Astronomen Ruy Faleiro reifte so allmählich der Plan, um Südamerika herum den Seeweg nach den Molukken aufzusuchen. In Portugal konnte der Gedanke aber nicht zur Ausführung gelangen, denn der Weg führte über die Demarcationslinie auf die spanische Seite und war ohne die Genehmigung von Seiten Spaniens nicht möglich. Aber Don Manuel war nicht blos dem Plane, sondern auch dem Träger desselben persönlich abgeneigt. Das stolze Bewußtsein seines eignen Werthes und das bittere Gefühl, minder fähigen Männern nachgesetzt zu werden, dazu die Erkenntniß, in seiner Heimat seine Ideen nicht verwirklichen zu können, trieben den nach Thaten dürstenden Mann endlich zu dem Entschluß, sein Vaterland zu verlassen und offen auf seine Nationalität zu verzichten. Er war kein gemeiner Ueberläufer, wie ihn sogar Peter Martyr bezeichnet,[463] sondern trat in aller Form, wie es seinem Stande entsprach, aus dem portugiesischen Unterthanenverbande aus[464] und begab sich mit Ruy Faleiro, der sich in Portugal ebenfalls vergeblich um eine Anstellung beworben hatte, und mit Christoval de Haro nach Spanien. Am 20. October 1517[S. 465] langte er in Sevilla, dem Mittelpunkte der indischen Unternehmungen und dem Sitze des indischen Amtes an. Dort fand er in dem Hause seines Landsmannes Diogo Barbosa, welcher 1501 unter João da Nova eine Fahrt nach Indien mitgemacht hatte und damals ein hohes Amt in der Stadt (alcaide del alcaçar de Sevilla) bekleidete, die freundlichste Aufnahme und wesentliche Förderung seines Planes, namentlich seitdem er die Tochter Barbosa’s, Beatriz, geheirathet hatte. Auch der einflußreiche Factor des indischen Amtes, Juan de Aranda, war bald für die Idee gewonnen und erfaßte den Gedanken, die Molukken zu erreichen und für Spanien zu reclamiren, mit Begeisterung.
Im Anfang des Jahres 1518 begab sich Magalhães mit Faleiro und Aranda an den spanischen Hof nach Valladolid, und wenn auch noch Bedenken tellurischer Art gegen das Unternehmen laut wurden, indem man die berechtigte Frage aufwarf, ob die Natur nicht selbst den Osten und Westen der Erde derart von einander getrennt hätte, daß man zu Wasser nicht aus dem einen Gebiet ins andere kommen könne, so erkannte man doch zu gleicher Zeit die große Bedeutung, welche nach Ueberwindung aller Schwierigkeiten eine erfolgreiche Fahrt für Spanien und seine weiteren Ansprüche haben müsse.[465]
So kam schon am 22. März 1518 ein Vertrag zwischen der Krone Spaniens und Magalhães nebst Faleiro zustande, wonach die Unternehmer sich verpflichteten, sich innerhalb der spanischen Hemisphäre (dentro de nuestros limites é demarcacion) zu bewegen, wogegen ihnen das Privilegium ertheilt wurde, innerhalb der nächsten zehn Jahre allein diesen Weg zu befahren, ausgenommen wenn der König selbst Personen auf den Südwest-Weg aussendet. Weiter wurde festgesetzt: Magalhães wird die Route dahin durch eine Meeresstraße im Süden von Amerika suchen und erhält von den Einkünften aus den neuen Inseln ein Zwanzigstel des Reingewinnes. Er erhält für sich und seine Söhne den Titel und Rang eines Adelantado und Gobernador und kann sich bei jeder nach den neuen Regionen entsendeten Expedition mit 1000 Ducaten in Waaren betheiligen. Wenn mehr als sechs Inseln entdeckt werden, bekommt er von zweien derselben, welche er auswählen kann, ein Fünfzehntel des Ertrags. Von dem Reingewinn der ersten Reise wird ihm ein Fünftel überwiesen werden. Fünf Schiffe wird die Regierung ihm zur Verfügung stellen, darunter zwei von je 130 Tonnen, zwei von je 90 Tonnen und eins von 60 Tonnen Gehalt. Dieselben sind auf zwei Jahre mit Proviant versehen für 234 Personen. Magalhães erhält ferner das Recht, auf den Schiffen die höchste Gewalt, auch über Leben und Tod, zu üben, den Capitänen und Mannschaften wird vom König ausdrücklich die Verpflichtung auferlegt, dem Generalcapitän unbedingt zu gehorchen. Als[S. 466] Hauptziel und Hauptaufgabe wird die Erreichung der Gewürzinseln bezeichnet.[466] Ein Fünftel der Kosten der Ausrüstung, nämlich 4000 Ducaten, gab Haro.
Sobald der Inhalt des Vertrags bekannt wurde, suchte man portugiesischer Seits das Unternehmen zu hintertreiben, weil, wenn Magalhães sein Ziel wirklich erreichte, die Frage nach dem berechtigten Eigenthümer der Molukken erhoben werden konnte und ein schwer zu lösender Streit um die werthvollen Inseln daraus entstehen mußte. Vergebens suchte der portugiesische Gesandte Alvaro de Costa auf den König Karl persönlich einzuwirken; in gleicher Weise verhandelte der Factor König Manuels in Sevilla Sebastian Alvarez direct mit Magalhães und machte ihm glänzende Anerbietungen, wenn er in den Dienst seines Vaterlandes zurückkehre. Aber Magalhães beharrte bei seinem Plan und erklärte die Unternehmung, nachdem er sie so weit eingeleitet, für eine Ehrensache. Dann suchte man die ganze Angelegenheit zu verdächtigen und den Mannschaften die Theilnahme zu verleiden, indem man aussprengte, die Schiffe seien so alt und morsch, daß sie kaum bis zu den Canarien kommen würden, man beschuldigte den Leiter sogar des Verraths, denn er habe die Absicht, das ganze Geschwader den Portugiesen in die Hände zu liefern und habe zu dem Zweck viele Matrosen fremder Nation angeworben.[467] Alvarez bemühte sich auch um Ruy Faleiro, meinte dann aber, als er auch bei diesem kein Gehör fand, wenn man nur Magalhães gewönne, würde der Astronom schon folgen. Aber alle diese Bemühungen scheiterten an der Festigkeit des Leiters und der spanischen Regierung, welcher man das Recht einer solchen Expedition auf ihrem Gebiete nicht absprechen konnte. Man erreichte nur, daß die Ausrüstung und Abfertigung des Geschwaders etwas verzögert wurde. Ruy Faleiro trat zurück, da er fühlte, daß ihm nur eine untergeordnete Stelle in der ganzen Unternehmung angewiesen werden könne, dafür schlossen sich Duarte Barbosa, eine Neffe Diogo’s, und der Ritter Antonio Pigafetta aus Vicenza der Expedition an. Den definitiven Befehl, alles zur Abreise vorzubereiten, ertheilte Karl von Barcelona aus am 19. April 1519, aber die Abfahrt selbst erfolgte erst fünf Monate später. Das Geschwader bestand aus folgenden fünf Schiffen:
Trinidad, Commodor Magalhães | ||
San Antonio, | Capitän | Juan de Cartagena |
Concepcion, | „ | Gaspar de Quesada |
Victoria, | „ | Luis de Mendoza |
Santiago, | „ | Juan Serrano. |
Am 20. September lichtete Magalhães in San Lucar de Barrameda die Anker. Vor der Abfahrt gab er strengsten Befehl, daß die Schiffe sich nicht trennen sollten. Er selbst werde stets voransegeln. Darum führte er Nachts eine Fackel von Spartgras oder ein Bündel brennenden Holzes, ein sogenanntes Farol am Hintertheil des Hauptschiffes, nach welchem sich die andern zu richten hatten. Wenn er wegen Wind und Wetter den Cours änderte oder langsamer fahren wollte, gab er ein Signal mit zwei Lichtern; mit drei oder vier Lichtern gab er bestimmte Zeichen über die Anzahl der beizusetzenden Segel. Verschiedene Feuer oder ein Kanonenschuß dienten als Warnungszeichen bei Untiefen.
Rumpf eines großen Seeschiffes um 1500.
Aus dem Wappen von Johann Segker. Verkleinertes Facsimile eines Holzschnittes aus Albrecht Dürers Schule.
Magalhães steuerte über Teneriffa nach den Capverden, um von hier aus nach der Küste Brasiliens hinüberzugehen. Daß er sich anfangs ganz in der Nähe der afrikanischen Küste hielt, veranlaßte bereits Differenzen mit seinen Capitänen, von denen besonders Cartagena als zweiter Befehlshaber (veedor general de la armada) den Anspruch erhob, bei der einzuschlagenden Coursrichtung um seine Meinung gefragt zu werden. Magalhães wies ihn gebührend zurück, indem er sich darauf berief, daß nach dem Willen des Königs er selbst allein den Oberbefehl führe und alle ohne Ausnahme ihm zu gehorchen hätten. In den Windstillen an der Küste von Guinea begrüßte ihn dann Cartagena mit dem einfachen Titel „Capitän“, wogegen Magalhães die[S. 468] Anrede „Generalcapitän“ verlangte. Cartagena gab darauf eine verletzende Antwort und grüßte die folgenden drei Tage gar nicht. Versteckte Angriffe auf seine Autorität duldete Magalhães nicht, er berief die Capitäne zusammen, ließ Cartagena verhaften und absetzen und ernannte an seiner Stelle den Antonio de Coca zum Befehlshaber des Schiffes.[468] Dann ging das Geschwader unter veränderlichen und widrigen Winden nach dem Cap Augustin hinüber und segelte an der brasilianischen Küste bis zur Bucht von Rio de Janeiro, wo es vom 13. bis 26. December blieb, um Lebensmittel einzutauschen und Wasser einzunehmen, zugleich aber auch um die innere Bucht genau zu untersuchen, ob nicht hier schon sich eine Straße nach dem westlichen Meere öffne. Als man sich überzeugt hatte, daß bei Rio kein Durchgang existire, steuerte man an der Küste weiter und erreichte am 10. Januar 1520 bei Cap Sa. Maria das Aestuar des Laplatastroms. Ein Hügel an der Küste, der die Gestalt eines Hutes hatte, erhielt den Namen Monte Vidi (Montevideo).[469] Daß Dias de Solis bis hieher vorgedrungen, war bekannt; aber die weite Bucht des Laplata gab wieder die Möglichkeit, eine Straße zu finden. Das Schiff Santiago wurde abgeschickt die Bai zu untersuchen, während die übrigen Fahrzeuge vor Anker gingen, kehrte aber nach 15 Tagen mit der Nachricht zurück, daß zwar mehrere große Ströme einmündeten, aber eine Straße nicht vorhanden sei. So brach denn die Flotille in den ersten Tagen des Februar nach dem noch völlig unbekannten Süden auf. Die niedrige patagonische Küstenterrasse bildet auf der Ostseite mehrere bedeutende Einbuchtungen, wie den Golf von S. Matias oder S. Antonio, und den Golf S. Jorge, hinter denen man einen Eingang in die gesuchte Straße vermuthen konnte. Es war also nöthig, mit steter Wachsamkeit den Verlauf des Gestades zu prüfen und allen Bewegungen der Küstenlinie nachzugehen, um die Passage, welche ganz versteckt liegen sollte, nicht zu übersehen. Dadurch verlor Magalhães noch die letzten Wochen des scheidenden antarktischen Sommers und sah sich schließlich genöthigt, an der südlichen patagonischen Küste zu überwintern.
Vom Laplata aus berührte Magalhães zunächst das Cap S. Antonio, dann die Klippen am Cap Corrientes (38° s. Br.), verlor im Unwetter das Land mehrere Tage aus dem Gesicht, suchte dann einen ganzen Tag lang in der Bai San Matias, bis er sich von allen Seiten von Land umschlossen sah, ging, abwechselnd mit Sturm und Strömung kämpfend, weiter, mußte sich mehreremal in geschütztere Buchten hineinflüchten, von denen die eine den Namen die Bai der Mühseligkeit (bahia de los trabalhos) erhielt[470] und erreichte endlich am 31. März den Julianshafen (Puerto San Julian), wo[S. 469] er unter 49° 15′ s. Br. in trauriger, öder Umgebung eine leidliche Zuflucht für den Winter fand und den Anbruch der günstigern Jahreszeit abzuwarten beschloß. Aber sein Beschluß, Hütten am Lande zu errichten und die Rationen zu kürzen, um die Schiffsvorräthe zu schonen, rief unter den Capitänen und der Mannschaft lebhaften Widerspruch hervor. Sie forderten ihn auf, umzukehren und sie nicht bei seiner vergeblichen Jagd nach einem Phantom alle in den Tod zu führen, sie seien bereits weiter vorgedrungen, als irgend ein Spanier. Magalhães dagegen bezeichnete es als die größte Schande, umzukehren, ehe sie die Straße oder das Ende des Landes aufgefunden hätten. Die kalte Jahreszeit werde rasch vorübergehen, und dem gefürchteten Hunger werde man leicht durch die Erträgnisse der Jagd und des Fischfanges begegnen. Mit eigenthümlicher List erklärte er, er müsse wenigstens so weit kommen, wie schon Amerigo Vespucci gekommen sei, und würde erst umkehren, wenn er bis zum 75. Grade keine Straße gefunden hätte. Ueber das fortgesetzte Seufzen und Klagen wurde er schließlich so zornig, daß er einige Rädelsführer festnehmen und strafen ließ. Darüber entstanden Unruhen und man rief: „Dieser Portugiese überliefert uns dem Verderben, um sich mit seinem Könige wieder aussöhnen zu können.“[471] Magalhães berief sich auf den Befehl des Kaisers. Bis jetzt hätten sie noch nichts Großes geleistet, was ihre Umkehr nur irgend wie entschuldigen könne. Die Portugiesen führen alle Jahre so weit nach Süden, wenn sie das Cap der guten Hoffnung umsegelten.[472] Trotz alledem wurde die Mannschaft nicht beruhigt und die offene Empörung brach alsbald aus. In der Nacht vom ersten April drangen Juan de Cartagena, welcher an der Spitze der Verschwörung stand und von Capitän Quesada freigegeben war, mit diesem und einer Anzahl bewaffneter Meuterer in das Schiff des dem Generalcapitän getreuen Mezquita und legten ihm Fesseln an. Der Master und Contremaster desselben Schiffes, des San Antonio, ergriffen aber für ihren gefangen gesetzten Capitän Partei. Sofort stach Quesada den Master Hurriaga (Elloriaga), einen Basken, nieder und ließ den Contremaster in Ketten werfen und nach der Concepcion als Gefangenen abführen. Da auch Luis de Mendoza auf der Victoria zu den Verschwornen zählte, so besaßen diese am andern Morgen drei Schiffe, während dem Magalhães außer seinem Schiffe nur der Santiago treu blieb. Die Meuterer hatten die Uebermacht und nahmen danach eine herausfordernde Stellung ein; den verrätherischen Ueberfall erklärten sie als einen Akt der Nothwehr gegen die fortgesetzt erduldeten Mishandlungen von Seiten des Oberbefehlhabers. Sie würden ihm alle Ehre erweisen, wenn er thue, was der Dienst Sr. Majestät verlange. Magalhães forderte sie auf, zu ihm auf sein Schiff zu kommen, dort werde er ihre Klagen anhören und nach[S. 470] Recht verfahren. Dagegen ließen sie ihm wieder sagen, sie trauten ihm nicht, er möge zu ihnen kommen, sie seien sämmtlich auf dem S. Antonio vereinigt. Magalhães benutzte das an ihn abgesandte Boot, um auf demselben den Alguacil Espinosa mit fünf oder sechs Mann heimlich an Mendoza, den Capitän der Victoria, abzufertigen und ihn scheinbar zu einer Unterredung auf dem Hauptschiffe aufzufordern, während er in Wahrheit den Auftrag gab, den abtrünnigen Capitän unschädlich zu machen. Espinosa führte die Weisung pünktlich aus, er fand während der Unterredung mit Mendoza Gelegenheit, denselben mit einem Dolchstich in den Hals zu tödten, worauf das Schiff, nachdem auch Duarte Barbosa noch mit 15 Bewaffneten hinzugekommen war, zum Gehorsam zurückgebracht wurde.
Magalhães legte sich mit seinen Schiffen vor den Ausgang des Hafens, um das Entfliehen der Meuterer zu verhindern. Zufällig löste sich der Antonio in der Nacht von seinem Anker und trieb mit der Ebbe an das Schiff des Magalhães heran.[473] Hier wurde es mit grobem Geschütz und Gewehrfeuer empfangen, und die Mannschaft des Generalcapitän bemächtigte sich des feindlichen Schiffes. Die Rädelsführer Cartagena, Quesada und de Coca wurden gefangen; der Leichnam Mendoza’s wurde am nächsten Tage geviertheilt als Verräther, und Quesada enthauptet, auch wurden vor der Abfahrt Cartagena und ein Caplan, der das Complot begünstigt hatte, am Strande ausgesetzt und ihrem Schicksal überlassen.[474] Aber der Pilot Gomez, welcher den Generalcapitän mit seinem Schiffe später verließ, nahm beide Verlassenen wieder auf und brachte sie nach Spanien.
Der Aufenthalt im Julianshafen währte fast 5 Monate (4 Monate und 24 Tage), in dieser Zeit trafen die Spanier mehrfach mit kleinen Horden der Eingeborenen zusammen, welche von Magalhães wegen ihrer großen Füße (spanisch patagon = Großfuß) Patagonen genannt wurden. Die übertriebenen Schilderungen von ihrer Größe, welche Pigafetta’s viel gelesener Reisebericht verbreitete,[475] veranlaßten in Europa die Vorstellung, daß alle Patagonen Riesen seien, eine Fabel, welche erst nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts durch genaue Messungen der Körpergröße widerlegt wurde.[476]
Ehe Magalhães selbst aus seinem Winterquartier aufbrach, ließ er durch Juan de Serrano auf dem Santiago die Küste weiter gegen Süden untersuchen, um sich mit seiner Flotte nicht durch jede Ausbuchtung des Landes[S. 471] aufhalten zu lassen. Aber Serrano litt in der Nähe des Puerto de Santa Cruz (50° s. B.) Schiffbruch und mußte sich mit seiner Mannschaft mühsam zum Julianshafen, an der Küste entlang, zurückwenden, wo die Leute auf die übrigen vier Schiffe vertheilt wurden. Magalhães selbst brach am 24. August auf und nahm am Heiligen Kreuzhafen noch einige von den gestrandeten Gütern des Santiago auf; von hier steuerte er dann aber erst am 18. October weiter, da zwei seiner Schiffe beschädigt waren und erst ausgebessert werden mußten. Unerschütterlich, als ein Mann von Muth und Ehre, ließ er sich durch keine Gegenvorstellungen von seinem Plane abbringen; erst wenn seine Schiffe im Sturm zweimal ihre Takelage verloren hätten, würde er sich dazu verstehen, den Weg um Afrika und an Madagascar vorüber einzuschlagen. Am 21. October erreichte sein Geschwader das Cap Virgenes (Cabo de las Virgenes) und damit den Eingang der berühmten Straße. Die fjordartige Zersplitterung des südamerikanischen Continents, welche an der Westseite vom Feuerlande bis zum 42° s. Br. reicht, hat die letzten Ausläufer des Gebirgslandes durch einen vielfach gegliederten Canal vollständig vom Rumpf der Landmassen abgetrennt. Die Straße, welche noch jetzt den Namen des kühnen Entdeckers trägt, hat eine Länge von 600 Kilometer (80 deutsche Meilen) und erstreckt sich in der östlichen Hälfte nach Südwest, in der westlichen Hälfte mit scharfer Wendung nach Nordwest. Nach der Gliederung und Gestaltung der Küstenlandschaften zerfällt sie in drei Abschnitte, in einen östlichen, mittleren und westlichen. Der östliche Abschnitt ist charakteristisch durch die Bildung zweier Engen, zwischen denen das Wasser sich seenartig ausweitet, durch das Fehlen der tieferen Seitenbuchten und Sackgassen, durch das Auftreten niedriger gleichmäßiger Höhenrücken jüngerer Formation und durch den gänzlichen Mangel an Baumwuchs. Der mittlere und westliche Abschnitt zeigt eine gleichartige geologische Struktur, hier herrschen Granit und Grünstein vor, und nach der Mitte zu Schiefer. Die schroffen, wilden Bergmassen erheben sich bis über 1000 Meter, im Sarmiento sogar über 2000 Meter. Der breite mittlere Abschnitt, mit mehreren tiefen Sunden und Canälen an der Feuerlandsküste, verläuft in der Richtung von Norden nach Süden und ist vollkommen inselfrei, der westliche Abschnitt dagegen, der sich nach Nordwesten zieht, verengt sich zwischen zahlreichen Klippen und tiefen Fjorden immer mehr und erweitert sich erst wieder gegen den Ausgang zum großen Ocean. In der Mitte und im Westen ist die Straße, wo die Berge nicht zu jäh in die Flut tauchen, mit üppigem Laubwald umsäumt.[477]
„Die landschaftliche Scenerie der von düsteren Sagen umwobenen Meeresenge ist ein seltsames Gemisch von Monotonie und Großartigkeit der Naturgebilde jener Zone. Ringsum starren dem Schiffe Eisberge entgegen mit tiefen, undurchdringlichen Felsenspalten, mit zu Gletschern erstarrten Wasser[S. 472]fällen, die wie gefrorene Niagaras, wie ungeheure Klippen von blaugrünem, durchsichtigem Glas, die Seiten der Gebirge und finstern Thäler überhängen. Dagegen dehnt sich das schwarze, dunkle Fahrwasser an hohen Felsen in zahllosen Windungen hin. Zuweilen führen diese Windungen in eine Bucht, die scheinbar ohne Ausgang, von einer Mauer schroffer Felsen eingeschlossen ist, bis sich plötzlich verschiedene Canäle zeigen, die den Seefahrer noch mehr in Verlegenheit setzen, da er, falls er fehl geht, wochenlang zwischen Klippen und Canälen umherirren kann. In diesem Theile der Straße wüthet ein beinahe ununterbrochener Sturm, und der Himmel ist stets von dichten Wolken umhüllt, die Atmosphäre ist trüb und beständig nebelig, die Gewässer sind von pechschwarzer Farbe, wegen ihrer Tiefe und der finstern Bergschatten. In der Regel weht der Wind aus Westen, der Strom rauscht dann wie ein Sturzbach, und die Durchfahrt ist mitunter so eng, daß das Laviren schwierig wird. Von den nackten kahlen Felsspitzen aber fährt der Orkan in die Wassertiefe hinab und erzeugt daselbst jene kurzen, brechenden Wellen, die unter dem Namen der Teufelswellen bekannt und die namentlich Segelschiffen so unheilbringend sind.“[478]
Bei der Einfahrt in die Straße schickte Magalhães zuerst die beiden Schiffe San Antonio und Concepcion voraus, um das Fahrwasser zu untersuchen, während er selbst mit der Trinidad und Victoria zurückblieb. Das eine Schiff kam bald mit der Meldung wieder, man habe nur eine Bucht mit tiefem Einschnitt gefunden, während das andere sich weiter wagte, durch eine Enge in eine zweite offene Bucht kam und hinter einer zweiten Enge, welche anfangs von Land umschlossen schien, wieder eine größere Wasserfläche fand. Da der Grund nicht seicht war, wie an der patagonischen Küste, in folge dessen man nur in der Nähe des Ufers, aber nicht mitten in der Straße ankern konnte, und da der Canal immer weiter führte, so schien die gesuchte Meerenge wirklich gefunden; und mit dieser freudigen Nachricht kehrte das zweite Schiff am dritten Tage nach dem Eingange zu Magalhães zurück, welcher, die hohe Wichtigkeit dieser Entdeckung erkennend, die Capitäne und Piloten zur Berathung zusammenrief, um sich über die weiteren Maßnahmen zu besprechen. Da sich nun herausstellte, daß der Proviant nur noch für drei Monate ausreichte, so meinte der Portugiese Esteban Gomez, Pilot auf dem S. Antonio, es werde, nachdem man die Straße gefunden habe, besser sein, einstweilen nach Spanien zurückzukehren und mit einer besser ausgerüsteten und versehenen Flotte die Unternehmung zu Ende zu führen. Allein Magalhães war nicht gewillt, umzukehren, nachdem der schwierigste Theil der Aufgabe die Auffindung der Straße, gelöst sei. Er wolle, so äußerte er sich, dem Kaiser sein Wort halten, und sollte ihn der Hunger zwingen, hartes Leder zu kauen. Um die Zaghaftigkeit des Schiffsvolks, welches leicht geneigt war,[S. 473] sich auf den Ausspruch einer Autorität wie Gomez zu berufen, nicht um sich greifen zu lassen, erklärte Magalhães: alle Schiffe sollten sich zur Weiterfahrt den nächsten Tag bereit halten; niemand solle bei Todesstrafe sich unterstehen, von Umkehr zu reden. So drang er muthig in den Felsensund ein. Auf der Südseite sah man häufig Feuer am Lande aufleuchten, welche die wilden Einwohner in dem rauhen Klima unterhielten. Das Land erhielt davon den noch giltigen Namen Feuerland (tierra del fuego). Nachdem er 50 Meilen gesegelt war, ließ er, da verschiedene Canäle sich nach verschiedenen Richtungen abzweigten, dieselben von zwei Schiffen wieder untersuchen, während die Zurückbleibenden durch Fischfang den Vorrath an Lebensmitteln zu bereichern suchten. Man befand sich damals in der Nähe der Südspitze des festen Landes. Der San Antonio ging mit vollen Segeln ab, ohne auf die Concepcion zu warten, und steuerte in einen nach SO. verlaufenden Canal, in der Absicht, nach Spanien zurückzukehren. Die Concepcion kreuzte unterdessen in demselben Canal und wartete auf das Wiedererscheinen des Antonio, aber vergebens. Magalhães war unterdessen in den Sund nach SW. mit den beiden andern Schiffen eingedrungen und wartete dort vier Tage, während dessen ein großes Boot den Canal, der nach NW. verlief, zu untersuchen hatte. Nach drei Tagen brachte dieses die Mittheilung, es sei bis an den Ausgang der Straße in das westliche Meer gelangt. Dieser günstigen Meldung gegenüber machte den Generalcapitän das Ausbleiben des S. Antonio, eines vorzüglichen Fahrzeuges, besorgt, da er selbst vielleicht an dem Verluste schuld war, insofern er den Ankerplatz gewechselt und das zurückkehrende Schiff irregeleitet hatte. Die Victoria mußte noch einmal bis an den Anfang des Canals segeln, in welchen der Antonio eingelaufen war, und dort an hervorragender Stelle eine Flagge aufhissen, an deren Fuß die briefliche Nachricht niedergelegt war, wohin das Geschwader seinen Weg genommen. Aber das vermißte Schiff kehrte nicht zurück. Das Schiffsvolk revoltirte gegen den Capitän Mezquita, und der Pilot Gomez unterstützte dasselbe. Er hatte früher von dem spanischen Könige zu einem ähnlichen Plane wie Magalhães Schiffe gefordert; da man nun aber den Antrag seines Rivalen angenommen, den seinigen aber abgelehnt hatte, so hegte er geheimen Groll gegen denselben und benutzte diese Gelegenheit, sich zu rächen. Mezquita wurde angeklagt, die grausame Behandlung der Meuterer im Julianshafen dem Generalcapitän angerathen zu haben, und wurde darum in Fesseln nach Spanien gebracht, wo man außerdem den obersten Leiter des Geschwaders für einen Wahnsinnigen erklärte, welcher Se. Majestät belogen und keine Ahnung davon habe, wo Banda oder die Molukken lägen.
So ging dem Magalhães auch das zweite Schiff verloren und damit auch der getreue Mezquita. Außer seinem Verwandten Duarte Barbosa hatte er nur noch wenige Leute, auf die er sich ganz und voll verlassen konnte. Hätte er die Officiere zu einer Berathung zusammen berufen, so wäre er vielleicht überstimmt worden. Er zog es daher vor, an die Capitäne und[S. 474] Piloten ein freundlich gehaltenes Rundschreiben[479] abgehen zu lassen, in welchem er sie um schriftliche Meinungsäußerung ersuchte, ob es gerathener sei, umzukehren oder vorwärts zu gehen. Doch sollte vor allem ins Auge gefaßt werden, was der Dienst Sr. Majestät und die Sicherheit der Schiffe verlange. Dieser Brief, vom 21. November, war „gegeben im Canal Allerheiligen“, canal de todos los Santos (denn so hatte Magalhães die Straße benannt) im 53. Grade s. Br. Das Geschwader befand sich damals also am östlichen Anfange des dritten Abschnittes der Meerenge, wo mehrere Straßen nach NW., N. und S. ausliefen und das Fahrwasser zwischen den Felsenmassen sich verengte. Am nächsten Tage traf die Antwort vom Astronomen Martin ein, welche den bekannten Absichten des Führers nicht direct widersprach, aber doch auf den Mangel an Lebensmitteln und bezüglich des Schiffes Victoria auch auf den erschöpften Vorrath an Tauwerk hinwies, ein Vordringen bis zum 60. oder gar 70. Grade bei dem Zustande der Schiffe und Mannschaften entschieden widerrieth, aber doch dem Gedanken nicht abgeneigt war, die schönen Frühlingstage zu benutzen, um einen Ausweg unter mildern Breiten zu suchen. Darauf gab Magalhães am nächsten Tage den Befehl zur Weiterfahrt. Das Land zu ihrer Rechten war unzweifelhaft tierra firme, d. h. Festland, dagegen zur Linken glaubte man Inseln vor sich zu haben, weil man mehrfach aus der Ferne das Geräusch der Brandung eines offnen Meeres an Felsenküsten vernommen hatte.[480] Man mußte also, wie auch bereits gemeldet war, nach dieser Seite hin bald den offenen Ocean erreichen. Vorsichtig fuhr Magalhães in der engen Felsengasse und, der Klippen wegen, nur bei Tage weiter und ankerte bei Nacht. Sondirende Böte gingen vorauf. Endlich traf am fünften Tage die Freudenbotschaft ein, der Ausgang sei erreicht. Auf diese Kunde ließ der Generalcapitän mit allen Kanonen Freudenschüsse thun und erreichte am 28. November beim Cabo Deseado[481] („ersehntes Vorgebirge“) das Meer. Die Durchfahrt hatte drei Wochen in Anspruch genommen, und rechnet man die Tage ab, wo er auf die abgesandten Schiffe warten mußte, so waren nur 12 Tage erforderlich gewesen.[482]
Von dem Ausgange der Meerenge richtete Magalhães seinen Cours grade nach Norden, so daß er noch unter dem 47. Grade die patagonischen Berge zur Rechten sehen konnte und wandte sich erst vom 37. Grade nach Nordwesten. Die Begrenzung des amerikanischen Festlandes war damit gegen Westen angezeigt. Ohne die Juan Fernandez Inseln, westlich von Chile, zu berühren,[S. 475] steuerte er nordwestlich zwischen der Inselwolke der Paumotu und den gebirgigen Markesas hindurch, immer mit günstigem Winde, weshalb er das Meer mit dem Namen Mar pacifico „stiller Ocean“ belegte, aber auch ohne 40 Tage lang etwas anderes als Himmel und Wasser zu sehen. Am 24. Januar 1521 stieß er auf ein einsames, unbewohntes Eiland, unter 16° 15′ s. Br., dem er den Namen San Pablo gab, und 11 Tage später, am 4. Februar auf ein zweites wüstes Inselchen, welches Haifischinsel (los tiburones) genannt wurde und unter 10° 40′ s. Br. lag.[483] Hier wurde zwei Tage Rast gemacht, um die Mannschaft sich erholen zu lassen und um zu fischen, denn die Nahrungsmittel gingen auf die Neige. Dann segelten sie weiter, wie Transilvanus berichtet, über ein ungeheures Meer, das größer ist, als man fassen kann. Nun aber trat das Schreckbild des Hungers immer drohender auf. „Wir fuhren, erzählt Pigafetta, 3 Monate und 20 Tage, ohne Erfrischungen einzunehmen. Der Zwieback war in Staub zerfallen, voll Maden und stank nach dem Unrath der Ratten, das Trinkwasser war trübe und übelriechend. Wir aßen auch Rindsleder, wie es unter der großen Marsraa angebracht ist, damit das Tauwerk sich nicht durchscheuert. Das Leder war sehr hart, weil es beständig der Sonne, dem Wind und Regen ausgesetzt war, und mußte erst tagelang im Seewasser eingeweicht werden, um es, in glühender Asche geröstet, genießbar zu machen. Ratten bildeten einen Leckerbissen und wurden, das Stück, mit ½ Krone bezahlt. Zu all dem Unglück trat noch der Scorbut auf, welchem 19 Personen erlagen. Wenn Gott und seine heilige Mutter uns auf der langen Fahrt nicht gutes Wetter gegeben hätten, so wären wir alle in dem weiten Meere verhungert, und ich glaube, daß kein Mensch jemals eine solche Reise wieder unternehmen wird.“ Pigafetta wagte also auf den Versuch einer Weltumsegelung einen ähnlichen Bann zu legen, wie Cook auf seiner zweiten Reise bezüglich der Unternehmungen gegen den Südpol. Beide erreichten nur, daß ihre kühnen Fahrten 50 Jahre lang ohne Nachfolger blieben.
Treffend und gleichsam mit prophetischem Blicke fügte Pigafetta hinzu: „Wenn wir von dem Ausgange aus der Meerenge immer westwärts gesteuert wären, wir hätten, ohne auf irgend ein Land zu stoßen, wieder an das Cap der Jungfrauen zurückkommen können.“ Dieser Ausspruch erklärt sich mit der größten Bestimmtheit gegen die Existenz eines weit nach Norden reichenden Südlandes, wie es später von den Kartographen des 16. Jahrhunderts als terra australis incognita gedacht und bis tief ins 18. Jahrhundert, bis auf die epochemachenden Reisen Cook’s die Vorstellungen der Geographen beeinflußt hat.
Am 13. Februar überschritt Magalhães den Aequator, etwa unter 175° w. v. Gr., steuerte 11 Tage nordwestlich bis zum 12° n. Br., so daß[S. 476] er zuerst zwischen dem Gilbert- und Marshall-Archipel und dann zwischen diesen und den östlichen Carolinen hindurch segelte; dann richtete er den Cours wieder nach Westen, bis er am 6. März auf die Ladronen stieß. Magalhães wußte zwar, daß sein Ziel, die Molukken, unter dem Aequator lägen; allein, da er fürchtete, sich wegen der Nähe der Portugiesen dort nur schwierig verproviantiren zu können, so ging er weiter nordwärts, wo er auf Inseln oder am Festlande, die von seinen Gegnern noch nicht berührt waren, ungestört ausruhen, seine Schiffe bessern und seiner Mannschaft Erquickung verschaffen könne. Die beiden Inseln, auf die man zuerst stieß, waren Guam und S. Rosa. Daß sie bewohnt waren, bewiesen alsbald die zahlreichen hurtigen Segelböte, die mit gleicher Geschicklichkeit vor- und rückwärts steuerten und pfeilschnell über das Wasser hinjagten, als ob sie flögen.[484] Wegen der dreieckigen Mattensegel, deren sich die Insulaner bedienten, wurden die Inseln Islas de las velas (Segel) genannt. Zutraulich und zudringlich kamen diese Schiffer an Bord und stahlen, was sie brauchbares fanden. Als sie aber gar ein größeres Boot entführt und an den Strand geschleppt hatten, wurden sie empfindlich gezüchtigt, ihr Dorf zerstört, die Pflanzungen vernichtet und sieben Menschen getödtet. Von diesem Diebstahl hieß man die Inselgruppe die Diebsinseln oder Ladronen, welchen Namen sie noch führen. Nach einem Aufenthalt von drei Tagen ging das Geschwader weiter nach Westen und gelangte so zu dem Archipel des San Lazaro, oder, wie er später benannt wurde, Philippinen. An der kleinen Insel Suluan, südlich von Samar, wurde zuerst gelandet, um frisches Wasser einzunehmen und besonders den Kranken einige Ruhe zu gewähren. Mit den Eingebornen wurde ein friedlicher Verkehr eröffnet. Der Häuptling von Suluan erschien in malaiischer Tracht, den Kopf mit einen seidenen Tuch umwunden und einen golddurchwirkten Sarong um den Leib. Von Suluan gegen SW. steuernd, berührte das Geschwader zwischen Mindanao und Leyte die kleine Insel Limasagua (Maçaguoa), wo eine Messe celebrirt wurde. Der dortige Radscha brachte sie zu der gegen Nordwesten gelegenen Insel Zebu, deren Kaufleute schon mit Portugiesen zusammengetroffen waren. Der Häuptling erwies sich den Seefahrern sehr geneigt und ließ sich schon nach acht Tagen mit mehreren hundert Insulanern taufen. Zwar wollte hier ein arabischer Kaufmann den Fürsten der Insel vor den Fremdlingen warnen, weil sie zu derselben Nation gehörten, welche Calicut und Malaka erobert hätten; aber Magalhães erklärte, ihr König sei noch weit mächtiger als der portugiesische, und werde sie in seinen Schutz nehmen und ihre Macht erhöhen. Der Christ gewordene Fürst von Zebu sollte nach seinem Plane der Oberherr über die umliegenden Inseln werden und als solcher dem Könige von Spanien huldigen. Die Ortschaften, welche sich nicht unterwerfen wollten, wurden zerstört, entfernteren legte man Tribut auf. Mitten vor der Ostküste von Zebu, nur durch einen schmalen[S. 477] Meeresarm getrennt, liegt die Insel Matan oder Mactan. Diese weigerte sich, die geforderten Abgaben an Lebensmitteln zu entrichten; daher beschloß Magalhães, sie die Ueberlegenheit seiner Waffen fühlen zu lassen. Die Hilfstruppen des Fürsten von Zebu lehnte er ab, da er die Stärke und Kriegsführung seiner Gegner unterschätzte, und ging am 27. April nur mit 50 bis 60 Mann in drei Böten nach der Insel hinüber, während er seinen eingebornen Freunden die Rolle von Zuschauern anwies; auch seine Schiffe blieben in der Ferne. Am Lande sahen sich die Spanier bald einem an Zahl überlegenen Feinde gegenüber.[485] Gegen die Schüsse der Europäer boten die festen Schilde der Insulaner einigen Schutz und bald gingen die Matanesen zum Angriff über. Sie schleuderten Wolken von Pfeilen und Steinen. Magalhães wurde durch einen vergifteten Pfeil am Schenkel verwundet und mußte Befehl zum Rückzuge geben; aber der Rückmarsch artete, indem die Insulaner um so kühner nachdrängten, bald in Flucht aus, so daß nur sieben oder acht Getreue bei ihrem verwundeten Feldherrn ausharrten. Alle Angriffe der wüthenden Feinde richteten sich auf Magalhães, welchem in dem Handgemenge zweimal der Helm vom Kopfe gerissen wurde. Aber er wollte nicht weichen und focht als ein tapferer Ritter, die Seinigen zum Widerstande ermunternd. Einen Insulaner, der ihn im Gesicht verwundete, stach er mit der Lanze nieder. Als er dann seinen Degen ziehen wollte, brachte er denselben, in folge einer Speerwunde am Arm nur halb aus der Scheide, und erhielt, für einige Augenblicke ungedeckt, einen Schwertstreich, der ihn aufs Gesicht niederwarf, worauf alle über ihn herfielen und ihn vollends tödteten. „Als die Indier, erzählt Pigafetta, welcher Zeuge des Heldentodes war, ihn überwältigten, wandte er, schon am Boden liegend, den Blick noch mehrmals nach uns zurück, um sich zu überzeugen, ob wir uns gerettet hätten, als ob er nur so hartnäckig standgehalten hätte, um seine Leute in Sicherheit zu bringen. So fiel unser Vorbild, unsere Leuchte, unser Trost und treuer Führer!“ So klagt der italienische Ritter über den Fall des großen Mannes; aber da er selbst verwundet war, wie die meisten Gefährten, blieb ihnen nur die Flucht nach den nahen Böten. Mit Magalhães fielen acht Spanier und vier getaufte Indier. Die Herausgabe der Leiche, selbst gegen große Geschenke, wurde von den Siegern entschieden verweigert.
Magalhães stand wohl im 41. Lebensjahre, als er auf Matan seinen Tod fand. Hatte er auch das Ziel, die Gewürzinseln, nicht völlig erreicht, so hatte er den schwierigsten Theil seiner Aufgabe auf das glänzendste gelöst. Er hatte die südamerikanische Meerenge gefunden und das größte Meer des Erdballs in seiner vollen Breite durchschnitten. Es war die größte nautische That aller Jahrhunderte. Seine größte Tugend bestand in der Ausdauer, selbst in der schlimmsten Lage, und er ertrug Hunger und Entbehrung auf den monatelangen Fahrten über das Weltmeer besser als andere. Er war nicht[S. 478] blos ein tapferer Soldat, sondern bewies auch seine Tüchtigkeit als Seemann, indem er alle Steuerleute anwies, daß sie, um den richtigen Cours nach den Molukken einzuhalten, auch die Abweichung der Magnetnadel in Rechnung zu bringen hätten. Der beste Beweis seiner Unerschrockenheit und Genialität liegt aber darin, daß er zuerst eine Erdumsegelung wagte und den schwierigsten Theil vollendete. Die Bedeutung seines Unternehmens ist leider durch die Eifersucht der Spanier und Portugiesen verdunkelt, in Portugal, weil er einer rivalisirenden Macht diente, in Spanien, weil er ein Fremder war. Magalhães selbst hat natürlich den Verlauf seiner kühnen Weltfahrt nicht ausführlich schildern können, das beste, was wir darüber besitzen, stammt von zwei Italienern. Es wirft ein merkwürdiges Schlaglicht auf die damaligen Zeitverhältnisse, daß die Heldenthat eines Portugiesen in spanischen Diensten von Italienern beschrieben ist.
Die wissenschaftliche Bedeutung dieser Fahrt charakterisirt Humboldt (Kosmos II, 306) in folgenden Worten: „Die Entdeckung und Beschiffung der Südsee bezeichnen für die Erkenntniß großer kosmischer Verhältnisse eine um so wichtigere Epoche, als durch dieselbe zuerst die numerische Größenvergleichung der Areale des Festen und Flüssigen auf der Oberfläche unseres Planeten nun endlich von den irrigsten Ansichten befreit zu werden anfing. Durch die Größe dieser Areale, durch die relative Vertheilung des Festen und Flüssigen werden aber der Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre, der wechselnde Luftdruck, die Vegetationskraft der Pflanzendecke, die größere oder geringere Verbreitung gewisser Thiergeschlechter und so viele andere allgemeine Erscheinungen und Processe mächtig bedingt. Der größere Flächenraum, welcher dem Flüssigen als dem das Feste bedeckenden Elemente eingeräumt ist (im Verhältniß von 2⅘:1) vermindert allerdings das bewohnbare Feld für die Ansiedelung des Menschengeschlechts, die nährende Fläche für den größeren Theil der Säugethiere, Vögel und Reptilien; er ist aber nach den jetzt herrschenden Gesetzen des Organismus ein nothwendiges Bedingniß der Erhaltung, eine wohlthätige Natureinrichtung für alles, was die Continente belebt.“ Der materielle Vortheil, welchen die spanische Krone, durch die Expedition Magalhães’ gewann, wird uns in den folgenden Blättern noch weiter beschäftigen.
Mit dem Tode Magalhães’ trat eine völlige Wandelung in der Gesinnung der Eingebornen ein. Der Glaube an die Unüberwindlichkeit der Fremden war gewichen, und mit malaiischer Tücke trachtete der getaufte Fürst von Zebu nach einer Gelegenheit, seine neuen Freunde mit List aus dem Wege zu schaffen. Er lud die Spanier zu einem Gastmahle ein, um ihnen bei der Gelegenheit angeblich ein für den König von Spanien bestimmtes Geschenk an edlen Steinen vorzulegen. Vierundzwanzig Spanier, darunter die beiden neugewählten Capitäne, Duarte Barbosa und Juan Serrano[S. 479] sowie der Astronom San Martin folgten der lockenden Einladung, indem der erwachende Argwohn durch die Bemerkung unterdrückt wurde, eine ablehnende Antwort könne als Feigheit ausgelegt werden. Pigafetta litt noch an seinen Wunden und blieb darum zurück, ebenso Lopes de Carvalho, welcher mit Recht Verrath fürchtete. Beim Gastmahl wurden sie überfallen und bis auf Serrano, den man lebendig gefangen behielt, getödtet. Carvalho ließ auf die Nachricht von dem hinterlistigen Ueberfall die Anker lichten und, mochte ihn der ans Ufer geführte, verwundete und gefesselte Serrano auch noch so dringend beschwören, ihn loszukaufen, man wagte sich nicht wieder an den Strand, aus Furcht, die Schiffe preiszugeben. Serrano blieb einem unbekannten Schicksal überlassen. Da die Mannschaft für den Dienst auf drei Schiffen nicht mehr ausreichte, so wurde die Concepcion als das am wenigsten seetüchtige Fahrzeug bei der Insel Bohol, östlich von Zebu, verbrannt. Trinidad und Victoria segelten unter der Führung von Carvalho und Gonzalo Vaz d’Espinosa südwärts nach Mindanao und von da nach der kleinen, nordöstlich von Borneo gelegenen Insel Cagayan, wo man nur einige von Borneo vertriebene Mohammedaner (Mauren) fand. Von hier aus steuerten sie in nordwestlicher Richtung nach Palawan, wo sie freundliche Aufnahme fanden und Lebensmittel eintauschen konnten. Dort trafen sie einen Mohren, namens Bastiam, der etwas portugiesisch verstand und auf den Molukken gewesen war. Dieser erbot sich zwar, sie nach Borneo, nach dem Staate Brunei an der Nordwestküste der Insel zu führen, erschien aber nicht wieder, und so hätten die Spanier den Weg ohne Hilfe suchen müssen, wenn nicht am nächsten Tage eine Praue an die Schiffe herangekommen wäre und die Führung übernommen hätte. So gelangten sie nach der Stadt Brunei, deren Häuser, auf Pfahlrosten gebaut, bis ins Meer standen, und deren Einwohnerschaft Pigafetta auf 25,000 Familien schätzte. Mit dem Könige des Landes wurden Geschenke ausgetauscht, die spanischen Abgesandten ritten auf zwei Elephanten zum Palaste, wo der König ihnen Audienz ertheilte, aber nur durch Mittelspersonen mit ihnen sprach. Man befand sich hier bereits in der Kulturregion der malaiischen Sundawelt. Die spanischen Gesandten wurden in einem vornehmen Hause gastlich untergebracht und schliefen auf seidenen mit Baumwolle gefüllten Matratzen. Der Radscha gab Erlaubniß, Handel zu treiben; allein das gute Verhältniß trübte sich nach wenigen Tagen, denn als eine große Anzahl von Prauen und kleinen Böten die Schiffe umschwärmte und sich vor dem Hafen versammelte, fürchteten die Spanier Verrath, griffen die Dschunken an, bohrten mehrere in den Grund und bahnten sich einen Weg in freies Fahrwasser. Der Radscha ließ ihnen zwar durch Boten melden, der Kampf sei durch ein Misverständniß entstanden, denn der vorbereitete Krieg gelte nicht den Spaniern, sondern den Heiden. Leider befand sich noch ein Theil der Schiffsmannschaft, darunter der Sohn Carvalho’s am Lande und gerieth in die Gefangenschaft der Malaien. Er wurde nicht ausgeliefert, obwohl der Capitän eine Auswechselung[S. 480] der Gefangenen (denn es waren mehrere vornehme Häuptlinge nebst ihren Frauen auf den eroberten Dschunken angetroffen) vorschlug.
Um Nordborneo herum zogen die beiden Schiffe wieder nach der Südküste Mindanao’s und von dort südwärts nach den Molukken, welche sie endlich am 8. November 1521 durch Freudenschüsse begrüßten. Seit ihrer Abfahrt von Sevilla waren sie bereits 2¼ Jahr unterwegs gewesen, ehe sie den Hafen von Tidor erreichten. Wenn die Portugiesen das Gerücht ausgesprengt hatten, die Molukken lägen zwischen Untiefen in einem von trüber, nebliger Atmosphäre bedeckten See, so daß man die Inseln nur mit großer Gefahr erreichen könnte, so erinnert uns dies an die von den Griechen wiedererzählten, altphönizischen Schifferlügen, wodurch man von den Fahrten nach solchen Gegenden abschrecken wollte, woher geschätzte Handelsprodukte geholt wurden. Man fand vielmehr das Wasser überall wenigstens 100 Faden tief.
Der Radscha von Tidor empfing die Spanier mit offnen Armen[486] und schloß mit ihnen bereitwilligst einen günstigen Handelsvertrag, denn die Spanier zahlten für die Gewürze viel höhere Preise als die Portugiesen[487]. Diese ihre Rivalen hatten in Ternate sich festgesetzt. Als die Spanier dies erfuhren, schickten sie eine Botschaft hinüber, um eine friedliche Zusammenkunft zu veranlassen. Aber die Portugiesen entschuldigten sich mit dem ausdrücklichen Verbote der Regierung des Landes. Die Erlaubniß wurde aber vom Radscha von Ternate gegeben, und so kam der portugiesische Factor Affonso de Lourosa, welcher schon mit den ersten Schiffen vor 10 Jahren von Indien hierhergelangt war, zu ihnen und war nicht wenig über die hohen Preise erstaunt, welche die unkundigen Spanier bezahlt hatten. Auch erfuhren diese, daß der König von Portugal dem Geschwader Magalhães’ sowohl am Cap der guten Hoffnung als am Laplatastrom durch Schiffe habe den Weg verlegen lassen wollen. Dann sei auch an den Oberbefehlshaber in Indien, Lopez de Sequeira der Befehl ergangen, sechs Kriegsschiffe nach den Molukken zu senden, um Magalhães mit Gewalt abzuweisen; aber in folge des Krieges mit den Türken in Aegypten seien die Schiffe nach dem Rothen Meere abcommandirt. Lourosa zeigte sich sogar geneigt, an Bord des spanischen Schiffes mit in die Heimat zu segeln.
Bis zur Mitte December hatten beide Schiffe eine volle Gewürzfracht eingenommen, dann wurden am 16. December neue Segel mit dem Kreuz[S. 481] des heiligen Jacobus von Galicien und der Inschrift: „Das ist das Bild unseres Glückes“ (questa e la figura della nostra buena ventura) aufgesetzt und die Abfahrt für die nächsten Tage bestimmt. Da bekam das Flaggschiff Trinidad unerwartet einen großen Leck, den auch die vom Radscha zu Hilfe gesendeten Taucher nicht zu verstopfen vermochten. Man mußte sich entschließen, die Victoria allein abgehen zu lassen und das andere auszuladen, um es gründlich ausbessern zu können. Am 21. December stach die Victoria endlich in See, nachdem vorher 60 Centner Gewürznelken wieder ausgeladen waren, weil man fürchtete, das Schiff sei zu schwer befrachtet. Unter Kanonensalven nahmen die beiden Schiffe von einander Abschied. Die Victoria unter dem Commando Sebastian del Cano’s (d’Elcano) hatte 47 Europäer und 13 Indier an Bord. Man berührte zuerst Buru, sodann die Nordseite von Timor, um Lebensmittel einzunehmen, und steuerte von da in den von den Javanen Lautchidol, d. h. Südmeer, benannten indischen Ocean hinein, erreichte am 18. März 1522 die einsame hohe Insel Amsterdam, stieß am 8. Mai in der Nähe des großen Fischflusses (Rio del Infante) auf die afrikanische Küste, wo man Erfrischung zu finden hoffte und umsegelte am 18. und 19. Mai das Cap unter heftigen Stürmen, welche das Schiff wochenlang an dem gefürchteten Vorgebirge umherjagten und bis zum 42° s. Br. hinaustrieben. Infolge der Anstrengungen und Entbehrungen, man hatte nur noch Reis und Wasser an Bord, starben 21 Personen, ehe am 9. Juli die Capverden in Sicht kamen. Man landete nothgedrungen an der Insel St. Jago, obwohl man sie in portugiesischem Besitz wußte; man hoffte unbelästigt zu bleiben, wenn man erklärte, das Schiff käme von Amerika. Eine unerwartete Ueberraschung wurde den Weltumseglern hier, als sie sich in dem portugiesischen Hafenplatze erkundigten, was für ein Wochentag es sei. Man wollte prüfen, ob man an Bord richtige Rechnung geführt. Die Portugiesen antworteten, es sei Donnerstag. „Das setzte uns sehr in Erstaunen,“ erzählt Pigafetta, „weil bei uns erst Mittwoch war. Und ich hatte doch, da ich stets gesund gewesen, Tag für Tag mein Tagebuch geführt. Erst später erfuhren wir, daß wir keinen Fehler gemacht und keinen Tag übersprungen hatten, und daß der Unterschied entsteht, wenn man von Osten nach Westen die Erde umschifft. Man wird dann im ganzen einen Tag weniger haben, als diejenigen, welche an derselben Stelle geblieben sind.“
Als die Schaluppe zum drittenmale ans Land ging, wurden 13 Matrosen zurückgehalten, weil bekannt geworden war, daß das portugiesische Schiff zu dem Geschwader Magalhães’ gehöre. Unverzüglich lichtete del Cano die Anker und kam am 6. September 1522 in den Hafen von S. Lucar. Achtzehn Personen, und auch diese zum großen Theil krank, waren allein von der ansehnlichen Schar übrig geblieben.[488] Nachdem sie am 8. September in Sevilla angelangt waren, machten sie am nächsten Tage sämmtlich eine[S. 482] feierliche Procession nach der Kirche der heiligen Maria del Antigua und begaben sich dann an den königlichen Hof nach Valladolid, wo der Capitän und die beiden Officiere sehr gnädig empfangen und mit einer Leibrente bedacht wurden. Del Cano erhielt außerdem ein neues auf die Entdeckung der Gewürzinseln bezügliches Wappen und als Helmzier einen Globus mit der Umschrift: Primus circumdedisti me (du hast mich zuerst umsegelt). Pigafetta überreichte bei dieser Gelegenheit dem Könige sein eigenhändig geführtes Tagebuch der ganzen Fahrt. Die Anerkennung und die Bewunderung, welche allgemein den Theilnehmern der ersten Erdumsegelung gezollt wurde, drückt Transilvanus mit den Worten aus: „Wahrlich unsere Seeleute sind des ewigen Ruhmes würdiger als die Argonauten, die mit Jason nach Colchis segelten, und ihr Schiff (nämlich die Victoria) verdient mehr unter die Sternbilder versetzt zu werden als die Argo.“
Zu dem Ruhm trat aber auch noch der materielle Gewinn hinzu; denn die Fracht des einen heimgekehrten Schiffes, welche aus 533 Centnern Gewürznelken bestand, deckte die Kosten des ganzen Geschwaders vollauf.[489]
Wie bereits oben (S. 481) erzählt ist, mußte die Trinidad auf Tidor zurückbleiben, weil sie einen bedeutenden Leck bekommen hatte. Erst am 6. April 1522 stach sie mit 50 Europäern und zwei einheimischen Lotsen an Bord in See. Der Capitän Gonzalo Gomez de Espinosa beschloß den Rückweg über den großen Ocean zu versuchen und steuerte von Tidor aus nach Norden und Nordosten. Durch ungünstige Winde aus der Bahn getrieben, kam das Schiff bis zum 42° n. Br. Monatelang umhergeworfen, litt es durch Kälte und Mangel an Lebensmitteln so entsetzlich, daß viele von der Mannschaft erlagen. Als endlich in einem fünftägigen Sturm das Vordercastell und der Hauptmast verloren gingen, sah man sich zur Umkehr nach den Molukken gezwungen, wo man erfuhr, daß die Portugiesen inzwischen nach Ternate gekommen seien und dort eine Festung bauten (s. oben S. 205). Die Noth zwang die Spanier, an der Küste von Halmahera Zuflucht zu suchen und von hier aus den portugiesischen Anführer Antonio de Brito zu bitten, sie mit einem Schiffe aus ihrer traurigen Lage zu befreien; denn ein Theil der Mannschaft war todt, der andere krank und zu hilflos, um das eigne Fahrzeug leiten zu können. So ließ denn Brito die noch lebenden 17 Spanier nach Ternate hinüberführen, wo sie bis Ende Februar 1523, vier Monate lang, festgehalten wurden. Dann wurden sie nach Banda gebracht; Juan de Campos, den man bei der ersten Abfahrt von Tidor dort als Factor[S. 483] zurückgelassen (s. oben S. 205), versuchte von Banda mit drei andern Spaniern auf einer Dschunke sich durchzuschlagen, ist aber mit seinen Gefährten verschollen. Die übrigen ließ man vier Monate in Banda, dann wieder fünf Monate in Malaka, dann noch ein Jahr in Kotschin warten, ehe man ihnen Gelegenheit bot, sich nach dem Vaterlande einzuschiffen. Absichtlich hielt man sie an ungesunden Plätzen zurück, um ihre Reihe zu lichten, denn es war den Portugiesen höchst ungelegen, ihre Nebenbuhler von den Molukken in die Heimat zu befördern. So kam es denn, daß nach mehreren Jahren nur drei Seeleute Europa wieder erreichten und auch nach ihrer Landung in Lissabon noch sieben Monate in Haft bleiben mußten, bis der Befehl des Königs ihnen die Freiheit gab. Es kehrten demnach von den 239 Personen, welche sich mit Magalhães eingeschifft hatten, im ganzen nur 21 wieder zurück, die letzten nach jahrelangen Leiden.
Erst nach 50 Jahren erhielt Magalhães in Drake und Oliver de Noort Nachfolger, welche in derselben Richtung wie er, eine Erdumsegelung ausführten: ein sicherer Beweis, wie viel gewaltiger und schwieriger ein solches Unternehmen den Zeitgenossen erschien als die Fahrten Gama’s oder Columbus’, die sich nach dem ersten Entdeckungszuge alljährlich wiederholten.
Eine große That trägt immer den Keim zu andern Thaten in sich. Die für praktische Ziele unternommene Weltumsegelung erwies sich als äußerst fruchtbringend, sowohl für wissenschaftliche Anschauungen als auch für materiellen Gewinn. Wenn auf der einen Seite durch ein augenfälliges Beispiel der Beweis von der Kugelgestalt der Erde erbracht war und der Blick zum erstenmale auf einer bestimmt gegebenen Linie das ganze Erdenrund umschweifen konnte, wenn gelehrte und gebildete Männer wie Transilvanus, durch die Weite des neugewonnenen Forschungsfeldes ermuthigt, sich von den Theorien und Phantasien des Alterthums loszulösen und die überlieferten kosmographischen und geographischen Lehren auf Grund der neuen Anschauungen mit kritischen Augen zu betrachten wagten, oder sich sogar ein Herz faßten, die länger als ein Jahrtausend durch alle Lehrbücher urtheilslos weiter geschleppten Erzählungen von den menschlichen Ungeheuern, den Schattenfüßlern, Langohren, Einäugigen, Pygmäen u. a. einfach unter die Ammenmärchen zu verweisen, weil weder Spanier noch Portugiesen irgend wo auf dem Erdenball auch nur annähernd Aehnliches gefunden hatten; so gewann auf der andern Seite auch der Staatsmann, der Politiker einen bedeutend erweiterten Gesichtskreis für seine Combinationen. Die Interessen des Verkehrs verließen die engen Schranken des alten Europa, kühne Pläne einer rivalisirenden Colonialpolitik flogen über die weiten Meere und scheuten nicht zurück vor einem diametral auf der anderen Seite des Erdballes auszufechtenden Streite. Denn da nun nach entgegengesetzten Richtungen zwei[S. 484] Wege zu dem Lande der Gewürze gefunden waren — und diese gesegneten Regionen waren ja das alleinige Ziel aller Seefahrten seit mehr als einem Menschenalter gewesen —, so mußte nothwendig auch die Frage entstehen, wem eigentlich nach der durch päpstliche Sanction erfolgten Theilung der Erde die Molukken gehören sollten, den Portugiesen oder den Spaniern. Aber diese letzteren beschäftigte nicht blos die Frage nach dem Besitz, sondern auch die Aufsuchung eines bequemeren Weges, als der, welchen Magalhães durch die Felsenengen am Feuerlande aufgefunden hatte. Man richtete dabei selbstverständlich den Blick auf die lockere Gliederung der mittelamerikanischen Gelände. Kaum ein Jahr nach der Heimkehr Sebastian del Cano’s ließ Karl V. schon, nach dem Gutachten seines Kosmographen den Eroberer Mexiko’s auffordern, seine Versuche, eine mittelamerikanische Durchfahrt zu entdecken, eifrig fortzusetzen, weil dadurch der Weg zu den Gewürzländern erheblich abgekürzt werden könne. Auch gestattete er, allen Kaufleuten und Unternehmungslustigen in Spanien, sich an Expeditionen nach den Molukken zu betheiligen. Um den Streit mit Portugal, wenn irgend möglich, auf friedlichem Wege zu schlichten, entschlossen sich beide Nachbarstaaten, einem aus Vertretern beider Mächte gebildeten Congresse die Entscheidung der schwierigen Frage zu übertragen. Diese „Junta“, welche beiderseits aus drei Juristen, drei Astronomen und drei Piloten zusammengesetzt war, kam zum erstenmal auf der Brücke, welche zwischen den Städten Badajoz und Elvas über den kleinen Grenzfluß Caya führt, am 11. April 1524 zusammen und setzte dann ihre Verhandlungen abwechselnd in den beiden Städten bis zum 31. Mai fort; aber resultatlos. Da nicht einmal der Ausgangspunkt jener oft erwähnten Demarcationslinie (die westlichste der Capverden) sicher festgesetzt war, von hier aus 370 spanische Meilen westwärts die Theilungslinie gezogen werden sollte und ihre Verlängerung über die andere Erdhälfte berechnet werden mußte, so hätte vor allem die Möglichkeit gegeben sein müssen, die Länge eines Meridiangrades genau zu bestimmen. Ja noch mehr, es stand nicht einmal die Größe des Erdumfanges fest. Man hatte als Unterlagen aus dem Alterthum eine Berechnung (zuerst von Eratosthenes) und eine davon etwas abweichende Messung der arabischen Astronomen aus dem 9. Jahrhundert. Wie unzuverlässig neuere Messungsversuche und Schätzungen ausfielen, lehren die Angaben von Columbus und von S. Martin, dem Astronomen der Magalhães’schen Expedition. Während jener aus einer Mondfinsterniß einen Abstand von Jamaica und Spanien berechnete, der einen Fehler von 34 Meridianen enthielt, nahm dieser nach der Schätzung des Schiffscourses den westlichen Abstand der Magalhães’schen Enge von Sevilla um 51½ Grad zu gering an.
Man war noch nicht einmal darüber einig, wie viel spanische Meilen (Leguas) auf einen Aequatorialgrad zu rechnen seien, denn die Ansichten der Junta gingen auseinander: die Spanier nahmen 14⅙, die Portugiesen 17½ Leguas an. Nach der letzten Bestimmung mußten die Molukken den Portugiesen[S. 485] zufallen. Die Spanier behaupteten, die Gewürzinseln seien von den Capverden 183 Grade entfernt, die andern dagegen nahmen nur 137 Grade an. Die unausgleichbare Differenz betrug demnach 46 Meridiane (etwa die Entfernung von Berlin bis zum Uralgebirge). Dabei gaben die Spanier den Abstand um 30½ Grade zu groß, die Portugiesen um 15½ Grad zu klein an.[490]
Der Pilotencongreß mußte ohne Resultat verlaufen, da keine der streitenden Parteien die Mittel dazu besaß, der andern ihre Fehler beweisen zu können, und löste sich am 31. Mai 1524 auf.
Beide Nebenbuhler rüsteten sich, wetteifernd auf den Molukken Boden zu gewinnen und waren entschlossen, sich auf den einmal besetzten Inseln Tidor und Ternate mit Gewalt zu behaupten.
Spanien entsandte ein Geschwader von sieben Schiffen mit 450 Mann unter dem Befehl des Garcia Jofre de Loaysa, während del Cano als Oberpilot mitging[491]. Am 24. Juli 1525 lief dasselbe von Coruña aus, denn nach diesem tiefen und sicheren Hafen in Galicien hatte man das indische Haus von Sevilla verlegt, einerseits um für die zu den Weltreisen erforderlichen größeren Schiffe einen ihrem größern Tiefgange entsprechenden Hafen zu besitzen, andererseits um für die Gewürze, welche, wie man hoffte, nun bald in vollen Frachten auf dem Westwege einlaufen würden, einen Stapelplatz zu schaffen, welcher den großen Märkten von Nordwest-Europa, namentlich den flandrischen und englischen Häfen näher liege als Lissabon. Coruña sollte zu einer Rivalin der portugiesischen Hauptstadt gemacht werden. Loaysa’s Flotte wurde beständig von Misgeschick heimgesucht. In der Region der Calmen an der Küste von Guinea monatelang aufgehalten, gelangten die Schiffe erst am 22. November in die Nähe des Cap S. Augustin, am 5. December nach Cap Frio und am 14. Januar 1526 zum Julianshafen. Am nächsten Tage zerschellte das Schiff del Cano’s in einem Sturm, welcher auch die anderen Schiffe arg mitnahm, an der Küste; die Mannschaft rettete sich. Wieder verging ein Monat, ehe man den Eingang der berühmten Straße wiederfand. Der Sommer ging zur Neige, die Stürme wurden immer heftiger und jagten am 12. Februar die Flotte vollständig auseinander.
Zwei Schiffe, die Anunciada unter Pedro de Vera und der Gabriel unter Rodrigo de Acuña trafen weit nördlich von der Magalhãesenge zusammen. Keiner der Capitäne zeigte eine Neigung, die gefährliche Fahrt in der beabsichtigten Richtung fortzusetzen; aber über den Weg, den sie selber einschlagen wollten, konnten sie sich nicht einigen. Während die Anunciada ohne Steuermann (derselbe war bereits gestorben) tollkühn ums Cap der guten Hoffnung nach den Molukken ging und auf dem Ocean verschollen ist, steuerte der Gabriel nach Brasilien, nahm in der Allerheiligen-Bai eine Ladung Brasil[S. 486]holz ein, bestand eine feindliche Begegnung mit drei französischen Freibeutern, in folge deren der Capitän und ein Theil der Mannschaft am Lande zurückbleiben mußte, und erreichte am 28. Mai 1527 den Hafen Bayona in Galicien, südwestlich von Vigo. Rodrigo de Acuña konnte erst im nächsten Jahre auf einem portugiesischen Schiffe heimkehren.
Derselbe Sturm vom 12. Februar trieb aber auch den Capitän Francisco de Hóces mit seinem Schiff S. Lesmes bis zum 55° s. Br., sodaß er das Ende des Landes sah, vermuthlich die südöstliche Spitze des Feuerlandes an der Le Maire-Straße. Auf den Werth dieser Entdeckung, durch welche das zeitraubende und gefährliche Einlaufen in den Feuerlandssund hätte umgangen werden können, achtete man damals zu wenig, und dem Entdecker Hóces war bald auch die Möglichkeit geraubt, in späterer Zeit seinen Fund, welcher eine bequemere Einfahrt in den großen Ocean in sichere Aussicht stellte, weiter auszubeuten, denn wenn er sich auch zum Geschwader Loaysa’s zurückfand und mit diesem durch die Magalhãesstraße zog, so wurde er doch wieder am 1. Juni 1526 durch Sturm von den übriggebliebenen Schiffen getrennt, suchte allein seinen Weg nach den Molukken und ist wahrscheinlich an der Paumotu-Insel Anäa gescheitert und untergegangen.[492] Loaysa konnte mit den vier Schiffen, welche ihm geblieben waren, erst am 6. April in die Magalhãesstraße einsegeln und erreichte am 25. Mai den großen Ocean. Am 1. Juni brach wieder ein wüthender Sturm los und riß das bereits aus vier Schiffe zusammengeschmolzene Geschwader vollends auseinander, sodaß von da an jedes Schiff sich seinen Weg allein suchen mußte.
Das kleinste Fahrzeug, der St. Jago, ein Schiff von nur 50 Tonnen, sah sich unter seinem Capitän Guevara außer Stande, den andern über den großen Ocean zu folgen, denn es fehlte ihm an Proviant, von welchem sich der größte Theil an Bord des Flaggschiffes befand. Guevara suchte die nächsten Ansiedelungen der Spanier zu erreichen und schlug daher den Weg nach Norden ein, in der Hoffnung, das jüngst von Cortes eroberte Mexiko zu finden. Die Westküsten Südamerika’s waren damals vom Feuerlande bis zum Aequator noch völlig unbekannt. Doch da Magalhães bereits nach seinem Eintritt in den stillen Ocean einen nördlichen Cours eingeschlagen und dabei gefunden hatte, daß die Küsten der neuen Welt sich nordwärts erstreckten, so beschloß Guevara in dieser Richtung weiter zu segeln. So gelang es ihm ohne Unfall, vielmehr durch die nordwärts ziehende antarktische, sog. Humboldtströmung begünstigt, am 25. Juli 1526 den Hafen von Tehuantepec zu gewinnen und dabei die höchst wichtige Entdeckung über die westliche Begrenzung des südamerikanischen Continents zu machen, eine Entdeckung, welche auf die bald darauf ausgeführten Expeditionen von Pizarro und Almagro nicht ohne Einfluß blieb.
Nur zwei Schiffe Loaysa’s scheinen den großen Ocean vollständig durchsegelt[S. 487] zu haben, das Hauptschiff, die Sa. Maria de la Victoria und die Sa. Maria del Parral unter Jorge Manrique de Najera. Daß die letztere bis zum Gestade von Sangir, südlich von Mindanao, gelangt sei, erfuhr man erst, als das Hauptschiff die Molukken erreicht hatte, aus dem Munde der wenigen Schiffbrüchigen, welche dem Untergange entronnen waren.[493]
Aber auch das Flaggschiff wurde von schweren Schlägen betroffen. Loaysa starb in folge der Aufregungen über den Verlust seiner Flotte am 30. Juli 1526 während der Fahrt über das stille Weltmeer. Sein Nachfolger Sebastian del Cano erlag gleichfalls am 4. August; denn der Tod hielt unter der durch Hunger und Arbeit erschöpften Mannschaft täglich seine Ernte. Toribio Alonso de Salazar, den man nun zum Capitän wählte, brachte das Schiff zwar bis zu den Ladronen, wo man sich 11 Tage Ruhe und Erholung gönnte, aber auch er starb bald nach der Abfahrt am 13. September. Ihm folgte im Commando der Baske Martin Irriguiez de Carquisano und brachte das Schiff endlich auf dem Wege über die Philippinen und die Talaut-Insel nach Halmahera (Djilolo) auf dessen Ostseite man in den Hafen von Samafo vor Anker ging. Das Schiff hatte fast die Hälfte seiner Mannschaft eingebüßt, von 105 Personen waren 40 gestorben.
Auf Tidor, wohin man erst am 1. Januar 1527 kam, wurden die Spanier als Befreier von dem portugiesischen Uebermuth mit offnen Armen empfangen und fingen sofort an, sich zu befestigen. Einen Versuch der Portugiesen, sie zu überrumpeln, schlugen sie glücklich ab; aber das Schiff war nicht mehr seetüchtig, und an eine Heimkehr war nicht zu denken. Nachdem auch Irriguiez gestorben, wurde Fernando de la Torre zum Capitän gewählt. Unter ihm behaupteten sich die Spanier, bis Saavedra ihnen zu Hilfe kam. Alvaro de Saavedra[494] war gegen Ende des Jahres 1527 von Cortes mit drei Schiffen und 110 Mann von Mexiko über den großen Ocean entsendet, um eine Verbindung zwischen Neuspanien und den Gewürzinseln herzustellen, aber er verlor auf der Ueberfahrt (er kam in zwei Monaten bis zu den Ladronen) zwei Schiffe, befreite auf den Philippinen noch mehrere von den ehemaligen Begleitern Magalhães’ und Loaysa’s (von dem Schiffe Sa. Maria del Parral) aus der Gefangenschaft und kam am 30. März 1528 nach Tidor. Leider war seine Mannschaft schon auf 30 Köpfe zusammengeschmolzen, sodaß er seinen bedrängten Landsleuten keine wesentliche Verstärkung bringen konnte; es schien daher gerathener, noch einmal nach Mexiko zurückzukehren, und in Anbetracht der großen Wichtigkeit, welche die Behauptung von Tidor für Spanien hatte, von Cortes Hilfe zu verlangen. Daher ging Saavedra am 3. Juni 1528 wieder unter Segel, berührte mehrere von Papuas bewohnte Inseln, vermuthlich auch die Nordküste von Neu-Guinea, streifte in nordöstlichem Cours unter 7° n. Br. die Gruppe der[S. 488] Carolinen,[495] konnte aber in folge der beständigen Gegenwinde nicht über die Ladronen hinaus in den Ocean vordringen und kam im October wieder nach Tidor zurück. Im Mai des folgenden Jahres wiederholte Saavedra seinen Versuch, gelangte zwar bis zu den Marshalls-Inseln und steuerte nordöstlich bis zum 27° n. Br.; aber hier starb er. Sein Schiff versuchte noch eine Zeitlang die eingeschlagene Route zu verfolgen, mußte aber unter 30° n. Br. ebenfalls vor den ungünstigen Winden umdrehen, erreichte nur mühsam im December 1529 (oder Ende October) die Nordküste von Halmahera und fiel hier den Portugiesen in die Hände, welche die Mannschaft nach Malaka brachten. Aus Tidor wurden die Spanier vertrieben und wichen nach Halmahera zurück. Aber ihre glücklichen Nebenbuhler kamen damit nicht blos de facto in den Besitz der Molukken, sondern sie erwarben dieselben auch durch Vertrag. Karl V. trat nämlich am 22. April 1529 seine Ansprüche für 350,000 Ducaten an die Krone von Portugal ab und war damit einverstanden, daß man die Theilungslinie 17 Grade östlich von den Molukken verlegte. Auch diese bedeutende Abfindungssumme, welche an Spanien bezahlt wurde, ist unter die Erfolge der ersten Erdumsegelung zu rechnen. Und wenn dem Vertrage auch die Clausel angehängt war, daß die ganze Summe zurückzuzahlen sei, falls es sich herausstelle, daß Portugal schon durch die erste Bestimmung der Demarcationslinie rechtmäßigen Anspruch auf die Gewürzinseln besitze, so wurde doch dieser Zusatz nie zur Ausführung gebracht.
Endlich wurde noch zu Gunsten der Spanier festgesetzt, daß, wenn ihre Schiffe bei Fahrten über den großen Ocean, welcher unbestritten innerhalb der spanischen Erdhälfte lag, sich in die molukkischen Gewässer aus Unkenntniß verlören, diese Schiffe von Seiten der Portugiesen nicht feindlich behandelt werden sollten. Denn es ist bemerkenswerth, daß die spanischen Fahrten von Mexiko nach den Philippinen fortgesetzt wurden, obwohl diese Inselgruppe nordwestlich von den Molukken liegt und nach dem Vertrag von 1529 in den Machtbereich der Portugiesen gezogen war.
Die letzten Spanier unter de la Torre, 16 Mann, welche sich in jenem Gebiet behauptet hatten, konnten erst 1534 nach Europa den Rückweg antreten, aber kaum die Hälfte erreichte 1536 den heimatlichen Boden. Unter ihnen Torre und der berühmte Pilot Andres Urdaneta, welcher nach seiner Rückkehr einen wichtigen Beitrag zur Kenntniß der Gewürzländer gab und seinen Bericht im Februar 1537 dem Könige in Valladolid überreichte.[496]
Von nun an blieb Portugal im unbestrittenen Besitz des Gewürzhandels, bis die Niederländer im Anfange des 17. Jahrhunderts sie verdrängten.[497]
Wenn durch den Vertrag von Saragossa 1529 die Fahrten nach den Molukken für die Spanier aufhören mußten, so blieb ihnen doch unbenommen die weite Wasserfläche des stillen Oceans, über welche bisher nur einige wenige Recognoscirungslinien gezogen waren, weiter zu erforschen; denn der Glaube an das Vorhandensein reicher Inseln beherrschte noch die Vorstellung und trieb zu neuen Streifzügen.
Als Ferdinand Cortes im Jahre 1536 dem Pizarro in zwei Schiffen Hilfstruppen nach Peru schickte, gab er dem Hernando Grijalva zugleich den Befehl, nach Erfüllung des genannten Auftrags von der Westküste Südamerika’s aus nach Asien hinüberzusteuern. Sie wählten die Route in der Nähe des Aequators, gingen weit ins Meer hinaus, ohne irgend ein Land zu entdecken, so daß Grijalva schon willens war, nach Mexiko zu steuern; allein daran wurde er durch die beständigen Gegenwinde gehindert. So wurde denn die Fahrt bis in die Nähe von Neu-Guinea fortgesetzt, wo an einer von Melanesiern bewohnten Insel die Schiffe zu Grunde gingen und die Mannschaft bis auf wenige Personen erschlagen wurde. Die letzten Ueberlebenden befreite der portugiesische Gouverneur auf den Molukken. Einige Jahre später ließ der Vicekönig von Mexiko, Antonio de Mendoza, eine größere Flotte von sechs Schiffen ausrüsten und sandte sie im November 1542 von Neuspanien nach dem Westen. Ruy Lopez de Villalobos berührte zunächst die Revillagigedogruppe und stieß dann, an den Marshallsinseln vorbeisegelnd, auf die mittleren Carolinen, und zwar auf die Hallinseln und auf Namonuito, flache, dichtgrüne Eilande, von tiefem Meere umschlossen und von einer armen, rohen Bevölkerung bewohnt. Villalobos gab ihnen den Namen Coralleninseln und los Jardines (die Gärten).[498] Am 23. Januar 1543 stieß er auf Inseln, deren Bewohner schon früher Besuch von Spaniern erhalten hatten, denn sie riefen den neuen Ankömmlingen zu ihrer Verwunderung den spanischen Gruß: buenos dias matalotes! zu und machten das Zeichen des Kreuzes. Daher erhielten die Inseln den Namen Matalotes (Schiffer).[499] Fünfunddreißig Meilen weiter westlich tauchte eine größere, von Corallenriffen umgebene Insel auf, welcher man den treffenden Namen Riffinseln (Islas de arrecifes) gab; es war die Gruppe der Palauinseln. Von hier nach Westen steuernd kam das Geschwader am 29. Januar[S. 490] in Sicht der Philippinen. Vor ihnen lag die Insel Mindanao; hier landete Villalobos am 2. Februar und blieb einen Monat, in der Absicht, dort eine Niederlassung zu gründen. Zu Ehren des Kaisers nannte er das Land Cäsarea Caroli. Da aber sich das Klima ungesund erwies und die Einwohner sich weigerten, den Spaniern Lebensmittel zu liefern, so mußte er sich weiter nach Süden wenden, bemühte sich aber auch auf den kleinern Inseln zwischen Mindanao und Celebes vergebens um Proviant, weil ihm die Insulaner überall feindselig entgegentraten und jeden friedlichen Verkehr vermieden. Nachdem darüber Monate vergangen waren, beschloß Villalobos ein kleineres Schiff nach den Carolinen zurückzuschicken, um dort Lebensmittel einzutauschen, und sandte zugleich den Capitän Bernardo de la Torre mit seinem Schiff San Juan am 26. August nach Mexiko, um dem Vicekönige Nachrichten über den Verlauf seiner Expedition zu überbringen. In dem officiellen Berichte, welchen la Torre mitnahm, wurden die großen Inseln zuerst unter dem Namen Felipinas (Philippinen, zu Ehren des spanischen Kronprinzen) aufgeführt. La Torre ging von der Insel Samar, nördlich von Mindanao, nach Nordosten, entdeckte unter dem 25. Grad n. Br. die vulkanischen Inselchen südlich von der Boningruppe, welche Volcanos genannt wurden, drang dann noch bis zum 30. Parallelkreise vor, mußte hier aber wegen Wassermangel umkehren, ging durch die Philippinen zurück, wo er erfuhr, daß Villalobos sich nach den Molukken gewendet, und traf hier mit seinem Befehlshaber wieder zusammen.
Inzwischen hatte der portugiesische Gouverneur in Ternate, Jorge de Castro, Kunde von der Anwesenheit eines spanischen Geschwaders erhalten. Er sandte zwei Böte ab, um Villalobos auf den Vertrag von 1529 hinzuweisen, wonach alle Inseln bis zu den Ladronen den Portugiesen zuerkannt waren. Wären die Spanier nicht in der Absicht Eroberungen zu machen in jene Regionen gerathen, dann werde er sie gern mit Lebensmitteln unterstützen. Sonst müsse er aber ihren Rückzug fordern.
Villalobos erwiderte darauf, er habe den Auftrag erhalten, sich auf den Philippinen festzusetzen, denn diese lägen weit genug von den portugiesischen Molukken entfernt, um keinen Anlaß zu Zwistigkeiten zu bieten. Aber auch gegen diese Absichten legte de Castro im Namen seines Königs Protest ein.
Da nun aber die Noth auf den spanischen Schiffen wuchs und viele Matrosen starben, mußte Villalobos gegen seinen Willen die Molukken aufsuchen. Er vermied es, mit den Portugiesen in Streit zu gerathen, und machte noch einmal den Versuch, sich mit Mexiko in Verbindung zu setzen und von dort Hilfe zu erbitten. Zu dem Zwecke wurde im Mai 1545 der San Juan unter dem Capitän Iñigo Ortiz de Retes ausgesandt; dieser schlug um Halmahera herum den Weg nach Südosten ein und traf so auf die Nordküste von Neu-Guinea, welche Menezes schon 1526 gefunden hatte (s. oben S. 206). Zwei Monate lang kämpfte er gegen das Unwetter an, welches ihn vom 15. Juni bis 16. August an den Gestaden der Papuainsel[S. 491] und der vorliegenden Inseln[500] festhielt. Retes landete an mehreren Punkten, um Wasser und Holz einzunehmen. An der Küste breiteten sich weite Ebenen aus, aber dahinter hoben sich im Innern mächtige Gebirge empor. Zu wiederholten Malen wurden die Spanier von den Kriegsböten der schwarzen Bewohner angegriffen. Diese Kähne hatten einen Aufbau, eine Art Kastell, welches dem Hintertheil der spanischen Schiffe an Höhe fast gleich kam. Oben standen die Krieger, unten befanden sich die Bänke für die Ruderer. Retes nahm trotzdem an einer günstigen Stelle, wo er länger verweilte, für Spanien von dem Lande Besitz und gab ihm den noch giltigen Namen Neu-Guinea. Gegen Osten drang er bis zu den Vulkan- und Dampierinseln (4° 40′ s. Br., 146° ö. v. Gr.) vor. Zwei Meridiane weiter wäre er auf den Neubritannischen Archipel gestoßen; aber er entschloß sich nach der langen, vergeblichen Arbeit, gegen den Willen der Piloten, einen nördlichen Cours einzuschlagen, mußte aber bald dem dringenden Verlangen der Mannschaft, welche den Anstrengungen zu erliegen drohte, nachgeben und den Befehl zur Umkehr ertheilen. Am 3. October traf er wieder in Tidor ein. Villalobos sah somit keine Möglichkeit, über den stillen Ocean sich Unterstützung zu verschaffen. Die vergeblichen Bemühungen eines tüchtigen Schiffes, welches zweimal nach verschiedenen Richtungen den Ocean zu kreuzen versucht hatte, bewiesen ihm, daß er mit seiner ganzen Flotille unrettbar den Portugiesen in die Hände fallen müsse, denn den Rückweg durch den indischen Ocean und um Afrika herum durfte er nach den Verträgen zwischen beiden Mächten nicht einschlagen.
Als nun kurz nach der Rückkehr des San Juan unter Retes im October 1544 ein neuer Statthalter auf den Molukken erschien, Fernão de Sousa, kündigte dieser den Spaniern die lange gewährte Gastfreundschaft und forderte dieselben ohne Umschweife auf, die Gewürzinseln zu verlassen. So mußte Villalobos seine Schiffe den Portugiesen überliefern, da er bei der Schwäche seiner Mannschaft es nicht auf eine Entscheidung durch Kampf konnte ankommen lassen. Er erreichte nur, daß seine Leute ihr Privateigenthum behielten und in kleinen Abtheilungen auf portugiesischen Frachtschiffen nach Europa zurücktransportirt wurden. Villalobos starb kurz vor Ostern 1546 auf Ambon, 144 Personen gelangten, die letzten allerdings erst 1548, nach Europa zurück.
Trotz dieser Miserfolge wurde der Plan, die Philippinen zu colonisiren noch nicht aufgegeben, aber die Ausführung wurde während der letzten Jahre der Regierung Karls V. noch hinausgeschoben. Sein Nachfolger Philipp II. faßte sie bald bestimmter ins Auge. Um die Rechtsansprüche der Portugiesen kümmerte man sich weniger, da man wußte, daß der kleine Nachbarstaat[S. 492] bei zunehmender Erschöpfung seiner Kräfte nicht daran denken konnte, von den Molukken seine Macht noch weiter auszudehnen. Außerdem ließ sich das Gewissen auch leicht durch den Gedanken beschwichtigen, daß man bei einer Colonisirung der Philippinen doch vor allem das Seelenheil der dortigen Bewohner im Auge habe. So erhielt schon 1559 der Vicekönig von Mexiko Luis de Velasco den Auftrag, eine Flotte auszurüsten. Die Regierung rechnete dabei in erster Linie auf die Unterstützung Urdaneta’s, welcher die Expedition Loaysa’s mitgemacht hatte und aus langjähriger Erfahrung die Sundawelt kannte, dazu aber auch als erfahrener Seemann in gutem Andenken stand. Zwar hatte derselbe 1552 das Ordenskleid der Augustiner genommen und lebte zurückgezogen in einem Kloster in Mexiko. Als nun der Ruf zur Theilnahme an ihn erging, war er alsbald bereit, zumal er bei dieser Gelegenheit einen Lieblingsgedanken, das große unbekannte Südland zu entdecken, hoffte verwirklichen zu können. Zur Verkündigung des Christenthums wurden außer ihm noch vier andere Mönche seines Ordens gewonnen. Die Vorbereitungen währten mehrere Jahre, erst im November 1564 waren vier Schiffe segelfertig und steuerten von Navidad aus über das stille Weltmeer. Zum Leiter war Miguel Lopez de Legaspi, ein ruhiger, besonnener und tüchtiger Mann erkoren. Derselbe hatte den bestimmten Befehl erhalten, sich genau an die von Villalobos eingeschlagene Route zu halten; es war also entschieden nicht auf zeitraubende Versuche, neue Länder im Ocean zu entdecken abgesehen, vielmehr so schnell als möglich die Philippinen zu erreichen. Trotzdem hatte Legaspi das Unglück, unterwegs eines von den kleinen Schiffen einzubüßen. Dasselbe trennte sich in folge verschiedener Segelgeschwindigkeit von den übrigen, fuhr allein über den Ocean, berührte auch die Philippinen und kehrte dann, durch Stürme weit nach Norden geführt, jenseit des 40. Grades nördl. Br. über den Ocean nach Mexiko zurück. Es fand also zufällig den Weg, den Loaysa, de la Torre und Retes vergebens gesucht hatten.
Legaspi langte am 3. Februar 1561 bei dem Archipel der Philippinen an, fand aber überall kühlen oder selbst feindseligen Empfang, bis es ihm auf Bohol gelang, durch Vermittelung eines Malaien für seine Mannschaft hinreichende Lebensmittel einzutauschen. Nach einer Recognoscirung der nächsten Inseln beschloß er, Ende April, sich mit Gewalt auf Zebu festzusetzen. Man sah diese Insel als spanisches Eigenthum an, seit die Häuptlinge bei Anwesenheit Magalhães’ der spanischen Krone gehuldigt hatten. Durch geschickte Unterhandlung erreichte Legaspi sein Ziel; die Bewohner von Zebu huldigten von neuem und begaben sich unter seinen Schutz, wofür er sie gegen ihre Feinde zu vertheidigen versprach.
Nachdem so die Anfänge der Besiedelung geglückt, kehrte Urdaneta nach Mexiko zurück, um über die Resultate der Fahrt zu berichten. Er schloß mit Recht, daß man ähnlich wie im atlantischen Ocean, in höheren Breiten, außerhalb des tropischen Gürtels mit seinen constanten Passatwinden werde[S. 493] auf westliche Winde rechnen können, welche eine Fahrt von Asien nach Amerika über den Ocean ermöglichten. So ging er mit seinem Schiffe getrost von den Philippinen nach Nordosten bis zum 43° n. Br. und landete nach einer Fahrt von vier Monaten am 30. October 1565 wohlbehalten in Acapulco. Diese nicht aufs Gerathewohl unternommene, sondern auf wissenschaftlichen Erwägungen beruhende Segelrichtung zeigte für alle folgende Zeit den Spaniern die Bahn, auf welcher man von den Philippinen den Rückweg nach Mexiko einzuschlagen habe. Die Verbindung der Philippinen mit der neuen Welt war von da an nicht mehr dem Zufall preisgegeben, sie wurde eine durchaus geregelte und knüpfte naturgemäß diese asiatische Inselgruppe an die Verwaltung Neuspaniens. Urdaneta ging von Mexiko mit seinen Berichten nach Spanien, kehrte dann wieder in sein Kloster zurück und starb daselbst am 3. Juni 1568.
Legaspi erhielt unterdessen schon im August 1567 auf zwei Schiffen neue Truppen von Mexiko und wurde dadurch in Stand gesetzt, gegenüber dem Ansinnen der Portugiesen, von den Philippinen zu weichen, sich behaupten zu können. Gonzalo Pereira, der Statthalter auf den Molukken, suchte die spanische Niederlassung mit Heeresmacht zu überrumpeln, konnte aber seinem wachsamen Gegner nichts anhaben und mußte unverrichteter Sache wieder abziehen. Legaspi ersah eben daraus, daß seine Niederlassung auf Zebu doch in zu gefährlicher Nähe der Molukken läge und daß es gerathener sei, einen entfernteren Platz zum Ausgangspunkt seiner Colonisation zu wählen, wo er sich vor unerwarteten feindlichen Besuchen sicherer fühlen könne.
Im Jahre 1570 wurde der erste Angriff auf die Insel Luçon gemacht und dabei das Dorf Manila erobert. Im nächsten Jahre erschien Legaspi mit einer größeren Flotte an der Bai von Manila, — denn er hatte wiederum von Mexiko neue Schiffe und Mannschaften erhalten und war vom König Philipp II. in Anerkennung seiner Leistungen zum Adelantado ernannt — und brachte nach einem glücklichen Gefecht gegen die feindliche mohammedanische Partei eine Anzahl von Häuptlingen zur Anerkennung der spanischen Oberhoheit. An der Mündung des Pasigflusses, an welchem jetzt sich die bedeutendste Stadt der Inselgruppe, Manila, erhebt, baute er eine Festung und legte damit den Grund zur Hauptstadt der Philippinen. Legaspi starb im August 1572, aber seine Nachfolger wußten sich zu behaupten, so daß die Colonie dauernd im Besitze Spaniens verblieb. —
Alle Fahrten über den großen Ocean boten bis auf Legaspi und die ihm in den nächsten Jahren zur Hilfe nachgesandten Schiffe für die Bereicherung der Erdkunde durch Entdeckungen wenig Gewinn, da der vorgeschriebene Cours durch den an Inseln ärmsten Theil des Meeres führte. Das wichtigste war, abgesehen von der Erforschung und Besitzergreifung der Philippinen, die Entdeckung der Nordküste von Neu-Guinea durch Retes. Durch diese Entdeckung wurde aber der Glaube an ein großes unbekanntes Süd[S. 494]land, dessen Vorstellung aus dem Alterthum herübergenommen und weiter ausgebildet wurde, neu belebt. Man setzte die nach Südosten verlaufende Küstenlinie des Landes der Papuas mit dem Feuerlande in Verbindung und erwartete von der Auffindung und Ausbeutung dieses großen Landes unberechenbaren Gewinn.
Die Lösung dieser Aufgabe fiel naturgemäß dem Vicekönig von Peru zu, während Mexiko seine Thätigkeit auf die Kräftigung der Colonisation der Philippinen zu richten hatte. Als ein Vorläufer der ersten größeren Expedition kann die kühne Fahrt des Juan Fernandez bezeichnet werden, von welcher wir leider nur sehr verschwommene Nachrichten besitzen. Fernandez fand nämlich, indem er der an der Westseite Südamerika’s nordwärts gehenden Küstenströmung auswich und, um von Peru nach Chile zu gelangen, einen weiteren Bogen durch den Ocean machte, die westlich von Valparaiso gelegenen Felseninseln, welche noch seinen Namen tragen und im Anfange des 18. Jahrhunderts der Schauplatz und unfreiwillige Aufenthalt eines englischen Matrosen Alexander Selkirk wurden, aus dessen Erlebnissen Daniel Defoe seinen weltberühmten „Robinson“ schuf. Juan Fernandez sah aber, wahrscheinlich auf einer andern Fahrt, weiter gegen Südwesten die Küsten eines hohen Berglandes, vermuthlich Neuseeland, welches in der folgenden Zeit aber wieder zu einem Theil des gesuchten Südlandes gestempelt wurde.
Pedro Sarmiento erbot sich zuerst, 1567, durch einen Streifzug in den Ocean über die Lage des Südlandes Klarheit zu schaffen; aber wenn er auch die Idee angeregt hatte, so übergab doch nicht ihm, sondern dem General Alvaro de Mendaña der Vicekönig von Peru das Commando über die beiden zu der Expedition bestimmten Schiffe. Sarmiento ging indes auch als Capitän des Hauptschiffes mit[501] und unter ihm Hernan Gallego als Pilotmayor. Wie sicher man das große unbekannte Land zu finden hoffte, erhellt daraus, daß zur Verkündigung des Christenthums vier Geistliche an der Fahrt theilnahmen. Mendaña segelte am 20. November 1567 von Callao, dem Hafen Lima’s, gegen Südwesten; nach Zurücklegung von 170 Leguas verlor, wie es scheint, der General den Muth, noch weiter südwärts vorzudringen. Mit seiner Genehmigung steuerte Gallego trotz der Proteste Sarmiento’s, welcher sich auf ihre Instruction berief, wieder nach Norden. Acht Tage später, als man sich schon unter der geringen Breite von 14° s. Br. befand, forderte Sarmiento noch einmal, den südwestlichen Cours wieder aufzunehmen. Mendaña lehnte es ab und segelte in der Richtung nach den[S. 495] Philippinen weiter. Erst als man unter 5° s. Br. noch auf kein Land gestoßen war, — man folgte offenbar dem Pfade Magalhães’ — gab der General in sofern dem wiederholten Drängen Sarmiento’s nach, daß er West ¼ zu Süd steuern ließ. So wurde am 15. Januar 1568 eine kleine bewohnte, mit Palmen bedeckte Coralleninsel gefunden, welche den Namen Jesus erhielt. Dieselbe hatte auf der Nordseite ein Riff, welches eine Viertelmeile in die See hinausging, auch die Südseite war mit einem kleineren Riff besetzt und nur im Osten zeigten sich in demselben Lücken, durch welche man an den Strand gelangen konnte.[502] Von hier aus ging die Fahrt etwa auf dem 6° s. Br. gegen Westen, und so entdeckte man am 7. Februar die mittlere der hohen Salomonsinseln, auf welcher sich die Berge bis 1200 Meter erheben. Man taufte sie Santa Isabel de la Estrella, weil man am Tage der heiligen Isabella von Peru abgefahren war und fügte „estrella“ hinzu, weil man bei der Landung am hellen Tage einen Stern zu sehen meinte. In der Sternbai (bahia de la estrella) gingen die Schiffe vor Anker. Die dunkelhäutigen Einwohner[503] sahen zu, wie die Spanier in üblicher Form von der Insel Besitz nahmen, es wurde sogar notariell bescheinigt, daß die Häuptlinge dem Könige von Spanien gehuldigt hätten. Das Land war reich an Lebensmitteln, es gab Schweine und Hühner; man fand vortreffliches Schiffbauholz und vermeinte auch alsbald geschätzte Gewürze und Droguen als Ingwer und Zimmt, Aloe und Sarsaparille entdeckt zu haben. Vor allem war man aber entzückt, sichere Anzeichen von Gold zu finden (grande disposicion de oro) und belegte daher später in dem kühnen Wahn, hier das langgesuchte, goldreiche Ophir des Königs Salomo gefunden zu haben, die ganze Gruppe mit dem Namen Salomonsinseln. Anfänglich hielt man das entdeckte Land für einen Theil des Südlandes, als aber Pedro de Ortega die ganze Insel umfahren hatte, mußte man sich von der Inselnatur überzeugen. Die Schiffe blieben bis zum 8. Mai im Sternhafen und wandten sich dann nach Südosten, um die von Ortega bereits gemachten Entdeckungen weiter zu verfolgen. So wurden dann auch die südlichern großen Inseln, welche zum Salomonsarchipel gehören, bis zu San Cristoval entdeckt; aber der Wunsch Sarmiento’s, noch weiter nach Süden vorzudringen, blieb unerfüllt. Man trat den Rückweg an, ging am 4. September über den Aequator und steuerte nach Neuspanien, wurde dort aber noch mehrere Monate durch Sturm umhergeworfen und verlor durch Hunger und Entbehrungen viele Leute, ehe man in dem mexikanischen Hafen von Santiago (19° n. Br.) am 22. Januar 1569 Zuflucht fand, nachdem das Schiff Mast und Böte verloren hatte. Erst im März konnte die Fahrt[S. 496] nach Peru fortgesetzt werden, wo am 22. Juli die höchst beschwerliche Reise beendigt wurde.[504]
Fast ein Menschenalter blieben die Entdeckungen liegen; erst unter dem Vicekönig Garcia Hurtado de Mendoza, Marques de Cañete wurden sie wieder aufgenommen. Mendaña erhielt zum zweitenmale die Leitung und unter ihm als Pilotmayor der Portugiese Pedro Fernandez de Quiros. Eine Flotte von vier Schiffen ging am 9. April 1595 von Callao, und nachdem sie in Paita ihre Ausrüstung vollendet hatte, von diesem Hafen am 16. Juni ab. Das Ziel bildeten die Salomonsinseln. Auf dem Wege dahin entdeckte man zuerst die südliche Gruppe der hohen Gebirgsinseln, welche nach dem Vicekönig den Namen Marquesas de Mendoza erhielten. Es wurden nacheinander die Inseln Magdalena, S. Pedro, S. Cristina und Dominica besucht. Die kriegerischen Polynesier trieben etwas Ackerbau und besaßen Hühner und Schweine. Die Spanier lernten hier den geschätzten Brotfruchtbaum kennen, nahmen von den Inseln in üblicher Weise Besitz und segelten am 5. August nach Westen. Weiterhin wurden San Bernardo (jetzt Pukapuka) und Solitaria (Olosenga) gefunden, zwei flache, grüne Coralleneilande. Die weiter südlich gelegenen Samoa- und Vitiinseln wurden nicht gesehen.
Schon fing die Mannschaft an zu murren, daß man die Salomonsinseln nicht finden könne, und als das Geschwader am 8. September an dem steil aus der Meeresflut in Gestalt eines Zuckerhutes auftauchenden Kegel eines Vulkans, der den Namen Volcano erhielt, vorüberging, trennte sich das zweite Schiff, die Almirante, und verschwand für immer. Gleich darauf kam gegen SO. die hohe Insel Sa. Cruz in Sicht und belebte den sinkenden Muth. Die dunkle Bevölkerung zeigte sich anfänglich für friedlichen Verkehr geneigt, allein bald sahen die Spanier sich bei der Landung von mehreren hundert Insulanern angegriffen. An der schönen Hafenbai im NW. der Insel, an der Bahia graciosa, wollte Mendaña eine Niederlassung gründen, er hatte zu dem Zwecke 280 Soldaten mit an Bord; allein die Truppen revoltirten, wollten an dem ungastlichen Gestade sich nicht verbannen lassen, sondern sehnten sich nach Peru zurück. Zum Unglück starb während dieser Zeit Mendaña nebst zwei Geistlichen; sein Nachfolger Quiros hielt es für gerathen, den Plan einer Besiedelung aufzugeben und das Land zu verlassen. Am 18. November stach er wieder in See, um die Salomonsinseln zu suchen; da ihm aber die Lage nicht genau bekannt war, steuerte er statt nach W., nach NW. und bekam daher die vielversprechenden Inseln nicht zu Gesicht. Bei dem schlechten Zustande seiner Fahrzeuge und den traurigen Gesundheitsverhältnissen an Bord (er hatte in einem Monat 47 Leute verloren) sah sich Quiros nicht in der Lage, weitere Entdeckungen zu versuchen; er richtete[S. 497] vielmehr seinen Cours nach den Philippinen, wenn er auch keine Karten von jenen Inseln bei sich hatte, und erreichte glücklich Manila, nachdem auch noch ein zweites Schiff im Stich gelassen war, weil es wegen eines Leckes schlecht segelte.
Auf dem bekannten Wege trat er dann seine Rückreise über den Ocean nach Mexiko an, erreichte am 11. December 1597 Acapulco und im Mai 1598 Paita in Peru.
Als Grund, weshalb man die Salomonsinseln nicht wiedergefunden, giebt Quiros vor allem die falschen Berechnungen des Piloten Gallego auf der ersten Fahrt Mendana’s an, welcher die Entfernung zu kurz geschätzt habe.
Man findet nämlich in dieser Zeit statt der Längenbestimmungen nur nach der Fahrgeschwindigkeit gemachte Schätzungen der Entfernung der Inseln von der Westküste Peru’s angegeben. Gallego hatte den Abstand von Lima bis zu den Salomonsinseln zu 1450 spanischen Meilen (Leguas) angenommen, während Quiros behauptete, schon bis Sa. Cruz betrage die Entfernung 400 Meilen mehr. Wenn demnach (und die Berechnungen, welche Quiros anstellte, waren sicher richtiger als jene Gallego’s) die Salomonsinseln eher im Osten als im Westen von Sa. Cruz vermuthet wurden, so ahnte Quiros doch ganz richtig, beide Inselgruppen könnten nicht zu fern von einander liegen und dürften sich gegen Nordwesten an die Landmassen und Inseln anlehnen, welche bis Neu-Guinea und selbst bis zu den Philippinen reichten; denn dafür spreche außer der gleichartigen Erscheinung der Gebirgsinseln die nämliche dunkle Bevölkerung, welche wir jetzt als Melanesier bezeichnen, mit denselben Hausthieren (Hühnern und Schweinen), gleichen Waffen und manchen verwandten Formen der Sitte.[505]
Die Salomonsinseln blieben noch durch das ganze folgende Jahrhundert in Dunkel gehüllt, und erst Bougainville fand sie 1768 wieder. Quiros erbot sich zwar, sofort noch einen Versuch zu wagen; doch da der Vicekönig Bedenken trug, ohne besonderen Befehl des Königs die Mittel zur Ausrüstung einer neuen Flotte zu geben, so wandte er sich persönlich an den Papst Clemens VIII. und durch dessen Empfehlung an Philipp III. von Spanien und erlangte so, daß ihm endlich 1605 einige Schiffe für seine Unternehmung zur Verfügung gestellt wurden. Er hatte wissenschaftliche Probleme zu lösen in Aussicht gestellt: er behauptete nämlich eine leichtere und sicherere Bestimmung der geogr. Breite zu kennen, und wollte seine Reise um die ganze Erde ausdehnen, um überall die Abweichung der Magnetnadel zu beobachten. Sein Hauptaugenmerk war auf die australischen Länder von Sa. Cruz und die Salomonsinseln bis nach Neu-Guinea und Java gerichtet. Aber er verstand auch die Geistlichkeit durch seinen auffällig an den Tag gelegten Eifer für die Verbreitung des Glaubens zu gewinnen. Seit Columbus war kein Entdecker wieder so devot erschienen; aber bei Quiros scheint der[S. 498] Glaubenseifer nur Mittel zum Zweck gewesen zu sein. Der König Philipp III. bezeichnete es indes als ein gottwohlgefälliges Werk, das Australland entdecken und die Bewohner bekehren zu lassen.
Am 21. December 1605 ging Quiros von Callao mit drei Schiffen ab, welche auf ein Jahr Lebensmittel an Bord hatten. Sechs Franziskaner und vier Johannisbrüder zur Krankenpflege begleiteten ihn. Luis Vaez de Torres befehligte unter ihm das zweite Schiff. Kühn steuerte er gegen Südwesten bis über den 26° s. Breite; als aber dort stürmisches Wetter die Fahrt unbequem machte, wich er nach dem tropischen Gürtel zurück, streifte die südlichsten Inseln der Paumotu und betrat zuerst das reizende Tahiti, von ihm Sagitaria genannt, und kam am 7. April in die Nähe von Sa. Cruz zu der Insel Taumaco, deren Häuptling ihm die Namen von etwa 70 Inseln gab und ihre Lage und Größe andeutete. Dadurch geleitet wandte sich Quiros nach Süden und entdeckte so am 1. Mai die Hauptinsel der neuen Hebriden, welche er, in merkwürdiger Selbsttäuschung befangen, für das gesuchte continentale Australland ausgab und Espiritu Santo nannte. In pomphafter Weise nahm er im Namen der heiligen Dreieinigkeit, der katholischen Kirche, des heil. Franciskus und seines Ordens, des Juan de Dios und seines Ordens und im Namen des Königs von dem Lande Besitz, beschloß auf der fruchtbaren Insel eine Stadt „Neu-Jerusalem“ am Fluße „Jordan“ zu gründen, und behauptete, dieser kaum vier Meilen lange Bach sei so breit als der Guadalquivir bei Sevilla. Bei der feindseligen Haltung der Insulaner mußte er aber bald von seinen phantastischen Plänen abstehen. Tagelang dauernde Stürme nöthigten ihn aus der Bucht an dem heiligen Geistlande aufs offene Meer zu flüchten, wo er von den beiden andern Schiffen getrennt wurde und am 20. Juni seinen Rückweg allein fortsetzte. Am 3. Juli erreichte er den Aequator, steuerte bis zum 1. September in nordöstlicher Richtung bis zum 38° n. Br., wandte sich dann nach Osten und gelangte am 20. October in den mexikanischen Hafen von Navidad.
In arger Uebertreibung schilderte er in seinen Berichten das entdeckte Land, die Australia del espiritu santo, als reich gesegnet mit allen tropischen Produkten und behauptete, das Land sei so groß als ganz Europa und Kleinasien bis ans kaspische Meer.[506] Unermüdlich suchte er in einer Reihe von Schriften, welche er an den König richtete, die Wichtigkeit und Nothwendigkeit einer Colonisation des schönen Landes darzuthun, aber ohne Erfolg. Und schon im Jahre 1613 bezeichnete Diego de Prado in einem Briefe an den König die ganze Erzählung als Täuschung und Lüge.[507]
Quiros beschloß die Reihe der spanischen Entdeckungszüge in dem südl. Theil des großen Oceans.
Einen größeren und namhafteren Erfolg als er selbst trug sein Capitän Torres davon, welcher, als er sich von dem Hauptschiffe getrennt sah, mit seinem kleinen Fahrzeuge kühn den geraden Weg nach den Philippinen einschlug. Am Louisiadenarchipel glaubte er bereits die Küste von Neu-Guinea erreicht zu haben, bahnte sich dann innerhalb zweier Monate an der Südseite dieser größten Erdinsel durch zahllose Klippen, Riffe, Eilande und Corallenbarrieren einen Weg nach Westen und Nordwesten, bis er endlich die Molukken erreichte, von wo aus er sich nach Manila begab. So wurde er der Entdecker der später mit Recht nach ihm benannten „Torresstraße“, welche den australischen Continent von dem Lande der Papuas scheidet; aber seine Entdeckung blieb bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts ein in den spanischen Archiven von Manila begrabenes Geheimniß, und James Cook war erst 1770 der erste Nachfolger des Torres durch jene Straße. Torres berührte das Australland an der Nordspitze, aber die Enthüllung der Küsten des Continents fiel im 17. Jahrhundert den Holländern, im 18. den Engländern zu.
Zum Schluß müssen wir noch einer wichtigen Entdeckung auf dem südwestlichen Wege nach Indien gedenken, welche die beiden holländischen Capitäne Le Maire und Schouten 1616 machten. Sie fanden nämlich das Südende des Feuerlandes und gingen mit Vermeidung der gefürchteten Magalhãesstraße um das Cap Hoorn, welches Schouten nach seiner Vaterstadt am Zuyderzee benannte, direct aus dem atlantischen in den großen Ocean und wiesen damit allen ihren Nachfolgern einen bequemeren Eingang in das stille Meer.
Der Gedanke, von den Küsten Europa’s auf nordwestlicher Fahrt einen Weg nach China und Indien aufzusuchen, fand zuerst in England, als in dem für eine solche Unternehmung am günstigsten gelegenen Lande, eine thatkräftige Förderung. Auch hier ging die Anregung von einem Italiener, und zwar von einem Landsmanne des Columbus aus. Wenn er auch seine ersten Versuche vielleicht noch vor der ersten Fahrt des Entdeckers der neuen Welt gemacht hat, so darf doch bezweifelt werden, ob ihm die Priorität des Planes gebührt, denn man weiß, wie lange sich Columbus mit der Idee beschäftigt hatte, ehe es ihm vergönnt war, mit seinem ersten kleinen Geschwader von Palos aus in See zu stechen.
Der Träger des Gedankens einer nordwestlichen Bahn nach Asien ist[S. 500] Giovanni Cabotto, oder wie ihn die Engländer nennen, John Cabot.[508] Seine Zeitgenossen bezeichnen ihn allgemein als einen Genuesen, dessen Wiege am ligurischen Strande in Castiglione oder Savona stand.[509] Im Jahre 1461 wandte er sich nach Venedig, wo er am 28. März 1476 das Bürgerrecht erhielt, nachdem er, wie es das Gesetz vorschrieb, 15 Jahre in der Stadt ansässig gewesen war. Er erhielt das Privilegium civilitatis nach innen und außen, d. h. er konnte nun seine bürgerlichen Rechte nicht blos in der Stadt ausüben, sondern er genoß alle Handelsvorrechte auch in der Fremde und durfte unter der Flagge des heiligen Markus segeln.
Wahrscheinlich um 1490 begab sich Cabotto mit seinen drei Söhnen Ludovico, Sebastiano und Sancto nach England, wo er sich in Bristol niederließ, um von hier seine Entdeckungsfahrten zu betreiben, denn Bristol stand als Handelsplatz damals London zunächst. Und es scheint, daß auf seine Anregung die Kaufleute der Stadt alljährlich seit 1491 bereits Schiffe aussandten, um die auf den alten Seekarten verzeichneten Inseln im westlichen Meere aufzusuchen. So schrieb der spanische Gesandte Pedro de Ayala am 25. Juli 1498 an den König Ferdinand: „Die Leute von Bristol haben seit sieben Jahren alljährlich zwei, drei und vier Caravelen ausgesendet, um die Insel Brasil und die sieben Städte zu suchen, nach den Angaben dieses Genuesen.“[510]
In wie weit diese Unternehmung von Erfolg gekrönt gewesen, ist nicht gesagt. Doch mag hierbei erwähnt werden, daß schon ums Jahr 1480 Thomas Llyde oder Lloyd ins westliche Meer hinaussteuerte, um die genannten Inseln zu suchen, aber vergebens.
Bis zum Jahre 1496 waren die Kosten zu den Westfahrten lediglich aus Privatmitteln bestritten, dann aber stellte Heinrich VII. dem Giovanni Cabotto am 5. März 1496 ein königliches Patent aus, das ihn und seine drei Söhne zu den Entdeckungsfahrten autorisirte.[511] Auch rüstete der König nebst den Bristoler Kaufleuten mehrere Schiffe für Cabotto aus.
Es war im Anfang Mai 1497, daß Cabotto zu seiner ersten erfolgreichen Expedition über den Ocean ging. Die Kunde von den Erfolgen des Columbus[S. 501] war auch nach England gedrungen, unter ihrem Einfluß wagten die englischen Kaufleute und selbst der König den nicht bedeutenden Einsatz für das zeitgemäße Glücksspiel, und Giovanni Cabotto selbst drang kühner in die Weite, seitdem man mit Sicherheit auf die nicht allzugroße Entfernung der asiatischen Küste rechnen durfte. Es darf als erwiesen gelten, daß die Entdeckung Cabotto’s ins Jahr 1497 und nicht schon 1494 fällt.[512]
Am Johannistage fand er Land, vermuthlich Labrador, und ging an der Küste nach Nordosten, bis er durch das entgegenflutende Treibeis zur Umkehr genöthigt wurde. Da er im Anfang August schon wieder nach Bristol zurückgekehrt war, kann er unmöglich an der Küste des amerikanischen Continents bis zur Breite von Florida gelangt sein, wie von manchen Schriftstellern behauptet ist, auch bezeichnet die Karte Ribeiro’s von 1529 ganz bestimmt Labrador als englische Entdeckung,[513] während auf Neufundland (tierra de los bacalhaos) der Name Cortereals eingetragen ist und an der Küste von Neu-Schottland und der Insel Cap Breton „Land der Bretonen“ (terra de los bretones) sich findet. Daß Cabotto den nordwestlichen Weg nach Asien einschlug und nicht nach Südwesten segelte, wird von mehreren Zeitgenossen bestätigt.[514] Erst 47 Jahre später hatte Cabotto auf seiner Weltkarte den Namen „prima tierra vista“ hinter Neufundland am Lorenzgolf eingetragen, zu einer Zeit, als jene Gegenden durch die Reisen Cartier’s wichtig zu werden schienen, gleichsam als wollte er durch diese Fälschung das frühere Anrecht der Engländer an jene Regionen betonen. Wäre er bereits 1497 in den Lorenzgolf eingedrungen, so müßte er auch die Inselnatur Neufundlands erkannt haben, während dieses Land noch bis 1540 auf allen Karten als Continentalküste gezeichnet ist. Auch verrathen die Namen, welche Cabotto 1544 am Lorenzstrom auf seine Karte schrieb, daß er die Resultate der letzten französischen Entdeckungen dabei zu Rathe zog.
Vielleicht entdeckte er aber auf seinem Rückwege schon die reichen Fischgründe auf der Neufundlandsbank, denn seit dem Anfange des 16. Jahrhunderts fanden sich hier schon häufig normannische, baskische und portugiesische Fischer ein, und erhielt von letzteren die dahinter liegende Küste den Namen „Kabeljau-Land“ (tierra de bacalhaos). Unzweifelhaft hat er den Continent der neuen Welt zuerst erblickt.
Cabotto wurde in England wegen seiner Entdeckung glänzend aufgenommen und ging, durch königliches Patent ermächtigt, im nächsten Jahre mit fünf oder sechs Schiffen wieder in See, doch gab der König selbst nur die geringe Beisteuer von 110 £.
Die Resultate sind nicht bekannt, doch läßt sich vielleicht aus der Stellung der englischen Wimpel auf Cosa’s Karte von 1500 vermuthen, daß die Fahrt gegen SW. bis etwa zum Cap Hatteras führte.
Es war die letzte Reise des älteren Cabotto. Von da an trat sein Sohn Sebastian in seine Fußtapfen; aber unruhigen Geistes und nicht so[S. 503] zäh wie der Vater ein Ziel im Auge behaltend, versuchte er sich nach verschiedenen Richtungen und bot seine Dienste in allen Ländern und Staaten an, von denen er eine Unterstützung seiner Pläne hoffte.
Nach Nordwesten steuerte er nur noch einmal, wahrscheinlich 1503. Aber über diese Fahrt hat sich nur eine einzige Bemerkung in Robert Fabians Chronik erhalten, wonach Sebastian Cabotto von den neugefundenen Inseln mehrere in Felle gekleidete Wilde mitbrachte, welche rohes Fleisch aßen und deren Sprache niemand verstand.[515]
Nach dem Tode Heinrichs VII. (1509) ging der Venetianer, vermuthlich 1512, nach Spanien, wo er mit einem Gehalt von 50,000 Maravedis als Capitän angestellt wurde. Ob er im indischen Rathe Sitz und Stimme erhalten, ist zweifelhaft; denn sein Name findet sich in den betreffenden Listen nicht. Doch wurde er später unter den Kosmographen mit zu Rathe gezogen, welche die Anrechte Spaniens an die Molukken erweisen sollten. Für das Jahr 1516 war eine Nordwestfahrt unter seiner Leitung geplant; da aber König Ferdinand schon im Anfange dieses Jahres starb, so unterblieb diese Expedition.
Sebastian Cabotto ging wieder nach England, suchte hier seine Idee zu verwirklichen, doch scheiterte auch diese Expedition an der Zaghaftigkeit des Viceadmirals Thomas Pert (1517).
Sobald daher Cabotto vernahm, daß der junge König Karl nach Spanien gekommen sei, beeilte er sich, diesem seine Dienste anzubieten, und erhielt als Pilot mayor ein Gehalt von 125,000 Maravedis (= 300 Ducaten). Trotzdem finden wir ihn 1519 auf kurze Zeit in England.
Aus den Berichten des venetianischen Gesandten Contarini geht hervor, daß Cabotto sich um 1522 sogar der Republik Venedig heimlich zur Verfügung stellte, um seiner Vaterstadt den Nordwestweg nach China zu zeigen. Denn nachdem die erste Erdumsegelung die große Ausdehnung der Meere im Westen der neuen Welt nachgewiesen hatte, schien es nicht mehr zweifelhaft, daß man auch im Nordwesten von Amerika einen Durchgang zum großen Ocean finden müsse. Aber diese perfiden Anerbietungen des in spanischen Diensten stehenden Piloten wurden vom Rathe in Venedig vorsichtig verschoben und blieben unerledigt,[516] da Cabotto bald darauf die Leitung einer größeren Expedition erhielt, welche dem Pfade Magalhães’ folgend in den stillen Ocean eindringen und nach den Molukken segeln sollte. Aber diese Unternehmung, welche von 1526–30 dauerte, scheiterte vollständig, denn Cabotto kam nur bis zum Laplata. Da man dem Leiter alle Schuld an dem Miserfolge beimaß, so wurde er nach seiner Rückkehr zuerst gefangen gesetzt und dann (1532) auf zwei Jahre an die afrikanische Küste nach Oran verbannt. Doch ließ König Karl schon im nächsten Jahre Begnadigung eintreten.
Gegen Ende 1547 verließ er Spanien, ohne seine Titel und seine Pension aufzugeben, und ging wieder nach England, wo er ebenfalls als Pilot mayor einen Gehalt von 166 £ bezog. Der König von Spanien rief ihn mehrmals zurück, aber der englische Kronrath erklärte, Cabotto sei Unterthan des Königs von England, und kein Recht, kein Grund könne ihn zwingen, das Land zu verlassen. Und während er so Englands Schutz und Gnadengeschenke annahm, hielt er es doch für erlaubt, noch im August 1551, zum letztenmale, seiner Vaterstadt das Anerbieten zu erneuern, eine venetianische Flotte auf dem nur ihm bekannten geheimnißvollen Wege nach China zu führen. Ob er damals noch den nordwestlichen Weg im Auge hatte, muß bezweifelt werden, wenn man bedenkt, daß er gleich darauf die Ausrüstung der Schiffe zu überwachen hatte, welche zum erstenmal die nordöstliche Straße um Europa und Nordasien nach China einschlagen sollten. Sebastian Cabotto starb wahrscheinlich bald nach dem Jahre 1557, Ort und Zeit sind unbekannt.
Wenn auch die letzte Hälfte seines sehr bewegten Lebens nur in Projecten verlief, die der in drei Staaten eingebürgerte und doch heimatlose Mann mit fieberhafter Unruhe, unbeirrt um Gewissensfragen, allenthalben ins Werk zu setzen suchte, so hat er doch das eine unleugbare, große Verdienst gehabt, daß er die englische Nation für große Unternehmungen zur See begeisterte und so gleichsam der Begründer der englischen Seeherrschaft wurde. Auf die Anregungen und Fahrten der beiden Cabots sind alle späteren Versuche, in polaren Regionen einen Weg nach China und Indien zu bahnen, zurückzuführen. Auf die unter den Auspicien der Königin Elisabeth besonders regen Expeditionen nach dem Westen und Nordwesten gründen sich die britischen Ansprüche auf den ausgebreiteten Besitz in der neuen Welt.
Fast zur selben Zeit mit Giovanni Cabotto wurden auch von Portugal aus mehrere Versuche gemacht, nach Nordwesten vorzudringen. Die Träger dieser Idee waren die beiden Brüder Gaspar und Miguel Cortereal; aber leider sind uns über ihre kühnen Fahrten nur verschwommene Mittheilungen überliefert. Es scheint, als ob der erste Vorstoß gegen Nordwesten über den atlantischen Ocean von Gaspar Cortereal schon vor dem Jahre 1500 ausgeführt, aber ohne Erfolg verlaufen ist. Auf der zweiten Expedition, 1500, welche mit mehreren Schiffen unternommen wurde, gelangte er an die Küste von Labrador, welche man als einen Theil des Continents (nach damaliger Auffassung natürlich Asiens) erkannte und wich vor dem Eise bis an die Klippen von Neufundland zurück. Alte Karten verlegen das Corterealland unter 50° bis 53° n. Br.
Frühzeitig im nächsten Jahre brach Gaspar von neuem mit mehreren Schiffen auf, um seine Entdeckungen weiter zu verfolgen. Vielleicht war es[S. 505] an den bewaldeten Gebirgsküsten von Neu-Schottland oder an dem Gestade Neu-Englands, wo Cortereal landete und eine Anzahl Indianer raubte. Dann sandte er zwei Schiffe nach Europa vorauf, welche am 8. und 11. October in Lissabon einliefen; aber er selbst kehrte nicht zurück. Darum zog sein Bruder Miguel im nächsten Jahre (1502) ebenfalls mit drei Schiffen aus, um seinen Bruder aufzusuchen, erreichte zwar die Nordwestgestade, kehrte aber auch nicht wieder heim. Danach entsandte Manuel von Portugal 1503 zwei Schiffe, um das Schicksal der Cortereals aufzuhellen; aber umsonst. Man hat nie wieder von ihnen gehört, und mit ihrem Tode ist die Reihe der von Portugal ausgehenden Unternehmungen, im Nordwesten einen Durchgang zu finden, für immer abgeschlossen.
Zwanzig Jahre vergingen, ehe wir von neuen Versuchen hören. Es war die Zeit, wo nach Vollendung der ersten Fahrt um die Erde die Selbständigkeit der amerikanischen Continentalmassen erkannt worden war, und die spanische Regierung vor allem durch Cortes nach einer die beiden Oceane im Osten und Westen der neuen Welt verbindenden Meeresstraße suchen ließ; als der politische Nebenbuhler Kaiser Karls, Franz I. von Frankreich, auch bei der Lösung dieser wichtigen maritimen Frage sich zu betheiligen beschloß, sobald sich eine günstige, Erfolg versprechende Gelegenheit bot. Fischer aus der Bretagne hatten zwar schon seit 1504 sich nach den reichen Fangplätzen auf der Neufundlandsbank begeben; aber zu einer, wissenschaftlichen Zwecken, wie der Aufnahme neu entdeckter Küstenstriche, dienenden Unternehmung waren sie nicht befähigt. Dazu bedurfte es auch in Frankreich geschulter Kräfte. Wie in Spanien Columbus, in England Giovanni Cabotto, so erbot sich in Frankreich ebenfalls ein Italiener, Giovanni di Verrazzano aus Florenz, die Leitung zu übernehmen. So traten also in den westlichen Ländern Europa’s nach einander Angehörige der bedeutendsten Plätze Italiens, Genuesen, Venetianer, Florentiner als die Bahnbrecher über den Ocean auf. Verrazzano erbot sich, den Franzosen den Weg nach China zu zeigen.[517] König Franz ließ vier Schiffe zu dem Zwecke ausrüsten; mit ihnen brach Verrazzano gegen Ende des Jahres 1523 von Dieppe auf. Aber zwei Fahrzeuge zerschellten im Sturm an der Küste der Bretagne, ein drittes ging im Kampf mit Spaniern bei Madeira verloren, so daß nur noch der „Delphin“ übrig blieb, mit welchen der florentinische Capitän am 17. Januar 1524 von einer einsamen Klippe bei Madeira über den Ocean steuerte und nach einer im allgemeinen günstigen Fahrt unter dem 34° n. Br. auf die Küste des nordamerikanischen Festlandes in der Gegend der heutigen Stadt Wilmington stieß. Zuerst ging er an dem flachen, hafenlosen Strande 50 Seemeilen (20 = 1°) nach Süden, kehrte dann nach Norden zurück und segelte an der ganzen Küste entlang bis zum 50° n. Br. Aus der Region der[S. 506] Palmen, welche er im Süden noch antraf, gelangte er, vielfach mit den Eingeborenen friedlichen Verkehr pflegend, an den im Wechsel der Laubfärbung reizend erscheinenden Wäldern des mittleren Gestades vorüber, endlich zu den Nadelwäldern des Nordens. Um die Küstengestaltung genau aufnehmen zu können, segelte er nur bei Tage und ankerte bei Nacht. Er entdeckte die Mündung des Hudsonstromes, dessen tiefes Fahrwasser schwer beladenen Schiffen das Einlaufen gestattete, ging eine Strecke zu Boot den herrlichen Fluß hinauf, steuerte an dem höher, gebirgiger und kälter werdenden Lande weiter gegen Nordosten, entdeckte Rhode-Island, welche er mit Rhodus vergleicht, und traf weiterhin mit Jagdindianern zusammen, welche größer als die Europäer und von hellerer Hautfarbe als ihre südlichen Nachbarn waren, und Kupfer, aber nicht Gold als Zierat und Schmuck verwendeten. In der Narrangasetbai, welche er ganz deutlich beschreibt, ging er vor Anker und verkehrte längere Zeit mit den Eingebornen. Ziemlich richtig verlegte er diese ausgezeichnete Hafenbai unter dieselbe Breite wie Rom, bemerkt aber treffend, das Klima sei dort viel kälter als in Italien. Weiter nördlich, wo das Land rauher und bergiger wurde, und die Bewohner sich wilder, unfreundlicher bewiesen, drang er mit einer bewaffneten Schar einige Meilen ins Land, um dasselbe zu besichtigen. Die mit klippigen Inseln besetzten und von fjordartigen Einschnitten durchfurchten Küsten verglich er mit den dalmatischen Gestadeformen. Erst über dem 50° n. Br., also an den Küsten Neufundlands brach er, weil die Lebensmittel auszugehen drohten, seine Untersuchungen ab, kehrte nach Frankreich zurück und berichtete in einem ausführlichen Briefe, vom 8. Juli 1524 aus Dieppe datirt, über den Verlauf seiner Expedition an den König. Dieser Bericht enthält die älteste zutreffende Beschreibung der Küsten der Vereinigten Staaten. Verrazzano erweist sich darin als ein vortrefflicher Beobachter und Darsteller und als ein gebildeter Mann, der die Classiker kennt und den Aristoteles citirt. In gewandter Darstellung waren die Italiener damals allen andern Seefahrern überlegen.[518]
Die politischen Verwicklungen in Europa, die Kriege zwischen Franz I. und Karl V. zogen das Interesse Frankreichs für die nächste Zeit von der weitern Verfolgung der gemachten Entdeckungen ab. Erst ums Jahr 1562 faßte Coligny den Plan, an der Südgrenze von Süd-Carolina eine Hugenottencolonie anzulegen. Von dem zu Ehren Karls IX. benannten Fort Carolina erhielt hundert Jahre später das Land den noch giltigen Namen. Aber Coligny’s Ansiedler gaben schon im nächsten Jahre ihren Plan wieder auf, und wenn auch bald darauf der Versuch einer Niederlassung erneuert wurde, so wurde derselbe doch 1565 durch den Spanier Pedro Melendez[S. 507] im Blute aller protestantischen Colonisten erstickt und damit den französischen Plänen in jener Gegend für immer ein Ende gemacht.
Etwa ein Jahr später als Verrazzano befuhr der Portugiese Esteban Gomez gleichfalls die Ostküste Nordamerika’s, und es würde seine Leistung hier nicht erwähnt werden, wenn sie die Arbeiten Verrazzano’s nicht in passendster Weise ergänzte. Wir verdanken ihm nämlich eine Küstenkarte; und wenn auch das Original verloren gegangen, so wissen wir doch, daß, von Diego Ribeiro an, spätere Kartographen die Darstellung des Gomez für den Gestadestreifen von Maryland bis Rhode-Island benutzt und copirt haben. Gomez stammte aus Porto und kam wahrscheinlich mit Magalhães nach Spanien, wo er der Regierung einen ähnlichen Plan vorlegte, wie sein Landsmann. Als aber dieser vorgezogen wurde, entschloß sich jener zwar, an der Magalhães’schen Expedition theil zu nehmen, spielte dann aber eine zweideutige Rolle und kehrte von der Feuerlandsenge mit dem Schiffe Antonio nach Spanien zurück.[519] Als ausgezeichneter Pilot und Kartograph wurde er zu der Junta von Badajoz 1524 hinzugezogen und trat dann mit dem zeitgemäßen Plane hervor, im Nordwesten, zwischen Florida und Bacalhaos, d. h. zwischen dem Nordgestade des mexikanischen Golfes und Neufundland eine Straße nach China (Katai) zu suchen. Es ist dieselbe Region, wo auch Cortes eine Durchfahrt zu finden hoffte. (Siehe oben S. 389). Wie im Süden, ehe Magalhães die nach ihm benannte Straße auffand, eine Meerenge bereits auf einzelnen Karten gezeichnet worden ist, so beeilten sich die Geographen, auch im Norden Amerika’s solche Sunde, die von einem Ocean zum andern führten, nach dem allgemeinen Glauben der Zeitgenossen auf ihren Weltbildern zur Anschauung zu bringen. So findet sich in dem von unserm deutschen Kosmographen Sebastian Münster 1542 herausgegebenen lateinischen Ptolemäus vom Lorenzgolfe aus eine Durchfahrt angedeutet mit der Inschrift: Durch diese Straße führt der Weg zu den Molukken (per hoc fretum iter patet ad Molucas). Gomez erhielt für sein Project nur eine Caravele von fünfzig Tons zur Verfügung, wurde am 10. Febr. 1525 zum königlichen Piloten ernannt und ging gleich darauf von Coruña ab unter Segel. Nachdem er den Ostrand der neuen Welt im Gebiet der Neu-England-Staaten erreicht hatte, lief er an der Küste nach Süden bis über die Chesapeakbai und kehrte dann mit einer Fracht gefangener Indianer, durch deren Verkauf die Kosten der Ausrüstung gedeckt werden sollten, nach Spanien, wahrscheinlich Ende November 1525, zurück. Das Land, dessen Küsten er sorgfältig aufnahm, so daß z. B. der Hudsonstrom deutlich erkennbar ist, hieß längere Zeit das Gomezland (tierra de Esteban Gomez) und Ribeiro fügt, jedenfalls nach den Mittheilungen des Piloten, einige kurze Angaben über die Natur des entdeckten Landes hinzu, aus denen hervorgeht, daß das wald- und fruchtreiche Land in seinen Flüssen an Fischen gesegnet war und[S. 508] daß, wie es auch Verrazzano bereits beobachtet hatte, die Indianer im Norden von höherer Statur seien als auf den westindischen Inseln, und daß sie sich von Mais, Fischen und ergiebiger Jagd nährten und in Wolfs- und Fuchsfelle kleideten.[520]
Nach diesen nördlicheren Regionen richtete der kühne französische Seefahrer Jacques Cartier[521] von St. Malo im nächsten Jahrzehnt seine erfolgreichen Unternehmungen und wurde durch dieselben der Urheber der spätern französischen Niederlassung in Canada. Er unternahm drei Reisen. Das erstemal ging er am 20. April 1534 von seiner Vaterstadt mit zwei Schiffen aus, erreichte am 10. Mai Neufundland und drang durch die Enge der Belle-islestraße in den Lorenzgolf ein. Am Westufer Neufundlands gegen Süden steuernd, gelangte er an den Inseln Cap Breton und Prinz Eduard vorüber, welche er noch für Theile des Festlandes ansah, nach der Chaleurbai, welche ihren Namen erhielt, weil dem Entdecker die Temperatur dort viel wärmer als in Spanien vorkam. Er hoffte hier einen Durchgang ins westliche Meer zu finden; als sich aber bei weiterem Vordringen ergab, daß die Bucht ganz von hohem Lande umschlossen sei, kehrte Cartier zurück und segelte an der Südküste von Anticosti gegen Nordosten wieder zur Belle-islestraße. Er hatte fast ganz Neufundland umkreist und den St. Lorenzgolf aufgenommen. Am 5. September erreichte er glücklich den Hafen von St. Malo. Im nächsten Jahre brach er am 19. Mai mit drei Schiffen auf, um seine Entdeckungen in „Nova Francia“ weiter zu verfolgen. Wiederum drang er durch die Belle-islestraße ein, ging diesmal aber an der Labradorküste westwärts, wo er nördlich von Anticosti im Nicolaushafen vor Anker ging und bis Anfang August verweilte. Eine größere, weiter westlich gelegene Einbuchtung des Landes erhielt damals den Namen Sanct-Lorenzbucht. Erst später wurde diese Bezeichnung auf die ganze durch Neufundland vom Ocean abgeschlossene Meeresbucht ausgedehnt. Die beiden auf der ersten Reise mitgenommenen Indianer, welche nun als Dolmetscher dienten, erklärten, daß westlich von dem Lorenzhafen der große Strom von Hochelaga beginne und ins Land Canada führe. Cartier drang nun in den großen Lorenzstrom ein und ging zunächst unterhalb Quebec an der Bacchusinsel (wegen des vielen wildrankenden Weines benannt) vor Anker. Dort hatte er eine freundschaftliche Zusammenkunft mit dem Häuptling von Canada, vom Stamme der Algonkins, welcher ihn zu bereden suchte, nicht weiter flußaufwärts[S. 509] bis zu dem Indianerorte Hochelaga zu fahren, vermuthlich um allein die aus dem Verkehr mit den Fremdlingen erwachsenden Handelsvortheile zu genießen. Aber die Vorstellungen des Häuptlings machten den Franzosen nur um so neugieriger, jenen oft genannten Ort kennen zu lernen. Am 2. October langte Cartier auf Böten vor Hochelaga an, wo gegen tausend Indianer ihn am Gestade empfingen und in die von dreifachem Pallisadenringe umschlossene Stadt führten. Von hier aus bestieg er einen niedrigen Berg am Strom, von dessen Gipfel er den Anblick des schönen, von mächtigen Wasseradern durchzogenen Waldlandes genoß. Der Berg erhielt den Namen Montroyal; wir erkennen darin den Namen der größten Stadt Canada’s, Montreal. Unterhalb der Stadt suchte Cartier sich einen bequemen Hafen und überwinterte dort mit seinen Schiffen bis zum 6. Mai 1536. Von Mitte November bis Mitte März waren die Fahrzeuge von zwei Faden dickem Eise gefesselt, und der im Winter ausbrechende Scorbut forderte manches Opfer. Aus den Mittheilungen der Indianer entnahm man, daß oberhalb der Stadt mehrere große Seen lägen. Es war die erste Kunde von der canadischen Seenkette, deren Abfluß der Lorenzstrom bildet.
Der Rückweg ging ohne Unfall und rasch von statten. Am 6. Juli lief Cartier wieder in den Hafen von St. Malo ein;[522] aber die Leiden während der Ueberwinterung in dem strengen Klima und der Mangel an Edelmetallen, die man in der neuen Welt allerorten zu finden hoffte, kühlten doch den Eifer für die Colonisation jener Gegenden auf einige Jahre merklich ab, so daß Cartier erst 1541 wieder Mittel fand, eine neue Fahrt zu unternehmen.
Ein reicher französischer Edelmann, François de la Roque, Herr von Roberval, hatte nämlich beschlossen, an dem von Cartier entdeckten Strome auf seine Kosten eine Colonie anzulegen und ließ sich daher mit jenem Gebiete von der Krone förmlich belehnen. Selbstverständlich konnte er der Führung Cartier’s nicht entbehren; aber es herrschte zwischen beiden kein rechtes Einvernehmen, kein fester Plan. Es befremdet schon zu sehen, daß, als Cartier am 23. Mai 1541 in St. Malo die Anker lichtete, Roberval mit seinen Vorbereitungen noch nicht fertig geworden war, vielmehr noch bis in den Hochsommer 1542 sich vor Honfleur aufhielt, um Kanonen und Munition an Bord zu nehmen, so daß also die Geschwader für Colonisation und Entdeckung getrennt über den Ocean gingen, ohne bestimmte Verabredungen über die Punkte einer Wiedervereinigung getroffen zu haben. Cartier gründete in der Gegend von Quebec eine Niederlassung und benutzte noch die[S. 510] günstige Jahreszeit, um auf Böten die oberhalb Montreal gelegenen Stromschnellen untersuchen zu lassen. Dann überwinterte er und wartete vielleicht bis zum Juli 1542 auf die Ankunft Roberval’s. Als dieselbe sich aber immer noch verzögerte und die Lebensmittel auf die Neige gingen, trat er den Rückweg an, traf zwar seinen Genossen bei Neufundland, zeigte aber keine Neigung, noch einmal nach der bereits verlassenen Colonie zurückzukehren, sondern schlich sich aus Roberval’s Nähe fort und wandte sich der Heimat zu. Offenbar versprach er sich wenig Erfolg von den ungeschickten Maßnahmen de la Roque’s. Dieser wählte mit seinen 200 Colonisten dieselbe Stelle, welche Cartier verlassen, als ersten Stützpunkt seiner Niederlassungen und errichtete daselbst das Fort Franceroy. „Man hatte Vorrathskammern, aber keine Vorräthe, Mühlen, aber kein Korn, einen großen Ofen, aber kein Brot.“[523] Ein Drittel der Colonisten erlag im ersten Winter. Auch das nächste Jahr brachte keine Erleichterung, so daß König Franz sich veranlaßt sah, den Leiter des verfehlten Unternehmens zurückzurufen und den Rest der Ansiedler durch Cartier 1544 wieder nach Frankreich zurückzuschaffen. Erst im Anfange des 17. Jahrhunderts wurde der rastlos thätige und umsichtige Samuel de Champlain der Begründer dauernder französischer Colonien in Canada, auch drang er zuerst bis zu den canadischen Seen vor. Champlain starb 1635. Der weitere Verlauf seiner Arbeiten gehört der Geschichte der nordamerikanischen Colonien an.
In England hatten seit den Nordwestfahrten Sebastian Cabot’s die Unternehmungen nach dieser Richtung geruht. Da trat 1527 Robert Thorne, der Sohn eines der ältesten Begleiter Cabot’s mit dem Project auf, direct über den Pol den Weg nach China zu suchen, und wies darauf hin, daß England durch seine Lage vor allen anderen Mächten Europa’s berufen sei, das Problem einer Nordwestpassage zu lösen. Heinrich VIII. bewilligte einen Theil der Kosten, und so ging Thorne im Mai 1527 mit zwei Schiffen von England ab, kehrte aber ohne irgend einen Erfolg zurück.
Wiederum trat eine Pause von 50 Jahren ein, bis unter der Königin Elisabeth der Unternehmungsgeist mächtig erwachte und sich in einer Reihe von Expeditionen bethätigte, welche über 50 Jahre lang, von 1576–1632 fortgesetzt wurden. Und wenn sie auch ihr Ziel nicht erreichten, so haben sie doch einerseits zur Aufhellung der polaren Küstensäume Nordamerika’s Erhebliches geleistet, andererseits die englische Marine in den schwierigsten Fahrten geschult und den Aufschwung des Seewesens bedeutend gefördert. So wurden diese Nordwestfahrten durch die Gunst des Volkes getragen;[S. 511] wohlhabende, patriotisch gesinnte Männer traten zusammen, um die Kosten zu bestreiten. Der Schauplatz dieser Unternehmungen liegt im Westen Grönlands, wo die Gewässer der Frobisherbai, Davisstraße und Baffinsbai, der Hudsonsstraße und Hudsonsbai die Namen der Seehelden jener Tage verewigen. Die Schifffahrt in jenen arktischen Regionen wird durch die häufig auftretenden starken Nebel, welche das Erkennen der Küstenlandschaften unmöglich machen, noch mehr aber durch das Eis erschwert, welches einerseits die zahlreichen engen Sunde versperrt und die Küsten bis zum Hochsommer besetzt hält, andererseits aber in der warmen Jahreszeit theils in Form von dicken Schollen, theils in Gestalt phantastisch aussehender Eisberge, an der See abgebrochener riesiger Trümmer mächtiger Küstengletscher, durch die breiteren Meeresgassen der Hudsonsstraße, des Lancaster- und Smithsundes dem Ocean zutreibt; denn in allen diesen Canälen vertieft sich der Meeresgrund nach dem atlantischen Meere zu immer mehr und befördert in natürlichster Weise das Abtreiben der Eismassen, welche in der mittleren Bahn der Baffinsbai und Davisstraße sich zu dichtgedrängten Massen als Packeis zusammenschieben, und von den Schiffen nur selten mit Erfolg durchbrochen werden können. Daraus erklären sich die eigenthümlichen Course der Schiffe, welche oft in scheinbarer Rathlosigkeit hier vor den andringenden Eismassen zurückweichen, dort in eine sich zufällig öffnende Gasse freien Fahrwassers einlenken, bis das Eis ihnen wieder Halt gebietet.
Zuerst erschien in jenen Gewässern Martin Frobisher, welcher von 1576–78 drei Fahrten unternahm. Aber nur die erste verfolgte den Zweck geographischer Entdeckungen, die beiden folgenden sollten die bereits gewonnenen Erfolge ausbeuten. Als er im Anfang Juni 1576 mit seinen beiden kleinen Barkschiffen von 35 und 30 Tons die Themse hinuntersegelte, winkte ihm die Königin mit der Hand Abschiedsgrüße zu und bezeugte dadurch die hohe Theilnahme an den patriotischen Forschungen. Wenn man erwägt, daß Frobisher für den hohen Norden, nach welchem er steuerte, keine andere Karte, als die Zeno’sche besaß,[524] wo zwar Island und Grönland in schicklicher Lage sich finden, die Faröer aber zu einer an Größe mit Island wetteifernden vielgliederigen Insel aufgebauscht sind und weiter hinaus die Fabelgestalten von Icaria und Estotiland sich zeigen: so darf man sich nicht wundern, wenn der englische Seefahrer über die im Eismeere auftauchenden Küsten eine irrige Meinung faßte. Als er am 11. Juli unter 61° n. Br. auf die Ostseite von Grönland stieß, erklärte er dieses Land für Friesland, verlegte das „grüne Land“ noch weiter hinaus und steuerte darum von der Südspitze Grönlands westlich. So stieß er am 26. Juli auf die Labradorküste am Eingange der Hudsonsstraße, fand alle Sunde noch mit Eis besetzt und ging an der Resolutioninsel vorüber zum Eingange der Bai, welche noch jetzt seinen Namen trägt. Hier glaubte er, am 8. August,[S. 512] die gesuchte Straße, welche den Weg nach den Molukken gestatte, gefunden zu haben, nahm eine Ladung von Kupferkies, welchen man für Golderz hielt, an Bord und segelte nach Europa zurück.
Der vielversprechende Anfang der Nordwestfahrten heischte rasche Förderung. Mit einem königlichen Schiffe und zwei Barken konnte Frobisher am 26. Mai 1577 wieder in See gehen, um die Durchfahrt noch weiter zu erforschen (for the further discovering of the passage to Cathay. Hakluyt, Voyages, III, 32). Am 16. Juli war er mit seinen Schiffen an der vermeintlichen Straße, nannte die südliche Küste „The Queenesforeland“ (Königin-Vorland), und die Insel auf der Nordseite nach dem Steuermann des Hauptschiffes „Hall-Insel“. Diese liege, so meinte er, neben Asien; denn er war in der irrigen Vorstellung befangen, einen Paß an der Grenze der alten und neuen Welt gefunden zu haben. Das Land an der Nordseite der Frobisherbai galt ihm bereits als asiatische Küste. Am 19. Juli lief er in die „Straße“ ein und ließ an der Nordseite, am Warwicksunde (nach der Gräfin Anna Warwick benannt) wieder sog. „Nordwesterz“ laden, in welchem der italienische Alchymist Agnello durch eine geschickte Täuschung Spuren von Gold nachzuweisen verstanden hatte. Eine weiter nach Nordwesten gehende Untersuchung der Bai unterblieb; trotzdem nannte Master George Best, welcher die Reise mitmachte, den vermeintlichen Sund emphatisch „die nördliche Magalhãesstraße“.[525] Am 24. August kehrte Frobisher zurück und erreichte am 17. September Landsend, die Südwestspitze Englands.
Da man in London die Ansicht des Entdeckers theilte, daß die Straße zwischen Amerika und Asien gefunden sei, so galt es vor allem, die Vortheile eines kürzeren Weges nach China für England allein zu sichern. Der Eingang der Nordwestpassage mußte militärisch befestigt werden, um fremden Schiffen das Einlaufen verwehren zu können. Das Land auf der Südseite taufte die Königin Meta incognita („das unbekannte Ziel“). Zur förmlichen Besitzergreifung des wichtigen Passagelandes zog Frobisher 1578 zum drittenmale mit einer stattlichen Flotte von 15 Segeln aus. Zwölf Schiffe sollten wieder Erz laden und dann zurückgehen, die drei anderen dort stationirt bleiben und Befestigungen anlegen. Da Frobisher diesmal einen zu südlichen Cours eingehalten hatte, so gerieth er zuerst in den Eingang der Hudsonsstraße, erkannte aber die Wichtigkeit derselben nicht, oder war so sehr von der Ueberzeugung erfüllt, in der schon zweimal besuchten Bucht die einzige Straße gefunden zu haben, daß man eine genauere Untersuchung des südlichen Wassers für unnütze Zeitvergeudung hielt. Als bei dieser Fahrt eins der größeren Schiffe sich einen Weg durchs Eis bahnen wollte, wurde es zwischen den Schollen zerdrückt und ging unter. Die Mannschaft wurde zwar gerettet, aber leider befand sich in dem versunkenen Fahrzeuge das Bauholz für das Fort und das Winterhaus. Der Plan einer Befestigung[S. 513] mußte also aufgegeben werden, man nahm wieder Nordwesterz ein und kehrte Ende August nach Europa zurück. Daß die mitgebrachten Erze werthlos waren, mußte eine genauere Untersuchung bald ergeben; aber man verschwieg die Resultate, um sich nicht öffentlichem Spotte auszusetzen. Doch sah man bei den späteren Expeditionen davon ab, unnützen Ballast nach Europa zu verfrachten.
Daß Frobisher keine Straße gefunden, sondern nur in eine Bucht gerathen war, ist erst in unserem Jahrhundert, 1862, durch Francis Hall nachgewiesen. Bis dahin, also bis vor 20 Jahren, figurirte auf allen Karten noch eine „Frobisherstraße“.
Trotz der nicht erheblichen Resultate dieser Fahrten trat wenige Jahre später eine Gesellschaft Londoner Kaufleute unter der Leitung William Sanderson’s zusammen, um die Entdeckungen weiter zu verfolgen. John Davis,[526] ein wissenschaftlich gebildeter und praktisch tüchtiger Seemann wurde mit der Führung der Expedition betraut und ging mit seinen beiden kleinen Schiffen „Sonnenschein“ und „Mondschein“, von 50 und 30 Tonnen Gehalt, am 7. Juni 1585 von Dartmouth ab. Am 20. Juli traf er, wahrscheinlich bei Cap Discord, auf die Südostküste von Grönland. Weil er sich aber durch die noch immer maßgebende Karte Zeno’s irreleiten ließ, erkannte er das Land nicht als Grönland, sondern gab ihm den Namen Land of Desolation, da es mit seinen mächtigen, schneebedeckten Bergen und dem vegetationslosen Strande, den ein zwei Meilen breiter Eissaum umschloß, in starrer Oede sich aus den Fluten erhob. Dann drang er um die Südspitze des Landes herum nach Norden, ging unter 64° 15′ n. Br. über die nach ihm benannte Straße an das westliche Gegengestade und verfolgte die Fjordküste von Cumberland bis 66° 40′ n. Br., verewigte die Namen seiner Freunde an den Sunden und Vorgebirgen, wandte sich zur Umkehr, ging am 12. August über den Ausgang der Cumberlandbai, deren kahle Felsenküste er nicht weit genug verfolgte, um das Wasser als eine abgeschlossene Bucht zu erkennen, und langte am 30. September wieder in England an.
Nach mehreren Richtungen schien das arktische Meer noch weiteres Vordringen zu gestatten. Darum stellten die Kaufleute dem kühnen Polarfahrer, welcher schon bei dem ersten Versuche bedeutend weiter nach Norden gekommen war als Frobisher, im nächsten Jahre vier Schiffe von 120, 60, 35 und 10 Tonnen Gehalt zur Verfügung, um die entdeckte Straße weiter zu verfolgen. Um die günstige Jahreszeit des Hochsommers mehr ausbeuten zu können, stach er einen Monat eher in See, war schon am 15. Juni an der Südspitze Grönlands, erreichte aber, weil er durch dichte Nebel und Eisbarrieren aufgehalten wurde, die gleiche Polhöhe wie im vorigen Jahre nicht (er kam am 1. August bis 66° 33′ n. Br.) und hoffte auf dem Rückwege[S. 514] in die Cumberlandbai eindringen zu können, weil er fest überzeugt war, hier eine Passage zu finden, sah aber noch am 15. August den Eingang durch Eis versperrt. So lief er bis zum 28. August an der Küste weiter gegen Süden und brach die weiteren Nachforschungen erst ab, als er an der Labradorküste bis zum 57° n. Br. entlang gesegelt war. Dann wandte er sich der Heimat zu und langte am 6. October in der Themse an. Außer der Entdeckung von gewinnversprechenden Fischgründen bot diese zweite Forschungsreise geringere Erfolge als die erste; doch sprach Davis in einem Briefe an seinen Freund William Sanderson die Hoffnung aus, an vier Stellen (Davisstraße, Cumberland, Frobisherbai und Hudsonsstraße) bei günstiger Jahreszeit den Durchgang erzwingen zu können. Auch äußerte er später die treffende Vermuthung, daß ganz Amerika sich im Norden in Inseln auflöse.[527]
Unter diesen Auspicien wurden zum drittenmale die Mittel beschafft, um Davis nach dem Nordwesten zu senden. Am 19. Mai 1587 lief er mit zwei größeren und einem kleineren Schiffe von Dartmouth aus und erreichte am 16. Juni den Gilbertsund an der Westseite Grönlands (64° n. Br.), in welchen er schon bei seinen früheren Fahrten eingelaufen war. Am Eingange desselben liegt gegenwärtig die dänische Niederlassung Godthaab. Von hier aus ging Davis am 21. Juni mit dem kleinen Schiffe, einem „Clincher“ oder einer Pinasse, allein weiter auf Entdeckung nach Norden, während die beiden größeren Fahrzeuge dem Fischfang oblagen und sechszehn Tage auf seine Rückkehr warten sollten. Allein dieselben hielten nicht Wort und ließen ihren Capitän im Stich. Dieser segelte in offenem Fahrwasser an der grönländischen Küste nordwärts über den Polarkreis, an der Disko-Insel vorüber, bis zur Polhöhe von 72° 12′ n. Br.[528] Auch hier fand er im Norden und Westen noch freies Wasser. Den nördlichsten Punkt, den er erreichte, nannte er Hope Sanderson, südlich von Upernivik. Bei seinem Versuche, nun westwärts quer über den Meerbusen zu segeln, stieß er am 2. Juli auf das sogenannte Mittel-Packeis und war mehrere Tage im Eise besetzt; doch gelangte er glücklich an die westlichen Küsten, passirte am 31. Juli einen sehr großen Golf,[529] den Eingang der Hudsonsstraße und ließ am 15. September im Hafen von Dartmouth die Anker fallen. Er war der festen Ueberzeugung, daß die Nordwestpassage möglich sei. Schon am nächsten Tage schrieb er an Sanderson: „Die Passage ist höchst wahrscheinlich, deren Ausführung leicht.“ Dieselbe Ansicht verfocht er auch später in einem besonderen Werke,[530] in welchem er auch die Gründe angiebt, weshalb mit dieser dritten Fahrt die weiteren Versuche abgebrochen wurden; denn einerseits wurde England von der spanischen Armada bedroht, andrerseits fehlte, nachdem Walsingham,[S. 515] der Secretär Elisabeths, gestorben war, ein mächtiger Fürsprecher bei der Königin.[531]
Erst unter ihrem Nachfolger Jacob I. belebte sich das Interesse für die Polarfahrten aufs neue und konnten wichtige Erfolge verzeichnet werden. Hier glänzen vor allen die Namen Hudson und Baffin.
Henry Hudson[532] hat vier Reisen nach dem Norden gemacht, davon gehören die beiden letzten in den Rahmen der Nordwestfahrten. Im Jahre 1609 sollte er im Auftrage der niederländisch-ostindischen Compagnie (gegründet 1602) in der Yacht „Der Halbmond“ einen wiederholten Versuch machen, die Eisschranken der Nordostpassage, welche um Nordasien herum nach Indien führen sollte, zu brechen. Da er aber für dieses Vorhaben viel zu zeitig, am 27. März alten Stils, von Texel in See gegangen war, so stieß er im Anfang Mai jenseits des skandinavischen Nordcaps bereits auf dichtes Eis, verlor dadurch die Aussicht, weiter als in den früheren Jahren kommen zu können, und entschloß sich rasch, umzukehren und an den Küsten Nordamerika’s nach einer Passage zu suchen. So ging er Ende Mai von den Lofoten über die Faröer nach Neufundland hinüber und begann, vom 35° 41′ n. Br. an, alle Buchten des Continents in langsamer Fahrt gegen Nordosten zu mustern. Dabei verwendete er die meiste Zeit, einen vollen Monat, auf die Erforschung des tiefen Stromes, welcher nach ihm der Hudson benannt ist, und welchen er bis in die Nähe von Albany aufnahm. Die große Wichtigkeit dieser Stromrinne wurde durch ihn so entschieden betont, daß die Niederländer bald darauf an der Mündung desselben eine Colonie, Neu-Amsterdam, anlegten, aus welcher später, nachdem sie von Engländern besetzt und in Neu-York umgetauft worden war, die größte und mächtigste Stadt der neuen Welt erwuchs.
Im folgenden Jahre 1610 wurde ihm die Gelegenheit gegeben, im Auftrage der englischen moskowitischen Gesellschaft dasselbe Ziel weiter nordwärts zu verfolgen. Er richtete dabei sein Augenmerk auf die von seinen Vorgängern Frobisher und Davis bereits gesehene große Bucht, südlich von der Meta incognita, hinter welcher Davis eine Straße zum großen Ocean vermuthete und in welche 1602 Georg Weymouth, dessen Logbuch Hudson durch Vermittlung des holländischen Gelehrten Peter Plancius hatte einsehen können, bereits eingesegelt war. Unter den großen Patronen der englischen Seeunternehmungen jener Zeit, Männern wie Sir Thomas Smith, Sir Francis Jones, Sir Dudley Digges, Sir John Wolstenholm, Sir James Lancaster, hat sich besonders Smith durch seine patriotische Opferwilligkeit, durch seinen selbstlosen Eifer und durch die Kühnheit seiner Pläne nicht blos[S. 516] um die rasche Ausdehnung des englischen Handels, sondern auch um die maritimen Entdeckungen hohe Verdienste erworben. Er gehörte nicht nur zu den thätigsten Mitgliedern der moskowitischen Handelsgesellschaft, deren Bestrebungen wir im nächstfolgenden Capitel kennen lernen werden, sondern war auch einer der Begründer der ostindischen Compagnie (1600) und rief später (1615) die Gesellschaft Londoner Kaufleute zur Entdeckung der Nordwestpassage (the Company of merchants of London, discoverers of the Northwestpassage) ins Leben.
Noch ehe diese letzte Gesellschaft bestand, trat er mit den genannten Freunden zusammen, um Henry Hudson auf dem Schiffe „Discovery“ nach dem Nordwesten zu senden. Man billigte dessen Plan, südlich von der Meta incognita in die von Weymouth zuletzt besuchte Bucht weiter vorzudringen.
Am 24. Juni kam das Schiff vor die Einfahrt in die Hudsonsstraße, mußte sich aber vor den herausflutenden Eisschollen in die Ungavabucht flüchten und arbeitete sich mühsam im Eise weiter, so daß die Mannschaft umzukehren wünschte, weil sie der harten Arbeit überdrüssig geworden. Erst gegen Ende Juli hatte er bis zur Insel Salisbury am westlichen Ausgange der Straße vorrücken können und wandte sich nun, da die Labradorküste nach Süden verlief und ein weiteres Meer sich vor ihnen ausbreitete, nach Südwesten. Im nördlichen Theile von Labrador setzte Hudson in den Namen Cap Wolstenholm, Diggesinseln und Cap Smith den Förderern der Expedition ein bleibendes Denkmal. Hier bricht leider Hudsons Tagebuch ab und wir sind für den weitern Verlauf und das tragische Ende des Entdeckers auf die Aufzeichnungen beschränkt, welche Abacuk Prickett, ein Diener Sir Digges’, hinterlassen hat. Hudson ging mit seinem Schiffe an der die Festlandsküste in ziemlicher Entfernung begleitenden Inselreihe der Nord- und Süd-Schläfer entlang bis zur südwestlichen Einbuchtung der Jamesbai, wo er am 1. November vor Anker ging und in einer Breite von 52 Graden zu überwintern beschloß. Den meuterischen Steuermann und Hochbootsmann hatte er absetzen müssen und ihre Stellen an Robert Bylot und William Wilson übertragen. Schon am 10. November fror das Schiff ein und wurde erst im Juni wieder frei. Die strenge Winterkälte steigerte den Mismuth der Mannschaft gegen den harten Capitän, der mit eiserner Hand seine Autorität wahren wollte.[533] Als er im Juni 1611 auf dem Rückweg nach Cap Wolstenholm sich befand, brach die Empörung aus, weil Hudson gedroht hatte, er werde die Widerspenstigen an dem unwirthlichen Gestade aussetzen. Zu den Haupträdelsführern gehörte auch Henry Green, den Hudson in seinem Hause in London aufgenommen und erzogen hatte. Er gehörte nicht zu der besoldeten Mannschaft, sondern war von Hudson auf seine Kosten mitgenommen, „weil er gut schreiben konnte“. Das Schicksal, das den Meuterern angedroht war, bereiteten sie dem[S. 517] Capitän. Hudson wurde bei Nacht von ihnen überfallen, gebunden und sammt seinem jungen Sohne und acht Leidensgefährten in einer Schaluppe ausgesetzt und dem unvermeidlichen Untergang preisgegeben. Zwar ereilte auch den undankbaren Green und einige seiner Genossen das Verhängniß; denn sie wurden am 29. Juli bei den Diggesinseln von Eingeborenen erschlagen. Das Schiff kehrte dann nach England zurück.
Die Hudsonsbai wurde Hudsons Grab. Um den Verschollenen aufzusuchen, wurden 1612 zwei Schiffe, auf welchen auch Robert Bylot und Abacuk Prickett mitgingen, nach dem Schauplatz des Verraths ausgesendet unter Thomas Button und Ingram, aber sie fanden von den Verlorenen keine Spur. Sie umkreisten den nördlichen und westlichen Rand der großen Bai bis zum Nelsonflusse, wo sie überwinterten, und da der Winter ausnahmsweise milde verlief, nur vom 16. Februar bis zum 5. April vom Eise besetzt waren. Weil man in Port Nelson eine Fluthöhe von 15 bis 18 Fuß beobachtet hatte, so folgerte man in England daraus, die Hudsonsbai müsse im Südwesten mit dem großen Ocean in Verbindung stehen, denn in einem geschlossenen Binnenmeere könnten die Gezeiten eine solche Höhe nicht erreichen. Von Westen kommende Fluten galten mit Recht als Anzeichen einer weitern Wasserverbindung nach jener Himmelsgegend. Button war von der Existenz der Passage westlich von der Hudsonsbai aus fest überzeugt.
So lief denn dasselbe Schiff, die „Discovery“, welches Hudson und Button befehligt hatten und welches auch noch im Jahre 1614 mit Capitän Gibbons an der Labradorküste gewesen war, im folgenden Jahre zu neuen Entdeckungen aus, diesmal unter Robert Bylot und William Baffin.[534] Baffin war in den arktischen Gewässern kein Neuling mehr. Im Jahre 1612 war er als Steuermann mit James Hall nach der Westküste Grönlands gegangen, um nach den Trümmern der alten normannischen Niederlassungen zu forschen, hatte dann im Dienste der moskowitischen Compagnie in den beiden nächsten Jahren größere Flotten nach Spitzbergen begleitet und ließ sich nun für die Unternehmungen der Nordwestcompagnie gewinnen. Der Uebergang aus dem Dienste der einen Gesellschaft in den der andern vollzog sich um so leichter, weil beide von Thomas Smith geleitet wurden. Baffin war einer der gebildetsten Seeleute seiner Zeit, der mit der einem Polarfahrer nöthigen Kühnheit und Entschlossenheit das Talent und die Liebe zu wissenschaftlichen Beobachtungen verband. Er war in dieser Hinsicht dem Capitän Bylot bedeutend überlegen, ordnete sich demselben aber im Interesse der Sache unter und ging als Pilot mit.
Am 27. Mai drang die „Discovery“ in die Hudsonsstraße ein, wo Baffin bald darauf den ersten Versuch auf der See machte, die Längen nach Monddistanzen zu bestimmen, eine Methode, welche schon 1514 von dem Nürnberger[S. 518] Astronomen Johann Werner gelehrt, aber bisher von den Seefahrern noch nicht ausgeführt war. Am 3. Juli befand sich das Schiff bei der Millsinsel, am nordwestlichen Ausgange der Straße und versuchte nun, sich nordwärts durch den Foxcanal einen Weg zu bahnen. Man sah auch hier noch mit Betrübniß, daß die Flutwelle von Osten, also aus dem atlantischen Ocean kam. Zwar belebte sich die Hoffnung noch einmal auf kurze Zeit, als man an der westlich vom Foxcanal gelegenen großen Southamptoninsel eine von Norden kommende Flut beobachtete und gab den freudigen Erwartungen dadurch Ausdruck, daß man daselbst ein Vorgebirge Cap Comfort (Trost) benannte (75° n. Br.); allein schon am nächsten Tage zerrann die Hoffnung wieder, denn man sah vom Westen bis herum nach Nordosten ringsum mit Eis umschlossenes Land und beobachtete nur eine schwache Flut. Hier konnte also die Passage nicht erwartet werden.
Das Schiff kehrte dann nach der Südostspitze von Southampton zurück, wo man in offner See ankerte, um die Richtung der Flutbewegung besser beobachten zu können. Das Hochwasser kam ganz sichtlich aus Südosten, die Ebbe von Nordwesten. Schärfer war die Strömung noch nicht wahrgenommen; aber sie vernichtete jede Hoffnung, im Umkreise der Hudsonsbai die Durchfahrt zu finden.[535] Also wandte man sich zur Heimkehr und landete am 6. September in Plymouth, ohne während der ganzen Fahrt einen Mann eingebüßt zu haben.
Baffin sprach nunmehr seine Ansicht dahin aus, daß die Hauptpassage nur in der Verlängerung der Davisstraße zu suchen sei. Um dieselbe weiter aufzuhellen, wurden Bylot und Baffin in demselben Schiffe 1616 noch einmal ausgeschickt. Diesmal steuerten sie direct nach der Davisstraße und erreichten am 30. Mai Hope Sanderson (72° 42′ n. Br.). Von hier aus also begannen die neuen Entdeckungen. Das Schiff ging bis zum 10. Juni an der grönländischen Küste nordwärts und versuchte dann einen Vorstoß in die westlichen, in der Mitte der Bai treibenden Eismassen, um weiter von der Küste abkommen zu können. Aber dieser Versuch, das sogenannte Mittelpackeis zu durchbrechen, schlug fehl[536], und man war gezwungen, das Küstenfahrwasser wieder aufzusuchen. In diesem fuhr man nordwärts bis zum Whalesunde (77° 30′ n. Br.), der nach der großen Anzahl dort gesehener Walfische benannt wurde, und bis zum Eingange des Smithsundes, wo das Schiff zwei Tage lang in Sturm und Nebel umhergejagt wurde. Auf der andern Seite der großen Bai gelangte das Schiff am 10. Juli zur Oeffnung des Jonessundes, am 12. Juli zum Lancastersunde. Hier befand man sich thatsächlich an der Pforte der nordwestlichen Durchfahrt, aber man erkannte sie nicht; denn die Bezeichnung „Sund“ berechtigte noch nicht zur Annahme[S. 519] eines Durchgangscanals. „Vom Lancastersunde an,“ schreibt Baffin, „begann unsere Hoffnung auf eine Passage geringer zu werden. Denn von nun an hatten wir eine geschlossene Eisbank zwischen uns und der Küste. Wir hielten uns bis zum 14. Juli dicht an der Eisbarriere und sahen das Land sich noch bis zum 70° 30′ n. Br. erstrecken. Bei dem Versuche, durch das Eis nach Osten ins grönländische Küstenwasser zu kommen, wurden wir in dem Schollenmeere festgehalten und trieben bis 65° 40′ n. Br. südwärts.“ Nun erst gab man, da auch viele Leute an Bord erkrankt waren, die Untersuchung der Westküste auf und kehrte nach England zurück, wo man am 30. August in Dover landete.
In einem Briefe an John Wolstenholm spricht sich Baffin ganz entschieden dahin aus, daß das große Wasser nördlich von der Davisstraße, die Baffinsbai, nur eine geschlossene Bai sei und daß dort keine Passage existire. Ehe er sich mit eignen Augen davon überzeugte, sei er noch anderer Ansicht gewesen. Er schließt seinen Brief mit den Worten: „Ich darf kühn und ohne Prahlerei behaupten, daß in kürzerer Zeit bessere Entdeckungen nicht gemacht sind, wenn man die Eismassen und die Schwierigkeit einer Segelfahrt so nahe am Pol und dazu die fabelhafte Abweichung der Magnetnadel in Rechnung zieht, so daß ohne die größte Sorgfalt gar keine richtige Karte entworfen werden kann.“[537]
Volle zweihundert Jahre, bis 1818, ruhten die Versuche, durch den nördlichen Theil der Baffinsbai weiter vorzudringen. Doch wurden jene Gewässer für den Walfischfang in ergiebigster Weise ausgebeutet. Erst in unserm Jahrhundert nahm man die Frage der Nordwestpassage in England wieder auf. Nach einer Reihe glänzender, heldenmüthiger Forschungsreisen ist 1850 durch Mac Clure die Existenz einer Wasserstraße von der Baffinsbai aus durch den Lancastersund um Nordamerika sowie durch die Beringsstraße zum großen Ocean nachgewiesen, aber eine Umsegelung der neuen Welt im Norden wegen der höchst schwierigen Eisverhältnisse noch nicht ausgeführt. Der materielle Gewinn, welchen der britische Handel aus den Nordwestfahrten erzielte, ergab sich noch im Laufe des 17. Jahrhunderts, nachdem im Jahre 1631 noch zwei verschiedene Expeditionen unter den Capitänen Fox den Norden und James den Süden der Hudsonsbai erforscht hatten, und sich dann 1670 auf Anregung des Prinzen Rupert eine Gesellschaft bildete (Company of adventurers of England trading into Hudsonsbai), um von den[S. 520] Küsten dieses nordamerikanischen Binnenmeeres aus besonders Pelzhandel zu treiben. Die Hudsonsbai-Compagnie beherrschte sodann in ihrer weiteren Entwicklung den ganzen Norden Amerika’s und legte so den Grund zu der Ausdehnung der britischen Herrschaft über die ganze nördliche Hälfte jenes Continents.
Sebastian Cabot, den wir zuerst, in Gemeinschaft mit seinem Vater, von England aus die nordwestliche Bahn nach Indien betreten sehen, ist auch der Urheber des Gedankens, den letzten noch möglichen Weg nach den reichsten Ländern Asiens einzuschlagen: von England aus nach Nordosten um Nordeuropa und Nordasien. Zwar hat Sebastian Cabot nicht selbst mehr Schiffe nach dem Nordosten geführt, denn er war bereits hochbetagt, wenigstens 80 Jahre alt, als er mit seinem Vorschlage hervortrat; aber er lieh dem Unternehmen die Unterstützung seiner reichen Erfahrungen im Seewesen und wirkte dadurch fördernd und anregend.
Es könnte befremden, daß der Nordostweg so spät, erst 1553 versucht wurde, wenn uns nicht ein Blick auf die Karten jener Zeit belehrte, daß man die Küstenumrisse Afrika’s und Südamerika’s besser kannte und richtiger darstellte als die Meeressäume in Nordeuropa; denn bis nach Skandinavien erstreckte sich der Handel der Italiener, folglich auch ihre Kunst der Seekarten nicht, und die Hanseaten, zu deren Handelsgebiet der ganze Norden, wenigstens bis Bergen und Drontheim gehörte, verwendeten statt der gemalten Compaßkarten geschriebene Segelanweisungen, Seebücher. So blieb der Norden Europa’s in seiner kartographischen Entwicklung lange hinter dem Süden, namentlich den Gestaden des Mittelmeeres, zurück. Wie die Karten des Nicolaus Donis von 1482,[538] die Weltkarte von 1513 (vorliegendem Werke beigegeben) und Jacob Zieglers Karte[539] (Straßburg) von 1532 zeigen, hielt man noch an der Vorstellung fest, daß vom Norden Europa’s eine Landverbindung nach Grönland existire. Entsprach eine solche Auffassung der Wirklichkeit, dann war selbstverständlich an eine nordöstliche Durchfahrt nicht zu denken. Und doch bestand, wenigstens schon seit dem 15. Jahrhundert, ein Schifffahrtsverkehr zwischen dem weißen Meere und den Westgestaden Skandinaviens, von dem man im Süden eigentlich nichts wußte. Noch mehr: die[S. 521] leichtgebauten russischen Fahrzeuge wagten sich schon bis nach Nowaja Semlja und bis an die Eingänge des karischen Meeres; denn im Laufe des 16. Jahrhunderts fanden englische Schiffe an der Westseite des „Neuen Landes“ die Einfahrt in einen sichern Hafen bereits durch Kreuze markirt. Sigismund von Herberstein, welcher zweimal, 1517 und 1526 als Gesandter des deutschen Kaisers nach Moskau ging, berichtet uns[540] über die im Jahre 1496 von dem russischen Botschafter David ausgeführte Seefahrt von der Dwina nach Drontheim. Wir erfahren aus dem Munde eines Mitgliedes dieser Gesandtschaft, Gregory Istoma, daß zu jener Zeit schon das norwegische Grenzfort Vardöhuus am Varangerfjord jenseit des Nordcaps bestand, wodurch die Grenzen der norwegischen Besitzungen bewacht wurden. Und wenn die von da aus nach Südost verlaufende Küste der Halbinsel Kola noch jetzt den Namen murmanische d. h. normannische Küste führt, so müssen skandinavische Seefahrer sie besucht haben. Ihnen war also das äußerste Nordgestade unseres Continents längst bekannt; aber in Südeuropa vernehmen wir nur vereinzelte kundige Stimmen. So erzählt Gomara, in Bologna habe ihm der landesflüchtige, schwedische Bischof Olaus Magnus erzählt, daß man um Nordeuropa bis nach China segeln könne.[541] Aber Olaus Magnus rückt irrthümlich auf seiner Karte[542] die Nordspitze Skandinaviens bis zum 84° n. Br. hinauf, während doch der Florentiner Verrazzano schon im Jahre 1525 richtig die geographische Breite des Nordcaps auf 71° verlegte.[543]
Genaueres über die Polarküsten Europa’s erfuhr man erst aus den Darstellungen Herbersteins, und es ist sehr wahrscheinlich, daß erst durch das Erscheinen seines Werkes, in welchem auch die sibirischen Flüsse Ob und Irtysch erwähnt werden, ein möglicherweise schon älteres Project Cabot’s neu belebt wurde und auf Grund der neu erworbenen Anschauungen mehr Aussicht auf Verwirklichung gewann. Allerdings lief auch ein folgenreicher Irrthum mit unter, wie so oft in diesem Zeitalter durch falsche Combinationen die kühnsten Unternehmungen getragen wurden. Nach Herbersteins Erkundigungen sollte nämlich der Ob aus einem See Kitaisk abfließen. Dieser kitaische See mußte — so schloß man vorschnell — in der Nähe von Kitai oder Cathay, also China liegen. Konnte man zu Schiffe an den Ob gelangen, dann mußte auch der Rest des Weges nach Ostasien sich ohne große Schwierigkeit ausführen lassen. Zwar legten die Kartographen der Vollendung dieser nordöstlichen Schifffahrt noch ein selbstgeschaffenes Hinderniß in den Weg, indem[S. 522] sie nach einer misverstandenen Angabe des Plinius (lib. VI, 20) ein Vorgebirge Tabin als äußerste Spitze des polaren Asien ansetzten, welches wenigstens bis zum 75° n. Br. reichen sollte. Allein Tabin galt doch nicht als unüberwindliche Schranke.
Daß Asien sich so weit in die polare Zone hinein erstrecken solle, war durch keine Wahrnehmung oder Kunde irgend welcher Art zu beweisen, und doch hat sich, wie die Forschungen des 18. Jahrhunderts ermittelt haben, die Lage des hypothetischen „Promontorium Tabin“ bestätigt, wenn wir dafür das Cap Tscheljuskin, welches unter 77° 36′ n. Br. liegt,[544] gelten lassen.
Es ist merkwürdig, wie oft die kartographischen Phantasiegemälde, welche die Kosmographen des 16. Jahrhunderts in ruhelosem Schaffensdrange entwarfen, das richtige getroffen haben und gerade bei den für die räumliche Vertheilung der Landmassen wichtigen Momenten. Dahin gehören die bereits vier Jahre vor der Entdeckung durch Magalhães von Schöner gezeichnete südamerikanische Meerenge, ferner das Cap Tabin als äußerster nördlicher Punkt des Continents der alten Welt und die schon im 16. Jahrhundert vermuthete und gezeichnete Anianstraße, welche die alte und neue Welt von einander scheidet, unsere Beringstraße.
Als Cabot daran ging, den Plan einer Nordostfahrt ins Werk zu setzen, bedurfte er zunächst bedeutender Mittel und diese zu schaffen, galt es besonders den Patriotismus der englischen Kaufherren aufzurufen. Es gelang ihm, im Jahre 1553 (vier Jahre nach dem Erscheinen des Herberstein’schen Werkes) eine Handelsgesellschaft ins Leben zu rufen, welche der auch in England mit wichtigen Privilegien ausgestatteten und den Seehandel beherrschenden Hansa entgegen arbeiten sollte. Diese Gesellschaft, zu deren lebenslänglichem Präsidenten Cabot ernannt wurde, trat unter dem Namen: „Mystery, Company and fellowship of merchant adventurers for discovery of unknown lands“ ins Leben. Es lag in diesem Titel die Absicht ausgesprochen, dem englischen Seeverkehr Länder zu erschließen, wohin der Einfluß der Hansa nicht reichte.
Das erste Geschwader, welches die neugegründete Compagnie 1553 aussendete, bestand aus drei Schiffen von 160, 120 und 90 Tonnen Gehalt. An die Spitze wurde Sir Hugh Willoughby gestellt, weil er „im Kriegswesen wohl bewandert war“. Ihn begleiteten Richard Chancellor und Stephen Burrough.[545] Am 10. Mai (alten Stils) liefen die Schiffe von der Themse aus, unter dem Jubelzurufe des versammelten Volks, am 27. Juli ankerten sie bei den Lofoten und gingen dann weiter nordwärts. In der Mitte des August trieb ein Sturm die Schiffe auseinander. Willoughby gerieth nebst dem kleinsten Fahrzeuge weit jenseit des Nordcaps, welches für die westeuropäische Schifffahrt bei dieser Gelegenheit gleichsam entdeckt wurde, an[S. 523] eine von Eis umstarrte flache Küste, vielleicht die Insel Kolgujew,[546] wandte sich von da wieder zurück und erreichte am 18. September die lappländische Küste, wo er am Flüßchen Arzina (jetzt Varsina) unter 68° 20′ n. Br. zu überwintern beschloß. Aber unbekannt mit den Gefahren eines arktischen Winters und mit den Mitteln, demselben Widerstand zu leisten, erlag die gesammte Mannschaft beider Schiffe, sammt ihrem Befehlshaber. Russische Fischer fanden später das verhängnißvolle Winterlager und brachten beide Schiffe mit Willoughby’s Leiche 1555 nach England.
Das dritte Fahrzeug unter Richard Chancellor ging, als es sich nach dem Auguststurme allein sah, nach Vardöhuus, wartete dort eine Woche lang auf Willoughby und setzte dann auf eigene Hand seine Entdeckungsfahrt weiter fort, bis es am weißen Meere nahe der Mündung der Dwina ein kleines Kloster erreichte, da, wo jetzt die Stadt Archangelsk liegt. Hier fand Chancellor gastliche Aufnahme, wurde, nachdem Eilboten dem Zaren die Ankunft eines englischen Schiffes gemeldet hatten, eingeladen, nach Moskau an den Hof zu kommen und verbrachte dort einen Theil des Winters mit seinen Leuten. Dann kehrte er 1554 mit seinem Schiff nach England zurück. So war ein Theil des Programms der von Cabot gegründeten Handelsgesellschaft: unbekannte Länder aufzusuchen, um mit ihnen in Verkehr zu treten, erfüllt. Rußland ergriff mit Freuden die Gelegenheit, sich über das einzige Meer, dessen Küsten unter seiner Botmäßigkeit standen, mit Westeuropa in Verbindung zu setzen. Es entwickelte sich ein lebhafter Handel, die englische Gesellschaft erhielt 1555 von der Königin Maria Corporationsrechte unter dem Namen einer Company of merchant adventurers. Man nannte sie aber gewöhnlich die moskowitische Gesellschaft (Muscovy Company).
Die Gesellschaft besteht noch als fellowship of English merchants for discovery of new trades. Ihr Archiv ist leider in dem großen Brande 1666 untergegangen und damit manches werthvolle Blatt für die Entwicklungsgeschichte des englischen Seehandels verloren. Chancellor wurde 1556 wieder nach dem Kloster Cholmogory (Archangelsk) abgeschickt, verlor aber auf dem Heimwege von der Dwina bei Aberdeen im Schiffbruch am 10. November das Leben.
In England ließ man, trotz des ersten Erfolges, das große Ziel, auf dem eingeschlagenen Wege bis nach Indien vorzudringen, nicht aus den Augen. Zu gleicher Zeit mit Chancellor wurde auch Stephen Burrough[547] wieder entsendet, aber mit dem weitergehenden Auftrage, die Mündung des Ob aufzusuchen, als nächsten Schritt zur Auffindung der Nordostpassage (intending the discovery of the north-east passage). Cabot überwachte persönlich die Ausrüstung und nahm auf dem Schiffe von Burrough Abschied, welcher am 27. April von Gravesend in See ging.
Am 11. Juni traf dieser jenseit des Nordcaps an der lappländischen Küste mit russischen Lotjen (kleine Ruder- und Segelböte) zusammen und ließ sich von ihnen den Weg zur Petschora zeigen. Da aber die Lotjen schneller segelten als das englische Schiff, so mußten sie oft die Segel einziehen, um Burrough nachkommen zu lassen. Diese Fahrgeschwindigkeit der russischen Böte bestätigt die Annahme, daß jene nordischen Seeleute weithin mit den Küsten des Eismeers bekannt sein konnten. Am 15. Juli lief Burrough in die Mündung der Petschora ein und ging von da fünf Tage später grade nordwärts nach dem südlichen Rande von Nowaja Semlja. Unter diesem Namen kannten die Russen bereits jene langgestreckte Doppelinsel, welche das karische Meer gegen Westen abschließt. Statt nach Osten sich zu wenden, verfolgte Burrough die Küste nach Westen, wo ihn eine russische Lotje belehrte, daß er, um nach dem Ob zu gelangen, eine entgegengesetzte Richtung einschlagen müsse. Auch gab der russische Schiffer den Engländern weitere Andeutungen über die einzuhaltende Route. Burrough kam bis zur Waigatschinsel, lag dort einige Zeit vor Anker, wurde, als er ins karische Meer einzusegeln versuchte, am 23. August von einem schweren Sturm betroffen, der ihn zur Umkehr zwang. Er hatte die Absicht, an der Dwina zu überwintern und im nächsten Jahre die Fahrt nach dem Ob zu vollenden, aber führte den Plan nicht aus, sondern ging nach England zurück.
Die moskowitische Handelsgesellschaft ließ vorläufig die Pläne, nach dem Ob und weiter die Route zu entdecken, fallen und beutete die neu eröffneten Handelsbeziehungen an der Dwina aus. An dem Stillstande der Entdeckungen war wohl auch der 1557 erfolgte Tod Cabot’s schuld. Erst als Frobisher (s. oben S. 511–514) sich in den Jahren 1575–77 vergebens abgemüht hatte, eine Nordwestpassage zu finden, kehrte man zu Cabot’s Idee zurück und schickte 1580 noch einmal zwei Schiffe nach dem Ob und nach Cathai.[548] Arthur Pet, welcher schon die erste Fahrt unter Chancellor als Matrose mitgemacht, und Charles Jakman befehligten die Schiffe, welche am 30. Mai von Harwich abgingen. Jenseit des Nordcaps trennten sich die beiden Schiffe, um sich später bei der Waigatschinsel wieder zu treffen. Pet ging allein nördlich um diese Insel herum durch die karische Straße, und nach Südosten am Lande hin zwischen der Küste und einem ausgedehnten Eisfelde, bis er nothgedrungen in einem Hafen auf der Ostseite von Waigatsch Zuflucht suchen mußte. Dort traf er wieder mit Jakman zusammen. Da beide Schiffe vom Eise beschädigt waren, so beschlossen sie umzukehren und das karische Meer, welches sie zuerst betreten, wieder zu verlassen. Pet kam am 26. October wieder nach England, Jakman überwinterte an der Küste Norwegens und ging im nächsten Jahre auf einem dänischen Schiffe nach Island. Dort ist er verschollen.
„Pet und Jakman waren die ersten Nordostfahrer, welche sich ernstlich in das Treibeis wagten. Sie benahmen sich dort mit Entschlossenheit und Umsicht, und in der Geschichte der Schifffahrt kommt ihnen die Ehre zu, die ersten Fahrzeuge geführt zu haben, welche vom westlichen Europa in das karische Meer eingedrungen sind.“[549] Mit Unrecht erklärt Barrow sie für unbedeutende Seeleute;[550] denn ihre Leistung ist in diesem Gebiete von keinem englischen Schiffer mehr übertroffen, und mit dieser Expedition hörten die englischen Expeditionen zur Nordostpassage fast ganz auf, nachdem die Holländer in ihre Fußtapfen getreten waren.
Die Holländer folgten den Engländern auf dem nordöstlichen Wege sehr bald nach. Als Stephen Burrough 1557 nach seiner Ueberwinterung in Archangelsk zurückging, traf er jenseits Vardöhuus Holländer an, welche nach Lappland Handel trieben und sich in Kola niederließen. Von hier gingen 1566 zwei Antwerper Kaufleute Simon von Salingen und Cornelis de Meijer an der Küste entlang zu Schiff nach dem Onegafluß, von wo sie als Russen verkleidet zu Lande nach Moskau reisten. Noch wichtiger und für die Entwicklung des holländischen Handels nach dem weißen Meer von bestimmendem Einfluß war das Auftreten des niederländischen Kaufmanns Oliver Brunel aus Brüssel. Derselbe war 1565 mit einem Enkhuizer Schiffe nach Kola gekommen und wagte sich dann auf einer russischen Lotje nach Cholmogory. Auf Veranlassung der eifersüchtigen Engländer als Spion erklärt, wurde Brunel in Jaroslawl an der obern Wolga gefangen gesetzt, bis er durch Vermittlung der russischen Kaufleute, der Gebrüder Anikiew, die Freiheit wieder erhielt, und in den folgenden Jahren in dem Interesse seiner Befreier Handelsreisen bis zur Petschora machte und so den ganzen Norden Rußlands kennen lernte. Da er aber auch im Westen den russischen Waaren Absatz zu verschaffen wünschte, so begab er sich mit Verwandten der Anikiews zu der holländischen Niederlassung in Kola und miethete hier ein niederländisches Schiff nach Dordrecht. Der Erfolg war günstig, und so wurde über Kola eine regelmäßige Verbindung mit Holland angeknüpft. Brunel diente zwischen den Handelsplätzen als Agent.[551] Im Jahre 1577 ging er mit Jan van de Walle, dem Agenten des Handelshauses Gillis van Eychelberg, genannt Hoofman, zu Lande nach Moskau und bewog dieses Haus noch in demselben Jahre das erste holländische Schiff nach der Dwina zu ent[S. 526]senden. Andere niederländische Schiffe folgten und ankerten in der Pudoschemsko-Mündung der Dwina. Als dann auch Melchior de Moucheron als Agent seines Bruders, des reichen Handelsherrn Balthasar de Moucheron, sich an der Dwina niederließ und 1584 den Capitän Adrian Krijt veranlaßte, einen bessern Ankerplatz bei dem Kloster des Erzengel Michael zu suchen, so entstand dort rasch Neu-Cholmogory oder Archangelsk und entwickelte sich so günstig, daß 1591 auch die Engländer ihre Factorei hierher verlegen mußten.
Inzwischen war 1581 Brunel zum zweitenmale in den Niederlanden gewesen, um für die von schwedischen Schiffbauern auf Kosten der Anikiews erbauten besseren Fahrzeuge holländische Matrosen anzuwerben, denn die Schiffe sollten den Handelsweg nach dem Ob eröffnen. Seinen Weg nach den Niederlanden hatte Brunel über die Ostsee genommen und bei dieser Gelegenheit den Kosmographen Johann Balak in Arensberg auf der Insel Oesel besucht, welcher ihm Empfehlungen an den berühmtesten Kartographen seiner Zeit, Gerhard Mercator, mitgab und, nach den Angaben Brunels in einem Brief an den großen Gelehrten, seine Erkundigungen über die Polarregion der alten Welt mittheilte. Wir finden darin die Petschora, Waigatsch, das karische Meer mit den einmündenden Flüssen ganz richtig beschrieben. Jenseit des Ob werden allerdings die Vorstellungen unklar. Der berüchtigte Kataisee, dessen Abfluß der Ob sein sollte, wird nach dieser Auffassung von Karakalmaken umwohnt, die ganz nahe an China grenzen oder bereits diesem Lande angehören (non alia certe quam Cathaya).[552] Pet und Jakman waren im Jahr vorher in das karische Meer eingedrungen, die Angaben Brunels fanden dadurch eine weitere Bestätigung. Dieser scheint nun die Ehre des großen Unternehmens, den Handelsweg nach dem Ob zu eröffnen, aus Patriotismus seinem Vaterlande haben zuwenden zu wollen; denn er trat nicht mehr als russischer Agent in den Niederlanden auf, sondern brachte mit Hilfe seiner Landsleute eine Expedition zustande, an deren Spitze er 1584 das karische Meer zu erreichen suchte. Die Geschichte dieser Fahrt ist dunkel, wir erfahren nur, daß er sein Schiff auf dem Rückwege an der Petschora einbüßte. Brunel kehrte nicht nach Holland zurück; er begab sich vielmehr, da er durch seine Handlungsweise seine Stellung auch in Rußland verloren hatte, in dänische Dienste und erbot sich zu Fahrten nach Grönland. Dann verschwindet er aus der Geschichte, jedenfalls erlebte er die ersten großen holländischen Entdeckungszüge nach dem Nordosten nicht mehr.
Den directen Anstoß dazu gab Balthasar de Moucheron. Ende 1593 legte er dem Statthalter Moritz von Oranien und Oldenbarneveldt seinen Plan vor, durch die karische See nach China zu segeln („in wat manieren en by wat middelen de noordsche zee omtrent Waygats tot China toe bevaarbaar zijn zou“).[553] Den vierten Theil der Kosten wollte er selbst tragen.[S. 527] Aber nach längerer Berathung nahmen durch Beschluß vom 16. Mai 1594 die Generalstaaten die Sache selbst in die Hand und machten sie zu einer Staatsangelegenheit. Zwei Schiffe wurden von der Admiralität in Seeland und Nordholland gestellt, das dritte Schiff und eine Yacht fügte, auf Anregung des Kosmographen Peter Plancius, die Regierung von Amsterdam hinzu. Beide Abtheilungen standen unter dem Oberbefehl des Capitän Cornelis Cornelisz. Nay aus Enkhuizen, so lange sie vereinigt bis zur Insel Kildin an der lappländischen Küste gingen. Von hier aus mußten sich die Wege trennen, denn den von den Generalstaaten gestellten Schiffen war der Weg durch die Waigatschstraße ins karische Meer vorgeschrieben, von wo sie dann weiter nach Cap Tabin und der Anianstraße steuern sollten, während die andere Abtheilung des Geschwaders Nowaja Semlja umsegeln sollte, um die karische See zu vermeiden, von der man noch nicht wußte, ob sie mit dem nördlichen Weltmeer zusammenhänge oder nicht. Eine Fahrt um Nowaja Semlja hielt man deshalb für keineswegs schwierig, weil nach der Ansicht Mercators, welcher auch sein Schüler Plancius folgte, das Eismeer wegen des raschen Flutwechsels nicht fest zugefroren sein könne.[554] Cornelisz. Nay kannte jene nordischen Gewässer, da er im Auftrage des Hauses Moucheron bereits mehreremale das weiße Meer besucht hatte. Das zweite Schiff stand unter dem Commando des Capitäns Brandt Ijsbrandtsz. Tetgales ebenfalls aus Enkhuizen. Die Amsterdamer Schiffe befehligte Willem Barendsz. Alle Schiffe gingen am 5. Juni 1594 von Texel ab und langten am 23. Juni zusammen vor Kildin an. Nay ging mit Tetgales am 2. Juli nach der Waigatschstraße, kam am 5. des Monats ins Eis, erreichte aber doch am 18. die Mündung der Petschora und ankerte am 21. vor Waigatsch. Nach mancherlei Aufenthalte segelte er am 1. August durch die jugorische (ugrische) Straße, von den Holländern die Nassaustraße genannt, und gelangte bis in die karische See, wo er zwar anfangs auch noch mit dem Eise zu kämpfen hatte, dann aber unter 71° n. Br., am 11. August, in offenes Wasser kam. Da man die Durchfahrt nach Indien in der „neuen Nordsee“, wie man das karische Meer nannte, meinte gefunden zu haben, so beschloß man, sich mit diesem Erfolg zu begnügen und den Heimweg anzutreten; denn man war überzeugt, an der Mündung des Ob vorbei — die Karabucht wurde dafür gehalten — bis zur Höhe des Vorgebirges Tabin vorgedrungen zu sein.
Auf dem Rückwege traf Nay am 16. August mit den Amsterdamer Schiffen zusammen, welche unter Capitän Willem Barendsz. von Kildin nach Nordosten gesegelt waren. Am 4. Juli sah dieser unter 73° 25′ n. Br. die Westküste von Nowaja Semlja und ging an derselben bis zum 78° n. Br., wo am Eiscap ein mächtiges Eisfeld ihn zur Umkehr nöthigte. Daß vor ihm Russen schon so weit die Küsten des „neuen Landes“ kannten, bewiesen die unter 77° 55′ n. Br. auf einer Insel an der Küste errichteten Kreuze.
Die Schiffe traten gemeinschaftlich den Rückweg an und langten am 16. September wieder in Holland an.
Die Resultate dieses ersten Versuches erschienen den Unternehmern keineswegs entmuthigend. Namentlich hielt man die Beobachtung Nay’s, daß er ein offnes Meer bis Tabin entdeckt habe, für so günstig, daß man sofort in dieser Richtung weiter zu gehen beschloß; aber man wollte sich den Eingang sichern und faßte schon den Plan ins Auge, die Nassaustraße durch Befestigungen zu sperren, damit man nicht mit fremden Nationen den Gewinn theilen müßte.
So wurde ein zweites, noch größeres Geschwader, auf Staatskosten ausgerüstet „zur nördlichen Schifffahrt nach den Königreichen China und Japan“ (opte navigatie benoorden om, naeden Coninckrycken van China ende Japan).[555] Man war diesmal so fest überzeugt, das Ziel zu erreichen, daß man nicht blos die ansehnliche Zahl von sieben Segeln (je zwei von Amsterdam, Seeland und Enkhuizen und eins von Rotterdam) entsendete und theilweise mit Kaufmannsgütern für den Handel mit China befrachtete, sondern auch zwei kleineren Schiffen der Flotte den Auftrag ertheilte, die Nachricht von der erfolgten Umschiffung Tabins sofort nach den Niederlanden zurückzubringen. Cornelis Nay wurde wieder zum Oberbefehlshaber, Tetgales als zweiter Capitän und Barendsz. zum Obersteuermann ernannt. Linschoten, der bekannte Geschichtsschreiber dieser Nordostfahrten,[556] sowie Hermskerck und Rijp nahmen als Commissarien an dem Schiffszuge theil, dessen Ziel der von Polo’s Zeiten her bekannte Seehafen Quinsay (haeven ende stadt van Guinsay) war. Aber man hatte mit der Ausrüstung der großen Flotte so viel Zeit verloren, daß man erst am 2. Juli von Texel in See gehen konnte. Am 10. August war man am Nordcap, am 17. stieß man schon auf Treibeis. Zwar gelang es noch am 24., durch die Nassaustraße ins karische Meer zu kommen; aber das dichte Eis trieb die Schiffe nach der Waigatschinsel zurück. Vergebens machte Barendsz. noch mehrere Versuche, den Eisgürtel zu durchbrechen, aber die Jahreszeit wurde immer ungünstiger und am 15. September mußte man schweren Herzens die Hoffnung aufgeben, vorwärts zu kommen. Man erfuhr zwar, daß die Russen noch über den Ob hinaus nach einem Flusse namens Gillissy (Jenissei) Handel trieben, aber man konnte ihnen wegen der vorgerückten Jahreszeit nicht mehr folgen.[557]
Erst im November kamen die Schiffe nach Holland zurück. Aber die Unternehmungslust der Kaufleute war durch diesen Miserfolg keineswegs gedämpft. Namentlich Linschoten forderte zu neuen Anstrengungen auf und wies darauf hin, wie lange sich die Portugiesen abgemüht hatten, bis sie das Südende Afrika’s erreichten. Ihre Ausdauer sei glänzend belohnt. Eine nordöstliche Durchfahrt nach China und Indien bestehe ganz sicher, als Beweis führte er die Fahrten der Russen nach dem Ob und Jenissei an. Aber man kenne die Temperatur- und vor allem die Eisverhältnisse des Nordens noch nicht genügend, um die richtige Jahreszeit zu treffen. Er rieth daher, zeitig im Frühjahr zwei kleine Schiffe nach Waigatsch zu senden, welche dort das Aufbrechen des Eises abwarten sollten und dann den Spuren der russischen Lotjen nach dem Ob folgen könnten. Am Jenissei sollten dann die Schiffe überwintern, von den Anwohnern Erkundigungen einziehen und im nächsten Jahre ihre Reise fortsetzen. Die Generalstaaten freilich wollten neue Mittel für Schiffe nicht bewilligen; um jedoch die Unternehmungen nicht ganz fallen zu lassen, setzten sie eine Prämie von 25,000 Gulden auf die erste glückliche Vollendung der Fahrt nach China.[558] Dagegen faßte der Rath der Stadt Amsterdam den Beschluß, aus den Mitteln der Stadt zwei Schiffe von 50 bis 60 und 30 Lasten auszurüsten und darauf bis zu 12,000 Gulden zu verwenden.[559] Jan Cornelis Rijp und Jacob Hendrichsz. Heemskerck führten die Schiffe, Barendsz. ging wieder als Steuermann mit. Am 18. Mai (neuen Stils) liefen sie von Vlieland aus, Rijp steuerte von den Lofoten nach Nordnordost, da er den Nowaja Semlja umlagernden Eismassen auszuweichen wünschte und fand so zunächst am 9. Juni die Bäreninsel,[560] so genannt, weil dort ein großer Bär erlegt wurde, und entdeckte am 17. Juni (nach Barendsz.’s Journal), indem er einen dermaßen nördlichen Cours einhielt, als ob er über den Pol segeln wollte, die Inselgruppe von Spitzbergen. Aber seine Versuche von hier aus, um die Westküsten nach der Nordseite vorzudringen, scheiterten an den unbezwinglichen Eismassen. Die Schiffe kehrten also nach dem Süden zurück und trafen am 1. Juli wieder an der Bäreninsel ein.[561] Hier trennten sich die beiden Schiffe: Barendsz. ging nach Nowaja Semlja, Rijp nördlicher, in der Absicht, auf der Ostseite von Spitzbergen von neuem den Weg über den Pol zu suchen. Aber er fand auch hier eine feste Eismauer, ging an deren Rande nach Westen und kam so zum[S. 530] zweitenmal nach Spitzbergen. Nun erst gab er seinen Plan auf und wandte sich auch nach Nowaja Semlja. Aber da der Sommer zu Ende ging, so gab er, ohne nach dieser Richtung noch etwas erreicht zu haben, den Kampf gegen das Eis verloren und kehrte über Kola nach Hause zurück.
Barendsz. hatte inzwischen am 17. Juli Nowaja Semlja erreicht und war nach langer Arbeit im Eise endlich am 15. August so glücklich, über das Eiscap hinaus zu kommen und am folgenden Tage die nördlichste Spitze des Landes zu umsegeln. Aber im Nordosten wurde das Schiff vom Eise besetzt und mußte im „Eishafen“ überwintern unter 76° 7′ n. Br. Der Aufenthalt währte vom 26. August 1596 bis zum 14. Juni 1597. Man fand am Strande viel Treibholz, baute ein geräumiges Wohnhaus und verbrachte darin unter Leiden und Entbehrungen den Winter. Der Muth und die Ausdauer, mit welcher die Leute eine bis dahin unerhört strenge Ueberwinterung überstanden, erregte die allgemeinste Theilnahme. Die Reiseberichte wurden in alle Sprachen übersetzt, und so wurde diese letzte große holländische Polarfahrt zugleich die populärste. Als im Sommer 1597 die Schiffe aus ihrem Eisgefängniß nicht frei wurden, mußte man sie preisgeben und ging in offnen Böten um Nowaja Semlja herum zur Petschora. Fünf von der aus 17 Köpfen bestehenden Mannschaft starben; auch der edle Willem Barendsz. erlag während der Bootfahrt und fand auf dem neuen Lande sein Grab. Barendsz. war nicht blos ein liebenswürdiger, allgemein geachteter Charakter, er war auch ein gebildeter, ja ein gelehrter, der lateinischen Sprache sogar kundiger Seemann, der von Kindesbeinen an (von sijne kintsche daghen aen) eifrigst bemüht gewesen war, von allen Ländern, die er durchwanderte oder befuhr, Karten zu entwerfen.[562] Mit ihm sank gleichsam die Seele der Polarfahrten ins Grab. Sein Wahlspruch war gewesen: Niet zonder God (nichts ohne Gott). Mit dieser dritten Reise Barendsz.’s und mit seinem Tode hörten die energischen Versuche der Holländer, den Nordostweg nach China zu finden, auf.[563] Man mußte zugeben, daß die Lehren der Kosmographen von einem stets befahrbaren Polarmeere sich als irrig erwiesen hatten. Aber die Anstrengungen und Opfer waren doch nicht vergeblich gewesen, denn einerseits stand in dem Eismeere ein ergiebiger Walfang in Aussicht, andererseits — und dies war weit höher anzuschlagen —, war das Nationalbewußtsein mächtig gehoben. Man verglich in Holland diese arktischen Reisen mit dem Argonautenzuge, oder gar mit Hannibals Uebersteigung der Alpen und mit Alexander des Großen Feldzügen.[564]
Daß man die Nordfahrten vorläufig aufgab, hatte noch einen andern Grund. In demselben Jahre, als Heemskerck mit dem Rest seiner Mannschaft[S. 531] von Nowaja Semlja zurückkehrte, kam Cornelis Houtman mit der ersten Flotte von Indien zurück. Der alte Weg ums Cap der guten Hoffnung war sicher und brachte Gewinn, der Versuch, einen neuen Weg zu finden, hatte nur Opfer gefordert. Nachdem Spanien seit 1580 auch die Hand auf Portugal und seine Besitzungen gelegt, seitdem mit dem Untergange der berühmten Armada die spanische Oberherrschaft zur See erschüttert war, achteten weder England noch Holland mehr auf das alte, vom Pabst verliehene Monopol des indischen Handels, und nach Houtmans erfolgreichem Zuge blühte der Handel nach Indien dermaßen auf, daß bereits 1602 die holländisch-ostindische Compagnie ins Leben gerufen wurde. Man wandte also in den letzten Jahren des 16. Jahrhunderts sein Interesse dieser neuen Richtung zu; aber gerade in der Gründung dieser Handelsgesellschaft lag auch wieder der Keim und Anstoß, die Nordostfahrten wieder aufzunehmen; denn die niederländische Regierung hatte dieser ostindischen Gesellschaft ausschließlich das Recht ertheilt, ums Cap oder durch die Magalhãesstraße mit Indien Handel zu treiben. Alle nicht der Compagnie angehörenden Kaufherren waren ausgeschlossen, und diese eben suchten nun wieder „um den Norden herum“ nach Ostasien zu gelangen.
Fünf Jahre später nahm aber auch die moskowitische Handelsgesellschaft ihre seit 1580 abgebrochenen Entdeckungen wieder auf und entsandte 1607 Henry Hudson mit einem kleinen Fahrzeuge, um über den Nordpol den Weg nach Japan und China in nordöstlicher Richtung zu eröffnen. Hudson steuerte am ersten Mai von der Themse aus nach Nordwesten und stieß unter 67° n. Br. auf die Ostküste Grönlands. Von hier aus wollte er sich mehr und mehr nach Nordosten hinüberwenden. Die Küste des hohen Schneelandes lief anfänglich von Westen nach Osten, später von Süden nach Norden. Dieser Theil der grönländischen Küste ist auch gegenwärtig noch nur ungenügend bekannt. Er befuhr die Küste bis zum 70° und wandte sich dann nordöstlich nach Spitzbergen hinüber. Mit Sturm, Regen und mit dichten Nebeln kämpfend, welche in einem Zeitraum von drei Wochen (vom 2. bis 21. Juni) nur einmal der Sonne gestatteten, den Dunstschleier zu durchbrechen, kam er unerwartet am 22. Juni noch einmal, unter 72° 38′ n. Br. in die Nähe der hier nicht überall mit Schnee bedeckten, aber hochgebirgigen Küste von Grönland, bis er auf die Eisbarriere stieß, welche in der Regel das Meer zwischen Grönland und Spitzbergen überbrückt. Da er sah, daß sich das amerikanische Land viel weiter nach Osten erstreckte, als er nach seiner (auf Zeno basirenden) Karte annehmen durfte,[565] so ging er nun am Rande der Eismauer nach Spitzbergen hinüber, dessen Küste er am 27. Juni[S. 532] erreichte. Bis zum 13. Juli kreuzte er in dem Eise hin und her, wobei er die Höhe von 80° 23′ n. Br. erreichte. Dann drang er bis auf die Nordseite der Inselgruppe vor, vermuthlich bis zu den „Siebeninseln“, wo das Eis seiner Weiterfahrt ein Ziel setzte. Es gelang ihm also ebensowenig wie früher dem Holländer Rijp, Spitzbergen im Norden zu umsegeln. Er versuchte es dann noch auf der Südseite, mußte aber auch hier des Eises wegen am 27. Juli von seinem Vorhaben abstehen und kehrte nach England zurück. Wichtig wurde für die Folgezeit die Entdeckung zahlreicher Walfische, welche sich damals noch in dem friedlichen Meere von Spitzbergen tummelten. Im folgenden Jahre schickte die moskowitische Compagnie ihn zum zweitenmale aus, den Weg zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja einzuschlagen. Auch diese Reise blieb resultatlos, wahrscheinlich weil sie wieder zu früh im Jahre begonnen war. Hudson ging nämlich schon am 22. April die Themse hinunter zur See und erreichte Ende Mai die Höhe des Nordcaps. Unter 75° 29′ n. Br. gerieth er am 9. Juni ins Eis und mußte sich mühsam, nach Südosten zurückweichend, bis zur Küste von Nowaja Semlja durcharbeiten, welche er unter 72½° zu Gesicht bekam. Da er die Insel im Norden nicht umsegeln konnte, wandte er sich zur Waigatschstraße, aber wegen der in heftiger Strömung bewegten Eismassen wagte er sich nicht hinein und kehrte um. Am 26. August ließ er in Gravesend die Anker fallen. Es galt als eine besonders wichtige Wahrnehmung, daß das Klima von Spitzbergen unter 80° milder war, als bei Nowaja Semlja unter 76°, denn dadurch wurde die Theorie von dem offnen Polarmeere neu bekräftigt.
Die niederländisch-ostindische Compagnie, welche, wie sie für den Handel ums Cap und durch die Magalhãesstraße bereits privilegirt war, auch noch die Nordoststraße für sich zu monopolisiren hoffte, gewann darum für 1609 den kühnen englischen Polarfahrer, um in ihrem Interesse den nordöstlichen Weg nach China zu finden. Daß diese dritte Reise Hudsons aber eine ganz andere Richtung nahm, ist bereits (S. 515) berichtet. Trotzdem beschloß die ostindische Gesellschaft die Versuche fortzusetzen. Abgesehen von der durch Plancius vertretenen und verbreiteten Lehre, daß in der hohen Polarregion unter der monatelang ununterbrochen andauernden Bestrahlung durch die Sonne das Eis schmelzen und die Luft erwärmt werden, daher ein offenes Polarmeer entstehen müsse, erhielt die niederländisch-ostindische Handelsgesellschaft einen neuen Anstoß, den Weg über den Pol zu versuchen, durch ein merkwürdiges Werkchen eines deutschen Gelehrten Helisäus (Elisée) Röslin, Leibarzt des Grafen von Hanau, zu Buchsweiler im Elsaß, welcher in seinem „künstlichen, philosophischen Tractat: Mitternächtige Schiffarth“ nicht nur den Ansichten Plancius’ beipflichtete, sondern sich auch bemühte, mit astrologischen Gründen zu beweisen, daß Gott die Entdeckung des Nordpols wolle. Dieses Werkchen sandte Röslin 1610 an die holländischen Generalstaaten. Dadurch angeregt, beschloß die Admiralität von Amsterdam 1611 zwei Schiffe auszusenden unter Jan Cornelisz. May und Simon Willemsz. Cat, um[S. 533] über den Nordpol durch die Anianstraße nach China zu segeln. Sie versuchten zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja durchzubrechen, kamen aber des Eises wegen nicht über den 76° hinaus, und wandten sich daher nach der Ostseite von Amerika, dessen Küsten sie zwischen 47 und 42½° n. Br. befuhren. Im Februar des folgenden Jahres kehrte ein Schiff nach Amsterdam zurück. May machte in diesem Jahre noch einen Versuch, Nowaja Semlja zu umsegeln, aber er traf unter 77° wieder den unbezwinglichen Eiswall.[566] Es war also weder Engländern noch Holländern möglich, „um den Norden herum“ nach China zu kommen. Erst in den letzten Jahren 1878 und 1879 ist diese ruhmreiche That auf dem schwedischen Schiffe Vega unter der Führung des kühnen Polarforschers Nordenskiöld und des tüchtigen Capitäns Palander gelungen, und Asien auch im Norden umschifft worden.
Engländer und Holländer hatten sich nun schon über ein Menschenalter abgemüht, die starren Eismauern des Polarmeeres zu durchbrechen, ohne daß mehr als ein scheinbarer Erfolg in Bezug auf das erstrebte Endziel errungen wäre. Dagegen fanden sie theilweise Ersatz für den nicht unbedeutenden Kostenaufwand in der Jagd auf die großen Fischsäugethiere, Wale, Walrosse und Robben, welche namentlich bei Spitzbergen in großer Anzahl angetroffen wurden. Beide Nationen beanspruchten die alleinige Ausbeutung jener Jagdgründe und so entwickelte sich in den ersten Decennien des 17. Jahrhunderts ein lebhafter Kampf um Spitzbergen.
Die Engländer erschienen zuerst auf dem Plan und schickten ihre Schiffe seit 1597 bereits nach dem hohen Norden, aber sie verstanden noch nicht, die Walthiere zu erlegen. Die Basken mußten ihre Lehrmeister werden, baskische Harpuniere wurden in Dienst genommen und gingen auf englischen Schiffen nach Spitzbergen. Der biskaische Wal (Balaena Biscayensis) ist zwar ausgestorben; aber daß die Basken schon seit langen Jahren den Walfang betrieben hatten, läßt sich wohl daraus schließen, daß Städte wie Guipuzcoa, Fuentarrabia u. a. einen Walfisch im Wappen führten.
Häufiger wurden die Besuche der Engländer in der spitzbergischen See, seitdem 1608 Hudson auf den Reichthum an Walen in jenen Gewässern wieder aufmerksam gemacht. In den Jahren 1609 und 1610 erforschte Jonas Pool die ganze Westküste Spitzbergens. Im folgenden Jahre ertheilte König Jacob I. der moskowitischen Compagnie ein Privilegium, welches alle übrigen Seefahrer, einheimische sowohl als fremde von der Fischerei daselbst ausschloß. Trotzdem erschienen seit 1612 auch die Holländer an jener arktischen Inselgruppe, welche von ihren Landsleuten entdeckt war, um unter Anleitung baskischer Fangmänner (im Jahre 1613 hatten sie zwölf derselben angeworben) an der Walfischerei sich zu betheiligen. Neben ihnen fanden sich auch baskische und französische Schiffe ein. Aber die Engländer waren entschlossen, die fremden Eindringlinge nicht zu dulden. Die[S. 534] moskowitische Gesellschaft schickte 1613 sieben große Schiffe unter Capitän Benjamin Joseph und Baffin als Oberpilot nach Spitzbergen, welche rücksichtslos die fremden Fischer überfielen, ihnen den gemachten Fang wieder abnahmen oder sie verjagten, so daß nur ein holländisches Schiff mit seiner Beute entkam. Damit war der Krieg im Eismeere erklärt, welchen die Niederländer indes muthig aufnahmen. Die betheiligten Unternehmer vereinigten sich, um mit geschlossener Macht energischer auftreten zu können, 1614 zu einer Handelsgesellschaft unter dem Namen der „nordischen Compagnie“ und erhielten von den Generalstaaten das Handelsprivilegium für den ganzen Norden, von der Davisstraße bis nach Nowaja Semlja. So standen die moskowitische und die nordische Compagnie kampfbereit einander gegenüber. Die Holländer blieben zwar im ersten Jahre, 1614, unbehelligt, denn ihre stattliche Flotte von 14 großen Schiffen war durch drei von den Generalstaaten zum Schutz beigegebene Kriegsschiffe gedeckt, so daß die Engländer, welche mit 13 Schiffen und zwei Pinassen erschienen waren, nicht wieder zu Gewaltthätigkeiten zu schreiten wagten. Aber die Briten hatten in den nächsten Jahren doch wieder die Oberhand. Indes ließen sich die Mitglieder der nordischen Compagnie nicht völlig verjagen. Um nun den unsicheren Zuständen, welche den Handel beider Parteien schädigten, abzuhelfen, versuchten die Holländer ein friedliches Abkommen zu treffen, welches nach jahrelangen Verhandlungen erst unter Karl I. 1627 zustande kam, wonach man die Fischereibezirke unter den Rivalen theilte: die Engländer fischten seitdem im Südwesten, die Holländer im Nordwesten von Spitzbergen.
Ueberblicken wir das Gesammtresultat aller Unternehmungen, welche von den europäischen Seemächten ins Werk gesetzt wurden, um das gemeinsame Ziel, Indien und die Gewürzländer, auf verschiedenen Wegen zur See zu erreichen; so sehen wir nur die beiden romanischen Völker, die Portugiesen und Spanier, jene ums Cap der guten Hoffnung, diese durch die Magalhãesstraße ans Ziel gelangen. Es waren also nur der südöstliche und der südwestliche Weg nach Indien offen gefunden. Die Spanier hatten außerdem auf dem Westwege in den reichen Bergländern des tropischen Amerika ein neues Indien entdeckt. Als die beiden Nebenbuhler, nach Umschiffung der halben Welt, an den beiden Gewürzinseln auf einander stießen, geriethen sie um den Besitz derselben in einen lebhaft geführten Streit, welcher 1529 durch einen Vertrag geschlichtet wurde, nach welchem die Portugiesen einstweilen die Molukken und den Gewürzhandel behaupteten.
Geogr.-artist. Inst. v. Runge & Glöckner, Leipzig.
G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Facsimile der Molukken-Karte im Atlas des Diego Homen vom Jahre 1568. (Dresden, Königl. Bibliothek.)
Einen ganz andern Verlauf nahmen die Versuche der germanischen Seefahrer, der Engländer und Niederländer, im Nordwesten und Nordosten eine fahrbare Straße nach den asiatischen Tropenländern zu finden. Länger als ein halbes Jahrhundert setzten sie den Kampf mit dem Eise der Polarmeere fort, um schließlich, auf der Grenze zwischen den beiden hauptsächlich eingeschlagenen[S. 535] Bahnen, sich um den Besitz der Fischereien an den unwirthlichen Klippen von Spitzbergen zu befehden, bis auch hier, hundert Jahre nach dem Vertrage von Tordesillas, Friede geschlossen wurde. Welch ein Gegensatz! Dort unter den Romanen der Streit um die Gewürzinseln am Aequator, hier unter den Germanen der Kampf um die Eisfelder von Spitzbergen nahe am Pol. Aber die Gefahren im arktischen Meere, die stets erforderliche Wachsamkeit bei der Führung der gebrechlichen Fahrzeuge durch die Eislabyrinthe des hohen Nordens hatten die Kraft der germanischen Schiffer gestählt und ihr Selbstbewußtsein mächtig gehoben. Sie fühlten sich stark genug, um auch um den Besitz Indiens mit den Romanen zu ringen. Die Gründung der englischen und der holländischen ostindischen Handelsgesellschaften im Beginn des 17. Jahrhunderts eröffnete eine neue Aera des Kampfes um das alte vielumworbene Ziel Indien. Die Germanen blieben Sieger und theilten die Beute: England setzte sich in dem folgenden Zeitraum auf der Halbinsel von Vorderindien fest, die Niederländer gewannen die Sundawelt sammt den Molukken und haben bis heute diesen Besitz behauptet. —
Um ein Bild von der Kenntniß jenes merkwürdigen und wichtigen Inselgebietes zu geben, so weit es gegen das Ende der portugiesischen Herrschaft in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bereits erforscht war, geben wir zum Schluß eine getreue Copie der Karte eines ausgezeichneten portugiesischen Kosmographen Diego Homen vom Jahre 1568. Das Blatt ist einem auf Pergament gezeichneten Atlas entlehnt, welcher sich im Besitz der königlichen Bibliothek zu Dresden befindet und noch nicht veröffentlicht ist. Es zeigt uns die hohe Entwicklung und die Eigenthümlichkeit der kartographischen Kunst in der letzten Hälfte des Zeitalters der Entdeckungen.
FUSSNOTEN:
[1] Vgl. v. Richthofen, China. I, 443.
[2] Eine Ahnung davon verräth schon der merkwürdige Brief des Maximilian Transsilvanus über die Molukken und die Fahrt des Magalhaes, Oktob. 1522. Vgl. Fr. Wieser, Magalhaesstraße und Austral-Continent. Innsbruck 1881. S. 113.
[3] H. Kiepert, Lehrbuch der alten Geographie. Berlin 1878. S. 44.
[4] F. v. Richthofen, China. I, 469 ff.
[5] W. Heyd, Geschichte des Levantehandels im Mittelalter. Stuttgart 1879. I, 182.
[6] H. Kiepert, Lehrbuch der alten Geographie. S. 222.
[7] K. Müllenhoff, Deutsche Alterthumskunde. Berlin 1870. I, 73 ff.
[8] Ebd. I, 211 ff.
[9] Transscription und Uebersetzung zu dem Facsimile:
3. „Ohthere sæde his hlaforde, Ælfrede [cyninge], þæt he ealra Norðmanna norðmest bude. He cwæð þæt he bude on þæm lande norðeweardum wið ða west sǽ. He sæde ðeah þæt þæt land sy swyðe lang norð þanon; ac hit is eall weste, buton on feawum stowum, sticcemælum wiciað Finnas,—on huntaðe on wintra, and on sumera on fiscoðe be ðære sǽ: He sæde þæt he, æt sumum cyrre, wolde fandian hû lange þæt land norðrihte læge; oððe hwæþer ænig man be norðan þæm westene bude.“
Ohthere erzählte seinem Herrn, König Alfred, daß er nördlicher als alle Normannen wohnte. Er sagte, daß er wohnte in dem Lande im Norden an der Westsee. Er sagte ferner, daß das Land sich weit nach Norden erstrecke, aber es ist alles wüste, außer an wenigen Stellen, hie und da, wo Finnen sitzen, um im Winter zu jagen und im Sommer zu fischen in der See. Er sagte, daß er zu einer gewissen Zeit wissen wollte, wie weit das Land nordwärts läge, oder ob noch jemand nördlich von dem Wüstengebiet wohne.
[10] Jos. Bosworth, A description of Europe and the voyages of Ohthere and Wulfstan, written in anglo-saxon by King Alfred the great. London MDCCCLV. Vergl. auf Seite 15 die Probe des angelsächs. Originals.
[11] A. Letronne, Recherches geogr. et critiques sur le livre de Mensura Orbis Terrae par Dicuil. Paris 1814. Zweite Abtheilung. S. 38. 39.
[12] Adam, Hist. eccles. IV. cp. 39. Vgl. auch J. G. Kohl, die erste deutsche Entdeckungsreise zum Nordpol, in Bremisches Jahrbuch V, 174–191.
[13] H. Major, The voyages of Nic. & Antonio Zeno (Hakluyt Soc. 1873) p. LXV. gibt 1406 als letztes Jahr an.
[14] Vgl. die Kartenbeilage. Dieselben Länderumrisse erschienen schon auf Weltgemälden aus dem Ende des 15. Jahrhunderts und wurden von hier getreu in die genannte Ausgabe des Ptolemäus hinübergenommen.
[15] H. Major, Henry the Navigator, pp. 58. 59.
[16] Abweichend von allen andern Seekarten jener Zeit ist Südafrika hier dargestellt, aber leider nur ein Phantasiegemälde, wie die charakterlosen Contouren beweisen.
[17] The voyages of the Venetian brothers Nicolo & Antonio Zeno. Ausgabe der Hakluyt Soc. London 1873. Man vgl. auch den Aufsatz von Prof. Dr. Hermann Vogelsang: Die Insel Friesland und die Reisen der Gebrüder Zeno im Ausland. 1872. S. 1162 bis 1168.
[18] H. Major, l. c. Introd. p. 1. IX.
[19] Admiral Irminger, welcher im Journ. R. Geogr. Soc. 1879 p. 398 sq. zu beweisen sucht, daß Zenos Frislanda Island sei, gibt zur Bestätigung obiger Thatsachen die nachstehenden Beobachtungen von seinem zweimaligen Besuche Islands in den Jahren 1826 und 1834. Irminger schildert die ehemalige Wohnung des berühmten Historikers Snorre Sturleson in Reikholt (1178–1241), welcher neben seinem Hause sich ein großes Badebassin erbaut hatte, zu dem das heiße Wasser einer nahen Quelle geleitet war. Die Anlage war so dauerhaft gemacht, daß man noch nach 600 Jahren dieselben hätte benutzen können. Auch erwähnt Irminger noch andere Vorkehrungen in Reikjadal, welche darauf abzielten, heißes Quellwasser zum Kochen zu benutzen. Der alte Bericht Zenos findet durch diese Wahrnehmung seine Bestätigung.
[20] Ztschr. der Ges. f. Erdkunde. Berlin. Bd. IX, 279–314.
[21] Fr. Zarncke, der Priester Johannes, in d. Abhdl. d. kgl. sächs. Ges. d. Wiss. phil.-hist. Cl. VII, 852.
[22] Vgl. die beifolgende Karte.
[23] Pauthier, Le livre de Marco Polo. 2 vol. Paris 1865.
[24] H. Yule, The book of Ser Marco Polo. 2 vol. 2. edit. London 1875.
[25] Die New Welt der Landschaften vnnd Insvln etc. Straßburg 1534. Fol. 107.
[26] Der Uebersetzer hat also auch Formosa wieder verdeutscht, wie man zur selben Zeit auch den Namen Christoph Columbus in Christoffel Dawber übertrug und seinen Titel „admirante del mar“ mit „Wunderer des Meeres“ übersetzte.
[27] Die Abwesenheit der Vögel ist aber nur zeitweilig. Im Sommer sind vielmehr die Gewässer sehr belebt, wie es bereits um 644 p. C. der berühmte chinesische Reisende Hwen Thsang schildert.
[28] „Auch kann es die Speisen nicht so weich kochen,“ fügen andere Handschriften von Polo’s Reise hinzu.
[29] d. h. der ganze Uebergang über das Plateau.
[30] M. Polo erwähnt den See Lop (Lopnor) nicht. Auch heute noch heißt der ganze Landstrich Lopnor. Charakteristisch ist folgende Bemerkung Prschewalskys (Russ. Revue, XV, 568) Als wir in das erste am Tarim gelegene Dorf kamen, antwortete der Dorfälteste auf meine Frage: Ist es noch weit bis zum Lopnor? indem er mit dem Finger auf sich zeigte. „Ich bin Lop-Nor“.
[31] Noch jetzt nennen die Eleuten des Alaschangebirges der Stadt Ning-Nia Yargai, was an Polo’s Egrigaia erinnert. Damals war der District wegen des Anbaus von Safflor (carthamus tinctorius) berühmt.
[32] Ein türkischer Stamm.
[33] Bei Pauthier, le livre de Marco Polo. I, 220, Sugdatu, und unter dieser entstellten Form nicht identificirt.
[34] Folgende Sitte des dortigen Volks mongolischen Stammes, welche Polo erwähnt, mag hier verzeichnet werden: „Dis Volck yßt roh fleisch, das bereyten sie vor also. Sie zertreybens vor klein, darnach thund sie öll vnd gute specerey dran, vnd essens dann also.“ Also ein echtes Beefsteak à la tatare!
[35] H. Yule (II, 104) sucht Anin in dem Stamm des Volkes und in der Stadt Hon-hi oder Ngoming, jetzt Homi-tscheu. Andere Lesearten für dieses, den Geographen früherer Jahrhunderte unfindbare Länder sind Amu, Aniu, Ania, Anian. Aus Verlegenheit schoben die Kartographen diesen Namen nebst andern immer weiter nordwärts, bis in der Mitte des 16. Jahrhunderts ein Fretum Anian die postulirte Meerenge zwischen der alten und neuen Welt im Nordosten Asiens bildete.
[36] 60 = 1 Aequatorialgrad, 3–4 Li = 1 solche Meile.
[37] Von den Arabern des Mittelalters vielbesuchter Hafen, den sie Kan-pu oder Khan-fu nennen.
[38] Alle spätern Karten, welche auf Polo’s Angaben Bezug nehmen, haben das südchinesische Meer nach Kräften mit zahlreichen Inseln besäet.
[39] Das Cap Comorin hat seinen Namen von skr. kumari, d. h. Jungfrau, nämlich die Göttin Durga. Schon der Periplus des erythräischen Meeres und nach ihm Ptolomäus nennt das Κομαρια ακρον.
[40] Vgl. H. Yule, Marco Polo. I, 103. Introd.
[41] Hist. des Sc. Math. II, 150.
[43] Auch in Zayton entstanden christliche Kirchen. Dort waren um 1326 als Bischöfe die Franziskaner Gerardus, Peregrinus und Andreas. Zu derselben Zeit trieben dort Genuesen Handel. W. Heyd, Gesch. d. Levantehandels. II, 221.
[44] H. Yule, Cathay. I, 172.
[45] H. Yule, Cathay. I, 75.
[46] Lamori, bei Polo Lambri, ebenso bei malaiischen Schriftstellern, bei den Arabern Al-Rami, Ramin, Ramni, lag wahrscheinlich im nordwestlichen Theile der Insel Sumatra, zwischen Daya und Atschin. H. Yule, Cathay. I, 84.
[47] Auf der catalan. Karte Cincalan, bei Marignolli Cynkalan, d. h. Großtschin oder Großchina.
[48] 60 Meilen auf einen Aequatorialgrad gerechnet.
[49] v. Richthofen, China. I, 617.
[50] H. Yule, Cathay. I, 231–237.
[51] Bei Ptolomäus Zaba und Zabae, möglicherweise Sanf oder Tschampa an der Ostküste Hinterindiens. H. Yule, M. Polo. II, 250.
[52] W. Heyd, Geschichte des Levantehandels im Mittelalter. Stuttgart 1879. II, 149.
[53] H. Yule, Cathay. I, 311–394.
[54] Nach Richthofen, China I, 614, ist der Tan-ho, ein Zufluß des Han gemeint, aber nicht, wie Yule noch annahm, der große Canal.
[55] Frdr. Kunstmann, die Kenntniß Indiens im 15. Jahrhundert. München 1863. 13. 14. 39.
[56] Nach dem Glauben jener Zeit war Babylon und Bagdad identisch; auch auf der catalanischen Karte lesen wir: Ciudad de Baldach, aci fu Babilonia la gran.
[57] Vielleicht das in Aman liegende Calhat.
[58] W. Heyd, Gesch. d. Levantehandels. II, 360.
[59] W. Heyd, der Reisende Niccolo de’ Conti. Ausland 1881, Nr. 25. H. Yule, M. Polo. II, 375.
[60] H. Yule, M. Polo. II, 360.
[61] Der malayische Archipel, deutsch von A. B. Meyer. Braunschweig 1869. I, 104–107.
[62] A. R. Wallace, der malayische Archipel. II, 360.
[63] Conti ist der erste und einzige mittelalterliche Reisende, der auf der Rückkehr von Indien her seinen Weg durchs rothe Meer statt durch den persischen Golf nahm.
[64] Fr. v. Löher, Canarische Reisetage, in der Allg. Zeitung 1876. Nr. 57 u. f.
[65] R. H. Major, The life of Prince Henry of Portugal. London 1868. p. 314.
[66] Möglicherweise war der arabische Seefahrer Ibn Fatima einmal bis zum Cap Branco verschlagen, welches er als „glänzendes Vorgebirge“ bezeichnet. (O. Peschel, Gesch. d. Erdkunde. 2. Aufl. S. 130). Auch hatte Bethencourt 1405 die Küste von Bojador (port de Bugeder), südlich neben dem Vorgebirge gelegen, erreicht. R. H. Major, The conquest and conversion of the Canarians by J. de Bethencourt (Hakluyt Soc. 1872) p. 180.
[67] Zur Erklärung dieses Horoskops diene folgendes: Die Astrologen bezeichneten mit dem Ausdruck „Haus“ ein sphärisches Zweieck (Winkel) am Himmelsgewölbe, im Thierkreise. Die zwölf Zeichen des Thierkreises waren aber als „Häuser“ derart an die sieben Planeten vertheilt, daß jeder Wandelstern zwei Häuser hatte, außer Sonne und Mond, denen nur eins zugewiesen war.
Danach herrschte also die Sonne im Hause des Löwen, der Mond im Krebs, Merkur in den Zwillingen und in der Jungfrau, Venus im Stier und in der Wage, Mars im Widder und im Scorpion, Jupiter in den Fischen und im Schützen, und endlich Saturn im Wassermann und im Steinbock.
Die Exaltation war anders vertheilt, und zwar:
Das Speculum astrologicum oder die Stellung der Gestirne war demnach bei der Geburt des Prinzen:
Der Mars stand im Wassermann, der Wassermann ist das Haus des Saturn (siehe Figur 1) und ist das eilfte Haus, im zwölften steht die Sonne in Exaltation (vgl. Figur 2 erste Zeile). Das sind die Elemente dieses einfachen Horoskops, auf das man so großes Gewicht legte.
[68] In der That ist es nur eine flache Sandzunge, welche ins Meer vortritt und von einem Riffe umgürtet ist, welches kaum eine deutsche Meile lang ist. Nur ungeschickte Küstenfahrer konnten davon zurückgeschreckt werden.
[69] Studien über das Klima der Mittelmeerländer. Gotha 1879. S. 25 im Ergänzungsheft Nr. 58 der „Mittheilungen“.
[70] Fr. Kunstmann, Die Handelsverbindungen der Portugiesen mit Timbuktu im XV. Jahrh. d. Abh. d. III. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. VI., I. Abthl. 178.
[71] e la costa è tutta terra bassa, copiosa di bellissimi e grandissimi arbori verde.
[72] tutta bagnata di molte riviere e fiumi piccoli.
[73] Ein Italiener war sogar bis Timbuktu vorgedrungen (Peschel, Geschichte der Erdkunde. 2. Auflage. 190).
[74] Peschel, Zeitalter der Entdeckungen. 2. Auflage. S. 55.
[75] H. Major, Prince Henry. 277 et seq.
[76] Margarita phil. Basil. 1508. Lib. VII. Cap. XLII.
[77] Der von Regiomontan erfundene Jakobsstab oder Kreuzstab bestand aus einem längeren graduirten Ellenstabe mit verschiebbarem kürzerem Querholz. Das Ende des Ellenstabes brachte man beim Visiren möglichst nahe vors Auge und schob dann das Querholz so weit, bis das eine, untere Ende den Horizont, das obere den Stern, dessen Höhe man messen wollte, berührte. In ähnlicher Weise konnte man auch den Abstand eines Sternes vom Monde messen. Wollte man Sonnenhöhen messen, so brachte man farbige Gläser an dem Querholze an, um das Auge zu schützen. Dieses Instrument bürgerte sich bald bei allen seefahrenden Nationen ein und hieß bei den Portugiesen balestilha, bei den Spaniern baculo de Santiago (Jakobsstab), bei den Engländern cross-staff, bei den Holländern graedboog. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts war er noch allgemein in Gebrauch.
[78] Auf unseren Karten gewöhnlich C. Montserrado.
[79] In der neuesten Zeit hat die portugiesische Regierung die Pfeiler wieder aufsuchen und ihre Stätte fixiren lassen.
[80] Die Karten Juans de la Cosa (1500) und S. Cabots (ca. 1525) verlegen die Manga das Areas, den äußersten Punkt der Fahrt, nördl. v. C. Negro.
[81] Die Astrolabien dienten bereits bei den Griechen des Alterthums und bei den Arabern des Mittelalters zur Messung der Sternhöhen, d. h. des Winkels vom Horizont bis zur momentanen Stellung des Gestirnes (der Sonne, des Mondes). Einer unter den arabischen Astronomen, Ali ben Isa (um 833), erhielt sogar den Beinamen al astralabi, der Astrolabienmacher, weil seine Instrumente besonders geschätzt und über das ganze mohammedan. Reich verbreitet waren. Die europäischen Gelehrten entlehnten bereits seit dem 11. Jahrhundert das Instrument von den Arabern. Dasselbe bestand in seiner einfachen Form aus einem großen Kreisbogen von Holz, in dessen Mitte um einen Zapfen sich ein Winkelzeiger (arab. Alidad) drehte, welcher an beiden Enden mit feinen Visirlöchern versehen war. Wenn das Instrument aufgehängt war, zeigte der eine Durchmesser des Kreises die horizontale Linie an, während der andere Durchmesser die verticale Richtung erhielt. Da der Holzkreis in Grade abgetheilt war, ließ sich durch die genaue Richtung des Alidad auf den Stern der Höhenwinkel auf dem graduirten Kreise ablesen. Regiomontan ließ in seiner Werkstatt in Nürnberg diese Instrumente verbessern und aus Metall herstellen und wahrscheinlich machte Martin Behaim die Portugiesen mit denselben bekannt. Gewiß ist, daß alle großen Seefahrer: Columbus, Gama, Magalhães sich der von den Deutschen verbesserten Instrumente bedienten.
[82] Gaspar Correa, Lendas da India. I, 5 (Lisboa 1858) nennt ihn Gonçalo de Pavia und bezeichnet ihn als eingeborenen Canarier.
[83] geboren um 1469 in Sines.
[84] Henry E. J. Stanley, The three voyages of Vasco da Gama and his Viceroyalty. From the Lendas da India of Gaspar Correa. London (Hakluyt Soc. MDCCCLXIX. p. VI.) Bei der folgenden Darstellung ist dieses Werk vielfach benutzt.
[85] Osorio gibt an, die Helenabai und der Jacobusfluß seien nach dem Heiligentag benannt, St. Helena fällt auf den 18. August, Jacobus noch früher. Wenn nach Barros die ganze Fahrt bis dahin etwa 5 Monate gedauert, dann fällt die Ausfahrt auf die von Correa angegebene Zeit, in den März. Die Landung im August stimmt auch mit den Angaben der Winterzeit und den kurzen, dunklen Tagen. Die Dublirung des Caps müßte danach vor dem 20. Nov. (Castanheda) oder 22. Nov. (Barros) fallen.
[86] Barros gibt irrthümlich den 7. April an, vgl. H. E. J. Stanley, Vasco da Gama. p. 111. Note 1.
[87] Diese Darstellung nach Correa scheint der Wahrheit mehr zu entsprechen als die Angabe Barros, der Mann sei ein Araber aus Tunis gewesen, der in Oran mit den Portugiesen verkehrt habe. Denn es klingt nicht wahrscheinlich, daß ein geborner Mohammedaner sollte seine Glaubensgenossen verrathen und, wie von allen Seiten berichtet wird, später den christlichen Glauben angenommen haben.
[88] Namentlich stehen sich Barros und Correa gegenüber. Wenn man jedoch die (von Correa vor die Audienz verlegte) Gefangennahme Gama’s als eine Folge der offenen Aussprache des Capitäns in Gegenwart des Samorin auffaßt, und sie nach der Audienz als eine eigenmächtige Maßnahme der mohammedanischen Partei annimmt, lassen sich die Berichte bis auf einen gewissen Punkt vereinigen.
[89] Barros läßt die Fahrt vor Eintreten des Monsuns beginnen, in Folge dessen die Schiffe, durch Windstille und Gegenwinde aufgehalten, viel Mannschaft verloren, da bei der langen Dauer der Fahrt Mangel an Wasser und frischen Lebensmitteln eintrat. Allein es ist wahrscheinlicher, daß Gama, da er einmal von Kalikut vor der Monsun-Zeit aufbrechen mußte, nordwärts segelnd, den günstigen Fahrwind bei den Andjediven abwartete, als daß er gegen den Rath der Piloten sich zu früh über den Ocean gewagt.
[90] Correa’s Bericht erscheint auch hier in sich correct. Wie er die Flotte erst nach dem Auftreten des Monsun von der indischen Küste Abschied nehmen und mit günstiger Fahrt rasch nach Afrika gelangen läßt, ungehemmt durch Gegenwinde und Windstille, deren drückende Schwüle nach den Angaben der anderen Historiker die Ursache der zahlreichen Todesfälle unter dem Schiffsvolk gewesen sein soll, so daß in Folge dessen die Mannschaft zur Bedienung dreier Schiffe nicht mehr ausreichte, so weiß er auch nichts von dem nothwendig gewordenen Aufgeben des dritten Schiffes. Und dabei beruft er sich grade hier, wo er die Rückfahrt schildert, auf die authentischen Berichte des Geistlichen João Figueira, welcher als Augenzeuge seine Erlebnisse niederschrieb.
[91] Als Tag der Ankunft nennen Barros und Goes den 29. September, Correa den 18. September. Den Monat September gibt, ohne Tagesangabe, auch Castanheda an.
[92] Cruzado = 2,75 Mark.
[93] Der Quintal Pfeffer galt damals in Lissabon 80 Cruzados, Zimmt 180, Näglein 200, Ingwer 120, Muskatnuß 100, Mazis 300 Cruzados.
[94] P. A. Thiele, De vestiging der Portugeezen in Indië, (zie de Gids 1873. no. 8) Bl. 15. Anm. 1. führt das Auftauchen des Namens Brasilien bis ins Jahr 1504 zurück.
[95] G. Correa, Lendas I, 152 nennt den Capitän André Gonsalvez, der in der Liste des Barros unter den Führern der dreizehn Schiffe nicht mit aufgeführt ist. Werthvoll ist aber die Angabe Correa’s, weil er hinzufügt, derselbe Gonsalvez sei von König Manuel sofort mit einer zweiten Fahrt nach Brasilien beauftragt. Dies würde die Expedition sein, an welcher Vespucci theilnahm, und von der man bisher den Namen des Capitäns nicht kannte.
[96] F. Kunstmann, die Fahrt der ersten Deutschen nach dem portugiesischen Indien. München 1861. S. 2.
[97] B. Greiff, Tagebuch des Lucas Rem aus den Jahren 1494–1541. Augsburg 1861, mitgetheilt im 26. Jahresberichte des Histor. Kreisvereins im Regierungsbezirk von Schwaben und Neuburg.
[98] Kunstmann, a. a. O. S. 6.
[99] Ebenda. S. 8.
[100] Es war das Schiff des Sancho de Toar, von der Flotte Cabrals, welches 1501 hier gescheitert war.
[101] Tagebuch S. 8.
[102] The travels of Ludovico di Varthema, translated from the original edition of 1510 and edited by G. P. Badger (London, Hakluyt Soc. 1863). Eine deutsche Uebersetzung findet sich bereits in: „Die New Welt der Landschaften vnnd Insvln, etc.“, Straßburg 1534, Fol. 58 u. f. Eine lateinische Uebersetzung gab vorher Grynäus in seinem „Novus orbis regionum ac insularum“, Basil. 1532, fol. 189 u. f.
[103] Diese und die Abbildung auf nächster Seite ist entnommen (Facsimile in ⅓ der Breite des Originals) aus: Linschoten, Itinerarium ofte Schipvaert naer Oostofte Portugaels Indiën. Amsterdam 1614.
[104] N. de Gray Birch, The Commentaries of the great Afonso d’Alboquerque. London, (Hakluyt Soc.) 1875. Vol. I. 225.
[105] Vollständig wiedergegeben in den Commentaries of the great A. d’Alboquerque. I, 227. 228.
[106] Dec. II. liv. III. cap. 9.
[107] Dec. II, 4. 3. que usam vestir panno et outras cousas a nosso modo.
[108] Ajuthia liegt nördlich von Bangkok am Menam. Sie war damals nicht blos die prächtige Residenz der Könige, sondern auch eine belebte Handelsstadt, in deren Hafen sich Schiffe aller ost-asiatischen Nationen, selbst der Japaner einfanden. Sie wurde 1555 zuerst vom Könige von Pegu zerstört und nach ihrem Wiederaufbau zum zweitenmale vom Könige von Birma 1767 vernichtet, so daß nur jene Ruinen übrig blieben, „die in einer Wildniß wuchernden Gestrüppes noch jetzt von der einst berühmten und glänzenden Residenz zeugen und in ihren gebrochenen Pagoden, von dichtem Epheu umflort, über die verwaiste Stadt zu klagen scheinen, die später wieder neben ihnen aufgebaut wurde, aber ihren Herrschersitz verlor“. A. Bastian, die Geschichte der Indochinesen. Leipzig 1866. S. 369. 371. 382.
[109] Osorio, de rebus Emmanuelis. Colon. 1586 p. 264b. Elephantus accessit et ter genibus flexis et demisso corporis habitu venerabundus illum salutavit, quod non mediocrem admirationem spectantibus incussit.
[110] Dagegen rühmt Osorio das milde Klima und die herrliche Gegend. Coeli temperies et regionis amoenitas. A. a. O. S. 191.
[111] Die Commentarien Albuquerques. Hakluyt Soc. 1875. III. 259. 264.
[112] Osorio, de rebus Emmanuelis. Colon. 1586. S. 205b.
[113] de Barros, Asia. Dec. II. 7. 6.
[114] de Barros, Asia. Dec. II. 7. 7. Como El Rey D. Manuel per muitas vezes lhe tinha escrito que trabalhasse por entrar no mar Roxo, e que pelas cartas da quelle anno lhe mandava estreitamente que o fizesse, se o já não tinha feito.
[115] Beschreibung von Arabien. Kopenhagen 1772. S. 230.
[116] Osorio a. a. O. S. 285b.
[117] Der Geheimsecretär Pereira hatte vor allem verlangt, Goa wieder aufzugeben und war deshalb mit Albuquerque zerfallen. Nach Portugal zurückgeschickt, hatte er auch dort fortwährend die falsche Ansicht verbreitet, Albuquerque gebe die Herrschaft auf der See auf, um die Portugiesen hinter ungesunden Mauern sterben zu lassen. Osorio, S. 252.
[118] Pois estou mal ante elle (El Rey) por amor dos homens, e mal com os homens por amor d’elle. G. Correa, Lendas II, 458.
[119] Es war ein natürlicher Sohn, Albuquerque war nie vermählt. Manuel befahl später, daß er den Vornamen seines Vaters, Alfons, annehmen solle. G. Correa, Lendas II, 461.
[120] Lendas II, 460.
[121] Commentarien III, 137. Aehnlich auch de Barros.
[122] De rebus Emmanuelis p. 306b.
[123] Barros, Asia. Dec. III, lib. 3. cap. 1. Parece que toda a fortuna delle Lopo Soares estava em ir, e vir com sua frota, e boa carga de especiaria.
[124] Der Grund, weshalb Nuno nicht mehr Hilfe gesendet, lag darin, daß bereits im September Garcia de Noronha als sein Nachfolger im Amte eingetroffen war. Dieser aber brauchte zu viel Zeit für seine Vorbereitungen, so daß dieselben schließlich überflüssig wurden.
[125] P. A. Tiele, Nuno da Cunha in het Oosten (overgedrukt uit „de Gids“ 1879, No. 8) S. 48.
[126] A. R. Wallace, der malayische Archipel, deutsch von A. B. Meyer. I, 2. Braunschweig 1869.
[127] A. R. Wallace, a. a. O. II, 1 u. 2.
[128] Wallace, a. a. O. II, 4 u. 24.
[129] Navarrete, Coleccion de los viajes y descubr. tom V. p. 435. Madrid 1837.
[130] Barros, Asia. Dec. III., lv. V. p. 6.
[131] A. R. Wallace a. a. O. I, 408 ff.
[132] Navarrete, l. c. V, 435. 437. 438.
[133] Wallace a. a. O. I, 417 ff.
[134] H. Kiepert, Lehrbuch der alten Geographie. S. 42.
[135] Plinius, hist. nat. VI. Extra ostium Indi Chryse et Argyre fertiles metallis, ut credo. Nam quod aliqui tradidere, aureum argenteumque iis solum esse, haud facile crediderim. — Pomp. Mela, de situ orbis VII, 7. Ad Tamum (ein unbestimmbares Vorgebirge) insula est Chryse, ad Gangen Argyre, altera aurei soli (ita veteres tradidere), altera argentei; atque ut maxime videtur aut ex re nomen, aut ex vocabulo fabula est. — Solinus, ed. Mommsen, p. 266, 11. Extra Indi ostium sunt insulae duae Chryse et Argyre adeo fecundae copia metallorum, ut plerique eas aurea sola habere prodiderint et argentea. — Isidor, Etymolog. XIV, cap. 3. Chryse et Argyre auro et argento fecundae. Hi sunt et montes aurei, quas adire propter dracones et gryphos et immensorum hominum monstra impossibile est. — Ravennatis Cosmogr. ed. Pinder et Parthey p. 419. 420. In Oceano vero Indio sunt diversae insulae: Argire... Item est insula in eandem partem in eodem Oceano, quae dicitur Chrisi, id est aurosa. — Hrabanus Maurus, De Universo XII, 5. Crysae et Argyrae insulae in Indico oceano dictae. — Hugo von St. Victor, Excerpt. prior. III, cap. 7. Argyria, Chrysa. — Petrus de Alliaco, Imago mundi, cap. XV. Crisa et Argire auro et argento fecundae.
[136] J. V. Zingerle, Eine Geographie aus dem 13. Jahrh. Wien 1865.
[137] Barros, Dec. III. C. 3. 3. cento et tantas leguas.
[138] G. Correa, Lendas III, 240.
[139] G. Correa, Lendas IV, 306.
[140] Dritte Auflage. 1571.
[141] K. v. Weber, Anna Kurfürstin von Sachsen. Leipzig 1861. S. 332.
[142] Informação da aurea Chersoneso ou Peninsula e las ilhas Auriferas etc.
[143] P. A. Tiele, de voorgewende ontdekking von Australie (Nieuw Holland) door de Portugeezen in 1601, overgedruckt uit de Nederlandsche Spectator 1875. — E. T. Hamy, Le descobridor Godinho de Eredia, im Bulletin soc. geogr. Paris. Juin 1878. p. 311–442.
[144] P. A. Leupe, Reize von Maarten Gerritss. Vries in 1643. Amsterdam 1858. Einleitung. S. 1–5. 24. 27.
[145] Barros, Asia, Dec. III. liv. I, 8.
[146] Diese Insel, welche bei den Portugiesen Tamao oder Sancian genannt wird, heißt chinesisch San-tschuën, auf den europäischen Seekarten St. John und liegt südwestlich von der Mündung des Si-kiang, in dessen Gebiet die bekannte Handelsstadt Kanton gelegen ist.
[147] Barros, Asia, Dec. III, liv. 2. 8.
[148] Barros, Asia, Dec. III, liv. 6. 1.
[149] Peregrinaçam de Fernam Mendez Pinto. Lissabon 1614.
[150] v. Richthofen, China. I, 647.
[151] Theobald Fischer, Ueber italienische Seekarten und Kartographen des Mittelalters, in Zeitschr. d. Gs. f. Erdk. zu Berlin. Bd. XVII. S. 5 u. folg.
[152] Ueber das Geburtsjahr des Entdeckers von Amerika, im „Ausland“ 1866. S. 1177–81.
[153] M. F. de Navarrete, Coleccion de los viajes y descubrimientos. tom. I. p. 311.
[154] Navarrete I, 285.
[155] Navarrete I, 101.
[156] Daß hier eine litterarische Fälschung vorliegt, wird jetzt allgemein angenommen.
[157] Année veritable de la naissance de Christophe Columbe, im Bull. de la Soc. d. Geogr. Paris 1872. Juillet.
[158] Navarrete, welcher der Ansicht war, Columbus sei 1436 geboren, substituirte die Zahl 48. Colleccion de los viajes y déscabr. I, LXXX.
[159] Harrisse, D. Fernando Colon, historiador de sa padre. Sevilla 1871. Schumacher, Peter Martyr S. 94.
[160] d’Avezac l. c. p. 32. Möglicher Weise beruht auch die Angabe Pavia auf einem Druckfehler der „Vida“, wie solche mehrfach vorkommen, und man müßte statt dessen lesen patria, wonach Col. seine Studien in seiner Vaterstadt gemacht.
[161] Kolno, ein kleiner Marktflecken im nördl. Polen, in Masovien, nahe der preußischen Grenze, südlich von Johannisburg. In latinisirter Form wird der Entdecker Johannes Scolnus (i. e. zKolna, von Kolno) genannt.
[162] J. Lelewel, Géographie du moyen age. Tom. III. et IV. No. IV. p. 106.
[163] Th. Fischer, Ueber italienische Seekarten und Kartographen des Mittelalters. S. 42.
[164] Humboldt, Kritische Untersuchungen. I, 415. Th. Fischer (a. a. O. S. 34) vermuthet B. Beccario als Verfasser.
[165] Th. Fischer S. 34.
[166] Doch irrt Humboldt (krit. Untersuchungen I, 82) wenn er meint, d’Ailly kenne den Namen Catthay nicht. Derselbe findet sich neben andern modernen Ländernamen Asiens in der Imago Mundi Cap. XXIIII.
[167] d’Ailly nahm die folgende Zusammenstellung fast wörtlich aus Roger Bacon, opus majus p. 183.
[168] d’Avezac, Année veritable de la naissance de Christophe Colombe. p. 50.
[169] Navarrete l. c. p. lxxix. Hierbei mag erwähnt werden, daß vielleicht auch Leonardo da Vinci schon vor Toscanelli mit Columbus in Verbindung getreten und zu dem Plane, Indien im Westen zu suchen, angeregt hat. Leonardo da Vinci, ebensowohl ausgezeichnet als Physiker, Ingenieur, Architekt und Musiker, wie als Maler, soll 1473 einen Brief an Columbus gerichtet haben, worin er sich über die Wahrscheinlichkeit ausspricht, Orient-Indien auf dem intendirten Wege zu erreichen. (Dr. H. Grothe, Leonardo da Vinci. Berlin 1874. S. 20.) Daß wir von Leonardo auch eine sehr interessante Erdkarte aus den Jahren 1514–16 besitzen, wird später besprochen werden.
[170] Toscanelli starb im Mai 1482.
[171] Bibliotheca Americana vetustissima, Additions. Paris 1872. Introduction p. XVI-XVIII.
[174] Kritische Untersuchungen I, 205 ff.
[175] Zeitalter der Entdeckungen. 2. Aufl. S. 101 ff. Peschel rechnete folgendermaßen. Da 60 oder 62½ Milliarien 1 Aequatorialgrad betragen, so nahm Toscanelli für die Breite von Lissabon rund 50 Millien an. Folglich ist ein Spatium von 250 Millien = 5 Meridiangrade. Allein diese Rechnung ist zu unsicher. Denn nehmen wir die Lage Lissabon, nach den alfonsinischen Tafeln von 1483 zu 41° n. Br. an, so beträgt der Abstand von einem Meridian zum andern 45⅓ resp. 48⅓ Millien, je nachdem man 60 oder 62½ Millien einsetzt. Ein Spatium von 5 Graden würde demnach entweder 226⅔ oder 241⅔ Millien ausmachen. Da aber Toscanelli keinesweges behauptet, daß unter der Breite von Lissabon ein Spatium = 250 Mill. sei, sondern nur sagt, daß das Kartenblatt von Lissabon bis Quinsey in 26 Spatien eingetheilt sei, davon jedes auf 250 Mill. zu berechnen sei, so kann er ebensogut den Aequatorialwerth des Spatiums eingesetzt haben, ohne sich auf eine genaue Berechnung der Werthe für bestimmte geographische Breiten einzulassen. Nun begegnen wir um die Wende des 15. und im Anfange des 16. Jahrhunderts noch mehrfachen Schwankungen in den Angaben des Erdumfanges. Man hielt zwar an der Autorität des Ptolemäus fest, welche 180,000 Stadien für die Länge des Aequators angibt; allein die Bestimmung der Länge des Stadiums wurde verschieden versucht, bald nahm man 8, bald 8⅓ Stadien für eine römische oder italienische Millie. Neben der verbreiteten Angabe von 21,600 ital. Milliarien für die Länge des Aequators finden wir mehrfach auch die etwas größere Ziffer 22,500 röm. Mill. (G. Reisch, Margarita, lib. VII, tract. I. cp. 44 und P. de Mexia, Silva de varia leccion, pars III. cp. XVIII, p. 118. verso). Nach dieser Annahme ist ein Spatium von 250 Mill. genau 4 Grad. Nach der Ansicht Toscanelli’s betrug also der Abstand von Europa nach Asien 26 Spatien zu 4 Grad, d. h. 104 Grad. Es ist, fügt er in seinem Briefe hinzu, ungefähr ein Drittel des Erdumfangs, und gleichsam um dieses Maß noch etwas abzumindern, setzt er zum Schluß die Bemerkung, daß der Weg durch das unbekannte Meer nicht gar zu groß sei, so daß man daraus abnehmen darf, daß er den Weg eher geringer als ⅓ des Umfangs der Erde schätzt. Wenn Toscanelli ferner angibt, daß der Abstand von Antilia nach Zipangu 10 Spatien betrage, also nach unserer Rechnung 40 Grade, so stimmt das mit dem Globus Behaims sehr gut überein. Wie überhaupt die ganze Darstellung Ostasiens und der davor gelagerten Inseln auf dem Globus gewiß den Anschauungen Toscanelli’s entlehnt ist, denn Behaim konnte bei seiner einflußreichen Stellung in Portugal sicher Gelegenheit gefunden haben, die Karte Toscanelli’s und sein Project genau zu prüfen, und adoptirte dessen Darstellung. Auch noch eine andere Karte, welche sich in der römischen Ausgabe des Ptolemäus von 1508 befindet und von Ruysch entworfen ist, zeigt die nämliche Configuration Ostasiens und der Inseln, so daß beide Darstellungen unzweifelhaft auf Toscanelli zurückzuführen sind. Daß man auf der Behaim’schen Karte die Route des Columbus und dessen Ideen über die Localitäten, zu denen er gekommen zu sein meinte, recht gut verfolgen kann, werden wir später zeigen.
[176] Dec. I. liv. III. cp. XI. Anders und weitaus günstiger stellt Muñoz (Geschichte der neuen Welt, II, 19) die Auffassung des Königs dar. Er habe, gegenüber dem abfälligen Bescheid der Commission, die Gründe des Columbus leidenschaftslos gewürdigt und würde einen Vertrag mit demselben abgeschlossen haben, wenn dieser nicht so übermäßig hohe, in Portugal ganz unerhörte Forderungen, ähnlich wie später in Spanien, gestellt hätte. Und nur hieran sei die Ausführung gescheitert. Man muß in der That die Kühnheit und Festigkeit des Genuesen bewundern, der obwohl arm und mittellos, doch nur um den höchsten Preis sich zu der Ausführung eines Unternehmens erbot, von dessen Gelingen er in innerster Seele überzeugt war. Der König Johann von Portugal war nach den bisher bei den Entdeckungsfahrten befolgten Grundsätzen nicht in der Lage, vollends einem Fremdlinge gegenüber, solche Forderungen zu befriedigen, und mußte die Verhandlung abbrechen, so daß dem Urheber des Planes jede Aussicht auf Erfolg benommen wurde. Daß der König Johann von Columbus eine günstige Meinung behielt, scheint daraus hervorzugehen, daß er denselben in einem Briefe vom 20. März 1488 noch mit der Bezeichnung: noso especial amigo beehrte. Navarrete II, No. III. Carta del Rey de Portugal à Cristóbal Colon.
[177] Paesi novamente ritrovate. Vicenza 1507.
[178] R. H. Major, Select. Lettres of Columbus. Introd. p. lxxxix, vermuthet, daß der Kopf des Christopherus auf der Karte Juan de la Cosas von 1500 ein Porträt des Columbus sei (siehe die Kartenbeilage).
[179] Vnbekanthe landte vnd ein Newe weldt in kurtz verganger zeythe erfunden. o. O. u. J.
[180] Navarrete II, No. XIV. Carta del Duque de Medinaceli al Gran Cardenal de España.
[181] Navarrete II, No. II. Relacion de varias cantidades de maravedis, dadas de orden de los Señores Reyes à Cristóbal Colon.
[182] Navarrete II, 289. 2. edit.
[183] Ebenda I, 391.
[184] Col. meint Jes. 24, 16. Von den Enden der Erde hören wir Gesänge. (Col. deutet die Enden der Erde auf Spanien.) Ferner Jes. 60, 9 u. 65, 17. Ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde (die neue Welt). Auf diese Stelle kommt Columbus in seinem Briefe an die Donna Juana de la Torre (Navarrete II, 413) mit den Worten zurück: Gott machte mich zum Gesandten eines neuen Himmels und einer neuen Erde. Und daß er es mit seiner Glaubenssendung ernst meint, spricht er in einem Brief von seiner dritten Reise aus. „In allen Ländern, welche ich besucht habe, ließ ich ein hohes Kreuz aufrichten. Ich erzähle den Einwohnern, was ich kann, von unserm heiligen Glauben und von dem Glauben an unsere heilige Mutter, die Kirche, welche ihre Glieder in aller Welt hat.“
[185] Harrisse, Bibl. Americana vetust. Introduction p. xlvi.
[186] Es wird dereinst die Zeit kommen, wo der Ocean seine Fesseln sprengt, und der Erdkreis weit und breit sich aufthut, und das Meer neue Länder entschleiert, und Thule nicht mehr das äußerste Land sein wird.
[187] Krit. Untersuchungen I, 91.
[188] G. de Lavigne, Itineraire de l’Espagne. Paris 1866. S. 694.
[189] Navarrete III, 578.
[190] Ebenda III, 540.
[191] Diese spanische Form seines Namens hat Columbus von nun stets beibehalten.
[192] Navarrete I, 160. 2. edit.
[193] Humboldt, Krit. Untersuchungen II, 20.
[194] O. Kuntze in Engler, botan. Jahrbücher. 1880. S. 191–239.
[195] P. Martyr, de rebus Oceanicis. Dec. I. lib. I. Colon. 1574. p. 3.
[196] Navarrete I, 299. Los cuales todos á una voz estaban determinados de se volver y alzarse contra el haciendo protestaciones.
[197] Schon am 1. Oct. schätzte Columbus die Entfernung von Ferro auf 707 Meilen, während er in dem öffentlichen Schiffstagebuch nur 584 Seemeilen angab. Uebrigens weichen die Berechnungen der Piloten auf den drei Schiffen bedeutend von einander ab. Auf der Niña zählte man 650, auf der Pinta 634 Meilen, während der Pilot des Hauptschiffes 578 Meilen angab.
[198] Gua est apud eos articulus. P. Martyr, Dec. III. lib. 7. p. 285.
[199] A. Breusing, Zur Geschichte der Kartographie, in J. J. Kettlers Zeitschr. f. wiss. Geogr. II, 193.
[200] A. B. Becher, The Landfall of Columbus. Introduction p. XII. London 1856.
[201] De rebus oceanicis. Dec. III. lib. 9. p. 308. De insulis autem, quae Hispaniolae latus septentrionale custodiunt, mentionem praetereo, quia licet piscationibus et culturis aptae sint, relictae tamen sunt a nostris tanquam pauperes.
[202] Navarrete, vol. II. 2. ed. p. 460.
[203] R. Pietschmann, Beiträge zur Guanahani-Frage, in Zeitschr. für wissenschaftliche Geographie. Band I. S. 7 u. 8.
[204] Wash. Irving, History of the life and voyages of Christopher Columbus. tom. 4. No. XVI.
[205] Kritische Untersuchungen II, 130.
[206] J. B. Muñoz, Gesch. der neuen Welt. Weimar 1795. S. 139.
[207] A. B. Becher, The Landfall of Columbus. p. 103.
[208] F. A. v. Varnhagen, La verdadera Guanahani. St. Jago de Chile. 1864. — Ders. Das wahre Guanahani des Columbus. Wien. 1869.
[209] Navarrete I. Introd. p. 107. 2. ed.
[210] Becher, The Landfall. p. 103.
[211] Becher. l. c. p. 103. As to the abundance of water: Columbus has been supposed to have meant that it was fresh, for he does not say, that it was so in his journal.
[212] es la isla de Cipango de que se cuentan cosas maravillosas, y en las esperas que yo vi y en las pinturas de mapamundos es ella en esta comarca. Tagebuch vom 24. October. Navarrete I, 190. 2. ed.
[213] Las Casas bemerkt dazu: „Ich verstehe dies Gerede nicht.“ Wenn aber Columbus überzeugt war, daß er Cipangu bereits hinter sich habe, so wird auch sein Ausspruch verständlich und durch einen Blick auf die Zeichnung Martin Behaims erklärt; denn er schätzte die Entfernung von 100 Meilen nach der Karte Toscanelli’s.
[214] Nach seiner Berechnung befand sich der Admiral am 2. November 1142 Leguas westlich von Ferro. 1 Legua = 4 ital. Seemeilen. (Volunt lequam Hispani millia passuum quattuor continere, mari praesertim; terra vero tria. P. Martyr, Dec. II. lib. X. p. 200). Rechnet man auf dem Parallel der Canarien 50 ital. Meilen auf 1 Grad, so betrug nach der Annahme des Columbus seine Entfernung von Ferro volle 91 Grad. Auf der Behaim’schen Karte liegt dieser Punkt zwischen Cipangu und der Küste Asiens in der Region der „zahllosen“ Inseln. In Wahrheit beträgt aber die Entfernung von seinem Standpunkte bis Ferro nur 60 Grad.
[215] Haiti dicitur asperitas, eorum vetere lingua. P. Martyr, Dec. III. lib. 7. p. 279.
[216] „So erkannte ich, daß unser Herr wunderbarerweise (milagrosamente) unser Schiff gerade hier stranden ließ, weil es der beste Platz auf der ganzen Insel ist, und damit wir unsere Niederlassung möglichst nahe den Goldminen anlegen könnten.“ Tagebuch vom 6. Jan. 1493. Navarrete I, 275. 2. ed.
[217] Daß die Ausbreitung des christlichen Glaubens die spanischen Majestäten lebhaft beschäftigte, bezeugt auch Peter Martyr: Dec. I. lib. 1. ep. 1. 10. 9. Rex et regina, quorum omnes cogitatus vel dormientium, in religionis nostrae augmento sunt siti, sperantes ad Christi legem tot nationes et simplices gentes facile trahi posse.
[218] P. Martyr erwähnt mehrfach den Goldreichthum von Haiti und Cuba. Ex sola Hispaniola vehitur in Hispaniam quotannis quadringentorum et quingentorum, interdum millium ducatorum auri summa. Id ex quinta regia intelligitur, quae ad fiscum venit: octoginta, nonaginta et centum millium castellanorum auri et aliquando maior. Dec. III. lib. 8. p. 297. Hac hora, qua haec scribo, coacta esse in Cuba referunt castellanorum auri centum octoginta milia conflanda, magnum opulentiae argumentum. ibid. p. 306.
[219] Es ist sehr auffällig, daß in einer im Archive der Stadt befindlichen Chronik Barcelonas, welche vom Jahre 1411 bis auf die Gegenwart geführt ist und alle kleinen Vorfälle innerhalb der Stadt verzeichnet hat, der Anwesenheit des Columbus im April 1493 mit keiner Silbe Erwähnung geschieht. Harrisse, Bibl. Amer. vet. Additions. p. IX.
[220] Peter Martyr Dec. I. lib. 1. p. 10. Jobst Ruchhamer in seinem oben (S. 233) angeführten Werke gibt im Cap. 41 den Empfang des Columbus bei Hofe mit folgenden Worten: „Der Kunige vnd die Kunigin entpfingen disen Christoffel Dawber mit dem allerangenemsten angesicht, vnd thaten jme die allergrösten Eere, vnd liessen jne öffentlich sitzen vor Jnen, welches bey jnen ist von den ersten vnd grösten eeren. Vnd wolten, das er genant wurde Ein wunderer des Meres Occeani.“ Mit diesen letzten Worten überträgt Ruchhamer den Titel Almirante. Aehnliche confuse Verdeutschungen finden sich noch mehr. Aus Alonso Niño wird ihm ein Alonsus Schwartze, aus Lorenzo di Pier Francesco de Medici Laurentius petri artzte zu Florentia. Uebrigens wurde auch in der Sammlung von Reiseberichten, welche 1534 in Straßburg unter dem Titel: „Die New Welt der Landschaften vnnd Jnsvln“ herauskam, Admirans mit „verwunderer des Meers“ übersetzt.
[221] Navarrete, I, 314–321.
[222] Ibid. p. 327–343.
[223] Tagebuch vom 13. Dec. 1492.
[224] Brief an Luis de Sant-Angel. Navarrete, I, 338 ob aequinoctiali linea distat (ut videtur) gradus sex et viginti.
[225] Opus epistul. Ep. CXXXI ed. Compluti (Alcala) 1530 (ed. Amstelod. 1670: Ep. 130.)
[226] Opus epistol. Ep. 136 (ed. Complu.) Ep. 135 (ed. Amstelod.). Man vergleiche damit Martyrs Ansicht in der Dec. I. lib. I. p. 8. Haec volui de psittacis recitasse: quamvis huius Christophori Coloni opinio, magnitudini sphaerae et opinioni veterum de subnavigabili orbe videatur adversari, psittaci tamen inde absportari atque alia multa, vel propinquitate, vel natura solum Indicum has insulas sapere indicant. „Mußte doch jeder Gebildete einsehen, daß die von dem Genuesen hartnäckig wiederholte Behauptung, Asien reiche ziemlich nahe an den Westen Europas hinan, aller geographischen Kenntniß entgegen war.“ Schumacher, Peter Martyr. S. 24.
[227] Dec. I. lib. I. p. 4.
[228] Dec. III. lib. 7. p. 282.
[229] quae linea distet a qualibet insularum, quae vulgariter nuncupantur de los Azores et Cabo Verde, centum leucis versus occidentem et meridiem. Navarrete II. Nr. 18. p. 83.
[230] So viel als 11¼ Grad. Der Compaß zerfiel in 8 Winde oder 32 Viertelwinde (quarte di vento) oder 360 Grad, also ein Viertelwind gleich 11¼°. Vgl. Breusing, Zur Gesch. der Kartographie, in Kettler, Zeitschr. für wiss. Geogr. II, 132. 133.
[231] Navarrete I, 395 und 402.
[232] Kosmos II, 317.
[233] Navarrete II. No. LXXIV u. LXXV.
[234] Dec. II. X. p. 200.
[235] Navarrete I, 347–372.
[236] Bei P. Martyr, Dec. I. p. 19. Burichena.
[237] Richtiger Guacanagari.
[238] Navarrete I, 347–372.
[239] Siehe seinen Bericht bei Navarrete I, 369.
[240] P. Martyr, Opus Epist. Alcala 1530. Ep. 165. Ex Hispaniola, quam admirantus ipse Colonus... Offiram Salomonis aurifodinam putat. Im weiteren Verlauf des Briefes bezieht sich Martyr darauf, daß Columbus selbst ihm geschrieben (ad me scripsit).
[241] M. G. Pauthier, Le livre de Marco Polo. Paris 1865. II, 550. Et si vous di que en ceste mer de Cim qui est au levant, si comme dient les pescheurs et les saiges mariniers de ceste contrée, il ya vii mille quatre cens. lix (7459) isles, là où lesdis mariniers vont... Et si vous di, qu’il n’y a nulle de ces isles où il n’ait arbres moult bons et de grant oudour. Die Wunderberichte des Ritters Mandeville, welcher die Reisebeobachtungen des Odorich von Pordenone (siehe oben S. 72) in frecher Weise ausbeutet, schienen diese Angaben zu bestätigen. Wahrscheinlich fußte Columbus auf Mandeville, dessen Buch er mit sich führte.
[242] P. Martyr, Opus epist. 1530. No. 164: A laeva innumeras se vidisse insulas narrabat. Huius magnae telluris litoribus in mare advertit cadere flumina multiformia. In plerisque piscium ingentem copiam, alibi multa conchylia, ex quibus uniones abraduntur, invenit. Per maria se transisse inquit, testudinibus puta majoribus fere condensata.
[243] Von der Ostspitze Cubas bis zur Isla de Pinos beträgt die Entfernung nur 8 Meridiane.
[244] P. Martyr. Opus Epist. Ep. 164. Decad. I. 3. p. 35.
[245] Navarrete II, 162. Nr. LXXVI. Informacion y testimonio de cómo el Almirante fue á reconocer la isla de Cuba quedando persuadido de que era tierra-firme. Danach gab der Pilot der Caravele Niña Francisco Niño auf seinen Eid die Erklärung ab, daß es keine Insel geben könne, welche in ostwestlicher Erstreckung 335 Leguas lang sei. Seiner Erklärung schlossen sich auch die anderen kundigen Seeleute an, unter ihnen auch Johan de la Cosa, „vicino de Puerto de Santa Maria, Maestro de hacer Cartas, Marinero de la carabela Niña“. Es ist derselbe Juan de la Cosa, dem wir die erste noch erhaltene Karte der neuen Welt verdanken, auf welcher er, trotz seines Schwurs, sechs Jahre später, Cuba als Insel darstellte.
Cadiz liegt | 6° 17′ | W. v. Greenwich, |
Saona, Ostspitze | 68° 35′ | „ „ |
Differenz | 62° 18′, | so daß Columbus sich also in seiner Längenbestimmung um 18° 27′ verrechnete. |
[247] Muñoz, Geschichte der neuen Welt. V, 25. S. 293.
[248] Navarrete II, 118–120.
[249] Navarrete I, 391–412.
[250] Die Insel Cuba, welche Columbus für das Gestade Asiens hielt.
[251] Columbus gerieth in die Region der Calmen.
[252] Ibi malaciis et ardoribus adeo (ut ait) oppressus fuit, ut fere navigia illa incenderentur. P. Martyr, Dec. I. VI, 70.
[253] P. Martyr, Dec. I. VI, 71 capillis quasi more Hispano scissis in fronte.
[254] Ibi se, ex quo navigare a teneris coepit, nusquam tantum formidasse fatetur. P. Martyr, Dec. I. VI, 73.
[255] P. Martyr (Dec. I. VI, 75) berichtet fast wörtlich dasselbe.
[256] Vgl. Humboldt, Kosmos II, 317.
[257] que en poco espacio haga tanta diferencia en cielo. Navarrete I, 404. P. Martyr, I. VI. p. 76/7. De poli varietate quaedam refert, quae quoniam contra omnium astronomorum sententiam prolata mihi videntur, sicco pertingam pede. Compertum est, polarem illam stellam, quam nautae nostri Tramontanam vocant, non esse arctici poli punctum etc. Aber wie der Stern Abends 5 Grad und Morgens 15 Grad hoch stehen kann, fasse ich nicht, sagt P. Martyr, auch die Gründe billige ich nicht, welche Columbus für seine Ansicht von der Birnengestalt der Erde anführt. Er schließt dann mit den Worten: De his satis, cum fabulosa mihi videntur.
[258] Da man nur die Continentalmasse der alten Welt kannte, lag also jene Gegend am östlichen Gestade Asiens, in dessen Nähe Columbus schon auf der ersten Reise gekommen zu sein wähnte. Vgl. den Behaim’schen Globus.
[259] Dort fand Col. die Rechtweisung der Magnetnadel, von dort begann sich die Temperatur gegen Westen zu auffällig zu mildern.
[260] Udjen oder Udjein in der Landschaft Malwa in Vorder-Indien, mitten zwischen Dehli und Bombay gelegen, in der Nähe des Wendekreises, eine heilige Stadt der Inder, nicht eine Insel, wie spätere Kosmographen annahmen. Von hier zählten die indischen Astronomen den ersten Meridian. Wie der indische Laut dj arabisch z, also aus Udjein, Uzein, Ozein, Ozin wurde, und wie diese Form dann von den Copisten noch in Arin verstümmelt wurde, darüber vgl. Reinaud, Memoire sur l’Inde. p. 373.
[261] Hier erst beginnt das Gebiet der eigentlichen Neger.
[262] Beide liegen nahe dem 10. Grad n. Br., so daß Columbus in seinen Beobachtungen oder Schätzungen sich um 5 Breitengrade irrte.
[263] Krit. Untersuchungen II, 76.
[264] Col. denkt an den schon erwähnten äußersten Ostrand Asiens, diesem Punkte gegenüber schuf Gott die Sonne. (!)
[265] Daß Col. den Aristoteles nicht selbst gelesen, ist gewiß. Seine Gewährsmänner, welche sich auf Aristoteles beziehen, haben aber denselben offenbar misverstanden. (Arist. Meteorol. II. 1, 15.)
[266] Peschel, Zeitalter der Entdeckungen. 2. Aufl. S. 228.
[267] Zeitalter der Entdeckungen. 2. Aufl. S. 230.
[268] Kosmos II, 304.
[269] Las Casas I, cp. 160 ms. bei Peschel. l. c. S. 238.
[270] In den königlichen Briefen vom 21. und 26. Mai 1499 (Navarrete II, No. 127 und 128. Las Casas I, cp. 179. ms.) wurde Columbus nur als „Admiral des Weltmeers“, nicht mehr als Vicekönig bezeichnet.
[271] Peter Martyr urtheilt über das Verfahren gegen Columbus wie ein vorsichtiger Diplomat, wenn er schreibt: Quid in praefectum et ejus fratrem, quidve in illos qui eis adversati sunt, fuerit perquisitum, non bene percipio. Hoc unum scio: capitur uterque frater in vincula, omnibus bonis spoliatus, conjectus ducitur. (Dec. I. VII. p. 86.)
[272] Dec. I. IV. c. 10.
[273] Agora será mi viage en nombre de la Santa Trinidad, y espero della la vitoria. Navarrete I, 479.
[274] Opposition des Jupiter und des Mondes, Conjunction des Merkur mit der Sonne. Ausführliches bei Peschel, Zeitalter. S. 288. Anmerkung 3.
[275] P. Martyr schreibt Guanassa.
[276] Columbus, Brief aus Jamaica. Navarrete I, 446.
[277] P. Martyr, Dec III. 4. p. 242. Regio Quicuri, in qua portus est Cariai, ab ipso Almiranto Myrobalanus appellatus. Columbus schreibt Cariay und nannte den Ort Myrobale, weil er eine Baumfrucht für die indische Myrobalane hielt. Er zweifelte nicht mehr, an der Küste Indiens zu sein, wie auch aus dem folgenden hervorgeht.
[278] Asia, cp. XII. Opera geogr. Francof. et Lips. 1707. p. 22.
[279] Diese Berechnung der Größe eines Aequatorialgrades zu 56⅔ arabischen Meilen stammt von der Erdmessung arabischer Astronomen unter dem Chalifen Almamun. Columbus entlehnte dieselbe aus seinem beliebten Gewährsmanne Pierre d’Ailly (Comp. Cosmogr. cap. 4).
[280] P. Martyr, Dec. III. IV, 247.
[281] Col. schreibt darüber in seinem Briefe aus Jamaica: „Man versichert, daß beim Tode der Fürsten von Veragua mit ihren Leichen all ihr Gold beerdigt werde. Man brachte zu Salomo von einer Reise 660 Centner Gold, außer dem, was die Kaufleute und Seeleute besaßen und außer dem, was man in Arabien kaufte. Er machte aus diesem Golde 200 Lanzen und 300 Schilde und andern Schmuck, sowie eine große Zahl mit Edelsteinen besetzter großer Gefäße. Josephus erzählt davon in der Chronik de Antiquitatibus und meint, daß dieses Gold von dem goldenen Chersonese (en la Aurea) stamme. Wenn dem so ist, so behaupte ich, daß diese Minen der Aurea absolut dieselben sind, wie in Veragua. Salomo kaufte all dies: Gold, Silber und kostbare Steine, und hier hat man es nur suchen zu lassen, wenn man will. David hinterließ in seinem Testamente 3000 Ctnr. indisches Gold dem Salomo zum Tempelbau, und nach Josephus kam es aus diesen Ländern.“ Columbus hatte zwar die Meerenge nicht gefunden; daß seine Zeitgenossen aber an ihrer Existenz auch noch Jahre lang nach dem Tode des Entdeckers nicht zweifelten, läßt sich aus mehreren Karten jener Zeit erkennen. Die Meerenge ist gezeichnet auf dem Globus der Lenoxbibliothek in New-York etwa vom Jahre 1507, ferner auf zwei Globen in der Sammlung des Feldzeugmeisters Fr. R. v. Hauslab in Wien, deren Entstehungszeit nach F. A. de Varnhagen in die Jahre 1509 u. 1513 fallen mag, sodann auf den beiden Globen von Johannes Schöner von 1515 (in Frankfurt a. M. und in Weimar) und vom Jahre 1520 (in Nürnberg), weiterhin auf der handschriftlichen Globuszeichnung von Leonardo da Vinci (etwa 1515–1516) und endlich auf der Weltkarte des P. Apianus (in Camers’ Ausgabe des Solinus, Wien 1520). Vgl. darüber Fr. Wieser, Magalhâes-Straße, Innspruck 1881. S. 15, 27, 42. Anm. 3.
[282] Brief aus Jamaica. 1503.
[283] Las Casas, hist. Ind. II, 37.
[284] W. Irving, Christoph Columbus, Buch 18, Cap. 3.
[285] Die Angaben, man habe 1877 in Domingo die wahren Ueberreste des Columbus aufgefunden, sind falsch; man fand Gebeine von den Verwandten.
[286] Humboldt, Krit. Untersuchungen I, 91.
[287] Humboldt, Krit. Untersuchungen II, 17.
[288] Humboldt, Krit. Untersuchungen II, 107. 108.
[289] Vergleiche Breusings Urtheil in der Zeitschrift für wissenschaftl. Geographie II, 193. 194.
[290] Navarrete II, 289 u. folg.
[291] La Sancta Trenydad guarde à Vuestras Alteças como deseo y menester habemos, con todos sus grandes estades y senorios. De Granada à seys de hebrero de mill y quinientos y dos años. (Die heilige Trinität bewahre Eure Hoheiten, wie ich bitte und wie wir es bedürfen, mit allen ihren Staaten und Herrschaften. In Granada am 6. Febr. 1502.) Man vergleiche mit diesem frommen Briefschlusse die nüchterne geschäftsmäßige Form, mit welcher Vespucci unterzeichnet. Χρο Abkürzung für Χριστος = der Haupttheil von Columbus’ Vornamen, ferens die letzte Hälfte = Christus-Träger.
[292] V. Margry, Les navigations françaises. p. 362. Paris 1867.
[293] The Landfall of Columbus p. 283.
[294] Leben des Columbus, Anhang Nr. XXXV.
[295] Krit. Untersuchungen II, 284.
[296] Psalterium Hebreum, Grecum, Arabicum et Chaldeum cum tribus interpretationibus et glossis 1511.
[297] Harrisse, Bibl. Am. Vetust. p. 154.
[298] Opus Epistol. Compluti (Alcalá) 1530. Ep. CXXXI.
[299] ibid. Ep. CXXXIIII.
[300] Ep. CXXXV.
[301] Ep. CXXXVI.
[302] Ep. CXXXXIII.
[303] Epist. CLIII.
[304] Copia de la lettera per Columbo mandata ali Sereme Re et Regina di Spagna: de le insule et luoghi per lui trouate. Stampata in Venetia (a nome de Constantio Bayuera citadino di Bressa) per Simone de Louere. a di 7 di Mazo 1505. Dieser Brief ist im höchsten Grade selten geworden. Im Jahre 1810 wurde er in Venedig wieder abgedruckt unter dem seit der Zeit allgemein üblichen Titel lettera rarissima.
[305] Vergleiche Breusing, Zur Geschichte der Kartographie in Zeitschrift für wissenschaftl. Geogr. II, 185. Daß Columbus bei einem Seezuge im Mittelmeer die grobe List gebraucht habe, der Rose über der Magnetnadel Abends die entgegengesetzte Richtung zu geben, um die Matrosen über die Richtung der Fahrt zu täuschen, wird als ungeschickte Erfindung bezeichnet, weil auf nichts an Bord so genau acht gegeben wird als auf die Richtung des Windes und schon aus der Vergleichung der Windrichtung mit dem herrschenden Seegange sich die Täuschung ergeben hätte.
[306] Harrisse, D. Fernando Colon, Historiador de su padre. Sevilla 1871. 4o. Dagegen schrieb d’Avezac: Le livre de Fernan Colomb. Paris 1873.
[307] Die New Welt der Landtschaften und Inseln. Straßburg 1534. Fol. 37.
[308] Von dieser anmuthigsten aller spanischen Rittergestalten entwirft Las Casas ein mit Vorliebe gezeichnetes Bild (Navarrete III, 163). Hojeda war von kleiner Gestalt, aber von vollendetem Ebenmaß und von angenehmer Erscheinung, in dem schönen Gesicht ein Paar große Augen. Er war in allen Leibesübungen außerordentlich gewandt und sicher. Als einst die Königin Isabella auf den Thurm der Kathedrale zu Sevilla stieg, um von da aus die klein erscheinenden Menschen, welche unten standen, zu betrachten, stieg er auf einen Balken, welcher zwanzig Fuß aus dem Thurme herausragte und schritt auf demselben hin bis zum Ende, drehte sich hier auf einem Fuße herum und schritt mit derselben Schnelligkeit wieder zum Thurm zurück. Es war einer der verwegensten Streiche, die man ausführen konnte; alle, die es mit ansahen, zitterten vor Aufregung. Dann stellte er sich an den Fuß des Thurmes und warf eine Pommeranze bis zur Thurmspitze hinauf, um die außergewöhnliche Kraft seines Armes zu zeigen. Er war unserer lieben Frauen ergeben und schwur stets bei der Jungfrau Maria.
[309] Navarrete III, 317. Juanoto Berardi starb 1495.
[310] Neque enim desunt, qui se circuisse Cubam audeant dicere. Dec. I. cp. VI, p. 78.
[311] W. Irving besuchte 1828 diese Plätze und hat davon eine eingehende Schilderung gegeben, welche als A visit to Palos seinem Werke „Voyages and Discoveries of the Companions of Columbus“ beigegeben ist. Palos ist ein armes Dorf, eine viertel englische Meile vom Fluß entfernt, in einer Bodensenkung. Es hat nur einige hundert Einwohner, welche sich lediglich von Feld- und Weinbau nähren. Die besseren Familien, darunter die noch blühende, angesehene Familie der Pinzone, sind alle in Moguer ansässig. In Palos gibt’s weder Schiffer noch Kaufleute. Kein Schiff gehört dem Platze, am Ufer finden sich keinerlei Hafenbauten. Das Volk ist ganz unwissend, und vermuthlich kennen die wenigsten den Namen Amerika.
[312] Navarrete III, 542.
[313] P. Martyr, Dec. I. lib. VIII, p. 87 et seq.
[314] P. Martyr, Dec. I. lib. VIII, p. 90. 91.
[315] este cabo se descubrio en ano de mil y CCCC CIX por Castilla, syendo descobridor vincentians (Vicente Yañez). Trotz der beiden, auf der beigegebenen Karte bezeichneten Defecte im Original können wir auf Cosa’s Karte den Verlauf der Entdeckung recht wohl verfolgen.
[316] Nach ihrer Heimkehr richtete P. Martyr an die Entdecker die Frage, ob es auch einen antarktischen Polarstern gäbe, was verneint wurde. Dec. I. lib. IX. p. 96.
[317] Verzinum mercatores Itali, Hispani brasilum appellant. P. Martyr, Dec. I. lib. IX. p. 99.
[318] ut ipsi putant, ultra urbem Cataii et littus Indicum, ultra Gangem percurrerant. P. Martyr, l. c. p. 101.
[319] Quatuor Americi Vesputii navigationes. Urbs Deodate (St. Dié) 1507. Diese „Vier Schifffahrten“ des Vespucci wurden zusammen mit der Cosmographiae Introductio von Martin Waltzemüller veröffentlicht, in welcher zuerst der Name „Amerika“ für die neue Welt vorgeschlagen wurde. Amerigo nennt in seiner zweiten Schifffahrt den leitenden Capitän nicht, nennt den Mai 1499 als Abfahrtszeit und den September 1499 als Zeit der Rückkunft, und doch sagt er, die Schiffe seien ein ganzes Jahr unterwegs gewesen. Die Zeitbestimmungen sind offenbar falsch. Die Gründe für die Annahme, daß Vespucci auf Lepe’s Schiffen mitfuhr, liegen in dem Verlauf der Fahrt. Humboldt (Krit. Untersuchungen II, 428 u. f.) hat versucht, Vespucci’s zweite Fahrt mit der ersten Reise des Vicente Yanez Pinzon zu identificiren, d’Avezac weist, wohl richtiger, auf Lepe hin. (Bull. Soc. géogr. Paris 1857. Avril et Mai.)
[320] Bastidas war escribano (Notar) de Sevilla. Navarrete III, 25.
[321] Navarrete III, 95.
[322] In der deutschen Uebersetzung des Briefes an Lorenzo Pierfrancesco de Medici (auf der königl. öffentl. Bibl. zu Dresden) lautet die Schilderung folgendermaßen: Vnd das ich mit einē wort alle ding begriffe solt du wissen, das in Sechtzig tagen vn̄ siben tagen die wir schiffeten vier vn̄ viertzig tag an vnderlaß an einander gehebt habē mit kegen tonnern vn̄ plitzen so gar finster das wir weder Sonnen im tag noch liechtē hymel in der nacht nie gesehen haben, Da von so geschach das vns solicher grosser schrecke einfiel das wir gar nach alle hoffnuug vnsers lebens hinwurffen, In solichen angsten dennoch vn̄ so wütungen des mers vn̄ des himels gefiel dem hochstē gott vns ze zeygen ingewont ertrich vn̄ new lantschafften vn̄ ein vnbekante welt.
[323] Vgl. Kunstmann und Thomas, Atlas zur Entdeckung Amerikas, München 1859.
[324] Nach Humboldt, Kritische Untersuchungen III, 10 sinkt dasselbe in der südl. Breite von 16° 24′ unter den Horizont.
[325] Der Stern η des großen Bären verschwindet unter 18° 10′ s. Br. (Humboldt a. a. O.)
[326] „In der Geschichte der Geographie ist es, wie in allen übrigen Fällen, oft der Klugheit angemessen, nicht alles erklären zu wollen.“ Humboldt, Krit. Untersuchungen III, 14. Ob Vespucci so weit nach Süden vorgedrungen, bleibt immerhin fraglich. Er würde dann sicher darauf aufmerksam gemacht haben, daß ihm das Sternbild des großen Bären ganz aus dem Gesichtskreise entschwunden sei.
[327] Vnbekanthe landte vnd eine Newe welt. Cap. CXXI.
[328] Die Dresdener Ausgabe ist in Harrisse, Bibl. Am. Vet. nicht beschrieben, das Exemplar zu Dresden weicht von der unter Nr. 38 (S. 81) beschriebenen Ausgabe im Druck etwas ab. Die letzten Zeilen der letzten Seite lauten im Dresdner Exemplar: Auß lateyn ist dyß missiue in Teusch ‖ gezogen auß dem Exemplar das von Paryß kam im meyen mo-|net Nach Christi geburt. xv. hundert vnd funff jar. Das von Harrisse beschriebene Exemplar liest: „diß missiue in Teutsch“ und weiter „XV. hundert vnd funff jar“.
[329] Dum igitur proficiscar in orientem, iter agens per meridiem, Noto vehar vento. Grynaeus, Novus Orbis. Basil. 1532. p. 130.
[330] Quo superbiam modo iustus omnium censor Deus compensat. (Quarta Navigatio. Urbs Deodate. Anno supra sesquimilesimum. vij.)
[331] Navarrete I, 351.
[332] Zuerst veröffentlicht von Harrisse in Bibl. Am. Vet. Additions. Paris 1872, S. XXVII. Man vergleiche Humboldt, Krit. Untersuchgn. III, 111 u. ff.
[333] Krit. Untersuchungen III, 24.
[334] Martin Waltzemüller, Cosmographiae Introductio. St. Dié 1507. Globus Mundi declaratio. Straßburg 1509. (auf d. Titel). Opusculum de mirabilibus. Rom 1510. fol. 101. — Joh. Schöner, Luculentissima quaedam terrae totius descriptio. Noribergae 1515. cp. XI. fol. 60. — Montalboddo, Paesi novamente retrouati & Nouo Mondo da Alberico Vesputio florentino intitulato. Milano 1519. — Stobnicza, Introductio in Ptolemaei cosmographiam. 1519. fol. 5. — Albertus Pighius Campensis de æquinoctiorum solstitiorumque inventione. Parisiis 1520. p. 28. — Vadianus, Pomponii Melae de orbis situ. Basel 1522. Das Werk beginnt mit einem 1512 geschriebenen Briefe Vadians an Rudolf Agricola, worin steht: America a Vespuccio reperta u. s. w.
[335] Martin Waltzemüller aus Freiburg im Breisgau, ist etwa um 1480 oder 1481 geboren. Er war befreundet mit dem Elsasser Matthias Ringmann, dem Schüler des berühmten Philologen Jakob Wimpfeling. Nach der Sitte der Zeit nahmen beide in späterer Zeit latinisirte Namen an: Waltzemüller nannte sich Hylacomylus oder Ilacomilus (eigentlich eine Uebertragung aus Wald(see)müller), Ringmann dagegen Philesius mit dem Zusatze vogesigena, weil er aus den Vogesen stammte. Als nun ums Jahr 1507 auf Anregung des reichen Canonicus Walther Lud und unter den Ausspicien des Herzogs René von Lothringen in der Stadt St. Dié an der Meurthe ein Gymnasium und eine Druckerei errichtet worden, berief man Ringmann und Waltzemüller an die neue Schule. Ringmann hatte in Italien den berühmten Mathematiker und Architekten Fra Giovanni del Giocondo, einen Dominikaner, kennen gelernt, welcher, mit Vespucci befreundet, den Brief dieses Reisenden über seine dritte Entdeckungsfahrt ins Lateinische übertragen hatte. So wurde er mit den glänzenden Erfolgen des Florentiner Reisenden bekannt und gehörte bald zu seinen Verehrern, so daß er die lateinische Uebersetzung Giocondo’s noch einmal in Straßburg 1505 durch den Druck veröffentlichte. In St. Dié gab dann Waltzemüller mit seiner Cosmographiae introductio zugleich alle vier Schifffahrten des Vespucci heraus. Daneben entwarf man den Plan, eine neue Ausgabe des Ptolemäus zu veranstalten, für deren bedeutende Kosten Walther Lud eintrat. Diese berühmte Ausgabe erschien aber erst zwei Jahre nach Ringmanns Tode († 1511) in Straßburg und wurde hauptsächlich durch Waltzemüller besorgt. Die berühmte Weltkarte dieser Ausgabe, Orbis typus universalis iuxta hydrographorum traditionem haben wir bereits in verkleinerter Copie der 36. Abtheilung der „allgemeinen Geschichte in Einzeldarstellungen“ beigegeben. Man vermuthet, daß diese Karte die Copie einer Originalzeichnung des Vespucci sei. Wie unklar die Vorstellungen des lotharingischen Gelehrten waren, erhellt daraus, daß er in der Vorrede zu dem Supplement seines Ptolemäus von einem gewissen Admiral des portugiesischen (!) Königs Ferdinand spricht (Admiralem quendam serenissimi Portugaliae regis Ferdinandi), während die der Weltkarte folgende „tabula terre nove“, auf welcher die Küsten der neuen Welt in größerem Maßstabe dargestellt sind, in dem nördlichen Theile des südamerikanischen Continentes die Inschrift trägt: „Dieses Land sammt den angrenzenden Inseln ist auf Befehl des Königs von Castilien durch den Genuesen Columbus entdeckt worden.„(Hec terra cum adiacentibus insulis inuenta est per Columbum Januensem ex mandato Regis Castelle). Und trotzdem schlug Waltzemüller vor, dem „Entdecker“ zu Ehren das neue Land Amerika zu nennen.
[336] Pizarro ist der natürliche Sohn eines spanischen Hauptmanns und in Trujillo geboren. In seiner Jugend soll er die Schweine gehütet haben und ohne Unterricht aufgewachsen sein. Gewiß ist, daß der spätere Eroberer Peru’s des Schreibens unkundig war. Sein Geburtsjahr ist unbekannt. Das Jahr 1471, welches in der Regel angegeben wird, paßt nicht zu der Mittheilung, daß Pizarro, um einer Züchtigung von seiten seines Vaters zu entgehen, entlaufen sei und sich nach Westindien habe anwerben lassen. Denn wenn wir auch annehmen, daß er schon ums Jahr 1500 den Boden der neuen Welt betreten habe, so mußte er doch in seinem 29. Jahre längst der väterlichen Ruthe entwachsen sein. Mehr Glauben verdient die Angabe Herrera’s (Hist. gen. dec. VI. lib. X. cap. 6), daß Pizarro 63 Jahre alt geworden sei. Da er 1541 ermordet wurde, fällt demnach das Geburtsjahr auf 1478.
[337] Navarette III, 374. porque ningund bachiller acá pasa que so sea diablo y tienen vida de diablos, é no solamente ellos son malos, mas aun fasen y tienen forma por donde haya mil pleitos y maldades.
[338] M. Wagner und C. v. Scherzer, die Republik Costa Rica. Leipzig 1857. S. 359–392.
[339] P. Martyr, Dec. III. lib. I. Col. 1574 p. 210.
[340] Navarrete III, 343.
[341] Navarrete III, 393–456. Cl. R. Markham, The narrative of Pascual de Andagoya. Hakluyt Soc. for 1865. vol. 34.
[342] El anno de mil e quinientos e catorze: passo a la terra firme un infelice gouernador; crudelissimo tirano: sin alguna piedad ni aun prudencia: como un instrumento del furor divino. Las Casas, Brevissima relacion de la destruycion de las Indas. Sevilla 1552. fol. b iiii.
[343] Andagoya in Navarrete, Col. III, 413.
[344] J. G. Kohl, (die beiden ältesten Generalkarten von Amerika. Weimar 1860, S. 169) vermuthet, daß die auf den Karten von 1527 und 1529 angegebenen Sierras de Gil Gonzalez de Avila mit den Bergen südlich von Soconusco, in der mexikan. Landschaft Chiapas, zwischen 15 und 16° n. Br. identisch seien.
[345] Ueber den sog. Jungbrunnen vgl. Martyr. Dec. II. lib. X. p. 202.
[346] Der Reisebericht desselben ist von Herrera (Dec. I. lib. X. cp. 16) benutzt.
[347] Schon frühzeitig ist behauptet worden, Sebastian Cabot habe das Land vor Ponçe gesehen. De Thou, historia sui temporis. 1609. lib. X. c. 4.
[348] Bernal Diaz del Castillo, Entdeckung und Eroberung von Neu-Spanien. Deutsch v. Rehfues. Bonn 1838. I. S. 4. Ferdinand Cortes stellt die Sache so dar, als ob Cordova, Lope Ochoa und Cristoval Morante sich zum Unternehmen vereinigt und die Mannschaft geworben hätten. Colecion de doc. inedit. para la historia de España. I, 422.
[349] Viele von den alten kunstreichen Steinbauten waren schon zur Zeit, als die Spanier eindrangen, verfallen und gehörten einer früheren Kulturepoche an. Einer der spanischen Mönche, welche bald nach der 1540 und 1547 vollendeten Eroberung Yukatan’s ins Land kamen, Fray Lorenzo de Bienvenido, schreibt darüber am 10. Februar 1548 an König Philipp, daß die Gebäude in Merida aus behauenen Steinen kunstvoll erbaut, aber vielleicht schon vor Christi Geburt errichtet seien, weil auf ihnen der Wald sich eben so mächtig erhöbe, als unten im Lande (porque tan grande estava el monte ençima dellos como en lo baxo de la tierra.) Auch fügt der Geistliche hinzu, daß die Eingeborenen damals nur in Hütten von Holz und Stroh wohnten (ni hazen casa sino de paja y madera.) Cartas de Indias. Madrid 1877. p. 71.
[350] Die Mayahandschrift d. kgl. öff. Bibliothek zu Dresden. 74 Tafeln in Chromo-Lichtdruck. Leipzig 1880. 4o.
[351] H. Meye u. J. Schmidt, Die Steinbildwerke von Copán und Quirigua. Berlin 1883. Fol.
[352] Cortes gibt die von Velasquez aufgewendeten auf ¼ der Gesammtsumme an. Colecion d. doc. ined. para la historia d’España. I, 423.
[353] B. Diaz, Entdeckung u. s. w. von Neuspanien I. S. 23.
[354] Die Küste von der Mündung des Goatzacoalto (westlich vom Tabasco) bis nach Vera Cruz ist voller Riffe, daher Schiffbruch und Strandung häufig vorkommen. Eine kurze Strecke südlich von Vera Cruz sieht man zahlreiche Trümmer untergegangener Schiffe aus den Wellen oder dem Sande ragen. Fr. Ratzel, Aus Mexiko. S. 162.
[355] Die Instruction des Velasquez für Cortes findet sich in Col. d. doc. ined. p. l. hist. de España I, 385.
[356] Wir besitzen von Cortes’ Hand fünf ausführliche Berichte über den Verlauf seiner großen Unternehmungen, in welchen er in sehr eingehender Weise dem Könige von Spanien über seine Feldzüge Bericht erstattet. Man hat sie nicht unpassend mit den bekannten Commentarien Cäsars verglichen. I. Der erste Bericht aus Villa rica de la Vera Cruz vom 10. Juli 1519, von den Behörden der Stadt im Namen des Heerführers und wohl auch von ihm selbst verfaßt, ging am 16. Juli mit einem Schiffe nach Spanien ab. Er ist veröffentlicht in der Colecion de documentos inedit. para la historia de España I, p. 421–461. II. Der zweite Brief ist aus Segura de la Frontera (Tepeaca, östl. v. La Puebla) vom 30. October 1520 datirt und wurde bereits 1522 in Sevilla gedruckt. Später erschien er in Barcia, Historiadores primitivos de las Indias orientales, 1743, vol. I, p. 1–62, u. in Don Francisco Antonio Lorenzana, Historia de nueva España, Mexiko 1770, p. 38–170. III. Der dritte Brief, von Cuyocan (2½ span. Meilen südl. v. Mexiko) aus am 15. Mai 1522 geschrieben, wurde zuerst 1523 in Sevilla gedruckt, dann in Barcia I, p. 63–123, u. in Lorenzana, p. 178–320. IV. Der vierte Brief, von Temixtitan (Mexiko), vom 15. October 1524, wurde 1525 in Spanien gedruckt und später in Lorenzana, p. 330–399. V. Der fünfte Brief, welcher seinen Feldzug nach Honduras schildert, erschien in Colecion de doc. ined. p. l. hist. de Esp., Madrid 1844, Tom. IV, p. 8–167, als Relacion hacha al emperador Carlos V por Hernan Cortes sobre la expedicion de Honduras, datirt von Temixtitan, 3. September 1526.
[357] B. Diaz erzählt, sie hätten schon vor der Fahrt des Cortes in Tabasco den Namen Culba gehört. Columbus vernahm bei Cuba das Wort Colba und deutete es auf die Insel, aber es wäre nicht unmöglich, daß der Name der alten berühmten Stadt bis zu den Antillen gedrungen wäre. Daß Verbindungen zwischen den Inseln und dem Festlande stattfinden, läßt sich daraus schließen, daß Columbus an der Küste von Yukatan auf mexikanische Handelsbarken stieß und daß Cortes ebendaselbst von Jamaica herüber verschlagene Indianer fand.
[358] D. Charnay, Ansichten über d. Alter u. d. Ursprung der Baudenkmäler u. s. w. in Mexiko und Central-Amerika, in Zeitschr. f. Ethnologie. Berlin 1882. S. 10 ff.
[359] D. h. Colibri links, weil der Gott am linken Fuß mit Colibrifedern geschmückt war.
[360] Th. Weitz, Anthropologie IV, 4 erklärt sein unsicheres Benehmen aus seinem bösen Gewissen.
[361] Bernal Diaz I, 121 beschreibt diese Geschenke genau: „Das erste war eine Scheibe von der Größe eines Wagenrades, welche die Sonne vorstellte, ganz von feinem Golde und von der schönsten Arbeit, ein überaus merkwürdiges Kunstwerk, das nach der Aussage derer, die es gewogen, über 20,000 Gold-Piaster Werth gehabt haben soll. Das zweite, eine Scheibe, größer noch als die erste, schwer von Silber, von großem Werth, und den Mond vorstellend mit vielen Strahlen und andern Figuren darauf. Das dritte war die Sturmhaube, ganz mit gediegenen Gold-Körnern angefüllt, wie sie aus den Bergwerken kommen, an 3000 Piaster Werth, für uns aber von weit höherem Werth, weil es uns die Gewißheit gab, daß es reiche Goldgruben im Lande gab. Dazu kamen noch 20 goldene Enten, vollkommen nach der Natur und sehr zierlich gearbeitet; ferner Figuren von Hunden, Tigern, Löwen, Affen, 10 Halsketten von Gold, in Silber und Gold gefaßte Fächer und Büsche von den schönsten grünen Federn, ferner über 30 Pakete mit bunten Federn durchwirkter Baumwollstoffe u. a. m. Aehnlich beschreibt auch Torquemada, Mon. Ind. lib. IV. c. 17 diese Gaben. Einzeln sind die für den König von Spanien bestimmten Geschenke aufgeführt in Colec. de doc. inedit. p. l. hist. de España. I, 462–471. Darnach hatte die goldene Scheibe (una rueda de oro grande con una figura de monstruos en ella) nur ein Gewicht von 3800 pesos de oro, aber nicht 20,000 P. wie Diaz angibt. Dem König Karl wurden diese Geschenke im April 1520 zu Valladolid vorgelegt.
[362] Lorenzana, S. 47.
[363] Lorenzana, S. 66.
[364] Lorenzana, S. 58, bemerkt dazu, aus den noch vorhandenen Ruinen von Tlascala könne man erkennen, daß Cortes nicht übertrieben habe.
[365] B. Diaz Bd. I, 248 ff.
[366] B. Diaz II, 51 ff.
[367] Creemos y tenemos por cierto el ser nuestro Señor natural. Lorenzana S. 81.
[368] B. Diaz II, 65.
[369] B. Diaz II, 101.
[370] Die Lebensweise des Monarchen hat Cortes genau geschildert. Lorenzana, S. 113.
[371] Lorenzana, S. 97.
[372] Ebd. S. 99.
[373] Ebd. S. 91. Figurada en un paño toda la costa.
[374] Bernal Diaz II, 208.
[375] Le dieron una pedrada los suyos en la cabeza tan grande que de alli á tres días murió. Lorenzana, S. 136.
[376] B. Diaz I, 53.
[377] Fr. Ratzel, Aus Mexiko. S. 134.
[378] Sahagun, hist. d. nueva España. XII, 27.
[379] Lorenzana, S. 148.
[380] Daß Cortes selbst den feindlichen General getödtet, ist höchst unwahrscheinlich, weil er durch seine Wunden behindert wurde. Seine eignen Worte schließen diese Annahme aus: E con este trabajo fuimos mucha parte de el dia, hasta que quiso dios, que murio una persona de ellas, que debía ser tan principal, que con su muerte cesó toda aquella guerra. Lorenzana, S. 148.
[381] Lorenzana, S. 169.
[382] Opus epistolarum, Compluti. 1530. Ep. 717. Sunt incredibilia, quae de huius urbis et circumvicinarum aedificiis, commerciis et hominum frequentia referuntur.... De templorum magnitudine cultuque ac ornatu mira referuntur. In einem späteren Briefe (Compluti Nr. 774; Amstelodami Nr. 771) vom 20. November 1522 zählte er die Menge des nach Spanien gebrachten Goldes auf. Nach dreißigjährigen Bemühungen seit der ersten Fahrt des Columbus schien nun das goldreiche Indien wirklich gefunden zu sein.
[383] Die Endung -tzin wird den Namen der Vornehmsten angehängt, so daß der Name des neuen Königs eigentlich Quauhtemo war; in ähnlicher Weise nennen mehrere Historiker den mehrfach erwähnten Cacama auch Cacamatzin.
[384] Lorenzana, S. 242.
[385] Por el agua y por la tierra daban tantas gritas y alaridos que parecia que se hundia el mundo. Lorenzana, S. 245.
[386] Lorenzana S. 260.
[387] Nur die Tlascalaner blieben von dieser Hörigkeit befreit.
[388] In demselben Jahre, als Cortes den Boden von Mexiko betrat, ließ auch der Statthalter von Jamaica, Francisco de Garay, nach einer Meerenge suchen. Siehe unten Cap. 26.
[389] Ratzel, aus Mexiko. S. 181.
[390] Lorenzana, S. 351. Vgl. auch Colecc. d. doc. ined. relat. al. descubr. XII, p. 62.
[391] Lorenzana, S. 382. Como tengo continuo cuydado, y siempre me occupo en pensar todas las maneras, que se pudan tener para poner en execucion, y efectuar el deseo que yo al real servicio de Vuestra Magestad tengo, viendo que otra cosa no me quedaba para esto, sino saber el secreto de la costa, que esta por descubrir entre el rio de Panuco y la Florida;... y de allí por la parte de el norte hasta llegar a los Bacallaos, porque se tiene cierto, que en aquella costa hay estrecho, que pasa á la mar del Sur. Er beruft sich sogar auf eine Karte, welche eine Meeresstraße in diesen Gegenden darstellt (segun cierta figura, que yo tengo del paraje) und betont die Wichtigkeit dieses Weges als des schnellsten und kürzesten zu den Molukken: seria la navegacion desde la especeria para essos reynos de Vuestra Magestad muy buena, y muy breve y tanto que seria las dos tercias partes menos, que por donde ayora se navega, y sin ningun riesgo, ni peligro de los navios, que fuesen y viniessen, porque irian siempre y vernian por reynos y Señorios de V. M.
[392] Ueber die neusten Forschungen in diesem Gebiet vergleiche Desiré Charnay in Comptes rendus de soc. de géogr. Paris 1882. p. 546 et suiv. und A. P. Maudslay, Exploration in Guatemala and Examination of the newly-discovered Indian Ruins of Quirigua, Tikal and the Usumacinta, in Proceedings of the royal geogr. soc. London 1883. April.
[393] Las Casas, Brevissima relacion. Sevilla 1552. De la provincia e reyno de Guatimala: Mando los luego quemar bivos sin otra culpa ni otro processo ni sentencia.
[394] Relacion e informacion del viage, que hizo á las Higueras el Bachillar Pedro Moreno (in Colecc. d. doc. ined. rel. al descubr. XIV, p. 236–264) enthält die gerichtlichen Aussagen von Augenzeugen.
[396] Relacion p. 237.
[397] Cortes, Relacion al Emperador Carlos de Temixtitan à 3 de Septiembre de 1525, in Colecc. d. doc. ined. para la historia de España. IV, p. 113.
[398] H. H. Bancroft, History of the pacific. States. I, 530. London 1883.
[399] Die Gründungsurkunde ist vom 18. Mai 1525 datirt. (Colecc. d. doc. ined. rel. al descubr. Vol. XIV, p. 44.)
[400] B. Diaz III, 251.
[401] Relacion, hecha al Emperador Carlos V por Hernan Cortes p. 23.
[402] Relacion hecha al Emperador Carlos V. p. 35: hice sacar una ahuja de marear, que traia conmigo, por donde muches veces me guiaba, aunque nunca nos habiemos visto en tan extrema necessidad.
[403] Relacion. p. 50. hizome una figura pintada en un paño del camino, que habia de llevar.
[404] Relacion. p. 54.
[405] B. Diaz. Band 4. S. 77.
[406] Dr. C. H. Berendt erforschte das wenig besuchte Gebiet 1865–67. cf. Smithsonian Instit. Report for 1867, p. 420.
[407] In neuester Zeit hat Desiré Charnay ziemlich dieselbe Route wie Cortes verfolgt. „Il y avait autrefois des villes le long de ce sentier; j’aperçois sur la droite des esplanades, dont les arêtes en pierres taillées sont encore intactes et le guide m’annonce que sur la gauche, du côte de la vallée du San Pedro se trouvent aussi des monuments.“ Comptes rendus des séances d. l. soc. d. géogr. Paris 1882. S. 546.
[408] Relacion, p. 74. la cosa del mundo mas maravillosa de ver y pasar.
[409] Maudslay (Proceedings of the royal geogr. Soc. London 1883. S. 189) glaubt diesen Ort am Rio pueblo viejo, einem Zufluß des Polochic, wiedergefunden zu haben.
[410] B. Diaz. IV. 179.
[411] Coleccion de doc. ined. p. l. hist. de España. I. p. 105.
[412] Die gemachten Breitenbestimmungen sind ungenau; es ist wahrscheinlich, daß das Schiff bis in den Golf von Tehuantepec gelangte und dann umkehrte.
[413] Der auf Pergament gemalte Atlas des Diego Homem von 1568 (königl. öffentl. Bibl. in Dresden) verlegt das C. del engañho ganz bestimmt nördlich von der gegenwärtig so benannten Punta S. Eugenia, und zwar unter 31° n. Br., was mit der 1542 erfolgten Aufnahme der Küste durch Cabrillo übereinstimmt.
[414] Nach J. G. Kohl, die beiden ältesten Generalkarten, S. 70, nicht der jetzt noch so genannten St. Helena sound, sondern der südlichere Port royal.
[415] algund golfo ó estrecho en la tierra firme. Navarrete, Colec. III, 147.
[416] Herrera, Dec. VI. lib. I. cp. 4. haviendo pasado un rio bien grande.
[417] Vielleicht der Altamaha in Georgia, oder der Savannah an der Grenze von Süd-Carolina.
[418] Kupferbergbau findet sich noch im Norden des Staates Georgia.
[419] Herrera, Dec. VII. lib. I. c. 1.
[420] Marcos Bericht in Colecc. d. doc. ined. relat. al descubr. III, 329–50. Madrid 1865.
[421] Coronado’s Bericht in Doc. ined. rel. al descubr. III, 363. Sein Brief an den Kaiser, ibid. XIII, p. 261. Außerdem die Berichte seiner Capitäne Jaramillo, ibid. XIV, 304, und Castañeda in Ternaux Compans, Voyages, relations et memoires etc. Paris 1838.
[422] Vgl. General J. H. Simpsons kritische Arbeit über Cibola in Smithsonian Rapport, 1869 p. 309–40. Simpson kennt die Gegend aus eigner Anschauung und stützt sich ferner auf die Ansicht des Ingenieur N. H. Hutton, welcher mit Whipple und Parke 1853–56 Neu-Mexiko und Arizona erforschte.
[423] R. Hakluyt, Voyages. Vol. III. p. 394. London 1600.
[424] Eine Copie dieser Karte findet sich in Lorenzana, Historia de nueva España. S. 328. Mexiko 1770.
[425] „Leutnant Ives, welcher den unteren Colorado erforschte, machte einen kleinen Abstecher zu Lande von einem Punkte unterhalb des großen Cañon nach Südwesten herum und erklomm das Plateau von San Francisco. Von einer Höhe konnte er weit nach Nordosten schauen und das Gebiet übersehen. Die Ausdehnung und Großartigkeit der Cañons, sagt er, ist in dieser Richtung staunenerregend. Das ganze Hochland ist durch riesige Klüfte in Fetzen zerrissen und gleicht einer ungeheuren Ruine. In meilenweiten Landstrichen sind die oberen Schichten hinweggefegt und nur isolirte Berge stehen geblieben. Klüfte, so tief, daß das Auge nicht bis auf den Grund hinunterzudringen vermag, werden durch Wände getrennt, deren Dicke man beinahe umspannen kann, und schlanke Spitzsäulen, welche auf ihrem Grunde zu schwanken scheinen, schießen tausend Fuß hoch aus den unterirdischen Höhlen empor.“ (J. W. Powell), Exploration of the Colorado river of the west. Washington. 1875. p. 195.
[426] In der Zuñisprache noch jetzt Hak-ku-kiah genannt. (Schoolcroft, History of the Indian Tribes. IV, 220.)
[427] Jaramillo, Relacion l. c. p. 308. Todas cuantas aguas hallamos, y rios é arroyos, hasta este de Cibola, y aun, no sé si una jornada, ú dos mas, corren á la mar del Sur, y los dende aqui adelanto, a la mar del Norte.
[428] Auf dem amerikan. Atlas von Thomas Jeffreys, 1775, findet sich der Ort Sayaqué, welcher vielleicht dem Cicuyé entspricht. (Simpson, l. c. p. 336).
[429] Jaramillo, l. c. p. 310. porque dellas comen y visten y calzan.
[430] Auf dem Rückmarsche wird auch das Vorkommen der Hundmurmelthiere erwähnt, als kleiner Geschöpfe, die den Eichhörnchen gleichen und in Erdlöchern leben.
[431] Historia de nueva España: Mexico 1770, p. 38: y aun se ignora si confina con la Tartaria, y Groelandia; por las Californias con la Tartaria, y por el Nuevo Mexico con la Groelandia.
[432] Andagoya sagt in seiner Relacion (Navarrete III, 420): una provincia que se dice Biru, donde corrompido el nombre se llamó Pirú. Aehnlich auch Augustin de Çarate, Historia del descubrimiento y conquista de las Provincias del Peru. Sevilla 1577, p. 1: una pequeña y pobre provincia cincuenta leguas de Panama, que se llama Peru, de donde despues impropriamente toda la tierra... por espacio demas de mil y dozientas leguas por luengo de costa se llamo Peru.
[433] E. Pöppig, Reise in Chili, Peru und auf dem Amazonenstrom. Leipzig 1836. II, 10 und 7.
[434] Ch. Darwin, Reise eines Naturforschers um die Welt. Stuttgart 1874. S. 419.
[435] W. Reiß und A. Stübel, das Todtenfeld von Ancon. Berlin 1881–83. Tafel 13–16, 45–48 u. a.
[436] Ansichten der Natur II 326, 322 u. 324. Stuttgart u. Tübingen 1849.
[437] Aug. de Çarate, Historia del descubrimiento. Sevilla 1577, S. 1. Almagro, cuyo linaje nunca se pudo bien averiguar, por que algunos dizen que fue achado a la puerta de la yglesia.
[438] Pedro Pizarro, Relacion del descubrimiento y conquista etc. in Navarrete, Colecion de doc. inedit. para la historia de España. Madrid, 1844 Tom V, p. 203.
[439] Nicht zu der Verwandtschaft gehört Pedro Pizarro aus Toledo, welcher mit 15 Jahren in den Dienst Francisco Pizarro’s trat und seit dem 18. Jahre die Feldzüge mitmachte. Er schrieb eine Relacion del descubrimiento y conquista de los reinos del Peru etc. Abgedruckt in Navarrete, Colecion de doc. inedit. para la historia de España. Madrid 1844. Tom. V, p. 201–388.
[440] P. Pizarro, Relacion. p. 211.
[441] P. Pizarro, S. 224.
[442] Pachacamac ist jetzt meist unter Sand begraben und bei dem Umblick von den auf den Hügel gebauten Terassen des Tempels sieht man im weiten Umkreis die Reste der frühern Klöster, sowie der Befestigungen hervorragen. A. Bastian. Die Kulturländer des alten Amerika. I, 51. Berlin 1878.
[443] Cl. Markham hat (Reports on the discovery of Peru. Hakluyt Society. London 1872, p. 97) nach dem Verhältnisse von 100 Pesos Gold = 144 Ducaten, 120 Pesos Silber = 144 Ducaten den Geldwerth berechnet, der auf jeden Antheil entfiel. Doch weichen die Angaben von einander ab.
Pizarro erhielt | 312,000 | Ducaten, | |||
3 | Capitäne | der | Cavallerie | 165,000 | „ |
4 | „ | „ | Infanterie | 165,000 | „ |
60 Reiter | 1,166,000 | „ | |||
100 Mann zu Fuß | 1,458,000 | „ | |||
Almagro | 55,200 | „ | |||
Die Truppen Almagro’s | 331,200 | „ | |||
Der königliche Quint | 931,500 | „ | |||
Zuschlag von feinem Silber | 38,170 | „ | |||
In Summa | 4,605,670 | Ducaten, |
d. h. nach dem Geldwerth unserer Tage etwa 70 Millionen Reichsmark. Die ausführliche Liste über die Vertheilung der Beute gibt der spanische Notar Pedro Sancho (cf. Markham, l. c. p. 133–142). In folge dieser Reichthümer stiegen die Preise für europäische Waaren bedeutend: Ein Pferd kostete 2500–3300 Pesos, ein Paar Schuh oder Stiefel 30–40 Pesos, ein Mantel 100–120 Pesos, ein Buch Papier 10 Pesos u. s. w. — De Luque war inzwischen gestorben, also fiel sein Antheil hinweg.
[444] P. Pizarro, Relacion. p. 247.
[445] Nach Aug. de Çarate lib. III, cp. 1, p. 23 zählte sein Heer 570 Mann.
[446] Auf dem ganzen Zuge sollen 10,000 Indianer gefallen sein.
[447] Der Santiagofluß entspringt am Catacachi, nördlich vom Aequator, und fließt in die Bai von Panguapi (Bai von S. Mateo) nahe der Nordgrenze des Staates Ecuador, 1° 20′ n. Br.
[448] Vgl. den Brief des Bischofs von Cuzco in Colecion de doc. inedit. relat. al descubrim. III, 221 und den Brief Martins de Arauco, ebd. III, 213. Madrid 1865. Ferner P. Pizarro S. 353 ff.
[449] Castro’s Bericht in Cartas de India. p. 480. Madrid 1877.
[450] Die Charcas-Indianer wurden 1539 durch Pedro de Anzures besiegt, welcher in dem silberreichen Gebiete die Stadt la Plata anlegte (Chuquisaca in Bolivia). Francisco Pizarro hieß nach diesem Gebiete Marques de los Charcas.
[451] Der officielle Bericht über den Ausgang Pizarro’s findet sich in Colecion de doc. ined. para la historia de España. Vol. XXVI, p. 177.
[452] Die Liste der Spanier, welche die Fahrt mitmachten, gibt Oviedo, historia general. Madrid 1845. Tom. IV. lib. 49. cp. 2.
[453] Oviedo, Tom IV. lib. 50. cp. 24. p. 557.
[454] Carvajal (Oviedo p. 562) spricht von den Amazonen als einer gran novedad; que aquestas mugeres que alli peleaban como amaçonas, son aquellas de quien en muchas é diversas relaçiones mucho tiempo há que anda una fama extendida en estas Indias ó partes de muchas formas discontada, del hecho destas belicosas mugeres. Und auch Herrera (Dec. VI. lib. IX. cp. 4) gibt die Erzählung nur mit Vorbehalt, beruft sich aber auf die Wahrheitsliebe des muthigen Carvajal. Die Thatsache ist lange bezweifelt, und der Bericht unter die zahlreichen spanischen Erfindungen gerechnet, hat indes noch in der neuesten Zeit ihre Bestätigung durch den französischen Reisenden Crevaux gefunden, welcher am 31. October 1878 an dem Paru, einem aus dem Hochlande der Guayana herabkommenden Zuflusse, ein Dorf antraf, welches ausschließlich von geschiedenen Frauen bewohnt war. (Bull. d. l. soc. géogr. Paris 1882, p. 672). Das Geschlecht der Amazonen ist also noch nicht ausgestorben. Die Angabe Crevaux’ läßt uns auch annähernd den Punkt bestimmen, wo Orellana diese kriegerischen Weiber antraf, nämlich wahrscheinlich an der Mündung des Jamunda.
[455] Navarrete III, 294. Nr. V.
[456] Ein solcher, allerdings noch nicht genügend enträthselter Bericht hat sich in der „Copia der Newen Zeytung aus Presillg Landt“, einem Flugblatt, erhalten, welches um 1508 oder 1509 in Augsburg gedruckt und offenbar aus dem Italienischen ins Deutsche übertragen ist. Die Zeitung erzählt von einer Fahrt zweier portugiesischer Schiffe nach Brasilien (Presillg Landt) und von der Auffindung einer Straße etwa unter dem 40. Grade s. Br. Wann die Fahrt gemacht und wer die Expedition geleitet, ist nicht gesagt. Sie hat sich bisher auch mit keiner bekannten Unternehmung identificiren lassen, so daß arge Entstellung des Thatbestandes und selbst Fiction nicht ausgeschlossen ist. Aber Thatsache ist, daß die Zeitung um 1509 in Deutschland und Italien bekannt war und daß sie aus Portugal stammte. Daß sie zum Entwurf von Weltbildern benutzt wurde, werden wir weiterhin zeigen.
[457] Pigafetta in Ramusio Navigationi et Viaggi I, 354b und Herrera, Decad. II. lib. II. cp. 19. Vgl. auch Wieser, Magalhãesstraße. Innsbruck 1881. S. 49.
[458] Veröffentlicht von R. H. Major in der Archaeologia, Vol. XL. London 1865. Wieser, Magalhãesstraße S. 19 ff.
[459] Auf zwei Globen aus dem Jahre 1515, welche sich in Frankfurt und Weimar befinden. Wieser, Magalhãesstraße S. 19 ff.
[460] Navarrete III, 134.
[461] Die verstümmelte Namensform Magellan ist eine französische Abkürzung der spanischen Umformung des portugiesischen Namens und daher zu verwerfen.
[462] Vida e viagens de Fernão de Magalhães por Diego de Barros Arana, traducção de Hespanhol de Fernando de Magalhães-Villas-Boas. Lisboa 1881, p. 11, 145, 178.
[463] Martyr, Epist. 630, duobus transfugis Portugalensibus a suo rege discedentibus.
[464] Faria e Sousa, Comentarios a la Lusiada de Camoens II, coment. á octava 140 do canto X. — Barbosa, Bibl. Lusitana II, p. 31 citirt in Barros Arana, Vida e viagens de F. Magalh. p. 23.
[465] P. Martyr. Epist. 630. Si fauste res successerit, Orientalibus et Portugallo regi commercia intercipiemus.
[466] Navarrete IV, 116–122. Magalhães berechnete die Entfernungen in folgender Weise: Die Insel S. Antonio unter den Capverden 22° östl. von der Demarcationslinie, Cabo S. Augustin 20° östl., C. Sa. Maria am Laplata 5° östl. Malaka 17½° westlich der andern Demarcationslinie, welche durch den großen Ocean lief, und die Molukken theils 2½°, theils 4° östlich jener Grenzlinie. (Navarrete IV, 188.)
[467] Nach der von Navarrete IV, 12 ff. gegebenen Liste befanden sich unter der Mannschaft 20 Portugiesen, 23 Italiener, meist Genuesen, 10 Franzosen, 4 Flamländer, 1 Deutscher, 1 Engländer.
[468] Navarrete IV, 202. 203. An der Küste von Brasilien trat Alvaro de la Mezquita an seine Stelle als Capitän.
[469] Diario ó derrotero del viage de Magallanes, escrito por Francisco Albo in Navarrete IV, 209–247. Una montaña hecha un sombrero p. 211.
[470] Vielleicht der Puerto deseado nahe am 48° s. Br.
[471] Gomara, la historia general de las Indias. Anvers 1554. p. 127–128.
[472] Brief des Secretärs Maximilian Transilvanus an den Cardinal von Salzburg. In der spanischen Ueberarbeitung bei Navarrete IV, 260. 261.
[473] G. Correa, Lendas II ep XIV p. 625 behauptet, Magalhães habe das Kabeltau des Antonio heimlich durchschneiden lassen, um das Schiff zum Abtreiben zu bringen.
[474] Carta del Contador Juan Lopez de Recalde al Obispo de Burgos in Navarrete IV, 201–208.
[475] Eines Tages, erzählt Pigafetta, kam ein Riese zu uns an den Strand, der so groß war, daß wir mit dem Kopf ihm nur bis an den Gürtel reichten. (Anton Pigafetta’s Reise um die Welt. Gotha 1801. S. 30.)
[476] Louis de Bougainville, welcher von 1766–1769 die erste französische Erdumsegelung ausführte, gibt die Größe der Patagonen zu 5 Fuß 5 Zoll bis 5 Fuß 10 Zoll an. Vogaye autour du monde. Paris 1771. Cap. 4.
[477] Nach P. P. King’s Schilderung in Journal of the royal geogr. soc. vol. I p. 165.
[478] Die Reisen der deutschen Kriegsflotte im Jahre 1878, in der Allgemeinen Zeitung. 1879. S. 818. 819.
[479] Dasselbe hat sich abschriftlich in dem Tagebuch des Astronomen Andres de San Martin, welcher während der Fahrt starb, erhalten und ist von João de Barros Dec. III. lib. V. cp. 9 mitgetheilt. Vgl. Navarrete IV, p. 45–49.
[480] Max. Transilvanus § 9. Navarrete III, p. 266.
[481] Jetzt Cap Pillar, Pfeilercap nach seiner Gestaltung genannt.
[482] Loaysa brauchte 1526 zur Fahrt durch die Straße vier Monate, Drake 1577 nur 17 Tage. Von den Holländern und Engländern, welche am Schluß des 16. Jahrhunderts die Durchfahrt versuchten, kehrte die Hälfte wieder um. Byron brauchte 1765 51 Tage, Wallis 1767 116 Tage, Bougainville 1768 60 Tage. Alle diese Seefahrer besaßen Karten, Magalhães nicht.
[483] Nach den Untersuchungen von C. Meinicke (Petermann’s Mittheilungen 1868. S. 376) ist S. Pablo identisch mit Pukapuka (138° 48′ w. v. Gr.), und die Haifischinsel die Insel Flint (151° 48′ w. v. Gr.).
[484] Francisco Albo in Navarrete IV, 219.
[485] Die Angaben schwanken zwischen 1800 und 4000 Kriegern.
[486] Pigafetta schreibt diese rasche Freundschaft der Eingebung eines Traumes, Transilvanus der Sternkunde des Fürsten zu. Im Grunde war es nur die Handelseifersucht gegen Ternate.
[487] Pigafetta gibt folgende Preisliste. Für ein Bahar (40 Pfund) Nelken gab man, je nach Wahl, einen Posten der folgenden Waaren: 10 Ellen feines, oder 15 Ellen mittelfeines rothes Tuch, 15 Beile, 35 Glasschalen, 25 Ellen feine Leinwand, 150 Messer, 50 Scheeren, 40 Mützen, 1 Ctr. Bronze. Der genuesische Pilot bemerkt, daß der Werth des Tuches, welches man für 1 Bahar gab, in Spanien 14 Ducaten betragen habe.
[488] Navarrete IV, 96 zählt sie sämmtlich mit Namen auf.
[489] Die Berechnung, welche Peschel (Zeitalter der Entdeckungen S. 645, zweite Auflage S. 507) aufstellt, wonach man für 533 Centner auf den Molukken etwa 213 Ducaten bezahlt und auf dem Markte von London mehr als 100,000 Ducaten erhielt, ist nach P. A. Tiele (De Europeërs in den maleischen Archipel Bl. 60) unrichtig, weil 1) der Einkaufspreis höher war als 213 Ducaten, 2) der Preis in Spanien viel niedriger stand als in England und 3) auch der für England angenommene Marktwerth viel zu hoch gegriffen ist.
[490] San Antonio, die westlichste der Capverden liegt etwa 25° w. v. Gr. und Tidor 127½° ö. v. Gr. Der Abstand beträgt in Wirklichkeit 152½ Grad.
[491] Navarrete V, 1–439, besonders wichtig ist die Relacion Urdaneta’s, p. 401–439.
[492] Navarrete V, 103.
[493] Navarrete V, 183.
[494] Navarrete V, 95–114. 440–498, Colec. d. doc. inedit. rel. al descubr. V, 68–97.
[495] Wahrscheinlich die in der westl. Gruppe gelegenen Inseln Fais und Ulithi, vgl. Meinicke, Die Inseln des stillen Oceans II, 359.
[496] Navarrete V, 401–429.
[497] Wie ängstlich die Portugiesen darauf bedacht waren, den Weg zu den Gewürzländern geheim zu halten, geht auch daraus hervor, daß noch 1531 der Italiener Leone Pancaldo, welcher auf dem Flaggschiffe Magalhães’ als Matrose die Reise mitgemacht und glücklich zurückgekehrt war, in seiner Vaterstadt Savona vor einem öffentlichen Notar und einem Agenten des Königs von Portugal gegen eine Summe von 2000 Ducaten sich verpflichtete, keinem Menschen den Weg nach den Molukken zu zeigen und keine Karte davon zu zeichnen. C. B. Belloro, Elogio di Leone Pancaldo, citirt in Harrisse, Jean et Sebastian Cabot p. 73.
[498] Col. d. doc. ined. relat. al descubr. V, 117–209.
[499] Lamaliork in den westlichen Carolinen, zuerst 1526 von Diego de Rocha gesehen und Sequeira genannt.
[500] Vermuthlich ging in diesen Gegenden Grijalva mit seinem Schiff zu Grunde. En estas islas se perdió un navio del Marquis de Valle (Cortes), en que venia por Capitan Grijalva, el cual mataron los marineros. Col. d. doc. inedit. rel. al descubr. V, p. 154. Herrera. Dec. III. lib. IX. cp. 10.
[501] Ueber diese wichtige Reise finden sich zwei Originalberichte in der Colec. d. doc. ined. rel. al descubr. V, p. 210–211 und p. 221–286. Der letztere, leider ohne Schluß, ist, wie auf p. 240 ersichtlich ist, von Mendaña selbst verfaßt. Außerdem ein Bericht des Piloten Gallego in Justo Zaragoza, historia del descubr. de las regiones Austriales hecho por el general Fernandez de Quiros. Tom. I. p. 1–22. Madrid 1876, besonders werthvoll, weil er genauere Mittheilungen über den Abschluß der Expedition giebt.
[502] C. Meinicke, Die Inseln des stillen Oceans, Leipzig 1876. Bd. II. S. 425 u. 133 vermuthet, es sei die Insel Nui in der Ellicegruppe (7° 15′ s. Br.) gemeint.
[503] Mendaña nennt sie sogar heller als die Indianer Peru’s. Colec. d. doc. l. c. p. 244.
[504] J. Zaragoza, Historia del descubr. de las regiones Austriales hecho por el general Pedro Fernandez de Quiros. T. I. p. 19–22. Madrid 1876.
[505] J. Zaragoza l. c. I, 190 ff.
[506] J. Zaragoza l. c. II, 218 und Colec. d. doc. ined. rel. al descubr. V, 497–506.
[507] J. Zaragoza II, 190 u. Colec. de doc. V, 517 todo le que dice Pero Fernandez de Quiros, es mentiva y falsedad.
[508] H. Harrisse, Jean et Sebastien Cabot. Paris 1882. Ein grundlegendes Werk, welchem wir in diesem Abschnitte folgen.
[509] P. Amat di S. Filippo, Studi biografici e bibliografici sulla storia della geografia in Italia. Vol. I, 200. Roma 1882.
[510] Los de Bristol ha siete annos que cada anno un armado dos, tres, cuatro caravelas para ir a buscar la isla del Brasil y las siete ciudades con la fantasia deste Genoves. Der Brief ist vollständig abgedruckt bei Harrisse l. c. p. 329. Ueber die Lage der Insel der sieben Städte und über Brasil vgl. oben S. 21.
[511] Da alle drei Söhne in dem Patent mit aufgeführt sind, müssen sie 1496 bereits volljährig, d. h. nach engl. Rechte wenigstens 21 Jahre alt gewesen sein. Danach darf das Geburtsjahr des jüngsten, Sancto, nicht nach 1474 gesetzt werden; Sebastian, der bedeutendste der drei Söhne, welcher später die Pläne des Vaters weiter verfolgte, war älter, vielleicht 1472 geboren. Zu dieser Zeit muß der Vater bereits in Venedig ansässig gewesen sein. Sebastian Cabotto ist seiner Geburt nach Venetianer.
[512] Die letztere Annahme (1494) wird scheinbar durch eine Inschrift Sebastian Cabotto’s auf seiner 1544 entworfenen Weltkarte zur allein giltigen erhoben, wonach die Entdeckung 1494 stattgefunden haben soll. Allein es wird gezeigt werden, daß in der Jahreszahl selbst ein Fehler liegt. Die Inschrift, welche auf jener Weltkarte italienisch und lateinisch eingetragen ist, lautet in deutscher Uebersetzung: Dieses Land (nämlich Labrador) wurde von dem Venetianer Jean Caboto und seinem Sohne Sebastian Caboto entdeckt im Jahr der Geburt unseres Heilandes Jesu Christi M.CCCC XCIIII den 24. Juni morgens; sie gaben ihm den Namen „prima terra vista“ und einer großen Insel in der Nähe des erwähnten Landes den Namen St. Johannes, weil das Land am St. Johannistage entdeckt wurde. Harrisse (S. 52–60) weist mit Recht darauf hin, daß die Zahl 1494 auf einem Irrthum beruhe, daß die Ziffern vielmehr M.CCCC XCVII lauten sollten. Zunächst enthält schon die latein. Inschrift einen Druckfehler, insofern als Tag der Entdeckung der 24. Julii, statt Junii genannt ist. Es kann sich also auch in der Angabe der Jahreszahl ein Fehler eingeschlichen haben. Von der Weltkarte scheint es mehrere Ausgaben gegeben zu haben. Richard Hakluyt citirt dieselbe im dritten Bande seiner Voyages (London 1600) S. 6 und bemerkt, indem er die Inschrift mittheilt: ein Exemplar finde sich in der Privatgallerie der Königin zu Westminster, andere Exemplare seien noch in alten Handelshäusern zu sehen. Er sah also mehrere Exemplare und liest auf denselben: „Ano Domini 1497.“ Innere Gründe treten hinzu, um diese Zahl für die allein richtige zu halten. — Zunächst meldete Ruy Gonzales de Puebla am 21. Januar 1496 nach Spanien, daß jemand dem englischen Könige ein ähnliches Unternehmen wie Columbus bezüglich einer Fahrt nach Indien vorgeschlagen habe. Bereits neun Wochen darauf ließen Ferdinand und Isabella dem König Heinrich von England mittheilen, daß die von England beabsichtigten Fahrten gegen die Privilegien der spanischen und portugiesischen Krone verstießen, wie sie durch den Theilungsvertrag von 1494 sanctionirt waren. Aus der Sprache dieses Briefes geht hervor, daß das berührte Project etwas Neues war, dessen Ausführung man hoffte, noch hindern zu können, ähnlich wie später der König von Portugal bezüglich der Expedition Magalhães’ in Spanien Vorstellungen machte. Wenn nun Cabotto schon zwei Jahre vorher seine Entdeckung ausgeführt hätte, würde eine nachfolgende Schiffsausrüstung kaum von solchem Belang erschienen sein, um daran einen diplomatischen Schriftenwechsel zu knüpfen. Aber schon ehe der Brief der spanischen Majestäten einlief, hatte Heinrich VII. durch Erlaß vom 5. März 1496 den Plan Cabotto’s angenommen und genehmigt, daß er nach Westen, Osten und Norden mit fünf Schiffen unter englischer Flagge Inseln und Länder der Heiden aufsuchen könne. („ad inveniendum, discooperiendum et investigandum quascunque insulas, patrias, regiones sive provincias gentilium et infidelium in quacunque parte mundi positas, quae christianis omnibus ante haec tempora fuerunt incognitae.“) Die Fassung des Patents deutet sicher nur auf geplante, aber nicht auf schon gemachte Entdeckungen hin. — Ferner ist erst seit der zweiten Hälfte des Jahres 1497 überhaupt von bereits erfolgten Entdeckungen die Rede. Am 10. August 1497 erhielt Cabotto nach seiner Rückkehr von der Küste Amerika’s eine königliche Belohnung von zehn Pfund Sterling. Am 3. Febr. 1498 schreibt der Kanzler des Königs an Cabotto, daß dieser ermächtigt werde, nach dem Lande und den Inseln, die er kürzlich entdeckt, („the Londe and Iles of late founde by the seid John“, Harrisse, p. 317) Schiffe zu führen. Und endlich berichtet auch Pedro de Ayala am 25. Juli 1498, daß im vorhergehenden Jahre, also 1497, die Leute von Bristol Land im Westen aufgefunden hätten. So weist alles auf das Jahr 1497 hin. Nur von diesem Jahre kennen wir auch die Resultate.
[513] Die Inschrift lautet: Tierra del labrador. Esta tierra descubrieron los Ingleses.
[514] Vgl. Harrisse, S. 325.
[515] R. Hakluyt, Voyages III, p. 9.
[516] Die darüber geführte Correspondenz findet sich in Harrisse, S. 344–54.
[517] Mia intenzione era di pervenire in questa navigazione al Cathaj allo estremo oriente dell’ Asia. (Asher, Henry Hudson the navigator, London 1860. p. 224).
[518] Verrazzano’s Originalbericht, in italienischer Sprache, ist zuerst vollständig veröffentlicht in Asher, Henry Hudson, the navigator, London 1860. p. 199–288. (Hakluyt Soc.).
[520] Die betreffenden Inschriften auf der Karte Diego Ribeiro’s lauten: Tierra de Estebã Gomez: la qual descubrio por mandado de su magt. el añ de 1525. ay en ella muchos arboles y fructos de los de España y muchos rodovallos (?) y salmones y sollos (Hechte). no han alla lo oro. En toda esta costa del norte son los Indios de mayor estatura que no los de sancto Domingo, ni de las otras islas, mantienen se de mais y pescado, que ay en mucha abundancia y caça de muchos venados y de otras animalias. vistense de pelijas de lobos y de rapossos y zorras (Füchse).
[521] Navigation par le Capitaine Jacques Cartier aux iles de Canada, ed. par d’Avezac. Paris 1863.
[522] Die Resultate der beiden ersten Entdeckungsfahrten sind auf einer Karte niedergelegt, welche Jomard in seiner Sammlung mittelalterlicher Karten (Monuments de la géogr.) unter dem Titel: Karte eines Piloten Heinrichs II. von Frankreich veröffentlicht hat. Es kann aber gegenwärtig als erwiesen betrachtet werden (vgl. Bull. de l’acad. d. inscript. et belles lettres. Août 1867), daß die Karte noch unter Franz I. im Jahre 1542 entworfen ist.
[523] Francis Parkman, Die Pionniere Frankreich’s in der neuen Welt. Deutsch v. Fr. Kapp. S. 30. Stuttgart 1875.
[525] Hakluyt, Voyages III, 58.
[526] A. H. Markham, The Voyages and workes of John Davis the navigator. London, 1880. (Hakluyt Soc. Vol. 59.)
[527] A. H. Markham, John Davis p. 208.
[528] Nach Davis’ Bestimmung; Hope Sanderson liegt aber 72° 42′ n. Br.
[529] L. c. p. 47 this day and night we passed by a very great gulfe.
[530] The Worldes hydrographical discription. London 1595, wieder abgedruckt in A. H. Markham, John Davis p. 192–238.
[531] Davis machte 1591 bis 1593 unter Thomas Cavendish die Expedition nach der Magalhãesstraße und in der Zeit von 1598 bis 1604 mehrere Reisen nach Indien. Während der letzten Fahrt wurde er an der Ostküste von Malaka von asiatischen Piraten meuchlings überfallen und am 29. oder 30. December 1605 erschlagen.
[532] G. M. Asher, Henry Hudson, the navigator. London 1860 (Hakluyt Soc. Vol. 27).
[533] Prickett schreibt in seinem Tagebuche (Asher, Hudson. p. 111): About the middle of the moneth of November dyed John Williams, our gunner: God pardon the masters uncharitable dealing with this man.
[534] Clements R. Markham, The voyages of William Baffin. London 1881 (Hakluyt Soc.).
[535] Im Jahre 1821 hat Edward Parry dieselben Gebiete erforscht; seine Beobachtungen über die Flut stimmen mit Baffin überein, die Breitenbestimmungen Baffins fand er nahezu richtig. (Second voyage, London 1824, p. 33.)
[536] Nur Parry, 1819, und Nares, 1875, haben es mit Erfolg ausgeführt.
[537] Es scheint, als ob Baffin später an der Westseite, also von Asien her durch den großen Ocean, den Ausgang der Nordwestpassage zu finden hoffte. Um nach dieser Richtung seinem Lieblingsplan noch einmal näher treten zu können, ging er in den Dienst der ostindischen Compagnie, mit deren Unterstützung er sein Vorhaben ausführen zu können hoffte. Nachdem er schon eine Fahrt nach Indien gemacht, wurde ihm der Auftrag ertheilt, in Verbindung mit dem Schah Abbas von Persien die Portugiesen aus Ormuz zu vertreiben. Hier wurde er während der Belagerung der portugiesischen Citadelle am 23. Januar 1622 durch einen Kanonenschuß getödtet.
[538] Im Ptolemäus, Ulm 1482. Die Karte von Nordeuropa ist in getreuer Copie veröffentlicht in Nordenskiöld, Die Umsegelung Asiens und Europa’s auf der Vega. I, S. 48.
[539] Ebenda.
[540] Rerum Moscoviticarum commentarii. Abtheil. II. Fol. XXVIII. Wien 1549. Navigatio per mare glaciale.
[541] Gomara, Historia general. Anvers 1554. Fol. 16 verso. Agora ay mucha noticia y esperiencia, como se nauega de Noruega hasta passar por debaxo el mesmo Norte. — Fol. 10. Y continuar la costa hazia el Sur la buelta de la China. Olao Godo me contaua muchas cosas de aquella tierra y navegacion.
[542] In Historia de gentium septentrionalium variis conditionibus. Basel 1567.
[543] Verrazzano schreibt in seinem (oben S. 506) erwähnten Brief an Franz I. von Frankreich: Lo estremo della Europa, che sono i limiti di Norvegia, che stanno in gradi 71. (Asher, Hudson the navigator. p. 226.)
[544] Nordenskiöld, Die Umsegelung Asiens und Europa’s. I, 317.
[545] Der Reisebericht in Hakluyt, Principal Navigations. London 1598. p. 234 ff.
[546] Nordenskiöld, Die Umsegelung Asiens und Europa’s. I, 58.
[547] Hakluyt, Principal Navigations. London 1598. p. 274.
[548] Hakluyt, Principal Navigations. London 1598. p. 445.
[549] Nordenskiöld, Die Umsegelung Asiens und Europa’s. I, 203.
[550] A chronological history of the voyages into the arctic regions. London 1818. p. 99.
[551] J. K. J. de Jonge, De opkomst van het Nederlandsch Gezag in Oost-Indie. s’Gravenhage 1862. p. 10. S. Müller, Geschiedenis der noordsche compagnie. Utrecht 1874. p. 27.
[552] John Balaks Brief ist veröffentlicht in Hakluyt. I, 509. London 1598.
[553] De Jonge, De opkomst. p. 167.
[554] Mercator hatte auf seine Polarkarte die Inschrift gesetzt: Euripus ob celerem fluxum nunquam congelatur.
[555] S. Müller, Geschiedenis. p. 39. Resolutien der Staten-Generaal. 9. mei 1595. ebenda p. 358–60.
[556] Linschoten, Voyasie ofte schip-vaert by Noorden om. Amsterdam 1598. Derselbe, Navigatio in orientalem sive Lusitanorum Indiam. Hagae Comitis 1599. Die Reisen Barendszons sind beschrieben in Gerrit de Veer, Vraye description de trois Voyages des mers tres admirables etc. Amsterdam 1598. Von diesem Werke existiren auch holländische und latein. Ausgaben.
[557] Nordenskiöld I, 217, ist der Ansicht, daß den Holländern auf ihrer ersten und zweiten Reise der Weg nach dem Ob und Jenissei offen gestanden. Wenn sie die Fahrt fortgesetzt hätten, bis sie an einem der beiden Flüsse zu bewohnten Gegenden gekommen wären, so wäre ganz sicher schon im Anfang des 17. Jahrhunderts auf diesem Wege ein bedeutender Handel zwischen Nordasien und Europa entstanden.
[558] Die Resolution ist wieder veröffentlicht in Nordenskiöld I, 218.
[559] Müller, Geschiedenis. Bijlage V. p. 362 dat von stads wege twee schepen... datelyk zullen werden toegemaect. Die Expedition wurde also nicht, wie Nordenskiöld I, 218 schreibt, von Kaufleuten in Amsterdam, sondern von der Stadt ausgerüstet.
[560] An dieser Insel, welche 1603 auch von den Engländern aufgefunden wurde, trieben diese in den folgenden Jahren eine ergiebige Walroßjagd, bis man, seit 1610, als bei der Bäreninsel der Fang geringer wurde, sich nach Spitzbergen wandte.
[561] Daß Rijp nicht um Spitzbergen herum gesegelt ist, beweist P. A. Tiele in Aardrijksk. Genotsch. Deel. III, p. 136. Amsterdam, 1878. Vgl. auch S. Müller, Geschiedenis, p. 43, Anmerkung 3.
[562] Barentzoen, Nieuwe Beschr. ende Caertboeck van de niedlandtsche Zee, citirt in Müller, Geschiedenis, p. 38.
[563] Das Winterlager Barendsz.’s ist erst 1871 durch den norwegischen Polarfahrer Carlsen wieder aufgefunden; bis dahin hatte kein Schiff den Nordosten Nowaja Semlja’s wieder erreicht.
[564] Blavius, Atlas major, lat. Ausgabe. 1665. I. Fol. 24 und 31.
[565] Die von Pontanus 1611 entworfene Karte (wiedergegeben im Nordenskiöld I, 220) rückt Hudsons äußersten Punkt an der Küste Grönlands, Hold with hope, um 20 Meridiane zu weit nach Osten, bis unter den Meridian von Edinburgh, aber vermuthlich nach den Angaben Hudsons selbst, welcher keine Längenbestimmung in seinem Tagebuche angesetzt hat.
[566] De Jonge, Opkomst I. p. 28–30. S. Müller, Geschiedenis. p. 60–66.
End of the Project Gutenberg EBook of Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen, by Sophus Ruge *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GESCHICHTE DES ZEITALTERS *** ***** This file should be named 54832-h.htm or 54832-h.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/5/4/8/3/54832/ Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive) Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. They may be modified and printed and given away--you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the trademark license, especially commercial redistribution. START: FULL LICENSE THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free distribution of electronic works, by using or distributing this work (or any other work associated in any way with the phrase "Project Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg-tm License available with this file or online at www.gutenberg.org/license. Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm electronic works 1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the terms of this license and intellectual property (trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. 1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be used on or associated in any way with an electronic work by people who agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works even without complying with the full terms of this agreement. See paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic works. See paragraph 1.E below. 1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the collection are in the public domain in the United States. If an individual work is unprotected by copyright law in the United States and you are located in the United States, we do not claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, displaying or creating derivative works based on the work as long as all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily comply with the terms of this agreement by keeping this work in the same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when you share it without charge with others. 1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in a constant state of change. If you are outside the United States, check the laws of your country in addition to the terms of this agreement before downloading, copying, displaying, performing, distributing or creating derivative works based on this work or any other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no representations concerning the copyright status of any work in any country outside the United States. 1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: 1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed, copied or distributed: This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook. 1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not contain a notice indicating that it is posted with permission of the copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in the United States without paying any fees or charges. If you are redistributing or providing access to a work with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted with the permission of the copyright holder, your use and distribution must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the permission of the copyright holder found at the beginning of this work. 1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm License terms from this work, or any files containing a part of this work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. 1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this electronic work, or any part of this electronic work, without prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with active links or immediate access to the full terms of the Project Gutenberg-tm License. 1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any word processing or hypertext form. However, if you provide access to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1. 1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided that * You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has agreed to donate royalties under this paragraph to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid within 60 days following each date on which you prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty payments should be clearly marked as such and sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation." * You provide a full refund of any money paid by a user who notifies you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm License. You must require such a user to return or destroy all copies of the works possessed in a physical medium and discontinue all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm works. * You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the electronic work is discovered and reported to you within 90 days of receipt of the work. * You comply with all other terms of this agreement for free distribution of Project Gutenberg-tm works. 1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The Project Gutenberg Trademark LLC, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below. 1.F. 1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread works not protected by U.S. copyright law in creating the Project Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic works, and the medium on which they may be stored, may contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by your equipment. 1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all liability to you for damages, costs and expenses, including legal fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH DAMAGE. 1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a written explanation to the person you received the work from. If you received the work on a physical medium, you must return the medium with your written explanation. The person or entity that provided you with the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a refund. If you received the work electronically, the person or entity providing it to you may choose to give you a second opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy is also defective, you may demand a refund in writing without further opportunities to fix the problem. 1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. 1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any provision of this agreement shall not void the remaining provisions. 1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance with this agreement, and any volunteers associated with the production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees, that arise directly or indirectly from any of the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause. Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of electronic works in formats readable by the widest variety of computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director gbnewby@pglaf.org Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit www.gutenberg.org/donate While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For forty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.