The Project Gutenberg EBook of Meine Wasser-Kur, by Sebastian Kneipp This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook. Title: Meine Wasser-Kur Author: Sebastian Kneipp Release Date: March 22, 2018 [EBook #56814] Language: German Character set encoding: UTF-8 *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK MEINE WASSER-KUR *** Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net
Anmerkungen zur Transkription
Der vorliegende Text wurde anhand der 1921 erschienenen Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert; ungewöhnliche und regional gefärbte Ausdrücke bleiben gegenüber dem Original unverändert. Rechtschreibvarianten wurden nicht vereinheitlicht, sofern die Verständlichkeit des Textes dadurch nicht berührt wird.
Die gedruckte Fassung wurde in einer Frakturschrift gesetzt, in der die Großbuchstaben I und J identisch sind. Die Initiale des Arztes Dr. I. aus Lyon wurde daher vom Bearbeiter willkürlich festgelegt. Weiterhin wird im Alphabetischen Register nunmehr zwischen den Begriffen mit den Anfangsbuchstaben I und J unterschieden, was im Original nicht möglich war. Passagen in Antiquaschrift im Original werden hier kursiv dargestellt.
In der Buchversion wurde für den Begriff ‚et cetera‘ die tironische Note für ‚et‘ verwendet, welche allerdings mit vielen Schriftarten nicht dargestellt werden kann. Aus diesem Grund wurde in der elektronischen Version von der Abkürzung ‚etc.‘ Gebrauch gemacht.
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durch mehr als 40 Jahre erprobt u. geschrieben zur Heilung der Krankheiten u. Erhaltung der Gesundheit
von
Msgr. Sebastian Kneipp
Päpstl. Geheimkämmerer, Pfarrer in Wörishofen (Bayern), Inhaber des Komturkreuzes vom Orden des hl. Grabes.
Mit dem Bildnisse des Verfassers
Jubiläumsausgabe
erschienen im Jahre der
100. Wiederkehr des
Geburtstages
Kneipps
92. Auflage
Verlag Josef Kösel & Friedrich Pustet
Kommandit-Gesellschaft München
Verlagsabteilung Kempten
1921
„Geh’ hin und wasche Dich siebenmal im Jordan, und
Dein Fleisch wird wieder gesund und Du rein werden!“
4. Kön. 5, 10.
Sämtliche Rechte, insbesondere Übersetzungsrecht, sind vorbehalten.
Druck von Jos. Kösel, Kempten.
Als Priester liegt mir vor allem das Wohl der unsterblichen Seelen am Herzen. Dafür lebe ich, und dafür will ich sterben. In den verflossenen vier Jahrzehnten, 30 bis 40 lange Jahre hindurch, haben mir indessen auch die sterblichen Leiber viele Arbeit und opfervolle Sorgen bereitet. Ich habe diese Arbeit nie gesucht. Das Kommen eines jeden Kranken war und ist mir (natürlich gesprochen) eine Last. Nur der Aufblick zu demjenigen, der vom Himmel herabgestiegen ist, unser aller Krankheiten zu heilen, und der Gedanke an die Verheißung: „Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen....; der letzte Trunk Wasser soll nicht unbelohnt bleiben“ waren imstande, die naheliegende Versuchung, alle Bittgesuche ohne Unterschied des Bittstellers in jedem Falle abzuweisen, zu unterdrücken. Diese Versuchung lag um so näher, da nicht Gewinn, vielmehr unberechenbarer Zeitverlust; nicht Ehre, vielfach Verleumdung und Verfolgung; nicht Dank, sondern in gar manchem Falle Undank, Spott und Hohn meine Diäten bildeten. So mußte es gut sein, und ich bin ganz damit zufrieden. Daß ich aber nach solchen Antezedenzien (Vorgängen) nicht besondere Lust verspüre zum Schreiben, begreift ein jeder, zumal bereits das Alter drückt und Geist und Körper sich nach Ruhe sehnen.
Nur das anhaltende und ungestüme Drängen meiner Freunde, die es eine Sünde gegen die Nächstenliebe nennen, wenn meine Erfahrungen mit meinem modernden Körper in die Grube fahren, zahllose Bittschreiben von Geheilten, insbesondere aber das Flehen armer, verlassener Kranker auf dem Lande drücken mir den Schreibgriffel in die widerstrebende, bereits zitternde Hand.
Der ärmeren Klassen, der vielfach verwahrlosten und vergessenen Kranken auf dem einsamen Lande habe ich mich jederzeit mit besonderer Aufmerksamkeit und Liebe angenommen. Diesen vor allen soll mein Büchlein gewidmet sein. Die Sprache ist zu dem Zwecke angemessen, einfach, klar. Mit Absicht suche ich, mit Umgehung jedes gelehrten Firlefanzes, mehr in Unterhaltungsform zu schreiben, als ein dürres, ausgetrocknetes, saft- und kraftloses Gerippe zu geben. Die Breite der einen oder anderen Erzählung, manche Wiederholungen mag man, den guten Zweck, die redliche Absicht im Auge behaltend, nachsichtig übersehen.
Nichts lag mir ferner, als gegen irgendeine der bestehenden medizinischen Richtungen polemisierend, kämpfend aufzutreten, irgendeine Persönlichkeit, deren Wissenschaftlichkeit und Ruf auch nur im kleinsten Punkte anzugreifen.
Ich weiß sehr gut, daß nur dem eigentlichen Fachmanne derlei Veröffentlichungen zustehen; ich lebe indessen der Überzeugung, daß gerade solche dankbar sein werden, wenn einmal auch ein Laie seine viel[S. iv]jährigen Erfahrungen in dieser Beziehung mitteilt. Jedem aufrichtigen Entgegenkommen werde ich stets mit Freuden die Hand reichen, Korrekturen und Winke dankbar annehmen. Um jenen unschweren Tadel und jene gar leichte Kritik aber, welche Parteistandpunkten entfließen, werde ich mich durchaus nicht kümmern und den „Pfuscher“ und „Quacksalber“ ruhig hinnehmen.
Ich selbst habe nichts sehnlicher gewünscht, als daß ein Mann von Beruf, ein Arzt, mir diese schwere Last und drückende Arbeit abgenommen hätte, und ich trage kein innigeres Verlangen und Wünschen, als daß endlich die Leute vom Fach allgemeiner und umfassender auch die Wasserheilmethode gründlich studieren und in die Hand und Aufsicht nehmen mögen. Ein solcher wolle diese Laienarbeit als kleines Hilfsmittel betrachten. An dieser Stelle kann ich versichern daß trotz meines vielfach sehr schroffen und abstoßenden Benehmens das größte Gebäude nicht ausgereicht hätte, all die Kranken und Leidenden, welche ohne Übertreibung nach Tausenden und Zehntausenden zählen, aufzunehmen, daß ich ferner mit Leichtigkeit reich, sehr reich sein könnte, wenn ich nur einen Teil des mir angebotenen Heillohnes hätte annehmen wollen. Viele Patienten kamen und sagten: „Ich gebe 100, 200 Mark, wenn Sie mich gesund machen.“ Der Leidende sucht Hilfe, wo er sie findet, und bezahlt dem Arzte mit Freuden, was ihm zukommt, wenn er ihn heilt, gleichviel ob die Heilung mit der Medizinflasche oder der Wasserkanne geschieht.
Berühmte Männer aus dem Stande der Ärzte haben die Wasserheilmethode mit Entschiedenheit und großen Erfolgen begonnen. Mit ihnen wurden ihre Winke und Ratschläge und Kenntnisse vielfach begraben. Daß endlich einmal dem Morgenrot ein dauernder heller Morgen folge!
Für jeden im Buche genannten oder angedeuteten Namen stehe ich jederzeit mit voller Verantwortung ein und werde nie anstehen, auf Verlangen denselben öffentlich zu nennen. Manche vielleicht harte Ausdrucksweise möge man auf Rechnung meiner etwas herben und derben Gemütsart schreiben. Mit ihr bin ich alt geworden, und es fällt beiden schwer, uns im Alter noch zu verleugnen und zu trennen.
Dem die Wanderung antretenden Büchlein möge vor allem Gottes Segen nicht fehlen!
Und wenn einst meine Wasserfreunde erfahren, daß ich in die Ewigkeit gewandert, dann wollen sie mir den Liebesdienst erweisen und in einem kräftigen Vaterunser einen kühlenden Strahl mir nachsenden, allwo der Arzt der Ärzte die arme Seele in der Feuerkur zum ewigen Leben heilt und läutert.
Wörishofen, Eisenbahnstation Türkheim in Schwaben,
1. Oktober 1886.
Der Verfasser.
Aus dem Vorworte zur sechsten Auflage.
.... Ich benütze daher diese Gelegenheit, nochmals das Jordanbad bei Biberach in Württemberg bestens zu empfehlen, welches ganz nach meiner Heilmethode anfangs Mai 1889 eröffnet wird unter Leitung des Dr. med. Stützle, eines tüchtigen Arztes, der sich, wie bereits in der 5. Auflage bemerkt, eine gründliche Kenntnis und Erfahrung dahier und somit mein volles Vertrauen erworben hat. Ich lebe der festen Überzeugung, daß solchen Ärzten mein Heilverfahren ebenso zur eigenen Befriedigung wie zum Segen ihrer Patienten gereichen wird.
Wörishofen, am Neujahrstage 1889.
Der Verfasser.
Aus dem Vorworte zur zwölften Auflage.
.... Besonders aber tröstet mich, daß neue Heil-Anstalten entstanden und entstehen, so daß in den verschiedenen Gegenden die Leidenden nicht zu weit zu reisen haben, um Hilfe durch Wasser-Anwendungen zu bekommen. Das Jordanbad bei Biberach wurde eröffnet; recht viele Kranke haben sich dorthin gewendet, und die Anstalt hat schon viele recht glückliche Kuren aufzuweisen. Eine zweite Gelegenheit ist geboten in Immenstadt; auch von dieser Anstalt wird nur Rühmliches gesagt, und deshalb ist gute Aussicht für die Zukunft vorhanden, daß sich dieselbe immer weiter entwickeln werde.
Die dritte Wasserheilanstalt wurde eröffnet in Ulm und wird, wie ich schon öfters gehört, sich nach und nach immer weiter entfalten.
In Rosenheim ist auf allgemeines Verlangen der Stadt eine Anstalt nach meinem System kürzlich eröffnet worden, und ich habe bereits gehört von den guten Erfolgen; denn Herr Dr. Bernhuber war längere Zeit in Wörishofen Badearzt und besitzt ein herrliches Talent für sein Fach. Er ist nicht bloß ein guter Arzt, sondern auch ein vorzüglicher Operateur; derselbe hat oft erklärt: „Mit Wasser werden Krankheiten geheilt, wo andere Mittel keine Hilfe mehr bringen können.“ Deshalb hoffe ich mit Grund, daß gerade diese Anstalt sich recht segensreich entwickle.
Herr Dr. Georg Wolf hat in Traunstein, wo schon durch das frühere Bad die nötigen Gebäude vorhanden sind, eine neue Anstalt eröffnet. Herr Dr. Wolf ist ein ruhiger, besonnener und edler Charakter, hat in Wörishofen durch längere Zeit mein ganzes Heilverfahren gründlich kennen erlernt und eingeübt, und ich glaube, daß ich diesen Arzt mit Recht den Patienten für das Heilverfahren meiner Wasserkur aufs wärmste empfehlen kann. So haben meine vielen Freunde und Gäste in der Nähe und in der Ferne, namentlich die in Österreich, eine günstige Gelegenheit, die guten Wirkungen meiner Wasserkur unter seiner Leitung kennen zu lernen; denn gerade Leidende aus Österreich und Ungarn, so weit von hier entfernt, haben mit großer Begeisterung meine hiesige Wasserkur-Anstalt besucht und nach der Heimkehr, in dankbarer Erinnerung an die erzielten Erfolge, mein Heilverfahren weiter verbreitet.
Wörishofen, den 3. Dezember 1889.
Der Verfasser.
Aus dem Vorwort zur siebenundzwanzigsten Auflage.
Zu den neuesten Anstalten, die nach meinem Prinzipe entstanden sind, gehört ferner die Kaltwasserheilanstalt Schärding in Oberösterreich. Die[S. vi]selbe wird von einem meiner Schüler, Herrn Otto Ebenhecht, geführt und kann ich vorgenannten Herrn jedermann empfehlen.
Eine zweite Anstalt in Österreich hat in Brixen (Süd-Tirol) Herr Dr. Otto v. Guggenberg jüngst eröffnet. Auch dieses Institut eines meiner eifrigsten und gelehrtesten Jünger empfehle ich angelegentlichst zu fleißiger Frequenz.
Im Monat Januar 1891 hat Herr Dr. Wendelin Loeser eine Wasserheilanstalt nach meiner Methode in Veitshöchheim bei Würzburg eröffnet. Herr Dr. Loeser ist ein ruhiger Denker und wird sicher seinem Unternehmen Ehre machen.
Wörishofen, 26. Februar 1891.
Der Verfasser.
Aus dem Vorworte zur dreiunddreißigsten Auflage.
Beim Erscheinen der 33. Auflage will ich ankündigen, daß in derselben manche Abänderung getroffen wurde. Es gibt Leute, die auch die einfachste Schreibweise und einfachste Darstellung mit Zweifel erfüllt. So wurde bei verschiedenen Anwendungen manches geändert, manches weggelassen, manches ergänzt, so daß das Ganze besser aufgefaßt und sicherer angewendet werden kann. Und so Gott will, wird noch eine gänzlich umgearbeitete Ausgabe dieser verbesserten Auflage folgen.
Wörishofen, am 14. August 1891.
Der Verfasser.
Aus dem Vorwort zur fünfzigsten Auflage.
Die „Wasserkur“ hat jetzt bereits die fünfzigste Auflage erlebt und möchte gern ein Jubiläum feiern und allen Menschen, besonders den Kranken zurufen: „Lernet das Wasser und seine Anwendungen und Wirkungen recht kennen, und es wird euch Hilfe bringen, wo Hilfe noch möglich ist!“
Was mich betrifft, so kann ich mich nur freuen und wünsche von Herzen, daß fernerhin alle Kranken Linderung und Hilfe bekommen. Ich wünsche besonders, daß die Fachmänner der Medizin das Wasser, diese Gabe des Schöpfers, recht anzuwenden sich beeifern und diesem Stiefkinde ein Plätzlein im Hause und Heilmittelschätze gönnen möchten.
Der fünfzigsten Auflage gebe ich den Auftrag: Nehme dich der Kranken an, daß sie gesund werden! Sei gut Freund den Gesunden, daß sie nicht erkranken! Und weil ich als Priester täglich das heilige Opfer darbringe, so sollen alle diejenigen im heiligen Opfer eingeschlossen sein, welche nach Wörishofen kommen, und auch diejenigen, welche die Kur zu Hause gebrauchen wollen, damit sie den Segen des Himmels zur Genesung erlangen.
Wörishofen, am Lichtmeßtage 1894.
Der Verfasser.
Vorwort zur sechzigsten Auflage.
Eine brave Familie hatte einen recht gut erzogenen Sohn, der zu den besten Hoffnungen berechtigte und sich auch für seinen Stand und Beruf ziemlich gut ausgebildet hatte. Eines Tages bat er seinen Vater, er möge ihm erlauben, eine große Reise durch die ganze Welt zu machen, und versprach ihm, nach Verlauf von neun Jahren bestimmt wieder zu kommen und alle Erlebnisse zu erzählen, die er mitgemacht habe. Nach dieser Zeit wolle er wieder bei seinen Eltern zu Hause bleiben und sich stets bemühen, ein treuer[S. vii] und guter Sohn zu sein. Die guten Eltern ließen ihren Sohn sehr ungerne fort; denn sie fürchteten, es möchte ihm schlimm ergehen, und er möchte unter schlechte Gesellschaft geraten, wodurch er verdorben werden könnte. Endlich reiste der Sohn, nachdem er noch zuvor den elterlichen Segen erbeten und auch erhalten hatte, ab. Er hatte nur das Beste im Auge und bewahrte sein den Eltern gegebenes Versprechen treu und gewissenhaft. Genau nach neun Jahren kam er wieder nach Hause, und zwar als derselbe gute und brave Sohn, als welcher er das elterliche Haus verlassen hatte. Und wer mit ihm zusammentraf, wollte so gut wie die Eltern selbst seine Lebensschicksale gerne hören.
Dieses Bild paßt gar nicht übel auf „Meine Wasserkur“, die ich vor neun Jahren in der edelsten und besten Absicht auch in die Welt hinausgeschickt habe, damit die Menschen in ihren vielen Mühseligkeiten und Leiden Linderung und Hilfe bekommen und zugleich lernen sollten, wie man zu leben habe, um gesund, berufsfähig und ausdauernd zu bleiben und ein hohes Alter zu erreichen. Die überaus günstige Aufnahme und ungemein rasche Verbreitung meiner „Wasserkur“ gehört sicher zu den Seltenheiten, und es wird nicht leicht ein Buch gefunden werden können, das in so kurzer Zeit 59 Auflagen erlebt hat und nun in sechzigster Auflage erscheint. Nicht minder auffallend und überraschend ist es, wie sich das ehedem so einfache Wörishofen während dieser Jahre so bedeutend verändert hat. Wer Wörishofen in den früheren Jahren gesehen hat und es jetzt sieht, der wird es fast nicht mehr erkennen. Je mehr meine Bücher in allen Ländern verbreitet wurden, um so mehr kamen und kommen noch von allen Himmelsgegenden die Kranken herbei, und dadurch wurde ich gezwungen, obwohl ich es gar nicht im Sinne hatte, eine Wasserheilanstalt zu errichten, damit die Kranken in der „Heimat der Wasserkur“ Trost und Hilfe bekommen könnten. So wenig ich selbst anfangs zur Errichtung einer derartigen Anstalt geneigt war, geradeso sträubte sich auch Wörishofen lange Zeit dagegen; nur das gute Verhältnis zwischen mir und meinen Pfarrangehörigen konnte dies endlich zustande bringen.
Nach neun Jahren kam der Sohn wieder nach Hause und erzählte seine Lebensschicksale. So könnte auch „Meine Wasserkur“ nach diesen neun Jahren manches Schicksal erzählen. Sie ist wohl in den meisten Häusern gut aufgenommen worden, wenn sie auch von manchem mit Unwillen in einen Winkel geworfen wurde. Es wird ihr ergangen sein, wie es allen Unternehmungen ergeht; das Gute wird nicht selten angegriffen, und würde es nicht angegriffen, so wäre es auch nicht gut. So ging es auch mit der „Wasserkur“ und ihrem Verfasser.
Nun geht die sechzigste Auflage in die große Welt hinaus. Möge sie eine höhere Macht führen und ein höherer Beistand ihr immer folgen, wo immer sie angewendet wird!
Ich selbst werde mit dem Buche im Geiste herumwandern in die einzelnen Gegenden und nicht versäumen, den Lenker aller Schicksale anzurufen, er möge allen zuteil werden lassen, was für ihr zeitliches und ewiges Heil nützlich ist.
Wörishofen, den 15. März 1896.
Der Verfasser.
Erster Teil: Wasser-Anwendungen.
ein Blatt am Baume ist dem andern absolut oder vollkommen gleich, viel weniger ein Menschenschicksal dem andern. Könnte ein jeder vor seinem Sterben sein Leben schreiben, es wären so viele verschiedene Lebensbilder als Menschen selbst. Verworren sind die Wege, die in deinem Leben kreuz und quer sich durcheinander verschlingen, — zuweilen gleich einem unentwirrbaren Knäuel, bei dem die Fäden ohne Plan und Zweck ungeordnet aufeinander liegen. So scheint es oftmals, in der Tat jedoch ist es niemals so. Das Licht des Glaubens wirft seinen erhellenden Strahl in das wirre Dunkel und zeigt, wie all die verschlungenen Pfade weisen Zwecken dienen und sämtliche auf ein vom allweisen Schöpfer von Anfang an geplantes und gestecktes Ziel hinführen. Wunderbar sind die Wege der Vorsehung.
Wenn ich von der Hochwarte des Alters aus die zurückgelegten Lebensjahre überblicke und die Verschlingungen meiner Wege sehe, so schlängeln diese einigemal scheinbar am Rande des Abgrundes; zuletzt aber münden und führen sie gegen alle Hoffnung auf die Sonnenhöhe des Berufes, und ich habe allen Grund, das liebevolle und weise Walten der Vorsehung zu preisen, umsomehr, als die nach menschlichem Dünken schlimmen und zum Tode führenden Pfade mir und unzähligen anderen den neuen Lebensquell zeigten.
Ich war über 21 Jahre alt, als ich mit dem Wanderbuche in der Tasche die Heimat verließ. Das Wanderbüchlein charakterisierte mich als Webergesellen, doch seit meiner Kindheit Tagen stand es auf den Blättern des Herzens anders geschrieben. Mit namenlosem Weh und sehnsüchtiger Ausschau nach Verwirklichung meines Ideals hatte ich auf diesen Abschied lange, lange Jahre gewartet,[S. 2] ich wollte Priester werden. So ging ich, nicht wie man wünschte und hoffte, das Weberschifflein weiter zu rudern, sondern ich eilte von Ort zu Ort und suchte, ob ich niemanden fände, der mir zum Studium behilflich wäre. Da nahm sich der nun verewigte Prälat Matthias Merkle († 1881), der damals Kaplan in Grönenbach war, meiner an, gab mir zwei Jahre hindurch Privatunterricht und bereitete mich mit so unermüdetem Eifer vor, daß ich schon nach diesen zwei Jahren ins Gymnasium aufgenommen werden konnte. Die Arbeit war keine leichte und allem Anscheine nach eine vergebliche. Nach 5 Jahren der größten Entbehrung und Anstrengung war ich körperlich und geistig gebrochen. Der Vater holte mich einst aus der Stadt, und noch klingen mir die Worte des Wirtes in den Ohren, bei dem wir rasteten. „Weber,“ sagte er, „dieses Mal holt Ihr den Studenten zum letztenmal.“ Der Wirt war nicht der einzige, der so sprach; mit ihm teilten andere dieselbe Ansicht. Ein damals berühmter Militärarzt galt als großer Menschenfreund und als hochherziger Helfer armer Kranker. Im vorletzten Jahre meiner Gymnasialzeit besuchte er mich 90 mal, im letzten Jahre wohl über 100 mal. So gerne hätte er mir geholfen; aber das fortschreitende Siechtum siegte über seine ärztlichen Kenntnisse und seine stets opferbereite Nächstenliebe. Ich selbst hatte längst alle Hoffnung aufgegeben und sah mit stiller Ergebung meinem Ende entgegen.
Zur Unterhaltung und Zerstreuung blätterte ich gerne in Büchern. Der Zufall — ich bediene mich dieses gebräuchlichen, aber vagen, d. i. nichtssagenden Wortes; denn es gibt gar keinen Zufall — spielte mir ein unscheinbares Büchlein in die Hand; ich öffnete es; es handelte von der Wasserheilkunde. Ich blätterte hin und blätterte her; da stand Unglaubliches. Am Ende, so blitzte ein Gedanke in mir auf, findest du gar deinen selbsteigenen Zustand! Ich blätterte weiter. Richtig, das paßte, das stimmte, das war fast bis aufs Haar getroffen. Welche Freude, welcher Trost! Neue Hoffnungen elektrisierten den welken Leib und den noch welkeren Geist. Das Büchlein wurde zuerst der Strohhalm, an den ich mich klammerte; nach kurzer Zeit war es der Stab, auf welchen sich der Kranke stützte; heute gilt es mir als das Rettungsboot, welches eine barmherzige Vorsehung mir zur rechten Zeit, in der Stunde der höchsten Not sandte.
Das Büchlein, das von der Heilkraft des frischen Wassers handelt, ist von einem Arzte geschrieben, die Anwendungen selbst sind größtenteils sehr schroff und streng. Ich probierte ein[S. 3] Vierteljahr, ein halbes Jahr; ich fühlte keine wesentliche Besserung, aber auch nie Nachteile. Das gab Mut. Es kam der Winter des Jahres 1849; ich war wieder in Dillingen. Wöchentlich 2–3 mal suchte ich eine einsame Stelle und badete einige Augenblicke in der Donau. Rasch war ich der Badestelle zugeeilt, noch rascher marschierte ich nach Hause in die warme Stube. Schaden brachte diese kalte Übung nie, Nutzen, wie ich meinte, nicht viel. Im Jahre 1850 kam ich in das Georgianum nach München. Da fand ich einen armen Studenten, dem es noch viel schlimmer erging als mir selbst. Der Anstaltsarzt weigerte sich, ihm zur Erlangung des für die Weihe notwendigen Tischtitels ein Gesundheitszeugnis zu schreiben; denn, so lautete das Verdikt, er lebe nicht mehr lange. Jetzt hatte ich einen lieben Kollegen. Ich weihte ihn ein in die Mysterien (Geheimnisse) meines Büchleins, und wir beide probierten und praktizierten um die Wette. Der Freund erhielt binnen kurzer Frist vom Arzte das gewünschte Zeugnis und lebt heute noch. Ich selbst erstarkte mehr und mehr, wurde Priester und lebe im hl. Berufe schon über 38 Jahre. Meine Freunde schmeicheln mir und sagen, daß sie heute noch, wo ich bereits 70 Jahre zähle, die Stärke meiner Stimme bewundern und über meine Körperkräfte staunen. Ein treubewährter Freund blieb mir das Wasser; wer kann es mir verargen, daß ich ihm gleichfalls treue Freundschaft bewahre?
Wer selbst in Not und Elend saß, der weiß Not und Elend des Nächsten zu würdigen.
Nicht alle Kranken sind in gleicher Weise unglücklich. Wer Mittel und Wege besitzt, sich Heilung zu verschaffen, kann sich leicht mit einer kurzen Leidenszeit versöhnen. Solche Kranke wies ich selbst in den ersten Jahren zu Hunderten und Tausenden ab und ließ sie abweisen. Jener Arme bedarf zumeist unseres Mitleids, welcher, selbst arm und verlassen, von den Ärzten aufgegeben und von den Medikamenten und Heilmitteln verlassen ist. Leute dieser Art zähle ich in großer Menge zu meinen Freunden; denn solche Arme und gänzlich Verarmte, die nirgends mehr Hilfe bekamen, habe ich nie abgewiesen. Hart, gewissenlos und undankbar wäre es mir vorgekommen und käme es mir noch vor, solchen Verlassenen die Türe zu verschließen, jene Hilfsquellen zu verweigern, welche mir selbst in meiner Not Heilung und Rettung gebracht haben.
Die große Zahl der Leidenden, die noch größere Verschiedenheit ihrer Leiden spornte an, die Wasser[S. 4]erfahrung zu bereichern, die Wasserheilmethode zu vervollkommnen.
Meinem ersten Wasserrate, dem bekannten Büchlein, bin ich für seinen einleitenden Unterricht von Herzen dankbar. Doch bald schon erkannte ich, daß manche Anwendungen zu schroff, für die menschliche Natur viel zu stark und abschreckend sind. „Roßkuren“ nannte man mit Vorliebe die Wasserkur, und noch heutzutage lieben es viele, welche das beschimpfen, was sie gar nicht kennen oder nicht gründlich kennen, alles nach Wasser Schmeckende in Bausch und Bogen als Schwindel, Pfuscherei usw. zu bezeichnen. Gerne gebe ich zu, daß manche Anwendungen und Übungen der noch primitiven, d. h. erst entstehenden und noch unentwickelten Wasserkur eher für ein starkmuskeliges und starkknochiges Roß paßten als für ein von Fleisch weich umkleidetes und mit zarten Nervchen besaitetes Menschengerippe.
Im Leben des berühmten Paters Ravignan S. J. kommt folgende Stelle vor: „Seine Krankheit, ein Halsübel, wurde durch die Anstrengung (der Pater war ein berühmter Prediger, der in Paris, London und vielen anderen großen Städten mit apostolischem Eifer seines Amtes waltete) verschlimmert und ging bald in ein chronisches über.... Die Luftröhre war nur mehr eine Wunde, die Stimme blieb erloschen und sein Organ wie erschöpft. Zwei ganze Jahre (1846–1848) sollten in Untätigkeit und Leiden verfließen. Kuren an verschiedenen Orten, Luftveränderung im Süden, welche folgten, verliefen ohne Resultate. Im Juni des Jahres 1848 nahm Pater Ravignan Aufenthalt bei Doktor K. R.... in dessen Landhaus im Tale zu B.... Eines Morgens nach der Messe, zu der Stunde, die gewöhnlich alle Bewohner des Hauses vereinigte, kündigte der Doktor den Versammelten mit besorgter Miene an, daß Pater Ravignan sich leidender fühle und nicht zum Frühstück kommen werde. Damit verschwand er auch selbst wieder,.... ging zu dem Kranken und sagte ihm: ‚Stehen Sie auf und folgen Sie mir!‘ ‚Aber wohin führen Sie mich?‘ antwortete letzterer. ‚Ich will Sie ins Wasser werfen!‘ ‚Ins Wasser?‘ sagte Ravignan, ‚mit dem Fieber, mit dem Husten! Doch wohlan, es tut nichts, ich bin in Ihren Händen und muß Ihnen gehorchen.‘ Es handelte sich um ein sogenanntes Sturzbad, ein gewaltsames, aber wirksames Mittel, wie der Biograph (Lebensbeschreiber) sagt. Der Erfolg war ein augenscheinlicher. Schon zum Mittagessen brachte der Doktor triumphierend seinen Kranken in gutem Wohlbefinden mit, und der am[S. 5] Morgen noch Stumme erzählte am Abende die Geschichte seiner Heilung.“
Das nenne auch ich so eine kleine Roßkur, welche ich trotz ihres Erfolges weder selbst nachahmen, noch zur Nachahmung empfehlen möchte.
An dieser Stelle muß ich es sagen, daß ich nicht alle an unseren dermal bestehenden Wasserheilanstalten üblichen Anwendungen billige, manchmal sogar entschieden mißbillige. Dieselben erscheinen mir viel zu stark und — man verzeihe den Ausdruck — viel zu einseitig. Gar zu vieles wird über denselben Leisten geschlagen, und viel zu wenig wird nach meinem Dafürhalten unterschieden zwischen den verschiedenen Patienten, ihrer größeren oder geringeren Schwäche, der mehr oder minder tief eingesessenen Krankheit, deren mehr oder weniger weit fortgeschrittenen Verwüstungen und Folgen usw. Darin gerade, in der Mannigfaltigkeit aller Anwendungen und in der verschiedenartigen, jedem einzelnen Patienten durchaus angemessenen Applizierung derselben Anwendung wird und muß sich der Meister zeigen. Es kamen zu mir aus verschiedenen Heilanstalten Kranke, welche bitter klagend sagten: „Es ist nicht zum Aushalten, es hat mich förmlich ausgeworfen.“ Das soll und darf nicht sein. Einst stellte sich mir ein gesunder Mann vor, welcher behauptete, er habe sich beim Waschen in der Frühe verdorben. „Wie haben Sie es denn angestellt?“ fragte ich. „Ich habe,“ lautete die Antwort, „eine Viertelstunde lang den Kopf unter das Brunnenrohr gehalten, welches eiskaltes Wasser ausspie.“ Ein Wunder, wenn sich ein derart Mutwilliger nicht gründlich verderben würde! Wir spotten und lächeln über ein solch törichtes, unvernünftiges Verfahren. Und doch wie viele, bei denen man voraussetzen mußte, daß sie vernünftig das Wasser anzuwenden wissen, haben ebenso töricht, nach meinem Dafürhalten noch törichter gehandelt und damit für immer die Patienten vom Wasser zurückgeschreckt! Zahlreiche Beispiele können meiner Behauptung als ebenso viele schlagende Belege dienen.
Ich warne vor jedem zu starken und vor jedem zu häufigen Anwenden des Wassers. Der sonstige Nutzen des Heilelementes kehrt sich in Schaden, das hoffende Vertrauen des Patienten in Furcht und Entsetzen.
Dreißig Jahre lang habe ich sondiert und jede einzelne Anwendung an mir selbst probiert. Dreimal — ich gestehe es offen — sah ich mich veranlaßt, mein Wasserverfahren zu ändern, die Saiten abzuspannen, von der Strenge zur Milde, von großer Milde zu[S. 6] noch größerer herabzusteigen. Nach meiner heutigen, bereits über 17 Jahre feststehenden und durch zahllose Heilungen erprobten Überzeugung wendet jener das Wasser mit den vorteilhaftesten Wirkungen und sichersten Resultaten an, welcher es in der einfachsten, leichtesten, schuldlosesten Form zu gebrauchen weiß.
In welchen Formen ich das Wasser als Heilmittel benütze, das besagt der erste Teil dieses Büchleins, welcher von den Wasseranwendungen, und der dritte Teil, der von einzelnen Krankheiten handelt.
Im zweiten Teil (man lese dessen besondere Einleitung) habe ich den Landleuten insbesondere einige Mittel für eine Hausapotheke zusammengestellt, welche wie die Wasseranwendungen selbst im Innern des Körpers einen der drei Zwecke: Auflösung oder Ausscheidung oder Kräftigung verfolgen.
An jeden Fremden, welcher bei mir Hilfe sucht, stelle ich vorerst einige Fragen, um nicht voreilig und zu meinem Schaden zu handeln.
Auch dieses Büchlein schuldet noch in Kürze Antwort auf folgende Fragen:
1. Was ist Krankheit, und aus welcher gemeinsamen Quelle fließen alle Krankheiten?
Der menschliche Körper ist eines der wunderbarsten Gebilde aus der Schöpferhand Gottes. Jedes Gliedchen paßt zum Gliede, jedes strenggemessene Glied zum harmonischen, zu staunenswerter Einheit verbundenen Ganzen. Noch merkwürdiger ist das Ineinandergreifen der Organe und ihre Tätigkeit im Innern. Selbst nicht der ungläubigste Arzt und Naturforscher, auch für den Fall, daß er „mit der Lanzette und dem Sektiermesser noch keine Seele gefunden“, kann dem unnachahmlichen Menschengebilde die gerechteste und höchste Bewunderung versagen. Der ganze innere und äußere Mensch spielt nur die eine Weise: Alles an und in mir preise den Namen des Herrn! — Dieser Wohlklang und diese Wohlordnung, Gesundheit genannt, wird aufgehoben durch die verschiedenartigsten Störungen, durch die mannigfaltigsten Eingriffe, welche man mit dem Namen „Krankheit“ bezeichnet. Krankheiten im inneren, Krankheiten, Leiden am äußeren Körper gehören zu dem täglichen Brote, das die meisten Menschen mit Willen oder Widerwillen kauen müssen.
All diese Krankheiten, welche Namen sie immer führen mögen, haben, so behaupte ich, ihren Grund, ihre Entstehungsursache, ihr Würzelchen, ihren Keim im Blute,[S. 7] vielmehr in Störungen des Blutes, mag dieses nun in seiner im gesunden Zustande geordneten Zirkulation gestört oder in seiner Zusammensetzung, in seinen Bestandteilen, durch nicht dahin gehörige, schlechte Säfte verdorben sein. Gleich wohlgeordneten Bewässerungsanlagen durchzieht das Adernetz mit seinem roten Lebenssafte den ganzen Körper, alles, jeden Teil, jedes Organ des Körpers in seiner ihm zuträglichen Art nährend, befruchtend. Im Maße liegt die Ordnung; jedes Zuviel und jedes Zuwenig im Tempo des Blutumlaufes, jedes Eindringen fremdartiger Elemente stört den Frieden, die Eintracht, bewirkt Zwietracht, setzt an Stelle der Gesundheit — Krankheit.
2. Wie erfolgt die Heilung?
An den Spuren im Schnee erkennt der geübte Jäger das Wild. Den Spuren geht er nach, wenn er den Hirsch, die Gemse, den Fuchs erjagen will. Der tüchtige Arzt weiß schnell, wo die Krankheit steckt, wo ihr Ursprung ist, welche Ausdehnung sie genommen. Die Symptome zeigen ihm die Krankheit, diese bezeichnet ihm die zu wählenden Mittel. Höchst einfach ist dieses Verfahren, dieser Prozeß, möchte mancher sagen. Zuweilen ja, zuweilen auch nicht. Wenn jemand mit erfrorenen Ohren zu mir kommt, so weiß ich, das hat die Kälte getan; wer am Mühlstein sitzt und plötzlich wegen zerquetschter Finger laut aufschreit, den werde ich nicht fragen, wo es denn eigentlich fehle. Gar nicht so einfach verhält es sich schon mit ganz gewöhnlichen Kopfbeschwerden oder gar mit Magen- oder Nerven- oder Herz- und anderen Leiden, welche nicht nur einer mehr-, ja vielfachen Ursache entstammen, sondern sehr oft von Leiden benachbarter Organe herrühren können, welche Leiden den Magen, das Herz, die Nieren usw. schlimm beeinflussen, nachteilig auf dieselben einwirken. Ein Strohhalm macht das Perpendikel der größten Ganguhr stille stehen. Die kleinste Kleinigkeit vermag das Herz in die peinlichste Unruhe zu versetzen. Die Kleinigkeit sofort zu finden, darin besteht die Kunst. Diese Untersuchung kann oft sehr kompliziert, überaus verwickelt sein, und die mannigfaltigsten Täuschungen sind nicht ausgeschlossen. Man wird hievon im dritten Teile dieses Buches Beispiele finden.
Wenn ich mit dem Fuße oder mit einer Axt an den Stamm einer jungen Eiche schlage, so bebt der Stamm, es zittert jeder Ast, und es bewegt sich jedes Blatt. Wie verkehrt, wollte ich schließen: Das Blatt zittert, es muß angegriffen, von irgend einem Gegenstande berührt worden sein! Nein, weil der Stamm zittert, zittert auch der Ast und das Blatt als Teil und Teilchen des Stammes.[S. 8] Die Nerven sind solche Äste am Baume des Körpers. „Er hat ein Nervenleiden, die Nerven sind angegriffen.“ Was heißt das? Nein, der ganze Organismus hat einen Schlag erhalten, ist geschwächt worden. Deshalb zittern leider auch die Nerven.
Zerschneide vorsichtig mit der Schere einen vom Mittelpunkt zur Peripherie (zum äußersten Kreis) laufenden Netzfaden des Kunstgewebes der Spinne! Das ganze Netz fährt zusammen, die mit wunderbarer Genauigkeit gesponnenen, wie mit dem Zirkel abgemessenen Vierecke und Dreiecke bilden auf einmal die unregelmäßigsten, ungeordnetsten Figuren. Wie töricht, wollte ich urteilen: Das ist ein verworrenes Ding, die Spinne muß sich vergessen und beim Weben ihres Seidenhauses dieses Mal wesentliche Fehler begangen haben. Spanne den kleinen Faden wieder an, und die frühere, wundersame Ordnung ist augenblicklich hergestellt! Den einzigen winzigen Faden suchen und finden, darin liegt die Kunst. Wer statt dessen im Gespinste herumtappt, wird es ganz zerstören. Die Anwendung überlasse ich einem jeden selbst und schließe nur mit der eigentlichen Antwort auf unsere Frage: Wie einfach, unkompliziert und leicht, ich möchte sagen, fast jede Täuschung, jeden Irrtum ausschließend ist die Heilung, wenn ich weiß, jede Krankheit ruht in Störungen des Blutes! Die Arbeit der Heilung kann nur die zweifache Aufgabe haben: entweder muß ich das ungeordnet zirkulierende Blut wieder zum richtigen und normalen Laufe zurückführen, oder ich muß die schlechten, die richtige Zusammensetzung des Blutes störenden, das gesunde Blut verderbenden Säfte, Stoffe (Krankheitsstoffe) aus dem Blute auszuscheiden suchen.
Eine weitere Arbeit, die Kräftigung des geschwächten Organismus ausgenommen, gibt es nicht.
3. Auf welche Weise bewirkt das Wasser die Heilung?
Den Tintenfleck auf der Hand wäscht das Wasser schnell ab, die blutende Wunde reinigt es aus. Wenn du im Sommer nach angestrengtem Tagewerk dir mit frischem Wasser den verkrusteten Schweiß von der Stirne waschest, so lebst du neu auf: es kühlt, kräftigt und tut wohl. Die Mutter gewahrt auf dem Köpfchen ihres Kleinen Schuppen und festsitzende Krusten. Sie nimmt warmes Wasser oder gar Lauge und löst die Unreinigkeiten auf.
Auflösen, ausleiten (gleichsam abwaschen), kräftigen, diese drei Eigenschaften des Wassers genügen uns, und wir stellen die Behauptung auf:
Das Wasser, speziell (im besondern) unsere Wasserkur heilt alle überhaupt heilbaren Krankheiten; denn ihre verschiedenen Wasseranwendungen zielen darauf ab, die Wurzeln der Krankheit auszuheben, sie sind imstande:
a) die Krankheitsstoffe im Blute aufzulösen;
b) das Aufgelöste auszuscheiden;
c) das so gereinigte Blut wieder in die richtige Zirkulation zu bringen;
d) endlich den geschwächten Organismus zu stählen, d. i. zu neuer Tätigkeit zu kräftigen.
4. Woher stammt die Empfindsamkeit der jetzigen Generation, woher die auffallend schnelle Empfänglichkeit für alle möglichen Krankheiten, welche man, zum Teile wenigstens, früher nicht einmal dem Namen nach kannte?
Diese Frage würde mir gewiß mancher gerne schenken. Gleichwohl erscheint sie mir von besonderer Wichtigkeit, und ich zögere nicht, zu sagen, diese großen Uebelstände rühren vorzüglich her von dem Mangel an Abhärtung. Die Verweichlichung der heutzutage lebenden Menschen hat einen hohen Grad erreicht. Die Schwächlichen und Schwächlinge, die Blutarmen und Nervösen, die Herz- und Magenkranken bilden fast die Regel, die Kräftigen und Kerngesunden die Ausnahme. Man fühlt sehr empfindlich jeden Wechsel der Witterung; der Übergang der Jahreszeiten geht nie vor sich ohne Schnupfen und Katarrh; selbst der zu schnelle Eintritt von der kalten Straße ins warme Zimmer bleibt nicht ungerächt usw. usw. Das war doch vor 50, 60 Jahren noch ganz anders; wohin sollen wir kommen, wenn, wie die allgemeine Klage der Besonnenen lautet, es mit der Menschenkraft und dem Menschenleben so rapid, so auffallend schnell bergab geht, wenn das Hinsiechen schon anfängt, ehe das kräftige Leben noch begonnen? Es ist hohe Zeit, daß man endlich zur Einsicht komme.
Einen kleinen Beitrag zur Remedur (Heilung) solcher Notstände mögen die wenigen schuld- und gefahrlosen Mittel bieten, welche ich zur Abhärtung der Haut, des ganzen Körpers und einzelner Körperteile den Wasseranwendungen beifüge. Es wurden diese Mittel bereits von zahllosen Personen aus allen Ständen, von manchen mit anfänglichem kopfschüttelndem Lächeln akzeptiert, später aber mit bejahendem Nicken und mit sichtlichen Erfolgen praktiziert. Vivant sequentes!
Ebenso wichtige Kapitel wie über die Abhärtung wären zu schreiben über die Ernährung, Kleidung und Lüftung. Davon[S. 10] vielleicht ein andermal. Ich weiß, meine Sonderansichten werden auf großen Widerspruch stoßen. Gleichwohl halte ich fest an denselben; denn eine langjährige Erfahrung erst hat sie gereift. Es sind nicht Pilze, die über Nacht im Gehirne aufschossen; es sind Edelfrüchte, manchem eingefleischten Vorurteile hart und herb, einem gesunden Geistesmagen aber vortrefflich mundend.
Es soll nur angedeutet werden, daß bezüglich der Ernährung bei mir die Hauptregel lautet: Trockene, einfache, kräftige, nicht verkünstelte und durch scharfe Gewürze verdorbene Hausmannskost und das unverfälschte Getränk, das in jedem Quell der liebe Herrgott spendet, beides genügsam gebraucht, ist dem Menschenkörper am besten und förderlichsten. (Ich bin nicht Puritaner und gestatte gern ein Glas Wein oder Bier, lege demselben aber durchaus nicht die allgemein beliebte Bedeutung bei. Vom medizinischen Standpunkte aus, nach Krankheiten z. B., mögen diese Getränke zuweilen eine Rolle spielen; in gesundem Zustande indessen lege ich dem Obste größere Bedeutung bei.)
In der Bekleidung folge ich dem Grundsatze der Altvordern: Selbst gesponnen, selbst gemacht, ist die beste Landestracht. Ich bin zunächst gegen die auffallende Ungleichheit oder vielmehr ungleichmäßige Verteilung der Bekleidung, zumal im Winter — ein großes Verderben für die Gesundheit. Der Kopf hat seine Pelzmütze; der Hals die feste Halsbinde, darüber den meterlangen Wollschlips; die Schultern tragen eine drei- bis vierfache Decke, beim Ausgehen noch den Überwurf oder gar den Pelzkragen; die Füße allein, die armen, vernachlässigten Füße bedecken wie im Sommer die Socken oder Strümpfe, die Schuhe oder Stiefel. Was folgt aus dieser unvernünftigen Parteilichkeit? Das obere Umgebinde und Umgewinde zieht, wie eine Pumpe das Wasser, Blut und Wärme in den oberen Stock, die unteren Körperteile werden blutarm und kalt, Kopfweh, Kongestionen, Erweiterung der Kopfadern, hundert Übelbefinden und Nöten sind damit gelöste Rätsel. Im weiteren bin ich gegen die direkte, unmittelbar den Leib berührende Wollbekleidung und für die Bekleidung mit dem trockenen, festen, kernhaften, unverkünstelten Linnen oder Reisten. Letzteres ist mir die liebste Haut auf der Haut, welche diese nie verweichlicht, vielmehr ihr stets die besten Frottierdienste tut. Das vielzweigige, haarige, fettige Wollgeflecht auf bloßem Körper (wie die Wolle meinen Zwecken dient, sagt das Allgemeine zu den Wasseranwendungen) gilt mir als Säfte- und Wärmesauger, als Mitursache der schreck[S. 11]lich wuchernden Blutarmut unserer schwachen, elenden Generation. Das neueste Wollregime in verbesserter Auflage wird dieser Blutarmut nicht ab- und dem Blute nicht aufhelfen. Die jüngeren Leute können es erleben und das Regime überleben.
Ich komme an die Lüftung. Den Fischen, die aus Quellwasser kommen, insbesondere den Gebirgsforellen geben wir bei weitem den Vorzug. Bachfische stellen wir zurück, Fische aus Sümpfen und Mooren mit dem ekligen Geschmacke schenken wir einem jeden. Es gibt auch eine Sumpf- und Moorluft. Wer sie einatmet, füttert seine Lunge mit Pesthauch. Die Luft, zum dritten Male eingeatmet, sagt ein berühmter Arzt, wirkt giftartig. Ja, wenn die Leute das verständen und übten, in ihren Wohn- und insbesondere Schlafzimmern stets möglichst reine, frische, sauerstoffhaltige Luft zu haben, viel Unwohlsein und viele Krankheiten blieben ihnen erspart. Die reine Luft wird verdorben hauptsächlich durch das Atmen. Wir wissen gar wohl, daß 1–2 Weihrauchkörnchen, welche man auf der Glut vergehen läßt, ein ganzes Zimmer mit Wohlgeruch erfüllen. Wir wissen auch, daß 15–20 Zigarren- oder Pfeifenzüge hinreichen, einen großen Raum nach Tabaksqualm riechen zu machen. Das Kleinste, Unbedeutendste reicht oft hin, die reine Luft in der einen oder andern, angenehmen oder unangenehmen Weise zu verderben. Ist das Atmen nicht einem solchen Rauche ähnlich?
Wie viele Atemzüge machen wir in einer Minute, in einer Stunde, bei Tag, bei der Nacht!
Wie verdorben muß die reine Luft werden, wenn wir den Qualm auch nicht sehen! Und wenn ich nicht lüfte, d. i. die schlimme, durch Kohlensäure (lebensfeindliche Luft) verdorbene Atmosphäre nicht erneuere, welch verdorbene und Verderben anrichtende Miasmen (Gestänke) werden in die Lunge einströmen? Die Folgen können und müssen nun gleichfalls schlimme, schädliche sein.
Wie Atmen und Ausdünstung, ebenso nachteilig wirkt auf die reine, gesunde Lebensluft eine zu große Wärme, insbesondere eine zu große Zimmerwärme. Auch sie macht die Luft schlecht und, da sie den Sauerstoff, das die Luft belebende Element, verzehrt und tötet, zum Leben unfähig, für das Einatmen schädlich. 12–14 Grad R. Wärme sind ausreichend, 15 Grad sollen nie überschritten werden.
Man sorge für gründliche Lüftung sämtlicher Wohn- und Schlafräume und führe dieselbe täglich mit Konsequenz und Aus[S. 12]dauer durch in einer Ordnung, wie sie niemanden belästigt, der Gesundheit eines jeden nützt. Große Sorgfalt verwende man vor allem auf die Lüftung der Betten.
Ich habe gesagt, was ich an dieser Stelle zu sagen für gut befand. Das Gesagte genügt, ein Bild des anklopfenden Fremden zu geben; man möge ihn entweder freundschaftlich einlassen oder ungehört von der Türe weisen. Auf beide Arten des Empfanges bin ich gefaßt, und mit beiden erkläre ich mich zufrieden.
„Aquae omnes.. laudent nomen Domini!“
„Ihr Wasser alle, preiset den Namen des Herrn!“
ie von mir gebrauchten und in diesem ersten Teile beschriebenen Wasseranwendungen teilen sich in
Die Unterabteilungen einer jeden Anwendung enthält das erste Register. Fremdklingende Übungen sind namentlich und sachlich an Ort und Stelle erklärt.
Dem Wesen aller Krankheiten entsprechend, wonach diese durch Störungen des Blutes, nämlich durch anormalen, fehlerhaften Blutumlauf oder durch dem Blute beigemischte, verdorbene fremdartige Bestandteile, die Krankheitsstoffe, entstehen, verfolgen die Wasseranwendungen den dreifachen Zweck: des Auflösens, des Ausscheidens der Krankheitsstoffe und der Kräftigung des Organismus.
Im allgemeinen kann gesagt werden, daß der erste Dienst des Lösens von allen Dämpfen und den warmen Kräutervollbädern besorgt wird; der zweite Dienst des Ausscheidens von sämtlichen Wickelungen, zum Teil von den Gießungen und Aufschlägern; der dritte Dienst der Kräftigung von allen kalten Bädern, allen Gießungen, zum Teil von den Waschungen, endlich von dem gesamten Material der Abhärtung.
Ins einzelne kann und will ich an dieser Stelle, um nicht zu Mißverständnissen Anlaß zu geben, nicht eingehen.
Da eine jede Krankheit in den oben angegebenen Blutstörungen wurzelt, so leuchtet ein, daß auch in einem jeden Krankheitsfalle alle drei Arten der Anwendung oder mit anderen Worten verschiedene Anwendungen vorkommen müssen, welche mehr oder weniger auflösen, ausleiten und kräftigen; ferner, daß nicht der kranke Körperteil allein, etwa der Kopf oder der Fuß oder die Hand, in Behandlung kommt, sondern stets der ganze Körper, den ja in solchem Falle krankes Blut durchströmt: die kranke Stelle mit Vorzug und besonderer Berücksichtigung, der übrige Körper als Mitleidender. Es wäre einseitig und gefehlt, in diesen zwei wichtigen Punkten anders handeln zu wollen. Manche Beispiele im dritten Teile werden meine Behauptung rechtfertigen.
Wer immer das Wasser, so wie ich es denke und wünsche, als Heilmittel gebraucht, dem sind die Anwendungen niemals Selbstzweck, d. h. er wird nie eine Anwendung vornehmen, weil es ihm jetzt gerade so gefällt; er wird nie wie ein Tor Vergnügen daran haben, daß er mit recht vielem, mit Dämpfen und Güssen und Wickeln, „hantieren und prahlen und wüten“ kann. Die Anwendungen werden einem Verständigen stets nur Mittel zum Zweck sein. Erreicht er diesen durch das gelindeste Wässerchen, er wird glücklich sein; denn seine Aufgabe ist ja nur, der nach Gesundheit d. i. nach selbsteigener und selbständiger Tätigkeit ringenden Natur zu dieser Freitätigkeit zu verhelfen, die Krankheitsbande, die Leidensketten zu lösen, auf daß sie ungehindert und frisch und freudig alle Arbeit wieder allein tue. Nach Vollendung dieser Aufgabe zieht der Heilende sofort und gerne seine Hand zurück.
Diese Bemerkung ist wichtig, noch wichtiger das Darnachachten. Gar nichts nämlich bringt das Wasser als Heilelement so sehr in Verruf und Mißkredit als indiskretes, maß- und vernunftloses Anwenden, scharfes, strenges, schroffes Verfahren. Diejenigen, ja allein diejenigen, ich kann es nicht oft genug wiederholen, welche sich als Sachverständige im Wasserheilverfahren aufspielen, aber mit ihrem endlosen Wickeln, ihren fast das Blut austreibenden Dämpfen u. a. jeden Patienten abschrecken, richten den größten Schaden an, der nur überaus schwer wieder gut zu machen ist. Ich heiße das nicht das Wasser zu Heilzwecken gebrauchen, ich heiße solche Gewalttaten — man verzeihe den Ausdruck — dem Wasser Schande antun.
Wer immer die Wirkungen des Wassers versteht und in seiner überaus mannigfaltigen Art anzuwenden weiß, besitzt ein Heilmittel, welches von keinem anderen, wie immer Namen habenden[S. 17] Mittel übertroffen werden kann. Keines ist mannigfaltiger in der Wirkung, sozusagen dehnbarer als das Wasser. In der Schöpfung beginnt es mit dem unsichtbaren Luft- oder Dampfkügelchen, setzt sich fort im Tropfen und schließt ab mit dem den größten Teil der Erde erfüllenden Weltmeer. Das muß jedem Hydropathen ein Fingerzeig sein und jedem sagen, daß eine jede Anwendung, mag sie Wasser in tropfbar oder dehnbar flüssiger Form erfordern, der Steigerung von dem gelindesten bis zum höchsten Grade fähig sei, daß in jedem Einzelfalle nicht der Patient sich nach dem Wickel, dem Dampf usw., sondern jederzeit jedwelche Anwendung sich nach dem Patienten zu richten habe.
In der Auswahl der zu treffenden Anwendungen zeigt sich der Meister. Der Heilende wird den zu Heilenden ohne jede Auffälligkeit streng prüfen. Zuerst werden die sekundären Leiden in die Augen springen, d. i. die Nebenkrankheiten, welche wie Giftpilze aus dem innern Krankheitsboden hervorschießen. Sie lassen in der Regel schnell auf den Herd der Krankheit, auf das Hauptleiden schließen. Man frägt und sieht nach, wie weit die Krankheit vorangeschritten, welches Unheil sie bereits angerichtet. Dann schaut man den Patienten an, ob er alt oder jung, schwach oder stark, mager oder korpulent, ob er blutarm, nervös usw. sei. All diese Punkte und noch andere mehr zeichnen in den Geist das richtige Krankenbild, und erst wenn dieses klar und fertig ist, greift man in die Wasserapotheke und wendet an nach dem Grundsatze: Je gelinder, je schonender — desto besser und wirksamer.
Im allgemeinen mögen an dieser Stelle noch folgende Bemerkungen Platz finden, welche die sämtlichen Wasseranwendungen angehen.
Keine wie immer Namen habende Anwendung kann schaden, wenn dieselbe in der vorschriftsmäßigen Weise genommen wird.
Die meisten derselben geschehen mit kaltem Wasser, sei es Brunnen-, Quell-, Flußwasser o. a. In allen Fällen, in denen nicht extra warmes Wasser verordnet ist, gilt der Ausdruck „Wasser“ stets nur von kaltem Wasser. Dabei folge ich dem Erfahrungsgrundsatze: je kälter, desto besser. Zur Winterszeit mische ich für Gesunde in das zu Güssen bestimmte Wasser noch kältenden Schnee. Man werfe mir nicht Schroffheit vor; denn man bedenke die überaus kurze Dauer meiner Kaltwasseranwendungen. Wer es einmal gewagt hat, hat es für immer gewonnen, alle Vorurteile sind ihm benommen. Indessen bin ich nicht unerbittlich.
Anfängern in der Wasserkur, schwächlichen, insbesondere ganz jungen und älteren, hochbetagten Personen; Kranken, welche das Kalte zurückschreckt; Leuten, welche wenig Naturwärme haben; Blutarmen und Nervösen gönne ich namentlich zur Winterszeit zum gewärmten Bad- und Gießraume (14–15° R.) mit Freuden für den Beginn laues, „abgeschrecktes“ Wasser zu einer jeden Anwendung. Die Fliegen locke ich ja auch mit Honig, nicht mit Salz oder Essig.
Die warmen Anwendungen erhalten in jedem einzelnen Falle bezüglich der Wärmegrade, der Dauer usw. genaue, spezielle Vorschriften. Die Wärmegrade, mit R. bezeichnet, bedeuten stets Réaumur.
Betreffs der kalten Anwendungen schulde ich (im dritten Teile ist dieser Punkt oftmals betont und des weitern erörtert) in Kürze noch einige Winke, welche das Verhalten vor, während und nach der Anwendung regeln.
Niemand wage es, bei Kältegefühl, Frösteln usf. irgend eine kalte Anwendung vorzunehmen, wenn dieses an der betreffenden Stelle nicht extra erlaubt ist. Die Anwendung soll tunlichst schnell (jedoch ohne Angst und Hast) vorgenommen werden; auch beim Aus- und Ankleiden sollen durchaus keine Verzögerungen eintreten, z. B. durch langsames Zuknöpfen, Binden. All diese Nebenarbeiten können geschehen, wenn der ganze Körper einmal ordentlich bedeckt ist. Ein kaltes Vollbad soll, um ein Beispiel anzuführen, zum Auskleiden, Baden und Ankleiden die Zeit von 4–5 Minuten nicht übersteigen. Es bedarf dazu nur einiger Übung. So oft bei einer Anwendung steht: „1 Minute,“[1] soll damit die kürzeste Zeitdauer ausgedrückt werden; wenn es heißt 2–3 Minuten, so soll die Kälte wohl nachhaltiger, aber doch nicht länger einwirken.
Nach keiner wie immer Namen habenden kalten Anwendung wird (außer dem Kopfe und den Händen bis zur Handwurzel — letzteres, um beim Anziehen der Kleider diese nicht naß zu machen) der Körper je abgetrocknet. Den nassen Körper bedeckt man sofort mit dem trockenen Hemde und den andern Kleidungsstücken; man tut dieses möglichst schnell, wie gesagt wurde, um tunlichst bald alle nassen Stellen luftdicht abzuschließen. Dieses Verfahren erscheint manchen, ja den meisten eigentümlich, da sie meinen, sie müßten jetzt den ganzen Tag „naß herumlaufen“. Bevor[S. 19] sie ein Urteil fällen, mögen sie es nur einmal probieren. Sie werden es alsbald fühlen, wozu das Nichtabtrocknen taugt und gut ist. Das Abtrocknen ist ein Reiben und erzeugt, da es unmöglich an allen Stellen auf ganz gleichmäßige Weise geschehen kann, ungleichgradige Haut- und Naturwärme, was bei Gesunden wenig, bei Kranken und Schwachen oft sehr viel zu bedeuten hat. Das Nichtabtrocknen verhilft zu der geordnetsten, gleichmäßigsten und schnellsten Naturwärme. Es geschieht gleichsam, wie wenn man Wasser ins Feuer spritzt. Die innere Körperwärme benützt das am äußeren Körper anklebende Wasser als Material zu rascher Bildung intensiverer, größerer Wärme. Wie gesagt, nur auf eine Probe kommt es an.
Dagegen verordne ich strenge, daß der Angekleidete nach jeder Wasseranwendung sich Bewegung mache (geschehe es durch Arbeit oder Spazierengehen), welche so lange dauere, bis alle Teile des Körpers vollkommen trocken und normal warm sind. Im Beginne der Bewegung kann man etwas rascher gehen, nach Eintritt der Wärme langsamer. Man fühlt selbst am besten, wann die normale Körperwärme eingetreten ist und die Bewegung, das Gehen aufhören kann. Solche Patienten, welche schnell erhitzt sind und leicht in Schweiß kommen, sollen gleich von Anfang an langsamer und eher etwas länger gehen und ja nicht schwitzend oder erhitzt sich setzen, selbst nicht im warmen Zimmer. Ein Katarrh wäre die unausbleibliche Folge.
Als Regel für alle kann gelten, daß die Minimalzeit, die kleinste Zeit der Bewegung nach einer Anwendung stets eine Viertelstunde betragen soll. Wie dieselbe ausgefüllt werde (durch Gehen, körperliche Arbeit usw.), bleibt sich, wie gesagt, gleich.
Diejenigen Anwendungen, welche das Bett vorschreiben, vornehmlich die Aufschläger und die Wickelungen, enthalten diese Notiz an Ort und Stelle, ebenso das einer jeden besonderen Übung Eigenartige. Wer bei einer solchen Anwendung einschläft, den soll man im Frieden schlafen und ruhen lassen, selbst wenn die vorgeschriebene Zeit vorüber ist. Wie beim kleinsten und größten Bedürfnis, versieht auch hier die Natur selbst die besten und genauesten Weckuhrdienste.
Sind Tücher notwendig, so verstehe ich darunter niemals feine Leinwand, sondern körniges, wo möglich gröberes Reisten. Wenn einfache arme Leute statt dessen nur abgenützten Zwillich (Zwilch), einen hänfenen Kaffeesack oder noch Ärmere einen weichen „Rupf“ o. a. zur Hand haben, so sind sie nicht im Nachteil. Zum Abwaschen des Körpers, was oft vorkommt, taugt ebenfalls am besten ein ziemlich grobes, linnenes oder hänfenes Tuchstück.
Aus Gründen, welche ich in der Einleitung kurz andeutete, bin ich gegen die Wolle als Kleidungsstück auf bloßer Haut. Dagegen dient mir der Wollstoff vorzüglich als Umhüllung, z. B. des eiskalten Wickels. Er entwickelt rasche und reichliche Wärme und steht in dieser Beziehung unübertroffen da. Aus dem gleichen Grunde empfehle ich bei solchen Anwendungen das Federbett als Zudecke.
Das sogenannte Frottieren, ob es nun durch Reiben oder Bürsten oder sonst einen Gewaltakt geschehe, findet bei meinen Anwendungen keine Stelle. Den einen Zweck desselben, der im Erwärmen besteht, erfüllt bei mir gleichmäßiger und egaler das Nichtabtrocknen; den andern, nämlich die Öffnung der Poren, die Steigerung der Hauttätigkeit usw., besorgt das grobe Linnen- oder Reistenhemd, wieder mit dem Vorteile, daß dieses nicht wie die Bürste minutenlang, sondern bei Tag und bei Nacht, ohne Opfer von Zeit und Kraft arbeitet. Wenn an manchen Stellen von kräftiger Abwaschung die Rede ist, so verstehe ich darunter lediglich ein schnelles Abwaschen der ganzen zu behandelnden Stelle. Das Naßwerden, nicht das Geriebenwerden ist die Hauptsache.
Ein Punkt möge hier noch erwähnt werden. Die Anwendungen am Abende, in der Zeit vor dem Schlafengehen, behagen den meisten Menschen nicht, sie werden dadurch aufgeregt, gleichsam aus dem beginnenden Schlafe gerüttelt. Andere dagegen wiegt eine gelinde Abendanwendung in sanften Schlaf. Ich empfehle solche Anwendung im allgemeinen nicht, rate indessen einem jeden, er möge in diesem Stücke nach seinem Gutdünken, nach seinen Erfahrungen handeln, da ja er allein auch die Folgen zu tragen haben wird.
Bezüglich der speziellen Kenntnisse für eine jede besondere Anwendung verweise ich auf den ganzen ersten Teil, bezüglich des Gebrauches derselben für Kranke insbesondere auf den dritten Teil dieses Büchleins. Daselbst ist auch angegeben, welche Anwendungen für sich allein als sogenannte ganze, und welche nur als Teilanwendungen, d. h. als solche, welche nur in Verbindung mit anderen auftreten, zu gelten haben, ebenfalls, welche der Anwendungen (Dämpfe) besondere Vorsicht erheischen.
Ich schließe diesen allgemeinen Teil mit dem Wunsche, daß durch die Wasserübungen recht viele Gesunde noch mehr erstarken und recht viele Kranke genesen mögen, und beginne vorerst mit einer kurzen Aufzählung der Abhärtungsmittel, sodann mit der eigentlichen Abhandlung über die bei mir im Gebrauche stehenden Wasseranwendungen.
ls Abhärtungsmittel nenne ich:
1. Das natürlichste und einfachste Abhärtungs-Mittel besteht im Barfußgehen.
Dieses kann entsprechend den verschiedenen Ständen und Lebensaltern auf die mannigfaltigste Weise geübt werden.
Ganz kleine Kinder, welche noch gänzlich auf die Hilfe anderer angewiesen und in die Windeln, ins Tragkissen, ans Zimmer gebannt sind, sollen wo möglich nie eine Fußbekleidung tragen. Könnte ich doch dieses allen Eltern, besonders den allzubesorgten Müttern, als Kanon, als feststehende, unumstößliche Regel tief einprägen! Mit Vorurteilen behaftete Eltern, die sich dazu nie verstehen wollen, mögen sich der kleinen Unbeholfenen erbarmen und zum mindesten für eine solche Fußbekleidung sorgen, durch welche die frische Luft leicht auf die Haut dringen kann.
Kinder, welche bereits stehen und gehen können, wissen sich schon selbst zu helfen. Ohne alle Menschenrücksichten werfen sie die lästigen, die Füße quälenden Schuhe und Strümpfe von sich und sind ganz glückselig, besonders zur Frühjahrszeit, wenn man[S. 22] sie sich frei herumtummeln läßt. Manchmal blutet eine Zehe; doch das hält sie nicht ab, bald wieder barfuß zu gehen. Die Kinder tun dieses ganz instinktiv, einem gewissen Naturtriebe folgend, den wir Alte auch verspüren würden, wenn die überfeinerte, schablonierende, Schraubstockdienst tuende, alles Natürliche wegdrechselnde Bildung uns nicht vielfach allen gesunden Sinn genommen hätte.
Die Kinder der Armen werden in ihrem Vergnügen selten gestört. Weniger vom Glücke begünstigt sind die Kinder der Vornehmen und Reichen, und sie fühlen wahrlich das Bedürfnis nicht weniger als ihre Kameraden aus armem Stande. Ich sah einst die Knaben eines hohen, angesehenen Beamten. Kaum glaubten sie sich aus der Schußweite der durchdringenden Augen des gestrengen Herrn Papa, da flogen auch schon die feinen Schühchen und die noch feineren roten, gelben, weißen Strümpfchen über alle Hecken, und fort ging’s im Galopp über die saftig grüne Wiese. Die Mama, eine Frau mit gesundem Sinne, sah dies nicht ungern; erblickte aber zufällig der Papa seine Prinzen in solchem ungehörigen Aufzuge, dann gab es lange Strafpredigten und noch längere Standesunterweisungen über Unbildung und Bildung und Standesgefühl und Standesehre. Das ging den Kleinen so zu Herzen, daß sie anderen Tags noch munterer barfuß im Grase hüpften. Nochmals sage ich: lasse man wenigstens den noch nicht verbildeten Kindern ihre Freude!
Einsichtige Eltern, welche solches gern gestatten wollten, aber in der Stadt leben und keinen einsamen Garten oder Rasenplatz besitzen, können den Kleinen das Barfußgehen zu gewissen Zeiten in irgendeinem Zimmer, auf irgend einem Gange usw. gestatten, wenn nur die Füße wie Gesicht und Hände zuweilen einmal frei aufatmen, nach Fußeslust frische Luft einsaugen, sich in ihrem Elemente bewegen können.
Erwachsene Leute der ärmeren Klassen, insbesondere auf dem Lande, brauche ich nicht zu ermahnen; dieselben gehen viel barfuß und beneiden nicht den reichsten Städter um seine vornehmen, ausgeschnittenen oder nicht ausgeschnittenen, lackierten oder geschnürten Fußfoltern, die pressenden und die Füße fesselnden Schuhe und Strümpfe. Törichte Landleute mit städtischen Manieren, die sich schämen, es den Ihrigen gleichzutun, sind durch ihren Eigendünkel gestraft genug; die altmodischen Konservativen sollen an der guten Tradition treu festhalten. In meiner Jugendzeit ging auf dem Lande alles barfuß: Kinder und Erwachsene, Vater und Mutter, Bruder und Schwester. In die Schule, zur Kirche waren die Wege[S. 23] stundenweit; die Eltern gaben uns ein Stück Brot und einige Äpfel zur Reisezehrung, so auch Schuhe und Strümpfe als Fußbekleidung. Doch diese hingen wir bis zum Eintritt in die Schule oder in die Kirche über die Arme oder über die Achsel, nicht allein zur Sommers-, sondern auch in der kälteren Jahreszeit. Kaum machte im beginnenden Frühling auf der Höhe meiner Heimat der Schnee Miene, sich zurückzuziehen, da traten unsere bloßen Füße schon ihre Spuren in den mit seinem Wasser getränkten Boden, und wir fühlten uns froh, heiter und gesund dabei.
Erwachsene in den Städten, gar solche, welche besseren, ja den vornehmen Ständen angehören, können dieser Übung sich nicht unterziehen, das ist klar. Wenn sie in ihrem Vorurteile bereits soweit gekommen sind, daß sie meinen, sie könnten, wenn ihre zarten Füße beim Aus- und Ankleiden nur einen Augenblick auf dem bloßen Boden des Salons, nicht auf warmen, weichen Teppichen stehen, Rheumatismus, Katarrh, Halsleiden oder ähnliches sich zuziehen, so lasse ich sie vollkommen ungestört. Wenn aber manche doch etwas tun und sich abhärten wollten, was hindert sie, abends unmittelbar vor dem Schlafengehen oder in der Frühe beim Aufstehen 10 Minuten, ¼ Stunde, ½ Stunde lang eine derartige Promenade zu machen? Dieselbe könnte die ersten Male, damit der plötzliche Beginn nicht zu stark empfunden wird, in den Strümpfen, später mit bloßen Füßen und noch später barfüßig also geschehen, daß vor dem Zimmer-Spaziergange die Füße bis über die Knöchel einige Augenblicke in kaltes Wasser getaucht werden.
Bei guter Einteilung, bei gutem Willen, bei wahrem Streben nach Erhaltung seiner Gesundheit wird ein jeder, selbst der Vornehmste, selbst der in seinem Berufe Angestrengteste noch so viel Zeit gewinnen, um sich selbst diese Wohltat zu spenden.
Ein mir sehr gut bekannter Priester ging jedes Jahr auf mehrere Tage zum Besuche eines guten Freundes, welcher einen größeren Garten besaß. Der Morgenspaziergang galt stets diesem Garten, dessen durch Tau genäßtes Gras so lange die bloßen Füße labte und den Körper erquickte, als der Geist mit dem Breviergebet beschäftigt war. Gar oft hielt dieser Herr Lobreden auf die vortrefflichen Wirkungen des Barfußgehens.
Eine Reihe Namen von Personen der höheren und höchsten Stände stünde mir zu Gebote, die den wohlmeinenden Ratgeber nicht verachteten und zu guter Jahreszeit bei Morgengängen im einsamen Walde oder auf abgelegener Wiese durch Barfußgehen sich abzuhärten suchten.
Einer aus dieser verhältnismäßig noch immer sehr kleinen Zahl gestand mir, er habe im Jahre selten eine Woche erlebt, ohne einen wenn auch nur kleinen Katarrh. Diese überaus einfache Übung habe ihn für immer von dieser Empfindsamkeit und Empfänglichkeit befreit.
Den Müttern widme ich an dieser Stelle noch ein besonderes Wort. Es kann kurz sein; denn an anderer Stelle habe ich versprochen, ihnen, wenn Gott mir Leben und Gesundheit schenkt, später einmal einige praktische Winke für eine gute, hauptsächlich den Leib betreffende Erziehung zu geben. Die Mütter sind in erster Linie dazu berufen, für die Heranbildung eines stärkeren, widerstandsfähigeren Geschlechtes zu sorgen, die wuchernde, so arge Lücken in die menschliche Gesellschaft reißende Verweichlichung, Entkräftung, Blutarmut, Nervosität und wie alle die Lebenssauger und Lebensabkürzer heißen, beseitigen zu helfen. Das geschieht durch Abhärtung, durch weise Abhärtung des Kindes vom zartesten Alter an. Luft, Nahrung, Kleidung sind Bedürfnisse, welche der Säugling ebenso notwendig braucht als der Greis. Sie bilden zugleich das Gebiet der Abhärtung. Je reiner die Luft ist, welche das Kleine einatmet, desto besser das Blut. Um dieses schwache Geschöpflein recht schnell an den Aufenthalt in frischer Luft zu gewöhnen, tun diejenigen Mütter gut, welche nach den täglichen warmen Bädern das Kleine 2–3 Sekunden in kälteres, wie von der Sonne erwärmtes Wasser tauchen oder es rasch kalt abwaschen. Das warme Wasser allein macht schlaff und verweichlicht, die abschließende kalte Waschung stärkt, härtet ab und sichert eine gesunde Körperentwicklung. Die anfänglichen Zeichen einer weinerlichen Empfindsamkeit werden bei der dritten oder vierten Anwendung von selbst ausbleiben. Diese Abhärtung stählt die noch ganz kleinen Kinder gegen die so häufigen Erkältungen und deren Folgen und erspart den Müttern, welche diesen Übelständen vorbeugen wollen, die jeden denkenden Menschen wahrhaft entsetzenden Einmummungen und Einhüllungen in Wolle und andere schwere, jeden Luftzutritt hindernde Stoffe. In diesem Stücke wird furchtbar gegen die kleinen Gesundheiten gesündigt. Die zarten Körperchen stecken in förmlich verbrennenden Wollöfen: der kleine Leib keucht unter der Last der Binden und Decken, das Köpfchen ist eingepuppt, daß ihm Hören und Sehen vergehen müssen, der vor allem abzuhärtende Hals trägt außer den allgemeinen noch besondere Wärmemittel, die ihn gegen die äußere Luft vollends abschließen. Schon wenn der oder die Kleine auf dem Arme des Kindsmädchens ruht, um ausgetragen oder ausgefahren zu werden, sieht die verzärtelnde Mama nochmals nach, ob ja jedes Winkelchen[S. 25] und jede Ecke sorglichst verschlossen sei. Wem darf es bei solchen Umständen, bei diesem gänzlichen Mangel der leisesten Spur von rationellem Abhärtungssinne wundern, wenn Diphtheritis, Halsbräune usw. jährlich eine unzählbare Schar der kleinen, ich möchte sagen jedem Windhauche erliegenden Wesen hinwegraffen? wenn viele Familien von Schwächlingen gleichsam wimmeln? wenn die Mütter über hektische, krampfhafte und andere, früher fast unbekannte Zustände, insbesonders bei den Mädchen, tägliche Klage führen? Und wer erst vermöchte die geistigen Gebrechen zu zählen, diese tauben Blüten und faulen Früchte eines Körpers, welcher vor der normalen Entwicklung und Kräftigung schon sein langsames Siechtum beginnt? Mens sana in corpore sano. Eine gesunde Seele wohnt nur in einem gesunden Körper. Eine Hauptvorbedingung der Entwicklung einer ausdauernden Gesundheit bildet die frühzeitigste Abhärtung. Daß alle Mütter ihre diesbezügliche Aufgabe und Verantwortung früh genug und tief erfaßten und keine Gelegenheit versäumten, aus guten Quellen sich guten Rat zu holen!
2. Eine besondere, überaus wirksame Art des Barfußgehens ist das Gehen im nassen Grase,[2] gleichviel, ob dieses durch Tau, Regen oder Wasseraufguß genäßt sei. Im dritten Teile wird man dieser Abhärtungsübung sehr oft begegnen, und ich kann dieselbe jung und alt, Gesunden und Kranken, unbehindert jeder anderen Anwendung, bestens empfehlen.
Je nässer das Gras ist, je länger die Übung fortgesetzt und je öfter dieselbe wiederholt werden kann, desto vorzüglicher wird der Erfolg sein. In der Regel dauert der Graslauf 1–3 Viertelstunden.
Nach vollendeter Fußpartie werden alle nicht an die Füße gehörigen Anhängsel, wie Laubgras oder Sand, rasch abgewischt, die Füße indessen nicht abgetrocknet, sondern in statu quo d. i. naß wie sie sind, sofort mit trockener Fußbekleidung versehen. Auf das Gehen im Grase folgt jetzt ein Gehen mit bekleideten Füßen auf trockenem, mit Sand oder Stein bedecktem Wege, im Beginne etwas schneller, allmählich im gewöhnlichen Tempo. Die Dauer des Gehens hängt ab von dem Trocken- und Warmwerden der Füße und dürfte eine Viertelstunde nicht übersteigen.
Ich ermahne dringend, die Worte „trockene Fußbekleidung“ wohl zu bemerken und niemals sich nach dieser Anwendung[S. 26] nasser, angefeuchteter Strümpfe zu bedienen. Die Folgen würden sich in Kopf und Hals bald schon melden; das hieße nicht aufbauen, sondern einreißen. Es dürfte angemessen sein, junge, schnelle, unbesonnene Leutchen an die Vorsicht zu mahnen, die ausgezogenen Schuhe und Strümpfe nicht ins nasse Gras zu werfen, sondern im Trockenen bereitzuhalten, daß sie später die naßkalten Füße warm empfangen und bald wieder in die gehörige Wärme bringen. Diese Übung, wie das Barfußgehen überhaupt, kann vorgenommen werden, selbst wenn die Füße kalt sind.
3. Dem Gehen im nassen Grase kommt in der Wirkung ziemlich gleich das Gehen auf nassen Steinen, das vielen bequemer und leichter ist. Jedes Haus und Häuschen hat im Parterre oder in einem Stockwerke, in der Waschküche oder Backküche usw. ein größeres oder kleineres Steinpflaster; beide genügen zu unserem bloßfüßigen Spaziergange auf nassen Steinen. Im langgestreckten Steingange wird man mit beflügeltem Schritte hin- und herwandern, auf dem Fleckchen von 4–5 Steinplatten wird man die Steine treten, wie der Winzerbube die Trauben, wie an manchem Orte der Bäckerlehrling den Teig tritt. Die Hauptsache besteht lediglich darin, daß die Steine naß sind, und daß man nicht ruhig auf denselben stehe, sondern in ziemlich rascher Bewegung gehe. Zum Benetzen der Steine nimmt man am besten eine Gießkanne oder einen Krug, zieht eine den Raumverhältnissen entsprechend dicke Wasserlinie, welche man durch das Treten erweitert. Sollten die Steine rasch trocknen, so müßte das Aufgießen ein-, zuweilen zwei- bis dreimal erneuert werden; hiebei dient das kälteste Wasser am vorzüglichsten.
In Fällen, in denen dieses Abhärtungsmittel zu Heilzwecken verwendet wird, darf seine Anwendungszeit die Dauer von 3–15 Minuten nicht überschreiten. Diese wird sich richten nach dem Zustande des Patienten, ob er stärker oder schwächer, blutarm usw. sei; in der Regel dürften 3–5 Minuten ausreichen. Als reines Abhärtungsmittel von Gesunden kann die Übung bis zu einer halben Stunde und noch länger ohne Schaden ausgedehnt werden. Ich empfehle sie allen jenen, welche eine solide Abhärtung beginnen wollen. Selbst der Schwächste und Empfindlichste möge sich nicht abschrecken lassen!
Wer an kalten Füßen leidet, Halsbeschwerden, Katarrhen leicht zugänglich ist, Blutandrang zum Kopfe und von letzterem[S. 27] erzeugtes Kopfweh hat, trete oft diese Steinwanderung an. Er tut gut, wenn er dem aufzugießenden Wasser etwas Essig beimischt.
Für die Bekleidung und Bewegung gelten dieselben Regeln wie beim Gehen im Grase. Wie letzteres, so kann auch das Steingehen mit kalten (vor der Übung nicht warmen) Füßen geschehen.
4. Größere Wirkung als durch die beiden vorhergehenden Übungen wird erzielt durch das Gehen im neugefallenen Schnee. Wir bemerken ausdrücklich: im neugefallenen, frischen Schnee, der sich ballt oder wie Staub den Füßen anlegt, nicht in altem, starrem, festgefrorenem Schnee, welcher zu empfindlich kältet und nichts taugt. Zudem soll diese Wanderung nie angetreten werden bei schneidend kaltem Winde, wohl aber, wenn bei der Frühlingssonne der Schnee schmilzt. Ich kenne manchen, der in solcher Schneesulze ½, eine ganze Stunde, ja 1½ Stunden mit den besten Erfolgen herumspazierte. Eine kleine Überwindung kosteten nur die ersten Minuten des Beginnes: später zeigte sich von Unbehagen oder besonderer Kälte keine Spur mehr. Die regelmäßige Dauer dieses Schneeganges ist 3–4 Minuten. Ich betone ausdrücklich: es darf nicht stille gestanden, es muß gegangen werden.
Zuweilen kommt es vor, daß gar zu zarte, der äußern Luft ganz entwöhnte Zehen die Schneekälte nicht ertragen können und Schneefieber bekommen, d. i. trocken, heiß werden, schmerzhaft brennen und aufschwellen. Man erschrecke nicht, die Sache hat keine Bedeutung, und die Heilung erfolgt schnell, wenn man die trockenen Zehen öfters mit Schneewasser tränkt oder mit Schnee leicht reibt.
Die Schneetour kann im Herbste z. B. ersetzt werden durch einen Gang im Grase mit Reif. Das Kältegefühl ist hier viel empfindlicher, da der Körper in dieser Übergangszeit noch zu wenig der Sommerwärme entwöhnt ist. Im Winter selbst vertritt den Schneegang ein Gang auf Steinplatten, welche mit Schneewasser getränkt wurden. Bezüglich des Ankleidens und der Bewegung lese man die bei den vorhergehenden Nummern angegebenen Regeln.
Das sind Torheiten, Narrheiten usw., so lauten in der Regel die Empfehlungen gerade dieser Abhärtungsübung, von der man Erkältungen, Rheumatismen, Halsleiden, Katarrhe, alles Mögliche fürchtet. Es kommt alles nur auf eine Probe und kleine Überwindung an; man wird sich bald überzeugen, wie unbegründet[S. 28] die Vorurteile sind, und wie der schreckliche Schneegang statt der Nachteile große Vorteile bringt.[3]
Vor vielen Jahren kannte ich eine höhere Beamtenfrau. Die energische Mutter hielt große Stücke auf die Abhärtung ihrer Kinder; wählerisches Verfahren beim Essen oder Trinken wurde durchaus nicht geduldet, Klagen über Witterung, Wärme, Kälte usw. stets gerügt. Sobald der erste Schnee fiel, versprach sie den Jungen Butterbrot mit Honig, wenn sie es wagten, eine Weile es barfuß mit dem Schnee aufzunehmen. So tat sie lange Jahre; die Kinder erstarkten, strotzten von Kraft und waren ihr ganzes Leben überaus dankbar für diese nichts weniger als weichliche Erziehung. Diese Mutter hat ihre Aufgabe vortrefflich verstanden.
Das wäre der Schneelauf von Gesunden; es folgen zwei Fälle, welche zeigen sollen, wie erfolgreich man ihn bei manchen Leiden anwendet.
Eine Person litt viele Jahre hindurch zur Winterszeit an Frostbeulen, welche aufbrachen, eiterten und große Schmerzen verursachten. Im ersten Herbstschnee fing sie, meinem Rate folgend, die Schneegänge an, wiederholte dieselben öfters und blieb von den lästigen Beulen gänzlich verschont.
Erst kürzlich kam ein 17jähriges Mädchen zu mir und klagte über heftige Zahnschmerzen. „Gingest du fünf Minuten im neugefallenen Schnee,“ sagte ich ihr, „dein Zahnweh würde bald verschwinden.“ Es befolgte augenblicklich den Rat, eilte dem Garten zu und kam nach 10 Minuten zurück mit dem freudigen Rufe, daß alles Zahnweh gänzlich nachgelassen habe.
Niemals darf das Schneegehen stattfinden, wenn nicht der ganze Körper warm ist. Wen friert oder fröstelt, der suche zuerst durch Arbeit oder Bewegung die normale Leibeswärme sich zu verschaffen. Personen, die an Fußschweiß, offenen Füßen, aufgesprungenen, oder eiternden Frostbeulen leiden, können selbstverständlich niemals im Schnee gehen, bis anderweitige Heilung (s. Fußbad oder Fußdampf) eingetreten.
5. Im Wasser gehen. So einfach es scheint, im Wasser bis an die Waden zu gehen, so dient doch gerade diese Anwendung a) zur Abhärtung; es wirkt diese Anwendung auf den ganzen Körper, kräftigt die ganze Natur; b) sie wirkt günstig auf die Nieren und auf Ableitung des Harnes, verhütet deswegen manche Leiden, die in den Nieren, der Blase und im Unterleib entstehen; c) sie wirkt recht gut auf die Brust, erleichtert das Atmen und leitet Gase aus dem Magen; d) sie wirkt besonders gegen Kopfleiden, Eingenommenheit des Kopfes, Kopfschmerzen. Man kann dieses Abhärtungsmittel anwenden, indem man in eine Badewanne (oder Schaff, Zuber) anfangs bis über die Knöchel im kalten Wasser Bewegung macht. Wirksamer ist es, wenn die Abhärtung gesteigert wird und man bis an die Waden im Wasser geht, am wirksamsten, wenn das Wasser bis zu den Knien reicht.
Die Dauer betreffend, so kann man anfangen mit einer Minute, dann länger bis 5 und 6 Minuten. Je kälter dabei das Wasser, um so besser. Nach solcher Anwendung ist Bewegung im Winter im warmen Zimmer, im Sommer im Freien zu machen, bis zur vollständigen Erwärmung. Im Winter kann Schnee ins Wasser getan werden. Bei Schwächlingen kann man mit Wasser anfangen, das nicht sehr kalt ist, und nach und nach zum kälteren und schließlich zum ganz kalten übergehen.
6. Zur Abhärtung speziell der Extremitäten, der Arme und Beine, dient folgende Übung in vorzüglicher Weise: Man steht ins kalte Wasser bis an oder über die Knie, nicht länger als eine Minute. Nach dem Bekleiden der Füße entblößt man die[S. 30] Arme bis zu den Achseln und hält auch diese eine Minute in das kalte Wasser. Besser tut derjenige, der beide Übungen zu gleicher Zeit vornimmt. Wer im Besitze einer größeren Badewanne ist, kann dieses unschwer tun. Die Übung kann auch in der Art vorgenommen werden, daß die Füße in ein eigenes Gefäß am Boden zu stehen und die entblößten Arme und Hände in ein auf einem Stuhl erhöhtes Holzschaff zu ruhen kommen.
Nach manchen Krankheiten wende ich diese Übung gerne an, um den Fluß des Blutes nach den Extremitäten zu steigern.
Das Eintauchen der Arme allein tut gute Dienste all denen, welche an Frostbeulen und kalten Händen zu leiden haben. Gut tut, wer die Hände (nicht Arme) nach dem Eintauchen gleich abtrocknet, weil scharfe Luft den freien Stellen sonst Hautsprünge verursachen könnte.
Die Vornahme dieser Übung fordert, daß der Körper sich normal warm fühlt (nicht fröstelt). Füße, welche bis über die Knöchel (nicht bis über die Waden), Arme, die bis zum Ellenbogen kalt sind, sollen von der Applizierung nicht abhalten.
7. Als letztes Abhärtungsmittel sei der Knieguß aufgezählt. Man suche die Art seiner Applizierung bei den Gießungen. Er ist der besondere Freund der Füße, indem er in deren blutleere Adern das Blut lockt.[4] An dieser Stelle habe ich nur zu bemerken, daß ich den Knieguß, wenn ihn Gesunde zur Abhärtung benützen, in stärkeren Formen gebe. Es wird dieses z. B. dadurch erreicht, daß ich den Strahl höher auffallen lasse, daß ich zur Winterszeit das Wasser durch Schnee und Eis noch mehr kühle usw.
Die Übung kann nur vorgenommen werden, wenn der Körper warm ist (nicht fröstelt). Bis zu den Knöcheln kalte Füße sollen die Anwendung nicht hindern. Desgleichen darf der Knieguß allein, d. i. ohne von einer anderen Anwendung begleitet zu sein, nicht zu lange fortgesetzt werden (nicht über 3–4 Tage). Wer ihn länger gebraucht, gebraucht ihn im Wechsel mit dem Oberguß oder dem Eintauchen der Arme (s. Nr. 6), in der Frühe die eine, nachmittags die andere Anwendung.
Diese angeführten Abhärtungsmittel mögen genügen. Dieselben können zu jeder Jahreszeit vorgenommen, im Winter und Som[S. 31]mer fortgesetzt werden. Im Winter wird man die eigentliche Anwendung etwas abkürzen, dagegen die Bewegung nach derselben um ein weniges verlängern. Ungewohnte tun gut, die Abhärtungsübungen nicht gerade im Winter zur kalten Jahreszeit zu beginnen. Vornehmlich gilt dieses allen, welche an Blutarmut, innerer Kälte viel leiden und durch Wollkleidung verwöhnt, verweichlicht, empfindlich geworden sind. Ich sage dies, nicht als ob ich Schaden befürchte; ich fürchte lediglich das Abgeschrecktwerden von einer überaus guten Sache.
Gesunde und Kränkelnde können ohne Bedenken sämtliche Übungen vornehmen, beide mit Vorsicht und die Anweisungen genau befolgend. Schlimme Folgen sind niemals der Anwendung, sondern stets irgend einer größeren oder kleineren Unvorsichtigkeit zuzuschreiben. Selbst bei Schwindsüchtigen, bei denen das Leiden schon ziemliche Fortschritte gemacht hatte, habe ich die Nummern 1. 2. 3. 6. mit großen Erfolgen angewendet.
All die Leutchen, denen mein Büchlein in erster Linie gilt, brauche ich nicht zur Abhärtung aufzumuntern. Ihr Beruf, die täglichen Pflichten bringen täglich, oft stündlich das eine oder andere der genannten und viele, unzählige ungenannte Abhärtungsmittel von selbst mit sich. Sie mögen ruhig ausharren und niemanden beneiden, der es scheinbar besser hat als sie. Das sind Täuschungen, sehr oft, ja meistens große Täuschungen.
Diejenigen meiner verehrten Leser, welche die angeführten Dinge vielleicht noch niemals, auch nur dem Namen nach gehört haben, lade ich ein, vor dem Verdammungsurteile eine kleine, die kleinste Probe anzustellen. Wenn dieselbe zu meinen Gunsten ausfällt, soll es mich freuen, nicht meinetwegen, sondern wegen der Wichtigkeit der Sache. Es brechen im Leben viele Stürme herein über die Gesundheit der Menschen. Wohl dem, der ihre (der Gesundheit) Wurzeln durch die Abhärtung gut gefestigt, in die Tiefe geleitet und gegründet hat.
ie bei mir zur Anwendung kommenden Wasserheilmittel teilen sich in:
A. Aufschläger.
B. Bäder.
C. Dämpfe.
D. Gießungen.
E. Waschungen.
F. Wicklungen.
G. Trinken des Wassers.
Da beim Volke die folgenden Anwendungen bereits unter dem Namen „Aufschläger“ eingebürgert und bekannt sind, so behalte ich die Benennung gerne bei, selbst auf die Gefahr hin, daß sie nicht ganz zutreffen sollte. Unter den Aufschlägern ist verwendet
Ein größeres, grobes Linnenstück (Strohsackleinwand eignet sich sehr gut dazu) wird 3–4–6–8–10fach der Länge nach zusammengelegt, so breit und so lang, daß es vom Halse an die Brust und den ganzen Unterleib bedeckt. Rechts und links am Körper soll es nicht wie abgeschnitten aufhören, sondern zu beiden Seiten durch ein kleines Stück herunterhängen. Das so zubereitete Tuch wird in kaltes Wasser eingetaucht (zur Winterszeit darf Warmwasser gebraucht werden), tüchtig, d. i. vollständig ausgewunden und dann in oben beschriebener Weise dem zu Bette liegen[S. 33]den Patienten aufgelegt. Darüber kommt eine Wolldecke oder ein 2–3fach zusammengelegtes Linnen, welches den Zweck hat, die nasse Auflage luftdicht abzuschließen, jeden Zutritt der Luft gründlich zu verhindern, darüber erst das Federbett. Um den Hals lege ich in der Regel noch ein ziemlich großes Tuch- oder Wollstück, um der von oben eindringenden Luft den Zugang zu wehren. Man sei mit dem Zudecken vorsichtig; denn leicht könnten sonst Erkältungen eintreten.
Der Aufschläger bleibt ¾–1 Stunde liegen; muß nach Vorschrift die Anwendung, welche in diesem Falle durch Kälte wirken soll, fortgesetzt werden, so muß auch der indessen warm gewordene Aufschläger erneuert, d. i. von neuem naßgemacht werden.
Sobald die vorgeschriebene Zeit verstrichen, entfernt man die nassen Tücher, kleidet sich an und macht Bewegung, oder man bleibt noch eine kleine Zeit im Bette liegen.
Die Anwendung des Oberaufschlägers wirkt speziell auf die Austreibung versessener Gase im Magen und Unterleib.
Diese wie die folgenden Übungen erfordern, daß der Körper warm sei.
Dem Oberaufschläger entspricht der Unteraufschläger, der, wenn beide Anwendungen sukzessive, d. i. nacheinander geschehen, zuerst an die Reihe kommt. Dabei ist folgendes zu bemerken:
Da auch der Unteraufschläger im Bette zu nehmen ist, legt man, um das Naßwerden der Matratze oder des Strohsackes zu verhüten, über das Leintuch ein anderes Linnenstück, darüber der Breite nach eine Wolldecke („Kotze“).
Dasselbe mehrfach (2–3fach) zusammengelegte, vorher durchnäßte und ausgewundene, rohe Linnenzeug wird der Länge nach so auf die Wolldecke ausgebreitet, daß es vom letzten Halswirbel an die ganze Wirbelsäule, den ganzen Rücken hinunterreicht. Darauf legt man sich mit dem Rücken, schlägt, um sich luftdicht abzuschließen, die ausgebreitete Wolldecke nach beiden Seiten ein und deckt sich mit Wolle und Federbett gut zu. Auch der Unteraufschläger soll drei Viertelstunden gebraucht und im Verlängerungsfalle erneuert, von neuem eingetaucht werden, da er wie der Oberaufschläger nur durch Kälte wirken soll. Die Verhaltungsmaßregeln nach der Anwendung sind dieselben wie die oben angegebenen.
Zur Stärkung des Rückgrates, des Rückenmarkes, bei Rückenschmerzen, bei Hexenschuß ist der Unteraufschläger eine vorzügliche Anwendung. Beim Hexenschuß z. B. kenne ich viele[S. 34] Fälle, in denen zwei solcher Aufschläger, in einem Tage gebraucht, das Übel gänzlich gehoben haben.
Auch bei Anstauungen von Blut, in der Fieberhitze wirkt der Unteraufschläger sehr gut.
In welchen einzelnen Fällen er zu gebrauchen und wie oft er zu erneuern sei, das wird bei den einzelnen Krankheiten gesagt werden.
Wie nacheinander, so können diese beiden Anwendungen auf einmal zur selben Zeit genommen werden.
Man bereitet den Unteraufschläger vor, wie Nr. 2 besagt, desgleichen den Oberaufschläger, den man neben das Bett legt. Ausgekleidet liegt man sodann auf den Unteraufschläger und appliziert sich den zur Seite parat (fertig) liegenden Oberaufschläger. Das Zudecken mit Wolldecke und Federbett geht leicht. Ist jemand zur Stelle, so kann er beides, Federbett und Wolldecke, zu beiden Seiten gut einschlagen, daß nirgends die frische Luft Zutritt hat. Wichtig ist bei dieser Doppelanwendung, daß die der Breite nach unter dem Unteraufschläger aufgeschlagene Wolldecke so groß ist, daß sie gleich einer Binde beide nassen Aufschläger einhüllen kann.
Die Dauer der Anwendung beträgt zum mindesten ¾, zum höchsten eine Stunde.
Bei großer Hitze, dann wieder bei Gasen, bei Kongestionen, bei Hypochondrie und anderen Leiden tut dieselbe vorzügliche Dienste.
Der Name „Batzerei“ darf uns nicht aus der Fassung bringen. Wende sie ruhig an, diese etwas mühsame Kur, sie wird dir manchen Batzen ersparen.
Der Patient liegt zu Bett.
Ein 4 bis 6fach zusammengefaltetes Linnentuch wird in Wasser getaucht, ganz ausgewunden (so daß es nicht mehr trieft), auf den Unterleib (Magengegend und abwärts) gelegt und mit Wolldecke und Federbett sorgfältig zugedeckt. Die Anwendung kann ¾–2 Stunden dauern. Bei einer Dauer von zwei Stunden indessen soll die Auflage nach der ersten Stunde erneuert, d. i. von neuem eingetaucht werden.
Diese Auflage leistet gute Dienste bei Magenbeschwerden, bei Krämpfen, auch wenn es gilt, das Blut von der Brust und vom Herzen wegzuleiten.
Sehr oft wird zum Eintauchen und Netzen des Tuches statt des Wassers Essig verwendet, wohl auch, wie solches im beson[S. 35]deren im dritten Teile angegeben ist, ein Absud von Heublumen, Zinnkraut, Haberstroh usw.
Um den Essig zu sparen, gebe ich die Essig-Auflagen in der Art, daß ich zuerst ein zweifach gefaltetes Linnen, in halb Wasser und halb Essig eingetaucht, auf den bloßen Leib lege und darüber dann ein 2–4fach gefaltetes, nur in Wasser getauchtes Tuch breite. Das Zudecken geschieht wie oben.
Sehr oft bin ich gefragt worden, welche Grundsätze ich befolge bezüglich der Eisauflagen, des Aderlassens u. a. Dieselben mögen hier in Kürze ihre Stellung finden.
Wer mit gerunzelter Stirne einem Feinde zur Versöhnung die Hand bietet, wird schwerer zu Werke kommen, als wer ihm freundlichen Antlitzes und frohen Herzens die Hand reicht. Dieses Bild will mir nicht übel dünken da, wo es sich um die Anwendung von Eis oder um Wasser handelt. Von jeher habe ich die Eis-Auflagen, namentlich auf die edelsten Körperteile (Kopf, Augen, Ohren usw.) zu den schroffsten und gewaltsamsten Mitteln gerechnet, welche überhaupt zur Anwendung kommen können. Sie gehen der Natur nicht helfend an die Hand, daß sie anfange, selbst wieder zu arbeiten; sie erzwingen gewaltsam etwas von ihr, und das muß sich rächen. Eistuch und Eisbeutel, und wie die Dinge heißen, sind in meiner Werkstätte unbekannte Größen und sollen es auch für alle Zukunft bleiben. Man stelle sich nur einmal die kolossalen Gegensätze vor: drinnen im Körper die Glühhitze, draußen der Eisberg, dazwischen das leidende Glied, das von beiden bearbeitete Organ von zartem Fleisch und Blut. Die Ergebnisse solcher Arbeit habe ich stets nur mit großem Bangen erwartet und mein Bangen war in den meisten Fällen sehr gerechtfertigt.
Ich kenne einen Herrn, der ein ganzes Jahr hindurch bei Tag und bei Nacht auf einem Fuße Eis-Auflagen zu tragen hatte, ohne jede Unterbrechung. Fürwahr, da müßte ja geradezu ein Wunder geschehen, wenn diese Eisscholle nicht alle Hitze, aber auch die unentbehrliche Naturwärme davontragen sollte! Von Heilung des Fußes war keine Spur zu sehen.
Aber, entgegnet mir jemand, in vielen Fällen hat’s in der Tat geholfen. Mag sein, daß das Übel den Zwangsmitteln nicht widerstehen konnte. Welches waren indessen die Folgen? Unzählige sind zu mir gekommen mit teilweisem Verluste des Gesichtes, mit größerer oder geringerer Taubheit, mit Rheumatismen der verschiedensten Art, besonders mit Kopfhaut-Rheumatismus und sonstiger großer Empfindsamkeit des Kopfes usw. Woher das alles? „Ja, da und dort und dann,“ so lauten die Antworten, „hat solches[S. 36] der leidige Eisbeutel getan, dieses Übel trage ich nun schon seit so und so vielen Jahren.“ Gewiß, und die meisten werden es tragen bis zum Ende ihrer Jahre.
Noch einmal sei es gesagt: ich spreche durchaus gegen jede Eis-Auflage und behaupte dagegen, daß das Wasser, richtig angewendet, jedwede, auch die stärkste Hitze, in welchem Teile oder Organe des Körpers dieselbe immer wüte, zu dämmen und zu tilgen imstande ist. Wenn eine Feuersbrunst nicht mehr durch Wasser gelöscht werden kann, dann kann sie auch nicht durch Eisschollen gelöscht werden. Das sieht ein jeder sehr gut ein.
Ich sagte soeben: Hilfe wird bringen, wer das Wasser richtig anwendet. Darunter verstehe ich freilich nicht, daß man z. B. bei einer Entzündung am oder im Kopf, wie man sonst die Eisplatte, den Eisbeutel auflegt, nun möglichst viele nasse Kopfwickel, Auflagen usw. gebrauchen müsse. 100 Eisplatten und Kopfwickel werden das Zuströmen des Blutes nach der entzündeten Stelle, wodurch die Hitze sich steigert, nicht aufhalten. Ich muß das Blut anders wegzuleiten, zu verteilen suchen, mit anderen Worten: ich muß neben den Anwendungen auf die leidende Stelle auch solche auf den ganzen Körper machen. Diesen Feind in oder am Kopf z. B. werde ich zu allererst bei den Füßen des Patienten angreifen und allmählig dann gegen den ganzen Körper vorrücken.
Das Eis leistet im übrigen auch mir bei meiner Wasserkur durch indirekte Verwendung treffliche Dienste. Es kühlt zur Sommerszeit das Wasser, wenn es anfangen will, lau zu werden. —
Wie ich über das Aderlassen, die Blutegel und all die wie immer gearteten Blutentziehungen denke?
Noch vor 50, 40, 30 Jahren war selten eine Frau, die sich nicht zwei-, drei-, viermal zur Ader gelassen hätte; die Halbfeiertage und natürlich die günstigsten Zeiten waren gleich am Jahresanfange im Kalender strenggläubig gewählt und rot oder blau angestrichen worden. Die Land- und anderen Ärzte, die Bader und Rasierer selbst nannten ihre eigene Arbeit in dieser Beziehung eine förmliche „Metzgerei“. Auch Anstalten, Klöster hatten ihre Aderlaßzeit und die vor allem andern streng eingeführte Diät (Lebensweise) genau bezeichnet. Man wünschte sich Glück vor und gratulierte sich nach den überstandenen blutigen Strapazen. Diese mögen zuweilen nicht gering gewesen sein. Ein geistlicher Herr aus jener Zeit versicherte, 32 Jahre lang habe er sich zur Ader gelassen, in jedem Jahre viermal, und bei jedem Aderlaß 8 Unzen Blut verloren. Tut in Summa 8 × 4 × 32 = 1024 Unzen Blut.
Neben dem Aderlaß gingen noch Blutegel, Schröpfköpfe u. a. um; es war gut gesorgt für jung und alt, für hoch und nieder, für Männer und Frauen.
Wie doch die Zeiten sich ändern! Dieses Treiben hielt man lange für das unum necessarium, das einzige und absolut Notwendige des Gesundseins und Gesundbleibenwollens. Und wie denkt man heutzutage darüber? Man belächelt und bespöttelt diesen Irrwahn der Alten, diese Naturwissenschaftlichkeit, zu meinen, daß irgend ein Mensch zu viel Blut habe. Vor ungefähr zwei Jahren sagte mir ein literarisch tätiger Arzt des Auslandes, der einer neueren Schulrichtung folgt, er habe sein Leben lang noch nie Blutegel gesehen. Viele Ärzte schreiben die Blutarmut unserer Zeit dem früheren Übelstand und Mißbrauch des Aderlasses zu. Sie mögen recht haben, nur ist dieses nicht die einzige Ursache.
Doch zur Sache! Meine Überzeugung ist folgende: Beim menschlichen Körper stimmt alles so wunderbar zusammen, der Teil zum Teil und jeder Teil zum Ganzen, daß man nicht ansteht, das Gebilde des Körpers ein einziges Kunstwerk zu nennen, dessen Idee nur in Gottes Schöpfergeist ruhen konnte, und dessen Inswerksetzung nur durch Gottes Schöpferkraft möglich war. Dieselbe Ordnung, dasselbe Maß, dieselbe Harmonie besteht zwischen Einnahme und Verbrauch der zum Unterhalte, zur Erhaltung des Körpers notwendigen Stoffe, wenn anders der vernünftige und freie Mensch durch rechten Gebrauch des ihm Gegebenen nach Gottes Willen mitarbeitet und nicht durch Mißbrauch desselben die Ordnung verkehrt und Mißklänge in die Harmonie bringt. Da der Sachverhalt ein derartiger ist, so kann ich mir nicht denken, wie die Blutbildung allein, dieser wichtigste aller Prozesse im menschlichen Körper, ohne Ordnung, ohne Zahl und Maß, ungeordnet und übermäßig vor sich gehen solle.
Jedes Kind, so denke ich mir die Sache, bekommt von seiner Mutter mit dem Leben als Erbteil gleich bei der Geburt ein Quantum, eine Portion Blutbildungsstoff mit, mag man letzteren nennen, wie man will, gleichsam die Essenz, ohne welche kein Blut fabriziert, bereitet werden kann. Geht diese Essenz aus, so hört auch die Blutbildung, mit ihr das eigentliche Leben auf. Absterben, hinsiechen nenne ich nicht mehr „leben“. Durch einen jeden Blutverlust nun, geschehe es durch Fall, Sturz oder durch Aderlaß, Blutegel, Schröpfköpfe, geht ein Teilchen oder Teil dieses Blutbildungsstoffes, dieser Lebensessenz verloren; um so viel hat der Mensch weniger, kürzer zu leben. Jede Blutentziehung bedeutet soviel als Verkürzung des Lebens, denn im Blute ist das Leben.
Man wendet ein: Nichts geht rascher als Blutbildung; Blut verlieren, Blut gewinnen, ist fast ein und dasselbe. —
Unglaublich wunderbar schnell geht die Blutbildung vor sich, das gestehe ich vollkommen zu. Aber man entschuldige folgendes Erfahrungsargument (Beispiel); es wird meine Leser aus dem Bauernstand interessieren und sie werden es bestätigen müssen. Wer ein Stück Vieh schnell fett machen will, zapft ihm einen großen Teil Blutes ab, läßt ihm zur Ader und füttert es dann recht gut. In ganz kurzer Zeit wird neues, schönes Blut in Menge fließen. Dabei gedeiht das Stück außerordentlich und nimmt zu an Fettigkeit. Nach 3–4 Wochen läßt man nochmals Blut ab und füttert wieder kräftig und gut, gibt auch viele und kräftige Tränke. Das Gedeihen ist prächtig, und selbst ein altes Stück Vieh wird beim Schlachten so viel und so schönes Blut zeigen wie ein junges. Sehen wir uns indessen das Blut näher an! Das künstlich gebildete Blut ist nur mehr wässeriges, fades, lebensunfähiges Blut. Das Stück Vieh hat keine Kraft, keine Leistungsfähigkeit, keine Ausdauer mehr, und wird es nicht bald geschlachtet, so wird sich binnen kurzem die Wassersucht ansetzen.
Sollte es bei dem Menschen anders sein? Wer schon mehr als 60 Jahre zählt und ein bißchen Erfahrung und Einsicht hat ins Menschenleben, weiß, wie gerade der unmäßige Aderlaß der Voreltern Einfluß hatte auf Fähigkeiten, Talente, Lebensdauer der Nachkommen. Der im Beginne dieser Abhandlung angeführte Herr, der so viele Unzen Blut lassen mußte, starb in den schönsten Mannesjahren an der Wassersucht. Und wenn eine Frau, es sind dieses Tatsachen, 300mal, eine andere 400mal sich zur Ader ließ und dabei namenlos schwach und krank wurde, mußte da die folgende Generation nicht schwächlich und gebrechlich, zu Krämpfen und anderen Leiden veranlagt sein?
Ich gestehe gerne zu, daß es Fälle geben kann, welche aber stets zu den Ausnahmen gehören, in denen, da andere rasch wirkende Mittel nicht zur Hand sind, der Aderlaß eine augenblickliche Gefahr beseitigt.
Sonst aber frage ich jeden vernünftigen Unparteiischen: Was ist besser, sich Stück für Stück vom Lebensfaden abzwacken zu lassen, oder durch richtige Wasseranwendung das Blut so zu verteilen, daß selbst der Vollblütigste kein zu großes Quantum Blut besitzt? — Wie und durch welche Anwendungen diese Verteilung zu geschehen habe, ist an passender Stelle des öfteren erörtert.
Gewöhnlich bekommt man zu hören, daß bei drohenden Schlaganfällen der Aderlaß das einzige Rettungsmittel sei.[S. 39] Da erinnere ich mich soeben des Falles, wo nach einem stattgehabten Schlagflusse der erste Arzt in der Tat schnell zur Ader ließ, der zweite Arzt aber bestimmt erklärte, der Kranke müsse gerade infolge dieses Aderlasses sterben, was auch geschah. Nicht Blutreichtum und Blutüberfluß führen, wie irrtümlicher Weise die Leute meinen, in der Regel einen Schlag herbei, sondern Blutarmut. „Er ist am Schlage verschieden“ heißt gewöhnlich soviel als: mit dem Ausgehen des Blutes ist ihm auch das Leben ausgegangen. Das Öl hat aufgehört zu fließen und zu befruchten; deshalb ist der glimmende Docht völlig erloschen.
Welch nützliche Dienste gerade nach Schlaganfällen das Wasser leistet, lese man im dritten Teile nach. Ich bemerke hier nur noch, daß gerade mein Vorgänger im pfarrlichen Amte dreimal vom Schlage gerührt und nach dem dritten Male vom Arzt als lebensunfähig erklärt wurde. Das Wasser hat ihn nicht nur im Augenblicke gerettet, sondern noch mehrere Jahre seiner Gemeinde erhalten.
Die Fußbäder können kalt und warm zur Anwendung kommen.
besteht darin, daß man 1–3 Minuten bis an oder über die Waden in kaltem Wasser steht.
Bei Krankheiten dienen kalte Bäder vornehmlich dazu, das Blut von Kopf und Brust abwärts zu leiten; sie kommen indessen meist nur in Verbindung mit anderen Anwendungen vor, zuweilen in Fällen, in denen Ganz- oder Halbbäder von den Patienten verschiedener Ursachen wegen nicht ertragen werden.
Bei Gesunden bezwecken sie Auffrischung (Entziehung der Mattigkeit) und Kräftigung und sind Landleuten insbesondere zur Sommerszeit anzuraten, wenn nach anstrengenden, sehr ermüdenden Tagen nachts der Schlaf sich nicht einstellen will. Sie ziehen die Müdigkeit aus, bringen Ruhe und guten Schlaf.
kann auf verschiedene Art genommen werden.
a) In warmes Wasser von 25–26° R. bringt man eine Hand voll Salz und die doppelte Quantität Holzasche. Nach gehöriger Mischung benützt man das Fußbad ungefähr 12–15 Minuten.
Zuweilen gebe ich — es muß solches stets besonders verordnet werden — so ein Fußbad mit einer Temperatur bis[S. 40] zu 30°, jedoch stets mit darauffolgendem kalten Fußbad von der Dauer einer halben Minute.
Die Fußbäder dienen vortrefflich überall da, wo wegen Kränklichkeit, Gebrechlichkeit, mangelnder Körperwärme usw. strenge und kalte Mittel nicht leicht gebraucht werden können, da zu geringe oder gar keine Reaktion stattfindet, d. h. das kalte Wasser wegen Blutmangels zu wenig Wärme entwickelt.
Es sind die eigentlichen Fußbäder für schwächliche, blutarme, nervöse, sehr junge und sehr alte, vorherrschend für Frauens-Personen und erweisen sich sehr wirksam bei allen Störungen im Blutumlaufe, bei Kongestionen, Kopf- und Halsleiden, Krämpfen usw.
Sie leiten, ziehen das Blut nach den Füßen und wirken beruhigend.
Solchen, die an Fußschweiß leiden, empfehle ich dieselben nicht.
Bei unserem Landvolke sind diese warmen Fußbäder allbekannt und deren Wirkungen, wie der häufige Gebrauch zeigt, allgemein bekannt.
b) Ein heilkräftiges Fußbad ist das Heublumen-Fußbad.
Man übergießt („schwellt an“) eine kleine Schürze (3–5 Hand voll) Heublumen[5] mit strudelndem Wasser, deckt das Gefäß zu und läßt die ganze Mischung bis zu der angenehmen Fußbadwärme von 25–26° R. erkalten.
Es ist ganz gleichgültig, ob die Heublumen selbst im Fußbade verbleiben, oder ob nach Entfernung derselben der Absud allein zur Verwendung komme. Gewöhnliche Leute lassen der Einfachheit und Zeitersparnis wegen in der Regel alles beisammen.
Diese Fußbäder wirken auflösend, ausleitend und stärkend und dienen sehr gut bei kranken Füßen, des weiteren bei Fußschweißen, bei offenen Schäden, bei Quetschungen aller Art (ob durch Schlag, Stoß, Auffallen usw. entstanden, ob blutend oder blutunterlaufen), bei Geschwülsten, bei der Fußgicht, bei Verknorpelungen an und bei Fäulnis zwischen den Zehen, bei Nagelgeschwüren, bei Verletzungen durch zu enge Schuhe usw. Im allgemeinen kann gesagt werden: diese Fußbäder dienen all jenen Füßen vortrefflich, deren Säfte mehr krankhaft und zur Fäulnis neigend als frisch und gesund sind.
Ein Herr litt entsetzlich an der Fußgicht. Er schrie vor Schmerzen. Ein solches Fußbad mit Fußwickel, der in den Absud getaucht war, benahm nach einer Stunde die gräßlichen Schmerzen.
c) An das Heublumenfußbad schließt sich enge an das Haberstrohfußbad.
In einem Kessel werde Haberstroh eine halbe Stunde lang gesotten und der Absud zu einem Fußbade von 25–26° R. verwendet, in dem man 20–30 Minuten aushält.
Nach meinen Erfahrungen sind diese Fußbäder unübertroffen, wenn es sich um Auflösung aller möglichen Verhärtungen an den Füßen handelt. Sie dienen somit bei Verknorpelungen, Knoten usw., den Folgen von Gicht, Gliedersucht, Podagra, bei Hühneraugen, bei eingewachsenen faulenden Nägeln, bei durch Gehen entstandenen Hitzblattern. Selbst offene, eiternde Füße und durch zu scharfen Fußschweiß verwundete Zehen können in diesem Fußbade behandelt werden.
Ein Herr schnitt sich das Hühnerauge aus. Die Zehen entzündeten sich; ein bösartiges Geschwür ließ an Blutvergiftung denken. Täglich drei Haberstrohfußbäder und bis über die Fußknöchel reichende Fußwickel, in solchen Absud getaucht, heilten den Fuß innerhalb vier Tagen.
Einem Kranken drohten sämtliche Zehen eines Fußes wegzufaulen. Geschwülste, dunkelblau gefärbt, legten wiederum die Besorgnis vor Blutzersetzung nahe. Die Fußbäder und Fußwickel halfen in kurzer Zeit wieder auf die Beine.
In manchen Fällen verordne ich bei den genannten Fußbädern (man lese die einschlägige Stelle bei: „Warmes Vollbad“ S. 57) wie bei den warmen Vollbädern den dreimaligen Wechsel. Den Abschluß bildet auch hier wie dort das Kalte. Eine stete Ausnahme bildet jedoch das oben unter a erwähnte 25 bis 26° warme Fußbad mit Beigabe von Asche und Salz. Dasselbe hat den Zweck, das Blut in verstärkter Weise von oben nach unten zu ziehen und daselbst zu verteilen. Wer auf dieses warme Fußbad also noch ein kaltes folgen ließe als Abschluß, der würde das stark nach den Füßen geleitete Blut abermals von unten nach oben zurückschrecken, und es würde dasselbe keineswegs mehr in so ausgiebiger Menge in die Füße hinabfließen, in der es durch das warme Wasser mit Asche und Salz hinabgezogen wurde. Die erste, gewollte Wirkung würde auf diese Art wenigstens teilweise auf[S. 42]gehoben und der Zweck vereitelt. Auf das warme Fußbad mit Beigabe von Asche und Salz folgt also nie ein kaltes.
d) An eine besondere Art von Fußbädern, die mehr fester als tropfbar flüssiger Natur sind, möchte ich hier nur erinnern. Wer in die Möglichkeit ihres Gebrauches gesetzt ist, verschmähe dieselben nicht! Ich habe sie oft, sehr oft mit großem Erfolge angewendet.
Man lege in ein Gefäß (Fußkübel) den noch warmen Malztreber. Die Füße bohren sich leicht ein und fühlen sich in der wohltuenden Wärme bald heimisch. Das Bad kann 15 bis 30 Minuten währen. — Noch stärker wirken die Trebern der Weintrauben. Das sogenannte „Trebernhocken“ ist in den Weingegenden beim Volke bekannt und das Trebernbad von den Landleuten als sehr günstig wirkend erprobt.
Wer an Rheumatismus, Gicht oder ähnlichen Übeln leidet, wird die Heilwirkung am besten spüren.
Eine Bemerkung, welche für sämtliche Fußbäder gilt, ist folgende: Bei Personen, die mit Krampfadern behaftet sind, sollen die Fußbäder nie weiter als bis zu den beginnenden Waden reichen und die Temperatur von 25° R. nicht übersteigen.
Fußbäder mit einfachem warmem Wasser, ohne jede Beimischung, nehme und verordne ich nie.
Im allgemeinen verstehe ich unter Halbbädern jene Bäder, welche den Körper im höchsten Falle bis zur Mitte des Unterleibes, ungefähr bis zur Magengegend herauf bespülen, aber sehr oft unter diesem höchsten Wasserstande bleiben. Ich mußte ein Mittelding haben zwischen den Vollbädern, die mir zu viel, und zwischen den Fußbädern, die mir zu wenig bieten. Für dieses Mittelding wählte ich mit Verlaub den Namen Halbbäder.
Die Anwendung kommt in dreifacher Art vor:
1. ins Wasser stehen, so daß dieses reicht bis über die Waden oder über die Knie;
2. ins Wasser knien, so daß die ganzen Schenkel mit ins Wasser kommen;
3. ins Wasser sitzen. Die dritte Art nur verdient mit Recht den Namen des eigentlichen Halbbades; es reicht bis zur Mitte des Unterleibes, bis in die Nabelgegend.
Alle drei Anwendungen, die stets nur in kaltem Wasser vorgenommen werden, zählen in erster Linie mit zu den Abhärtungsmitteln. Sie betreffen demnach Gesunde, die noch stärker, Schwächlinge, die stark, Rekonvaleszenten, die vollends gesund und stark werden wollen. In Krankheitsfällen muß[S. 43] ihr Gebrauch speziell und ausdrücklich vorgeschrieben sein, sonst soll man damit keine Versuche anstellen, sie könnten unter Umständen nicht gut ausfallen.
Bei jeder Art des Verwendens, sie betreffe Gesunde oder Kranke, ist die Anwendung stets eine Teilanwendung, d. h. sie kommt nur in Verwendung mit anderen Anwendungen vor und darf die Gebrauchszeit ½–3 Minuten nie übersteigen.
Die Nummern 1 und 2, ins Wasser stehen und ins Wasser knien, habe ich bei solchen Personen, die an Kraft durch die verschiedensten Ursachen gänzlich heruntergekommen waren, beim Beginne der Wasserkur stets mit großem Erfolge angewendet. Ich will diese Ursachen nicht nennen, sondern nur andeuten, daß es viele gibt, welche den Druck des Wassers bei Vollbädern anfangs ohne die unangenehmsten Folgen nicht ertragen können. Man gehe über diesen Punkt nicht mit vornehmem Naserümpfen oder mit Lachen hinweg. Ich wäre gerne bereit, nicht einige, nein, Hunderte von schlagenden, lebendigen Beispielen aus den verschiedensten Klassen und Ständen anzuführen. Gerade solche (wegen zu großer Schwäche und Armseligkeit) Kranke haben mich auf diese zwei Anwendungen gebracht; ihr Zustand erforderte diese diskrete, maß- und rücksichtsvollste Wasserbehandlung — manchmal durch lange Wochen hindurch, so lange, bis sie mehr gekräftigt auch mehr aushalten konnten.
Als zweite abhärtende Übung wird mit beiden Nummern gewöhnlich verbunden das Eintauchen der Arme bis zu den Achseln (s. Abhärtungsmittel S. 29). Neben Stählung der Natur verordne ich diese eine ganze (aus zwei Teilanwendungen bestehende) Anwendung speziell gegen kalte Füße.
Die Nummer 3, das eigentliche Halbbad ist wohl zu beachten; ich empfehle dieses allen Gesunden auf das eindringlichste. Die Unterleibsschwächen und Unterleibskrankheiten — und deren Zahl ist Legion, deren Ursache im Grunde nur eine: Mangel an Abhärtung, Verweichlichung — werden durch sie im Keime erstickt, die schon seßhaften beseitigt. Diese Halbbäder kräftigen den Unterleib, erhalten und mehren die Kraft. Tausende und Tausende von Menschen tragen eine, zwei, mehr Leibbinden und anderes. Machen die es besser? Oft schlimmer; sie binden die Verweichlichung, das Gebrechen erst recht sozusagen in den armen Leib hinein. Man probiere einmal langsam, aber entschieden unser Halbbad! Die Klagen über Hämorrhoiden, Windkolik, Hypochondrie, Hysterie usw. werden sich in Bälde bedeutend mindern, Übel, die jetzt im kranken und geschwächten Unterleib ihr geistverrückendes Spiel treiben.
Gesunden gebe ich den Rat, sie sollen morgens beim Aufstehen den Oberkörper waschen, nachmittags oder abends sodann unser Halbbad nehmen. Haben sie zur Waschung in der Frühe keine Zeit, so mögen sie im Halbbade selbst die Waschung des Oberkörpers (der Brust und des Rückens) vornehmen.
Über den Gebrauch der einen oder anderen unserer drei Anwendungen in Krankheitsfällen mögen Beispiele ein Wort sagen.
Ein junger Mann wurde durch den Typhus derart geschwächt, daß er zu jeder Arbeit unfähig war. Längere Zeit hindurch kniete er jeden 2. oder 3. Tag 1, später 2–3 Minuten ins Wasser.
Er erholte sich von Woche zu Woche mehr und wurde kräftig wie früher.
Jemand leidet an heftigen Kongestionen, die vom Unterleibe (es kommt dieses häufig vor) ausgehen. Er wäscht den einen Tag den Oberkörper kräftig ab, den andern Tag kniet er ins Wasser. So setzt er es eine geraume Zeit fort und wird frei.
Magenleiden, die von Blähungen, verhaltenen oder versessenen Winden herrühren, werden ebenso geheilt.
Das Austreiben solcher Gase, die nach Krankheiten zu den belästigendsten Übeln gehören können, ist ein Spezifikum, d. i. eine ganz besondere Wirkung unseres Halbbades.
Die Sitzbäder kommen kalt und warm zur Verwendung.
wird in folgender Weise genommen.
Die eigens für die Sitzbäder gefertigte Sitzbadewanne (Fig. 2) oder in deren Ermangelung das weite, nicht tiefwandige Gefäß aus Holz, Blech oder Zink (Fig. 3) wird zum vierten oder fünften Teile etwa mit Kaltwasser angefüllt. In diese Wanne setzt man sich ausgekleidet wie auf einen Stuhl derart, daß der halbe Unterleib bis in die Nierengegend und die obere Hälfte der Schenkel in das Wasser kommen. Die andere Schenkelhälfte gegen die Knie zu und die Füße kommen außer Wasser zu stehen (Fig. 4). Wer schon einige Praxis[S. 45] hat, braucht sich nicht ganz auszukleiden. Die Dauer eines Bades beträgt eine halbe bis drei Minuten.
Diese kalten Sitzbäder gehören nebst den Halbbädern zu den bedeutsamsten und wirksamsten Anwendungen speziell für den Unterleib. Sie sind Luft (Gas) ausleitend, die schwache Verdauung und den Stuhlgang befördernd, den Blutumlauf regelnd, stärkend und deshalb bei Bleichsucht, Blutfluß und ähnlichen Zuständen, bei Unterleibsgebrechen der delikatesten Art nicht genug zu empfehlen. Niemand braucht die naßkalte, nur 1–2 Minuten dauernde Anwendung zu fürchten. Gut und nach Vorschrift ausgeführt kann dieselbe niemals schaden.
Um Erkältungen vorzubeugen, um gefeit, gekräftigt, unempfindlich zu werden gegen den häufig so arg mitspielenden Temperaturwechsel, nehme man öfters solche Sitzbäder, am besten nachts vom Bette aus. Man erwacht zu irgend einer Stunde, steigt schnell ins Sitzbad (das Auskleiden bleibt erspart) und sofort, ohne abzutrocknen, wieder ins Bett. Vor oftmaligem Gebrauche hintereinander möchte ich jedoch warnen, weil dadurch das Blut zu sehr in die Sitzteile geleitet wird und so Hämorrhoiden großgezogen werden; 2–3 mal in der Woche geht an.
Wem der gesunde ruhige Schlaf fehlt, schon beim Beginn der Nachtruhe, wer nachts aufwacht und nicht wieder einschlafen kann, wer überhaupt an Schlaflosigkeit leidet, benütze fleißig das kalte Sitzbad. Die Sitzungen während je 1–2 Minuten benehmen die Aufregung und verschaffen angenehme Ruhe.
Ein Patient vermochte geraume Zeit hindurch selten länger als 1–2 Stunden zu schlafen und wälzte sich, alle möglichen Gedanken aufgreifend, in immer tiefere Aufregung hinein. Diese Bäder brachten ihm den heißersehnten Gast.
Wer in der Frühe mit eingenommenem Kopfe, wer matter aufsteht, als er zur Ruhe ging: beiden rate ich dringend diese Anwendung.
Auch allen Gesunden sei dieselbe hiemit nochmals aufs wärmste empfohlen.
bereite ich niemals mit warmem Wasser allein. Dasselbe ist bei mir stets entweder
a) ein Zinnkraut-Sitzbad oder
b) ein Haberstroh-Sitzbad oder
c) ein Heublumen-Sitzbad.
Die Zubereitung der drei Bäder geschieht auf eine und dieselbe Weise. Man gießt strudelndes Wasser über das Kraut und läßt die Mischung auf dem Feuer eine Zeit aufkochen. Sodann rückt man das Kochgefäß aus der Hitze weg, läßt den Absud samt dem Kraut abkühlen, bis er die Badetemperatur von 24 bis 26°, selten 30° R. erreicht hat, und schüttet beides, Absud und Kraut, in die bereitstehende Sitzbadewanne. So ein Sitzbad darf eine Viertelstunde währen, und da es schade wäre, den Absud alsdann wegzugießen, lasse ich denselben noch zu zwei weiteren Anwendungen benützen. Die eine geschieht 3–4 Stunden später als die erste, die andere eine Stunde später als die zweite Anwendung, beide im kalten Absude, je zu 1–2 Minuten.
Solche Kräutersitzbäder erlaube ich wöchentlich höchstens zwei- bis dreimal, öfters nur im Wechsel mit kalten oder in Fällen, wo es sich um die Heilung eines tief eingewurzelten Übels handelt, wie bei hervorragenden Hämorrhoidalleiden, bei Mastdarmfisteln, Blinddarmbeschwerden und ähnlichem.
Bruchleidende brauchen sich durch ihr Gebrechen von der Benützung dieser Bäder nicht abhalten zu lassen.
a) Das Zinnkraut-Sitzbad dient speziell und hauptsächlich bei krampfhaften, rheumatischen Zuständen der Nieren und der Blase, bei Gries- und Steinleiden, bei Beschwerden im Urinieren (Wassermachen).
b) Das Haberstroh-Sitzbad ist ein vorzügliches Bad bei allen gichtischen Leiden.
c) Das Heublumen-Sitzbad hat mehr allgemeine Wirkung und wird in Ermangelung von Zinnkraut und Haberstroh bei allen oben angeführten Unterleibsleiden angewandt, wenn auch weniger wirksam. Gute Dienste hat es mir stets geleistet bei der Auflösung von Anstauungen im Unterleibe, bei der Behandlung von äußeren Geschwülsten, Geschwüren (Gürtelausschlag), bei hartem Stuhlgang, bei Hämorrhoiden, bei krampfhaften und kolikartigen Erscheinungen (Windkolik).
Auch diese Bäder werden unterschieden in kalte und warme Vollbäder. Jede Art dient sowohl den Gesunden als den Kranken.
kann auf zweifache Weise genommen werden: entweder steht oder liegt man mit dem ganzen Körper in das kalte Wasser, in die Badewanne; oder man geht, um den fühlbaren Druck des Wassers auf die Lunge zu vermeiden (obgleich nie eine Gefahr ist), nur bis unter die Arme ins Wasser, so daß die Lungenspitzen frei bleiben, und wäscht den Oberkörper mit der Hand oder einem rauhen Linnen (Handtuche) rasch ab.
Die kürzeste Dauer eines solchen kalten Vollbades ist eine halbe Minute, die längste, welche nicht überschritten werden soll, drei Minuten.
Auf diese meine Sonderanschauung werde ich im folgenden noch einige Male zurückkommen müssen. Hier stehe nur die Bemerkung, daß ich vor ungefähr 20 Jahren selbst noch anderer Meinung war, Bäder von längerer Dauer anriet und im Glauben lebte, die Wasserheilanstalten könnten von der besten Methode nicht weit abirren.
Die langjährige Erfahrung und die tägliche Praxis an mir und an anderen haben mich seit langer Zeit, wie ich glaube, eines Besseren belehrt. Diese Lehrmeisterinnen brachten mich zu der festen Überzeugung, daß bei Kaltwasserbädern der Grundsatz der richtige und wahre ist:
Je kürzer das Bad, desto besser die Wirkung. Wer eine Minute im kalten Vollbade bleibt, handelt klüger und sicherer als derjenige, welcher fünf Minuten darinnen bleibt.
Mögen Gesunde oder Kranke dieses Bad gebrauchen, ich verwerfe ein jedes, das über drei Minuten dauert.
Diese Überzeugung, die unzählige Tatsachen gebracht und seitdem bestätigt haben, macht es erklärlich, daß ich über die schroffen Anwendungen in Wasserheilanstalten, auch über das vielfach unüberlegte Baden zur Sommerszeit meine eigenen Anschauungen habe.
Was den letzten Punkt angeht, so gibt es Leute, welche einmal, ja zweimal im Tage je eine halbe Stunde und darüber im Wasser bleiben. Bei tüchtigen Schwimmern, die starke Bewegung machen und nach dem Baden gute, kräftige Nahrung zu sich nehmen können, sage ich weniger. Die kräftige Natur wird schnell ersetzen, was das Bad ihr genommen. Den Landratten aber, die ohne rechte Bewegung wie mühsam gehende Schildkröten eine halbe Stunde[S. 48] im Wasser herumkriechen, nützt so ein Badmartyrium nicht nur nichts (die Reinigung der Hautwäsche hätten sie billiger haben können), es schadet, und wenn es öfters, gar zu oft wiederkehrt, schadet es viel: derlei Bäder machen schlaff und müde. Statt daß sie der Natur, dem Organismus nützen, ziehen sie ihn aus; statt daß sie kräftigen und nähren, zehren sie.
Öfters kamen mir von bekannter und unbekannter Seite Warnungen zu des Inhalts, ich möchte doch bedenken, daß die Anwendung des kalten Wassers gleichbedeutend sei mit Wärme-Entziehung, daß Wärme-Entziehung blutarmen Personen sehr schade und die Nervenreizbarkeit in hohem Grade steigere.
Ich unterschreibe jedes Wort, wenn es sich um allzu schroffe Anwendungen der oben beschriebenen Art handelt; meine Anwendungen aber, an dieser Stelle die kalten Vollbäder, empfehle ich vorerst allen Gesunden zu jeder Jahreszeit, im Sommer und Winter, und behaupte, daß gerade diese Bäder zur Erhaltung und Kräftigung der Gesundheit wesentlich beitragen; sie reinigen die Haut, befördern die Hauttätigkeit, erfrischen, beleben und stärken den ganzen Organismus. Im Winter sollen die Bäder in der Woche die Zahl zwei nicht leicht überschreiten; eines genügt alle acht, unter Umständen alle vierzehn Tage.
Noch zwei Punkte seien hier berührt.
Eine wichtige Rolle im Gesundbleiben spielt das Abgehärtetsein gegen die verschiedenen Einflüsse, den Wechsel der Temperatur (Witterung, Jahreszeiten). Unglücklich der Mensch, dem jeder Windhauch, jedes Lüftchen die Lunge, den Hals, den Kopf verdreht, der das ganze Jahr aufmerken muß, wie heute und morgen die Windfahne gerichtet ist. Dem Baum in der freien Natur kann es gleichgültig sein, ob Sturm, ob Windstille, ob Hitze, ob Kälte herrscht. Er trotzt Wind und Wetter, er ist abgehärtet. Der Gesunde probiere unser Bad, er wird dem starken Baume gleichen.
Ein Grund der Angst und Besorgnis vor den Kaltwasser-Anwendungen ist vielen sehr schwer zu benehmen; ich möchte denselben bezeichnen als die fixe Idee von der Wärme-Entziehung. Die Kälte schwächt und muß schwächen, sagen sie, wenn nicht auf deren Anwendung alsbald das Gefühl der Wärme folgt. Ganz gewiß, ich stimme bei, aber ich behaupte entgegen, daß, abgesehen von der vielen Bewegung, die nach unseren Grundsätzen mit jeder Anwendung von kaltem Wasser strenge und vorschriftsmäßig ver[S. 49]bunden ist, unsere Kaltwasserbäder der Natur die Wärme nicht rauben, vielmehr dieselbe erhalten und pflegen. Statt allem die Frage: Wenn ein geschwächter, durch fortwährendes Stubensitzen verweichlichter Mensch, welcher zur Winterszeit nur im äußersten Notfalle noch einen Ausgang wagen darf, durch die Bäder oder durch die Waschungen auf einmal so abgehärtet ist, daß er ohne Furcht bei jeder Witterung ausgeht, die empfindsame Kälte selbst kaum mehr empfindlich spürt, muß bei einem solchen die Naturwärme nicht gewonnen haben? Sollte dieses alles Schein und Trug sein?
Ein Beispiel von vielen möge doch hier Platz finden!
Ein hoher Herr, über 60 Jahre alt, war wasserscheu aufs äußerste. Seine größte Sorge bei Ausgängen bestand darin, ja nicht eines der unentbehrlichen Wollstücke zu vergessen; alle möglichen und unmöglichen Erkältungen usw. könnten ja die Folge solch’ unverzeihlicher Vergeßlichkeit sein. Der Hals des Herrn war vor allen andern Kopf-, Rumpf- und Gliederteilen so empfindlich, daß er ihn kaum mehr entsprechend zu pflegen, zu umhüllen wußte. Da kam der „Barbar“ dahinter. Mit einer gewissen Schadenfreude verordnete er unsere kalten Vollbäder. Der Herr gehorchte. Und die Folgen? Dieselben waren außerordentlich günstige. Nach wenigen Tagen schon vollzog sich die erste Häutung; dem ersten Woll- und Flanellhemd folgte bald das zweite und die Wollseile des Halses gingen bald denselben Weg. Jeden Tag, an dem er kein Vollbad nehmen konnte, hielt er für keinen geordneten Tag; so sehr stählte es fühlbar gegen Klima und Witterung. Und er nahm die Bäder nicht bloß im erwärmten Zimmer, er nahm dieselben im Oktober noch beim täglichen Spaziergange in einem Flusse, dessen kalte Wasser ihm willkommener waren als das Wasser der zu Hause stehenden Badewanne. —
Die Hauptfragen, die wir zu beantworten haben, sind folgende:
In welchem Zustande, in welcher Disposition (Beschaffenheit) muß der gesunde Körper sein, daß er solche kalte Vollbäder mit gutem Erfolge gebraucht? Ferner:
Wie lange darf ein Gesunder im Bade bleiben? Endlich:
Zu welcher Jahreszeit beginnt man am leichtesten diese Abhärtungskur?
Die gute Disposition für die kalten Vollbäder erfordert wesentlich, daß der ganze Körper vollkommen warm sei.
Wer somit durch den Aufenthalt im warmen Zimmer, wer durch Arbeiten oder durch Gehen vollständig durchwärmt ist, befindet sich in der richtigen Verfassung.
Wem kalt ist, wer an kalten Füßen leidet, wen fröstelt, der soll bei solchem Kältezustande nie ein kaltes Vollbad nehmen, er habe sich denn zuvor durch Gehen usw. gehörig erwärmt.
Umgekehrt: wer schwitzt, wer erhitzt (ich rede von gesunden Menschen), im größten Schweiße wie gebadet ist, nehme ruhig unser Vollbad.[6]
Kaum wird irgend etwas selbst von ruhigen, besonnenen, einsichtsvollen Männern so sehr gefürchtet, als in der Hitze, im Schweiße sich ins kalte Wasser zu begeben. Und doch, nichts ist schuldloser. Ja, ich stelle kühn die wohlüberlegte und langjährig erprobte Behauptung auf: Je ärger der Schweiß, um so besser, um so wirksamer das Bad.
Bei Unzähligen, die früher geglaubt hatten, es müsse sie bei solcher „Roßkur“ sofort der Schlag treffen, war nach einem einzigen Versuche, nach der ersten Probe alle Furcht, alle Angst, alles Vorurteil geschwunden.[7]
Wer hat denn je, wenn er schwitzend nach Hause kommt, wenn ihm der salzige Saft übers Gesicht rinnt und die Finger wie mit Klebstoff zusammengeleimt erscheinen, Bedenken und Furcht, Hände und Gesicht zu waschen, wohl auch noch Brust und Füße? Das tut ein jeder, denn es macht behaglich und wohl. Muß die Wirkung für den ganzen Körper — das ist die notwendige Folgerung — nicht dieselbe sein? Sollte eine Sache, die einzelnen Teilen vortrefflich zustatten kommt, für dieselben eine Wohltat ist, für das Ganze ein Nachteil, ein Verderben sein?
Ich glaube, die Angst vor der schädlichen Wirkung der kalten Bäder für Schwitzende rührt meistens her von der Wahrnehmung, daß Personen, die, von Schweiß triefend, plötzlich an die Kälte kommen oder der frischen Luft, besonders der Zugluft sich aussetzen, sich manchmal schon für ihr ganzes Leben gründlich verdorben haben. Das ist ganz wahr.
Ich gebe noch mehr zu, daß sich nämlich auch schon manche Schwitzende im kalten Wasser die Keime zu schweren Leiden holten. Was trägt die Schuld: der Schweiß oder das Kaltbad? Keines von beiden! Wie bei allem im Leben, so kommt es auch hier in[S. 51] erster Linie nicht auf das Was, sondern auf das Wie an, in unserem Falle, wie die Menschen im Schweiße das kalte Wasser gebrauchen. Mit dem einfachen Taschen- und Brotmesser kann ein Rasender namenloses Unheil anrichten. Unvernünftige Anwendung kann das höchste Gut in das größte Übel verkehren. Merkwürdig bleibt nur, daß man dann stets das Gut und nicht die zu verurteilenden Mißbräuche desselben verdammt.
Auf das Wie des Gebrauches also kommt es an. Wer in diesem Stücke seinem Kopfe nachgeht, der mag auch die Folgen, an denen er leichtfertigerweise selbst die Schuld hat, allein tragen.
Damit stehen wir bei der Beantwortung der zweiten Frage: Wie lange darf ein Gesunder im kalten Vollbade bleiben?
Ein Herr, dem ich wöchentlich zwei solcher Bäder verordnet hatte, kam nach 14 Tagen zu mir und jammerte, daß sein Zustand sich bedeutend verschlimmert habe, er sei wie ein Eisklumpen. Das Aussehen war sehr leidend, und ich begriff nicht, daß das Wasser mich auf einmal so im Stiche gelassen. Auf meine Frage, ob er die Anwendung genau nach Weisung gemacht, antwortete der Herr: „Aufs genaueste; ich habe noch mehr getan, als Sie befohlen haben; statt einer Minute bin ich fünf Minuten im Wasser geblieben, dann aber kaum mehr oder nicht mehr warm geworden.“ Er machte es die folgenden Wochen richtig und hatte in Bälde die frühere Naturwärme und Frische.
Dieser eine Fall illustriert (bildet ab) alle Fälle, in denen das Wasser geschadet haben soll. Nicht das Wasser, nicht die Anwendung fällt aus der Rolle; die unvorsichtigen und ungenauen Menschen sind die Missetäter. Wie nun aber einmal die Gewohnheit besteht, muß ihre Schuld das unschuldige Wasser tragen.
Wer das kalte Vollbad nimmt, kleide sich rasch aus und lege sich eine Minute in die bereitstehende Badewanne. Wer es im Schweiße nimmt, setze sich in die Wanne, d. h. gehe nur bis an die Magengegend ins Wasser und wasche sich schnell und kräftig den Oberkörper ab. Dann tauche er einen Augenblick bis zum Halse unter, gehe ungesäumt aus dem Wasser und kleide sich, ohne abzutrocknen, in tunlichster Eile an. Der Hand- oder Feldarbeiter kann sofort wieder seine Arbeit aufnehmen; andere müssen (mindestens eine Viertelstunde) so lange Bewegung machen, bis der Körper trocken und normal erwärmt ist. Ob dieses im Zimmer oder im Freien geschieht, bleibt sich ganz gleich; ich für meine Person gebe selbst im Herbst und Winter stets der frischen Luft den Vorzug.
Was du tust, mein lieber Leser, das tue vernünftig und überschreite nie das rechte Maß! Auch die Anwendung des Vollbades soll in der Woche die Zahl von drei in der Regel nicht übersteigen.
Wann soll ich am besten diese Bäder beginnen?
Die wichtige Arbeit, den Körper abzuhärten oder, was gleichbedeutend ist, ihn gegen Krankheit zu schützen, widerstandsfähig zu machen, kann nie früh genug begonnen werden. Fange gleich heute noch an, aber fange an mit leichteren (s. Abhärtungsmittel), nicht gleich mit schwereren Übungen! Du könntest sonst leicht den Mut verlieren! — Unsere kalten Vollbäder wirst du beginnen können, wenn du kräftig bist, vielleicht nach kurzer Vorbereitung, wenn du schwach bist, unter Umständen erst nach längerer Vorübung.
Es ist dieses ein sehr wichtiges Kapitel. Nur nicht unvermittelt, plötzlich, mit den strengsten Mitteln etwas forcieren, erzwingen wollen! Das ist zum mindesten Unverstand.
Ein Arzt riet einem am Nervenfieber Erkrankten, er soll eine Viertelstunde ins kalte Wasser gehen. Der Kranke tat es, bekam aber darnach solchen Frost, daß er in Zukunft von einem solchen Heilbade natürlich nichts mehr wissen wollte, es verwünschte und verfluchte. Die Erklärung des Sachverständigen ging einfach dahin: nach solchen Erfahrungen sei klar, man könne bei dem Kranken das Wasser nicht ferner in Anwendung bringen, der Kranke sei im übrigen verloren. Mit diesem Todesurteil kam man zu mir. Ich gab den Rat, der Aufgegebene solle doch nochmal das Wasser probieren, aber statt einer Viertelstunde nur zehn Sekunden (hinein und hinaus) im Wasser bleiben, der Erfolg müsse ein anderer sein. Gesagt, getan; in wenigen Tagen erholte sich der Kranke.
Bei derartigen Vorkommnissen drängte sich mir stets die Meinung auf, man wende das Wasser absichtlich in solch’ schroffer, unbegreiflich gewalttätiger Weise an, um das Volk, anstatt mit Vertrauen, mit Schrecken vor diesem nassen Wauwau zu erfüllen. Ich bin ein sonderbarer Mensch, ich weiß es; drum wird man mir solche Einfälle nicht hoch anrechnen.
Solche, denen es ernst ist, mögen nach Anwendung der Abhärtungsmittel zuerst noch die Ganzwaschungen (s. Waschungen) beginnen und dieselben, wenn sie das Waschen vor Schlafengehen nicht aufregt und wach erhält, abends vor dem Bettgehen, sonst in der Frühe beim Aufstehen vornehmen. Abends verliert man gar keine Zeit auch früh ist in einer Minute alles fertig. Wer nicht[S. 53] gleich zu tüchtiger Handarbeit oder in kräftige Bewegung kommt, soll sich nochmals (bis zur Trocknung und Erwärmung) ein Viertelstündchen niederlegen.
Diese Übung, wöchentlich zwei- bis viermal vorgenommen, was genügt, oder täglich praktiziert, bildet die beste Vorbereitung zu unserem kalten Vollbade. Man versuche es nur einmal! Dem ersten Unbehagen wird bald ein bis ins Innerste hinein wohltuendes Behagen folgen, und was früher gescheut und gefürchtet war, wird bald fast Bedürfnis werden.
Ein mir bekannter Herr ging 18 Jahre hindurch allnächtlich in sein Vollbad. Ich hatte es ihm nicht vorgeschrieben; aber er wollte die Übung durchaus nicht lassen. In den 18 Jahren war er keine Stunde lang krank.
Andere, die in einer Nacht zwei- bis dreimal in die Badewanne stiegen, mußte ich zurückhalten, es ihnen verbieten. Wäre die Übung sie hart oder unausstehlich angekommen, wie man so oft ausschreit und ausheult, sie hätten es sicherlich bleiben lassen. —
Wer es mit der Abhärtung, mit der Erhaltung seiner Gesundheit, mit seiner Kräftigung ernst meint, fasse das kalte Vollbad recht ins Auge,[8] lasse es aber bei dem guten Vorsatze allein nicht bewenden.
Kräftige Völker, Geschlechter, Familien sind stets treue Freunde des kalten Wassers, gerade unseres Vollbades gewesen. Je mehr unser Zeitalter den Charakter und Namen des verweichlichten bekommt, um so höhere Zeit ist’s, zurückzukehren zu den gesunden, natürlichen (nicht verkünstelten und unnatürlichen) Anschauungen und Grundsätzen der Alten.
Noch gibt es manche, besonders hochadelige Familien, angesehene Männer, welche gerade unsere Wasseranwendung gleichsam als Haustradition und als ein zur Gesundheitspflege überaus wichtiges Erziehungsmittel ansehen und ihrem Stamme, ihren Nachfolgern gesichert wissen wollen.
Wir brauchen uns also unserer Sache nicht zu schämen.
Bei Beschreibung der einzelnen Krankheiten (im dritten Teile) wird genau angegeben werden, wann und wie oft es zur Verwendung kommen soll. Nur einige Bemerkungen von mehr allgemeiner Natur mögen hier ihre Stelle finden.
Eine kräftige Natur, ein gesunder Organismus ist imstande, die Krankheitsstoffe, welche sich ansetzen wollen, selbst auszuscheiden.[S. 54] Dem kranken und durch Krankheit geschwächten Körper muß man beispringen, ihn unterstützen, daß er anfange, diese Arbeit selbst wieder zu tun. Vielfach geschieht diese Unterstützung durch das kalte Vollbad, das in solchem Falle als vortreffliche Krücke oder Stab, als Kräftigungsmittel dient.
Die Hauptanwendung findet es indessen bei den sogenannten „hitzigen Krankheiten“, d. h. bei all’ jenen Krankheiten, welche als Vorboten und Begleiter heftige Fieber haben. Die Fieber von 39–40° und darüber sind am meisten zu fürchten; sie rauben alle Kraft, brennen die Hütte des menschlichen Körpers gleichsam elendiglich nieder. Mancher, den die Krankheit verschont, wird ein Opfer der Schwäche. Zusehen und Zuwarten, was sich aus einem so schrecklichen Feuerbrande wohl entwickeln möge, scheint mir bedenklich und folgenschwer zu sein. Was soll da „alle Stunden einen Eßlöffel voll“, was das teuere Chinin, was das wohlfeile Antipyrin, was die giftige Digitalismixtur, deren Folgen für den Magen wir alle kennen? Medikamente sind und bleiben bei solchen Bränden doch recht schwache Hilfs- oder Fieberstillungsmittel. Was sollen endlich jene künstlichen Berauschungsmittel, die man dem Kranken eingibt oder einspritzt, die ihn in der Tat berauschen, daß er nichts mehr weiß, nichts mehr fühlt, nichts mehr empfindet? Ganz abgesehen vom moralischen und religiösen Standpunkte ist es wahrlich erbärmlich, so einen halb eingeschlummerten, vielmehr berauschten Kranken zu sehen, wie er daliegt mit entstellten Zügen, mit verdrehten Augen. Wird das helfen? Bei solchem Fieberfeuer hilft gar nichts als das Löschen. Feuer und Brände löscht man mit Wasser, den allgemeinen Körperbrand, wo gleichsam alles in hellen Flammen steht, am gründlichsten durch das Vollbad. Bei jedem neuen Aufflackern, d. h. so oft die Hitze, die Bangigkeit groß wird, vielleicht im Anfange des Fiebers jede halbe Stunde erneuert, wird es, früh genug angewendet, bald Herr des Feuers sein (s. Entzuendungen, Scharlach, Typhus u. a.).
Früher schon hörte ich, daß man in großen allgemeinen Krankenhäusern für arme Kranke, welche das teuere Chinin nicht auftreiben konnten, häufig die Badewanne gebrauchte, in den letzten Zeiten durchlief manche Zeitungen die mir freudige Kunde, daß man besonders in großen Militärspitälern Österreichs wieder angefangen habe, gewisse Krankheiten wie den Typhus mit Wasser zu behandeln. Warum, so möchte ich fragen, nur den Typhus? Warum nicht mit logischer Notwendigkeit all’ jene Krankheiten, die als giftige Früchte aus den Fieberpilzen hervorwachsen? Wer A sagt,[S. 55] muß B sagen. Mit Spannung warten viele auf das B, darunter auch manche Leute vom Fach.
Eine Bemerkung, die vielleicht besser bei den Waschungen stünde, möge gleichwohl hier sich anreihen. Nicht alle Kranken sind imstande, die Vollbäder zu benützen; manche sind vielleicht schon derart geschwächt, daß sie weder selbst sich heben und wenden, noch aus dem Bette gehoben werden können. Müssen solche Kranke der Kaltwasseranwendung verlustig gehen? Durchaus nicht. Unsere Wasser-Anwendungen sind so mannigfaltig, und jede einzelne Anwendung hat wieder so viele Grade und Stufen, daß der Gesündeste wie der Schwerkranke das für ihn und seinen Zustand Passende finden kann. Nur darum handelt es sich, die Anwendung gut auszuwählen.
Für einen Schwerkranken, der wegen zu großer Schwäche unfähig ist, die kalten Vollbäder zu gebrauchen, dienen als Ersatz die Voll- oder Ganzwaschungen, die bei jedem, auch dem schwächsten Kranken leicht im Bette vorgenommen werden können. Wie sie zu geschehen haben, sehe man bei den Waschungen. Sie werden wie die Vollbäder so oft wiederholt, als der Hitze- oder Bangigkeitszeiger einen hohen Grad, eine hohe Ziffer aufweist.
Gerade bei solchen ans Bett gefesselten Schwerkranken hüte man sich doppelt vor dem großen Fehler einer zu schroffen Anwendung. Man würde stets das Übel ärger machen.
Ich könnte jemanden nennen, der elf Jahre bettlägerig und ebensolange Zeit in ärztlicher Behandlung war. Auch Wasser-Anwendungen waren versucht worden; alles scheiterte. Nach der Heilung dieser Person, die in sechs Wochen erfolgte, erklärte der Arzt selbst, die Sache komme ihm wie ein Wunder vor. Er besuchte mich persönlich und wollte wissen, was denn geschehen. Der ganze Hergang sei ihm um so unbegreiflicher, als nach seinem Dafürhalten nicht mehr die geringste Tätigkeit in dem Körper vorhanden war und seine sämtlichen Anwendungen mit Wasser ohne Erfolg blieben. Ich nannte dem Herrn den einfachen Hergang und die noch einfacheren Wasserübungen. Wir beide sahen ein, einen glimmenden Kienspan löscht man nicht mit der Feuerspritze aus; sein Wasser war zu schroff, das meinige sachte, langsam, den Fassungskräften des elenden Körpers entsprechend zur Anwendung gekommen.
Mich hat es oft erbarmt, daß man hören und lesen muß, wie in manchen Anstalten und Häusern Leute zehn, zwanzig und mehr Jahre das Bett nie mehr verlassen können. Das sind bedauerns[S. 56]würdige Geschöpfe. So etwas begreife ich übrigens nicht und habe es nie begriffen, ganz wenige Ausnahmefälle abgerechnet; es hat ja auch die heilige Schrift ihren 38jährigen Kranken. Ich bin der festen Überzeugung, daß gar vielen dieser Betthüter und Betthüterinnen durch die einfachsten, mit Ausdauer und Pünktlichkeit fortgesetzten Wasseranwendungen wieder auf die Beine zu helfen wäre.
dient wie das kalte für Gesunde und Kranke.
Die Art und Weise, wie es genommen wird, ist eine zweifache.
Man steigt einmal in die mit Warmwasser so hoch angefüllte Badewanne (a), daß das Wasser den ganzen Körper überspült, kein Teil bloß, d. i. über Wasser, liegt. In dem Bade verweilt man 25–30 Minuten, dann geht man rasch in eine danebenstehende Wanne (b), die kaltes Wasser enthält, und taucht bis an den Kopf, nicht mit dem Kopfe, unter, oder in Ermangelung dieser zweiten Badewanne wäscht man den ganzen Körper möglichst rasch kalt ab. In einer Minute muß das kalte Bad, die kalte Waschung fertig sein. Schnell, ohne abzutrocknen, wirft man sich in die Kleider und macht bis zur völligen Trocknung und Erwärmung Bewegung (mindestens eine halbe Stunde) im Zimmer oder im Freien. Landleute können ruhig und sofort wieder zur Arbeit zurückkehren. Das Badewasser hat bei diesem ersten Bade eine Temperatur von 26–28°, bei älteren Personen von 28–30° R. Ich[S. 57] rate, mit einem Thermometer, das man leicht bekommt, mit Vorsicht und genau zu messen. Es genügt nicht, das Quecksilberröhrchen hineinzustecken ins Warme und sofort wieder herauszuziehen, dasselbe muß einige Zeit im Wasser belassen werden. Erst das Ruhigstehen des flüssigen Silbers gibt an, daß gut und lange genug gemessen sei. Wer immer das Bad bereiten mag, nehme es mit der Bereitung und der damit verbundenen Verantwortung ernst. Gleichgültigkeit und Schlendrian sind nirgends weniger am Platze als bei derart wichtigen Diensten der Nächstenliebe.
Die zweite Art, dieses Bad zu nehmen, ist folgende:
Die Badewanne wird gefüllt wie das erstemal, das Badewasser aber hat die höhere Temperatur von 30–35° R. Über die Zahl 35 sollen bei dieser Art Bäder die Wärmegrade nie steigen (wann, in welchen Fällen sie zur Anwendung kommen soll, muß stets extra gesagt sein), unter die Zahl 28 nie fallen; durchschnittlich rate und bereite ich sie selbst mit 31–33° R.
Bei diesem Bade geht man nicht einmal, sondern dreimal ins Warme, nicht einmal, sondern dreimal ins Kalte. Es ist dieses Bad das sogenannte warme Vollbad mit dreimaligem Wechsel. Das ganze Bad dauert akkurat 33 Minuten; die verschiedenen Wechsel verteilen sich auf diese Zeit also (man lege die Uhr auf ein Stühlchen neben die Wanne und zähle gut):
Mit Kalt muß ohne Ausnahme stets abgeschlossen werden. Gesunde, kräftige Leute setzen sich in die Wanne mit kaltem Wasser und tauchen langsam bis an den Kopf unter. Empfindsame Personen setzen sich und waschen rasch Brust und Rücken[9] ab, ohne unterzutauchen. Eine Ganzwaschung tut jedem, der die kalte Wanne zu sehr fürchtet, dieselben Dienste. Der Kopf wird nie naß gemacht. Sollte er naß geworden sein, so trockne man ihn ab; ebenso trockne man beim letzten Heraussteigen aus der kalten Wanne von allen Körperteilen die Hände allein, damit selbe beim Anziehen der Kleider diese nicht naß machen.
Bezüglich des Weiteren, insbesondere bezüglich der nach dem Baden notwendigen Bewegung gilt genau das beim ersten Bad Gesagte.
Ich schulde hier einige Bemerkungen.
Warme Bäder allein, d. i. ohne darauffolgende kalte Bäder oder kalte Waschungen, verordne ich niemals. Die erhöhte Wärme, zumal wenn sie längere Zeit andauert und einwirkt, stärkt nicht, sie schwächt und macht den ganzen Organismus schlaff; sie härtet nicht ab, sie macht die Haut gerade noch empfindsamer gegen alle Kälte; sie schützt nicht, sie bringt Gefahr. Das Warmwasser öffnet die Poren; es dringt kalte Luft ein, und die Folgen zeigen sich schon in den nächsten Stunden. Sämtlichen Übelständen helfen die auf die warmen Bäder folgenden Kaltbäder oder Kaltwaschungen (ich kenne keine warme Wasser-Anwendung ohne die darauffolgende kalte) gründlich ab; das frische Wasser stärkt, die erhöhte Wärme herunterdrückend; es erfrischt, die überflüssige Hitze gleichsam wegwischend; es schützt, die Poren schließend und die Haut fester machend.
Dasselbe Vorurteil von der plötzlichen Kälte, die auf die Wärme folgt, begegnet uns hier schon wieder. Gerade mit Rücksicht auf die folgenden Kaltbäder können und müssen die Warmbäder in höherer Temperatur, als sonst normal ist und ich unter anderen Umständen raten würde, gegeben werden. Der Körper wird mit soviel Wärme erfüllt, gleichsam gewappnet, daß er den Anstoß der eindringenden Kälte gut aushalten kann. Wer beim ersten Male zu sehr vor der kalten Wanne zurückschrecken sollte, nehme eine Ganzwaschung vor. Er wird Mut bekommen. Es kommt alles nur auf die erste Probe an. Wer es einmal versucht hat, nimmt schon des Wohlbehagens wegen nie mehr ein warmes Bad ohne das darauffolgende kalte. Vielen, die anfangs vor Angst gezittert, später aber sich an den merkwürdig wirkenden Wechsel gewöhnt, denselben liebgewonnen haben, mußte ich strenge Grenzen ziehen, daß das Übermaß des Guten ihnen nicht zum Übel werde.
Das Prickeln, das Krabbeln in der Haut, welches man beim Wiedereinsteigen vom kalten ins warme Bad, besonders an den Füßen lebhaft verspürt, darf niemanden beängstigen; es wird einem später ein angenehmes Frottieren.
Besondere Vorbereitungen, um z. B. die richtige Wärmetemperatur im Körper herzustellen, sind bei beiden Arten dieses Vollbades nicht notwendig.
Auch hier wie bei allen Warmbädern benütze ich nie oder höchst selten bei Gesunden Warmwasser allein; ich mische stets Absud von verschiedenen Heilkräutern bei.
Wenn ich Gesunden, d. h. relativ Gesunden (gesunden aber schwachen Menschen), warme Vollbäder verordne, so geschieht dieses nur dann, wenn solch geschwächte Leute zu den Kaltwasserbädern sich nicht entschließen können, und allein zu dem Zwecke, sie durch das Warmbad mit folgender kalter Waschung allmählich fürs frische Kaltbad vorzubereiten und reif zu machen.
Meine Grundsätze und meine Praxis sind in diesem Stücke folgender Art:
Ganz gesunden und kräftigen Naturen, deren frisches, gerötetes Aussehen gleichsam selbst Wärme und Lebensfeuer sprüht, gebe ich warme Bäder selten, fast nie. Sie verlangen auch nicht darnach, sie streben wie der Fisch ins kalte Wasser.
Jüngeren, schwächlichen, blutarmen, nervösen Personen rate ich es als gut, besonders jenen, welche Anlage zeigen zu Krämpfen, Rheumatismen und ähnlichen Gebrechen. Die Hausmütter, welche so frühe schon durch alle möglichen Mühseligkeiten aufgerieben werden, mögen hier obenan stehen. Jeden Monat ein solches Bad mit 28° R. und folgender kalter Abwaschung, 25–30 Minuten dauernd, würde genügen.
Bei Anlage zu Gliedersucht, Gicht, Podagra sind zwei solcher Bäder in jedem Monat besser als eines.
Zur Sommerszeit sollen die jüngeren Personen die kalten Vollbäder versuchen.
Bejahrten, schwächlichen Leuten empfehle ich der Reinlichkeit der Haut, der Auffrischung und Stärkung wegen wenigstens allmonatlich ein warmes Vollbad mit 28–30° R. von 25 Minuten Dauer mit abschließender kräftiger Abwaschung. Sie werden jedesmal infolge der erhöhten Transpiration (Hauttätigkeit) und der lebendigeren Zirkulation (Umlauf) des Blutes wie neu aufleben.
In welchen Krankheiten das warme Vollbad anzuwenden sei, das besagen die einzelnen Krankheitsfälle. Beide Arten desselben kommen in Verwendung, und man hat bei gehöriger Vorsicht und Pünktlichkeit durchaus nichts zu fürchten.
Die Bäder verfolgen einen doppelten Zweck:
im einen Falle sollen sie durch Zufuhr von Wärme die Körperwärme erhöhen, vermehren, im anderen Falle mitwirken zur Auflösung und Ausleitung von Stoffen, welche der kranke Körper allein aus eigener Kraft nicht mehr entfernen kann.
Die warmen Vollbäder werden bereitet als
Die Bereitung und Wirkung der zwei ersten Bäder wurde der Hauptsache nach schon bei der Abhandlung über das warme Sitzbad angegeben. Nur einige Punkte seien der Vorsicht halber wiederholt.
Ein kleines Säckchen mit Heublumen angefüllt kommt in einen Kessel heißen Wassers und bleibt mindestens eine Viertelstunde im Sude. Der ganze Absud wird in die mit Warmwasser bereitstehende Wanne geschüttet und die Mischung, bis sie die vorgeschriebene Temperatur erreicht hat, mit warmem oder kaltem Wasser aufgefüllt. Dieses Bad, das leichteste und häufigste, ist eigentlich das unschuldigste, das normale Bad zum Wärmen des Körpers. Auch Gesunde können es jeder Zeit benützen. Bei mir zu Hause geht mancher Wassermann, von solchem Heublumenduft umschwängert, Dorf auf und ab. Das kaffeebraune Wasser öffnet eindringlich die Poren und löst Anstauungen im Körper auf.
Nachdem ein ordentliches Büschel Haberstroh in einem Kessel siedenden Wassers eine halbe Stunde lang gesotten, verfährt man mit dem Absude wie oben.
Dieses Bad wirkt stärker als das Heublumenbad und ist bei Nieren- und Blasenbeschwerden, bei Stein-, Gries- und Gichtleiden vorzüglich.
wird also bereitet: Man nimmt Fichtennadeln, je frischer, desto besser, klein zerhackte Ästchen (Reiser), selbst recht harzige, gleichfalls zerschnittene Tannenzapfen und siedet die ganze Masse, bunt durcheinander geworfen, eine halbe Stunde in heißem Wasser. Mit dem Absude verfährt man wie oben. Auch dieses Bad hat günstigen Einfluß auf Nieren- und Blasenleiden; doch schwächeren als[S. 61] das Haberstrohbad. Seine Hauptwirkung betrifft die Haut, welche es zur Tätigkeit spornt, und die inneren Gefäße, welche es stärkt. Dieses wohlduftende und stärkende Fichtennadelbad ist so recht das obenerwähnte Bad der älteren Leute.
nenne ich jene, bei denen, wenn gerade das notwendige Quantum irgend einer dieser Heilpflanzen abgeht, die Absude von mehreren zusammengegeben werden in ein Bad. Am häufigsten habe ich so gemischt die Absude von Heublumen und Haberstroh, indem schon die Pflanzen zusammen gekocht wurden. Das Haberstrohbad wird auf diese Weise auch wohlriechender.
Bäder wären schon gut, sagt mir einer, das weiß ich; aber die Sache kommt zu teuer und ist viel zu umständlich.
Mit Recht könnte mir derjenige meiner Leser diesen Einwand erheben, welchen ich nach Reichenhall, nach Karlsbad oder sonst einem Bade schicken, oder welchem ich etwa verordnen wollte, er solle die kleinen, schwarzen, sorgfältig verpfropften, teueren Fichtennadelextrakt-Fläschchen kaufen und in jedes Bad die Hälfte oder ein Dritteil des Inhaltes gießen.
So aber hat niemand auch nur den geringsten Grund zur Klage, zur Entschuldigung zu einem Einwande. Der Ärmste selbst kann sämtliche Bäder mit Leichtigkeit bereiten und er hat in jedem Falle den reinsten Extrakt, wie er ihn echter und unverfälschter an keinem Orte bekommen kann.
Gerade für ärmere und unbemittelte Leute habe ich solche Bäder lange Zeit gesucht, damit auch sie der Wohltat des Bades, das auf die Gesundheit vielfach so großen Einfluß übt, nicht ganz verlustig gehen müssen.
Der Reisen bedarf es dazu nicht, höchstens eines Ganges auf den Heu- oder Stroh-Speicher oder in den nahen Wald. Kosten tun die Bäder auch nur ein paar Schritte oder ein gutes Wort. Heublumen und ein Büschel Haberstroh schenkt jeder Bauer jedem Armen; keine Tanne versagt ihm ihre Zapfen und ihr grünes Reisig. Eine hölzerne Stande (Zuber, Schaff) hat doch ein jeder unter dem Hausrate; im Notfalle borgt sie der Nachbar gerne.
Dieses genüge bezüglich des Kostenpunktes.
Was die Mühe, die Umständlichkeit abgeht, so stelle ich einzig die Frage: Ist es für dich, für deine Angehörigen weniger umständlich, wenn du wochenlang aufs Krankenlager geworfen wirst,[S. 62] oder wenn der verwahrloste, über Gebühr geschwächte und nie erfrischte, niemals neu aufgerichtete Körper langsam dahinsiecht?
Von Mühe und Arbeit kann da gar nicht die Rede sein; ich müßte es Bequemlichkeit und Trägheit nennen, wem immer es zu viel wäre, meinen allergeringsten Anforderungen zu entsprechen. Wer solche Gesinnung hegen würde, verdiente in der Tat gar kein solches Bad.
An dieser Stelle schulde ich ein Wort über die Mineralbäder, wegen deren ich sehr oft schon befragt wurde.
Meine unmaßgebliche Ansicht über diesen Punkt ist folgende.
Ich kann nach all den Grundsätzen meiner Wasserkur nicht dafür sein, weil ich alles Forcierte, alles Gewaltsame nicht billige, ganz gleich, ob von außen nach innen oder direkt nach innen gewirkt wird. Mein Urteil lautet und wird immer lauten: Die gelindeste Anwendung ist die beste, ob es sich nun um die Wasserheilmittel, oder ob es sich um Medizinen usw. handle, und wer mit einer Anwendung seinen Zweck erreicht, soll ja keine zweite gebrauchen. Wir müssen der Natur, dem kranken oder geschwächten Organismus sachte an die Hand gehen, nicht streng und stürmisch; wir müssen den kranken Körper sozusagen milde und leicht an der Hand führen, ihm bisweilen helfend und stützend unter die Arme greifen, aber ihn nicht allzusehr drängen, ihn nicht zerren und stoßen; wir müssen nicht durch dies und das absolut etwas einwirken wollen, sondern nur mitwirken, daß der Körper mit seiner Arbeit fertig werde, und sofort von dieser gelinden oder gelindesten Mitwirkung abstehen, sobald der Körper allein sich weiterzuhelfen weiß.
Niemandem wird es, um ein Beispiel meines Verfahrens anzuführen, entgangen sein, daß er die allbekannten Wurzel- und Drahtbürsten, die Frottiertücher usw. bei mir nicht findet. Ich habe diese Sachen früher angewendet, wenn auch nur in vereinzelten Fällen, aber die Erfahrung gemacht, daß das Wasser allein ohne diese doch mehr oder weniger gewaltsamen Manipulationen (der arme Körper hat dann auch zu aller Arbeit hin noch die gekneteten und gebürsteten Muskeln und die ebenso bearbeitete Haut in Ordnung zu bringen) die besten Wirkungen tut, wenn es nur richtig angewendet wird. Den Frottierdienst versieht bei mir den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch das grobe Linnen- oder Reistenhemd, welches ich hiermit warm empfehle.
Der Name Mineralbad schon deutet eine strenge Wirkung an. All diese Wasser, heißen sie, wie, und fließen sie, wo[S. 63] sie wollen, enthalten mehr oder weniger, gelindere oder schärfere Salze. Solche Salzwasser, von außen nach innen angewendet, kommen mir vor — man verzeihe den Ausdruck — wie der Fegwisch und der körnige Sand, welche ich zum Putzen, zum Reinigen des Silbers oder noch edleren Metalles anwenden wollte. Silber und Gold sind zart und fein. Sind das die inneren Organe weniger? Ein Hauch trübt das Silber, rauhe Putzmittel verletzen, verwunden es. Es wird bei solcher Bearbeitung wohl blank; Fegwisch und Sand nehmen den Staub und Schmutz gründlich weg. Ja nur allzu gründlich, und lange wird das Silberzeug solche Behandlung, besser gesagt Mißhandlung, nicht aushalten. Die Anwendung brauche ich nicht zu machen, auch nicht lang und breit zu erklären, an welch’ empfindsamem, weichem, überaus edlem Metall solche Wasser ihre Reinigungsarbeit vornehmen.
Und was sagt denn die Erfahrung zu dieser Behauptung?
In großen Badestädten trägt man vielfach die Heimgegangenen nicht am Tage, sondern in der Nacht, nicht mit Gesang und Musik, sondern in aller Stille, um die Lebenden nicht unangenehm zu berühren und zu inkommodieren, auf den Friedhof zur letzten Ruhestätte. Aber man trägt manche, ziemlich viele hinaus. Es stirbt jährlich eine ziemlich große Anzahl Menschen in den verschiedensten Bädern. „Der oder die war in dem und dem Jahre das erstemal hier,“ heißt es; „es ist ihm, ihr vortrefflich bekommen.“ „Das alte Leiden kam wieder, und er, sie ging wieder hin.“ „In dem und dem Jahre war er das zweitemal dort,“ sagen die Angehörigen, „aber es bekam ihm weniger gut. Das Übel kehrte in erhöhtem Grade zurück; er ließ es sich nicht nehmen und reiste ein drittes Mal hin. Er kehrte sichtlich gekräftigt zurück, er schien prächtig kuriert zu sein. Aber er kehrte nur zurück, um daheim zu sterben. Manchem erspart der frühe Tod an Ort und Stelle noch die Reisekosten.“ Diese Geschichte und ähnliche andere habe ich zu unzähligen Malen erzählen hören.
Wer der Zerstreuung und der Gesellschaft wegen und rein zu äußerlichem Gebrauche derlei Orte besucht, hat obiges nicht zu fürchten; er hat nur mit seinem Geldbeutel zu rechnen, der vor allem anderen in die erbarmungsloseste Kur genommen und gründlich ausgepumpt wird.[10]
Auch gewöhnliche, selbst Bauersleute, denen der Kopf nicht mehr an der rechten, der demütigen Stelle steht, welche die besseren, studierten, gebildeten und fortgeschrittenen Menschen nachahmen, nachäffen wollen, besuchen zwar keine Badestadt, — daran verhindert sie zum Glück der Herr Habenichts in der Hosen- und Westentasche, — aber sie fangen allerlei verkehrte Sachen an.
Zu mir kam einst ein Bauer und sagte: „So, jetzt habe ich das beste Mittel zur Reinigung des Körpers gefunden; es ist eine Art von Heilwasser und ich nehme dasselbe öfters.“ „Worin besteht es denn?“ fragte ich ihn. Nach einigem Zögern gestand er, daß er einen Löffel Salz in Wasser auflöse und das Salzwasser nüchtern trinke. Das putze sauber aus, und es sei ihm lieber (natürlich dem aufgeklärten, aber geldschwindsüchtigen Springinsfeld!) als das beste Mineralwasser. Ich warnte den Bauern, aber er ließ sich von seiner von ihm selbst erfundenen Kur nicht abbringen. Er trank noch eine Zeitlang fort; dann aber bekam er Magen- und Verdauungsbeschwerden, Blutarmut und starb, erschöpft und entkräftet und ausgefegt in den besten Mannesjahren.
Also immer hübsch bescheiden und vernünftig bleiben und niemals einen Reichen und Vornehmen, dem scheinbar Besseres geboten wird und zu Gebote steht, beneiden! Das wäre unchristlich und töricht.
Auch solche sollst du nicht schief ansehen, die wegen Kränklichkeit und Anlage zur Schwindsucht usw. sogenannte klimatische oder Luftkurorte besuchen können, die nach Meran gehen oder nach Südfrankreich oder nach Italien oder gar nach Afrika. Ich denke mir immer: für den Fisch ist der beste Ort das Wasser, für den Vogel das herrlichste Heim die frische Luft und die freie Natur; für mich das zuträglichste, das günstigste Klima der Ort, an dem, die Gegend, in der Gottes Schöpferhand mich gebildet hat. Will die Luft mir zu rauh werden, nun, dann suche ich mich abzuhärten; auch in Krankheiten wird mir das heimatliche Wasser die gleichen Dienste tun wie jenes, das in fremden Landen fließt. Soll ich sterben nach Gottes Willen, gut, einmal muß es doch sein, und die heimatliche Erde, sagt man, deckt leichter; in ihr ruht es sich besser und friedlicher.
Welches sind denn die jährlich von neuem approbierten Erfahrungen auch über solche mild oder hoch gelegene Luft-Badestätten?
Ich stelle nur die zwei Fragen: Wie viele von denen, die wirklich krank dahin flüchteten, sind gründlich geheilt heimgekehrt? Ferner[S. 65] Wie viele sind für immer, besonders in den wärmeren Kurorten, geblieben und dort begraben worden!
So bleibe im Lande, nähre dich redlich und wasche dich täglich!
Ich fasse die folgenden Bäder unter dem Namen Teilbäder zusammen, einmal, weil sie einzelne Körperteile betreffen, vorzüglich aber, um dieser Kleinigkeiten wegen nicht noch weitere größere Abschnitte machen zu müssen.
Der Name besagt genug, und an Ort und Stelle wird bei den betreffenden Krankheiten gesagt sein, wann und in welchen Fällen diese Bäder anzuwenden sind, ob kalt, ob warm, wie lange, ob 2–3 Minuten, ob eine Viertelstunde, wie oft zu wiederholen, in welchem Kräuterabsud usw.
Bezüglich der Anwendung genüge die eine Bemerkung:
Es hat z. B. jemand einen bösen Finger. Ich wirke nicht allein auf den Finger, sondern auch auf die Hand, auf den Arm, auf den ganzen Körper. Der böse Finger ist nur eine böse Frucht des bösen Zweiges, des bösen Astes, des bösen Stammes. Ist der Stamm in Ordnung, liefert er genügenden und guten Saft, so muß auch die Frucht eine gute werden.
Die Anwendungen, resp. die Verbesserung der Zweige und Äste, d. i. der Hand und des Armes, geschehen neben den Wickeln durch die Hand- und Armbäder.
Zu den wichtigsten Teilbädern zählt das Kopfbad. Dasselbe kann kalt oder warm, am besten in folgender Weise genommen werden.
Man stellt ein Gefäß mit Wasser auf einen Stuhl und hält den Oberkopf (siehe Abbildung), den eigentlichen Haarboden, ins kalte Wasser ungefähr eine Minute, ins warme 5–7 Minuten. Soweit das Wasser am Hinterhaupte die Haare nicht berührt, kann mit Aufgießen durch die hohle Hand nachgeholfen, d. h. es können die trocken gebliebenen Haare gleichfalls benetzt werden.
Nach dem Bade soll man die Haare sorgfältigst abtrocknen. Ja immer, sei es, daß sie durch Guß oder Dampf naß werden, und ich rate große Vorsicht und Genauigkeit an, da bei Vernachlässigung leicht schwere Kopfleiden, wie Kopfrheumatismus u. a., die Folge sein könnten. Nach der Abtrocknung bleibe man im Zimmer oder setze eine die ganze nasse Haarfläche bedeckende Mütze auf, bis Kopfhaut und Haare völlig trocken sind.
Viele wenden ein kürzeres Verfahren im Kopfbade an, besonders junge Leute vom Lande. Sie tauchen ihren Kopf öfters nacheinander unter im Brunnentroge wie die Enten im Teiche oder halten den Kopf unter die Röhre. Es tut ihnen wohl so. Ganz recht! Sie sollen es nur nicht zu arg (zu lange und zu oft) treiben und die Regeln des Abtrocknens gut merken.
Gut ist das kalte Kopfbad dem, der kurzgeschnittenes Haar hat. Bei langem Haare[12] dringt das Wasser schwerer durch auf die Haut, — was eigentlicher Zweck des Bades ist, — und die Trocknung schreitet langsamer voran. Solchen rate ich stets das warme Kopfbad an wegen seiner längeren Dauer.
Die Kopfbäder verordne ich zuweilen gegen Kopfleiden — dann sind es immer kalte und kurze —, meistens jedoch solchen Personen, bei denen der Haarboden insbesondere der Tummelplatz aller möglichen Geschwüre und Geschwürchen, flechtenartiger, trockener Ausschläge, eine förmliche Fundgrube von Schuppen und Staub und gar noch von anderem ist, was freilich eher und besser die Nacht als der Tag, nur nicht das Haar bedecken sollte. Mitunter bekommen diese auch warme Kopfbäder von längerer Dauer, abschließend mit kalter Übergießung oder kalter Abwaschung.
Ich mache auf diese Kopfbäder wohl aufmerksam. Wenn auf dem Lande, im kleinen Häuschen und im noch kleineren Stübchen den ganzen Winter hindurch die ohnedies kleinen Seh- und Luftlöcher, Fenster genannt, niemals geöffnet werden, so entsteht zuletzt eine Luft, die man förmlich schneiden kann und die jeden eintretenden Fremden mit Wucht zurückschlägt.
Und wenn in einer Stube nie gereinigt, nie aufgewaschen wird, wie muß dann zuletzt der Boden aussehen?
Kann es dem armen Haarboden anders gehen, wenn die langen Haare oder die zwei- oder dreifachen Kopfumhüllungen das halbe Jahr hindurch keinen Lufthauch und keinen Sonnenstrahl hineindringen lassen auf die ohnedies im verborgenen lebende Kopfhaut? Und wenn da nie ein Wasser oder eine Lauge gründlich, recht gründlich ihre Arbeit tut, wie mag es zuletzt aussehen?
Auch da kann sich ein Morast von Krusten usw. bilden, eine Fäulnis, und manche Mutter weiß zu erzählen, was solche Fäulnis zeitigt.
Leider ist nur zu wahr: die Kopfpflege wird vielfach sehr vernachlässigt. Man wäscht jahraus, jahrein jeden Morgen sein Gesicht und meint, damit sei es abgetan. Damit ist es noch lange nicht abgetan. Ich empfehle die Kopfpflege im Interesse der notwendigen Reinlichkeit, dann der Gesundheit der Jungen wie der Erwachsenen; in erster Linie soll sie den Müttern empfohlen sein.
ist kalt oder warm zu nehmen. Man bereitet es in beiden Fällen seinen Augen folgendermaßen: Man taucht das Gesicht in das kalte Wasser ein, öffnet die Augen und läßt diese ¼ Minute gleichsam baden. Dann erhebt man sich, setzt ungefähr ¼–½ Minute aus und taucht Stirne und Augen von neuem ein. Die Wiederholung kann geschehen 4–5 mal. Das warme (24–26° R.) Augenbad soll stets mit kalt abschließen, sei es, daß man das letzte Bad kalt nimmt, oder daß man zum Schlusse die Augen mit frischem Wasser abwäscht. Desgleichen sei das Badewasser nicht warmes Wasser allein, sondern wieder Kräuterwasser. ½ Löffel gemahlener Fenchel oder Absud von Augentrost haben mir stets gute Dienste geleistet.
a) Das kalte Augenbad wirkt vortrefflich bei gesunden, aber schwachen Augen. Es stärkt und erfrischt den ganzen Sehapparat in seinen inneren und äußeren Bestandteilen.
b) Das warme Augenbad (lauwarm) wird verwendet, um Geschwülste am äußeren Auge aufzuweichen und ungesunde dicke eiterige Flüssigkeit in dem inneren Auge zu lösen und auszuziehen.
Wie unsere sämtlichen Wasseranwendungen, so wirken auch die Dämpfe in der gelindesten Form und deshalb durchaus unge[S. 68]fährlich und unschädlich. Gleichwohl erheischt die Anwendung der Wasserdämpfe große Vorsicht. Was den Kranken, der richtig und nach Vorschrift anwendet, gesund macht, kann bei Nachlässigkeit und Sichgehenlassen einen Gesunden krank machen. Wer z. B. unmittelbar nach einem Dampfbade ohne vorhergehende Abkühlung ins Freie, an die kühle Luft tritt, kann nicht nur krank, er kann tödlich krank werden, die Anwendung ist daran so unschuldig wie ein neugeborenes Kind. Diese erste Bemerkung soll zur Vorsicht, nicht zur Ängstlichkeit ermahnen. Ich wiederhole, daß bei richtigem Gebrauche niemals eine, selbst nicht die leiseste Gefahr zu befürchten ist.
Sind Dämpfe zur Heilung überhaupt notwendig? Wenn eine Hausfrau ihre Wäsche reinigt, so gebraucht sie warmes und kaltes Wasser. Das warme Wasser soll das zu Entfernende auflösen, das kalte Wasser soll das Gelöste wegschwemmen. Ein ähnlicher Prozeß (Vorgang) vollzieht sich beim Heilverfahren. Auch bei Krankheiten muß Verschiedenes, wie Blutanstauungen, verdorbene Säfte usw. auf- und ausgelöst werden. Das geschieht durch die Wärme. Sodann muß der Körper gekräftigt und widerstandsfähig gemacht werden. Das geschieht durch die Kälte.
Jeder Körper muß demnach ein gewisses Quantum, ein gewisses Maß von Wärme haben, wenn seine Arbeit vonstatten gehen soll.
Der gesunde Körper besitzt in sich Naturwärme genug, er braucht keine Zutat.
Jeder kränkelnde Körper fühlt sehr bald den Abgang, das Fehlen der notwendigen inneren Wärme. Dieselbe muß auf irgend eine Art ersetzt werden. Bei vielen Patienten genügen die Wickelungen und Umschläge; bei anderen tun die Dämpfe, diese künstliche Zufuhr, ich möchte sagen Einpressung der Wärme, bessere Dienste.
Worin besteht das richtige Dampfverfahren?
Diese Frage zu beantworten ist nicht leicht. Ich teile lediglich meine Erfahrungen mit und gestehe gleich im Anfange, daß ich dieses Verfahren öfters änderte.
Anfangs schloß ich mich der allgemeinen Praxis an, welche ganze Dampfbäder vorzog, und diese befolgte ich 13 Jahre lang. Da ich indessen im Verlaufe dieser Jahre die erwarteten Wirkungen nicht sah, änderte ich daran. Innerhalb drei Jahren geschah dies sogar dreimal, bis ich endlich die jetzige überaus gelinde, alles Schroffe sorgfältig vermeidende Art, den Dampf nicht gleichzeitig auf den ganzen Körper, sondern nur auf Teile desselben einwirken zu lassen, als die vortrefflichste und vorteilhafteste anerkannte und schon seit vielen Jahren mit dem besten Erfolg praktiziere.
Doch ich muß etwas weiter ausholen.
Vor ungefähr 30 Jahren kamen auch bei uns in Süddeutschland die russischen Dampfbäder in Übung. Da viele Familien nicht imstande waren, diese damals nur Großstädten eigenen Gesundheitsbäder zu gebrauchen, so erfand man, wie ich mir die Sache erkläre und denke, als Ersatz dafür den bekannten Schwitzkasten, der ähnliche Schweißtreibungsdienste leisten sollte.
Auch ich ließ mir einen solchen Schwitzkasten fabrizieren, d. i. einen Kasten mit einer schließbaren Eingangstüre und einer Öffnung dem Himmel zu, durch welche man bequem den Kopf stecken konnte. Die Zufuhr des Dampfes geschah von außen; der Patient oder Schwitzlustige saß oder stand im Innern des Kastens und betrachtete mit stiller Resignation (Ergebung in sein Schicksal) das vor ihm angebrachte Thermometer. Ein trockenes Tuch umhüllte den Hals, um das Entweichen des Dampfes zu verhindern; nasse Kompressen oder Umschläge bedeckten den Kopf, um ihn, während der ganze Körper schon nach 10–15 Minuten in größtem Schweiße war, kühl zu erhalten. Das Dampfbad beschloß ein Vollguß (eine Gießkanne Wasser) oder ein Vollbad. So oft größere Schweiße erwünscht waren, ließ ich zweimal, je 15 Minuten lang, in dem Kasten Aufenthalt nehmen mit jedesmaliger rascher, eine halbe Minute währender Abwaschung.
Die Art und Weise der Bereitung dieser Ganzdampfbäder schien mir unübertrefflich, mir war nur unbegreiflich, daß die Erfolge nicht ebenfalls vorzügliche waren. Zur Winterszeit insbesondere hatte die Sache große Schwierigkeiten. Innerhalb weniger Minuten brachte der heißeste Dampf, welcher den ganzen Körper gleichmäßig einhüllte, von allen Seiten ihn gleich heftig angriff, auch den ganzen Körper in starken Schweiß und damit in große Empfindsamkeit der Kälte gegenüber. Mir wenigstens war es stets sehr schwer, nach dem Bade die ganze Hautfläche gegen die frische kalte Winterluft so zu schützen, daß nicht irgend ein Fleck der Haut Schaden gelitten und längere Zeit Beschwerden, zuweilen heftige Schmerzen bereitet hätte.
Ich probierte viel, wie diesem Übelstande abzuhelfen sei, und dachte noch mehr darüber nach.
Da führte mich gerade zur Winterszeit einmal der Weg nach München; ich litt an ziemlich heftigem Katarrh. Der Zufall spielte mir ein Blatt in die Hand, welches auf der letzten Seite die ans Wunderbare grenzenden Wirkungen der russischen Dampfbäder in einem überschwenglichen Lobeshymnus pries. Unter anderem hieß es: Man probiere es nur; ein einziges Dampfbad ist imstande, den heftigsten Katarrh zu heilen. „Das muß ich doch mal sehen,“ dachte[S. 70] ich, und — gedacht, getan. Ich suchte die Anstalt auf, nahm ein solches Bad und in der Tat, ich fühlte nach der allerdings russischen Dampfkur keine Spur mehr von meinem Katarrh. Aber nur langsam! Kaum waren 5–6 Stunden verflossen, da saß im ganzen Körper ein neuer Katarrh, doppelt so heftig als der alte, den ich im russischen Bade zurückgelassen.
„Ah so!“ dachte ich und sagte mir leise ins Ohr: „Diese Art Dampfbäder zu nehmen kann nicht die richtige sein. Ich sehe ganz ab von mir selbst; wie aber soll ein Geschwächter, ein Kranker, vollends ein Schwerkranker etwas anwenden, was selbst einen kräftigen, gesunden Mann erschaudern macht? Fürwahr, ein solcher muß anders bedient werden.“
All die weiteren Forschungen und Versuche brachten mich zu der Überzeugung, daß derselbe Grundsatz, welcher für sämtliche Wasseranwendungen gilt, auch bei den Dämpfen Geltung hat, daß nämlich die gelindeste Anwendung auch stets die beste ist. Die gelindeste Anwendung nenne ich die einfachste und die den Körper am meisten schonende. Niemals werde ich (z. B. zur Vermehrung der Naturwärme) irgend einen Dampf gebrauchen, wo eine kleine Wasseranwendung, ein Guß oder ein Halbbad ausreicht; niemals werde ich den ganzen Körper durch ein Ganzdampfbad quälen und ausmergeln in Fällen, in denen Dämpfe auf einzelne Körperteile genügen. Ne quid nimis, d. h. ich bleibe auch beim Dampfverfahren auf der goldenen Mittelstraße: nichts der Natur abzwingen wollen, sondern ihr an die Hand gehen, sie freundschaftlich stützen und durch kleine Hilfsmittel einladen, daß sie selbst und allein und freiwillig den Dienst tue.
Meine sämtlichen Dämpfe sind eigentlich nur Teildämpfe, d. h. sie berühren direkt nur Teile des Körpers; dennoch bleibt keiner derselben ohne Einwirkung auf den ganzen Körper. Gerade darin scheint mir der große Vorteil zu liegen. Die Dämpfe berühren oder, wenn man will, schwächen nur die leidende Körperstelle und lassen den übrigen gesunden Körper intakt, unberührt, ungeschwächt. Dieser behält seine volle Kraft und ruht, während der leidende, vom Dampf angegriffene Teil in voller Arbeit ist, unterdessen gleichsam eine Weile aus, um dem geschwächten Mitgenossen alsbald von seiner Kraft mitzuteilen.
Viele meiner Dampfanwendungen dienen lediglich dazu, den Wasseranwendungen vorzuarbeiten, dieselben, z. B. durch Steigerung der Körperwärme, zu ermöglichen, vielleicht wirksamer zu machen oder im Innern des Körpers (z. B. durch Auf[S. 71]lösung in Luftröhre und Lunge) den von außen tätigen Wasseranwendungen in die Hand zu arbeiten. Ganz selten nur kommt einer der Dämpfe für sich allein als abgeschlossene ganze Anwendung vor.
Die notwendigen Vorsichtsmaßregeln bezüglich der Abkühlung, Bekleidung, Bewegung enthält die spezielle Beschreibung der einzelnen Dämpfe.
Noch muß ich warnen vor einer Täuschung.
Sehr oft kommt es vor, daß einer der verschiedenen Dämpfe, insbesondere der Kopf- und Fußdampf, in besonderer Weise günstig wirkt. Sie machen, weil sie stark auflösen und ausscheiden, sehr leicht, ungemein behaglich, viele Patienten überaus froh und glücklich. Die Gefahr liegt nahe, daß sie das Gute mißbrauchen, den betreffenden Dampf zu häufig vornehmen und so unüberlegterweise ihrer Gesundheit großen Schaden zufügen. Modus est in rebus! Nur immer weise Maßhaltung sich zur Regel und Pflicht machen!
Zur Belehrung will ich einige besondere Fälle anführen.
Ein Rekonvaleszent nach Typhus oder einer anderen schweren Krankheit hat noch bedeutende Anstauungen am oder im Kopfe oder anderswo. Dämpfe täten da treffliche Dienste. Ganz gewiß, aber sehr sparsame und leichtere Kopf- oder Fußdämpfe; denn wir haben es mit einem blut- und säftearmen Individuum zu tun. Um ein Zündhölzchen auslöschen, brauche ich keinen Schmiedeblasbalg, der leise Atem reicht aus.
Dasselbe gilt von allen blutarmen Personen. Die wärmenden Dämpfe bereiten ihnen Wohlbehagen; zu viele Dämpfe aber wären ebenso viele Blut-Wärme- und Lebenssauger.
Aber starke, korpulente Leute können sicherlich viele Dämpfe, vieles Schwitzen ertragen?
Diese sehr oft am allerwenigsten, aus dem einfachen Grunde, weil sie blutarm sind. Gerade bei solchen Individuen bin ich mit Dämpfen überaus sparsam und greife mit Vorliebe nach den Wickeln, um auf gute Transpiration (Ausdünstungen) der Haut hinzuwirken. Wo diese in Ordnung ist, ist Vielschwitzen nicht notwendig.
Ein Patient klagt über heftige Schmerzen in den Füßen. Er wünscht Fußdämpfe auf die ausgemergelten, spindeldürren Beine. Wie töricht, wollte man seinem Wunsche willfahren! Ein solcher in der Tat armer „Häuter“, wie die Tiroler bezeichnend sagen, hat nichts Weiters auszuschwitzen und herzugeben. Man appliziere ihm statt der Dämpfe Halbbäder und öftere Kniegüsse.
Die von mir angewendeten Dämpfe sind der Reihe nach folgende:
Die Anwendung des Kopfdampfes erheischt einige kleinere Vorbereitungen. Zu dessen Vornahme nämlich sind notwendig ein kleines Holzgefäß (s. Fig. 7), mehr tief als weit, mit Öhren, auf welche man bequem die Hände stützen kann, und einem gut abschließenden Deckel; sodann zwei Stühle und zum Zudecken des Behandelten eine größere Wolldecke. Von den Stühlen dient der eine höhere zum Sitzen, der zweite niedrigere als Untergestell des Holzgefäßes (Schaff, Schafferl, Kübel, Gelte).
Wenn all die genannten Gegenstände bereitstehen, wird das auf den niedrigeren Stuhl gestellte Holzgefäß bis zu Dreiviertteilen angefüllt mit strudelndem Wasser und mit dem Deckel und einem feuchten Tuche gut verschlossen, damit bis zum Gebrauche möglichst wenig Dampf entweiche. Der Patient hat den ganzen Oberkörper bis zu den Beinkleidern entblößt und über diese als abschließende Binde ein trockenes Tuch gelegt, um den niederrinnenden Schweiß aufzuhalten und das Naßwerden der Beinkleider zu verhindern. Er setzt sich auf den größeren Stuhl und stützt die flachen Hände auf die Öhren des Holzgefäßes, den Oberkörper über das Gefäß hinneigend (s. Figur 8). Oberkörper und Gefäß werden sodann mit der großen Wolldecke locker, aber nach allen Seiten hin derart eingehüllt, daß auch nicht durch die kleinste Öffnung Dampf entweicht. Jetzt erst entfernt der Behandelnde, dem Behandelten gerade gegenüberbefindlich und von unten her die Wolldecke etwas lüftend, in die Höhe hebend, den abschließenden Deckel mit dem angefeuchteten Tuche; der Dampf dringt ungehindert wie ein glühender[S. 73] Strom auf Kopf, Brust, Rücken, auf den ganzen Oberkörper ein und beginnt seine auflösende Arbeit.
Wer zur Aufsicht und Bedienung beigegeben ist, sorge wohl dafür, daß schwächere Patienten, denen der Rücken leicht wehe tut, bequem sitzen, eine gute Stütze im Rücken haben usw. Dagegen achte er nicht auf Klagen und die verschiedenartigsten Ausrufe wie: Ich halte es nicht ferner aus, mich muß der Schlag treffen u. a.
Im ersten Augenblicke mag mancher ob der ungewohnten Glühtemperatur erschrecken, doch bald hat er sich an das tropische, das heiße Klima gewöhnt und schnell einige kleinere Vorteile gefunden. Beim ersten Ansturme der hitzigen Wolken suche er eine mehr aufrechte Stellung einzunehmen, den Kopf zu heben, nach verschiedenen Richtungen zu wenden usw. Mit dem Angewöhnen und dem Nachlassen der Hitze kehrt der Oberkörper in die vorgeschriebene, gebückte Stellung zurück.
Zu befürchten hat man absolut nichts. Ich kenne nicht einen Fall, in welchem der Kopfdampf, genau nach Vorschrift angewendet, im geringsten geschadet hätte. Ich habe denselben den verschiedensten Personen in den verschiedensten Krankheiten appliziert und stets gute Erfolge erzielt. Schaden zugefügt haben nie die Dämpfe, wohl aber jene Selbstklugen sich selbst, welche ohne alle Vorsicht und Regel taten, wie es ihnen gut dünkte, nicht wie die Ordnung es vorschrieb. Eine Anwendung dauert 20–24 Minuten. Der Patient soll während der ganzen Dauer nicht nur willig mit seinem Kopf herhalten, er soll auch nach Vermögen Augen, Nase, Mund öffnen und an Dampf einströmen lassen, was und wieviel er nur ertragen kann.
Nach Umlauf der Zeit von 20–24 Minuten wird die Wolldecke entfernt und der ganze Oberkörper mit frischem Wasser kräftig abgewaschen. Der Patient macht sich zur Winterszeit im Zimmer, zur Sommerszeit im Freien Bewegung, bis die gehörige Trocknung und die normale Wärmetemperatur der Haut eingetreten ist.
Ich schulde an dieser Stelle noch einige wichtige und nicht zu übersehende Bemerkungen.
Der reine Wasserdampf wirkt auf manche Augen, ebenso beim Einatmen auf den Magen zuweilen nicht ganz günstig. Deshalb mische ich dem heißen Wasser stets Kräuter bei. Zunächst empfehle ich Fenchel, der sich vortrefflich bewährte. Ein Löffel gemahlener Fenchel reicht aus für eine Anwendung. Auch Kräuter von Salbei, Schafgarbe, Minze, Hollunder, Spitzwegerich, Lindenblüten tun treffliche Dienste. Und wenn[S. 74] dir auch diese abgehen, so nimm eine Handvoll Brennesseln oder Heublumen und mische sie bei; das Kräutchen mag verachtet sein, sein Dienst ist dennoch gut.
Bei gewöhnlichen Menschen tut der Dampf bald seine Wirkung; den meisten derselben rinnen schon nach den ersten fünf Minuten die Schweißtropfen von der Stirne, nach 8–10 Minuten perlen sie hervor aus allen Poren.
Es gibt jedoch Patienten — es sind in der Regel blutarme Individuen mit wenig Naturwärme — bei denen der Dampf nicht so leichte Arbeit hat. Man hilft nach, indem man im Herde ungefähr den sechsten Teil eines Ziegelsteines glühend macht und denselben ca. 10 Minuten nach Beginn der Anwendung in das Dampfbad bringt. Es braust gewaltig, und die Wolken steigen von neuem dichter und lebhafter auf.
Unmittelbar nach beendigtem Kopfdampf, der wie die folgende Abkühlung im Winter stets in erwärmten Räumen vorzunehmen ist, soll man es nie wagen, ins Freie zu gehen ohne vorherigen kalten Abguß, wodurch die durch den Dampf geöffneten Poren wieder geschlossen werden. Zur Winterszeit verbleibe man vor solchem Austritt ins Freie noch ungefähr eine halbe Stunde im gewärmten Zimmer, in demselben auf- und abgehend. Ohne diese Vorsicht könnte man sich leicht nicht nur einen Katarrh, sondern unter Umständen eine schwere, tödliche Krankheit zuziehen. Der genannte kalte Abguß ist auf mehrfache Weise möglich. Die einfachste Art, welche ich besonders bei schwächeren, fremder Hilfe bedürfenden Personen empfehle, besteht darin, daß man mit einem Handtuche und frischem Wasser den Patienten rasch abwäscht. Bei Kopfgeschwülsten, Ausschlägen am Kopf, Ohrenfließen, überhaupt bei Leiden, welche große Ausscheidungen aus dem Kopfe verlangen, muß beim ersten und zweiten Kopfdampfe diese Art des Abgusses, vielmehr Abwaschens stattfinden. Die Folgen des Versäumnisses, wie heftiges Ohrensausen usw., wären wenn auch nicht gerade gefährlich, doch unangenehm. Bei den folgenden Anwendungen, nach bereits erfolgten größeren Ausscheidungen aus dem Kopfe, kann die zweite Art des Abgusses, der eigentliche Abguß an die Stelle der Waschung treten. In Form des Obergusses werden 1–2 Gießkannen kalten Wassers über die bedampften Stellen langsam gegossen, den Kopf, d. i. die Haare ausgenommen; die Brust wird kräftig gewaschen. Das weitere Verhalten ist dasselbe wie nach den Güssen, d. i. nach sorgfältiger Abtrocknung des Gesichtes und der Haare zieht man,[S. 75] ohne den übrigen Körper abzutrocknen, rasch die Kleider an und gibt sich in Bewegung oder in Handarbeit bis zur völligen Trocknung und normalen Erwärmung des Körpers.
Wer nach dem Kopfdampf Gelegenheit hat, rasch ein kaltes Vollbad von höchstens einer Minute zu nehmen, macht seine Sache gleichfalls gut durch Benützung solcher Gelegenheit.
Die Wirkungen dieser Anwendung sind bedeutende; sie erstrecken sich auf die ganze Hautfläche des Oberkörpers, deren Poren sie öffnen, sodann auf das Innere des Körpers, indem sie in der Nase, in den Luftröhren, in der Lunge usw. auflösen und ausleiten. Bei Erkältungen durch Nässe oder raschen Temperaturwechsel, bei Kopfleiden, Ohrensausen, rheumatischen und krampfhaften Zuständen im Genick und auf den Schultern, bei Enge auf der Brust, bei noch nicht vorgerücktem Schleimfieber, lauter Begleiter und Begleiterinnen der verschiedenen Katarrhe, tut der Kopfdampf vorzügliche Dienste. Zwei Anwendungen innerhalb drei Tagen bringen in der Regel vollständige Heilung. Beginnende Katarrhe hebt gewöhnlich ein einziger Kopfdampf auf und aus, sie mögen sitzen, wo sie wollen.
Wer einen aufgedunsenen Kopf, einen unverhältnismäßig vollen Hals, angeschwollene Halsdrüsen hat, nehme wöchentlich zwei bis drei solcher Dämpfe. Bei Augenentzündungen, welche von Kälte, Erkältungen usw. herrühren, und bei Triefungen tue man ebenso. Der letztere Patient darf noch größeren Erfolg hoffen, wenn er am Abende des Tages, an welchem er dem Kopfe den Dampf gibt, seinen Füßen ein viertelstündiges warmes Fußbad mit Asche und Salz verabreicht.
Bei Kongestionen, selbst nach Schlaganfällen, habe ich den Kopfdampf mit den günstigsten Erfolgen angewendet. Man läßt sich bei diesen freilich heikeln Fällen von der Meinung täuschen und beängstigen, als ziehe so ein Dampf noch vollends alles Blut in den Kopf. Die Furcht ist unbegründet. Indessen habe ich selbst die Praxis — und ich rate dieselbe in den genannten zwei Fällen einem jeden an —, die Anwendung stets auf 15–20 Minuten zu beschränken und dem Dampfe auf den Kopf tunlichst bald einen Dampf auf die Füße folgen zu lassen.
Da der Kopfdampf stark auflösend wirkt und allzu reichliche Schweißbildung leicht allzusehr schwächen könnte, so darf diese Anwendung nicht zu oft vorgenommen werden. Als Regel soll gelten, daß man die Zahl 2 in der Woche nicht überschreite. In seltenen Fällen, in welchen ganz besondere Auflösungen[S. 76] und Ausscheidungen notwendig sind, kann eine Woche hindurch der Kopfdampf jeden zweiten Tag zur Anwendung kommen, jedoch mit verkürzter Dauer (Minimum [geringste Zeit] 15 Minuten, Maximum [längste Zeit] 20 Minuten).
Die Arbeit welche der Kopfdampf am Oberkörper vornimmt, leistet der Fußdampf dem Unterkörper, in erster Linie den Füßen.
Die Anwendung geschieht folgendermaßen:
Über den zum Sitzen bereit gehaltenen Stuhl wird der Länge nach eine ziemlich breite und dichte Wolldecke ausgebreitet. Darauf setzt sich der zu Behandelnde mit bekleidetem Oberkörper, mit entkleideten Füßen (Beinen). Vor ihn kommt wie zum Fußbade das mit heißem Wasser etwas über die Hälfte gefüllte Holzgefäß zu stehen. Es ist das auch zum Kopfdampf benützte Gefäß (a, Fig. 9). Auf dem oberen Rande desselben, zu beiden Seiten der Öhren liegen zwei schmale Holzstäbe, auf welche der zu Behandelnde die Füße bequem aufstellen kann. Man suche dieselben durch irgend eine kleine Vorrichtung zu befestigen, daß die Gefahr des Nachgebens und des Verbrühens der Füße den Patienten nicht ängstigt.[13] Hat dieser sodann seine Stellung eingenommen und steht das dampfende Wasser vor ihm, so wird die dichte Wolldecke derart um die Beine und das Holzgefäß gelegt, daß kein Dampf unbenützt verloren geht und durch eine große Wollröhre das warme Element von unten nach oben, zu den Füßen, zu dem Unterleibe und weiter aufsteigt.[14] (S. Fig. 11.) Zu den Fußdämpfen benütze ich in der Regel leichtere strudelnde Absude von Heublumen. Wie beim Kopfdampfbade, so kann ich bei dieser Anwendung den Dampf und damit die Wirkung steigern, indem[S. 77] ich nach je 5 oder 10 Minuten das glühende Stück eines Ziegelsteines in das heiße Wasser sachte und vorsichtig einsenke. Man lasse die Steine ja nicht ins Wasser fallen; dieses müßte ein Spritzen und Brandwunden absetzen. Die Zahl der glühenden Ziegelstücke, sowie die Dauer des Fußdampfes richten sich genau nach dem höheren oder geringeren Grade der Wirkung, welche man erzielen will. Oft soll lediglich der untere Teil der Füße in Schweiß gebracht werden, wie z. B. bei Fußschwitzern; manchmal aber sucht man die ganzen Füße, die Schenkel inbegriffen, öfters den ganzen Unterleib, zuweilen den ganzen Körper durch einen Fußdampf in Schweiß zu bringen. Viele habe ich gesehen, denen bei dieser höchst einfachen und primitiven Anwendung der Schweiß von der Stirne rann wie bei der forciertesten (angestrengtesten) Schwitztour unter 2–3 Federbetten. Bei den leichtesten Anwendungen wird ein glühendes Ziegelstück und eine Zeitdauer von 15–20 Minuten genügen; um die größte Wirkung eines eigentlichen Schwitzdampfbades zu erzielen, wird es notwendig werden, die glühende Masse alle 5–10 Minuten zu erneuern und die Anwendung bis zu 25 und 30 Minuten auszudehnen.
Dem Dampfbade folgt stets die kalte Abkühlung, welche sich ganz richtet nach der Ausdehnung der schwitzenden oder in Schweiß gebadeten Stellen. Füßen, welche nur bis an die Knie schwitzen, genügt eine rasche kalte Abwaschung mit einem Linnentuche, kräftigeren Naturen ein Knieguß. Bei mitschwitzenden Schenkeln und Unterleib reicht ein Halbbad aus. Ist der ganze Körper in Mitleidenschaft gezogen, so muß auch der ganze Körper entweder durch ein Halbbad mit Waschung des Oberkörpers oder durch ein Ganzbad oder durch eine Ganzwaschung abgekühlt werden. Die Regeln über die Vornahme dieser Anwendung lese man an den betreffenden Stellen (bei den Bädern und Waschungen), die Regeln über das Verhalten nach dem Fußdampfe beim Kopfdampfe nach. Sie gelten auch hier ohne allen Unterschied.
Die Anwendung des Fußdampfes geschieht vornehmlich bei den verschiedenartigsten Fußleiden, so bei starken übelriechenden Fußschweißen, wo es gilt, die faulen Säfte aufzulösen und auszuleiten; bei angeschwollenen Füßen, die auf Säfte und Blutstauungen schließen lassen; bei kalten Füßen, in denen die Transpiration auf Nullgrad steht und zu denen das Blut sozusagen den Weg nicht mehr findet. Diese Dämpfe wecken neue Tätigkeit und bringen frisches Leben, sind zuweilen auch nur, wie bei den einzelnen Krankheiten gesagt werden wird, notwendige vorbereitende Übungen, welche anderweitigen Wasseranwendungen die Wege ebnen und deren Erfolg sichern.
Wer an Nagelgeschwüren, eingewachsenen Nägeln usw. leidet, wer Blutvergiftung befürchten muß, z. B. wegen unglücklicher Behandlung von Hühneraugen, Ausreißen von Nagelwurzeln usw., lasse sich baldigst diesen Dampf bereiten.
Gesteigerte Anwendungen, welche mehr oder weniger auf den ganzen Körper wirken sollen, kommen vor bei krampfartigen, besonders durch Erkältung entstandenen Leiden des Unterleibes; bei Kopfleiden, deren Ursache auf Kongestionen, zu heftigen Blutandrang nach dem Kopfe zurückzuführen ist.
Bei blutarmen Individuen, denen vor dem Beginne irgend einer Kaltwasseranwendung mehr Wärme einzupumpen ist, haben mir leichtere Fußdämpfe sehr oft große Dienste erwiesen.
Als Regel bezüglich der Wiederholung dieser Anwendung gilt wie beim Kopfdampfe, daß man damit recht sparsam sei. Einmal, zweimal in der Woche wird man öfters, dreimal nur selten lesen, letzteres nur bei Einzelfällen, welche stets diese Notiz ausdrücklich enthalten müssen.
Nun noch eine Bemerkung!
Oft schon sind mir Klagen zugekommen wegen der zu großen Umständlichkeit der von mir verordneten Dämpfe. Ich frage jeden Wohlmeinenden: Was ist einfacher, mein Fußdampf oder ein Schwitzbad nach so und so vielen Tassen heißen Thees, nach so und so vielstündiger Tortur, unter so und so vielen Federbetten, ein Schwitzbad, welches selten, fast nie vorübergeht ohne die heftigsten Kopfschmerzen und anderes Weh!
Dieser Dampf tut seiner leichten Bereitung, bequemen Applizierung und überaus schuldlosen, d. i. ungefährlichen Wirkung wegen besonders in Krankheiten große Dienste. Selbst Schwer[S. 79]kranke, bei denen wegen Schwäche oft sehr schwer der erwünschte Schweiß zu erzielen ist, können auf diese Weise recht leicht zum Schwitzen gebracht werden.
In den irdenen oder blechernen Topf des Leibstuhles wird die strudelnde Mischung geschüttet. Der Patient setzt sich, die Bedienung sorgt, daß kein Wölkchen des wohltuenden Rauches unnütz entweicht. Rasch steigt der heiße Qualm zum Körper auf und erzeugt in Bälde schwächeren oder stärkeren Schweiß, der sich manchmal zu einem förmlichen Schwitzbade, d. h. zu einem allgemeinen Schwitzen des ganzen Körpers steigert. Die Anwendung dauert 15–20 Minuten. Erscheint es notwendig, den Kranken in länger dauerndem Schwitzen zu erhalten, so bringt man (da das Sitzen beschwerlich und der Dampf vielleicht für längere Dauer nicht wirksam wäre) ihn zu Bette; es wird ohne jede besondere Auflage die Schweißkur, d. i. das Schwitzen, fortdauern. Nach dem Dampfe soll eine Ganzwaschung, ein Halbbad mit Abwaschung des Oberkörpers oder ein Vollbad je nach Können des Patienten die ganze Anwendung beschließen. Bei Schwerkranken wird stets die Ganzwaschung am leichtesten und ungefährlichsten vorgenommen werden können.
Die Wirkung des Leibstuhldampfes ist, wie von selbst einleuchtet, auflösender und ausleitender Natur. Die Ausscheidungen geschehen in Form und durch Abgang des Schweißes. Niemals benütze ich für diese Dämpfe das Wasser allein; stets mische ich Kräuter bei und zwar wieder die bekannten Kräuter von Heublumen, von Haberstroh, vor allen andern indessen von Zinnkraut.
Bei Nieren- und Steinleiden wende ich Dämpfe an von Haberstrohabsud;
bei krampfhaften oder rheumatischen Zuständen des Unterleibes, bei Blasengeschwüren, bei beginnender Wassersucht solche von Heublumenabsud.
Wie die Dämpfe mit Anwendung von Kaltwasser wechseln, lese man nach im dritten Teile bei den einzelnen Krankheiten.
Die auffallendsten und erstaunlichsten Erfolge habe ich erzielt mit Dämpfen von Zinnkrautabsud in all’ den höchst peinlichen Fällen, in welchen das Urinieren (Wassermachen) unmöglich wurde und infolgedessen die entsetzlichsten, wahnsinnigsten Schmerzen den armen Patienten quälten und fast zur Verzweiflung brachten. Die meist durch Erkältung und Entzündung entstandenen krampfhaften Zustände der Blase wurden durch den heißen Zinn[S. 80]krautdampf in verhältnismäßig kurzer Zeit gehoben, und das Organ tat wie früher seine reinigenden Dienste.
Im Wechsel mit anderen Wasseranwendungen dienen in vielen Fällen die Dämpfe sehr gut bei Leiden an den Augen, in den Ohren, im Mund, an den Fingern, an der Hand, am Arme, an den Zehen, am Fuß usw. Einige Beispiele mögen dieses klar machen.
Ein giftiges Insekt sticht in die Hand, in den Arm, das Glied schwillt an und schmerzt heftig, die Entzündung droht um sich zu greifen usw. Im Vereine mit Hand- und Armwickeln werden Dämpfe auf die leidende Stelle bald Linderung der Schmerzen und Hilfe bringen. Zu dem Zwecke hält man die Hand oder den Arm über ein Gefäß, welches das strudelnde, dampfende Wasser enthält.
Wegen irgend einer durch Giftstoffe verunreinigten Wunde droht Blutvergiftung; es ist Gefahr im Verzuge. Rasch soll ein auflösender und ausleitender Hand- oder Fußdampf bereitet werden.
Es wird jemand von einem wutverdächtigen Hunde gebissen. Bevor ein Arzt und andere Hilfe zur Hand sind, kann rascher durch Dampf dem Gefährdeten wenigstens vorläufige Hilfe gebracht werden.
Heftige Krämpfe quälen ganz bestimmte Stellen an Händen und Füßen. Man säume nicht, sie bedampfen zu lassen.
Zu äußeren Anwendungen der genannten Arten verwende ich in der Regel Absude von Heublumen.
Für Augendämpfe dient sehr gut Absud von Fenchelpulver oder Augentrost oder Schafgarbe;
für Ohrendämpfe Absud von Taubnesseln oder Brennesseln oder Schafgarbe;
für Verschleimung im Halse Absud von Schafgarben oder Spitzwegerich oder Brennesseln.
Bezüglich der Anwendungszeit überschreite man 20 Minuten nie; die kürzeste Dauer umfaßt 10 Minuten.
Jene Dämpfe, welche zum Einatmen dienen, nach innen wirken oder die Augen und Ohren betreffen, sollen vorsichtigerweise niemals übermäßig warm oder gar heiß genommen werden.
Die bei mir zur Anwendung kommenden Gießungen (Güsse) sind folgende:
Die Füße werden bis über die Knie entblößt, die Beinkleider möglichst weit zurückgeschlagen und, um sie vor Nässe zu schützen, gegen die zu begießenden Stellen zu mit einem Tuche (Handtuche) bedeckt. Man setzt sich sodann auf einen Stuhl und stellt beide Füße ähnlich wie beim Fußbade in ein bereitstehendes Gefäß. (S. Abbildung.) Wer sich aber stehend den Guß geben läßt, handelt nicht schlechter. Der Guß geschieht mit einer kleinen Gießkanne, am besten mit einer Treibhausgießkanne, die mit einer Hand leicht dirigiert wird. Die erste Kanne, die schneller und voller strahlend ausgegossen werde, benetzt beide Füße, von den Zehen bis über die Knie. Die folgenden Kannen bespülen in schwachem Strahle, der bald höher, bald tiefer auffällt, einzelne Fußstellen, besonders die Kniescheiben (in der Mitte, rechts und links davon) und die Waden in einer Art, daß das Wasser über die Beine ziemlich gleichmäßig hinunterläuft. Der Inhalt der letzten Kanne wird nicht gegossen, sondern aus der größeren Öffnung in zwei oder drei Malen über die Füße wie zur Abspülung hingeschüttet. Zu einem Kniegusse können 2–10 Gießkannen verwendet werden, wovon eine 13–15 Liter hält.
Kranke, Schwächlinge halten den Guß beim ersten Anprall sehr schwer aus. Kein Anfänger tut sich ganz leicht. Schon Männer, welche zuerst über das Bagatellverfahren witzelten, dann die elektrischen Schlägen gleichende bis ins Innerste hinein erschütternde Wirkung verbeißen wollten, habe ich wie Espenlaub zittern und vor Schmerz weinen sehen. Es ist das der beste Beweis für die elektrisierende, auffrischende, stärkende Kraft dieses Gusses.
Rekonvaleszenten, blut- und säftearmen Personen, — allen, deren Fußknochen nicht kernige Muskeln, sondern nur dünne, armselige Fleischmäntelchen tragen, rate ich die erste[S. 82] Zeit nie mehr als 2–3 Gießkannen; auch bei jedem Anfänger soll das erste Mal die Zweizahl nicht überschritten werden. Sie können in den folgenden Tagen auf 4–6 und noch später auf 8–10 Kannen steigen. Nach 8–10 Kniegüssen ist jedes Schmerzgefühl verschwunden. Mit Behagen, mit einem gewissen Sehnen erwartet man den nächsten Strahl, der in so kurzer Zeit die verweichlichten Füße so bedeutend gestärkt hat.
Der Knieguß kommt regelmäßig nur in Verbindung mit dem Oberguß vor. Man lese deshalb nur das vom Oberguß Gesagte. Jedoch ist dies nicht so gemeint und auch nicht so zu verstehen, daß nach dem Obergusse unmittelbar der Knieguß genommen werden müßte.
bildet die Fortsetzung des Kniegusses, gegen den Unterleib zu, schließt jedoch als eigentlichen Schenkelguß dessen Begießung aus. Er besteht darin, daß außer den beim Knieguß begossenen Fußstellen die Schenkel mit in Behandlung gezogen werden. Die erste Kanne Wassers benetzt ziemlich rasch die ganze Länge der Beine von den Zehen bis zum Unterleib; die folgenden mögen nahezu gleichmäßig verteilt auf dieselben spülen. Patienten, welche noch das Stehvermögen haben, nehmen diesen Guß (und wohl jeden andern) besser in stehender Haltung; sie haben dabei den Vorteil, daß das aus der Kannenröhre ausfließende Wasser beim Hinablaufen Wade und Schienbein gleichmäßiger und gleichzeitiger benetzt; und gleichmäßiges und gleichzeitiges Übergießen zähle ich stets zu den guten Eigenschaften eines Gusses.
Die Wirkung des Schenkelgusses ist die erhöhte Wirkung eines Kniegusses; daher könnte er jederzeit diesen letzteren vertreten und ersetzen. Als Vertreter aber geht es ihm wie den Ersatzmännern bei öffentlichen Ämtern: es kommt in meinem Wasseramte selten zur Verwendung. Er bildet die natürlichste Brücke, den natürlich[S. 83]sten Übergang vom Knieguß zum Unterguß, erhöhtem, verstärktem Schenkelguß, Schenkelguß im weiteren Sinne des Wortes. So oft im folgenden und in allen meinen Schriften der Name Schenkelguß erscheint, habe ich (immer möchte ich sagen) den verstärkten Schenkelguß im Auge.
(erhöhter, verstärkter Schenkelguß) besteht darin, daß mit der ersten Gießkanne rückwärts unten am Fuße beginnend der Körper bis über die Hüfte benetzt wird und die folgenden drei bis vier, ja sechs Kannen Wasser gleichmäßig den ganzen Unterkörper (auch von vorne), vorzüglich aber Kreuz- und Lendengegend gut bespülen. Weil er sich auf den ganzen Unterleib erstreckt, so ist sein Name „Unterguß“ auch gerechtfertigt; am vorteilhaftesten wird er gleich dem Schenkelguß stehend genommen. (Siehe Abbildung.)
Dieser Guß muß regelmäßig nach dem Fußdampfe erfolgen, wenn nicht etwa das Halbbad oder das Knien in die Badewanne vorgezogen wird. Seine Wirkung ist um so stärker, je mehr Wasser dazu verwendet wird, und je höher der Strahl auffällt. In der Regel soll derselbe nicht höher als etwa spannehoch fallen.
bildet die Fortsetzung des vorher beschriebenen Gusses nach oben in der Weise, daß mit der ersten Gießkanne voll Wasser die ganze Rückseite des zu Begießenden von der Ferse bis zum Nacken benetzt wird; der Inhalt weiterer 3–5 Kannen, dessen Strahl höher oder tiefer, stärker oder schwächer auffallen kann, wird vom Halse bis hinunter zum Steißbein einerseits und von dem linken bis zum rechten Schulterblatte anderseits gleichmäßig ausgegossen. Ziemlich reichlich wird dabei die Rückensäule bedacht, aber nicht überflüssig ist nebstbei die Bemerkung, daß bei sehr empfindsamen, erregbaren Personen, besonders anfangs, die Wirbelsäule selbst möglichst geschont werden möge. Rasches Abwaschen der Brust, des Unterleibs und der Arme soll den Rückenguß stets begleiten oder beschließen. Ich[S. 84] sage begleiten oder beschließen: ersteres kann dadurch bewerkstelligt werden, daß das Wasser, welches, während der Nacken begossen wird, nach vorne abfließt, zur Abwaschung verwendet wird; letzteres geschieht unmittelbar nach dem Gusse, so oft ersteres unterlassen wurde. Bei den Beinen kann man das Abwaschen ersparen, indem man in stehender Körperhaltung den Guß nimmt, in welchem Falle das Wasser beim Ablaufen von oben eine volle Abspülung vornimmt.
Der Rückenguß wirkt besonders stärkend auf das Rückgrat ein und fördert den Blutumlauf günstiger und stärker als die vorigen Gußarten.
erstreckt sich, wie der Name besagt, auf den ganzen Körper, vom Halse bis zu den Fußspitzen. Derselbe wird folgendermaßen erteilt:
Der Patient sitzt in der Badewanne oder in einem weiten Holz- oder Blechgefäß auf einem schmalen Brettchen, bekleidet mit Badehosen oder dem Badehemde. Wer ihn kniend oder stehend nehmen will, trifft auch keine schlechte Wahl. Der Guß geschieht zum Teil von der Rückseite, zum Teil von der Vorderseite mit ungefähr 4 Gießkannen Wasser. Die erste Kanne netzt den ganzen Körper an. Die weiteren drei und mehr Kannen werden in der Art verwendet, daß der Strahl nach allen Körperteilen hinzielt, vorzüglich nach dem Rückenmark und den Hauptnervengeflechten, also ins Genick und zu beiden Seiten desselben, sodann in die Magengegend (Magengrube, Sympatikus in der Magengegend).
Gesunden, besonders korpulenten Personen, ist dieser Guß[S. 85] sehr zu empfehlen. Er härtet ab, steigert die Zirkulation des Blutes, kräftigt und hebt diese blutarmen und wasserscheuen Individuen aus ihrer übergroßen Empfindsamkeit und Empfindlichkeit heraus.
Wer sich kalt fühlt und wem fröstelt, der darf den Guß nicht nehmen, er stelle denn zuerst die richtige Naturwärme her, sei es durch Bewegung, sei es durch künstliche Nachhilfe, etwa den Fuß- oder Kopfdampf. Sonst aber kann er Sommers und Winters vorgenommen werden, im Winter selbstverständlich in einem gewärmten Lokale.
Bei Kränklichen und Schwächlichen darf, ja soll das Wasser etwas temperiert („abgeschreckt“) werden und wenigstens die Temperatur haben, welche das Wasser in Badeanstalten zur Sommerszeit hat (15–18°R.).
Die Berichte der einzelnen Krankheiten enthalten, in welchen Fällen und wie oft der Ganzguß anzuwenden sei. Ich ziehe denselben vielfach dem Vollbade vor und verwende ihn statt desselben da, wo ich durch Aufgießen auf eine besonders leidende Stelle in nachhaltiger Weise einwirken will. Bei Rheumatismen geschieht dieses ziemlich oft.
Kranken, bei denen ich besonders starke Auflösungen und Ausleitungen erzielen möchte, gebe ich nach dem Vollgusse noch folgende Anwendung. Das durch den Guß naß gewordene Hemd wird rasch so ausgewunden, daß es nicht mehr träufelt, und dann als Wickel benützt (s. Wickelungen), in welchem der Patient 1 bis 1½ Stunden bleibt. Andernfalls muß es selbstverständlich ausgezogen und durch trockene Wäsche ersetzt werden. Der Patient selbst macht sich Bewegung, bis er völlig warm und trocken ist.
Hier nur eine flüchtige Bemerkung. Die an manchen Orten üblichen, hoch und deshalb sehr stark auffallenden Güsse und heftigen Duschen habe und billige ich nicht. Ich sehe absolut nicht ein, was so gewaltige Wasserschläge bei Gesunden und erst bei Kranken erzielen sollen. Zum Waschen des Körpers braucht man keine Feuerspritze; wem würde solches einfallen?
Zum Begießen sind diese förmlichen Wasserstürme nicht notwendig; denn entweder ist die Krankheit heilbar und so durch geringere Anwendung ihr beizukommen, oder sie ist nicht heilbar; dann würde diese schroffe Behandlung auch nichts nützen, eher schaden.
ist das Gegenstück zum Unterguß.
Der zu Behandelnde entkleidet sich bis auf die Beinkleider. Das Einfließen des Wassers in letztere hindert ein übergelegtes, abschließendes Tuch. Das Gefäß, in welches das Wasser abfließt,[S. 86] dann statt auf der Erde auf einem Stühlchen stehen. Das Bücken wird stärkeren Personen dadurch leichter gemacht; auch der Kopf wird geschont, d. i. durch dessen mehr gehobene Haltung der Blutandrang zu demselben gemindert. Der Patient stützt beide Hände auf den Boden des Gefäßes, so daß der Oberkörper eine horizontale Lage annimmt und das Wasser beim Gießen ins Gefäß abfließt. (S. Abbildung.)
Die erste Kanne verbreitet sich, ausgehend vom rechten Arm und der rechten Schulter, über den ganzen Rücken bis zur linken Schulter und dem linken Oberarm (a). Sie dient in erster Linie zur Anfeuchtung der ganzen Gußstelle. Die zweite (b), ebenso die dritte Kanne (c) bewegen sich hauptsächlich über das große sympatische Nervengeflecht zu beiden Seiten des 7. Halswirbels, sodann über den ganzen Rücken und das Rückgrat, stets abschließend mit einem der beiden Oberarme. Die ganze Gußstelle soll drei- bis viermal gleichmäßig übergossen werden, der Begossene gleichsam drei Wasserauflagen bekommen, welche über den Oberkörper, über die Brust in das Gefäß abfließen. Wer aber nicht geübter, erprobter Begießer ist, dem gebe ich den guten Rat, einfach so zu gießen, daß das Wasser auf den Rücken des zu Begießenden recht gleichmäßig verteilt wird, so daß dasselbe eine förmliche Decke bildet und der Rücken wie etwa mit einem Tuche überlegt erscheint. Der Kopf werde möglichst geschont, der Hals dagegen tüchtig begossen. Wer lange Haare hat, dessen Kopf greife ich gar nicht an; wer kurze Haare hat, den begieße ich zart und wenig. Bei nervösen Personen sei man achtsam, daß der Rückgrat oder auch nur eine Stelle desselben zu stark oder zu lange begossen werde. Der Strahl würde fast wie ein stechendes Messer empfunden und nicht ertragen werden, wenn auch durchaus keine Gefahr ist. Je nach Bedarf und Absicht läßt der Begießende den Strahl voller oder geteilter, höher oder tiefer, d. i. stärker oder schwächer auffallen. Zugleich habe er ein Ohr, ob der Patient über besondere Schmerzen an irgend einer einzelnen[S. 87] Stelle klagt, und ein Auge, ob er vielleicht Symptome von Ausschlägen, Geschwüren, Blutanstauungen (blaue Flecken), Blutwülsten usw. gewahr wird.
Je gleichmäßiger das Wasser über die begossenen Teile läuft, um so leichter ist der Guß auszuhalten, und um so schneller tritt an allen Stellen gleichmäßige Wärme ein.
Es gibt Personen (darunter zählen insbesondere diejenigen, welche entweder schon stark beleibt sind oder zum Starkwerden Anlage haben), bei denen man lange auf Reaktion warten kann. Man sieht dieses daran, daß die Haut weiß, farblos bleibt, wie vor dem Gusse, nicht rot wie vom aufgescheuchten, geweckten, den begossenen Stellen zuströmenden Blute. Da helfe ich dadurch nach, daß ich nach der ersten Kanne den nassen Rücken leicht mit der Hand abwasche und durch diese kleine Reibung die Haut zur Tätigkeit reize. Beim dritten und vierten Gusse schon ist in der Regel vollständige Reaktion vorhanden.
Bei schwächlichen Personen reicht zum Gusse eine Kanne aus.
Anfänger traktiere man mit 1 oder 2, Fortgeschrittene mit 2 oder 3, Gesunde und Kräftige mit 5 bis 6 Kannen. Übertreiben soll man bei vorhandenem Wohlbehagen in keinem Falle.
Vor und nach dem Gusse wasche man sich schnell die Brust, trockne nach demselben die Hände und das Gesicht, ziehe rasch, ohne sonst irgend abzutrocknen, die Kleider an und begebe sich in Bewegung oder an die Arbeit.
Der Oberguß ist (wenn nicht eine Abwaschung stattfindet) stets notwendig nach dem Kopfdampf.
Sonst kommt er regelmäßig vor in Verbindung mit dem Knieguß, und zwar in der Reihenfolge, daß zuerst er und nach vollständiger Bekleidung des Oberkörpers der Knieguß vorgenommen wird. Betont sei aber nochmals, daß eine Notwendigkeit nicht vorliegt, daß dem Oberguß der Knieguß folgen müsse.
Beide Güsse zählen mit zu den Abhärtungsmitteln; sie wirken erwärmend, (gleichmäßige Zirkulation des Blutes), stärkend, förmlich elektrisierend und können von Personen beiderlei Geschlechts ohne allen Nachteil angewendet werden.
Ich kenne solche, welche jeden Morgen beim Aufstehen sich selbst beide Güsse applizieren. Sie nehmen zuerst den Oberguß vor, indem sie durch geschickte Handhabung der kleinen Kanne sich das Wasser über den Rücken laufen lassen, noch besser, indem sie sich[S. 88] in der Waschküche oder in einem Badelokal den Wasserhahn klein drehen und den mäßigen Strahl auf den Rücken spielen lassen. Sie wandern unter dem Strahl einher, wie es ihnen selbst beliebt und wohltut. Hernach richten sie den Hahn oder die Kanne ebenso auf die Knie. In fünf Minuten ist alles vorüber und dem ganzen Körper eine große Wohltat erwiesen.
Wer sich scheut, den Guß von einem andern zu erbitten, und dazu selbst die Gewandtheit nicht besitzt, wasche sich den Oberkörper mit recht kaltem Wasser. Dann stelle er die bis über die Knie entblößten Füße in ein zum Teil mit Wasser gefülltes Gefäß, schöpfe mit was immer von dem Wasser und schütte dieses langsam über die Knie und den untern Fuß. Selbst bei dieser primitiven Selbstverabreichung der beiden Güsse wird die Wirkung nicht fehlen.
Wie die Beine bei Knie- und Schenkelguß für sich allein in Behandlung kommen, so kann es öfters auch sehr zweckdienlich sein, die Arme speziell zu begießen.
Der Guß beginnt vorne an den Händen und nimmt seinen Lauf hinauf bis gegen die Achseln; er wird stets beiderseits vorgenommen und für gewöhnlich reicht eine Kanne zu 15 Liter für einen Arm aus. Bald wird dieser Guß verordnet und genommen als einfaches Abhärtungsmittel der Arme, bald ist er sehr nützlich zur Auflösung der Stauungen in denselben, bald um Entzündungen zu dämpfen und deren Schmerz zu[S. 89] lindern, und bald um Gicht und Rheumatismus aus den Armen zu verscheuchen. Für Blutarme und Bleichsüchtige ist er eine große Wohltat. Wer einen sprudelnden Brunnen zur Verfügung hat, der halte beide Arme eine Minute unter denselben und ich werde ihm gewiß nicht den Vorwurf machen, daß sein Armguß kein richtiger ist.
Wollte ich diesen Guß ganz verschweigen, so würde ich einer Anwendung in meinem Heilverfahren nicht gerecht werden, der ich doch bei Augen- und Ohren-Gebrechen große Dienste und Erfolge zu verdanken habe. Dabei gießt man das Wasser über den Kopf und läßt den Strahl um die Ohren, auf die Backen und selbst zwei Sekunden auf das geschlossene Auge spielen. Zuerst verwendet man hiezu eine, später zwei Kannen voll Wasser. Wieder ist es nicht überflüssig, die Mahnung beizufügen, daß nach dem Kopfgusse das Haupthaar sorgfältig abgetrocknet werden muß.
Die Waschungen teilen sich in Ganzwaschungen und in Teilwaschungen. Von beidem wird im folgenden die Rede sein. Im allgemeinen kann vorausgeschickt werden, daß die Grundsätze bezüglich des Frottierens, des Nichtabtrocknens auch hier gelten. Bei einer jeden Waschung liegt die Hauptsache (der Schwerpunkt) darin, daß der ganze Körper oder der einzelne zu waschende Teil gleichmäßig naß werde. Vom Gerieben-, Geknetetwerden ist nirgends die Rede. Wenn zuweilen bei den Krankheiten von kräftiger Abwaschung gesprochen wird, so verstehe ich darunter stets eine schnelle Handlung, bei der man nicht zögert und zaudert. Diejenige Ganz- oder Teilwaschung wird die beste sein, die am gleichmäßigsten geschieht und am kürzesten dauert; über 1, längstens 2 Minuten darf keine währen. Darnach mag man beurteilen, wie sehr mein Verfahren von den in gewissen Anstalten geübten verschieden ist, und man verschone mich mit dem Vorwurfe, daß ich die Patienten unmäßig lange im kalten Wasser belasse, was den also Mißhandelten Rheumatismen, Gelenkrheumatismen u. a. notwendigerweise zuziehen müsse. Ich sündige wahrlich nicht durch ein Übermaß.
Noch sei bemerkt und eingeschärft wie beim kalten Vollbade: wessen Körper kalt ist, wen fröstelt oder friert, der nehme nie eine Waschung, vor allem nie eine Ganzwaschung vor. Die ohnedies geringe Naturwärme würde so noch bedeutend geschwächt und nur schwer und lange nicht ersetzt werden. Fieber, Katarrh und anderes müßten die unausbleiblichen Folgen sein.
Die Ganzwaschung erstreckt sich, wie der Name besagt, auf den ganzen Körper (den Kopf ausgenommen), welcher von oben bis unten in einem Zuge gewaschen wird.
Am leichtesten geschieht sie in folgender Weise:
Man nimmt ein rauhes, grobes Handtuch (mit dem kleinen Badeschwamm geht es zu langsam), taucht es ins kalte Wasser und beginnt die Waschung an Brust und Unterleib. Dann kommt die Reihe an den schwerer zugänglichen Rücken. Eine Regel über das „Wie“ der Rückenwaschung läßt sich nicht geben. Ein jeder wird bald selbst den Vorteil finden, wie er dem ganzen Rücken schnell und leicht beikommt. Den Abschluß bildet die Waschung der Arme und Beine (Füße). Alles muß in einer, längstens in zwei Minuten fertig sein. Jede Waschung, die darüber währt, kann vom Übel sein. Zudem hüte man sich, die Waschung an einem Orte vorzunehmen, an dem der Körper der freien Luft ausgesetzt ist. Das hieße sich absichtlich verderben wollen.
Ohne abzutrocknen zieht man möglichst rasch die Kleider an und sucht Arbeit oder Bewegung bis zur völligen Erwärmung und Trocknung der Haut.
Wann und wie oft können Gesunde die Ganzwaschung vornehmen?
Einmal, in der Frühe nämlich, wäscht sich jedermann Gesicht und Hände. Auch die Ganzwaschung wäre in der Morgenfrühe gleich beim Aufstehen vortrefflich angebracht. Da ist die Naturwärme, weil durch die Bettwärme gesteigert, am stärksten; die Waschung wäre eine angenehme Abkühlung, Auffrischung, die sofort den Halbschlaf vertreiben und schon beim Beginne des Tagewerkes tüchtig, lebendig und frisch machen würde. Von Zeitverlust kann da nicht die Rede sein, denn in einer Minute ist die Ganzwaschung geschehen und es kann sofort zur Arbeit geschritten werden.
Wie mancher in der Stadt macht im Frühjahr und im Sommer seinen Morgenspaziergang! Er probiere vor demselben die Ganzwaschung. Ich bin überzeugt, ich brauche ihn zum zweiten Male nicht aufzumuntern.
Solche, welche nach dem Ganzbade weder Bewegung machen noch an eine Arbeit gehen können und darin eine Entschuldigung suchen, tun unklug. Sie sollen die Ganzwaschung ruhig vornehmen und sich nach derselben noch ein Viertel- oder ein halbes Stündchen zu Bette legen. Auch dieses geht an.
Wer es über sich bringt, — es ist eine so kleine Überwindung! — eine Zeit lang täglich oder wenigstens alle 2–3 Tage seinem Körper diesen Dienst zu erweisen, der dient demselben in Wahrheit gut und erwirbt sich selbst den besten Lohn.
Hat jemand in der Morgenfrühe keine Zeit, so ist jede Tagesstunde eine gute Stunde zur Waschung. Man ziehe sich zwei, drei Minuten in seine Schlafkammer, in die Waschküche usw. zurück, und die wohltuende Arbeit ist vorüber. Daß wir doch nicht so überaus bequem und wasserscheu wären!
Wenn der Schmied und Schlosser seine Werkstatt schließt, so wäscht er sich den Ruß und den Kohlenstaub vom Gesichte; wenn der Landmann, der auf Reinlichkeit was hält, vom Felde heimkehrt, so wäscht er sich die Hände und nimmt zur heißen Sommerszeit vor jeder andern Erfrischung einen Schluck Wasser, um sich Mund und Gaumen auszuspülen. Wie gut wäre es erst, wenn beide nach dem ermüdenden Tagewerke den letzten Schweiß sich in einer Ganzwaschung abwischen würden! Ich wünschte, diese erquickende und stärkende Übung wäre vielmehr bekannt.
Nachts vor dem Schlafengehen kann nicht jeder eine Wasseranwendung vornehmen, da diese manche Personen aufregt. Wer sie ertragen mag, verliert gerade da die wenigste Zeit und wird fester und ruhiger schlafen, als er sonst gewöhnt ist.
Gar vielen, welche nachts nicht einschlafen konnten, habe ich statt der Ganzbäder die leichtere Ganzwaschung und meistens mit gutem Erfolge empfohlen.
Zur Winterszeit rate ich stets an, zuerst ungefähr zehn Minuten ins Bett zu liegen und erst, nachdem der ganze Körper warm geworden, die Waschung vorzunehmen.
Gerade bei Kranken habe ich stets die Erfahrung gemacht, nicht nur wie wenig die Reibungen, Frottierungen usw. nützen, sondern auch wie sie vielmehr gar oft schaden durch ungleichmäßige Erwärmung, durch Aufregung u. a.
Vor allem dringe ich bei der Ganzwaschung der Kranken darauf, einmal, daß der ganze Körper, die Fußsohlen sogar inbegriffen, gewaschen werde, und dann, daß er gleichmäßig gewaschen werde: gleichmäßig sowohl in Bezug auf das an alle Stellen des Körpers verwendete Quantum Wasser, als auch in Bezug auf die Reibung, die mit jedem, selbst dem gelindesten Waschen verbunden ist. So nur wird die Naturwärme sich gleichsam natürlich, ungezwungen, gleichmäßig bilden; bei den angedeuteten Un[S. 92]regelmäßigkeiten müßte ihr Eintreten ebenfalls unregelmäßig, an den verschiedenen Stellen verschieden und, wenn nicht gerade von schädlicher, doch weniger günstiger Wirkung sein.
An Kranken lasse ich die Waschungen stets in folgender Weise vornehmen: Der Kranke setzt sich im Bette auf oder wird, wenn er allzu schwach ist, aufgesetzt und gestützt. Man wasche ihm schnell den Rücken, die ganze Wirbelsäule auf und ab. Das ist die Arbeit einer halben Minute, und der Kranke legt sich nieder. Jetzt wäscht man Brust und Unterleib; noch kräftige, nicht allzusehr geschwächte Personen tun dieses in der Regel selbst. In längstens einer Minute ist auch dies geschehen. Nun kommen die Arme an die Reihe und endlich die Beine. In drei, längstens vier Minuten ist alles vorüber, und der Kranke fühlt sich wohl, ja wie neugeboren.
Wie ich jedem, selbst dem schwer Erkrankten täglich Gesicht und Hände waschen kann, gerade so leicht kann ich mit gutem Willen und mit liebevoller Sorgfalt diese Waschung vornehmen. Das zweite und dritte Mal wird auch die Praxis schon eine bessere und größere sein.
Sollte einem Schwerkranken die Waschung des ganzen Körpers in der Tat auf einmal zu viel sein, dann teilt man die Ganzwaschung in zwei oder gar drei Teilwaschungen. Man wäscht in der Frühe Brust, Unterleib und Arme, nachmittags den Rücken und die Füße; oder man wäscht in den Morgenstunden die Brust und den Unterleib, gegen Mittag den Rücken, nachmittags die Arme und die Beine.
Eine vorsichtige, schnelle Waschung kann niemals schaden, selbst, wenn sie mit dem frischesten Wasser, — was das Beste ist — vorgenommen wird.
Wann und wie oft bei Kranken die Ganzwaschung zu geschehen habe, ist bei den einzelnen Krankheiten angegeben.
Ich bemerke hier nur noch, daß namentlich bei heftigem Fieber, dann bei allen von heftigem Fieber begleiteten Krankheiten, besonders beim Typhus und den Blattern die Ganzwaschungen eine Hauptrolle spielen und stets an die Stelle der kalten Ganzbäder treten, wenn diese aus irgend einem Grunde nicht genommen werden können.
Beim Fieber zeigen die sich steigernde Hitze und die damit verbundene Bangigkeit stets selber die Zeit der jedesmaligen Wiederholung der Waschung an, die unter Umständen jede halbe Stunde geschehen kann.
Viele Krankheiten, wie Katarrh, Schleimfieber, Blattern, Typhus und andere, habe ich durch die Ganzwaschungen allein geheilt.
Bei schwächlichen Naturen verwende ich zur Waschung statt des Wassers sehr oft den Essig (mit Wasser verdünnt). Abgesehen davon, daß er gründlicher die Haut reinigt, die Poren öffnet, kräftigt, stählt er auch.
Gar oft bekommt man zu hören, daß Waschungen mit Wein, Spiritus (den Essig nehme ich aus) usw. ganz außerordentliche Wirkung hervorbringen sollen. Ich habe solche Waschungen recht oft probierend und forschend vorgenommen, bin aber über das Niveau (Bereich) der ordentlichen, manchmal der recht mittelmäßigen Wirkung nie hinausgekommen. Manchmal hat mich ein Versuch ohne jeglichen Erfolg gelassen.
Vor Jahren galt der Franzbranntwein als unübertreffliches Waschungsmittel; tausende von Flaschen wurden verkauft und gekauft. Die Sache ruhte dann einige Jahre und erst seit den letzten Jahren macht dieser Geist wieder in der ganzen Welt die Runde.
Derlei Mittel kamen und verschwanden zu verschiedenen Zeiten wie die Kometen. Sie ziehen oft einen großen Schweif nach sich, dann aber verschwinden sie für immer. Es sind nicht die regulären, die gewohnten Sterne, die allnächtlich auftauchen und ruhig aber ohne Unterbrechung und ohne Aufhören leuchten. Mit letzteren möchte ich das Wasser vergleichen. Es wirkt, und seine Anwendungen werden bleiben, wenn derlei „außerordentliche“ Strömungen längst aufgehört haben zu fließen, zum Teil, weil sie die Probe nicht bestanden.
Ich wünschte nur recht lebhaft, daß das Wasser sich allgemein Bahn bräche, besonders in die Kreise hinein, die zu seiner nutz- und segensvollen Verbreitung und Anwendung alles tun könnten.
betrifft nicht den ganzen Körper, sondern einen Teil desselben.
Dieselbe wird vorgenommen mit der Hand oder einem gröberen Handtuch und frischem Wasser. Im weiteren gelten ganz die gleichen Regeln wie oben.
Ob der Finger oder die Zehe, der Fuß oder die Hand oder was immer entzündet sei, — überall und stets lösche man, wo es und wann es brennt.
Etwaige nähere Bestimmungen, wann solche Teilwaschungen notwendig erscheinen, stehen bei den einzelnen Krankheitsfällen selbst.
Unter den Wickelungen sei zuerst genannt
Dieser Wickel kann auf zweifache Art genommen werden.
Der ganze Kopf, Gesicht und Haare, werden gewaschen, ganz naß gemacht. Das Wasser soll durchdringen bis auf die Haut; doch dürfen die Haare nicht vom Wasser triefen. Das wäre des Guten zu viel.
Darüber (über den ganzen Kopf) bindet man ein trockenes Tuch, in der Art, daß es gut anliegend, luftdicht abschließt und nur die halbe Stirne mit den Augen sichtbar läßt.
Nach einer halben Stunde schon, selten erst nach einer Stunde, sind die Haare trocken.
Es kann sodann die Waschung und der Umschlag ein-, zwei-, ja dreimal erneuert werden. Man sehe nur darauf, daß das den nassen Kopf bedeckende Tuch beim Wickeln recht trocken ist. Die zweite und dritte Anwendung werden je eine halbe Stunde währen; man achte indessen genau darauf, daß vor jeder neuen Anwendung die Haare stets vollständig getrocknet seien.
Am Schlusse der letzten Anwendung gewöhne man es sich an, Hals und Kopf leicht, kurz und kalt abzuwaschen und wie beim Waschen in der Frühe abzutrocknen.
Besser noch geschieht die Anwendung auf folgende Art, besonders in Fällen, in denen man starke Ausscheidungen erzielen will.
Man wäscht den Kopf, wie oben angegeben wurde. Das Wickeln geschieht dieses Mal mit zwei Tüchern, mit dem luftabschließenden Tuche der ersten Art der Anwendung, dann noch mit einem leichteren, ebenfalls gut anliegenden und abschließenden Wolltuche.
Wäre die Hitze des Kopfes sehr groß, so könnte außer den Haaren die unter dem Wolltuche liegende Umhüllung auch genäßt werden.
Soll die ganze Anwendung längere Zeit dauern, so säume man nicht mit dem Wechsel; er wird im höchsten Falle 25 bis 30 Minuten aufgeschoben werden können.
Die Anwendung wird beschlossen wie oben.
Kopfleiden, hauptsächlich rheumatischer Art, die durch Verkühlung, Erkältung, raschen Temperaturwechsel entstanden sind, zahlreiche Schuppen, trockene Ausschläge, kleine Geschwüre auf dem Haarboden, werden mit Erfolg durch den Kopfwickel behandelt.
Die gelinde Form des Halswickels besteht darin, daß man mit der Hand oder mit einem Handtuche den ganzen Hals naß macht und ihn mit einer trockenen groben Linnenbinde in 3–4 Windungen („Umgängen“) sorgfältig, aber nicht zu fest umwindet. Es soll eben der Zutritt der frischen Luft zu der benetzten Stelle verhindert werden.
Die zweite Art der Wickelung geschieht also, daß ein[S. 95] weiches Handtuch in frisches Wasser getaucht und um den Hals gelegt wird. Das nasse deckt ein trockenes Handtuch und beide eine Woll- oder Flanellbinde. Wer diese nicht besitzt, kann jedweden trockenen Wollstoff verwenden und soll nur stets für luftdichtes Abschließen besorgt sein.
Nach meiner ganzen bisherigen Erfahrung muß ich im Allgemeinen gegen langwährende Anwendungen sprechen; sie bewirken sehr oft das Gegenteil von dem, was sie bezwecken: Verschlimmerung statt Besserung. Das ist denn sehr oft mit ein Hauptgrund, daß die Anwendungen überhaupt den Kredit, das Vertrauen einbüßen. Ein derart abgeschreckter, weil getäuschter Kranker bleibt stets schwer zu bekehren, alle Überredungs- und Überzeugungkünste scheitern.
Diese allgemeine Bemerkung möchte ich jetzt insbesondere auf die Wickelungen beziehen, den Halswickel nicht ausgenommen.
Sämtliche Wickel wollen und sollen vorzüglich dahin wirken, übermäßiges, ungeordnetes Strömen des Blutes nach irgend einer Stelle hin zu verhindern, das Blut abzulenken, wegzuziehen von dieser Stelle, sodann sehr große Hitze aus- und abzuleiten.
Wenn ich den Wickel nun allzu lange, z. B. eine ganze Nacht an der kranken Stelle belasse, so wird diese Stelle warm und immer wärmer, es strömt mehr Blut zu, sie wird zuletzt oft fürchterlich heiß, und die Entzündung, das Übel, muß verschlimmert werden.
Die Folgerungen, welche sich hieraus für den Halswickel ergeben, liegen auf der Hand.
Ich bin durchaus gegen vielstündige oder gar ganznächtige Anwendungen. Eine vollständige Anwendung dauert bei mir 1, höchstens 1½ Stunden, und es soll nach jeder halben Stunde, unter Umständen nach je 20 Minuten, der nasse Umschlag erneuert, das ist von neuem eingetaucht und nach obiger Weise umwunden werden. Dieses Neueintauchen kann also innerhalb einer Anwendung 2–4 mal geschehen. Es ist nicht bei jedem Patienten gleich und hängt ab von der geringeren oder größeren Hitze, welche derselbe verspürt. Das Gefühl einer gewissen Unlust und Bangigkeit darf als der beste Zeiger gelten, der die Zeit zum Wechseln angibt.
Bei Halsentzündungen, Schlingbeschwerden, bei manchen Kopfleiden ist der Halswickel vorgeschrieben; zu gleicher Zeit wird man suchen, durch Anwendungen auf andere Körperteile, z. B. die Füße (nasse Socken), oder auf dem ganzen Körper ihm entgegenzuarbeiten.
Der Shawl ist eine spezielle Anwendung für die Brust und den oberen Teil des Rückens. Jede Frau und jedes Mädchen kennt das unter diesem Namen besonders auf dem Lande gebräuchliche Kleidungsstück. Es ist ein viereckiges, größeres Wolltuch, welches, einmal und zwar im Dreieck zusammengefaltet, so über die Schultern geworfen wird, daß der größere Winkel auf den Rücken, die beiden kleinen spitzen Winkel auf die Brustseite zu liegen kommen.
Der Shawl als Wickel ist ausgebreitet ein grobes quadratförmiges Leinwandstück (Fig. 21), 1 bis 1½ m lang und ebenso breit. Als gleichschenkeliges Dreieck zusammengelegt (Fig. 22) und nach der oben angegebenen Art über die Schultern gebreitet, kommt der größere, der rechte Winkel auf den Rücken zu liegen und reicht bis unter das Kreuz, die beiden spitzen Winkel fallen über die Brust herab und schließen gleich oben am Halse gut zusammen und kreuzen sich auf der Brust. (S. Abbildung.)
Der Wickel wird in kaltes Wasser getaucht, ausgewunden, auf den bloßen Körper gelegt und mit trockener Linnen- oder Wollhülle luftdicht abgeschlossen.
Sehr bald fühlt man, wie eine angenehme Wärme sich entwickelt, wie das nasse Tuch warm, ja allmählich heiß wird.
Die Anwendung des Shawles kann ½–1½, in seltenen Fällen bis 2 Stunden dauern; letzteres dann, wenn stärkere Ableitungen gewünscht werden. Bei längerer Dauer darf man die Erneuerung, d. i. Neueintauchung des Wickels nicht übersehen. Dieses geschieht nach ungefähr ½–¾ Stunden, in der Regel dann, wenn die Hitze stark, der Wickel warm, heiß wird.
Bei Hitzen, Kongestionen und beginnenden Entzündungen an oder im Kopfe, bei fieberhaften Katarrhen[S. 97] bei Verschleimungen im Hals, in der Luftröhre, auf der Brust wirkt unser ganz unschuldiger Wickel auflösend und ableitend.
Die größten und auffallendsten Dienste hat er stets gemüts- oder geisteskranken Personen des schwachen Geschlechtes erwiesen. In Verbindung mit einer andern, ebenso leichten Anwendung reichte der Shawl vollkommen aus, den Blutandrang zum Kopfe aufzuheben, den überfüllten Kopf zu entbluten.
Diese zweite Anwendung bestand gewöhnlich in nassen Socken oder in Fußwickeln oder in einem warmen Fußbade mit Asche und Salz.
Dieser Wickel ist stets eine wichtige Nebenanwendung, d. h. ein Hilfsmittel, welches anderen Anwendungen helfend entgegenarbeitet. Wir unterscheiden einen doppelten Fußwickel, nämlich:
Landleute, welche mehr beschränkt sind in Zeit und Mitteln, nehmen diesen Wickel am einfachsten, indem sie ein paar nasse Socken und darüber trockene Wollstrümpfe anziehen und sich dann während der Anwendungszeit ins Bett legen unter eine gute Zudecke.
Wem dieses nicht behagt, der tauche grobe leinene Lappen oder eine Linnenbinde in halb Wasser, halb Essig, umwinde damit die Füße bis über die Knöchel, bringe den trockenen Umschlag, am besten eine Woll- oder Flanellbinde, darüber und decke sich im Bette ordentlich zu.
Die Anwendung dauert 1–1½–2 Stunden und schreibt stets das Bett vor.
Entwickelt sich starke Hitze, und handelt es sich bei der betreffenden Anwendung gerade um deren Ableitung wie z. B. bei der Lungen-, der Brustfellentzündung, bei Entzündung im Unterleibe, so soll der Wickel wiederholt, bei jeder größern Hitze neu eingetaucht werden.
In allen Fällen, in denen es sich darum handelt, krankhafte Säfte aus den Füßen auszuziehen, bei Entzündungen die Hitze zu nehmen, das Blut vom oberen Körper nach unten zu ziehen, leistet dieser Fußwickel treffliche Dienste.
Man verwechsle ihn nicht mit dem Fußbade und seinen Wirkungen! Wie die Dauer des Fußbades eine bedeutend kürzere, so ist seine Wirkung eine beschränktere. Wohl leitet auch es die Wärme, das Blut in die Füße; aber eine Reinigung, eine Ausleitung verdorbener Säfte aus den Füßen vermag kein kaltes und kein warmes Fußbad zustande zu bringen.
Eine Anwendung dieses Wickels darf ich nicht vergessen.
Wer diese Wasserübungen am Abend ertragen kann, der ziehe nasse Socken an beim Schlafengehen, darüber natürlich stets trockene. So verliert er absolut keine Zeit; er wird prächtig schlafen und braucht auf keine bestimmte Zeitdauer acht zu haben. Nur das eine merke er sich, daß er beim Aufwachen in der Nacht oder in der Morgenfrühe die nassen Socken ungesäumt weggibt.
Landleuten, die abends recht müde sind, zieht dieser Sockenwickel alle Müdigkeit aus den Füßen, noch gründlicher als das kalte Fußbad.
Wer an kalten Füßen leidet, probiere einmal diese Nachtwickel. Auch Fußschweißlern habe ich dieselben oft mit Erfolg angeraten, jedoch erst nachdem mehrere Fußdämpfe vorangegangen waren.
Kräftiger als der eigentliche Fußwickel in der unter a) beschriebenen Weise wirkt ein Wickel bis über die Knie.
Die nasse Linnenbinde, welche beim Fußwickel bis über die Fußknöchel reicht, wird fortgesetzt, fortentwickelt bis über die Knie und gut mit trockener, am besten wollener Umhüllung versehen.
Die Dauer dieses Wickels, auch das andere Verhalten ist dasselbe wie beim Fußwickel a.
Zur Ausleitung von Hitze im Oberkörper, zur Hebung großer Müdigkeit, speziell zur Lösung quälender Winde, versessener Gase empfehle ich den Wickel angelegentlich.
Man verwechsle ihn nicht mit dem bei den Halbbädern genannten „ins Wasserstehen bis über die Knie“. Diese Anwendung ist rein stärkender, nie ableitender Natur.
führt seinen Namen aus dem Grunde, weil er hauptsächlich gegen Gebrechen des Unterleibes und der Füße gerichtet und deshalb der speziell dem Unterleibe zugedachte Wickel ist. Er beginnt unter den Armen und reicht bis über die Fußspitzen. Der oberste Teil des Oberkörpers, die Schultern mit den Armen, die frei bleiben, sind unberührt und müssen, wenn der Behandelte zu Bette liegt, gut mit dem Hemde, besser noch mit wärmerer Bekleidung bedeckt werden, daß von oben her nicht etwa Luft eindringe.
Der Unterwickel wird also bereitet und genommen: Auf das die Matratze oder den Strohsack bedeckende Leintuch wird der Länge nach eine möglichst breite Wolldecke ausgebreitet. Das zum Wickel bestimmte Linnen soll so groß sein, daß es zum mindesten zweimal, in manchen Fällen 3–4 mal um den Körper und[S. 99] bis über die Fußspitzen hinaus reicht (2–3–4fache „Fätschung“). Man nimmt es am besten doppelt gefaltet, taucht es in kaltes Wasser, windet es aus, so daß es nicht mehr triefet, und legt es in Form eines Rechteckes auf den bereit liegenden Wollteppich ins Bett. Auf der nassen Unterlage nun nimmt man Platz, schlägt sie rechts und links ein, aber so, daß Naß über Naß geht und keine Stelle des Unterleibes unbedeckt bleibt. Darüber wird die unter dem nassen Linnen gebreitete Wolldecke als schützende und luftabschließende Hülle zusammengezogen und das Ganze mit dem Federbett sorgfältig zugedeckt. Die Füße werden meistens noch eine Extrazudecke erfordern. (Siehe Abbildung.)
Die Sache ist nicht so verwickelt, wie es beim Lesen erscheinen könnte, der ganze Hergang kann dadurch erleichtert werden, daß der Behandelte außer Bett, vielleicht mit Badehosen bekleidet, den nassen Wickel vorschriftsmäßig um sich hüllt und sich derart eingehüllt auf die ausgebreitete Wolldecke legt. Jetzt kann ihm, damit alles rasch ohne Verzug geschieht, daß er möglichst geringe Zeit der Luft ausgesetzt ist, leicht jemand behilflich sein, das ist den nassen Wickel etwas glätten, zurecht legen, die Ränder anschließend machen, besser übereinander legen, den Patienten endlich sorglich zudecken.
Freilich ist die Sache stets etwas umständlich, doch wie mir scheinen will, einfacher und leichter als ein Umwickeln mit eigens dazu bereiteten Binden, welche ich bei größeren und den größten Wickeln nie verwende.
Bei einiger Praxis ergibt sich ein Vorteil nach dem andern. Ich kenne viele, die ohne Mühe und in kürzester Zeit (das ist eine Hauptsache) sämtliche größeren Wickel sich selbst allein zu bereiten und umzulegen wissen.
Hier schon möge eine Bemerkung Platz finden, die manchen das beim Lesen empfundene Schauern oder Kaltüberrieseln nehmen wird.
Wer die Furcht vor dem kalten Wasser nicht überwinden kann, wer wenig Naturwärme, zartere Nerven usw. hat, tauche den Wickel ganz ruhig in heißes Wasser ein.
Schwächlichen, gebrechlichen, blutarmen, namentlich älteren Leuten mache ich diese Eintauchung nicht gerade zur strengen Vorschrift, gebe ihr aber stets den Vorzug.
Die Anwendung des Unterwickels dauert 1, 1½, manchmal 2 Stunden. Das anfängliche Kältegefühl wird bald einer angenehmen Wärme weichen.
Einfache, arme Land- und Bauersleute können diese ganze Geschichte viel einfacher haben. Sie suchen sich einen alten, ziemlich abgenützten, deshalb weniger steifen Getreidesack aus, tauchen denselben ins Wasser, winden ihn ordentlich aus und schlüpfen dann bis unter die Arme in den Sack, gleich als wenn sie die Hosen anziehen würden. In dieser altmodischen Tracht legen sie sich auf die ausgebreitete Wolldecke ins Bett und wickeln sich in diese und das Federbett tüchtig ein. Hunderte haben diese Art von „Sackjucken“ probiert. Schäme dich nicht, der Sack wird auch dir recht wohl bekommen!
Die Wirkung des Unterwickels, welcher stets mit anderen Anwendungen verbunden wird, ist verschieden: wärmend, auflösend und ausleitend. Er übt diese Wirkung, wie bereits gesagt wurde, vornehmlich aus auf den Unterleib. Bei Fußgeschwülsten, rheumatischen und gichtischen Zuständen, bei Nierenleiden, Blähungen, Krämpfen usw. wird er regelmäßig zur Mithilfe beigezogen werden.
Anstatt des einfachen kalten oder warmen Wassers verwende ich sehr häufig zum Eintauchen die Absude von Heublumen, saurem Heu, Haberstroh, Fichtenreisern. Das saure Heu gilt als Ersatzmittel für Heublumen. Beide dienen bei Harnbeschwerden und in untergeordneter Weise bei Gries- und Steinleiden.
Absud von Haberstroh hat sich jederzeit bewährt bei der Gicht, bei Gries- und Steinleiden; Absud von Fichtenreisern bei schwächlichen Naturen zur Ausleitung von Gasen und zur Beseitigung der verschiedensten krampfhaften Zustände im Unterleib.
ist der am meisten genannte und gebrauchte. Er bildet für sich allein eine abgeschlossene Anwendung, d. h. er wirkt, ohne daß andere Wasserübungen beizuziehen sind, auf den ganzen Körper. Er steigert die Naturwärme und zieht anderseits zu große Hitze aus, je nachdem seine Anwendung längere oder kürzere Zeit dauert.
„Dieser Wickel ist alles wert,“ hat einmal einer gesagt; „was der Sattelgaul am Fuhrwerke, das leistet er unter den Wickeln.“
Zu seiner Beliebtheit und allgemeinen Verbreitung hat sehr viel der Umstand beigetragen, daß ihn ein jeder selbst leicht und bequem nehmen und umlegen kann. Der kurze Wickel beginnt wie der Unterwickel seine Wickelungen unter den Armen und beendet sie oberhalb der Knie. Ein grobes Linnentuch wird 4–6fach in solcher Breite zusammengefaltet, daß es den Körper in besagter Weise umhüllt, sodann naß gemacht, ausgewunden und gut anschließend umgelegt. Eine Wolldecke schließt luftdicht ab, und das Federbett gibt die notwendige Wärme. (S. Abbildung.)
Schwächliche und ältere Personen, mit einem Worte die Blutarmen, deren Blutwärme nicht viel über dem Gefrierpunkte steht, dürfen, ja sollen auch diesen Wickel warm nehmen.
Arme und einfache Leute auf dem Lande können statt des 4–6fach gefalteten Linnentuches wieder einen abgenützten, weicheren Getreidesack netzen und denselben der Breite nach umlegen.
Die ganze Anwendung dauert je nach Vorschrift 1, 1½, zuweilen 2 Stunden.
Würden gesunde Leute alle 8, auch nur alle 14 Tage einen kurzen Wickel nehmen, so könnten sie einer großen Anzahl Krankheiten gründlich vorbeugen. Auch er wirkt günstig und reinigend auf Niere und Leber und auf den Unterleib, den er von versessenen Winden, quälenden Gasen, verlegenen Stoffen, überflüssigem Wasser reinigt. Die Wassersucht, Herz- und Magenleiden, die sehr häufig vom Druck der Gase nach oben herrühren und aufhören, sobald diese entfernt werden, sind den Freunden des kurzen Wickels unbekannte Gäste. Und ich kenne eine Zahl solcher treuen Freunde, welche manche Nacht in seiner Umhüllung schlafen und bis zum Morgen überaus gut und sanft ruhen.
Bei Verschleimungen des Magens, bei Herz- und Lungenübeln, bei den verschiedensten Kopf- und Halsleiden findet der kurze Wickel die mannigfaltigste Verwendung. Das Nähere besagt im dritten Teile eine Reihe von Krankheiten.
Wenn ich im unklaren bin über ein Übel, wenn ich den Sitz einer Krankheit nicht genau erkenne, so ist stets der kurze Wickel der treueste und beste Ratgeber. Auf nähere Ausführung kann ich mich nicht einlassen.
Patienten, deren Unterleib durch was immer geschwächt ist, rate ich unmittelbar vor oder nach dem Wickel den Unterleib mit Schweinefett oder Kampferöl einzureiben.
Bei Krämpfen lasse ich auch manchmal ein in Essig getauchtes einfaches Tuch unter den Wickel auf den bloßen Leib legen. Bei Krämpfen und Kältegefühl ist warmer Wickel am Platze.
Diese Anwendung habe ich gewählt, weil sie auch von den einfachsten Menschen mit geringer Fassungskraft nicht leicht mißverstanden werden kann.
Ein gewöhnliches Linnenhemd wird in Wasser getaucht, ordentlich ausgewunden und wie üblich angezogen. Man legt sich ins Bett, auf eine ausgebreitete Wolldecke, hüllt sich gut ein oder läßt sich gut einhüllen und mit einem Federbett warm zudecken.
Ich kannte einen Herrn, welchem auch dieses Verfahren noch zu umständlich war. Er stellte sich im Hemde in eine Badewanne und ließ über das Hemd und seinen Körper eine Kanne mit Wasser gießen. Darauf ließ er sich in eine Wolldecke hüllen und er konnte von dieser „ersten und besten aller Anwendungen“ nicht genug rühmen, wie sie guten Schlaf bringe, den Humor froh, den Geist geweckt und den Körper frisch mache.
In dem nassen Hemde bleibt man 1, 1½, längstens 2 Stunden. Bezüglich seiner Wirkung habe ich die Erfahrung gemacht, daß es die Poren öffnet, und wie ein gelindes Zugpflaster auszieht, daß es beruhigt, Kongestionen und krampfhafte Zustände hebt, gleichmäßige Naturwärme hervorbringt und das Allgemeinbefinden des Körpers hauptsächlich wegen seiner ausgezeichneten Wirkung auf die Haut zu einem sehr guten macht. Mit sehr gutem Erfolge habe ich es bei Gemütsleiden, bei Kindern, beim Veitstanz und ähnlichen Erscheinungen, besonders auch bei Hautkrankheiten angewendet. Sollten in letzteren Fällen starke Ausleitungen erzielt, Ausschläge, wie Scharlach usw. hervorgelockt werden, so ließ ich das Hemd in Salzwasser oder in mit Essig vermischtes Wasser tauchen.
Diesen Namen habe ich nicht erfunden; ich habe auch keinen genügenden Grund, den unter solcher Benennung bekannten[S. 103] und eingebürgerten Wickel anders zu taufen, selbst auf die Gefahr hin, daß das fremdländische Wort manchem schnüffelnden Leser spanisch vorkommen sollte. Das ist und wäre mir alles eins. Auf die so bezeichnete Sache kommt es allein an.
Der spanische Mantel, auch großer Wickel genannt, ist wie das Vollbad und der kurze Wickel eine ganze, für sich allein genügende Anwendung, welche auf den ganzen Organismus einwirkt. Das hindert nicht, daß sie bei größeren und gefährlicheren Krankheiten stets nur im Wechsel mit anderen Wasseranwendungen vorkommt.
Worin besteht dieser größte Wickel?
Aus grober Leinwand, dem beim Volke bekannten „Reisten“, wird eine Art Linnenmantel gemacht. Derselbe gleicht einem weiten Hemde mit Ärmeln, welches nach vorne zu ganz offen ist und bis über die Zehen hinunterreicht, oder, wenn man will, einem weiten, langen Linnen-Schlafrock. (S. Abbildung.) Dieser Mantel wird in kaltes oder bei schwächeren, blutarmen, älteren, wasserscheuen Individuen in heißes Wasser getaucht, ausgewunden, wie ein Hemd angezogen und vorne gut übereinander geschlagen. Das Bett werde vorher so zubereitet, daß die Wolldecken zur Aufnahme des Bemantelten bereit liegen. Am besten breitet man eine recht breite, große Wolldecke aus, oder legt zwei kleine Decken der Breite nach über die Matratze oder den Strohsack. Darauf legt sich der Patient und wird durch die Wolldecken luftdicht abgeschlossen und mit einem Plumeau (Federbett) warm zugedeckt. (S. Abbildung.) Man sehe darauf, daß die nasse Einkleidung und die Ver[S. 104]packung in die Wolle möglichst rasch vor sich gehe, daß das der frischen Luft Ausgesetztsein ein Minimum, eine möglichst kleine Zeit ausmacht.
Es kam einst ein Patient zu mir, der an allen möglichen Gebrechen litt. Kongestionen, Blähungen, Hämorrhoiden plagten ihn, und eine Herzverfettung brachte große Beängstigungen. Er gewöhnte sich daran, in der Woche 1–2mal den spanischen Mantel umzulegen, und nach längerem Gebrauche waren all die genannten Übel mit noch anderen wie weggeblasen. Seitdem benützt der Geheilte bis zum heutigen Tag den spanischen Mantel als Universalmittel, und da er nicht viel Zeit zu versäumen hat, zieht er denselben an beim Schlafengehen und legt ihn erst ab beim Aufwachen in der Nacht oder in der Morgenfrühe. Der Herr ließ sich aus starkem Wollstoff einen zweiten spanischen Mantel machen, der ihm statt der Wolldecken trefflich dient und jede Mithilfe bei Anwendung dieses Wickels erspart.
Die Zeitdauer einer Anwendung beträgt 1, 1½, längstens 2 Stunden. Dieselbe richtet und bemißt sich nach der Kraft des Individuums, insbesondere nach der Korpulenz. Für einen schwächlichen Bauersmann werden 1, 1½ Stunden genügen; einem Herrn Bräumeister kann man ohne Zögern 2 Stunden verordnen.
Wer wissen will, wie und wie stark der spanische Mantel wirke, der untersuche das Wasser, in welchem der Wickel nach der Anwendung stets sorgfältig ausgewaschen werden soll. Er wird finden, daß es ganz trüb ist; ja er wird staunen und es kaum glaublich finden, daß ein spanischer Mantel solchen Unrat auszuziehen imstande ist.
Ich erinnere mich an Fälle, in denen der weiße Linnenwickel ganz gelb wurde, welche Farbe keine Lauge, erst das Bleichen auf dem Grase wieder vertreiben, aussaugen konnte.
In der gelindesten (nicht im mindesten schroffen) Form, aber gründlich öffnet der spanische Mantel die Hautporen am ganzen Körper und zieht allen Unrat, Schleim usw. aus. Ich brauche nicht zu sagen, wie wohltuend er deshalb auf die normale Körpertemperatur, auf das Allgemeinbefinden wirken muß.
Im besonderen wende ich diesen großen Wickel an bei ziemlich allgemeinen (den ganzen Körper mehr oder weniger angreifenden) Katarrhen, bei Schleimfieber, Podagra, Gliedersucht, Blattern, Typhus, zur Vorbeugung gegen Schlaganfälle usw. Im Krankheitsteile (s. dritter Teil) wird man ihm recht oft begegnen.
Wird der Mantel im Absude von Heublumen, Haberstroh, Fichtenreiser getaucht, so wirkt er vortrefflich gegen jene Leiden (Gicht-, Stein-, Gries-Leiden usw.), deren Heilung genannten Pflanzen eigentümlich ist.
In diesem Stücke kann ich mich sehr kurz fassen. Ich warne vor zwei Extremen, d. h. vor zwei das richtige Maß überschreitenden Ansichten. Es sind einige Jahrzehnte her, da gab es förmliche Wassertrinkturniere. Wer die meisten „Maßerl zwang,“ der war der größte Held. Ein tägliches Quantum von 4, 6, 8, 10 Maß zählte durchaus nicht zu den Seltenheiten. Noch heutzutage spukt in manchem Kopfe der Gedanke, viel Wassertrinken müsse gesund machen. Besser noch diese Grille als die andere, welche dem glühenden Hirn vorsingt, 3, 4, 5 Maßerl braunes Gerstenwasser sei nicht zuviel Flüssiges für die Menge des täglich eingenommenen Festen.
Den Leuten der zweiten Gattung scheint das Gegenteil von dem Gesagten das Richtige sein, sie trinken Wochen, ja Monate lang gar kein Wasser, denn das Wassertrinken ist nicht vom Guten, wie sie meinen.
Wie doch die Menschen zu Zeiten allen gesunden Sinn verlieren, sich förmlich jedes vernünftige Urteil unterbinden, jedem instinktiven Trieb und Gefühl, dem die Tiere blind Folge leisten, um es gemein zu sagen, von vornherein den Hals abschneiden. Ist dieses vernünftig?
Einige Minuten, bevor die Uhr schlägt, kündigt sich’s an. Hat denn der große Werkmeister, unser Schöpfer, etwas Halbes, ein Pfuschwerk gemacht? Oder haben die Menschen in seine wunderbare Ordnung die Unordnung gebracht? So ist es. Der unendlich weise Schöpfergott läßt den Hunger ein Zeichen geben, wann gegessen, den Durst anklopfen, wann getrunken werden soll. Der Menschenkörper, diese lebendige Uhr vom besten Gang und Schlag, liefe und schlüge vortrefflich, wenn nicht der Menschentor Schmutz und Sand und anderen Unrat zwischen die Räder werfen und so den geordneten Lauf stören, vielleicht zerstören würde.
So oft die zahmen und wilden Tiere Hunger verspüren, suchen sie Nahrung; so oft der Durst sich einstellt, eilen sie zum frischen Quell. Nach erfolgter Sättigung hören sie sofort auf, ein Weiteres zu sich zu nehmen.
Gerade so handelt der unverdorbene Mensch bei geregelter Lebensweise, gleichviel, ob er gesund sei oder krank.
Demnach lautet unser einziger und oberster, hieher gehöriger Grundsatz, ein goldener Grundsatz, den ein jeder befolgen sollte:
Trinke, so oft es dich dürstet, und trinke nie viel!
Ich kenne Personen, welche die ganze Woche hindurch vielleicht keinen Tropfen Wasser trinken, andere, die sich beim Frühstück mit dem herkömmlichen Glase für den ganzen Tag begnügen. Sie fühlen niemals Durst und dieses erklärt sich also, daß bei unserer Zubereitung von Speisen in letzteren dem Körper täglich eine Menge Wasser zugeführt wird. Wenn wir von großen Erhitzungen des Sommers oder von den in der Regel eine Krankheit anmeldenden Hitzen im Körper absehen, so ist der eigentliche Durst vielen Menschen ein seltener Gast, und es bleibt mir wenigstens stets ein Rätsel, wie gleichwohl so viele Menschen ohne jedes Bedürfnis im armen Magen förmliche Überschwemmungen anrichten. So etwas kann ja nicht ungerächt bleiben.[15]
Trinke, so oft es dich dürstet, und trinke nie viel!
Die Landleute lieben den Platzregen gar nicht; sie behaupten, daß er unfruchtbar sei und mehr zerstöre als nütze. Dagegen versichern sie, daß jene starken Morgennebel, welche den Bauern den Hut netzen, daß er triefet, ihre lieben Freunde seien, weil sie die „beste Fruchtbarkeit“ bringen und befördern.
Der Körper, speziell der Magen, bedarf Flüssiges, um seinen Magensaft zuweilen zu verdünnen, zu mehren und so über all die festen Insassen Meister zu werden. Er meldet sich jedesmal, wenn die Not an ihn herantritt, bald durch leises Anklopfen im geringen Verlangen nach Wasser, bald durch lautes Pochen und Schreien im heftigen Durste. Da soll man stets auf ihn hören, mag nun das Rufen von einem gesunden oder kranken Magen ausgehen, aber ihm nie mehr geben, als ihm selbst gut ist, kleine Mengen in gehörigen Zwischenräumen; in Erkrankungsfällen zumal, wie in der Fieberglut, eher öfter, z. B. alle 5–10 Minuten ein Eßlöffel, als auf einmal ein Glas. Letzteres würde den Durst nicht stillen und zum bestehenden Übel eine neue Beschwerde hinzufügen.
Ein Beispiel meines Vorgehens möge diesen Abschnitt schließen. Es leidet jemand an hartem Stuhlgange, große Hitze quält den Unterleib, heftiger Durst den armen Kranken; er könnte, wie er sagt, 2, 3, 4 Glas Wasser, Glas auf Glas trinken; es ist ihm, als ob es in einen Glühofen geschüttet werde. Ich glaube[S. 108] das; die Wassermasse kommt in den Magen und macht dann, ohne die leidende Stelle irgend zu berühren und günstig zu beeinflussen, eine rasche Wanderung durch den Leib, bis sie vollinhaltlich, ja noch eine ordentliche Menge des unentbehrlichen Magensaftes mit sich schwemmend, ausgeschieden wird. Man gebe dem Kranken statt der vielen Gläser mit Wasser während eines Tages jede halbe Stunde einen Eßlöffel voll. Man wird ganz andere Wirkung verspüren, eine Wirkung, welche das notwendige Ergebnis einer vernünftigen Behandlung sein muß.
Die kleine Menge Wasser wird schnell vom Magensafte erfaßt und leicht mit demselben vermischt. Die eine jede halbe Stunde erfolgende Nachspeisung gibt reichlichere Säfte, die kühlend und in normalem Laufe den Körper, die Eingeweide durchströmen und erweichend und lösend binnen kurzer Zeit allen Stockungen und Verhärtungen ein Ende machen. Unzählige haben in dieser Beziehung meinen Rat befolgt und schnell ward ihnen geholfen. Probatum est!
In der allerneuesten Zeit wurde viel gesprochen und geschrieben von den Wirkungen des Trinkens von heißem Wasser (30 bis 35° R. wie bei Kaffee und Tee), besonders bei chronischen Krankheiten. Ich selbst habe vor Jahren bei manchem Patienten gute Erfolge erzielt. Ehre, wem Ehre gebührt! Wer dem warmen Wasser vor dem kalten, frischen Elemente den Vorzug gibt, wer wollte ihn tadeln oder gar verurteilen! Das ist Geschmacksache. Ich habe indessen durch Erfahrung gefunden, daß kaltes, lebendiges (nicht getötetes) Wasser dieselben, wenn nicht bessere Dienste tut. Ich für meine Person ziehe es jedem lauwarmen oder heißen Wasser vor. Jeder wähle, wozu ihn das Verlangen treibt!
„Benedicite universa germinantia in terra Domino!“
„Jedes Kräutchen der Erde preise den Herrn!“
u den Dingen, welche ich verabscheue und hasse, zählt als ein gründlich und grundsätzlich gehaßtes das Geheimmittel-Wesen, die Krämerei mit Heilmitteln, welche als Geheimnis des Erfinders gelten.
Diesen Vorwurf soll mir niemand machen können. Darum öffne ich in diesem zweiten Teil die Läden meiner Apotheke und lasse einen jeden hineinschauen und hineinschmecken bis ins letzte Teeschächtelchen und ins kleinste Ölfläschchen.[16]
In jeder Apotheke steckt ein teures Geld; in der meinigen ist nicht viel Rares. Ich gestehe dieses sehr gerne zu und betrachte diesen leicht möglichen Vorwurf als einen großen Vorzug meiner Apotheke.
Fast sämtliche meiner Tee und Extrakte, Öle, Pulver rühren von früher geachteten jetzt vielleicht verachteten spottbilligen Heilkräutern her, welche der liebe Herrgott im eigenen Garten, auf freiem Felde, manche ums Haus herum an abgelegenen und unbesuchten Stellen wachsen läßt, Heilkräutern, die meistens keinen Pfennig kosten.
Mein Büchlein ist ja in erster Linie für arme Kranke geschrieben, für welche ich auch, den Himmelslohn im Sinne habend, dieses opfervolle Handwerk treibe oder, wenn man will, andern „ins Handwerk pfusche“. Für sie suchte ich mit Absicht all die gleichfalls armen alten Bekannten auf, vieles andere beiseite lassend. Lange Jahre hindurch habe ich sondiert und geprüft, getrocknet und zerschnitten, gesotten und gekostet. Kein Kräutchen,[S. 112] kein Pulver, das ich nicht selbst versucht und als bewährt befunden habe! Ich wünsche nur das eine, daß die alten Bekannten zu neuen Ehren gelangen, bei einer Klasse von Menschen wenigstens.
Ich habe mich lange besonnen, ehe ich mich entschloß, den für sich allein ausreichenden und genügenden Wassermitteln diese Apotheke, d. i. dieses Verzeichnis der dem Wasser von innen heilsam entgegenwirkenden Hilfsmittel, anzufügen. Es könnte wie eine Mißtrauens-Kundgebung gegen die Wasserheilkraft aussehen.
Doch es gibt Kranke, welche aus unüberwindlicher Wasserangst sich schwer zu einer oft notwendigen längeren Wasserkur entschließen können. Diesen wollte ich es erleichtern, mit anderen Worten: die Wasseranwendungen reduzieren, vereinfachen und die Zeit des Gebrauches abkürzen. Solches aber kann und wird geschehen, wenn ich der äußeren Kur (mit Wasser) durch eine innere Kur (die Heilmittel) in die Hand arbeite.
Wer sämtliche Artikel dieser Apotheke überblickt, sieht sofort, daß sie wie die gesamten Wasseranwendungen selbst dreifachen Zweck haben: ungesunde, kranke Stoffe im Innern aufzulösen, auszuleiten, sodann den Organismus zu kräftigen. Insofern glaube ich mit vollem Rechte behaupten zu können, daß beide Verfahren, das innere und das äußere, zusammenstimmen und einheitlich zusammenwirken. Ich warne vor einer Täuschung. Wer glaubt, er müsse die Wasserkur recht strenge und ernst anwenden, irrt.
Wer meint, er müsse nach innen recht häufig und viel anwenden, irrt ebenfalls. Immer und in allen Fällen gilt der goldene Grundsatz: die gelindeste, ob äußere oder innere Anwendung ist die beste.[17]
Pflanzen mit zweifelhafter Wirkung, wie Eibisch, Süßholz usw.; mit den geringsten ungünstigen Wirkungen, z. B.[S. 113] auf den Magen, wie Senesblätter, Hopfen usw.; Giftpflanzen vollends habe ich grundsätzlich übergangen.[18]
Wie gut Gott ist! — so drängt sich’s mir aus dem Herzen. Nicht bloß was zur Erhaltung des Lebens, zu des Leibes täglichem Brot notwendig ist, läßt er uns wachsen; er, der in unendlicher Weisheit alles nach Maß, Zahl und Gewicht geschaffen, läßt in väterlicher Liebe zahllos auch diejenigen Kräutchen aus der Erde hervorschießen, welche den Menschen in kranken Tagen Trost, seinem in Schmerzen sich windenden Körper Linderung und Heilung verschaffen.
Wie gut Gott ist! Daß wir Einsicht haben! Den Pflänzchen, welche durch die ihnen vom Schöpfer angehängten Riechfläschchen, den würzigen Heilduft, sich selbst uns ankündigen und freundlich und zuvorkommend stellen, wollen wir fleißig nachgehen und beim Pflücken eines jeden mit kindlichem Danke unsern unendlich liebevollen Vater preisen, der im Himmel ist!
Unsere Hausapotheke soll vier Hauptabteilungen oder Hauptfächer und einige kleinere Nebenfächer enthalten.
In die Hauptfächer stellen wir:
In die Nebenfächer kommt wieder gut geordnet alles andere, was nicht unter obige vier Abteilungen fällt. Auch die Leinwandabfälle zum Überbinden und Überlegen (stets rein und frisch), die Baumwolle usw. können eines der Nebenfächer einnehmen.
Die Tinkturen und die Öle müssen in Gläsern aufbewahrt werden, die verschiedenen Tee und Pulver entweder in festen Papierdüten oder besser in Schachteln. (Wer neue machen läßt, soll sie länglichrund und gleichmäßig, wenn auch in verschiedenen Größen, machen lassen, daß sie dastehen wie Soldaten[S. 114] in Reih und Glied. Das macht einem jeden Freude und gibt der Hausapotheke ein Ansehen — und das gehört ihr auch.) Alles an einem kühlen, jedoch nicht feuchten (daß sich nicht Schimmel ansetze) und nicht allzu abgelegenen Orte im Hause!
Auf einem jeden Glase oder Fläschchen, auf jeder Schachtel oder Düte soll genau und für jedermann gut leserlich die Aufschrift des Inhaltes stehen. Am besten werden sodann die verschiedenen Heilmittel in jeder Abteilung alphabetisch, d. i. nach dem ABC geordnet. Was mit A anfängt (z. B. Alaun), marschiert am Anfang auf, was mit Z beginnt (z. B. Zinnkraut), bildet den Schluß der Reihe.
Vor allem soll in der Hausapotheke große Ordnung sein. Jeder Fremde, welcher dieselbe bisher nie gesehen, muß im Augenblick jedes Fläschchen, jeden Tee usw. finden. Dann muß große Reinlichkeit herrschen. Auf keiner Schachtel darf, ich will nicht sagen liniendicker, es darf gar kein Stäubchen liegen; an keiner Flasche, selbst nicht an einer Ölflasche dürfen Schmutz- oder Ölflecke wie nachlässig gekämmte Haare herunterhängen. Nichts entehrt ein Haus mehr als Unreinlichkeit; merke wohl: nach zwei Dingen hauptsächlich beurteilt man — und zwar mit vollem Rechte und meistens sehr wahr — das ganze Haus. Sind diese in Ordnung, so ist, schließt man, alles in Ordnung. Sind sie unordentlich, so heißt’s: in diesem Hause, in dieser Wohnung müssen die Einwohner recht unordentliche Leute sein. Willst du die beiden Dinge wissen? Sie heißen:
Hausapotheke und Abort.
Am besten wird es mit der Ordnung der Hausapotheke bestellt sein, wenn die Hausmutter oder ein fleißiger Sohn oder die reinlichste und ordnungsliebendste Tochter die Sorge und Verantwortung übernimmt. Sie wird die pünktlichste, gewissenhafteste Reinlichkeitspflege als Ehrensache betrachten und den Staublumpen stets in einer Ecke bereit liegen haben. Wenn sie ihr Amt gut verwaltet, das ja fürs ganze Haus, für alle Glieder desselben von Segen ist, darf sie mit Freuden an jenes Wort des göttlichen Heilandes denken: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Was so eine kleine Hausapotheke annähernd enthalten soll, habe ich am Ende dieses zweiten Teiles angegeben.[20] Ich rate ab von allem nicht Notwendigen. Man kann gelegentlich das eine oder andere Mittel beifügen.
Hier soll nur noch ein Wort stehen über die Bereitung der Tinkturen, des Tees, der Pulver.
Die inneren Kräfte, die Heilsäfte können aus einer Pflanze in verschiedener Weise ausgezogen werden. Den besten, stärksten Auszug erhalten wir im eigentlichen, sogenannten Extrakt.
Der Extrakt wird folgendermaßen bereitet:
Man sucht unter den Kräutern, Beeren usw., aus denen man den Extrakt gewinnen will, die besten aus: die reifsten, die untadelhaften; diese trocknet man auf einem Brett an der frischen Luft, stets (das merke man sich gut,) jedoch im Schatten, niemals an der Sonne. Beim Trocknen wird sich noch manches zeigen, was als untauglich verworfen werden muß.
Nachdem die Kräuter, Beeren usw. gut getrocknet sind, zerkleinere, zerschneide man sie, wenn notwendig, und bringe sie in eine verschließbare Flasche (Weinflasche). Diese nun wird mit echtem Kornbranntwein — den ich allem andern vorziehe — oder in dessen Ermangelung mit reinem Spiritus oder Fruchtbranntwein aufgefüllt und luftdicht verschlossen für einige Zeit an einen mäßig warmen Ort gestellt.[21] Ich habe derart gefüllte Flaschen schon ein Jahr lang und noch länger ruhig stehen lassen und dann erst den mit dem ausgezogenen Saft des betreffenden Heilmittels durchtränkten Spiritus als Extrakt abgegossen. Im Not- und Bedarfsfalle kann man denselben schon nach wenigen Tagen des Ansatzes in Gebrauch nehmen.
Die Tinkturen nimmt man tropfenweise; in gewissen Fällen, (es ist dieses jedesmal ausdrücklich angegeben) wird auf den Kaffeelöffel (kleineres Maß) und auf den Eßlöffel (größeres Maß) hingewiesen.
Bei trockener Witterung, vielleicht wenn du vom Felde heimkehrst, oder wenn du hinausgehst, den Stand der Saaten zu betrachten, mache einen Abstecher und sammle da diese, dort jene Heilkräuter. Was auf trockenem Grunde wächst, gar an sonnigen Berghalden verdient den Vorzug, und welche Pflanzen du in der schönsten Blütezeit sammelst, diese werden dir die herrlichste und in Leiden die gesegnetste Frucht bringen. Manches der Kräuter und Kräutchen wächst in deinem Gras- oder Gemüsegarten, am Haus oder an der Scheune. Du brauchst nur dem zehnjährigen Knaben oder deinem kleinen Mädchen es vorzumachen, wie[S. 116] sie es anstellen sollen, und du verlierst beim Sammeln der Kräuter keinen Augenblick und bereitest deinen Kindern eine Freude. Die Garten- und Feldkräuter sollen jedes Jahr erneuert d. h. neugesammelt, die alten weggegeben werden.
Jede Hausmutter versteht es, jedweden Tee zu bereiten. Von den getrockneten Kräutern (über das Trocknen lies das auf der vorhergehenden Seite Gesagte) nimmt sie zu einer Tasse, soviel sie mit drei Fingern fassen kann, gießt in das Pfännchen über die Teeblätter oder Blüten sprudelndes Wasser und läßt es einige Minuten aufkochen, dann schüttet sie den fertigen Tee ab.
In dieser Weise bereiteter Tee hat den feinsten Geschmack mit dem besten, jeder Pflanze eigentümlichen Aroma, aber es ist nicht der kräftigste Tee.
Bei mir werden die Kräuter durch längere Zeit förmlich abgekocht, gründlich ausgesotten, daß auch nicht ein Teilchen der Heilkraft verloren geht, vielmehr alle im Wasser gefangen wird.
Die Art des Einnehmens, ob tassen-, ob löffelweise, ist bei jeder einzelnen Krankheit genau angegeben.
Das Pulver wird gewonnen, indem die trockenen Wurzeln, Blätter, Körner oder Beeren der Heilpflanzen zerrieben oder im Mörser zerstoßen werden.
Manchen Kranken ist damit leichter beizukommen als mit Tee. Man streut ihnen das vorgeschriebene Pulver wie Gewürz (Pfeffer, Zimmt usw.) an eine Speise oder mischt es an einen Trank, daß sie desselben gar nicht gewahr werden.
Die Gefäße, welche zur Aufbewahrung der verschiedensten Pulver dienen, seien des Staubes wegen recht sorgfältig verschlossen.
Die Bereitung der Öle, soweit dieselben nicht in der Apotheke gekauft werden, ist bei jeder Krankheit, in der ein solches zur Verwendung kommt, jedesmal besonders angegeben.
An der Reinhaltung der Ölfläschchen insbesondere wird man den Sinn für Ordnungsliebe, Reinlichkeit usw. erkennen.
In alphabetischer Aufzählung sind die von mir verwendeten Heilmittel[22] folgende:
Agave. (Agave americana L.) [Aloë.]
Diese Pflanze hat ihre Heimat fern in Amerika. Von dort wurde sie zu uns herüber gebracht; man sieht sie jetzt nicht selten an den Fenstern der Blumenfreunde zwischen anderen Blumenstöcken hervorragen. Sie fällt auf und ist erkenntlich durch ihre recht dicken, fleischigen, ziemlich langen Blätter, die seegrün sind und viele Stacheln tragen. Blüten bringt sie selten; wenn man aber die Wirkung der fleischigen Blätter kennen würde, dann würde sicher jeder Blumenfreund auch diese ausländische Pflanze in einem Topfe unter seinen Blumen haben.
Die Wirkungen sind folgende:
Wenn man ein solches Blatt nimmt, es in Wasser siedet und trinkt, so reinigt eine solche Tasse Magen wie Gedärme. Auch auf kranke Leber und Gelbsucht wirkt diese Pflanze, wenn sie zu Pulver gemacht, und täglich zweimal eine Messerspitze voll davon eingenommen wird.
Wenn man von derselben so ein Blatt mit einem Kaffeelöffel voll Honig in einem Schoppen Wasser siedet und in kleinen Portionen einnimmt, dann nimmt dieser Absud die innere Hitze aus den Augen, wenn dieselben damit gut ausgewaschen werden. Wermut, mit Aloë gesotten, treibt die wässerigen, schlechten Stoffe, aus denen leicht Wassersucht entstehen kann, aus und macht einen recht guten Magen.
Dieses wenige Angeführte veranlaßt mich, jedem Blumenfreunde den Rat zu geben, diese Pflanze auch in einem Topfe unter seinen Blumenstöcken zu pflegen.
Alaun.
Alaun ätzt, er eignet sich demnach für faule, bösartige Schäden. Ich habe gesehen, wie er selbst den noch nicht zu weit vorgeschrittenen Krebs am Weiterfressen hinderte.
Schwärende, eingewachsene Nägel sollen stets mit Alaun behandelt werden.
Die Anwendung ist folgende:
Alaun wird entweder gepulvert, d. i. zu feinem Staub zerrieben und direkt auf die Wunde aufgestreut, oder er wird in Wasser aufgelöst und die Auflösung in Form von Waschungen oder eingetauchten kleinen Linnenauflagen benützt.
Sind die Wunden von Eiter, Faulfleisch usw. ganz gereinigt, so wirkt Alaun zusammenziehend, trocknend und rasch heilend.
Für Zähne, an denen sich ungesundes Fleisch mit unterlaufenem Blute ansetzt, ist verdünntes Alaunwasser ein erprobtes Mittel.
Als Mundwasser zum Ausspülen des Mundes und der Zähne, sowie als Gurgelwasser dient Alaunwasser längst.
Aloë. (Aloë vulgaris Lam.)
Aloë (man kauft das Pulver in der Apotheke) ist sowohl innerlich als äußerlich verwendet von guter Wirkung. Siedet man eine bis zwei Messerspitzen Aloëpulver mit einem Kaffeelöffel voll Honig, so reinigt diese Mixtur den Magen gründlich ohne die geringste Belästigung.
Wird Aloë mit anderen Kräutern vermengt und als Tee bereitet, so ist obige Wirkung noch nachhaltiger. Die Mischung hat gewöhnlich folgende Zusammensetzung: eine Messerspitze Aloë, Holunderblüten für zwei Tassen Tee, ein paar Messerspitzen Foenum grecum, ein Kaffeelöffel Fenchel. Die zwei Tassen Tee sind innerhalb zwei Tagen zu nehmen. Die Wirkung, die nicht in heftigem Abführen, sondern lediglich in reichlichem Stuhlgang besteht, tritt erst nach 12–30 Stunden ein.
Eine Anwendung von Aloë mit Johanniskraut und Schafgarbe wird an anderer Stelle erwähnt werden.
Dieselbe reinigende Kraft, welche Aloë innerlich angewendet zeigt, hat sie auch bei äußerlichem Gebrauche. Wer kranke, trübe, rot unterlaufene, triefende Augen hat, aus denen Eiter und anderer Unrat sich ausscheiden, bereitet sich aus Aloë ein vorzügliches Augenwasser. Eine kräftige Messerspitze Aloë wird in ein Medizin-Glas geschüttet, mit heißem Wasser übergossen, gerüttelt —[S. 119] das Augenwasser ist zum sofortigen Gebrauche fertig. Drei- bis viermal täglich wasche man die Augen äußerlich ab und innerlich aus. Das anfängliche Jucken und leichte Brennen darf einen nicht stören.
Alte Schäden, faulendes Fleisch, tiefe Narben mit viel Eiter werden vorzüglich gereinigt durch solches Wasser, das sie heilt. Es werde zu dem Zwecke ein Lappen in Aloëwasser getaucht und auf die leidende Stelle gelegt.
Sollte an irgend einer Körperstelle die Neubildung der Haut durch Geschwüre oder vielmehr durch die aus derselben ausströmende scharfe Flüssigkeit gehindert werden, so streue man Aloëpulver auf die Geschwürstelle, so dicht, daß der ganze offene Schaden bedeckt ist. Das Ganze werde trocken überbunden. Dieses täglich einmal. Das Pulver bildet, die schlechten Stoffe aufsaugend, eine harte Kruste, unter welcher bald die neue Haut sich zeigt.
Wunden, frische wie alte, heilt Aloë sehr schnell zu. Bei alldem kann das reinliche und reinigende Heilmittel, wohin es immer komme (in das Auge oder in die Wunde), niemals schaden.
Angelika, wilde oder Wald-Engelwurz. (Angelica silvestris L.)
Es wächst auf feuchten Wiesen und an nassen Waldstellen eine Pflanze mit einem Stengel, der einen halben bis ganzen Meter hoch ist. Der Stengel ist hohl und die Buben machen gerne Pfeifen daraus. Diese Pflanze führt den Namen Angelika, Wald- oder wilde Angelika; sie heißt Waldangelika, weil sie meist im Walde zu finden ist; sie heißt auch wilde Angelika, weil sie wild, ohne menschliches Zutun wächst und sich so von einer anderen Art (Angelica archangelica L., edle Engelwurz) unterscheidet, die einer eigenen Pflege bedarf. Beide sind Heilpflanzen im gleichen Sinne und mit gleicher Wirkung; ich ziehe erstere aber vor, weil man sie ohne Mühe haben kann. Hat jemand ungesunde oder halbgiftige Speisen bekommen, so ist ein Tee, von ihren Wurzeln, Samen und Blättern gesotten, ein vorzügliches Mittel, diese schlechten Stoffe wieder zu entfernen.
Weil das Blut aus den verschiedenen Nährstoffen bereitet wird und die Nährstoffe nicht alle gut und gesund sind für die Natur, so leitet dieser Tee die schlechten Stoffe wieder aus dem Blut. Wie oft kommt es vor, daß im Magen eine unbehagliche Kälte herrscht! Eine Tasse Tee von solchen Wurzeln bringt dem Magen wieder mehr Wärme. Am besten ist es, wenn man eine solche Tasse Tee in drei Portionen teilt und die erste am Morgen, die zweite am Mittag, die dritte am Abend nimmt.
Wenn ungesunde Stoffe im Magen und in den Gedärmen sind, oder wenn versteckte Gase Grimmen verursachen, so ist wieder[S. 120] dieser Tee ein Hauptmittel, das Übel zu heben, besonders wenn man zum Tee halb Wein und halb Wasser nimmt.
Starke Verschleimungen in der Lunge und Brust, Magenbrennen, Verschleimungen in der Luftröhre werden gerade durch diesen Tee am leichtesten beseitigt.
Man kann mit Recht die Angelika als ein vorzügliches Hausmittel empfehlen, und die Landleute sollten fleißig auf ihren Wiesen und in ihren Wäldern eine ziemliche Portion für das ganze Jahr sammeln, an der Luft trocknen und an einem trockenen Orte aufbewahren. Diese Wurzeln, Samen und Blätter, gut getrocknet, können auch zu Pulver gemacht werden, und wenn man täglich zwei- oder dreimal eine Messerspitze voll solchen Pulvers einnimmt, so ersetzt dieses den Tee.
Dem Pflanzenunkundigen gebe ich notgedrungen den guten Rat, nicht Angelika zu sammeln, er möchte sonst aus der Wiese Roßkümmel oder aus dem Walde gar Schierling (Giftpflanze) zu seinem Verderben nach Hause tragen. Ich setze diese Worte her, weil beides sich ereignet hat.
Anis. (Pimpinella anisum L.)
Anis ist wie Fenchel sehr zu empfehlen. Seine Wirkung auf Gase (Winde) übertrifft jene des Fenchel bei weitem. Meistens werden beide Heilmittel miteinander gemengt und verbunden.
Die Öle von Anis und Fenchel kauft man am leichtesten in der Apotheke. Gegen obiges Leiden genügen 4–7 Tropfen auf Zucker täglich ein- bis zweimal zu nehmen.
Anserine oder Gänsefingerkraut. (Potentilla anserina L.)
Das Gänsefingerkraut wächst, wie sein Name besagt, da am besten, wo Gänse sich am liebsten aufhalten. Man trifft es besonders zahlreich in der Nähe der Häuser, ferner auf Triften, an Weg- und Grabenrändern. Viele Leute haben ihm nach seiner Wirkungsweise den Namen Krampfkraut gegeben.
Tee von Anserinenkraut ist ein vortreffliches Mittel bei Krampfanfällen, seien dieselben im Magen, im Unterleib oder wo immer. Bei Starrkrampf selbst — soweit überhaupt eingewirkt werden kann — tut dieses Kräutchen sehr gute Dienste. Beim Beginne der Anfälle, besser noch bei den sich zeigenden Symptomen (Vorzeichen) der Krämpfe, gebe man dem Kranken täglich dreimal recht warme Milch (so warm sie der Kranke ertragen kann), in welcher solche Heilkräuter (so viel mit drei Fingern zu fassen sind) wie zu Tee abgebrüht wurden.
Doppelte Wirkung erzielt der, welcher solchen Tee einnimmt und zugleich auf die krampfhaften Stellen Überschläge mit dem im Wasser angeschwellten oder abgebrühten Kraute macht.
Keine Familienmutter soll es unterlassen, einen hinlänglichen Vorrat solchen Krautes zu sammeln und zu trocknen. Sie weiß selbst zu beurteilen, wie schmerzhaft solche häufig vorkommenden Krampfanfälle sind, und wie es noch größeren Schmerz bereitet, Angehörige leiden zu sehen, ohne helfen zu können.
Arnika oder Bergwohlverleih. (Arnica montana L.)
Arnika besitzt in der ganzen Welt den Ruf einer vorzüglichen Heilpflanze. Weshalb gerade viele von denen, die solches wissen könnten und sollten, dieses bestreiten, begreife ich wenigstens nicht.
Die Arnika-Tinktur ist so allgemein bekannt und bei Wunden zu deren Auswaschen, zu Kompressen (Aufschlägen) usw. so allgemein in Übung, daß es mir nicht notwendig erscheint, darüber auch nur ein Wort zu verlieren.
Man kauft diese Tinktur billig; ein jeder kann sie aber auch leicht selbst bereiten. Die Blüten werden Ende Juni und Anfang Juli gesammelt und in Branntwein oder Spiritus angesetzt. Nach ungefähr drei Tagen schon kann die fertige Tinktur in Gebrauch genommen werden.
Attich oder Zwergholunder. (Sambucus ebulus L.)
Am Rande der Wälder, besonders abgetriebener (ausgehauener), sieht man Stauden, einen Meter und darüber hoch, die im Juli weiße große Doldenblüten, im Herbste prächtige, schwere, glänzende Doldentrauben tragen. Das ist Attich oder Zwergholunder.
Der Tee, aus solchen Wurzeln bereitet, treibt mit außerordentlicher Wirkung das Wasser ab in der Wassersucht und reinigt die Nieren. Mir sind mehrere Fälle bekannt, in denen solcher Tee die ziemlich vorangeschrittene Wassersucht vollständig heilte und ausheilte.
Auch bei anderen Zufällen im Unterleib, die von schlechten Säften herrühren, wirkt er gut; er scheidet die Säfte durch den Urin aus.
Attichtee, den man aus dem Pulver bereitet, tut dieselben Dienste. Zu einer Tasse, die auf zweimal zu verschiedenen Zeiten des Tages genommen wird, reichen zwei Messerspitzen des Pulvers aus.
Im Spätherbste sammelt man die Wurzeln, trocknet sie gut an der Luft und bewahrt die gedörrten Wurzeln oder das aus den zerstoßenen Wurzeln gewonnene Pulver in der Hausapotheke auf.
Augentrost. (Euphrasia officinalis L.)
Zum Lohn und aus Dankbarkeit für treue Dienste haben unsere Voreltern diesem kleinen Kräutchen den schönen Namen „Augentrost“ gegeben. Wenn oft kein Mittel mehr helfen wollte, spendete dieses Blümchen den Augen den letzten Trost. Ich habe dasselbe schon recht häufig geraten und mit guten Erfolgen.
Wenn die Öhmd- (Grummet-) Ernte zur Hälfte reif ist, im August etwa, findest du dieses Heilkräutlein fast auf jeder Wiese. Oft wächst es so zahlreich, das eigentliche Futter verdrängend, daß die Bauersleute ihm gram werden.
Sowohl die getrockneten als die zerriebenen Blätter kommen als Tee und als Pulver zur Anwendung. Mit dem Tee wäscht man täglich zwei- bis dreimal die Augen gut aus, oder man taucht in denselben kleine Fleckchen, die man über Nacht aufs Auge legt und mit einer Binde befestigt. Das Auge wird so gereinigt, geklärt, die Sehkraft gestärkt.
Nach meiner Praxis lasse ich zu gleicher Zeit die Patienten das Pulver nach innen anwenden, und zwar täglich eine Messerspitze in einem Löffel Suppe oder Wasser. Damit ist die Heilkraft des Kräutchens nicht erschöpft. Auch Magentrost könnte man es nennen. Wegen seiner angeborenen Bitterkeit gilt sein Tee als Magenbitter zu regerer Verdauung und zur Verbesserung der Magensäfte. Probiere es einmal, lieber Leser; das Kräutchen wird auch bei dir mit seinem Trost nicht kargen!
Ausscheidungsöl (im Volksmund „Malefizöl“).
Es gibt Fälle, wo in Körpern sich so viele kranke Stoffe angesammelt haben, daß es ungemein schwer ist, dieselben gänzlich aufzulösen und auszuleiten. Die Schwierigkeit besteht nicht in der zweifelhaften Leistungsfähigkeit des Wassers oder der verschiedenen Anwendungen vielmehr in der Frage: Wird ein solcher Patient, werden insbesondere schwächliche Naturen vor den notwendig anzuwendenden Übungen und der Langwierigkeit einer solchen Kur nicht zurückschrecken und so alle Bemühungen vereiteln? Dieser Gedanke hat mich viel beschäftigt und manche Erfahrung hat zu neuem ernstem Nachdenken angespornt.
Da fiel mir ein, daß ja manches innere Leiden plötzlich verschwand, sobald nach außen hin ein Ausschlag zu Tage trat.
Könnte man, so frage ich mich, nicht auf künstliche Weise solchen Ausschlag bewirken, mit andern Worten, durch irgendein Mittel[S. 123] den im inneren Körper verborgenen kranken Stoffen zum Durchbruch verhelfen, dieselben herauslocken an die Oberfläche der Haut und so der Wasserkur ihre Arbeit um ein gutes Stück erleichtern?[23]
Nach langem Suchen traf ich auf ein Öl, welches diese Dienste in vortrefflicher Weise leistet, bei manchen Fällen geradezu mit auffallenden Erfolgen. Dasselbe ist, wie gesagt, zur Heilung nicht absolut notwendig, keine conditio sine qua non; das Wasser allein kann wohl die Arbeit tun. Aber es unterstützt und fördert das oft sehr schwere Werk der Auflösung und Ausleitung um ein Bedeutendes. Das Öl wird nur äußerlich angewendet und allein in solchen Fällen, in denen so auf die leichteste Weise eine vorteilhafte Ausleitung des kranken Stoffes erzielt werden kann. Die Wirkung ist ganz und gar unschädlich, aber gründlich, tiefgehend bis ins Innerste. Weil es die Rebellen im Körper und im Blut mit scharfer Spürnase wittert und sicher ans Tageslicht bringt, hat ein Herr, bei dem es prächtig und erfolgreich diente, ihm den Namen „Malefizöl“ gegeben, den es bis heute behalten. Ich hatte keinen Grund, den originellen Namen irgendwie anzufechten.
Die Art der Verwendung mögen einige Beispiele veranschaulichen.
Jemand klagt über Augenleiden: die Augen sind gerötet, jede Helle tut weh. Sie triefen sehr stark und schmerzen aufs empfindlichste. In diesem Falle reibe ich die Hautfläche hinter den Ohren (an Ohrmuschel und Hinterhaupt) leise, um sie etwas zu erwärmen, und trage dann sachte drei bis vier Tropfen solchen Öles auf die erwärmte Stelle auf. Schon nach einer halben Stunde spürt der Patient die Wirkung, ein leichtes Spannen und Brennen; nach ungefähr 24 Stunden erscheinen unzählige, mit Eiter angefüllte Bläschen, die je nach der Masse des auszuziehenden kranken Stoffes wachsen, später vertrocknen und als verdorrte Krusten abfallen. Sollte der erste Versuch nicht gelingen, d. h. sollte das Öl nach circa 30 Stunden nicht wirken, so bringe man am zweiten Tage nochmals ein paar Tropfen auf die geröteten Stellen. Die Wirkung wird sicherlich nicht ausbleiben und der Giftstoff, der im Auge die Entzündung verursacht hat, in Bälde ausgegangen sein. Bei einer Reihe derartiger Augenleiden ließ bei Anwendung besagten Öles schon nach 1–2 Stunden der Schmerz nach, und binnen kurzer Zeit waren die Augen rein und gesund.
Heftiges Zahnweh plagt einen anderen Patienten; das Zahnfleisch ist angeschwollen, der Kiefer schmerzt, als ob er zerrissen werde; den ganzen Kopf peinigt die schmerzlichste Aufregung. Wie beim ersten Falle bringe man einige Tropfen unseres Öles hinter die Ohren oder ins Genick. Der Erfolg muß ein günstiger sein.
Eine Eigentümlichkeit des Öles besteht noch darin, daß es bei der ersten und vornehmeren Arbeit des Ausziehens die bestrichene Stelle verwundet, dann aber, sobald es seine Pflicht getan, in zweiter Arbeit dieselbe schnell und gut zuheilt.
Das Öl betrachte ich nicht im mindesten als ein Geheimmittel; ich habe dessen Zusammensetzung manchem vertrauten Freunde mitgeteilt. Um indessen Mißbräuchen und wohl auch Mißgriffen verschiedener Art vorzubeugen, sehe ich mich veranlaßt, das Rezept der Öffentlichkeit nicht kundzugeben. (Siehe Anmerkung auf Seite 111.)
Baldrian, gebräuchlicher. (Valeriana officinalis L.)
Daß im Baldrian etwas besonderes stecken muß, darüber belehren uns die Katzen, die er durch seinen Geruch so anzieht, daß sie sich auf seinem Kraute wälzen.
Wir benützen allein die Wurzel, die entweder zur Teebereitung zugeschnitten oder zu Pulver zerrieben und stets nur (als Tee und als Pulver) in kleinen Portionen genommen wird.
Baldrianwurzel lindert Kopfbeschwerden und hebt krampfhafte Zustände, ähnlich wie die Raute; sie wirkt auf beide Leiden gut ein, weil sie deren hauptsächlichste Ursachen, die Gase nämlich, ausscheidet.
Bitter- oder Sumpfklee (Menyanthes trifoliata L.)
ist eine Pflanze, welche auf Moorgrund und gewöhnlich in der Nähe von laufendem Wasser steht. Da, wo das Wasser im Fließen keinen Ausweg mehr gefunden hat und eine kleinere oder größere Pfütze bildet, wächst unter sauerem Grase auch diese Sumpfflanze. Sie hat drei Blätter und ist sehr bitter, daher der Name Bitterklee. Dieses Kraut gibt vorzüglichen Tee für den Magen; er wirkt gut auf die Verdauung und hilft gut die Magensäfte bereiten.
Bitterklee in Branntwein angesetzt gibt den sogenannten „bitteren Geist“, der demselben guten Zwecke dient.
Bockshornklee (Trigonella foenum graecum)
S. unten Seite 129.
Brennessel, große. (Urtica dioica L.)
Die Brennessel ist die verachtetste unter den Pflanzen. Manche zartbenervte Seele sticht und brennt es schon, wenn sie nur diesen Namen hören. Ob wohl mit Recht? Jüngst hörte ich, daß ein[S. 125] Wanderlehrer, ich glaube in Böhmen, über die Brennesseln und deren Bedeutung eine ganze Broschüre geschrieben habe. Der fängt’s wieder einmal gut an, das lobe ich mir! Die Brennessel hat in der Tat für Kenner den größten Wert.
Frische Brennesseln, vom Standorte gerade weggenommen, gedörrt und zu Tee verwendet, lösen die Verschleimungen in Brust und Lunge, reinigen den Magen von verlegenen Stoffen, die sie hauptsächlich beim Urinieren entfernen.
Kräftiger als die Blätter wirken die Brennesselwurzeln, ob man sie im Sommer grün ausgegraben oder im Winter gedörrt verwendet. Eine beginnende Wassersucht kann durch Tee von Brennesselwurzeln gehoben werden. Derselbe räumt überhaupt mit faulen Säften im Innern gründlich auf.
Wer unreines Blut hat, soll zur Sommerszeit recht oft Brennesseln, wie Spinat gekocht, essen. Man liebt besonders in Italien die Kräutersuppen. Kräuterknödel aus Brennesseln sind nicht bloß ein Nähr-, sondern auch ein Gesundheitsmittel.
Wer an Rheumatismus leidet und kein Mittel mehr findet, denselben auszutreiben, bestreiche oder schlage die schmerzenden Stellen täglich ein paar Minuten lang mit frischen Brennesseln.
Die Furcht vor der ungewohnten Rute wird bald der Freude über deren vorzügliche Heilwirksamkeit weichen.
Dornschlehblüte. (Prunus spinosa L.)
Dornschlehblüten sind das schuldloseste Abführmittel und sollten in jeder Hausapotheke in vorderster, leicht zugänglicher Reihe zu finden sein.
Wie oft fühlt man im Magen und im Unterleib, im ganzen Befinden, daß eine schnelle Purgierung gut, ja notwendig wäre; man sucht ein leichtes Mittel und sucht und — könnte es so leicht bei der Hand haben!
Nimm solche Dornschlehblüten, siede dieselben 1 Minute lang und trinke 3–4 Tage lang solchen Tee, täglich 1 Tasse! Der Tee wirkt leicht ohne alle Unannehmlichkeiten und Beschwerden, dazu dennoch gründlich.
Als Magenmittel, als reinigendes und stärkendes, kann ich diesen Tee gleichfalls bestens empfehlen.
Eibisch. (Althaea officinalis L.)
Eibischtee wird sehr viel gebraucht bei Erkältungen. Ich bin für denselben nicht besonders eingenommen, da er meinen Er[S. 126]wartungen zu wenig oder nicht entsprochen hat. Schon beim Sieden erhält man eine schlütterige (zähe) Masse, die nach verhältnismäßig kurzer Zeit schleimig wird und so — was in der Tat oft vorkommt — den Appetit nehmen oder verderben muß. Derlei Medizinen empfehle ich nie. Gelinde gesagt ist mir Eibischkraut und Eibischwurzel etwas verdächtig. Ich wähle deshalb stets Heilkräuter, welche dieselben Dienste zweifellos sicher tun.
Eichenrinde.
Heißt er uns gar die Eichenrinde als Medizin gebrauchen! Ja freilich, sie mag frisch vom Baume weg oder getrocknet sein.
Junge Eichenrinde, längere Zeit (eine halbe Stunde) abgebrüht, gibt einen heilkräftigen Absud. Man tauche nur ein Handtüchlein in denselben und winde es als Wickel um den Hals. Solche Wickel lösen auf und verdrängen dicke Hälse, und wenn ein Kropf noch nicht zu groß und zu fest ist, sind sie selbst die wirksamsten und zugleich schuldlosesten Kropfmittel. Mit den Drüsen räumen diese Wickel nicht weniger gründlich auf.
Wer an Mastdarmvorfall leidet, nehme fleißig Sitzbäder mit Absud von Eichenrinden, dazu zuweilen kleine Klistiere mit verdünntem Absud.
Die lästigen und oft gefährlichen Mastdarmfisteln löst der Absud und heilt sie aus.
Auch harte Geschwülste, die nicht entzündet sind, können ebenso behandelt und aufgelöst werden.
Tee von Eichenrinde wirkt wie Harz stärkend auf die inneren Gefäße.
Enzian, gelber. (Gentiana lutea L.)
Der gelbe Enzian wächst besonders auf den Bergen. Durch zuverlässige Leute kann man leicht und billig dieses prächtige Heilkraut sich sammeln lassen. Vor allem rate ich Extrakte von Enzian zu bereiten. Die Enzianwurzeln werden zu diesem Zwecke gut getrocknet, klein geschnitten und so mit Branntwein oder Spiritus in Glasflaschen angesetzt.
Dieser Extrakt ist eines der ersten Magenmittel. Man gieße 20–30 Tropfen desselben an 6–8 Eßlöffel Wasser in ein Glas und nehme diese Mischung längere Zeit hindurch täglich. Die gute Verdauung wird ein nicht minder guter Appetit recht bald anzeigen. Spürt man, daß eine Speise schwer im Magen liegt[S. 127] und belästigt, das Magentränklein von einem Kaffeelöffel Extrakt in einem halben Glas warmen Wassers wird die Störung bald beendigen.
Für Magendrücken ist Enzian ebenfalls sehr gut.
Auf größeren Reisen, wenn man tagelang oft schlecht ißt, noch schlechter trinkt und todmüde und halbkrank am Ziele ankommt, leistet ein winziges Fläschchen Enziantinktur, tropfenweise auf Zucker zu Rate gezogen, treffliche, unbezahlbare Dienste.
Übelkeiten und Anfälle von Ohnmachten entfernt ein Kaffeelöffel Tinktur in Wasser genommen; sie erwärmt, weckt auf, bringt Körper und Geist wieder in Frieden.
Enzian, zu Tee verwertet, tut ähnliche Dienste. Man siedet dann entweder die geschnittenen Wurzeln oder selbst das Enzianpulver und trinkt den Absud als Tee.
Erdbeere. (Fragaria vesca L.)
Welche Freude, wenn Kinder das erste Erdbeersträußchen den Eltern, dem Lehrer, dem Pfarrer bringen! Welcher Genuß, wenn als Nachspeise (mit oder ohne Wein) der erste Teller kühlender Erdbeeren auf den Tisch gebracht wird!
Nicht allein die Früchte dieses kleinen, so überaus fruchtbaren Pflänzchens sind gerne gesehen; auch die Blätter sammelt und trocknet manche, für ihre schwachen Kleinen besorgte, von schwerer Arbeit heimkehrende Mutter, denn Erdbeerblätter, das weiß sie, sind ein gutes, gesundes und so ein überaus billiges Nährmittel.
Wie bereitet sie diesen Tee? Sie nimmt Erdbeerblätter, soviel sie mit drei bis vier Fingern fassen kann, schüttet ungefähr einen halben Schoppen (ein Viertelliter) siedendes Wasser daran und deckt beides gut zu. Nach 15 Minuten gießt sie den Tee ab und sie hat reinen Erdbeerblättertee. Dann mischt sie daran heiße Milch, etwas Zucker und das Tränklein ist fertig.
Würde die Mutter statt des dritten oder vierten Teiles der Erdbeerblätter Waldmeister (Asperula odorata L.) nehmen, so gewänne der Tee an Geschmack und Gehalt.
Die Erdbeeren selbst sind als Gesundheitsmittel gar nicht zu unterschätzen. Man gebe dieselben besonders Rekonvaleszenten, die große Schwäche und Entkräftung nach schwerer Krankheit spüren; man gebe sie verbunden mit anderen Nahrungsmitteln. Wer im Sommer[S. 128] längere Zeit hindurch, gleichsam zum Kurgebrauch, täglich z. B. einen Schoppen Milch mit einem halben Schoppen Erdbeeren vermischt, (wie man dieses in Süddeutschland vielfach tut) oder täglich zweimal ein Stück guten Roggenbrotes mit je einem Viertelschoppen Erdbeeren genießt, wird bald die überaus wohltuende Wirkung verspüren, die neben der Kräftigung auch in Blutreinigung besteht. Werden die Erdbeeren eingekocht wie Kirschen, Weichseln, Amorellen usw., dann kann obige Kur mit bestem Erfolge selbst im Winter vorgenommen werden.
Bei innerer Hitze leisten Erdbeeren im Sommer selbst Kranken die besten Dienste. Welch’ herrliches Refrigerans, d. i. kühlendes Labsal, kann dem Lechzenden damit gereicht werden!
Gries- und Steinleidenden werden vielfach täglich gleichmäßige Portionen von Erdbeeren empfohlen.
Dasselbe gilt für Leberleidende (täglich in verschiedenen Malen, bis zu zwei Schoppen) und für solche, die mit aus dem krankhaften Blute herrührenden Ausschlägen behaftet sind. (Morgens und nachmittags je einen Schoppen.)
Es ist merkwürdig, wie gerade diese Frucht von der Erde den Menschen so reichlich gereicht wird. Daß unser Verständnis und unsere Dankbarkeit der liebevollen Freigebigkeit ihres und unseres Schöpfers jederzeit entsprechen möchte!
Fenchel. (Foeniculum officinale All.)
Die Fenchelkörner dürfen in keiner Hausapotheke fehlen, da das Leiden, in welchem sie Hilfe schaffen, so gar häufig vorkommt; ich meine die Kolik mit ihrer Begleitschaft, den krampfartigen Zuständen. Schnell siede die Mutter einen Löffel voll Fenchel in einer Tasse Milch 5–10 Minuten lang und gebe den Heiltrank dem Kranken so warm wie möglich (nie zu heiß, daß man im Innern nichts verbrennt.) Die Wirkung ist meist sehr gut und sehr schnell. Die rasch sich verbreitende Wärme stillt die Krämpfe, die Kolik läßt nach und verschwindet. Äußerlich soll, wie solches an anderer Stelle angegeben ist, ein warmer Aufschlag von Wasser und Essig (halb und halb) auf den Unterleib zu liegen kommen.
Fenchelpulver, wie Gewürz auf Speisen gestreut, vertreibt die Gase aus dem Magen und den unteren Regionen.
Das Pulver wird gewonnen, indem man Fenchelkörner im Ofenrohre röstet (dörrt) und in einer gewöhnlichen Kaffeemühle mahlt.
Fenchelöl kauft man in der Apotheke.
Fenchel, als Augenwasser verwendet, klingt manchem Geheilten, der dies liest, nicht mehr neu. Man koche einen halben Eßlöffel[S. 129] Fenchelpulver ab und wasche mit dem Absud ungefähr dreimal des Tages die Augen aus.
Reinigender und stärkender noch wirken die Augendämpfe.
Da ich bei jedem Kopfdampfe behufs Lösung im Innern stets ein, zum Mindesten ½ Löffel Fenchelpulver verwende, so ist eigentlich mit jedem Kopfdampf ein solcher Augendampf verbunden.
Ähnliche Wirkungen wie mit Fenchel erzielt man mit Anis und Kümmel. Öfters werden zwei oder gar sämtliche drei Heilkörner miteinander vermischt, zusammen gemahlen und benützt.
Foenum graecum.
Von dem Samen (foenum graecum) des Bockshornklees (Trigonella foenum graecum) wird ein Pulver bereitet, das Vielen derjenigen, die meine Wassermittel gebrauchten, längst kein Fremdling mehr ist. Sie schätzen es und benützen es fleißig. Man habe keine Furcht, es ist ganz unschädlich.
Nach innen wirkt dasselbe, als Tee zubereitet, kühlend bei hitzigen Fiebern.
Bei Halsleiden mit starken Hitzen im Halse dient der Tee als gutes Gurgelwasser. Ein Kaffeelöffel des Pulvers reicht aus für eine mäßige Tasse Tee, die im Tage, (alle Stunden, auch öfter, ein Eßlöffel voll) getrunken oder zum Gurgeln verwendet wird.
Was die äußere Anwendung betrifft, so ist Foenum graecum das beste von allen mir bekannten Mitteln zum Auflösen von Geschwülsten und Geschwüren. Es wirkt langsam, schmerzlos, aber bis zum letzten Tropfen Eiter ausdauernd und gründlich. Man kocht ähnlich wie beim Leinsamen den bekannten öligen Brei, den man in kleine Linnentüchlein bringt und auflegt.
Bei offenen Füßen ziehen solche Auflagen die sogenannten „Zuschläge“, d. i. die Entzündungen um die Ränder der Wunde aus und verhindern die Bildung des faulen Fleisches oder gar einer Blutvergiftung. Diese letztere Anwendung empfehle ich der besonderen Aufmerksamkeit aller, denen solche Fußwunden recht viel Leid und Sorge bereiten.
Foenum graecum kauft man sich in der Apotheke.
Hafer oder Haber. (Avena sativa L.)
Ein tüchtiges Sieden entzieht den Haferkörnern — auf gleiche Weise kann Gerste behandelt und gebraucht werden — die innewohnende Kraft. Solches Getränk, nahrhaft, leicht verdaulich, kühlend bei vorhandenen inneren Hitzen, ist für Rekonvaleszenten, die z. B. durch die Blattern, durch den Typhus und andere ähn[S. 130]liche Krankheiten übermäßig entkräftet und geschwächt wurden, ein vorzügliches Nährmittel, ein wahres Labsal. Wie oft bedaure ich es, daß man derlei armseligen Kreaturen, die doch vor allem neues, gesundes Blut brauchen, alle möglichen, nur nicht solche Getränke bereitet und bietet!
Die Bereitung ist einfach. Ein Liter Hafer wird 6–8mal mit frischem Wasser gewaschen, dann in zwei Liter Wasser so lange abgekocht, bis dieses zur Hälfte eingesotten ist. In den abgegossenen Absud rührt man 2 Löffel Honig und läßt die Mischung noch einige Minuten kochen.
Hagebutten.
Am Hundsrosenstrauch (Heckenrose, Rosa canina L.) pflückt die auf ihre Hausapotheke denkende Mutter nicht allein die schönen Rosen, sondern auch mit Fleiß die sogenannten Hagebutten, und zwar nicht allein zu Saucen, sondern auch zu Heilzwecken. Diejenige Hausmutter wird mit noch größerem Eifer ihren Garten und auch fremdes Eigentum durchmustern, die in der Familie ein Glied hat, das an Gries oder an Nieren- und Blasenstein, diesen schrecklichen und schmerzlichen Übeln leidet. Sie weiß, Hagebuttentee lindert und reinigt die Nieren und die Blase.
Ich kenne einen hochbejahrten Greis, welcher in jüngeren Jahren viel an Gries und Stein gelitten hat und sich oftmals nicht zu raten und zu helfen wußte. Man riet ihm diesen Tee, und er gewöhnte sich mit solcher Vorliebe daran, daß abends beim Schlafengehen die seit Jahren übliche Tasse nie fehlen darf; sie ist ihm lieber als ein Glas des besten Weines. „Das sind meine Spirituosen,“ sagt er, „das ist das Öl, welches die bald ausgelaufene Maschine des alten Körpers täglich von neuem zum Gange ölt.“
Die Hagebutten werden ausgekernt, die Hülsen getrocknet und daraus der Tee bereitet.
Harz- oder Weihrauchkörner.
Wie die Kerze träufelt, so träufelt es manchmal aus der Rinde der Tanne oder der Fichte. Ein jeder, der zur Sommers- oder zur Herbstzeit in den Wald geht, kann dieses Träufeln gewahren. Wie hängengebliebene Tränen sehen diese Harzperlen aus, weiß wie Wachs, klar wie Honig, frisch wie Quellwasser.
Das Harz ist das Blut der Tanne, der Fichte, und wenn ein solcher lebenskräftiger Baum ins Fleisch hinein verletzt wird, so blutet er oft ganz gewaltig.
Dieses Harz, das so zäh klebt und dem Ansehen nach edle, kernige Stoffe enthält, muß gewiß eine besondere Kraft haben.
5–6 solcher erbsengroßen Harzkügelchen oder Harztränen, längere Zeit hindurch täglich eingenommen und geschluckt, kräftigen die Brust und wirken merkwürdig stärkend auf die inneren Gefäße.
Ich kannte einen sehr schwächlichen Priester, der täglich ein größeres Quantum dieser harzigen Flüssigkeit zu sich nahm. „Diesem Kraftsyrup“, meinte er, „verdanke ich die Erstarkung meiner Brust.“
Diese Harzpillen kann derjenige, dem sie der nahe Wald nicht liefert, durch Weihrauchkörner weißer Sorte ersetzen. Weihrauch ist ja auch nur ein feines Harz. 6–8 solcher Körner, auf längere Zeit täglich genommen, bilden eine gute Brustkur.
Die Angst vor Unverdaulichkeit dieser Harzsteinchen, wie sie eine hochgehende Phantasie befürchten möchte, soll dir nicht bange machen. Die Natur verarbeitet auch solcherlei Ware recht gut.
Heidelbeere. (Vaccinium myrtillus L.)
Um Jakobi herum gehen die Kinder so gerne in die Wälder. Die Heidelbeeren sind reif, eine Leibspeise für die jungen Springinsfelde. Auch alte Kinder lassen sich diese Beeren recht gut schmecken. In Großstädten auf den Obstmärkten sieht man die schwarzen Bekannten korbweise stehen; manches Studentlein denkt an vergangene schöne Jugendzeit, wo es mit der kleinen Schwester in die „Hoidlen“ — wie die Schwaben sagen — ging, und läßt sich von der Obstfrau für ein paar Pfennige die anheimelnden Schwärzlinge in die Tasche schütten.
Kein Haus sollte sein, das nicht eine gute Portion Heidelbeeren dörrt und fürs Jahr aufbewahrt. Sie sind zu gar Vielem nütze.
Man bringt Heidelbeeren, soviel man mit 2–3 Handvoll fassen kann, in ein Glas und gießt guten, echten Branntwein darauf. Je längere Zeit (selbst Jahre lang) die angesetzten Beeren stehen, d. h. je besser dieselben ausgezogen werden, um so schärfer wird und wirkt die Medizin solchen Beerengeistes.
Wer an leichten Diarrhöen leidet, nehme von Zeit zu Zeit einige getrocknete rohe Heidelbeeren, verkaue und schlucke sie. Sehr oft genügt dieses leichteste Mittelchen. Ich sah Badegäste in großen Badestädten, die, um unangenehmen Überraschungen auf dem Spaziergange vorzubeugen, von der erfahrenen und umsichtigen Hausfrau derlei „Diarrhöestillpillchen“ mit auf den Weg bekamen.
Heftiges, andauerndes Abweichen, mit großen Schmerzen verbunden, bei dem mitunter Blut abgeht, stillt ein[S. 132] Löffel Heidelbeerbranntwein, genommen in ⅛ Liter warmen Wassers. Nach 8–10 Stunden kann man die gleiche Medizin nochmals nehmen. Eine dritte Repetition wird kaum mehr notwendig sein. Suche man in der Apotheke ein unschuldigeres und doch wirksameres Mittel!
Bei gefährlichen Ruhrerkrankungen arbeitet derselbe Heidelbeergeist der äußeren Wasseranwendung (warme Aufschläge von Wasser und Essig auf den Unterleib) von innen überaus wirksam entgegen.
Unter den Tinkturen unserer Hausapotheke ist die Heidelbeertinktur die erste und unentbehrlichste. Sie dient in all den oben bezeichneten Fällen und ist einer der wärmsten Freunde des Unterleibes. Die Dosis richtet sich nach dem Grade des Übels: die kleinste beträgt 10–12 Tropfen auf Zucker, die stärkere etwa 30 Tropfen, die stärkste und größte einen Kaffeelöffel, in warmem Wasser oder in Wein (6 Löffel voll) genommen.
Heublumen.
Zahlreiche mündliche und schriftliche Berichte haben mich belehrt, daß viele Leute nicht wissen, was sie sich unter „Heublumen“ vorzustellen haben. Was man in der Heilkunde unter diesem Namen versteht, ist bereits beim Heublumenfußbad (S. 40) erwähnt worden. An dieser Stelle möchte ich nur noch den Heublumen das Wort reden und im allgemeinen auf deren Verwendung hindeuten. Bei beginnender Blutvergiftung, bei erfrorenen Gliedern, bei krampfhaften Unterleibserscheinungen u. A. haben mich die „angeschwellten“ (heißüberbrühten) Heublumen nie im Stiche gelassen.
Bei Rheumatismus, Gicht, bei skrophulösen Zuständen leisten Wickel und Hemden, in warmen Heublumenabsud eingetaucht, vortreffliche Dienste. Es verstände mich aber jener nicht recht, der bei den genannten Krankheitserscheinungen mit den Heublumen allein auszureichen meinte. Die einzelnen Fälle im dritten Teile tun dies zur Genüge dar.
Holunder, schwarzer. (Sambucus nigra L.)
Dem Hause am nächsten stand in den guten alten Zeiten der Holunderbusch; jetzt ist er vielfach verdrängt und ausgerottet. Es sollte kein Wohnhaus geben, wo er nicht gleichsam als Hausgenosse in der Nähe wäre oder wieder in die Nähe gezogen würde; denn am Holunderbaum sind wirksam die Blätter, die Blüten, die Beeren, die Rinde und die Wurzeln.
Zur Frühlingszeit sucht die kräftige Natur manche Stoffe, die sich im Körper den Winter über angesammelt haben, zu entfernen.[S. 133] Wer kennt nicht diese Zustände, die sogenannten „Frühlingskrankheiten,“ wie Ausschläge, Abweichen, Kolik und Ähnliches?
Wer durch eine Frühlingskur Säfte und Blut reinigen und verlegene Stoffe in leichter und natürlicher Weise ausscheiden will, der nehme 6–8 Blätter des Holunderbaumes, schneide sie klein, wie man Tabak schneidet, und lasse den Tee etwa zehn Minuten lang sieden. Dann nehme er in der ganzen Kurzeit täglich des Morgens nüchtern eine Tasse solchen Tees, eine Stunde später sein Frühstück.
Dieser einfachste Blutreinigungs-Tee säubert die Maschine des menschlichen Körpers in vortrefflicher Weise und ersetzt armen Leuten die Pillen und Alpenkräuter u. a., die in feinen Schachteln und Schächtelchen heutzutage die Runde machen und oft ganz sonderbare Wirkung tun.
Wie im Frühlinge, so kann diese Kur auch zu jeder anderen Jahreszeit vorgenommen werden. Selbst die gedörrten Blätter liefern guten Tee zur Auflösung und Reinigung.
Wer hat nicht schon von Holunder-Blüten zubereitete Kuchen (die schwäbischen sogenannten „Küchlein“) gegessen? Viele Leute backen dieselben gerade zu der Zeit, in welcher der Baum im weißen Frühlingsschmucke prangt, und sagen, diese Blütenkuchen schützen vor Fieber.
Ich kenne einen Ort, in den der Schüttelfrost sehr häufig Einzug hält. Dort sieht man im Frühling auf jedem Tisch diese Holunderblüten- oder Fieberkuchen. Spitzfindig und kritisch habe ich dies noch nie untersucht; die Leutchen mögen ganz ruhig bei ihrem Glauben bleiben; denn solche Kost ist gut und gesund.
Auch die Holunderblüte reinigt, daran zweifelt niemand, und es wäre gut, wenn in jeder Hausapotheke eine Schachtel gedörrter Blüten aufbewahrt würde. Der Winter ist lang und es kann Fälle geben, in denen ein derart lösendes und schweißtreibendes Mittelchen überaus treffliche Dienste leistet. Schaden kann solcher Tee niemals bringen.
Bei Organismen, in welche die Wassersucht Einzug halten, sich ansetzen will, treibt die Holunderwurzel, als Tee zubereitet, so kräftig Wasser aus, daß sie kaum von irgend einem andern Medikament übertroffen wird. Dabei ist die Wirkung ganz schuldlos.
Die Beere, welche zur Herbstzeit häufig gekocht und als Brei, als Mus gegessen wird, wurde von den Alten hochgeschätzt als Blutreinigungsmittel. Meine selige Mutter hat alle Jahre 14 Tage bis 3 Wochen lang eine solche Holunderkur vorgenommen. Dieses war der Hauptgrund, weshalb unsere Altvordern noch vor 50 bis 60 Jahren mindestens ein paar Holunderbäume vors Haus[S. 134] pflanzten. Wie die hohen Herrschaften heutzutage zu der teuren Traubenkur wandern, oft nach fernen Ländern, so gingen unsere Eltern und Großeltern in die Kur zum Hollunderbaum, der sie in nächster Nähe so billig und oft viel besser bediente. — Vor mehreren Jahren kam ich in ein österreichisches Alpenland. Da sah ich zu meiner großen Freude auch den Holunderbaum noch in Ehren. „Ja daran,“ sagte mir ein alter Bauer, „lassen wir keine Beere zugrunde gehen.“ Wie einfach, wie rationell (vernünftig!) Die Vögel selbst, ehe sie ihre Herbstwanderung antreten, suchen noch überall den Holunderbaum auf, um ihr Blut zu reinigen und ihre Natur zur weiten Wanderung zu stärken. Wie schade, daß der Mensch alle diese Naturtriebe, „den gesunden Sinn“ vor lauter Kunst und Gekünsteltem nicht mehr fühlt und achtet!
Wird die Beere mit Zucker oder besser mit Honig eingekocht, so dient diese Masse zur Winterszeit besonders solchen Leuten vorzüglich, die wenig Bewegung haben, die mehr zu ruhiger, sitzender Lebensweise verurteilt sind. Ein Löffel voll von solchem Eingekochten in ein Glas Wasser gerührt, gibt den herrlichsten Kühl- und Labetrunk ab, reinigt den Magen, wirkt auf Urinausscheidung und günstig auf die Nieren.
Viele Landleute dörren die Beeren. Verkocht man diese gedörrten Beeren zu Brei oder siedet man sie ab zu Tee oder ißt sie dürr, in allen Formen wirken sie sehr gut bei heftigem Abweichen.
Weil man sich an die überaus guten Dienste des Holunderbaumes, dieses treuen und früher so geachteten Hausfreundes, nicht mehr erinnerte, deshalb hat man denselben vielfach verworfen. Daß der alte Freund wieder zu neuem Ansehen kommen möchte!
Honig.
Die früheren Generationen behaupteten, junge Leute sollten ja nicht viel Honig essen, er sei für sie viel zu stark; den Alten dagegen „helfe er nochmals auf den Gaul“.
Ich habe den Honig vielfach verwendet und stets gefunden, daß er von vorzüglicher Wirkung ist. Er wirkt lösend, reinigend, stärkend.
Als Beimischung zu Tee für Katarrhe und Verschleimungen benützt man den Honig seit langer Zeit.
Die Landleute verstehen es gut, für äußere Geschwüre die Honigsalbe anzuwenden. Wer nicht die Gewandtheit besitzt, solche Geschwüre mit Wasser zu behandeln, dem rate ich entschieden, vor jeder anderen Schmiererei nach diesem einfachen, unschädlichen und wirksamen Mittel zu greifen. Die Bereitung ist[S. 135] höchst einfach. Man nimmt halb Honig, halb weißes Mehl und rührt die Mischung durch Zugießen von wenig Wasser gut durcheinander. Die rechte Honigsalbe soll ziemlich fest, nicht flüssig sein.
Auch nach innen wirkt der Honig bei verschiedenen kleineren Übeln heilkräftig.
Kleinere Magengeschwüre soll er rasch zusammenziehen, reifen und ausheilen. Ich würde nicht raten, den Honig rein, dagegen es sehr anempfehlen, den Honig mit einem passenden Tee vermengt zu nehmen. Ohne Beimischung wirkt dieser edle Extrakt zu stark; noch bevor er den Hals passiert, hat er diesen schon „rauh“ gemacht.
Wem das Schlucken wegen Katarrh oder eines ähnlichen Uebels schwer geht, lasse einen Kaffeelöffel Honig in ¼ Liter Wasser aufkochen. Jeder Sänger hat so das herrlichste und süßeste Gurgelwasser. Selbst wenn ein Tropfen hinunterrinnt, braucht man sich vor dem Magenverderben und Vergiften nicht zu fürchten.
Das reinigende und stärkende Honig-Augenwasser ist bekannt. Siede einen Kaffeelöffel Honig in ¼ Liter Wasser fünf Minuten lang; alsbald kannst du das Augenläppchen eintauchen.
Eines noch liegt mir am Herzen. Ich kenne einen Herrn von mehr als achtzig Jahren. Dieser bereitet sich seinen Tischwein täglich selbst. Er gießt einen Eßlöffel echten Honig in siedendes Wasser und läßt dieses eine Weile kochen. Der Trank ist fertig; er soll gesund sein, kräftigen und vortrefflich munden. „Meine Gesundheit und meine Rüstigkeit in solchem Alter,“ meinte der Greis, „verdanke ich diesem Honigwein.“ Mag sein! Soviel kenne ich aus eigener Erfahrung (ich habe sehr viel Honigwein bereitet, sehr viel trinken sehen, selbst auch manchmal ein Glas getrunken): dieser Wein wirkt lösend, reinigend, nährend und stärkend. Nicht nur dem schwachen, auch dem starken Geschlechte würde so ein Trank alle Ehre machen. Ich denke dabei stets an den Honigmet der alten Deutschen. Diesem unverfälschten Biere schrieben sie, wie Tacitus erzählt, hauptsächlich ihre Gesundheit und ihr hohes Alter zu. Wer als echter Sohn urdeutscher Väter sich einmal also gestimmt fühlt, kann das Rezept dieses außer Gebrauch gekommenen Getränkes auf Seite 161 finden.
Huflattich. (Tussilago farfara L.)
Der Schöpfer hat manches Kraut und manche Pflanze wachsen lassen, die man wenig achtet oder gar verachtet, so daß man eine Freude hat, einer solchen Pflanze einen Fußtritt geben zu können.[S. 136] Dieses Schicksal trifft auch den Huflattich, weil er gewöhnlich als das reinste Unkraut gilt. Wer aber diese Pflanze kennt, wird sie hochschätzen und als vorzügliches Hausmittel behandeln.
Zum Reinigen der Brust und zum Säubern der Lungen ist es sehr ratsam, Lattichtee zu trinken. Engbrüstigkeit und Husten kann recht leicht durch diese eine Pflanze gehoben werden, besonders wenn eine Anlage zur Schwindsucht vorhanden ist. Diese Blätter können, auf ein Tuch geheftet oder auch ohne dasselbe, auf die Brust gelegt werden. Sie ziehen die Hitze aus, hemmen Schwächen oder entfernen die Fieber. Vorzüglich wirken diese Blätter auf offene Geschwüre gelegt; sie nehmen die Hitze, den Zuschlag (Röte) und ziehen die schädlichen Stoffe nach außen.
Ganz besonders wirksam zeigen sich die Blätter bei offenen Füßen, wenn die Stellen blau und schwarz, stark entzündet sind; sie nehmen die Hitze und den Schmerz, und wiederholt aufgelegt sind sie ein ausgezeichnetes Heilmittel. Also bei hitzigen Geschwüren, bei Rotlauf, Gesichtsrose und ähnlichen Zuständen haben wir im Huflattich ein vorzügliches Mittel. Diese Huflattichblätter können auch im Schatten getrocknet, zu Pulver gerieben und als solches eingenommen werden; täglich zwei- bis dreimal jedesmal ein bis zwei Messerspitzen voll; dieses Pulver kann sogar in der Kost genommen werden.
Johanniskraut. (Hypericum perforatum L.)
Das Johanniskraut führte seiner großen Wirkungen wegen früher den Namen Hexenkraut. Heutzutage sind seine Leistungen und es selbst ganz vergessen.
Dieses Heilkraut übt besonderen Einfluß aus auf die Leber; sein Tee ist ihr vorzüglichstes Heilmittel. Eine kleine Beimischung von Aloëpulver erhöht die Wirkung, die sich im Urin zeigt, der oft ganze Flocken unreiner Krankheitsstoffe mitschwemmt.
Kopfleiden, die von wässerigen Stoffen oder Verschleimungen im Kopfe, auch von zum Kopfe dringenden Gasen herrühren, Magendrücken, leichte Verschleimungen von Brust und Lunge heilt Tee von Johanniskraut in Bälde.
Mütter, denen kleine Bettnässer viel Arbeit und Sorge bereiten, wissen von der stärkenden Wirkung solchen Tees manches zu berichten.
In Ermangelung von Johanniskraut wende man für all die genannten Zustände die Schafgarbe (Achillea millefolium L.) an.
Kamille. (Matricaria chamomilla L.)
Kamillentee wird bei Erkältungen, besonders wenn diese fieberartige Zustände begleiten, bei Grimmen (heftigem Leibweh),[S. 137] Krämpfen, starken Kongestionen usw. verwendet; die Kamillensäckchen sodann, die trefflichen Wärmer bei verschiedenen Zuständen, sind in jedem Hause so liebe Bekannte, daß es überflüssig erscheint, darüber ein Weiteres zu sagen.
Kampher. (Laurus Camphora L.)
Die Anwendung von Kampher ist eine allgemein bekannte und geübte. Derselbe wirkt lindernd, erweichend, schmerzstillend.
Zur Verwendung kommt der Kampher im Kampherspiritus und im Kampheröl.
Der Kampherspiritus wird bereitet, indem man ein Stück Kampher, so groß wie eine Haselnuß, in einem viertel Liter Spiritus auflöst, und dient nur äußerlich zum Einreiben bei Quetschungen, Verrenkungen, rheumatischen und krampfhaften Zuständen. Viele benützen ihn zur Stärkung und Kräftigung irgendeines Gliedes; sie tun vollkommen recht.
Kampher, in Baumöl, Salatöl oder Mandelöl so lange gerieben, bis er aufgelöst ist, gibt das Kampheröl. Es erweist sich als vortrefflich zu Einreibungen bei Rheumatismus und Rückenschmerzen und lindert die großen Schmerzen, welche Gichtarten und ähnliche Geschwülste und Verknorpelungen verursachen.
Kleie.
Wie unbegreiflich wir Menschen uns in manchen Stücken benehmen, das zeigt so recht, wenn auch nur in einem kleinen, unscheinbaren Punkte, die Behandlung der Kleie. Jede Dienstmagd wirft die Kleie den Schweinen vor, die Kleie, die, ich möchte sagen, gesündere und kräftigere Nährstoffe enthält als das Mehl selbst. Viel vernünftiger würde diejenige Hausmutter handeln, welche die nahr- und heilkräftige Kleie sorgfältig in selbsteigenen Verwahr nähme und dieses edle, nahrhafte und gesunde Heilmittel ihren schwachen Kindern gönnte.
Schwächlingen, Rekonvaleszenten und Kindern ist nichts lieber als leichtverdauliche Speisen. Was die schwächste Natur noch verarbeiten kann, ist ein Absud der Kleie, gleichsam der Extrakt der Frucht selbst.[24]
Man nehme Weizen- oder Kornkleie und koche sie drei Viertelstunden in heißem Wasser. Dann presse man die Kleie aus, mische in den Absud Honig und lasse die Mischung nochmals[S. 138] eine Viertelstunde aufkochen. Von dem fertigen Kleientrunke nehme der Patient zweimal im Tage je einen Viertelliter. Semmelbrot, das er in den süßen Saft taucht, wird ihm sehr gut schmecken.
Für Kinder und alte Leute weiß ich kaum einen besseren Trank; mit Dank werden dieselben stets dieses Labsal begrüßen.
Daß wir alle doch wieder einfacher, genügsamer, natürlicher zu werden strebten! Gott gebe es; viel hängt davon ab!
Knochenmehl.[25]
Von diesem Knochenkohlenpulver bereite ich mir stets drei Sorten. Die erste Sorte ist das sogenannte
a) Schwarze Pulver.
Ich nehme gesunde Knochen eines gesunden, geschlachteten Stückes Vieh und setze dieselben so lange der Glühhitze aus, bis die Knochen zu Kohle verbrannt sind. Diese schwarzen Knochenkohlen werden fein zerstoßen, und das überaus einfache und unschädliche schwarze Pulver ist fertig.
Als zweite Sorte verwahre ich das sogenannte
b) Weiße Pulver.
Ich brenne die Knochen wie Kalk, d. h. so lange, bis sie das Aussehen haben wie frischgebrannter Kalk. In der Tat habe ich ja auch der Hauptsache nach Kalk vor mir; denn die beigemengten Salze oder anderen Stoffe bilden bei weitem den kleinsten Teil. Die verkalkten Stoffe werden wieder pulverisiert, d. h. zu Pulver zermalmt, und ich habe ein Pulver, welches das Ansehen hat wie Kreidemehl, das sogenannte weiße Pulver.
Eine dritte Sorte nenne ich das
c) Graue Pulver.
Ein Teil weißes Pulver, ein Teil schwarzes Pulver, ein Teil zerstoßener weißer Weihrauchkörner dürften in der Farbenmischung ungefähr auf grau herauskommen. Daher der Name.
Wer meine Bemerkungen zu der Rubrik „Kreidemehl“ gelesen hat, wird verstehen, weshalb das Knochenkohlenpulver in meiner Hausapotheke eine Rolle, und zwar eine sehr wichtige Rolle spielt.
Nach schweren Krankheiten und bei Patienten, die recht geschwächt, an Kräften tief heruntergekommen sind, ist die Wirkung am auffallendsten. Ich selbst konnte manchmal mein Staunen nicht unterdrücken.
Unklar könnte erscheinen, weshalb ich drei verschiedene Pulver von denselben Knochen bereite. Die drei Arten des Knochenkohlenpulvers entsprechen verschiedenen Arten der Schwäche, an welcher die Patienten leiden.
Rekonvaleszenten, die eine Kräftigung des Gesamtorganismus notwendig haben, selbst Kinder, die wie verkümmerte Waldbäumlein ein elendes Dasein fristen und, man weiß nicht warum, mit den Jahren doch nicht an Kraft zunehmen (hieher zählen besonders die Kinder, welche an der sogenannten Englischen Krankheit leiden), bekommen das schwarze Pulver täglich in Wasser oder in der Speise, ein bis zwei Messerspitzen.
Patienten, bei denen ich sehe, daß die Maschine nur langsam und träge arbeitet, daß es mit der Verdauung und Blutbildung schlecht bestellt ist, daß manche Bestandteile des Körpers nur karg und unregelmäßig das bekommen, was sie zum Wachstum, zum Ansatze notwendig brauchen, daß insbesondere das Knochengerüste wie ein baufälliges Mauergerüst wackelt und am Zusammenbrechen ist, solche bekommen das weiße Kalkpulver. Wie die Mutter dem ganz Kleinen Mehlbrei gibt, der dem noch zahnlosen Milchkindlein mund- und magengerecht ist, so bediene ich sozusagen die armen, hungrigen Knochen mit Knochenmehl, auf daß sie einzeln und im Ganzen wieder zusammenhalten.
Wie die Beimischung des Weihrauches besagt, wird das graue Pulver insbesondere denjenigen Patienten oder Rekonvaleszenten verabreicht werden, bei denen die inneren Gefäße in großem Schwächezustande sind.
Nun hast du, lieber Leser, das Geheimnis vom schwarzen, weißen und grauen Pulver, von dem viele, sehr viele Patienten zu erzählen wissen, und worüber schon so viel geraten und disputiert worden ist. Glaube mir, durch diese Pulver allein hätte ich ein reicher Mann werden können! Ich verabscheue und verurteile im Prinzip die Geheimmittelei und stimme vollkommen jenen bei, welche dieselbe als Pfuscherei und Quacksalberei brandmarken und verdammen. Meine Mittel brauchen das hellste Tageslicht nicht zu scheuen. Jeder prüfe und wähle das Beste!
Kohlenstaub.
Kohlenstaub wird stets aus Holzkohle bereitet. Den feinsten und besten liefert das Lindenholz, den selbst manche Apotheker bereiten. In Ermangelung von Lindenholzkohlen reicht jede Holzkohle aus. Je frischer sie ist, desto bessere Dienste tut sie. Die frischeste Kohle ist die soeben aus dem Feuer geholte. Zerdrücke sie fein und du hast den oben genannten Kohlenstaub!
Nach Krankheiten, in denen die Verdauungsorgane schwer gelitten haben, erleichtert diese unsere Kohle die Arbeit um ein gutes[S. 140] Stück. Es klingt vielleicht sonderbar, aber es ist so. Am leichtesten nehmen solche Rekonvaleszenten den Kohlenstaub in Milch mit etwas Zucker. Das Quantum darf täglich einen mittleren Eßlöffel ausmachen und auf einmal oder in zwei Malen genommen werden.
Auszehrende dürfen täglich im ganzen zu verschiedenen Zeiten zwei Schoppen Milch trinken und in jeden Schoppen (Glas) einen Löffel Kohlenstaub mischen.
Besondere Wirkung erzielt man bei Leberkrankheiten. Das Pulver werde wieder in Milch genommen.
Auf alle eiternden, netzenden Geschwüre gepudert, täglich ein- bis zweimal, saugt der Kohlenstaub auf und befördert und beschleunigt durch diese Auftrocknung die Neubildung der Haut.
Kreidemehl.[26]
Wer hat nicht schon gesehen, wie nicht allein die Hühner, sondern auch andere Haustiere Körnchen von Kalk oder Mörtel verschlucken? Und wer hat nicht schon gehört, wie es notwendig geworden ist, vor manchem Kinde die Schulkreide zu verstecken, weil es sonst dieselbe entwendet und mit leidenschaftlichem Behagen das Stück wie Zucker zerbeißt und ißt?
Sollte die Kreide bei manchen Zuständen dem Menschen in der Tat dienlich sein? Obige Vorkommnisse mahnen zu reiflichem Nachdenken. Ich habe Kreidemehl in großen Quantitäten selbst angewendet und viele es anwenden lassen. Die Erfolge waren ganz merkwürdige, d. i. überaus günstige.
Die Kreide enthält Kalk, Schwefel und andere Stoffe oder sagen wir lieber Baumaterialien, welche der menschliche Körper notwendig braucht, insbesondere zum Bau des Knochengerüstes, dieses herrlichen und kunstfertigen Baues des tüchtigsten Baumeisters.
Bei Schwächlingen könnte der Bau mißraten oder an Festigkeit einbüßen; es fehlt ihnen gleichsam der gute Kalk, der alles andere, Sand und Steine, bindet.
Diesen, selbst Kindern, die recht schwach sind, gebe ich Kreidemehl, täglich eine Messerspitze in Wasser oder in der Speise. Da das Mehl geschmack- und geruchlos ist, nimmt man es sehr leicht.
Wer an schwacher Verdauung leidet, wer überhaupt bei aller Pflege nicht recht wachsen oder gedeihen will, probiere einmal täglich das oben angegebene Quantum Kreidemehl.
„Hier ist gegypst,“ ließ Franklin mit solchem oder wenigstens ähnlichem Kreidestaub auf ein herrlich prangendes Kleefeld in großen[S. 141] Lettern schreiben. „Bei diesem oder jenem wurde gekreidet,“ könnte ich von vielen Patienten sagen, die mir unter die Hände geraten sind.
Vor allen anderen Kranken empfehle ich diesen weißen Staub Bleichsüchtigen, die jeden Tag nicht eine, sondern zwei Messerspitzen — die eine in der Frühe, die andere abends — nehmen sollen. Ihr Weiß wird dieses Weiß bald wieder ins gesunde, lebensfrische Rot verwandeln.
Wirksamer noch als Kreidemehl ist Knochenmehl.
Kümmel (Carum Carvi L.)
siehe oben unter „Fenchel“ S. 128.
Lavendel, Spike (Lavandula vera DC.)
siehe unten S. 147 bei „Spiköl“.
Lebertran.
Ein tüchtiger Militärarzt tat mir gegenüber einst den Ausspruch: „Mit Lebertran wird großer Unfug getrieben, und schlechter Lebertran hat oft schon recht bittere Folgen nach sich gezogen. Es gibt Inseln, dort wirkt er bei skrofulösen Zuständen. Sonst aber verachte ich ihn.“
Niemand ist an dieses Urteil gebunden. Ich für meine Person verwende denselben nie. Als Heilmittel gilt er mir nicht, und da ich schlechten Lebertran als Nährmittel fürchte, gebe ich zur Nahrung anderes, welches das reichlich ersetzt und bringt, was Lebertran bringen soll.
Leinsamen. (Linum usitatissimum L.)
Die Leinsamenumschläge oder Aufleger sind allbekannt und allgemein in Übung. Mit denselben erzielt man ähnliche Wirkung (kühlend, aufweichend, lösend, ausziehend) wie mit Foenum graecum. Ich gebe letzterem den Vorzug, da es mit mehr Kraft und Energie den Feind angreift.
Lindenblüten. (Tilia grandifolia und parvifolia Ehrh.)
Fast nur noch ältere Leute der alten Schule sammeln die einst so beliebten Lindenblüten. Sie haben ganz recht und mögen nur treu und konservativ bleiben.
Der Lindenblütentee ist neben dem Holunderblütentee der bekannteste Schwitztee. Über das Schwitzen, wie es in der Regel betrieben, vielmehr dem mißhandelten Körper ausgepreßt wird, habe ich meine für dasselbe nicht günstigen Sonderansichten. Dagegen verwende ich die Blüten sehr gerne für die den Schweiß erzeugenden und das Schwitzen ersetzenden Dämpfe.
Trefflich wirkt solcher Tee bei altem Husten, bei Verschleimungen der Lunge und Luftröhre, bei Unterleibsbeschwerden, die ihren Ursprung in der Verschleimung der Nieren haben.
Statt der Lindenblüten verwende ich vielfach das Johanniskraut mit oder ohne Mischung von Schafgarbe; siehe oben JohanniskrautSeite 136.
Lungenkraut
siehe unten S. 148.
Malve oder Stockrose. (Althaea rosea L.)
Unter den Blumen im Garten dürfen die Malven nicht fehlen. Als der gute Schöpfer ihre uns erfreuende Blüte malte, hat er mit der Farbe in jedes Blättchen einen Tropfen Heilsaft gegossen.
Die Malvenblüten, besonders die der schwarzen Malve, als Tee bereitet, heilen Halsgebrechen und lösen Verschleimungen auf der Brust. Gewöhnlich mischt man diese Blüten mit jenen des Wollkrautes.
Zu Dämpfen, mögen dieselben zum Einatmen oder insbesondere als Ohrendämpfe dienen, erweist sich die Malve als sehr nützlich.
Mandelöl.
Das süße Mandelöl soll unter den Ölen der Hausapotheke einen der ersten Plätze einnehmen. Dasselbe wirkt bei verschiedenen Leiden und Gebrechen, innerlichen wie äußerlichen, lindernd, kühlend, lösend.
Bei Verschleimungen in der Luftröhre, im Magen löst es auf und stellt in letzterem Falle den Appetit und die Verdauung wieder her.
Bei Entzündungen, besonders bei der gefürchteten Lungenentzündung, kühlt es. Solche Kranke sollen täglich drei- bis viermal je einen Kaffeelöffel Mandelöl einnehmen.
Äußerlich angewendet dient dieses Öl vorzüglich bei den verschiedenen Ohrenleiden. Bei Ohrensausen, Ohrenreißen, Ohrenkrampf, bei verhärtetem Ohrenfett ist Mandelöl das beste mir bekannte schmerzstillende, eventuell auflösende Mittel. Man gieße sechs bis acht Tropfen in das leidende Ohr und verstopfe dieses mit Baumwolle.
Wer durch Erkältung, Zugluft, rheumatische Zustände am Gehör gelitten hat, gieße den einen Tag in das eine Ohr sieben bis acht Tropfen, den andern Tag in das andere ebensoviel und verstopfe jedesmal die Öffnung. Nach einigen Tagen kann er, mit lauwarmem Wasser das innere Ohr ausspülend, nach dem Erfolge forschen. Besser noch ist der Patient daran, welcher sich durch einen Sachverständigen sachte mit einem Ohrenspritzchen behandeln läßt.
Geschwülste mit großen Hitzen (Entzündungen) sollen mit Mandelöl zart eingerieben werden; es lindert den stechenden Schmerz und kühlt die brennende Hitze.
Die sogenannten „Schrunden“ der Landleute, die manchmal recht wehe tun, die durch Sitzen, Liegen, Reiten usw. entstandenen Wunden, mögen diese was immer für einen Körperteil peinigen, werden durch Anwendung (gelindes Einreiben) mit süßem Mandelöl vortrefflich behandelt.
Wer unser Öl nicht besitzt, nehme statt dessen Salatöl; siehe unten Seite 146.
Minze, Pfeffer- und Wasser-Minze. (Mentha piperita L. und Mentha aquatica L.)
Pfeffer- (im Garten) und Wasser-Minze sind verwendbar und in ihren Wirkungen wenig verschieden. Der Wasserminze, die stärker wirkt, gebe ich den Vorzug. Die Minze zählt zu den Hauptmitteln, welche den Magen stärken und die Verdauung befördern. Schon der würzige Geruch zeigt an, daß dieses Kräutchen bezüglich seiner Heilkraft einen vornehmen Platz einnehmen müsse.
Wer Minzenkräuter bei heftigem Kopfweh auf die Stirne bindet, wird bald schon ein Nachlassen und eine Beruhigung fühlen.
Minzentee, jeden Morgen und jeden Abend eine Tasse, befördert die Verdauung und macht das Aussehen gesund und frisch.
Denselben Dienst tut das Pulver, wenn ich täglich ein bis zwei Messerspitzen desselben in Speisen oder in Wasser nehme.
Durch Krankheit sehr Geschwächte, bei jeder Kleinigkeit vom Herzklopfen Befallene, viel an Übelkeiten und häufigem Erbrechen Leidende sollen den Tee und das Pulver der Minze recht oft gebrauchen.
Minzen-Tee, in halb Wasser und halb Wein bereitet, mehrere Tage hindurch täglich eine Tasse genommen, nimmt den übel- und faulriechenden Atem.
Minzenabsud, mit Essig bereitet, von Zeit zu Zeit löffelweise (ein bis zwei Kaffeelöffel) genommen, stillt das Blutbrechen.
Minzen, in Milch wie Tee bereitet und warm getrunken, benehmen die Unterleibsschmerzen.
Daß doch jede Hausfrau diesen wohledlen Pflänzchen neben der Raute ein Eckchen im Garten anweisen möchte! Sie lohnen die Mühe allein schon durch den ungemein erfrischenden Wohlduft, den sie bei jeder Berührung freigebigst in unsere Hand legen.
Mistel. (Viscum album L.)
Diese Schmarotzerpflanze, die insbesondere auf alten Bäumen gut gedeiht, ist gleichwohl eine treffliche Heilpflanze. Ihre Heilwirkungen erstrecken sich in erster Linie aufs Blut, und ich kann den Müttern nicht genug ans Herz legen, recht gute Bekanntschaft mit diesem Kraute zu machen.
Tee von Mistel stillt Blutflüsse. Ich könnte eine Reihe von Fällen aufzählen, bei denen eine einzige Tasse zur Stillung genügt hat.
Auch bei anderen Störungen im Blutumlaufe kann diese Pflanze und ihr durchaus unschädlicher Tee zu Rate gezogen werden.
Mit Misteln kann man (zur Hälfte) Zinnkraut mischen; auch Santala, ein rotes Pulver, dient gut zur Beimengung; siehe „Santala“ unten S. 146.
Nelkenöl.
Das Nelkenöl wirkt ähnlich wie das Mandel- und das Salatöl, mit denen es auch häufig vermischt wird.
Als besonders dienlich hat es sich mir erwiesen gegen faule Gase und verdorbene, faule Säfte und Stoffe im Magen.
In der Regel nimmt man das Nelkenöl auf Zucker, täglich ein- bis zweimal, je 4 bis 6 Tropfen.
Raute, Garten- oder Wein-Raute. (Ruta graveolens L.)
Diese edle, heilkräftige Pflanze ist leider noch allzu wenig bekannt, das heißt in ihren vorzüglichen Wirkungen anerkannt. Die Pflanzen reden zu uns durch ihren Geruch. Wie klar und durchdringend meldet die Raute ihren guten Willen, uns Menschen, für die sie geschaffen, zu helfen, verschiedenes Leid zu lindern, als wenn jedes der kleinen Blättchen gleichsam ein Zünglein wäre. Daß wir dieses Sprechen stets verstünden!
Die Raute wirkt, wie und wo immer sie angewendet wird, stärkend und kräftigend.
Wer nur ein Blättchen kaut, kann diese Wirkung alsbald auf der Zunge verspüren. Dazu erquickt sein Geschmack die ganze Mundhöhle; er tut wohl und hält an wie Weihrauchduft, der ein Haus erfüllt.
Bei Kongestionen, das ist Blutandrang zum Kopfe bei Eingenommenheit des Kopfes, bei Schwindel bewährt sich Tee von Raute vortrefflich; nicht minder bei Atmungsbeschwerden, Herzklopfen und allen Unterleibs-[S. 145] Beschwerden und -Zuständen (Krämpfen usw.), die in Schwäche des Gesamtkörpers oder einzelner Organe ihren Grund haben. Ich empfehle diesen Tee insbesondere allen jenen Personen, die zu den genannten Schwächen, zu Krämpfen, Hysterie usw. Anlage verraten.
Wer Raute in Spiritus ansetzt, kann statt des Tees bei den bezeichneten Übeln täglich (höchstens) zweimal 10 bis 12 Tropfen auf Zucker nehmen.
Rautenöl wird ebenso genommen. Die Bereitung des letzteren geschieht folgendermaßen: Gedörrte Rautenblättchen werden zerquetscht und in ein Glas gebracht. Daran gießt man feineres Salatöl und stellt das Glas längere Zeit an die Wärme. Später gießt man den Inhalt ab und nimmt ihn, wie angegeben, tropfenweise.
Rosmarin. (Rosmarinus officinalis L.)
Ein Sträußchen von Rosmarin darf am Hochzeitstage keinem Gaste, bei solennen Festlichkeiten keinem rechten Teilnehmer fehlen. Eine Schande aber wäre es nicht minder, wenn dem Sammler für die Hausapotheke dieses würzige Kraut entginge.
Rosmarin ist ein vorzügliches Magenmittel. Als Tee zubereitet und getrunken reinigt er den Magen von Verschleimungen, bewirkt guten Appetit und gute Verdauung. Wer gerne das Medizinglas auf seinem Tisch oder Stuhl prangen sieht, diesen Tröster in Krankheiten, der fülle ein solches mit Rosmarintee und nehme morgens und abends je zwei bis vier Eßlöffel voll. Der Magen wird bald Raison annehmen, d. i. nicht mehr lange in der Verschleimung stecken bleiben.
Rosmarinwein sodann, in kleinen Portionen getrunken, hat sich als treffliches Mittel gegen Herzgebrechen bewährt. Er wirkt beruhigend und bei Herzwassersucht stark auf Ausscheidung durch den Urin.
Dieselben Dienste leistet solcher Wein bei der Wassersucht überhaupt.
In beiden Leiden nehme man täglich morgens und abends 3 bis 4 Eßlöffel oder ein kleines Weingläschen von dem angenehmen Tranke, an den man sich bald gewöhnen wird.
Zur überaus einfachen Bereitung schneide man eine Handvoll Rosmarin möglichst klein, bringe das Zerschnittene in eine Flasche und gieße diese mit gutem, gelagertem (am besten Weiß-) Weine auf. Nach einem halben Tage schon ist der Abguß als Rosmarinwein verwendbar.
Dieselben Blättchen können zu einem neuen Ansatze nochmals verwendet werden.
Salatöl.
Salatöl ist jede Sorte (Art) von Öl, die zur Bereitung der Speisen, besonders des Salates verwendet wird. Im Handel nennt man es gewöhnlich Tafelöl, Tischöl oder Speiseöl. Die edelste, vorzüglichste dieser Sorten bildet das reine, feine Olivenöl.
Man lese das über das Mandelöl Gesagte nach; wenn dieses abgeht, kommt Salatöl in Verwendung. Bei geringem Vorrate von Mandelöl kann ihm Salatöl beigemischt werden.
Das hier genannte Salatöl soll reines Provenceröl oder wenigstens reines Repsöl sein.
Die Art der Verwendung (das Wie und Wo) ist dieselbe wie jene des Mandelöles.
Salbei, Garten-Salbei. (Salvia officinalis L.)
Wer ein Gärtchen beim Hause hat, wird, wenn er es neu anlegt, den Salbeistock nicht vergessen; er ist eine hübsche Zierpflanze. Oft habe ich’s gesehen, daß Vorübergehende ein Blatt nahmen und damit die schwarzen Zähne rieben. Dieses besagt, daß Salbei reinigende Kraft besitzt.
Alte, eiternde Schäden (Wunden), mit Absud von Salbei ausgewaschen oder überbunden, heilen sicher und schnell.
Verschleimungen in Gaumen, Hals und Magen entfernt Tee von Salbei.
Salbei, den man wie Tee in Wasser und Wein absiedet und trinkt, reinigt Leber und Nieren.
Kräftiger sind die genannten Wirkungen, wenn mit Salbei Wermut (halb und halb) vermengt und die Mischung als Tee zubereitet wird.
Pulver dieser Heilpflanze, wie Pfeffer, Zucker oder Zimmt auf Speisen gestreut, leistet bei den verzeichneten Leiden dieselben Dienste wie Tee.
Santala.
Santala ist ein rotes Pulver vom Santelholzbaum, eigentlich zum Rotfärben dienend; es kann in jeder Apotheke gekauft werden.
Ich mische dieses ganz harmlose Heilmittel stets mit dem Tee von Misteln, indem ich zu einem Eßlöffel Mistelblätter zwei Messerspitzen Santala nehme und so die Wirkung besagten Tees verstärke; s. oben unter „Mistel“ S. 144.
Sauerkraut.
Auch dieses bekannte Heilmittel möge hier seine wohlverdiente Stelle finden.
Bei Verwundungen, Verbrennungen und anderen derartigen Zufällen, bei großen Hitzen, zur Auflösung und Ausleitung alter Schäden usw. tun Auflagen frischen (der Krautstande eben entnommenen) Sauerkrautes ausgezeichnete Dienste.
Man sehe bei den betreffenden Krankheiten selbst nach.
Das Heilmittel ist für Landleute zumal um so beachtenswerter, je leichter und schneller sie dasselbe zur Hand haben.
Schafgarbe (Achillea millefolium L.)
siehe oben Seite 136.
Schlüsselblume. (Primula officinalis L.)
Nur die dunkelgelbe Schlüsselblume hat Wert für die Hausapotheke. Schon der Geruch verrät, daß in all diesen Blütenkelchen eine besondere Heilflüssigkeit stecken müsse. Kaut man zwei bis drei dieser gelben Trichterchen, so fühlt man recht gut, welch medizinischen Gehalt sie bergen.
Wer Anlage hat zur Gliedersucht, zur Gliederkrankheit oder schon an diesen Gebresten leidet, trinke längere Zeit hindurch täglich eine Tasse Schlüsselblumentee. Die heftigen Schmerzen werden sich lösen und allmählich ganz verschwinden.
Spiköl.
Spiköl oder Lavendelöl ist in jeder Apotheke leicht zu kaufen. Es darf unter den Hausmitteln nicht fehlen.
Täglich zu zwei Malen, je zu fünf Tropfen auf Zucker eingenommen, befördert es die Verdauung und macht guten Appetit.
Wer an Blähungen leidet, an Kopfweh infolge von aufsteigenden Gasen, an Uebelkeiten, nehme Spiköl wie oben angegeben.
Bei Gemütsleidenden habe ich dasselbe sehr oft mit bestem Erfolge verwendet, und ich behaupte, daß die Heilung in sehr vielen Fällen mit der Entfernung der namentlich auf das Gehirn schlimm einwirkenden Gase zusammenhängt. Nach meinem Dafürhalten schenkt man in der Behandlung Kranker diesen Gasen viel zu wenig Aufmerksamkeit. Wer je an Blähungen gelitten hat, weiß zu erzählen, welch’ fatale Rolle diese im Körper wütenden Winde und Stürme spielen.
Bei Appetitlosigkeit, Kongestionen, Schwindel und all den mannigfaltigen Kopfleiden mag man sich an die anfangs gegebene Verordnung halten.
Spitzwegerich. (Plantago lanceolata L.)
Wenn die Landleute sich bei ihren Arbeiten verwunden, so suchen sie rasch Blätter von Spitzwegerich und ruhen nicht mit[S. 148] Drücken und Kneten, bis das etwas störrige Blatt sich einige Tropfen auszwingen läßt. Diese bringen sie entweder direkt in die frische Wunde, oder sie befeuchten damit ein Läppchen, das sie an den wunden Teil bringen.
Verweigert das Blatt seinen Heilsaft, läßt es sich bloß mürbe und etwas feucht reiben, so legen die Leute die mürben Blätter selbst auf. Ist dabei Gefahr der Blutvergiftung? Das kennt der Spitzwegerich nicht. Ein solcher Verband ist der erste, aber manchmal der beste Notverband; denn die Heilung solcher Wunden geht rasch vor sich. Wie mit Goldfäden näht der Wegerichsaft den klaffenden Riß zu, und wie an Gold sich nie Rost ansetzt, so flieht den Spitzwegerich jede Fäulnis und faules Fleisch. — Die Wirkung dieser Pflanze nach innen ist nicht minder vorteilhaft. Daß doch Hunderte von Menschen im Frühjahr oder Sommer diese Heilblätter sammelten, zerquetschten, die Säfte auspreßten und tränken! Zahllose innere Gebrechen, die aus dem unreinen Blute und den unreinen Säften wie Giftpilze hervorschießen, würden nicht eintreten. Das sind Wunden, die freilich nicht bluten, aber vielfach noch gefährlicher sind.
Die gedörrten Blätter von Spitzwegerich geben gleichfalls eine prächtige Teepflanze ab gegen innere Verschleimung. Die Zeitungen bringen oft lange Anpreisungen der vortrefflichen Wirkungen von Spitzwegerich, noch längere über die da oder dort bereiteten Spitzwegerichsäfte.
Mancher kauft solche Sachen um sein teures Geld. Guter Bauersmann! Mache selbst den Sammler und den Zubereiter und den Apotheker! Du darfst dir keine Grillen machen. Eines weißt du: du hast echte Ware.
Mit gedörrten Spitzwegerichblättern kann zu Tee sehr gut das Lungenkraut (Pulmonaria officinalis L.) verbunden werden (halb und halb).
Tausendguldenkraut. (Erythraea centaurium L.)
Welch merkwürdige Namen unsere Voreltern manchem Kräutchen beilegten! Sie kannten eben noch deren Wert. Unser Kraut muß bei denselben in hoher Geltung und Schätzung gestanden sein. Seine Verwendung kündigt schon der sehr bittere Geschmack an, der es begleitet.
Tee von Tausendguldenkraut leitet die Magenwinde aus, verdrängt unbrauchbare und ungesunde Säuren, unterstützt und verbessert die Magensäfte, wirkt vorteilhaft auf Nieren und[S. 149] Leber. Er ist das beste Mittel gegen Sodbrennen oder, wie die Landleute sagen, gegen den Magensod.
Wer an Störungen im Blut, besonders an Blutmangel, Blutwallungen usw. leidet, suche Rat und Hilfe beim Tausendguldenkraut.
Der Name lautet auf eine hohe Summe; die Hilfe spendet das Kräutchen einem jeden umsonst.
Veilchen. (Viola odorata L.)
Dieses liebliche, wohlduftende Frühlingsblümchen soll mit seinem Heildufte auch unsere Hausapotheke erfüllen.
Wenn zur beginnenden Frühlingszeit infolge des oftmaligen Witterungswechsels die Kinder starken Husten oder Keuchhusten bekommen, koche die besorgte Mutter eine Handvoll grüner oder gedörrter Veilchenblätter (auch die Wurzeln des Blümchens können benützt, müssen aber vor dem Absieden zerquetscht werden) in einem Viertelliter siedenden Wasser ab und gebe dem Kinde nach je zwei bis drei Stunden jedesmal zwei bis drei Löffel solchen Tees. Erwachsende heilen den alten Keuchhusten, wenn sie den Tee dreimal im Tage (je eine Tasse) nehmen.
Schwindsüchtigen lindert er ebenfalls den Husten und unterstützt die Schleimauflösung. Er dient wie eine Medizin, soll auch so genommen werden, d. i. alle zwei bis drei Stunden drei bis fünf Eßlöffel.
Der Tee dient ferner bei Kopfweh und großer Hitze im Kopf. Man befeuchte zugleich einen Lappen mit Veilchenblättertee und binde denselben an die Stirne, oder, noch besser, man wasche den Kopf, besonders den Hinterkopf mit solchem Absud. Ich kenne Fälle, in denen bald Ruhe und Schlaf eintraten.
Bei geschwollenem Halse ist dieser Tee ein probates Gurgelwasser; man tauche zugleich den anzuwendenden Halswickel statt in gewöhnliches Wasser in den Absud.
Wer an Atemnot leidet, die indessen mehr eine Folge ist von in Magen und Gedärmen angesammelten Gasen und ungesunden Stoffen, mache eine kleine Veilchenteekur, d. i. er trinke während einiger Zeit täglich zwei größere oder drei kleinere Tassen unseres Tees.
Veilchenblätter, zerquetscht und überbunden, kühlen und verteilen erhitzte Geschwülste; in Essig abgekocht dient solcher Absud, wenn man ihn zu Auflagen benützt, zur Heilung von Podagra.
Erfreue dich an dem Wohldufte und dem herrlichen Blau manches schönen Veilchensträußchens! Verwahre aber auch einen kleinen Vorrat des Heilkräutchens in deiner Hausapotheke, daß es dem Kranken dufte noch zu einer Zeit, in der das Frühlingsblümchen längst verblüht hat!
Wacholderbeere. (Juniperus communis L.)
Die Wacholderbeere, wer kennt sie nicht? Als Räucherwerk verbreitet sie in Zimmern und Gängen angenehmen Geruch und verbessert die Luft. Ich bin kein Freund des sogenannten „Ausräucherns“ mit Zucker, Essig usw., da ich nicht begreife, wie man da von frischer Luft reden kann. Wenn es aber gilt, einen Raum, worin ansteckende Kranke, Tote usw. lagen, zu desinfizieren, d. i. ansteckungsunfähig zu machen oder zur Zeit ansteckender Krankheiten durch große Räucherfeuer die Luft zu reinigen, dann lobe ich mir stets solchen Wacholderdampf. Der räumt mit allen Pilzen, und wie die fliegenden Anstecker und Krankheitserzeuger heißen, gründlich auf.
Ähnliche Wirkung übt der Wacholder im Innern des menschlichen Organismus aus. Die Beere räuchert gleichsam den Mund und den Magen und feit gegen Ansteckung. Wer im Dienste Schwerkranker (Scharlach, Blattern, Typhus, Cholera usw.) durch Heben, Tragen, Bedienen, Anhören derselben der Ansteckungsgefahr bei Tag und Nacht preisgegeben ist, kaue stets einige Wacholderbeeren (6–10 im Tag). Sie bereiten guten Geschmack im Munde und tun gute Dienste bei der Verdauung. Sie verbrennen gleichsam die schädlichen Miasmen, Ausdünstungen usw., wenn diese durch Mund und Nase eindringen wollen.
Solche, die an schwachem Magen leiden, mögen das folgende Verfahren einhalten, gleichsam eine kleine erprobte Kur mit Wacholderbeeren machen:
Den ersten Tag sollen sie mit 4 Beeren beginnen,
den zweiten Tag mit 5 Beeren fortfahren,
den dritten Tag sollen sie 6, den vierten 7 Beeren kauen und so mit Tagen und Beeren bis auf 12 (Tage) und 15 (Beeren) auf- und dann wieder auf 5 Beeren heruntersteigen, beim Absteigen jeden Tag eine Beere auslassend. Viele kenne ich, deren gasgefüllter und infolge dessen geschwächter Magen durch diese einfache Beerenkur gelüftet und gestärkt wurde.
Bei Stein- und Gries-, bei Nieren- und Leberleiden haben die Wacholderbeeren seit alten Zeiten guten Ruf, ebenso in[S. 151] all jenen Fällen, wo es gilt, faule Gase, faule, wässerige und schleimige Stoffe aus dem Körper zu entfernen.
Neben den Beeren benütze man die jungen Sprossen des Wacholderstrauches zu Tee bei Anfängen der Wassersucht, desgleichen zur Reinigung des Blutes.
Das Öl kauft man am besten in der Apotheke.
Die Tinktur kann man sich selbst ansetzen in Wein, Branntwein oder Spiritus.
Den Hausvater und die Hausmutter würde ich nicht loben, welche zwar ihr Fleisch, ihr Sauerkraut sorgfältig und fleißig mit Salz und Beeren vom Wacholderstrauche einmachen, welche pünktlich und ängstlich ihr Haus, ihre Wohnungen damit räuchern, die Hütte ihrer Seele aber, den Körper, vielfach im Staube und Moraste liegen lassen. Auch für diese viel wichtigere Hütte sollen sie des Jahres ein paarmal so ein Räucherfeuer, das reinigt und das Atmen erleichtert, anzünden.
Waldmeister (Asperula odorata L.)
siehe oben Seite 127.
Wegtritt, Vogelknöterich. (Polygonum aviculare L.)
Es wächst ein Kräutlein ganz unbeachtet, gewöhnlich um die Häuser herum, besonders in den Bauerngehöften, auch am Rande der Gassen, das den Namen „Wegtritt“ führt. Auch Knöterich wird dasselbe genannt, weil an jedem Glied ein kleiner Knoten ist. Man heißt dieses Kräutlein Wegtritt, weil man gewöhnlich auf demselben geht. Dieses Kräutlein, das von einem Stock viele Ausläufer hat, selbst einen halben Meter lang oder noch länger, hat große Wirkung bei Steinleiden, wenn täglich eine oder zwei kleine Tassen getrunken werden. So hatte ein Herr Jahre hindurch viele Schmerzen in den Nieren, und es ging von Zeit zu Zeit Sand und Gries ab. Er trank diesen Tee durch mehrere Tage und erzählte, daß viele Hunderte größerer und kleinerer Steinchen abgegangen seien und dadurch auch der Schmerz vergangen sei. Wie dieses Kraut Nieren- und Blasensteine austreibt, so wirkt es auch reinigend nach innen, wie auf Nieren, so auf Leber, Magen und Brust. Es kann dies Kräutlein nicht genug empfohlen werden.
Wegwart. (Cichorium intybus L.)
Der Wegwart wartet auf den, der ihn in seine Hausapotheke einheimsen will, auf jedem Wege. Er heißt auch Sonnen[S. 152]wirbel, da seine Blätter sich stets der Sonne zukehren. Wenn man ihn ansieht, den guten Wegwart mit seinem verkümmerten Stengel und den zerzausten Blättchen, so kommt er einem vor wie ein Struwelpeter unter den Pflanzen. Nur die blaue Blüte, etwas heller als die Kornblume, bringt ihn wieder etwas in Kredit und Achtung.
Das Aussehen täuscht gar oft; auch beim Wegwart ist es so, denn sein Inneres ist golden.
Tee von Wegwartkraut hebt Verschleimungen im Magen, nimmt die überflüssige Galle, reinigt Leber, Milz und Nieren und führt die kranken Stoffe durch den Urin aus. Man nehme zu diesem Zwecke (es kann auch geschehen, um den durch irgendwelche Nahrung usw. verdorbenen Magen wieder instand zu setzen, um die Verdauung zu befördern) während drei bis vier Tagen täglich zwei Tassen, die eine vor dem Frühstück, die andere abends.
Bei Magendrücken, auch bei schmerzlichen Entzündungen am Körper lege man auf den Magen und auf die wehtuenden Stellen mit heißem Wasser abgebrühte und in ein Tuch gehüllte Wegwart-Kräuter und -Blüten und erneuere diese Auflagen täglich zwei- bis dreimal.
Die Kräuter werden sehr oft in Spiritus angesetzt. Dieser Wegwartsprit hebt das Schwinden, wenn man die schwindenden Glieder täglich ungefähr zweimal gut mit demselben einreibt.
Wie das Kraut und die Blüten, so sind auch die Wurzeln zu den genannten Heilzwecken dienlich. Man sticht dieselben am leichtesten bei Regenwetter aus.
Wermut. (Artemisia absinthium L.)
Wermut zählt mit zu den bekanntesten Magenmitteln. Er leitet die Magenwinde aus, verbessert und unterstützt die Magensäfte und hilft so guten Appetit und gute Verdauung bereiten, mag er als Tee oder als Pulver genommen werden.
Gegen üblen Geruch aus dem Munde, wenn derselbe vom Magen ausgeht, wirkt Wermut vortrefflich.
Wer an der Leber leidet (Melancholie), der greife statt nach der Prise Tabak einmal oder zweimal im Tage nach dem Döschen mit Wermutpulver und streue den Inhalt der beiden Finger auf den ersten Löffel Suppe oder wie Pfeffer an eine Speise. Die abnehmende Gelbsucht wird bald die Verbesserung[S. 153] der Galle anzeigen, und der Kranke, dem die verfangene faule Luft und die oft noch fauleren Säfte — wahre Düngerstätten des Magens — gleichsam den Atem zuschnüren, wird wieder freier aufschnaufen.
Wermut kann auch zu einer Tinktur verwendet werden, die sehr lange hält, ohne zu verderben. Wie ein einziges Körnchen Weihrauch, das auf der Kohle glimmt, ein ganzes Zimmer mit Wohlgeruch erfüllt, so vermag ein Blättchen Wermut den Inhalt einer ganzen Spiritusflasche mit bitterem Geschmacke anzuhauchen — ein Zeichen, wie stark die Tinktur ist und wirkt.
Reisende, die viel von Magenbeschwerden und Uebelkeiten geplagt werden, sollen ihr Fläschchen mit Wermuttinktur als treuen Begleiter nie vergessen.
Wermut-Tee hat manchen Augenleidenden auch schon als Augenwasser gute, ja die besten Dienste geleistet.
Wollkraut, Wetterkerze. (Verbascum Schraderi Meyer.)
Die Blüten des Wollkrautes oder der Wollblume werden von den Landleuten fleißig gesammelt. Sie wissen, daß dieselben zur Winterszeit wirksames Gurgelwasser und noch wirksameren Tee abgeben bei Halsgebrechen, Katarrhen, Verschleimungen der Brust, Atemnot.
Von neuem sei solcher Tee recht warm empfohlen. Ich mische unter die Blüten des Wollkrautes in der Regel noch die der schwarzen Malve (halb und halb); solcher Tee wirkt auf die Schleimauflösung noch nachhaltiger und kräftiger.
Wühlhuber I.
Vor 40, 50 Jahren noch war es Mode, zu einer genau bestimmten Zeit Ader zu lassen, zu einem anderen, im Kalender gewissenhaft notierten Termine (ein gewisses Mondsviertel) die jährlichen oder halbjährlichen Laxiere einzunehmen. Wie doch die Zeiten und die Ansichten und die Menschen, welche die letzteren bilden, wechseln!
Noch heutzutage lassen sich viele Leute den Glauben nicht nehmen, daß von Zeit zu Zeit der Magen einer gründlichen Musterung und Ausräumung bedürfe.
Man möchte lächeln, wenn es nicht manchmal allen Ernstes zum Weinen wäre. Fürwahr, wenn man normalen, einfachen, gesunden Sinnes ist und zuweilen an die Lebensweise gewisser Menschen, fast fühle ich mich versucht zu sagen ganzer Gesellschaftsklassen, denkt und an die Speisen und Getränke, welche sie genießen, dann in der Tat ist obiger Glaube nicht unbegründet.
Könnte der entsetzlich geplagte und sündhaft überanstrengte (weil überfüllte) Magen einen Laut von sich geben, er würde aufschreien und um Hilfe rufen gegen derlei unvernünftige und frevle Uebeltäter. So aber muß er alles selbst „verschlucken“ und dabei freilich nicht verdorben, sondern elendig zugrunde gerichtet werden.
Fürs erste also bin ich für eine vernünftige Lebensweise, für menschenwürdige Behandlung des Arbeiters, der für alle weitere Arbeit die unentbehrlichen Fundamente legt. So allein wird und kann dieser treue und fleißige Arbeiter selbst, der Magen, gesund bleiben.
Sollte unversehens — das kann ja passieren — auch ihm ein Unfall geschehen, so bin ich durchaus gegen alles drastische (zu starke) Laxieren und verwerfe alle heftig wirkenden Laxiermittel, sie mögen heißen, wie sie wollen.
Unter Laxieren versteht man doch wohl nichts anderes, als unbeschadet der Gesundheit und Körperkraft reichlicheren, ergiebigeren Stuhlgang hervorzubringen suchen. Dieses aber kann in ganz anderer, in so einfacher und unschädlicher Weise geschehen, daß die verwendeten unschuldigen Pflanzenmittel den Magen nicht gleichsam als Feind angreifen, sondern als treue Freunde mit dem Freund Arm in Arm gehen, ihn heben und stützen, zur selbsteigenen Tätigkeit, zur eigenen Kraft, zu den eigenen Mitteln (Magensäften) ihm lediglich ihre Hilfe und Hilfsmittel anbieten und leihen.
Recht lange Zeit habe ich unter den verschiedensten Pflanzen diejenigen herausgesucht, die bei der trefflichsten Sonder- oder Einzelwirkung doch nur viribus unitis, mit vereinten Kräften, dem Magen wirksam helfen, d. h. die zur selben Zeit, zu welcher sie ihn durch gründliche Auflösung und Ausleitung alles verdorbenen Inhaltes schwächen müssen, ihn zugleich so stärken, daß er nicht nur keine Stunde die Arbeit einstellt, sondern nicht einmal mit Brummen und Murren arbeitet.
Die Mittelchen und deren Mischung denke ich gefunden zu haben. Die beiden Tee-Arten sollen kein Geheimnis sein. Ich wünsche, daß im Gegenteile recht viele zu ihrem Nutzen sie gebrauchen und zur Linderung der Leiden anderer sie bereiten.
Das Kindlein wurde wiederum von fremder Seite, nicht von mir getauft. Ein Herr, dem dieser Tee die Magenuhr wieder aufzog und regulierte, benannte ihn „Wühlhuber“. Ich hatte an diesem Namen nichts auszusetzen und zu ändern. Seitdem hat er vielen Hunderten wacker beigestanden, und er könnte manches[S. 155] erzählen; denn in großen Quantitäten ist er zu wiederholten Malen gewandert bis in die Schweiz, bis nach Ungarn.
Die zwei Rezepte für den Wühlhuber sind folgende:
Man nehme zwei Eßlöffel gemahlenen Fenchel, zwei Eßlöffel zerquetschte Wacholderbeeren, einen Eßlöffel Foenum graecum, einen Eßlöffel Aloëpulver. Das Ganze werde gut gemischt und in einer Schachtel an trockenem Orte aufbewahrt. Das Mittel wirkt erst nach 12 bis 30 Stunden. Man nimmt den Tee, d. i. eine kleine Tasse desselben, gewöhnlich abends vor dem Schlafengehen. Zur Tasse genügt ein Kaffeelöffel der Mischung, welche während einer Viertelstunde gesotten, dann abgegossen und kalt oder warm, mit oder ohne Zucker getrunken wird.
Kräftige Naturen können zwei Tage nacheinander eine Tasse Wühlhuber trinken.
Schwächere Patienten tun besser, die eine Tasse auf zwei bis drei Tage zu verteilen, so daß sie jeden Abend vier bis sechs Eßlöffel voll wie Medizin einnehmen. Ohne Beschwerden zu verspüren, werden sie den Suchenden im Innern forschen, untersuchen, zusammentreiben, „wühlen“ hören.
Bei manchen, die den Tee gebrauchen, wird derselbe absolut keine Resultate zutage fördern, obwohl sie im Innern seine emsige Arbeit spüren. Die Polizei sucht, findet aber manchmal keine Diebe. Der Wühlhuber sucht; wo aber nichts zu finden und zu entfernen ist, da läßt er alles andere in Ruhe und erzeugt so nicht jene großen und beklagenswerten Schwächen, die dem Abführen sonst stets auf dem Fuße folgen.
Wie auf den Stuhlgang, so wirkt dieser Tee auf den Urin. Selbst große Verschleimungen auf der Brust leitet er aus.
Mir kamen Fälle vor, in denen der Wühlhuber nach langwierigen, schwer zu stillenden Diarrhöen den letzten Rest der Unreinigkeiten entfernte und auf die innere Revolution sofort der tiefste und dauerndste Frieden folgte. Eine kleine Tasse, während des Tages in drei Portionen getrunken, reicht vollkommen aus.
Wühlhuber II.
Das zweite Rezept dieses Tees ist das nachfolgende:
Dieser Tee schließt die Wirkung auf den Stuhlgang nicht aus; doch sein Revier sind (statt des Magens und des Darmkanals) mehr die Nieren und die Blase; die kranken Stoffe treibt er aus durch Harnausscheidung. Wer Unbehaglichkeit im Unterleibe (in der Blasengegend) fühlt oder Beschwerden im Urinieren, Brennen in der Blase und den Nieren, die Anfänge der Wassersucht hat, wende ruhig diesen zweiten Wühlhuber an.
In der Gebrauchsanweisung gelten dieselben Regeln wie beim Wühlhuber I.
Zinnkraut oder Acker-Schachtelhalm. (Equisetum arvense L.)
Die vielseitige und vorzügliche Wirkung dieses Heilkrautes kann nicht genug hervorgehoben werden. Es reinigt nicht bloß die Geschirre, weshalb es bei allen Hausfrauen als treffliches Putzmittel gilt, es reinigt und heilt auch innere und äußere Gebrechen des menschlichen Körpers.
Bei alten Schäden, faulenden Wunden, bei allen, selbst krebsartigen Geschwüren, sogar bei Beinfraß dient Zinnkraut in außerordentlicher Weise. Es wäscht aus, löst auf, brennt gleichsam das Schadhafte weg. Das Kraut kommt entweder als Absud bei Waschungen, Wickeln, Auflagen, oder, indem es selbst in nasse Tücher eingehüllt und auf die leidenden Stellen gelegt wird, dann besonders bei gewissen Dämpfen zur Verwendung.
Näheres enthält die Beschreibung der einzelnen Krankheiten.
Mannigfaltiger noch sind die Dienstleistungen des Zinnkrautes nach innen.
Sein Tee, der nie schaden kann, reinigt den Magen. Man nehme von Zeit zu Zeit (nicht täglich) eine Tasse. Er lindert die Schmerzen bei Gries- und Steinleiden und bringt vor allem den Leidenden Hilfe, die Beschwerden haben im Wassermachen (Urinieren). Da ist er einzig, unersetzbar und unschätzbar. Die Zinnkrautdämpfe, speziell für diese Uebel, sollen nur angedeutet werden. Gerade solche Leiden sind entsetzlich schmerzhaft — und so häufig! Man beobachte wohl das einfache und ohne jede Mühe zu bekommende Schmerzstillkraut! Täglich sollen solche Kranke neben der eventuellen äußeren Anwendung eine Tasse Zinnkrauttee trinken.
Bei Blutungen, Blutbrechen zählt er mit zu den ersten und besten Teen. Wer Blut bricht, nehme ihn schleunigst. Ich[S. 157] kenne Fälle, in denen nach vier Minuten schon völliger Stillstand eintrat.
Bei starkem Nasenbluten ziehe man durch die Nase wiederholt solchen Tee auf. Er wirkt zusammenziehend und hilft schnell.
Solchen, die von Blutflüssen heimgesucht werden, empfehle ich, täglich ein bis zwei Tassen dieses Tees zu trinken.
In jeder Hausapotheke sei Zinnkraut in genügender Menge vorhanden, daß man es im Falle der Not, die oft plötzlich hereinbricht, sofort zur Hand habe.
Man läßt in der Mühle den Weizen mahlen mitsamt der Kleie. Die Müller tun dieses nicht gerne aus naheliegenden Gründen;[27] man soll deshalb die erhaltene Ware stets gut mustern.
Von dem Kleienmehle nimmt man 1, 2, 3 bis 4 Kilo (je nachdem man für wenige oder mehrere Personen zu backen hat) in eine Schüssel und macht mit heißem Wasser einen Teig an, der über die Nacht an einem mäßig warmen Orte stehen bleibt. Weder Sauerteig, noch Salz, noch anderes Gewürz darf an den Teig kommen.
Am andern Tage formt man aus dem Teige kleinere, länglich runde Laibchen oder Wecken, bringt sie in den wie zum Backen gewöhnlichen Brotes geheizten Backofen und läßt sie 1¼–1½ Stunden in der Hitze.
Sogleich beim Herausnehmen stößt man das gebackene Brot auf 3–4 Sekunden in siedend heißes Wasser, dann kommt es gleich wieder zur Trocknung in den Ofen.
Diese letztere Manipulation habe ich von einem Prior der Trappisten erfahren, der sagte, er habe das Backen solchen Brotes[S. 160] lange und auf verschiedene Weise probiert und gefunden, daß diese Art des Backens die beste sei, indem so aus der Kleie aller Nähr-, insbesondere Zuckerstoff ausgezogen werde.
Ich kenne viele Männer, die mit Vorliebe solches Brot gegessen haben, jetzt noch essen und sagen, daß es bei Magen-, bei Verdauungs-, insbesondere bei Hämorrhoidal-Beschwerden vorzügliche, einzige Dienste leiste.
Andere habe ich gekannt, die das geschmack- und gewürzlose Brot beim ersten Verkosten sonderbar fad fanden, die aber später, ich kann sagen, mit fast leidenschaftlicher Vorliebe darnach gegriffen haben.
Das gebackene Brot werde an einem kühlen Orte aufbewahrt und, sollte die Kruste zu hart sein, mit einem feuchten Tuche umwunden.
Ich bin der Ueberzeugung: wenn die Kraftsuppe erkannt und benützt wird, kann man eine große Anzahl unglücklicher Menschen beglücken. Gerade die Kraftsuppe ist nicht bloß wegen ihrer außerordentlich guten Nährstoffe zu empfehlen, sondern auch weil sie sehr wohlfeil und leicht zu bereiten ist.
Ein Herr von Stand, der diese Kraftsuppe kennen gelernt hatte, kaufte bei einem Bauern zwei große schwarze Laibe Brot. (Das schwarze Brot ist bekanntlich nur von Roggenmehl bereitet und wird für die Landleute genau eingemahlen, so daß nur wenig Kleie zurückbleibt und mithin aller Nährstoff des Roggens ausgenutzt wird.) Diese zwei Laibe Brot ließ der Herr in kleine Schnittchen schneiden und auf eine blecherne Platte bringen, welche auf den heißen Herd gestellt wurde, um das Brot soviel als möglich auszutrocknen. So recht hart getrocknet wurde es in einem Mörser zu einem groben Pulver gestoßen. Wollte er eine Kraftsuppe, so rührte er zwei bis drei Löffel voll von diesem Brotpulver in siedende Fleischbrühe, tat ganz wenig oder gar kein Gewürz, ebenso nur wenig Fleischbrühe daran. In zwei Minuten war die Suppe fertig. Sie schmeckt vorzüglich, gibt sehr gute Nahrung und bewirkt keine oder doch nicht viel Gase. — Statt Fleischbrühe hat der Herr öfters Milch genommen und, wenn diese im Sieden war, das Brotmehl eingerührt. Nach zwei Minuten war auch diese Suppe fertig. Dieselbe hat noch einen großen[S. 161] Vorzug vor der mit Fleischbrühe bereiteten, weil ja die Milch die meisten Nährstoffe hat.
Hatte der Herr gerade keine Milch und keine Fleischbrühe, so ließ er Wasser sieden und ins siedende Wasser dieses Brotmehl einrühren. Es kam dann etwas Gewürze und Rindschmalz dazu, und auch diese Suppe verdient den Namen Kraftsuppe.
Eines Tages, in der Kirchweihwoche, kommt dieser Herr in ein Haus, wo die Bäuerin Brot aus Spelz gebacken hatte, der dem Weizen ähnlich ist. (Auch dieses Getreide wird bei den Landleuten möglichst genau eingemahlen.) Er kaufte sich zwei solcher Brote und verfuhr wie beim schwarzen Brot. Er mischte dann das gewonnene Brotmehl mit dem früher genannten durcheinander und ließ sich von dieser Mischung die Kraftsuppe machen, wie vorhin beschrieben ist. So bekam er sechserlei verschiedene Suppen, die auch selbst in ihrer Kraft verschieden sind. Der Wechsel mit denselben ist sehr gut, damit die Suppe nicht so leicht widersteht.
Diese Kraftsuppe ist ganz vorzüglich für recht schwache Kinder, weil sie leicht verdaulich und recht nahrhaft ist und keine Gase bewirkt. Sie ist auch der schwachen, heranwachsenden Jugend zu empfehlen, um die Blutarmut zu heben, durch welche der Körper sehr leidet.
Diese Kraftsuppe ist ferner gut für die Kranken, weil sie der heruntergekommenen Natur viel Nährstoff bringt. Endlich ist sie besonders dem hohen Alter zu empfehlen. Wenn die Zähne fehlen, um die festen Speisen gut zerkauen zu können, so soll man sich an diese Suppe halten. Es sollte keine Familie geben, wo die Kraftsuppe nicht eingeführt ist. Ich habe sie einst einem hohen Beamten geraten, der mir später versicherte, er kenne keine gesündere und nahrhaftere Suppe.
(Sehr empfehlenswert für Gesunde und Kranke.)
Die alten Deutschen hatten wenig oder auch keinen Wein. Das braune Bier kannten sie nicht, weil es noch keines gab. Ihre Speise war sehr einfach, und dennoch waren sie ein mächtiger Volksstamm; sie erreichten ein hohes Alter und erfreuten sich einer außerordentlichen Gesundheit. Dieses hohe Alter und diese außerordentliche Gesundheit schrieben sie dem Met (Honigweine) zu. Es ist nur schade, daß dieses edle Getränk so wenig bekannt und an dessen Stelle das allgemein verbreitete Braunbier als Getränk[S. 162] gekommen ist, das durch die vielen Verkünstelungen oft nicht mehr als gesundes Getränk betrachtet werden kann. Es sind in den größeren Werken über Bienenzucht gewöhnlich auch Rezepte, wie der Honigwein bereitet werden könne. Man hört aber auch oft die Klage, daß man Versuche gemacht habe, diese Rezepte nachzumachen, aber nie zu einem glücklichen Resultate gekommen sei.
Ich lasse ihn gewöhnlich bereiten, wie folgt: Ich lasse in einen recht reinlichen kupfernen Kessel 60–65 Liter weiches Wasser bringen. Ist dasselbe ziemlich warm geworden, so werden zirka 6 Liter Honig darangerührt. Nun läßt man Wasser und Honig recht gelinde 1½ Stunden sieden. Zeitweilig wird der schmutzige Schleim, der sich oben ansetzt, weggeschöpft. Ist die Zeit des Siedens vorbei, dann wird dieses Honigwasser ausgeschöpft in blecherne oder irdene Geschirre. Ist dann selbes so abgekühlt, daß es noch mehr Wärme hat als das Wasser, das an der starken Sonnenhitze erwärmt wurde, dann wird es in ein sorgfältig gereinigtes Faß gebracht. Der Spund wird daraufgelegt, aber nicht befestigt. Ist der Keller ziemlich warm, dann beginnt nach 5–10 Tagen die Gärung. Nach ungefähr 14 Tagen Gärungszeit wird dieser junge gegorene Honigwein in ein anderes Faß abgezogen. Die Hefe bleibt natürlich weg. Im zweiten Faß dauert die Gärung ungefähr 10–14 Tage, und wenn der Honigwein ganz ruhig wird, daß man im Fasse nichts mehr hört, dann wird das Spundloch geschlossen. Nach 3–4 Wochen wird er hell und ist trinkbar. Wird er dann in Flaschen abgezogen, gut verstöpselt und in kalten Sand gebracht, so moussiert er in einigen Tagen ziemlich stark. Dieses Getränk ist sehr kühlend; deshalb trinken es die Fieberkranken recht gerne. Wenn Kranke weder Wein noch Bier trinken können, so ist ihnen ein solcher Honigwein ein Labsal. Er ist aber auch den Gesunden ein gutes Getränk; er soll jedoch nur in kleinen Portionen getrunken werden, sonst widersteht er.
ie folgenden Krankheitsfälle beruhen nicht auf Einbildung und Erdichtung. Es sind lauter aus dem Leben gegriffene Tatsachen, und für jede in denselben genannte oder angedeutete Persönlichkeit stehe ich jederzeit ein. Sie wollen nicht Lärm schlagen oder groß tun, sondern unterrichten und im Leben dienen.
Nur zu gut weiß ich selbst, welch mangel- und lückenhaftes Stückwerk dieser dritte Teil bildet, wie wenig er die Krankheiten erschöpft, d. i. vollständig aufzählt. Zum Teil hat die Zeit solches nicht erlaubt; in der Hauptsache aber wollte ich es gar nicht anders haben. Ich wollte nämlich nicht trocken die einzelnen Übel und deren Heilmittel herbuchstabieren; ich wollte mit Absicht und mit Rücksicht auf den mir zunächst vor Augen schwebenden Leserkreis die gewählten Fälle mehr in Unterhaltungsform beschreiben, doch so, daß jeder Einzelfall zugleich Winke und Lehren gibt über die Zeichen (Symptome) der betreffenden Krankheit, über die gute Auswahl der Anwendungen usw.
Wie der im Garten einen Strauß windende Gärtner nicht von allen Blumen pflückt und nicht von jeder Sorte die gleiche Anzahl, so suchte ich auch auf dem Krankheitsfelde die am häufigsten unter uns vorkommenden Krankheiten und unter diesen diejenigen Fälle aus, welche mir besonders lehrreich zu sein schienen. Ob und inwieweit ich’s getroffen — der Wille war gut! Und ich denke, wer mit gutem Willen ohne Voreingenommenheit liest, kann auch im Sande manches Goldkörnchen finden.
Über die Schreibform im allgemeinen habe ich in der Vorrede gesprochen; ich bemerke hier nur, daß kleine Wiederholungen, vorzüglich in der Art der Anwendungen, der Klarheit wegen geschahen. Bezüglich der letzteren wolle man stets den ersten Teil zu Rate ziehen.
Krankheiten sind Kreuze, lieber Leser! Jeder von uns wird früher oder später zum mindesten ein solches Kreuz zu tragen bekommen, vielleicht bis zum Absterben. Wir dürfen uns diese Kreuze zu erleichtern suchen. Schon zu Naaman, dem aussätzigen Syrerfürsten, sprach der Prophet Elisäus: „Geh’ hin und wasche dich siebenmal im Jordan, und dein Fleisch wird wieder gesund und du rein werden!“
Möge der Herr die gute Absicht, manchem recht schwer schleppenden Kreuzträger unter die Arme zu greifen, segnen!
Abweichen.
Ein Mann von 48 Jahren kommt und erzählt: „Ich habe beständig Abweichen, heute schon siebenmal, weil ich gereist bin, zu Hause täglich ein- bis sechsmal. An diesem Übel leide ich bereits seit ¾ Jahren.“ Das Aussehen dieses Mannes war sehr gut, weder mager noch zu stark, die Farbe frisch. — Dieser Kranke bekam: 1. jeden Morgen und jeden Nachmittag einen Oberguß, 2. jeden Morgen im Wasser gehen und jeden Nachmittag einen Knieguß.
Die Wirkung dieser Anwendungen war, daß nach fünf Tagen der Mann den ersten Stuhlgang bekam. Eingenommen hatte er nichts außer täglich sechs bis acht Wacholderbeeren.
Warum wohl hier diese Anwendungen gegeben wurden, die doch ganz verschieden sind von den sonst üblichen, so könnte mancher Leser fragen. Antwort: Weil dieser Mann gesund und kräftig aussah, auch das Auge frisch und gut, so war dies ein Beweis, daß noch gute Naturkraft vorhanden war; wird dieselbe nun unterstützt und noch mehr Wärme durch die Wasseranwendungen hervorgebracht, dann ist der innere Schaden bald durch die Naturkraft verdrängt, und somit findet hier das Sprichwort seine Anwendung: Ein guter Wirt wirft seine Lumpen selbst hinaus.
Als weitere Anwendungen würde ich empfehlen: in der Woche entweder 2–3mal ein Halbbad oder ebenso oft einen Oberguß mit Knieguß.
Asthma.
Ein Herr erzählt: „Ich bin 46 Jahre alt. Seit zwanzig Jahren leide ich an Asthma. Ich wandte mich an verschiedene Ärzte: allein sie erklärten meine Krankheit für unheilbar und verordneten mir nur Beruhigungsmittel, die alle erfolglos waren. So blieb mir nichts anderes übrig, als mein Kreuz zu tragen, bis mich Gott davon befreien wird. Dieses Kreuz war oft recht schmerzlich. Recht oft traten die Atembeschwerden, besonders zur Nachtzeit, in einem so heftigen Grade ein, daß ich ganze Nächte,[S. 167] auch bei der größten Winterkälte, an dem offenen Fenster stehen mußte, um nicht zu ersticken. — Solch ein Anfall konnte mehrere Tage nacheinander fortdauern. Alle gebrauchten Mittel waren ohne Wirkung. Zu diesem langen Leiden kam noch Appetitlosigkeit, große Abnahme der Kräfte, so daß ich einsehen mußte, daß es so nicht mehr lange gehen könne. Endlich erbarmte sich der Himmel. Das Buch „Meine Wasserkur“ kam in meine Hände, und es kam mir als Helfer in der größten Not. In acht Tagen wurde ich geheilt. Es ist kaum glaublich, wie das Wasser eine Natur in kurzer Zeit so umwandeln kann. Die Anwendungen waren: 1) Oberguß, darauf Knieguß — Wassergehen; 2) Rückenguß — Schenkelguß; 3) Sitzbad —- Oberguß — Halbbad; 4) Oberguß — Rückenguß — Wassergehen; 5) Halbbad — Oberguß — Sitzbad; 6) Vollbad — Oberguß; 7) Schenkelguß — Oberguß. Dazu täglich eine bis zwei Stunden im Gras barfußgehen. Es war Sommer, und meine Lage wurde von Stunde zu Stunde leichter.“
Atmungsbeschwerden.
Ein Priester macht folgende Angaben: „Ich bin gut gebaut, war stets gesund und kräftig; doch seit ¾ Jahren bin ich so verschleimt, daß ich recht viel Atemnot habe, und wenn der Husten kommt und die Atemnot, glaube ich, ich müsse ersticken. Ich hatte früher eine vorzügliche, klangvolle Stimme, und jetzt kann ich mich kaum mehr verständlich machen; auch werde ich so müde, daß ich fast nicht zu gehen vermag. Mehrere konsultierte Ärzte erklären es teils als Luftröhrenkatarrh, teils als Brustkatarrh.“
Anwendungen:[28] Täglich dreimal, auch viermal einen Oberguß und täglich zweimal im Wasser gehen bis über die Waden; so vier Tage lang. Nach diesen vier Tagen täglich zwei Obergüsse, einen Rückenguß und ein Halbbad. Zudem täglich noch im Wasser gehen; so fünf Tage lang; dreimal wöchentlich einen Shawl. Nach diesen fünf Tagen täglich ein Halbbad, einen Rückenguß, einen Oberguß und einen Knieguß. Nach kurzer Zeit war die ganze Kur vorbei. Es hat sich bei diesem Herrn eine ganz unglaubliche Masse Schleim abgesondert. Tag für Tag wurde das Aussehen besser, der Atem leichter, die Stimme reiner, die Gemütsstimmung heiterer. Nachteilig war für ihn früher die zu warme Bekleidung und Mangel an Bewegung.
Augen (-Katarrh).
Ein berühmter Militärarzt sagte mir vor zirka 35 Jahren: Der Katarrh ist ein Übel, aus dem sich alle möglichen Krankheiten entwickeln können, wie Schleimfieber, Nervenfieber, Typhus, Ruhr, Abzehrung, Schwindsucht usw. Darum härte man seine Natur gut ab, damit man bei all den unzähligen Anlässen und Gelegenheiten, die ganz dazu angetan sind, einem einen Katarrh anzuhängen, gesichert und gefeit sei. — Hat man einen Katarrh, so soll man nicht eher ruhen, bis er vollständig ausgeheilt ist.
Bedeutet gänzliche Erblindung soviel als Elend, so sind die verschiedenen Augenleiden immer Führer zum Elend. Die Augen gleichen kostbaren Perlen in der Schädelschale. Aber es sind ihrer nur zwei. Ein unersetzlicher Verlust ist’s schon, wenn eines verloren geht. Sei darum wohl auf der Hut und hüte beide gut! Augenleiden kommen häufig schon bei kleinen Kindern vor, die wenige Wochen alt sind, bei Schulkindern noch häufiger. Wir können sagen, in jedem Alter und Geschlecht trifft man Augenleidende genug.
Meistens stammt das Leiden aus dem Körper. Bei gesunden Menschen werden alle überzähligen Flüssigkeiten im Körper durch die Transpiration (Ausdünstung), durch das Atmen und anderes ausgeschieden. Wunderbar ist das Arbeiten dieser wunderbarsten aller Maschinen. Anders kommt es, wenn der Mensch krank wird. Die Flüssigkeiten, welche der schwache Körper nicht mehr ausscheiden kann, sammeln sich an im Leibe, im Kopfe usw. Was im Kopfe sich ansammelt, wählt so gerne den Ausgang durch die Augen. Die austretenden Flüssigkeiten sind scharf und ätzend, das Auge dagegen und alle Teile, die es bilden, überaus zart. Daher erklärt sich das heftige Brennen, welches der Ausgang der Flüssigkeit regelmäßig erzeugt. Das Brennen ist zugleich ein Zeichen, daß das Auge und die Gefäße im Auge von der scharfen Jauche angegriffen werden. Wird ihr Austreten gehindert, so entzünden sich die Augen; sie werden oft blutrot, und das schmerzhafte und geschwächte Auge kann keine Helle, kein Licht mehr ertragen. Heilung ist nur möglich, wenn die Flüssigkeit so schnell als möglich ausgeleitet wird. Das Auge an und für sich und alle seine Teile sind gesund, die Jauche allein und ihre ätzenden Stoffe machen es krank.
Die einen Augenleidenden sehen schon fast nicht mehr oder nur wie durch einen Schleier oder Nebel; andere glauben, es schwirren Mücken und Fliegen vor den Augen; andere sehen Feuerbündel, wieder andere anderes. Alle diese[S. 169] Übel quellen aus derselben Giftquelle, sind Blüten derselben Giftpflanze, rühren von demselben Giftstoffe her. Entferne diesen Giftstoff, stärke das verwundete Auge, und es ist geheilt! Ein Beispiel möge das Gesagte klarmachen.
Das kleine Mädchen Antonia, 5 Jahre alt, sieht recht blaß aus. Das Gesicht ist aufgedunsen, das ganze Aussehen krankhaft. Das Kind hat entzündete Augen und kann die Helle nicht mehr ertragen. Auch der Appetit ist nicht gut; in der Nacht schläft es nicht, es weint nur viel. Was tun? Das Kind soll täglich in ein Handtuch eingewickelt werden von unter den Armen an. Das Tuch werde zuvor in lauwarmes Wasser eingetaucht, in dem Haberstroh gesotten wurde. Das nasse wird mit einem trockenen gut umwunden. Wenn das Einwickeln zu einer Zeit geschieht, in der das Kind sonst zu schlafen pflegt, wird es bald einschlafen. Schläft es, so lasse man es ruhig bis zum Selbstaufwachen in der Umhüllung ruhen. Schläft es nicht ein, oder wacht es bald wieder auf, so soll es eine Stunde lang die Einfetschung tragen. Dieses Verfahren dauert eine Woche lang. In der zweiten Woche bereite man dem Kinde ein warmes Bad mit Absud von Haberstroh (zirka 24–26°), in dem es 15–20 Minuten bleibt. In der letzten Minute werde es mittels einer kleinen Gießkanne mit gewöhnlichem, nicht zu kaltem Wasser schnell übergossen und sofort angezogen. Auch bei Kindern ist diese erfrischende Übergießung nach einem warmen Bade höchst wichtig. Die kranken Stoffe werden durch das warme Bad aufgelöst und ausgeleitet; durch den kalten Guß tritt Stärkung und Schließung der Poren ein. Das Kind wird das erstemal jammern und weinen, wie Kinder tun; hat es aber die Sache einige Male durchgemacht, so wird ihm unter Ermutigungen der Mutter das Besteigen der Wanne später ein leichtes sein. Jeden zweiten oder dritten Tag werde das Bad wiederholt. Das Kind wird sich bald frischer, kräftiger, gesunder fühlen; auch das Auge wird reiner werden. Wünscht die sorgende Mutter noch ein Mittel direkt für das Auge, so nehme sie ein Stückchen Alaun, so groß wie vier Gerstenkörner, löse ihn in einem halben Schoppen Wasser auf und wasche täglich drei- bis viermal die Augen der Kleinen. Alles wird recht werden. Auch nach Entfernung des Übels versäume die Mutter es nicht, in der einen Woche das genesene Kind wenigstens einmal nach obiger Art zu waschen, in der anderen demselben so ein Bad zu richten.
Ist der kleine Patient nicht fünf Jahre, sondern erst fünf Wochen alt, so darf die besorgte Mutter nicht erschrecken, wenn[S. 170] ich denselben Wickel und dasselbe Bad auch diesem Kleinsten anempfehle.
Der kleine Anton mit vier Jahren ist skrophulös, hat Ausschlag am Kopfe, in den Haaren; auch um den Mund herum ist es nicht rein, die Augen sind entzündet. Die Mutter hat immer gemeint, das Kind sterbe; indessen es leidet, stirbt aber nicht. Die Mutter soll dem Kinde täglich vor dem Schlafengehen ein Hemdchen anziehen, das in Wasser, mit etwas Salz gemischt, eingetaucht wurde. Hernach soll sie das Kind schlafen legen und mit einer Decke gut umhüllen. Tut die Mutter dieses in der ersten Woche alle Tage, in der zweiten Woche jeden zweiten, in der dritten jeden dritten, in der vierten jeden vierten Tag, und gibt sie dem kleinen Anton noch täglich an die Kost oder in das Getränk eine kleine Messerspitze Kreidemehl, so wird der Bube gesund werden, und die Mutter wird sich ihres gesunden Kleinen freuen.
Berta geht in die Schule, sieht aber recht leidend aus, hat fast jede Woche oder doch recht oft „böse Augen“, so daß sie nicht lesen kann. Die Augen sind ganz rot und brennen heftig. Die Mutter soll dem Kinde innerhalb zehn Tagen sechsmal ein nasses Hemd anziehen, und reicht dieses Mittel nicht aus, so soll sie dem Kinde noch Bäder bereiten mit ungefähr 24° und zugegossenem Absud von Fichtenreisern, stets abschließend mit raschem kaltem Abguß. Nebenher kann als Augenwasser dienen das Aloë-Wasser (eine Messerspitze Aloë wird in ein Medizinglas gebracht und mit heißem Wasser aufgegossen), womit täglich dreimal die Augen ausgewaschen werden. Letzteres heilt das entzündete Auge und stärkt es.
Wilhelm, eine Knabe von neun Jahren, hatte Augenleiden. Er konnte nicht mehr lesen, kaum mehr ordentlich die Menschen unterscheiden; der Kleine war mehr als halb blind. Gegen 400 Mark hatten die Eltern schon für diese Augen verwendet. Nichts wollte helfen, nicht Doktor, nicht Apotheker. So verkümmert die Augen waren, so verkümmert war auch das ganze Kind: die Hände und Füße stets kalt, der Magen ohne Appetit, der Körper abgemagert, die ganze Gestalt traurig und gedrückt. Im Elende steckten nicht nur die Augen, im Elende steckte das ganze Menschlein. Blaue Brille und Führer bestätigten dieses auch nach außen hin.
In vier Monaten war Wilhelm völlig gesund am Körper sowohl wie an und in den Augen. Der Kleine mußte in der Woche zwei warme Bäder nehmen. Viermal wöchentlich ließ ich ihn ein Hemd anziehen, das in kaltes, mit etwas Salz ge[S. 171]mischtes Wasser getaucht war. In der Umhüllung blieb er 1–1½ Stunden lang. Dazu hieß ich den Kleinen recht fleißig im nassen Grase oder bei Regen barfuß gehen. Nach Verlauf der ersten vier Wochen nahm Wilhelm in jeder weiteren Woche drei bis vier Bäder, nur mit 15 Grad und nie länger als eine Minute mit stets folgender Bewegung. Auch dieses währte einige Wochen. Dazu wusch der Knabe täglich zweimal seine Augen mit Alaunwasser (eine Messerspitze Alaun zu einem halben Schoppen Wasser). Gleichen Schritt mit dem gesundwerdenden, neu auflebenden Körper hielten die wieder erwachenden Augen. Sie öffneten sich endlich ganz und leuchteten und strahlten zuletzt im gesunden und frischen Gesichte des Knaben, als wenn ihnen nie auch nur das geringste gefehlt hätte.
Christine, 24 Jahre alt, sieht aus wie die Blüte des Lebens, hat aber immer mit Augenleiden zu tun. Sie hat zu viel Blut im Kopfe, zu wenig Blut in den Füßen, deshalb auch stets kalte Füße.
Patientin nimmt jeden zweiten Tag ein lauwarmes Fußbad mit Asche und Salz untermischt. Dieses zieht ihr das Blut vom Kopfe nach unten. Dreimal in der Woche geht sie bis unter die Arme ins kalte Wasser (Halbbad), eine halbe Minute lang. Bei der Arbeit ist sie viel barfuß. Der Blutandrang zum Kopfe nimmt ab, hört allmählich ganz auf, und das Augenleiden verschwindet.
Augenleiden.
Agatha kommt und klagt: „Drei Jahre lang war ich von heftigen Kopfschmerzen geplagt, so daß ich oft ganze Nächte hindurch nicht schlafen konnte. Meine Füße sind beständig kalt; läßt der Kopfschmerz etwas nach, dann habe ich solche Schmerzen auf dem Rücken, daß ich oft ganz steif bin. Auf viele Stunden weit habe ich alle Ärzte aufgesucht; helfen konnte keiner. Seit einem halben Jahre wird mein Augenlicht so schwach, daß ich kaum mehr die Häuser sehe, und wenn’s noch einige Zeit so fortgeht, werde ich stockblind.“
Agatha mußte
1. in jeder Woche zweimal ein Hemd anziehen, in Salzwasser getaucht, und in eine Decke eingewickelt 1½ Stunden lang bleiben;
2. in der Woche zweimal einen kurzen Wickel, in Wasser getaucht, worin Heublumen gesotten worden, warm 1½ Stunden lang nehmen;
3. täglich eine Minute lang Wasser auf die Knie gießen und darauf Bewegung machen; so zwei Wochen lang.
In der dritten Woche mußte sie täglich einen Oberguß und Knieguß des Morgens nehmen und nachmittags ein Halbbad, außerdem täglich drei Minuten im Wasser gehen; so auch in der vierten Woche. Nach vier Wochen war der heftige Blutandrang zum Kopf verschwunden; das Augenlicht war wieder hergestellt, weil die Ursache (der Blutandrang) gehoben war; die Füße waren warm, und die Kranke war geheilt.
Als weitere Anwendung mußte Agatha in der Woche drei Halbbäder nehmen zur Kräftigung des Körpers.
Augen-Star.
Ein Beamter brachte einen Knaben von neun Jahren, der augenleidend war. Beide Augensterne gaben so spärliches Licht, daß der arme Kleine nur mit Mühe allein gehen konnte. „Wie kommen Sie zu mir?“ „Ja, mein Kind“, sagte der Vater, „war längere Zeit in einer Augenheilanstalt; es wurde aber entlassen mit der Erklärung, das Leiden sei der unheilbare graue Star. Das ist schrecklich: Neun Jahre alt und blind!“ Das eine Auge erschien schon derart getrübt, daß man den Stern nur mit recht gutem Auge noch teilweise unterscheiden konnte; eine totale Finsternis war es für den Kleinen. Auf dem anderen Auge lag eine Wolke, und wie der äußere Sonnenrand, ehe der Ball hinter den Wolkenbergen verschwindet, nochmals aufleuchtet, so glänzte noch ein letztes Streifchen des ehedem lichtvollen Auges vor seinem gänzlichen, elendiglichen Untergange.
Der bedauernswerte Knabe litt nicht allein an den Augen, das sagte mir sein erster Anblick. Der ganze kleine Organismus war aufs tiefste heruntergekommen, elendiglich zugerichtet, so verkümmert, daß jedermann der Gedanke kommen mußte, dieses Kind ist durch und durch krank, fast, so scheint es wenigstens, abzehrend; kein Appetit, kein Leben, abgemagert, die Haut ganz trocken; rasch gestrichen stäubt diese förmlich. Also nicht die Augen allein, der ganze Körper ist krank, recht krank. Suchen wir zuerst diesen zu heilen, vielleicht öffnen sich dann auch die Augen wieder.
Wir begannen, nachdem wir zuerst die bislang getragene Brille entfernt. Der Knabe mußte täglich soviel wie möglich im nassen Grase oder auf nassen Steinen barfuß gehen, und täglich wurden im Anfang Rücken, Brust und Unterleib ein- bis zweimal kräftig gewaschen. Nach einiger[S. 173] Zeit traten an Stelle der Waschungen Halbbäder, endlich Ganzbäder, nie länger als eine Minute. Dazwischen hinein fiel abwechslungsweise der Wickel oder das nasse Hemd, in Salzwasser getaucht, auf 1½ Stunden. Alle diese Anwendungen bezweckten, neue Tätigkeit, neues Leben in den Körper zu bringen, mit anderen Worten, den Körper zu heilen und zu kräftigen.
Speziell für die Augen, d. i. zu deren Reinigung und Stärkung, verwendete ich mehrere Augenwasser: zuerst das Aloëwasser (man nimmt eine Messerspitze Aloëpulver und kocht dasselbe ein paar Minuten in einem Schoppen = ¼ Liter Wasser). Drei- bis fünfmal täglich wurden damit die Augen gut ausgewaschen, besonders im Innern. Aloë löst auf, reinigt und heilt. Später folgte diesem Alaunwasser (zwei Messerspitzen Alaun werden in einem Schoppen Wasser gemischt), zu täglich drei- bis viermaligem kräftigem Auswaschen. Alaun ätzt und reinigt. Noch später nahm ich Honig-Augenwasser (ein halber Löffel Honig wird in einem Schoppen Wasser fünf Minuten lang gesotten) zu täglich drei- bis fünfmaliger Waschung namentlich des inneren Auges. Der Knabe gedieh körperlich so kräftig, daß von Woche zu Woche seine Kräfte zunahmen, sein Aussehen frischer, gesünder, blühender wurde und Geist und Körper allmählich in die richtige Verfassung zurückkehrten. In dem blühenden Kopfe erblühen auch wieder die so lange geschlossenen Augen; sie leuchten zur Freude der Eltern hell und klar. Der Knabe sieht so gut wie seine Schulkameraden. Niemand würde glauben, daß das Kind je so armselig gewesen.
Ich bin der festen Überzeugung: die arg verkümmerten Augen waren nur ein Bild, eine Folge des noch ärger verkümmerten Körpers. Und wie vom welk werdenden Stamme die Blätter und der Blütenschmuck abfallen, so müssen im siechen Körper auch krank angelegte Augen vorkommen. Treibt der Stamm von neuem, dann treiben und grünen und blühen auch frisch und neu Blätter und Blüten.
Ausschläge.
Darunter verstehen wir alle jene unnennbaren und unbezeichenbaren Haut-Unreinigkeiten, die oft in einer Nacht, in einem Tag kommen und vergehen. Man schenkt denselben wenig oder gar keine Acht. Zuweilen indessen können sie recht lästig werden und plagen dann die Brust, den Rücken, die Arme, die Beine oder andere Stellen des Körpers. Jahrelang kann[S. 174] man die Last tragen, ohne daß sie den Träger krank macht oder auch nur in auffallender Weise in den Berufsarbeiten stört. Doch kenne ich Personen, bei denen stets Geistesstörungen eintraten, so oft der Ausschlag verschwand. Selbst zwei Fälle von Tobsucht sind mir bekannt, welche ausbrach infolge schnell zurückgetretenen Ausschlages. Anwendungen, wie sie bei Flechten und Geschwüren angegeben sind, lockten den Ausschlag von neuem hervor, wodurch die Störungen gehoben waren. Diese Kleinigkeiten sind also doch nicht so kleinlich; sie können, vernachlässigt, insbesondere in der Reinlichkeitspflege, große und schwere Folgen haben. Neben Geistesstörungen entwickeln sich insbesondere gerne Abzehrung, Schwindsucht, Leber-, Nierenleiden und anderes mehr. Wo der fressende Gesell und seine Giftstoffe sich einnisten, da verwüsten, zerfressen und zerstören sie.
Jedem derart Geplagten möchte ich raten, er solle früh genug, jetzt, wo er noch keine der genannten Folgen spürt, wöchentlich (jeden dritten Tag z. B. eine) ein paar leichte Anwendungen mit Wasser vornehmen. Solche sind der Reihe nach: die kalten Ganzwaschungen, der spanische Mantel und der kurze Wickel. Man erschrecke nicht, wenn nach der einen oder nach der anderen Anwendung der Ausschlag stärker auftritt. Das ist ja ein trefflicher Beweis ihrer Wirkung. Man stelle die Anwendungen nur nicht ein, sondern fahre um so entschiedener damit fort!
Wer den Rat befolgt, wird an sich erfahren: Das Ende jeder Anwendung gut, aller Ausschlag gut. Jeder Unparteiische urteile selbst, ob es besser sei, zu derartigen Reinigungen die häßlichen und abscheulichen Salben, heißen sie nun Schönheitsmilch, Wunderbalsam usf., zu gebrauchen oder das reine, kristallklare Wasser. Was mögen derlei ausgeschriene und jetzt bald in jedem Zeitungsblatte ausgehängte Salbereien für Zeug enthalten! Mancher und manche würden rot werden vor Scham, wenn seine Herren Kollegen, wenn seine hohen Verwandten wüßten, daß auch er oder sie unter die Quacksalber gegangen. Doch das hilft alles nichts, ich weiß es wohl. Die Welt hat gesalbt, und die Welt salbt. Mundus vult decipi, d. h. die Welt wird weiter schmieren und salben. Habeat sibi!
Ein Landwirt erzählt: „Ich habe schon mehr als zwei Jahre einen Ausschlag im Gesicht und am ganzen Körper. Manchmal sieht man wenig, dann kommt er aber stellenweise recht stark heraus. Ich bin sonst gesund; aber wenn sich dieser Ausschlag noch mehr[S. 175] verbreitet, wie es den Anschein hat, dann weiß ich nicht, welches Schicksal mich noch treffen wird. Ich habe schon vieles und verschiedenes dagegen gebraucht, doch alles umsonst.“
Anwendungen: 1) In der Woche zwei warme Haberstrohbäder mit zwei Wechseln, jedesmal 15 Minuten ins warme, eine Minute ins kalte Wasser, oder sich kräftig abwaschen. 2) Dreimal in der Woche in der Nacht vom Bett aus oder beim Aufstehen den ganzen Körper mit kaltem Wasser waschen. 3) Täglich eine Messerspitze voll weißes Pulver, wie in der Apotheke beschrieben. So 3–4 Wochen fortmachen, dann jede Woche ein- bis zweimal den ganzen Körper waschen oder, statt zu waschen, ein Halbbad nehmen.
Auszehrung.
Wir kennen viele Menschen, die außerordentlich schnell beleibt werden. Man fürchtet dieses im allgemeinen, weil die oftmals begründete Meinung herrscht, daß solche Leute meistens nicht lange leben. Desgleichen sind uns viele, Männer, Frauen und Kinder, bekannt, bei denen gerade das Gegenteil stattfindet, deren Kräfte auffallend rasch abnehmen. Sie gleichen dem Gras auf dem Feld, das heute grünt und morgen dörrt, und das Merkwürdige an der Sache ist, daß solche Kranke sehr häufig gar kein besonderes Leiden fühlen. Sie klagen meist nur über Mattigkeit, wenig guten Humor und entweder sehr großen oder gar keinen Appetit. Kommt man da nicht bald mit der Hilfe, so welken solche schon halbdürre Pflanzen nach und nach ganz ab; sie löschen aus wie ein schwachbrennendes Nachtlichtlein. Vielleicht kommt noch eine akute Krankheit dazu, die dem glimmenden Dochte rasch ein Ende macht. Kranke dieser Art kommen mir, um ein Bild aus dem alltäglichen Leben zu gebrauchen, vor wie ein Haus, das gebaut wurde aus schlechtem Kalk und Mörtel, das bald baufällig wird und bei dem in kurzem alles aus den Fugen geht. Er ist an der Brightschen Krankheit gestorben, hört man oft sagen. Das war so ein Zusammenbrechen eines morschen, baufälligen Körpers. Verschiedene Bezeichnungen für eine und dieselbe Sache! Gut essen und trinken hilft da nichts mehr. Wirf an ein zerfallendes Haus an diesen oder jenen Fleck noch einige Kübel Mörtel — jeder Vernünftige wird lächeln! Die Auszehrung unterscheidet sich von der Schwindsucht dadurch, daß bei dieser die Krankheit von einem Organe ausgeht, sei es von der Lunge, der Brust, dem Kehlkopf usw., und von diesem Punkte weitere Kreise zieht, bei jener aber mehr eine allgemeine Auflösung, ein Ruin des ganzen[S. 176] Körpers stattfindet. Oft sucht man den Hauptsitz oder den Ausgangspunkt der Auszehrung in den Nieren, im Unterleibe; vielfach ist jede genaue Bestimmung vor der Sektion unmöglich; gar oft täuschen die scheinbar bestimmtesten und sichersten Zeichen.
1. Ein ziemlich korpulenter Herr erfreute sich stets der besten und ausdauerndsten Gesundheit. Seine Lebensweise und Diät waren wohl geordnet. Plötzlich merkte er, daß seine Kräfte und seine Korpulenz schwinden. Er fühlte Schwindel im Kopf und getraute sich nicht mehr zu stehen, ohne sich festzuhalten. Peinlich vor allem war ihm der Gedanke, auf dem Boden ausschreiten, gehen zu sollen, ohne daß die Füße einen besonderen Halt hätten. Kaum sechs Wochen waren vergangen, und der Patient hatte 72 Pfund am Körpergewicht abgenommen. Der große und selten schöne Mann von ehedem wankte und schwankte daher wie ein geknicktes Rohr, leblos und tot wie ein Dürrling (dürrer Baum) im Walde. Alle ärztlichen Mittel wollten nichts helfen; der Kranke sah seiner baldigen Auflösung mit sicherem, aber wehmütigem Auge entgegen.
In diesem Zustande und in dieser Stimmung kam er zu mir; ich erkannte ihn nicht wieder, obwohl er mir sonst ein lieber Bekannter war. Ich selbst zweifelte an der Möglichkeit eines Wiederaufkommens. Doch riet ich, einen letzten Versuch mit Wasser zu machen.
Die Natur, die in ihrer Selbstvernichtung begriffen war, mußte gestärkt und dem selbstmörderischen Treiben gesteuert werden. Täglich zwei- bis dreimal ging der Kranke barfuß im nassen Gras oder auf nassen Steinen. Jeden weitern Tag nahm er einen Ober- und Unteraufschläger, in der Woche einmal den spanischen Mantel. Diesen Anwendungen folgten wöchentlich zwei Halbbäder, ein kurzer Wickel und ein Ober- und Unteraufschläger. Die Halbbäder lösten sodann Ganzbäder ab, und zwar kalte von je einer Minute Dauer und warme mit zweimaligem Wechsel, von beiden Arten je eines in der Woche; ebenfalls wöchentlich eine Ganzwaschung. Zur Ausheilung und zur Bewahrung vor einem Rückfall verordnete ich wöchentlich ein kaltes Ganzbad, einen Oberguß mit Knieguß und hin und wieder den spanischen Mantel. Das Bier wurde von vier bis fünf Glas auf zwei reduziert; die Kost mußte einfach und nahrhaft sein.
Schon nach Schluß der ersten acht Tage war Besserung eingetreten: Stillstand der Kräfte-Abnahme und Erstarkung. Nach acht Wochen konnte der Genesene wieder seinen Berufspflichten vorstehen. Er nahm zu wie an Kraft, so auch wieder an Korpulenz und ist heute noch ein gesunder, stattlicher und kräftiger Mann.
2. Eine Mutter, blühend wie das Leben, verlor in wenigen Wochen die Frische des Aussehens und alle Kraft. Allgemein war über sie schon das Todesurteil gefällt worden, zumal die ärztlichen Mittel ohne Wirkung blieben. In ihrer Not flüchtete sie zum Wasser.
Zweimal in der Woche zog sie ein nasses Hemd an und wickelte sich in die trockene Wollumhüllung, in der sie je eine Stunde blieb. Dann nahm sie ebenfalls wöchentlich zwei Halbbäder und setzte beide Übungen 14 Tage lang fort. Der Zustand besserte sich. An Stelle der früheren Anwendungen traten jetzt wöchentlich ein kurzer Wickel und einmalige kalte Ganzwaschung vom Bette aus. Die vollständige Gesundheit ward der Mutter, die gesunde Mutter den erfreuten Kindern wieder geschenkt.
Bei derartig Leidenden kann man (wie oben bei den Krankheits-Erscheinungen schon gesagt wurde) die Bemerkung machen, daß sie bald zu viel Nahrung einnehmen, so daß die geschwächte Natur dieselbe nicht in der rechten Ordnung zu Säften, Blut, Knochen, Fleisch usf. verarbeiten kann. Es müssen schlimme Folgen eintreten, wie anormale Fettbildung, Anstauungen von Blut, von Säften usw. Die gut verteilten Wasseranwendungen lösen auf, leiten Unbrauchbares ab, regeln und ordnen den Blutumlauf, kräftigen und stärken den Organismus.
Noch ein Fall ist möglich. Die Nahrung wurde eingenommen, geht aber ohne die gehörige Ausnützung wieder ab. Die Organe sind schwach und matt, untätig und arbeitsunfähig; sie sind in ihren Funktionen ganz geschwächt. Auch da müssen große Störungen im Körper entstehen, die Gesundheit muß untergraben werden. Schneide, welcher Pflanze du willst, die Saugwurzeln ab, sie muß zugrunde gehen. Den Saugwurzeln gleichen die Organe. Das Wasser kräftigt, erfrischt sie. Du kennst das oberschlächtige Wasserrad. Es kommt der Sturzbach, die ganze Maschine gerät in Bewegung und Tätigkeit, alle Schaufeln drehen sich. So rüttelt das Wasser, das in geordneter Weise den un[S. 178]tätigen Körper trifft, alle Organe aus ihrer Schläfrigkeit und Schlaffheit. Sie arbeiten wieder, und neues Leben pulsiert im neu auflebenden Körper.
Wie viele junge Leute tragen heutzutage derlei sieche Leiber, wahrhaft schon halbe Leichname, mit sich herum! Ich wünsche allen von Herzen, daß sie zur rechten Stunde noch die rechte Hilfs- und Heilquelle auffinden mögen!
Beinfraß.
Ein Herr von Stand bekam eine kranke Zehe; er glaubte, der Nagel sei etwas beschädigt worden, und hielt die Sache keiner weiteren Beachtung wert. Die Zehe indessen entzündete sich und machte es notwendig, den Arzt herbeizuziehen. Dieser verordnete während mehrerer Wochen verschiedene Mittel. Die Zehe sei gut, meinte er, obschon die Entzündung an Ausdehnung gewonnen hatte und der ganze Fuß mächtig angeschwollen und zum Gehen und Stehen durchaus unbrauchbar war. Der Kranke ahnte nicht, was eingetreten war, bis sich eines Tages zwei kleine Beinchen aus- und ablösten. Daraufhin bekam er Mißtrauen zu seinem Fuße und zu all denen, die denselben bislang für ganz ausgezeichnet gehalten und erklärt hatten. Der Herr kannte mich und bat mich, nachzusehen. Es war Beinfraß eingetreten. Alsbald ließ ich Zinnkraut in Wasser sieden und den kranken Fuß, soweit die Geschwulst reichte, mit in den Absud getauchten Tüchern überschlagen. Innerhalb ganz kurzer Zeit war die Geschwulst und der noch junge Beinfraß gehoben; der Fuß heilte wieder zu, und sein Herr gebrauchte ihn wie früher.
Nach ungefähr einem Jahre meldete sich das fatale Leiden von neuem, diesmal an dem anderen Fuße, und zwar genau wieder an der großen Zehe. Der Arzt durchschnitt die Zehe und wendete scharfe Mittel an, welche die Zehe zuheilten. Während des Heilens spürte der Patient am anderen Fuße einen ähnlichen anhaltenden Schmerz wie früher vor dem Auftreten des ersten Leidens. Die Heilung der Zehe schritt indessen weiter und wurde schließlich als fertig und gelungen erklärt, wenn auch die durchschnittene und geheilte Zehe um die Hälfte dicker und immer etwas gerötet blieb. Der berufseifrige Herr konnte gehen und arbeiten, und was wollte er auch mehr? Als einer, der mit der Wahrheit nicht hinter dem Berge hält, sondern immer gerade herausrückt, wurde ich gemieden und nicht weiter gefragt. Mir war das lieb; denn meine Antwort hätte[S. 179] lauten müssen: Die Krankheit ist teilweise gehoben, aber nicht entfernt. Die Folge wird sein, daß früher oder später der Beinfraß weiterfrißt. Ich hatte mich nicht getäuscht; so kam es. Wie mußte dieser Fuß behandelt werden? Notwendig müssen beide Füße zugleich in Behandlung kommen, so lange, bis kein Fleckchen von besonderer Röte mehr zu sehen und keine Spur von Schmerz mehr zu fühlen ist. Sie sind zu behandeln mit in Haberstrohabsud eingetauchten Fußwickeln, in der Art, daß die Füße täglich einige Male umwickelt werden und die Wickel über die kranken und schmerzhaften Stellen etwas hinausreichen. Die vollständige und wirkliche Heilung wird nicht allzulange währen.
Wie kommt es wohl, daß in unserem Falle gerade in den Füßen der Beinfraß sich festsetzte? Weshalb nicht z. B. in den Händen oder Armen? — Dieser Herr hatte früher eine schwere, langwierige Krankheit durchgemacht, als deren Folge eine große Schwäche, besonders in den Füßen, zurückblieb. Möglich, daß darin kranker, giftiger Stoff liegenblieb. Sicher ist, daß bei dem dermaligen Rekonvaleszenten die Füße wegen ihrer schweren Arbeit (sie allein tragen stets den Körper, und oft was für einen!) sich nie gehörig erholen konnten und so als der schwächere Teil den Angriffen des Giftstoffes leicht erlagen.
Der Herr lebt noch. Er darf recht achthaben, wenn er vom Beinfraß nicht mehr will heimgesucht werden. Bei den geringsten Anzeichen möge er alsbald meinen freundlichen und gutgemeinten Rat befolgen und mit den Umschlägen von Zinnkraut- oder Haberstrohabsud nicht zögern. Sero venientibus ossa! Der Herr ist Lateiner, er lächelt und versteht mich. Wer nicht Latein kennt, soll nicht grübeln und sich kein graues Haar wachsen lassen, wenn ich diesmal gegen meine Gewohnheit die Fremdwörter nicht verdeutsche.
Andere Fälle mit geheiltem Beinfraß übergehe ich, da sie jüngere Personen betreffen, bei denen im Beginn des Leidens die Heilung leicht und schnell zustande kommt.
Bettnässen.
Dieses Übel kommt bei der heranwachsenden Jugend beiderlei Geschlechtes häufig vor. Auch gibt es viele Erwachsene, die bis in die 20er Jahre und noch länger daran leiden. Man findet in Zeitungen allerlei Mittel ausgeschrieben und angepriesen; gewöhnlich ist’s nur Schwindel. Leider, daß diese oft sehr schädlichen Mittel angewendet und solche unglückliche Kinder noch mit Rute[S. 180] und Stock gezüchtigt und verhöhnt werden, was doch gewiß nicht helfen, sondern das Übel nur ärger machen kann. Mir wurde von einer Anstalt erzählt, daß die betreffenden Kinder jedesmal vor dem Schlafengehen bestraft wurden. Die armen Geschöpfe können vor Angst und Furcht nicht sogleich einschlafen, geraten dann um so tiefer in Schlaf, und um so sicherer behauptet das Übel die Herrschaft. Der Grund des Leidens liegt in der Schwäche der Natur; wird diese gekräftigt, so muß jenes in Bälde weichen.
Sechs Kindern von 8 bis 13 Jahren riet ich, sie sollen täglich in einer Badewanne mit so viel Wasser, daß es bis an die Waden reicht, hin und her gehen 3–5 Minuten lang, dann im Zimmer oder im Freien rasche Bewegung machen, damit die Naturwärme schnell wiederkehre. Nach fünf Tagen passierte nur noch zwei Kindern das Unglück; in wenigen weiteren Tagen waren auch diese geheilt.
Eine zweite Anwendung bestand darin, daß sie nach dem Gehen im Wasser auch die Arme zwei Minuten in kaltes Wasser hielten, was sichtlich nicht bloß gegen fraglichen Fehler wirkte, sondern den zuvor krank aussehenden Kindern eine gesunde Gesichtsfarbe verlieh.
Auch bei Erwachsenen kann das angegebene Mittel ausreichen. Nur wenn durch Schwäche auch die Säfte mit dem Blute sehr heruntergekommen sind, empfiehlt es sich, täglich eine Tasse Schafgarbentee zu trinken, die eine Hälfte am Morgen, die andere am Abend.
Bemerkt sei hier, daß das kälteste Wasser am wirksamsten ist. Ich machte bei solchen Kindern den Versuch mit warmen Bädern und erreichte das Gegenteil
Blasenkatarrh.
Ein Herr berichtet: „Ich bin 30 Jahre alt, leide nun schon drei Jahre an Blasenkatarrh und habe mir dieses Leiden infolge von Überanstrengung im Beruf und besonders durch allzu langes Aufhalten des Harns zugezogen. Im Anfange verrichtete ich noch zwei Monate lang die mir obliegenden Arbeiten unter großen Schmerzen, bis ich bei Tische plötzlich einmal vor Schwäche und Schmerz zusammenbrach. Vier Monate lang bin ich krank im Bette gelegen und so elend geworden, daß mein Körper einem Totengerippe gleich war, — mein Körpergewicht betrug bloß mehr 82 Pfund. Der Arzt verordnete mir nun Wildunger-Wasser, wovon ich etwa 100 Flaschen getrunken habe, und warme Sitzbäder. Ich bekam[S. 181] zudem noch einen sehr heftigen Magen- und Darmkatarrh. Nach vier Monaten, als es Frühling wurde, ging es besser. Im Sommer sodann ging es mir erträglich, wiewohl ich immer noch zeitweise große Schmerzen verspürte und der Urin sehr oft, ja beinahe täglich noch trübe war. Der Winter aber brachte mir wieder ein ganzes Heer von Schmerzen; erst der folgende Frühling und besonders der Sommer halfen mir wieder auf die Beine. Aber im Winter 1887 steigerten sich die Blasenschmerzen wiederum mit jedem Tage; der Urin floß immer spärlicher, ward trüber, und ich mußte drei Wochen das Bett hüten. Meine körperlichen Kräfte schwanden immer mehr, so daß man glaubte, eine Art Abzehrung habe sich eingestellt. Am Unterkörper war ich zumeist kalt und konnte mich trotz des geheizten Zimmers, der fünf Unterbeinkleider und der drei Paar Strümpfe nicht erwärmen; es ging abwärts mit mir. Der Arzt sagte, ich solle mich nur recht warm halten, und gegen das Blasenleiden verordnete er teils Wildunger-, teils Kronenquell-Wasser, wovon ich etwa 150 Flaschen leerte. Auf vielseitges Anraten entschloß ich mich, sobald die Witterung es erlaubte, nach Wörishofen zu gehen.“
Der Patient sah sehr abgemagert und elend aus, hustete aber nicht. Ich gab ihm gute Hoffnung auf Wiederherstellung. Schon am dritten Tage bekam er eine bessere Gesichtsfarbe, die Schmerzen nahmen von Tag zu Tag ab, der Urin floß reichlicher und heller, und nach vier Wochen erklärte er: „Nun bin ich wieder der frohe, heitere, gesunde Mensch wie ehedem, — dies hat das Wasser getan.“
Der Erfolg war ein außerordentlich günstiger. Ein Arzt, der sich speziell mit Blasenleiden beschäftigt, erklärte den Herrn für vollständig hergestellt und war ganz erstaunt über den Heilerfolg.
Die Anwendungen waren: Anfangs einigemal Leibstuhldampf mit Zinnkrautabsud; ferner drei Wochen lang vor- und nachmittags Oberguß und Wassertreten; später Sitzbäder und Oberguß, täglich abwechselnd; außerdem anfangs Tee von Zinnkraut und Wacholderbeeren.
Blasenleiden, nervöses.
Ein Lehrer berichtet: „Meine Krankheit wird von den Ärzten bezeichnet als „nervöser Reizzustand der Blase und des Unterleibes“. Seit ungefähr 15 Jahren leide ich an Urinbeschwerden, bald mehr, bald weniger. Mit Beginn dieses Frühjahres stellte sich das Leiden wieder in besonders hohem Grade ein. Oft mußte ich in einer[S. 182] Nacht 15–20mal unter heftigem Drang den Harn lassen. In dem reichlichen Niederschlage fanden sich viele Salzkristalle, später auch Schleim. Dabei litt ich an hartnäckiger Stuhlverstopfung, Blähungen, oftmals, besonders nachts, an heftigem Erzittern des Körpers, hauptsächlich des Unterleibes, verbunden mit Kältegefühl, zuweilen auch an nervösen Zuckungen in den Beinen. Vollständige Appetitlosigkeit und Schlaflosigkeit haben mich sehr geschwächt.“
Die Anwendungen waren folgende:
1) in jeder Nacht Ganzwaschung;
2) den einen Tag einen kurzen Wickel, den andern ein in warmes Salzwasser getauchtes Hemd anziehen;
3) täglich eine Tasse Zinnkrauttee, worin 20 zerstoßene Wacholderbeeren mit abgesotten waren, trinken; so drei Wochen lang.
In kurzer Zeit stellten sich Schlaf und Appetit ein, und eine Krankheitserscheinung schwand nach der anderen. Nur blieb noch Mattigkeit und Schmerz in den Beinen zurück. Dagegen folgendes:
1) früh ein Oberguß;
2) nachmittags ein Knieguß;
3) manchmal ein Halbbad.
Die letzten Reste der Krankheit waren bald verschwunden.
Blasenstein.
Ein Herr in den schönsten Jahren erkrankte. Er bekam heftige Schmerzen in den Nieren, und es wollte durchaus kein Wasser mehr abgehen. Herbeigerufene Ärzte erklärten, es sei ein Stein in der Blase, der aber nur durch Operation entfernt werden könne. Der Kranke wollte sich dazu durchaus nicht verstehen.
Den kranken Herrn besuchte ein Bekannter, um sich über sein Leiden zu erkundigen. Diesem klagte der Patient seine Not und erhielt den Rat: mittags, abends und morgens ein warmes Sitzbad von Zinnkraut zu nehmen und vor jedem Bad eine Tasse Tee von Zinnkraut zu trinken. In 36 Stunden ging ein Stein ab in beinahe Haselnußgröße. Plötzlich war aller Schmerz weg und der Mann gesund.
Blattern.
Was Scharlach im kleinen, das sind die Blattern im großen. Giftig ist schon der Scharlach, giftiger sind die Blattern, seien es die weißen oder die schwarzen. Die Behandlung bleibt für alle Fälle dieselbe. Man sagt gewöhnlich, wenn die Blattern nicht hervortreten, so müsse der Kranke daran sterben. Darum kann[S. 183] nichts Besseres getan und sorgfältiger getan werden, als so schnell wie möglich den Blatternstoff an die Oberfläche der Haut zu leiten, um so im Inneren die ärgste Vergiftung zu verhüten und eine rasche Ableitung vorzunehmen.
Sechs Personen, die an den weißen Blattern erkrankten, wurden geheilt, indem dieselben so oft gewaschen wurden, als die Hitze recht groß, die Bangigkeit fast nicht auszuhalten war. Anfangs war es jede Stunde notwendig, später alle zwei Stunden, nach längerem Verlauf im Tage nur noch zwei- bis dreimal. Am siebenten Tage waren die sechs Kranken vollständig gesund. Gegessen haben sie fast nichts, was am besten ist, getrunken ziemlich viel, was nicht schadet, wenn nur in kleinen Portionen getrunken wird. Daß alle Patienten dies beachteten! Viel Trinken auf einmal löscht den Durst nicht nachhaltig und vermehrt die Bangigkeit.
Ich selbst mußte oft staunen, wie durch obige Behandlungsweise, durch die einfachen Waschungen, die Blattern stets auf der Oberfläche der Haut erschienen. Sie zeigen sich als kleine, spitzige Erhöhungen, aus der Haut hervortretend, ähnlich den Fröschen, die über das Wasser hervorschauen. Man wasche ohne die geringste Scheu! Je bälder und pünktlicher solches geschieht, desto schneller entwickeln sich die Bläschen, desto rascher wird der Giftstoff ausgeleitet. Ehe er zu den Geschwüren sich entwickeln kann, wird er, wenn ich so sagen darf, gleichsam weggewaschen.
Noch eines: Man gönne den Kranken auch die frische Luft, die ehedem so sehr mißgönnte und gefürchtete. Immer sei eine, wenn auch kleine Stelle geöffnet, bei der sie eindringen kann.
Das Waschen geschehe so schnell, daß höchstens eine Minute zu einer Waschung gebraucht werde. Auf diese Weise können bei Erwachsenen ebenso leicht die Blattern wie bei den Kindern der Scharlach geheilt werden. Bemerkt sei noch, daß die gelindeste Anwendung die beste ist.
Vier Personen litten an denselben Blattern. Sie wurden geheilt, indem sie statt der Waschungen täglich zwei- bis dreimal ein nasses Hemd anzogen, welches der spanische Mantel gut ersetzt hätte. Nach einer Stunde wurde das Hemd abgenommen und erst wieder angelegt, wenn Hitze und Bangigkeit groß waren. Die letzten Tage geschah dieses höchstens noch ein- bis zweimal. Nach acht Tagen war die ganze Kur vorüber, und von den[S. 184] schrecklichen Narben, die manches Antlitz fürs ganze Leben entstellen, war keine, auch nicht die geringste Spur zu sehen.
Fritz kann nicht mehr gehen, er ist todmüde an allen Gliedern. Sein Aussehen ist zum Erschrecken. Heftiges Kopfweh und lästige Übelkeiten befallen ihn, und es drückt ihn gewaltig auf der Brust. Man ruft den Arzt. Dieser erklärt, das seien sichere Anzeichen der Blattern; es brauche indes zur Entwicklung derselben noch drei Tage. Ein Abführmittel könne nicht schaden, sonst aber lasse sich nichts tun. Fritz war damit nicht zufrieden, und da er vom Wasser gehört, ließ er sich eine Wanne mit Wasser ins Zimmer bringen, unmittelbar neben das Bett. Jede Stunde steigt er ins Wasser und wäscht sich mit einem rauhen Handtuche kräftig ab; in ganz kurzer Zeit, in kaum einer Minute, ist jedesmal die Arbeit fertig. Innerhalb 18 Stunden hat sich der Kranke achtzehnmal gewaschen.
Bevor der Arzt wieder kam, war Fritz gesund und von seinem Blatternansatz gründlich geheilt. Gegessen hat er in dieser Zeit nichts und getrunken nur das liebe Wasser.
Soeben höre ich von einem Freunde, daß er, meinem Rate folgend, ganz auf diese Weise 4–5 Personen, die plötzlich vom Fieber befallen worden waren und bei denen mit Grund der Ausbruch der Blattern befürchtet wurde, in wenigen Tagen heilte.
Herrschen an irgend einem Orte die Blattern, Scharlach, Ausschlagkrankheiten und zeigen sich Krankheits-Erscheinungen, so beginne man möglichst bald mit der Anwendung. Ein zuwartendes, rein beobachtendes Verfahren, „was da wohl sich entwickeln möge“, ist stets vom Übel. Das Feuer greift weiter und verzehrt rasch die Kräfte. Wer sofort löscht, löscht am leichtesten. Nach wenigen Tagen schon kann die Rettung zu spät kommen.
Sobald ein Kind oder ein Erwachsener über Kopfweh, Beengung, schweren Atem, Husten klagt und sagt, daß aller Mut gebrochen, alle Kraft gelähmt sei, so sind dieses ebenso viele Fingerzeige, daß die Zeit der Anwendung gekommen. Selbst in Fällen, in denen man sich täuschte, können letztere (die Anwendungen) nie Schaden bringen.
Im allgemeinen wiederhole ich an dieser Stelle folgende Regeln:
Die Waschungen seien so kurz als möglich und erstrecken sich auf den ganzen Körper des Patienten.
Das Zudecken (Abschließen der äußeren Luft) nach der Anwendung geschehe sorgsam, nicht zu übermäßig. Man sorge für stete Erneuerung der frischen Luft (gute Lüftung) und verhüte nur, daß der Luftstrom dem Kranken direkt in das Gesicht wehe.
Die Wiederholung des Waschens bei jedesmaligem Steigen der Hitze und der Bangigkeit werde genau eingehalten.
Niemals dränge man einen Kranken, insbesondere einen Schwerkranken zum Essen. Der Magen kündigt durch Hunger an, wann er zur Arbeit wieder aufgelegt ist. Aufgedrungene Speisen läßt er unverändert liegen. Sie belästigen und sind zuweilen ein Haupthindernis der Genesung, zuweilen die einzige Ursache eines Rückfalles.
Welche Torheiten werden in dieser Beziehung oft, sehr oft aus Unwissenheit, besonders auf dem Lande, begangen! Alles kommt zum Krankenbett und nötigt in übelverstandenem Eifer und in schlimm wirkender Wohlmeinung das Essen, das Trinken auf. Man bringt dem Kranken Süßigkeiten u. a., was in solchem Zustande die Wirkung des Giftes tut. Man begeht, wie gesagt, unglaubliche Torheiten und sündigt unwissend schwer gegen die Gesundheit.
Meldet sich der Appetit, bittet der Kranke um Festes, um Flüssiges, so gebe man ja recht wenige, einfache (nicht viel gesalzene, nicht gewürzte), milde, leicht verdauliche Speisen, niemals bis zur vollen Sättigung. Ich empfehle als Beigabe namentlich gut eingekochte Früchte. Wasser mit etwas Wein, Wasser mit Milch und später Milch allein sind das beste Labsal. Man hüte sich, den Konditor, den Zuckerbäcker zum Krankenfütterer zu machen.
Man hat bereits mancherorts begonnen, bei Blattern-Epidemien das Wasser als Heilmittel anzuwenden, in vielen Fällen leider viel zu schroff und abschreckend. Es wäre nur zu wünschen, daß die Anwendung noch viel allgemeiner und in der Praxis viel gelinder, leichter[29] würde; zahlreiche Menschenleben könnten so gerettet werden. Nach meinen bisherigen Erfahrungen wage ich die Behauptung: kein an Blattern Erkrankter, der nicht außer den Blattern ein anderes schweres Leiden hat, würde (wenige Fälle ausgenommen) dieser Krankheit unterliegen. So oft ich lese, wie in einem Jahre Hunderte und Tausende von dieser[S. 186] Seuche, vielmehr der ihr vorangehenden und sie begleitenden Fieberhitze hinweggerafft werden, wandelt mich große Schwermut an. Das Löschmittel steht parat, aber oftmals wird kein Tropfen zur Kühlung, zum Auslöschen der Hitze verwendet. Wer versteht solches? Daß doch die Wirkung und Heilkraft des Wassers endlich zur vollen Geltung käme!
Die Heilung der Blattern durch Wasser hat noch den speziellen Vorteil, daß der Giftstoff nie tief einfrißt und daß deshalb nach solcher Behandlung niemals die entstellenden Blatternnarben das Gesicht fürs ganze Leben kennzeichnen.
Die Waschungen, welche wir in unseren obigen Fällen verordnet haben, können ersetzt werden durch den spanischen Mantel, den man täglich zweimal, bei großen Hitzen dreimal umlegt je 1–1½ Stunden lang. Man versäume es nie, nach jeder Anwendung den Mantel sorgfältig auswaschen zu lassen; er enthält jedesmal eine Menge giftiger Stoffe.
Eine weitere Anwendung besteht darin, daß man, zu Bette liegend, ein zweifach zusammengelegtes grobes Linnen ins Wasser taucht, es auf Brust und Unterleib legt in Form des Oberaufschlägers (s. Aufschläger) und nachher in derselben Weise den Unteraufschläger folgen läßt. Bei großer Hitze kann dieses Verfahren in einem halben Tage zwei- bis dreimal wiederholt werden.
Blutarmut (Bleichsucht).
Weil der ganze Körper aus Blut gebildet ist und der ganze Körper seine Größe, seine Kraft und Ausdauer vom Blute hat, so darf ich den Satz aufstellen: wer gesund bleiben und lang leben will, der muß gutes Blut und hinlängliches Blut haben. Die Natur bereitet aus Speise und Getränk das notwendige Blut, und man kann mit Recht sagen: wer gutes Blut hat, ist gesund, und wer viel Blut hat, ist ausdauernd, und wo wenig oder schlechtes Blut bereitet wird, werden alle möglichen Krankheiten eintreten können.
Zu einer guten Blutbildung ist vor allem notwendig eine gute, gesunde Luft, viel Licht, eine gute, entsprechende Nahrung, welche gutes Blut geben kann, und die erforderliche Bewegung oder Tätigkeit des Körpers. Gehen diese notwendigen Bedingungen ab, dann wird auch das Blut abnehmen, und sind die Nährstoffe nicht gut, dann wird zur Blutabnahme auch noch krankhaftes Blut bereitet werden.
Blutarmut kann auch eintreten, wenn man Blut verloren hat durch Verwundungen, Aderlaß und andere Blutverluste.
Wer blutarm ist, der ist auch schwächlich oder krank.
Ein Bild der Blutarmut ist der Bleichsüchtige. Das Gesicht des Bleichsüchtigen ist blaß, bleich, oft gelblich, bräunlich; besonders sind die Lippen und das Zahnfleisch abgestanden; die Augenlider sind matt, und so ist vorherrschend überall Schwäche, Magerkeit, Mangel an Wärme, gebückte Haltung — somit ein Bild der Krankheit. — Die weiteren Folgen sind: Herzklopfen, schwerer Atem, besonders beim Treppensteigen, Kopfweh, Kreuzschmerzen, Ohnmacht, Krämpfe, Magenkrampf, Verdauungsschwäche. Neigung bekommen solche Leute oft zu Speisen, die weder der Natur zuträglich sind noch ein gutes Blut geben können.
Als Heilmittel ist einzig sicher, daß der Kranke möglichst viel in frischer Luft verweilt, wenig im Zimmer, und dieses sei nur spärlich geheizt; die Kleidung sei ja nicht zu warm und schließe sich nie fest an den Körper an, damit überall die Luft eindringen kann. Solche Kranke sollen womöglich vermeiden: dumpfe Luft, wie im Keller, geschlossene Räume, rauchige Zimmer!
Solche Kranke sollen nur gute, leichtverdauliche Nahrung genießen: Milch, gutes Brot, gekochte Brotsuppe und von ganz einfachem Mehl bereitete Speisen; sie sollen recht wenig auf einmal essen; 2–4 Löffel voll Milch, und dieses öfter, ist am besten; weil wenig Magensäfte vorhanden, wird sie nicht schnell verdaut und darum schlecht im Magen. Bewegung und Arbeit im Freien (aber nie über die Kräfte arbeiten!) ist gut zur Vermehrung des Blutes, und die Gesundheit kommt dann von selber.
Die Anwendungen mit Wasser sind folgende: In der Woche drei- bis viermal in der Nacht vom Bett aufstehen, sich ganz waschen und gleich wieder ins Bett; ins Wasser stehen bis über die Waden, eine Minute lang; gleich darauf kommen auch die Arme ins Wasser, in der Woche ungefähr zwei- bis dreimal.
Ist der Bleichsüchtige recht schwach und hat er wenig Naturwärme, so soll anfangs nur warmes Wasser genommen werden, sowohl für die Waschungen als für die Bäder; in das Wasser kann auch Salz oder Essig gemischt werden. Um den Appetit zu fördern, ist es recht gut, täglich dreimal, jedesmal 2–3 Eßlöffel voll, Wermuttee einzunehmen. Ein vorzügliches Mittel gegen Bleichsucht ist auch, täglich zweimal, jedesmal eine Messerspitze voll, Kreidemehl in 4–6 Löffeln Wasser einzunehmen.
Hat sich durch die bezeichneten Anwendungen der ganze Zustand gebessert, dann können statt der Waschungen und Fußbäder Halbbäder[S. 188] in der Woche zwei- bis dreimal genommen werden; dann werden Ober- und Knieguß, nicht zu oft angewendet, ihre Dienste tun.
Ein armes Dienstmädchen wird nicht leicht bleichsüchtig.
Blutarmut bei einem Kinde: Eine Mutter bringt einen Knaben, 5 Jahre alt. Der Knabe ist wohlbeleibt, hat eine recht gute Haltung, ist also recht gut gebaut, aber im Gesicht so bleich, daß die Farbe mehr die eines Toten ist als die eines gesunden Kindes. Das Kind hat weder Leben noch Mut, ist ohne Appetit, hat auch keine Kraft, kurz, das Kind ist so blutarm und der ganze Organismus so untätig, daß es mehr einem Greise ähnlich sieht. Mehrere Ärzte haben das Kind behandelt, geholfen hat nichts. Zwei Ärzte haben recht viel Wein zu trinken befohlen; doch der Zustand blieb der gleiche, und das Kind hatte gegen den Wein wie gegen alle Kost die größte Abneigung. Was ist hier zu tun?
1) Jeden Tag dem Kinde ein Hemd anziehen, in warmes Wasser getaucht, in welchem Heublumen gesotten wurden;
2) jeden Tag den ganzen Knaben waschen mit Wasser und Essig;
3) womöglich im Zimmer barfuß gehen lassen; auch ins Freie, in die frische Luft gehen. Zu essen und zu trinken gebe man einfache Hausmannskost: Wasser, Milch (aber immer nur kleine Portionen, 2–3 Löffel voll); so 14 Tage lang. Nach dieser Zeit:
1) Täglich in nicht zu kaltem Wasser gehen lassen bis über die Waden, 3–5 Minuten lang;
2) täglich einmal ganz waschen mit Wasser und Essig;
3) in der Woche ein- oder zweimal ein Hemd anziehen, in Salz- oder Heublumenwasser getaucht.
Mit diesen Anwendungen 14 Tage fortmachen und dann dieselben höchstens halb so oft gebrauchen.
Blutbrechen und Blutsturz.
Wenn sich eine Blutung einstellt, so fragt es sich, ob das Blut aus dem Magen oder aus der Lunge kommt. Auf Lungenblutung kann man schließen, wenn das Blut unter Husten entleert wird und hellrot und schaumig aussieht; hingegen auf Magenblutung, wenn es durch Erbrechen entleert worden und von dunkelbraun-roter, kaffeesatzartiger Farbe, klumpig und geronnen ist. Blutbrechen ist stets erschreckend und erheischt Vorsicht, da es immer größere oder geringere Gefahren in sich schließt.
Kommt das Blut aus dem Magen, wer weiß, welches Äderchen gelitten hat, ob und wann das Brechen sich[S. 189] wiederholen wird? Eine Vernachlässigung könnte Blutarmut oder eine schwere Krankheit zur Folge haben. Man suche darum die wunde Stelle schnell zu heilen, dann hat das Blutbrechen aus dem Magen keine Bedeutung.
Von größerer, oft recht großer Gefahr ist das Blutbrechen aus der Lunge. Man schaffe deshalb möglichst schnelle Abhilfe!
Bei beiden Arten des Blutbrechens ist Tee von Zinnkraut immer ein erstes Hauptmittel wegen seiner zusammenziehenden Kraft. Ergießt sich das Blut aus der Nase, so ziehe man nach Können öfters solchen Tee durch die Nase ein. Kommt es aus dem Munde, so nehme man alle 10–15 Minuten ein paar Löffel solchen Tees ein. — In der Regel stillt derselbe sehr schnell. Der Tee werde selbst nach vollständiger Stillung noch eine gute Zeit genommen. Mir persönlich ist kein Fall bekannt, in dem Zinnkraut nicht rasche Hilfe gebracht hätte.
Stellt sich das Blutbrechen öfter ein, so müssen die Ursachen erforscht werden. Es ist dann entweder die Lunge krank, und der Patient gehört zu den Schwindsüchtigen; oder es findet ein zu starker Blutandrang nach dem Kopfe statt, der gehoben werden muß (s. „Kongestionen“), oder es rührt von Magengeschwüren her.
Der Blutsturz, den die Verletzung eines edleren Blutorganes zur Folge hat, sei hier nur erwähnt. Da hat gewöhnlich alle Hilfe ein Ende. Meistens tritt plötzlicher Tod ein.
Hier ein Wort über das Nasenbluten. Viele Menschen haben sehr häufiges Nasenbluten und machen sich nichts daraus, weil es ihnen darauf „wohl“ wird. Dennoch ist und bleibt dieser Zustand ein ungesunder, dem sicher früher oder später eine schwere Krankheit folgen wird. Abgesehen von allem andern muß notwendigerweise allmählich Blutarmut, schwaches Blut usw. eintreten und damit die bekannten Zustände: Angst, Furcht, Erschrecken, Ängstlichkeit, Skrupulantentum der verschiedensten Art. Als gute stillende Mittel beim Nasenbluten werden häufig gepriesen: den Betreffenden ohne sein Wissen zu erschrecken, ihm Wasser ins Genick zu gießen, ihn verschiedene Haltungen des Kopfes einnehmen zu lassen.
Ich bin gegen all diese oft das Gegenteil bewirkenden Manöver. Das einzig Richtige scheint mir zu sein, daß man den Blutlauf in geregelten Gang zu bringen sucht, das übermäßig zum Kopfe steigende Blut in den Unterleib und in die Füße lenkt, die bei solchen Zuständen regelmäßig blutarm sind, woraus sich dann später allerhand Schwächen und Gebrechen ergeben.
Zu dieser Ableitung des Blutes nach unten helfen vortrefflich: anfangs ein warmes Fußbad mit Asche und Salz, 15 Minuten lang, in der Woche zwei- bis dreimal; desgleichen wöchentlich 2–3maliges Gehen auf nassen Steinen und 2–3 kurze Wickel. Ist die Natur erst erstarkt, so tun weiter vorzügliche Dienste der Ober- und Unterguß und Halbbäder mit Waschung des Oberkörpers, wöchentlich je eine Anwendung.
Ein Nasenbluten gibt es, das nicht bloß bedenklich ist, sondern leicht den Tod bringt. Ein Mädchen von 15 Jahren, das in der Zeit der Entwicklung war, verblutete vollständig innerhalb 2 Stunden. Wie durch eine Röhre strömte alles Blut aus der Nase, das Bluten endete mit dem Tode (sog. Bluterkrankheit).
Mir selbst kam der Fall vor, daß ein Mädchen von 16 Jahren in ungefähr 1½ Stunden durch die Nase drei Lavoirs reines Blut verlor. Die zunehmende Totenblässe und die anrückende Schlafsucht ließen das Ärgste befürchten. Nachts 2 Uhr wurde ich schleunigst gerufen, die Verblutende zum Sterben vorzubereiten. Alle Hausmittel waren erschöpft, ein Arzt nicht zur Stelle. Ungesäumt ließ ich ½ Gießer mit Wasser auf den Kopf spielen, die andere Hälfte auf den oberen Rücken. Fast augenblicklich hörte das Bluten auf. Das Mädchen lag mehrere Stunden ruhig, aber in seiner Schwäche mehr oder weniger bewußtlos da. Kaum hatte es sich etwas erholt, so meldete sich das Nasenbluten wieder. Der Guß wurde wiederholt und erzielte dieselbe Wirkung. Zur Hebung der Schwäche nahm die Kranke — Appetit und Durst fehlten gänzlich — jede halbe Stunde 2–3 Löffel Milch; nach 2 Tagen konnten bereits Kraftsuppen folgen, die, im Wechsel mit Milch und in überaus geringen Portionen genommen, allmählich dem so arg geschwächten Körper etwas aufhalfen. Der Oberguß wurde täglich pünktlichst vorgenommen. Die Blutungen blieben aus, dagegen meldete sich binnen kurzem ein recht guter Appetit. In 4–6 Wochen erholte sich die Kranke sichtlich, in einem halben Jahre fühlte sie wohl im Innern noch Schwäche, im Äußern war das Aussehen blühend wie früher. Die beginnende Entwicklung mag, wie im ersten Fall, Ursache der Blutung gewesen sein.
Blutfluß.
Ein Hausvater kommt und erzählt folgendes:
„Meine Frau hat schon länger den Blutfluß und ist am Sterben; bis ich heimkomme, ist sie vielleicht schon gestorben. Ärztliche Hilfe gibt es keine mehr. Gibt’s denn gar kein Mittel?“
Ich gab dem Manne den Rat: Die Frau soll 1) anfangs nach je ¼ Stunde 2–3 Eßlöffel voll Zinnkrauttee nehmen, später täglich je 2 Löffel voll; 2) auf den Unterleib ein Tuch legen, in halb Wasser und halb Essig getaucht, 2 Stunden lang, und innerhalb dieser zwei Stunden nach je 20 Minuten wieder frisch eintauchen. Die Blutung hörte rasch auf, und das Weib hatte bloß noch zweimal, jedesmal eine halbe Stunde, einen solchen Überschlag anzuwenden.
Um wieder Blut zu bekommen, hat die beste Wirkung hervorgebracht: in jeder Stunde zwei Eßlöffel voll Milch zu der gewöhnlichen Hausmannskost. Nach vier Wochen konnte dieses Weib ihren Hausgeschäften wieder nachkommen.
Bemerkt sei hier, daß solche Anwendungen nur im Notfalle angezeigt sind, bis ein Arzt zur Stelle ist.
Blutvergiftung.
Eine Hausmutter hatte sich an einem Finger ganz unbedeutend geritzt, sie wußte nicht, ob an einem Nagel oder Holzsplitter, — beachtete diese Kleinigkeit gar nicht und ging am Abend ins Bett, ohne den Schaden näher anzusehen; er schien ihr zu unbedeutend. In der Nacht schon wacht sie auf, empfindet im Finger einen schmerzhaften Krampf, große Übelkeit, Brechreiz bis zum Erbrechen. Der Schaden war an der linken Hand, und sie empfindet auch Schmerz und Krampf am rechten Fuß. Die Hand schwillt stark an bis an den Ellbogen, wird feuerrot, und innerhalb 10 Stunden tritt am ganzen Arm ein fast unausstehlicher Schmerz ein. Die Adern bis zu dem Ellenbogen treten stark hervor und sind ganz dunkel. Arzt war keiner im Ort, und es war sichtbar die höchste Gefahr im Verzug, es werde die Blutvergiftung die Herrschaft bekommen. Die Röte war bereits über den Ellenbogen schon zur Hälfte auf den Oberarm gekommen.
Heublumen wurden mit siedendem Wasser übergossen, und die ganze Hand wurde mit so heißen Heublumen, als sie dieselben nur ertragen konnte, eingewunden. Der ganze Arm wurde mitsamt dem Verband in das heiße Heublumenwasser gelegt, acht Stunden lang. Diese Heublumen zogen wie ein Zugpflaster am ganzen Arm, und so ist es denselben gelungen, die Giftstoffe aus dem Blut auszuziehen, mithin wieder ein Beweis, wie schleunigst eingewirkt werden soll, wenn die Zeichen einer Blutvergiftung sich zeigen. Vielleicht wäre nach 1–2 Stunden die Hausfrau schon ein Opfer des Todes geworden. Bemerkt soll noch werden, daß selbst die Zunge schon eine bläuliche Farbe bekommen hatte. Nach 36 Stun[S. 192]den war auf der flachen Hand die Haut von allem Fleisch so abgelöst, daß sie hätte abgezogen werden können. Als die Krämpfe in dem Finger nachließen, hörte auch natürlich alle Übelkeit auf.
Blutzersetzung.
Auf der Heimreise von einer Fastenpredigt besuchte ich einen Pfarrer. Ich hatte auf dem Wege zufällig erfahren, daß man sein baldiges Ende erwarte. Ich trat ein. Der geistliche Herr saß im Lehnstuhle und erzählte: „Ich habe 25 Löcher und Wunden am Leibe. Sie sehen hier im Gesicht 5 Pflästerchen. Deren habe ich 20 am Leibe. Ganz schnell entstehen kleine Geschwüre mit brauner Flüssigkeit. Setze ich ein Pflästerchen auf, so hält es einen Tag; beim Wegnehmen bleibt gewöhnlich etwas abgestandenes, faules Fleisch hängen. So leide und dulde ich schon seit Monaten, und Hilfe bekomme ich keine mehr. Quälender noch als die Wunden am Körper empfinde ich den entsetzlichen Ekel im Gaumen, den ich niemanden beschreiben kann. Teurer geistlicher Mitbruder, wissen Sie einen guten Rat für einen Armen, dann geben Sie ihn bald; — mir scheint es höchste Zeit.“ Ich riet dem Bedauernswerten, er solle täglich alle 2 Stunden 4–6 Löffel Tee von Salbei und Wermut nehmen, daß ihm der Ekel aus dem Gaumen schwinde. Dann verließ ich ihn auf Wiedersehen in der Ewigkeit.
Nach fünf Tagen kam wirklich ein Bote, doch nicht mit der erwarteten Todesnachricht, sondern mit der Freudenkunde, der Ekel sei aus dem Gaumen entfernt, und der Kranke spüre schon Verlangen nach Speise. Der erste Rat habe so vortrefflich gewirkt, ich möchte bald einen zweiten geben. Ich ließ ihm melden, er solle während 14 Tagen täglich mit frischem Wasser Ganzwaschungen vornehmen oder vornehmen lassen, die einzelnen Waschungen so kurz wie möglich. Von neuem kam die Meldung, der Zustand mache sich, der Appetit sei im Steigen. Ich verordnete als weitere Anwendungen durch einige Wochen abwechselnd den einen Tag den spanischen Mantel, den andern eine Ganzwaschung. Nach 14 Tagen las der Pfarrer wieder die erste hl. Messe. Es folgten noch wöchentlich je ein Kräuterbad zu 28° R. aus Heublumen bereitet, am Schlusse mit kalter Abwaschung, und kalte Halbbäder (mit Waschen des Oberkörpers) im Wechsel mit Ganzwaschungen, den einen Tag die erste, den andern die zweite Anwendung. Der geistliche Mitbruder genas vollkommen und lebte noch 24 Jahre berufsfreudig in seinem Amte als Pfarrer bis zum Ende seines Lebens.
Ein Mann kommt und erzählt: „2½ Jahre bin ich krank, und niemand kann mir helfen. Vor zwei Jahren sind mir beide Füße stark geschwollen und wurden bis zu den Knien hinauf ganz blau. In jeden Fuß brachen zwei Löcher, aus denen viel Blut und Eiter lief. Als die Füße etwas besser wurden, schwoll der rechte Arm stark an, wurde ebenfalls ganz blau, und auch in ihn brachen Löcher. Der Arm ist jetzt wieder besser; ich habe aber eine Geschwulst und Schmerzen auf dem Rücken, auf dem obern Kreuz. Manchmal ist mir der Leib stark aufgetrieben, und ich habe darin große Schmerzen. Aber noch viel ärger als die erzählten körperlichen sind meine geistigen Leiden. Ich soll oft schon ganz verwirrt geredet haben. Wenn’s erlaubt wäre, hätte ich schon oft meinem Leben ein Ende gemacht. Man hat oft gesagt, es sei mir angetan. Doch sei ihm, wie ihm wolle, ich kann nicht mehr elender werden.“
Ich verordnete: „Sieden Sie Haberstroh, tauchen in solches Haberstrohwasser einen Getreidesack und schlüpfen hinein wie in ein Beinkleid bis unter die Schultern. So werden Sie eingewickelt in eine Wolldecke, bleiben zwei Stunden darin und gehen dann, so gut Sie können, Ihren Geschäften nach. Den zweiten Tag tauchen Sie ein grobes Hemd ebenfalls in solches heißes Wasser, ziehen es ausgewunden an und lassen sich in eine Wolldecke einwickeln. Am dritten Tag nehmen Sie einen kurzen Wickel, getaucht in warmes Haberstrohwasser, 1½ Stunden lang. So wird 14 Tage fortgemacht.“ Nach 14 Tagen waren alle Geschwülste beseitigt; ein Fuß war geheilt, der andere hatte noch eine kleine Öffnung; der Appetit stellte sich ein, und der Bauer mußte jeden dritten Tag eine von den drei Anwendungen im Wechsel vornehmen. Nach drei Wochen war Körper und Geist in Ordnung.
Bruchleiden.
Ein besonderes hervorragendes und häufiges Leiden unserer Zeit sind die Leibschäden, Brüche der verschiedensten Art. Oft erscheinen sie plötzlich wie die Schwämme im Walde über Nacht, oft künden sie sich am Körper durch besonders schmerzende Stellen an. Alle damit Behafteten zählen unter die Bresthaften, d. h. unter diejenigen, die nicht mehr zu allen Arbeiten fähig sind; denn jeder Bruch schließt stets die Gefahr nicht nur heftiger Leiden, sondern bei Unvorsichtigkeit sogar die des Todes in sich.
Diese Zustände kommen hauptsächlich bei schwächlichen Naturen vor. Deshalb kann das Zeitalter der Verweichlichung viele solche Früchte aufweisen. Ich bin der vollsten und festen[S. 194] Überzeugung: wenn eine vernünftige Abhärtung gepflegt würde von Jugend an, wenn nur reelle, nahrhafte, vernünftige Kost genossen würde und keine verkünstelte, verfeinerte und so vielfach verdorbene, so träten alle diese Übel höchst selten auf und meistens nur in Fällen, in denen gewaltsame Einwirkungen auf den Körper geschehen durch Schlag oder Stoß.
Vor 50 Jahren kannte man wenig „gebrochene Leute“ in einem Dorfe; in einem Städtchen konnte man die Zahl an den Fingern zählen. Heutzutage kommen vielleicht zwanzig Personen zusammen, und 3–4 derselben haben einen Leibschaden. Gewöhnlich suchen die Betroffenen zu allem Unglück hin ihr Übel soviel wie möglich verborgen zu halten. Man hört’s nicht gern, wenn es heißt: Der hat einen Bruch. Bei manchen klingt dieses fast wie eine Ehrenbeleidigung, die ihn rot macht bis über die Ohren. Torheiten! Es unterbleibt so die notwendige Pflege, und das kleinere Übel wird zum größeren. Bruchleiden triffst du nicht bloß bei solchen, die Tag für Tag mit schwerer Arbeit sich abmühen müssen; Bruchleiden genug findest du auch in den besseren und höheren Ständen. Wie leicht und schnell ist’s geschehen! A. bekam seinen Leibschaden auf dem Abort. B. hüpfte über einen kleinen Graben, er war gebrochen. E. litt viel durch übermäßige Gasbildung. Ein Unbedeutendes, eine Kleinigkeit, und das Bauchfell hatte einen Riß. D., ein Priester, predigte soeben begeistert; mit einem Bruch stieg er von der Kanzel.
Mich schmerzt es jedesmal tief (gerade weil großenteils so leicht vorgebeugt werden könnte), wenn ich höre, daß ein sonst gesunder, kräftiger Körper diesen Schaden gelitten, daß wieder ein Mann im schönsten, kräftigsten Alter zu den Invaliden gehöre. Fast muß ich es so heißen; denn eine große Anzahl Bruchleidender muß das Berufsleben vor der Zeit verlassen, oft schon mit 40, mit 50 Jahren, und selten ist solchen eine Woche gegönnt, in welcher die Beschwerden des Bruches nicht den Hauptbalken am täglichen Kreuze ausmachen. Wer es erfahren hat, weiß, daß ich nicht fasele, nicht übertreibe. Man sollte sich wahrlich mehr Mühe geben, nach den Ursachen des gewaltigen Überhandnehmens gerade dieses Übels zu forschen, mit anderen Worten: man sollte der verweichlichten, geschwächten Menschheit aushelfen. Wohin sollen wir denn kommen?
Ich habe schon von einer vernünftigen, gemäßigten Wasserkur gesprochen. Es lohnt sich wahrlich der kleinen Mühe und der geringen damit verbundenen Opfer, wenn durch sie nur diesem einzigen Übel gesteuert wird.
Der Bruch ist ja (Ausnahmen abgerechnet; siehe unten, wo wir von Kindern reden) doch nicht angeboren oder angeschaffen, sondern erst eingetreten in Folge von angeborener oder später eingetretener Schwäche. Gar leicht hätte diese durch Abhärtung, speziell durch Abhärtung mit Wasser, ferngehalten oder beseitigt werden können. Ob die sogenannte „bessere Welt“ endlich klug wird? Ich zweifle daran. Dir aber, braver und wackerer Landmann, wenn du diese Zeilen gläubig liesest, rate ich: Nimm in der Woche ein- oder zweimal ein Halbbad oder ein paar kalte Sitzbäder (jedes Schaff ist gut genug)! Bald wirst du deren kräftige Wirkung erfahren. Zu derlei Bädern brauchst du keine bestimmte Zeit abzuwarten. Jede Stunde ist gut, und alles in allem: Ausziehen, Baden, Wiederanziehen dauert nicht länger als 4, höchstens 6 Minuten. Von der Arbeit weg kannst du das Bad nehmen, und unmittelbar darauf kannst du wieder an deine Arbeit gehen. — Doch ich bin im größten Schweiße! Auch das hindert nicht; bade ruhig, du hast nichts zu fürchten! Über diesen Punkt habe ich mich bei den Halb- und Ganzbädern des nähern ausgesprochen. Jedes Wort bei dieser verantwortungsvollen Sache ist reiflich erwogen, und erst ward lange Jahre versucht und praktiziert (gehandelt), bevor gesprochen und geschrieben wurde. Gehe bis zur Brust ins Wasser und wasche rasch und kräftig den Oberkörper ab; dann kleide dich, ohne abzutrocknen, an und gehe rüstig wieder an deine Arbeit! Nach 3–4 solchen Bädern brauchst du keine Aneiferung und keinen herzhaften Vorsatz mehr; das Bad oder die Waschung wird dir fast Bedürfnis, und du erweisest deinem Körper diesen Liebesdienst mit Freuden. Und das Werk (der Erstarkung, Feiung) wird seinen Meister loben.
Ein Bauer klagte mir einmal über arge Schmerzen etwas oberhalb der Weichen. Der Arzt habe erklärt, es sei ein Leibschaden im Anzuge. Ich riet ihm, fleißig Ober- und Unteraufschläger zu nehmen. Bald ließ der Schmerz nach. Der Bauer enthielt sich kurze Zeit der schwersten Arbeit und blieb von dem angekündigten Übel frei. Diese Warnung hat ihn zur Besinnung gebracht und klug gemacht, er wurde von nun an ein eifriger Wassermann.
Zum Schluß noch die Frage: Können Leibschäden gar nie geheilt werden? Mehrere neue Leibschäden habe ich, selbst bei Erwachsenen, dadurch geheilt, daß die gebrochene Stelle mit Kampferöl kräftig eingerieben und darüber ein Pechpflaster, das Pech auf Wachsleinwand gestrichen, aufgelegt wurde. Fuchsfett sodann ist und galt zu jeder Zeit als eines der allerbesten[S. 196] Mittel zur Heilung eines jungen Bruches. Man reibe alle zwei bis drei Tage die Bruchstelle mit solchem Fett ein und lege stets das Pechpflaster darüber. Auf solche Weise heilte ich einmal einen Bruch, der bereits sieben Wochen alt war.
Bei Kindern kommen Bruchschäden verhältnismäßig häufig vor. Die Ursache ist meistens, daß sie durch die Kost stark aufgetrieben werden, und daß so das Bauchfell an einer Stelle springt. Einem solchen Kinde bereite man täglich ein Haberstrohbad, ebenso täglich einen Ober- und Unteraufschläger, klein natürlich, wie sie für das kleine Geschöpf passen, und so lange, bis die Heilung eingetreten ist. Man reibe nebenbei sachte die leidende Stelle mit Kampferöl oder noch besser mit Fuchsfett. Solche Leibschäden heilen in kurzer Zeit, wenn sie nicht allzu große Ausdehnungen haben, in welchen Fällen kaum an Heilung zu denken ist. Für solche Leidende bleibt kein anderer Ausweg übrig, als daß ihnen ein Bruchband beschafft werde, das sie nach Anweisung des Chirurgen tragen.
Gerade die Mütter sollten alles aufbieten, — auch das nenne ich in diesem Punkte allein die wahre Mutterliebe, — derlei Gebrechen von Anfang an und von Grund aus vorzubeugen. Es hängt viel davon ab, oft das ganze spätere glückliche oder unglückliche Leben ihres Kindes, der Schmerz oder der Trost der Eltern. Wenn Gott mir das Leben gibt, werde ich den Müttern einmal einige Winke und Ratschläge aufschreiben, wie sie ihre Kleinen von Geburt an vernünftig abhärten und pflegen sollen. Sie mögen nicht erschrecken vor dem kalten Wassermann; er hat für die Erziehung und für alle, die dabei beteiligt sind, ein recht warmes Herz. An solche Mütter, die schwache Nerven haben und ihren „Engeln“ vor lauter Einmummung und Einbauschung in Samt und Seide und Wolle nicht einmal die frische Luft gönnen, werde ich mich nicht wenden. Nur solchen gilt’s, denen daran gelegen ist, zur Heranbildung einer wieder lebensfähigen, starken Generation das Ihrige beizutragen. Auch alten Kindern dürfte die Lektüre der betreffenden Ratschläge nicht schaden. Doch wie gesagt, kommt Zeit, kommt Rat. Vielleicht macht der Herr des Lebens mir einen Strich durch die Rechnung. Und dann — ist’s auch so recht und gut, und ich bin damit zufrieden.
Brustfell-Entzündung
siehe unten Seite 210.
Cholera.
Wie gefürchtet ist die Cholera! Vor einigen Jahren trat sie in mehreren Ländern als schreckliche Heimsuchung auf, und sie über[S. 197]lieferte dem Sensenmann zahllose Opfer. Um gegen Überschwemmungen sicher zu sein, wirft man Dämme auf, man reguliert die Flüsse. Bei einem Waldbrande zieht man Gräben, daß das verheerende Element nicht weiterfresse. Ein solcher Damm und Graben gegen die Cholera, diesen entsetzlichsten Feind des Menschenlebens, ist das Wasser. Es rettet aus der Gefahr und umgibt den oder die, so es richtig anwenden, mit einem Damm oder Graben.
Bei der Cholera herrscht der Grundsatz: Wer bald in Schweiß kommt, der ist gerettet. Wer nicht in starken Schweiß gerät, der ist verloren.
Einmal wurde ich nachts elf Uhr zu einer armen Magd gerufen. Schon zwanzigmal hatte sie Erbrechen gehabt, zwanzigmal schon an starkem Durchfall gelitten. Der Arzt war zwei Stunden weit entfernt. Die Magd wollte zum Tode vorbereitet werden; denn, sagte sie, sie fühle nur zu gut, daß sie dieser schrecklichen Krankheit erliegen müsse. Hände und Füße waren einer Eismasse gleich, das Gesicht blaß, die Gesichtszüge eingefallen, die Zeichen der Auflösung waren da. Sofort versuchte ich die Sterbenskranke in Schweiß zu bringen, von dessen Zustandekommen nach meinem Urteile alles abhing, Leben oder Tod. Schleunigst brachte die Hausfrau zwei große, grobe Leintücher. Ich ließ dieselben in heißes Wasser eintauchen, mehrfach zusammenlegen, auswinden und die fast heiße, dicke Überlage auf Brust und Unterleib decken. Unter dieselbe, auf den bloßen Leib, kam zuvor ein einfaches Tuch, das in heißen Essig getaucht war, zu liegen. Die nasse, heiße Auflage umhüllte und schloß nach außen ab ein Federbett, alles so warm und schwer, wie es die Kranke nur ertragen konnte. Schneidend drang die Hitze in den Choleraleib, und in 15 Minuten war der ganze Körper durchwärmt. Nach weiteren 20 Minuten perlten schon Schweißtropfen vom Gesichte. Ich ließ die heiße Decke nochmals in heißes Wasser tauchen. In ganz kurzer Zeit hörten alle Krämpfe auf, das Erbrechen und der Brechreiz verloren sich. Um der von außen wirkenden Wärme nach innen entgegenzukommen, bekam die Kranke eine Tasse Milch mit Fenchel (ein Löffel voll gemahlener Fenchel wird drei Minuten in Milch gesotten) so warm als möglich zu trinken.[30] Die Kranke kam in reichlichen Schweiß, und sie war gerettet.
Es durfte und darf in solchen Fällen nicht vernachlässigt werden die Ausheilung, die nicht schwierig ist, aber wichtig. Es soll der Rekonvaleszent (der Genesende) täglich einen Unteraufschläger (ein mehrfach zusammengelegtes Tuch unter der ganzen Rückenlänge) nehmen, ein Stunde lang; gleichfalls täglich einmal eine Stunde lang einen Oberaufschläger (dasselbe Tuch auf Brust und Unterleib), jedesmal gut zugedeckt. Auch unsere Kranke tat so, und in 10–12 Tagen war sie hergestellt. Ein zweiter Fall wurde ebenso und mit demselben Erfolge behandelt.
Zwei Bemerkungen will ich hier nicht unterdrücken.
Wenn die oben angeführten Symptome (Kennzeichen) der Krankheit wie heftiges Abführen, Erbrechen, Krämpfe usw. erscheinen, so soll man nicht säumen, solche Kranke alsbald ins Bett zu bringen. Landleute sind in dieser Beziehung gegen sich oft zu hart und deshalb unklug. Nach innen gebe man einen warmen Trunk. Drohen krampfhafte Zustände einzutreten, oder wollen die Füße eiskalt werden, so bringe man alsbald eine warme Überlage auf den Leib, nicht länger als zirka drei Viertelstunden. Ebenso lange lege man sich auf eine ebenfalls warme Unterlage. Wiederholen sich die Krämpfe, so können die Überlage und die Unterlage wiederholt werden. Treten Wärme und Schweiß ein, so hat man’s gewonnen.
Vorsichtig sei man, bis alles wieder in Ordnung ist, mit Essen und Trinken. Von der gewohnten einfachen Kost wähle man das Leichtere aus. Als Getränk diene am besten warme Milch, die Heil- und Nährmittel zugleich ist.
Wütet die Cholera an einem Orte, so vertraue auf Gott und sei unverzagt! Wasche zur Vorsicht jeden Morgen und jeden Abend kräftig die Brust und den Unterleib; kaue täglich zehn bis zwölf Wacholderbeeren, und sollten diese dir abgehen, so kaufe dir Pfefferkügelchen! Für 20 Pfennig erhältst du eine große Anzahl. Täglich zweimal je fünf solcher Pfefferkügelchen erwärmen den Magen, unterstützen die Verdauung und leiten die Gase aus.
Cholerine.
Fast in jedem Orte zählt man jedes Jahr einige Fälle von Cholerine; mir selbst sind jährlich solche Kranke genug vorgekommen. Die Cholerine ist die Cholera im Kleinen, ein recht unlieber, wenn auch weniger gefürchteter Gast. In ihrem Gefolge sind heftiges Abführen, starkes Erbrechen, zuweilen stärkere oder schwächere Krämpfe.
Meine Anwendungen bei Cholerine sind genau dieselben wie bei der Cholera, an Zahl und Stärke klug und verständig geregelt, je nach dem Heftigkeitsgrade der Krankheit. Auf einmal wurden so vierzig mit Cholerine Behaftete mit gleich gutem Erfolge behandelt und geheilt.
Congestionen.
Ein Beamter klagt folgendes:
„Ich leide an schwerem Atem, Krämpfen im Halse und sehr großen Kopfschmerzen. Oft ganze Nächte ist es mir wegen Congestionen und Schmerzen im Kopfe nicht möglich, zu schlafen. Stuhl erfolgt seit Jahren nur durch Medikamente. Außerdem besteht viel Krampf auf der Brust, und wenn dieser in den Unterleib kommt, empfinde ich sehr große Schmerzen. Gegen Kälte weiß ich mich gar nicht mehr zu schützen, Hände und Füße sind gewöhnlich kalt. Meine Lebensstellung wäre eine angenehme, wenn ich nicht fortwährend von Leiden gequält wäre. Ich besuchte schon mehrere Bäder, fand aber keine Hilfe. Statt der früheren Korpulenz ist nun Abmagerung eingetreten. Wenn nun Wasser keine Hilfe bringt, klagte er wehmütig, so bin ich verloren.“
Die Behandlung war folgende:
1) täglich morgens und abends längere Zeit im Gras und auf Fußwegen barfuß gehen, — was ihm eine unbeschreibliche Erquickung brachte und sein Kopfleiden ableitete;
2) in der Woche zwei kurze Wickel;
3) einmal den spanischen Mantel.
Um Stuhlgang zu befördern, mehrere Tage hindurch jede halbe Stunde einen Eßlöffel voll Wasser und bei größeren Beschwerden: Aloë, eine Erbse groß, mit einem halben Löffel voll Zucker, das Ganze in warmem Wasser aufgelöst, und auch dieses jede Stunde löffelweise genommen.
Darm-Entzündung.
Ein Verwalter erzählt: „Ich habe Jahre lang heftige, mitunter fast unausstehliche Schmerzen, viel Bauchweh und Grimmen. Ich kann schon längere Zeit gar nichts mehr essen ohne heftige Schmerzen und habe regelmäßig Abweichen darauf. Ich habe recht viel eingenommen, Hilfe wenig oder höchstens auf kurze Zeit bekommen.“ Das Aussehen dieses Mannes in den schönsten Jahren ist recht krankhaft. Er ist abgemagert, hat blasse Farbe und trübe Augen. Was mag helfen?
Dieser Mann hat in jeder Woche 1) drei Sitzbäder genommen, 2) jeden Morgen und Abend Brust und Unterleib mit Essig und Wasser kräftig eingewaschen, 3) in der Woche ein Halbbad genommen, eine Minute lang.
In vier Wochen war der arme Mann von seinem Magenleiden befreit. Eingenommen hat er bloß täglich zweimal jedesmal zwölf Wermut-Tropfen im warmen Wasser.
Darmkatarrh (Abweichen, Diarrhöe).
Es gibt Leute, welche ohne besondere Veranlassung Diarrhöe bekommen. Die Wiederholung kann regelmäßig, z. B. zu gewissen Zeiten, ein- bis zweimal im Jahre, oder unregelmäßig stattfinden. Die Betroffenen fühlen sich vor und nach den Anfällen wohl und gut. Die regelmäßigen Diarrhöen rühren daher, daß die kräftige Natur all die gesammelten überflüssigen Stoffe auswirft. Wie ruhig arbeitet man, wenn an einem Dampfkessel ein Sicherheitsventil angebracht ist! Wie ruhig darf man sein, wenn die Natur gleich diesem Kessel das „Zuviel und Ungesund“ ausspeit!
Gegen derlei Diarrhöe habe ich durchaus nichts zu verordnen; ich warne sogar, dagegen etwas zu tun. Meistens kommen diese Ausscheidungen im Herbst oder Frühjahr vor, und uns scheint, daß die Luft, die Temperatur gut einwirken und mithelfen.[31]
Beachtenswerter sind die unregelmäßigen Diarrhöen, die mit oder ohne Schmerzen stattfinden können. Es sind Mahnungen für solche Leute, daß in ihrem Körper sich krankhafte Stoffe angesammelt haben, die, wenn sie nicht entfernt werden, häufig Verderben anrichten. Man macht in der Tat die Erfahrungen, daß bei derart Heimgesuchten meistens das eine oder andere Organ krank ist, und daß solche Kranke sehr oft früh sterben oder wenigstens nicht besonders alt werden. Oft sind die Diarrhöen Vorboten von schweren Krankheiten. Bei der Heilung muß vor allem auf den Unterleib gewirkt werden, doch stets im Wechsel mit Anwendungen auf den ganzen Körper. Plötzliche Stillung der Diar[S. 201]rhöe ist nie zu empfehlen; es sollen die faulen Stoffe allmählich entfernt und die inneren Organe so gekräftigt werden, daß die Natur solch faule Stoffe gar nicht aufkommen läßt oder sie zur rechten Zeit ausscheidet.
Nach innen wende man Tee an von Wermut mit Salbei, von Tausendguldenkraut mit Salbei, von Schafgarbe mit Johanniskraut, täglich ein bis zwei kleine Tassen; oder man nehme täglich sechs bis zehn Wacholderbeeren. Alle die genannten Mittel befördern die Verdauung, unterstützen die Magensäfte und enthalten zugleich Nährstoffe.
Sollte die Diarrhöe stark sein und schon länger dauern, so werde zweimal täglich ein halber Löffel voll Heidelbeergeist (in warmem Wasser) eingenommen.
Als äußerliche Anwendungen genügen im Anfange wöchentlich drei bis vier Aufschläger auf den Unterleib von je 1½ Stunden (ein vierfach zusammengelegtes Tuch werde zu diesem Zweck in Wasser mit Essig oder in einen Absud von Fichtenreisern getaucht und auf den Unterleib gelegt oder gebunden), ebenfalls wöchentlich ein kurzer Wickel. So fahre man vierzehn Tage fort. Nach vierzehn Tagen können zur Kräftigung in der Woche ein bis zwei Halbbäder folgen mit Waschung des Oberkörpers und gleichfalls wöchentlich ein bis zwei Ganzwaschungen nachts vom Bette aus. Dieses für die folgenden drei bis vier Wochen. Wenn es dann zur Regel würde, keine Woche ohne wenigstens eine Ganzwaschung oder ein kaltes Halbbad mit Waschung des Oberkörpers vorübergehen zu lassen, müßte der ganze Organismus kräftiger und gesünder werden und der berührte Ausnahmezustand (wenn er nicht tieferliegende Ursachen hat) aufhören.
Ein Herr, 48 Jahre alt, erzählt: „Seit vielen Jahren habe ich mit wenig Unterbrechung Abweichen, ich mag essen, was ich will; habe von den Ärzten recht viel eingenommen, auch manches Hausmittel gebraucht, wurde in mehrere Bäder geschickt, doch — alles vergebens. Besonders stark ist das Abweichen, wenn ich trinke, sei es Wasser, Bier oder Wein. Recht trockene Kost ist mir am zuträglichsten. Weil mir alles zu rasch und zu wenig verdaut abgeht, bin ich nie bei Kraft, und bin ich auch nicht ganz abgemagert, so sind doch meine Muskeln nur welk.“
Die Anwendungen waren folgende:
1. täglich zweimal Oberguß,
2. täglich einmal im Wasser gehen und
3. einmal Knieguß.
In der zweiten Woche:
den einen Tag Oberguß und im Wasser gehen,
den anderen Tag Halbbad.
Nach diesen zwei Wochen fühlte sich der Kranke frischer, kräftiger und wohler, aber das Abweichen blieb.
In der dritten Woche bekam er:
1. täglich ein vierfach zusammengelegtes Tuch, in Wasser und etwas Essig getaucht, auf den Unterleib, 1½ bis 2 Stunden lang,
2. den einen Tag Oberguß und Schenkelguß,
3. den andern Tag Halbbad und Oberguß.
Nach dieser Woche hatte sich der Stuhlgang vollständig geändert.
Eine weitere Woche:
1. jeden Tag ein Halbbad,
2. jeden zweiten Tag ein Tuch auf den Unterleib wie oben.
Zur weiteren Erhaltung der Kraft und Gesundheit reichten aus:
in der Woche zwei Halbbäder und
ein- bis zweimal ein wie oben beschriebener nasser Umschlag auf den Unterleib.
Zum innerlichen Gebrauch wurden verwendet:
a. Wermuttropfen,
b. Wacholderbeeren, im Wechsel.
Es könnte mancher fragen, warum gerade diese Reihenfolge in den Anwendungen eingehalten wurde.
Darauf ist zu erwidern:
Die Anwendungen in der ersten Woche suchen den Körper, oben und unten angefangen, zu kräftigen;
die der zweiten Woche stärkten, wie den Körper im allgemeinen, so die Organe im Innern;
die der dritten Woche wirkten hauptsächlich auf die Kräftigung des Magens und der Gedärme.
Auf diese Weise wurde der ganze Körper ausgebessert. Die Anwendungen der vierten Woche umfaßten den ganzen Organismus in allen seinen Teilen, und so ist die Ausheilung auch bei diesem Körper gelungen. — Was innerlich gebraucht wurde, ist teils zur Aufbesserung der Verdauung, teils zur Kräftigung der inneren Organe geschehen.
Darmleiden.
Ein Priester, 45 Jahre alt, gibt an:
„Seit mehr als 25 Jahren leide ich an hartnäckiger Stuhlverstopfung und einige Jahre auch an Magenbeschwerden. Vor[S. 203] zirka acht Jahren machte ich eine Kaltwasserkur durch. Dieselbe besserte wohl meinen Magen, aber die Verstopfung blieb. Im Jahre 1885 trat auch Nierenleiden mit überschüssiger Harnsäurebildung und Grießbildung ein, wogegen mir der Arzt eine Traubenkur und nach dieser eine zehntägige Kur mit Glaubersalz verordnete, welche Kuren jedoch einen recht heftigen Dickdarmkatarrh zur Folge hatten. Nachdem ich mich allen möglichen Kuren vergeblich unterzogen hatte, wurde mir erklärt, mein Leiden sei unheilbar und könne wohl gelindert, aber nicht geheilt werden. Es quälten mich Schlaflosigkeit, Mangel an Appetit, Müdigkeit, Schwere in den Beinen, Unlust zur Arbeit, Schmerz und Druck in der Nierengegend und hochgradige Stuhlverhaltung mit Aufblähungen und Spannung des Unterleibes; die Füße waren stets kalt, der Kopf heiß, der übrige Körper leicht und stark schwitzend. — In diesem Zustande entschloß ich mich nun doch zum kalten Wasser, vor welchem man mich so sehr gewarnt hatte.“
Dem Herrn wurde folgendes verordnet:
Täglich ein Oberguß, ein Rückenguß, ein Sitzbad; dazu je nach Bedarf ein Halbbad, Knieguß, im Wasser gehen. Am durchgreifendsten aber hat der spanische Mantel gewirkt, der ihm ein lieber Freund geworden ist. Nach 12wöchentlichem Kurgebrauche kam die Verdauung vollkommen in Ordnung ohne besondere Diät; der Ernährungszustand wurde vorzüglich, das Körpergewicht hatte um 13 Pfund zugenommen.
Diphtheritis.
Wer überfallen wird von Diphtheritis, muß bemüht sein:
1. die angehäuften Krankheitsstoffe sobald wie möglich zu lösen,
2. auf die ganze Natur einzuwirken, daß die ungeregelte Strömung des Blutes und der Säfte, welche der Barometer des Fiebers anzeigt, zur Ordnung komme. Man lasse einen solchen Kranken zuerst einen Kopfdampf nehmen und nach je 20–24 Minuten den ganzen Körper waschen. Nach 6–8 Stunden soll er einen Schal überlegen, 1½ Stunden lang, nach jeder halben Stunde denselben von neuem in frisches Wasser eintauchend. Dann nehme der Kranke einen Fußdampf, gleich darauf ein Halbbad (ganz kalt) mit Waschung des Oberkörpers. In höchstens einer Minute kann das Halbbad und die Waschung vollendet sein. Es folgt von neuem der Schal, 1½ Stunden lang anzulegen, wie oben angegeben. Sind diese Anwendungen vorgenommen, so wiederhole man sie von vorne, auf jeden halben Tag eine derselben verteilend. Der Kranke gurgle nebenher fleißig mit[S. 204] Zinnkrauttee, täglich zum mindesten vier- bis fünfmal. Das garstige Übel wird sich in Bälde heben.
Alle die genannten Anwendungen sind so schuldlos, daß sie nie schaden können.
Hat der Kranke (es ist dies eine allgemeine Regel) zur Nachtzeit Ruhe, tritt Schlaf ein, so soll man denselben ja nicht stören. Denn eingetretener Schlaf ist ja ein Beweis, daß die Natur in Ordnung (zur Ruhe) kommt, und seine stärkende Wirkung macht, daß die Anwendungen selbst um so bessere Erfolge erzielen.
Bei dieser Gelegenheit sei noch bemerkt, daß, wenn während irgend einer Anwendung, die das Bett vorschreibt, ein Kranker in Schlaf kommt, man denselben nie wecken soll. Hat das Mittel, die Anwendung ihre Wirkung getan, so wacht der Kranke regelmäßig von selber auf.
Ein Vater kommt und erzählt: „Mein Kind, 11 Jahre alt, kann gar nicht mehr schlucken und schon volle drei Tage kaum mehr atmen. Es ist voll Hitze und phantasiert. Wohl habe ich der Schwerleidenden ein nasses Tuch um den Hals gebunden, aber es geht noch nicht besser. Was soll ich tun, damit das Kind mir nicht ersticke?“ Der Jammer des bekümmerten Vaters, noch mehr die mißglückte Anwendung bewog mich, ihn zum Krankenlager zu begleiten. Da lag das Kind, ein Jammerbild, allem Anscheine nach verloren. Denn schon waren Zeichen da, die kaum mehr auf Rettung schließen ließen. Wagen wir es dennoch in Gottes Namen! Jede halbe Stunde wurde während eines Tages Rücken, Brust und Unterleib mit kaltem Wasser gut gewaschen. Da die entsetzliche Fieberhitze nicht weichen wollte, kam auf den Unterleib nichts weiter als ein in kaltes Wasser getauchtes Tuch. Die Hitze mußte brechen. Am folgenden Tage kommt der Vater wieder und erzählt: „Das Kind ist bereits imstande, etwas zu schlucken, aber zu beiden Seiten des Kopfes schwellen die Backen (Wangen) gegen die Kinnlade zu ziemlich stark an. Das Reden ist kaum verständlich; doch freue ich mich namenlos, daß die Kleine wieder reden kann.“ Der Vater wurde angewiesen, rechts und links am Kopfe die Geschwülste mit Lappen einzubinden, die in Wasser, das mit Essig vermischt war, eingetaucht worden, und diese Umschläge nach jeder halben Stunde zu erneuern. Zudem soll er das Kind in der oben angegebenen Weise so oft an Brust, Rücken und Unterleib waschen, als sich dasselbe heiß und bange fühle. Am dritten Tage befand sich die Kleine außer aller Gefahr. Man[S. 205] setzte die Waschungen noch kurze Zeit fort, so oft die Hitze zu steigen begann.
Gurgelungen mit Tee von Foenum graecum (ein Kaffeelöffel Foenum graecum in einem halben Schoppen Wasser gesotten und der im Bette sitzenden Kleinen öfters löffelweise gereicht) hatten vorzügliche Wirkung. Tee der Malve, der Schafgarbe, des Wollkrautes würden dieselben Dienste erfüllen. Sehr gut ist auch, täglich drei bis vier Kaffeelöffel voll Baumöl (Salatöl) einzunehmen. Dieses nimmt die innerliche Hitze auffallend schnell.
Das Kind wurde gerettet und erfreut sich bis heute der besten Gesundheit.
Emphysem der Lungen.
Es kommt sehr häufig vor, daß Leute, welche noch im schönsten Alter stehen, sehr an Atembeschwerden leiden und nicht selten in die peinlichste Lage und Angst kommen, ersticken zu müssen.
Gewöhnlich sind solche Leute ziemlich korpulent, und die Lebensweise hilft auch noch als Nebenursache dazu, den Zustand ärger zu machen. Hauptgrund des Übels ist gewöhnlich, daß der Organismus an allgemeiner Schwäche leidet, matt und schlaff ist, wenig Blut hat und infolge der Untätigkeit und Schlaffheit die Blutvermehrung nicht so stattfindet, wie sie für den Körper notwendig wäre. Ich möchte solche Leute mit einer Maschine vergleichen, an der Rad zu Rad paßt, die gut in Ordnung, aber zu schwach ist für die Forderungen, die an sie gestellt werden. Ein weiterer Grund sind fast regelmäßig die Gase, welche sich im Unterleibe anhäufen und einen Druck auf die Organe des Oberkörpers üben. Dadurch werden diese mehr angestrengt, als sonst ihre Aufgabe es erheischt. Sie leiden unter diesem Drucke, und es tritt allseitige Beengung ein. Das Übel wird gehoben einmal dadurch, daß die Gase aus dem Körper verbannt werden, und dadurch, daß der ganze Körper abgehärtet und durch Auswahl einer einfachen, guten, nahrhaften Kost gekräftigt wird. Meine mehr als 35jährige Erfahrung belehrte mich, daß gerade bei diesem Leiden die Brightsche Krankheit leicht die Oberhand gewinnt, d. i. daß der ohnehin schon geschwächte Körper durch diese Krankheit vollends aufgelöst, aufgerieben wird.
Ein Herr, ziemlich korpulent, noch nicht 40 Jahre alt, bekommt von Zeit zu Zeit solche Erstickungsanfälle, daß er der Überzeugung lebt — der Arzt bestätigte ihm dieselbe —, er werde,[S. 206] wenn der Anfall noch zweimal wiederkehre, unterliegen. Die Atemnot war so groß, daß der Kranke, resp. sein Nach-Atem-Ringen, im unteren Stockwerke des Hauses gehört wurde. Oft meinte er, wie er sagte, er müsse vor Schmerzen und Todesangst an den Wänden hinauf. Diese Atemnot dauerte bei jedem Anfalle ziemlich lange und erschöpfte den Körper also, daß er sich jedesmal darnach ganz krank fühlte. Hatte er sich in kurzem wieder erholt, so fühlte er sich gesund und frisch. Die Anfälle blieben oft einige Tage aus, um so mehr aber steigerte sich ihre Heftigkeit.
Der genannte Herr besaß die größte Wasserscheu und konnte sich zur Wasserkur erst dann entschließen, als ihm keine andere Hilfe mehr blühte. Sechs Wochen hindurch gebrauchte er verschiedene Anwendungen. Die Heilung war eine so vollständige, daß die Anfälle niemals wiederkehrten und der Herr sich stets - es sind heute ungefähr 21 Jahre her — der besten Gesundheit erfreute.
Der Patient nahm mehrere Tage hindurch einen Tee von Dornschlehblüten, der einen recht gelinden, aber ergiebigen Stuhlgang beförderte; dann gebrauchte er den kurzen Wickel, Ober- und Unteraufschläger und zuletzt Halb-, auch Ganzbäder von der Dauer einer Minute. Unter den Anwendungen tat auch der spanische Mantel gute Dienste. Am wirksamsten erwiesen sie sich in folgender Ordnung:
Erst der kurze Wickel; er beginnt die Gase auszutreiben und die Ursache der Gase zu lösen;
sodann der Ober- und Unteraufschläger, eine Fortsetzung der ersten Anwendung, zugleich auf Kräftigung abzielend;
im weiteren der spanische Mantel; dieser leitet die verlegenen Stoffe aus der Haut;
endlich Halbbäder, welche den Organismus stärken.
Ein anderer Herr litt dermaßen an Atemnot, daß die Ärzte erklärten, es habe sich die Herzwassersucht angesetzt. Dieser Herr war, wenn auch gut genährt, nicht besonders korpulent; gleichwohl konnte er nur mit größter Anstrengung eine Stiege steigen. Appetit war fast gar nicht vorhanden, der Schlaf recht unruhig; niemals war der Herr ohne Angst und Furcht. In seinem Berufe hatte der Patient früher reichliche Bewegung gehabt; später kam er in eine Kanzlei, und dieses sitzende, untätige Leben brachte ihn nach und nach in den eben beschriebenen peinlichen Zustand. Zur Heilung reichten ganz wenige und leichte Anwendungen von Wasser aus. Dieselben helfen auch jetzt noch, sobald das Übel sich von neuem zeigen will. Es hat sich seit zwölf Jahren öfters[S. 207] gemeldet, ist aber jedesmal schnell wieder beseitigt worden. Zu den Wasseranwendungen gebrauchte der Herr noch Tee, den er wegen seiner trefflichen Wirkung lieb gewonnen hat. Dieser Tee besorgt lediglich einen geregelten Stuhlgang und die Ausleitung der Gase aus dem Magen, erspart zugleich zahlreichere und stärkere Wasseranwendungen, die der Herr fürchtet, und zu denen manchmal die Zeit fehlt. Der Tee ist der gelinde Wühlhuber, und die Anwendungen sind folgende: Erschien das Leiden in einem niedrigen Grade, so reichte aus, dreimal in der Woche einen Unteraufschläger zu nehmen, jeden Morgen beim Aufstehen Rücken, Brust und Unterleib kräftig zu waschen. Trat das Übel etwas stärker auf, so gebrauchte der Herr den kurzen Wickel oder auch ein Halbbad. Mit diesen Übungen wurden verbunden Waschungen zur Nachtzeit, die stets gute Dienste taten.
Es ist sonderbar, und oft staune ich, wenn man gegen solche Zustände die stärksten Mittel gebraucht, Mittel, welche für die Gesundheit niemals gute Folgen haben können; selbst mit Giften traktiert man leider nur allzu oft die armen Geplagten.[32] Letzteres insbesondere blieb und bleibt mir ein bis heute ungelöstes Rätsel. Ich muß mir stets Gewalt antun, um die innere Ruhe zu bewahren.
Ein anderer Fall von Emphysem.
Ein Pfarrer bekam Lungenentzündung in hohem Grade, nach dieser Lungenemphysem (Lungenerweiterung, Lungenblähung) und kam mit solchem Husten, daß er kaum anzuhören war. Das Aussehen war recht krank, Appetit wenig, die Kräfte im Abnehmen. Die Lunge wurde von den Ärzten noch als heilbar erklärt.
Die Anwendungen waren folgende: Vierzehn Tage hindurch 1) jeden Tag zwei Obergüsse; 2) jeden Tag zweimal im Wasser gehen drei bis fünf Minuten lang; 3) dreimal wöchentlich ein Schal; 4) jeden zweiten Tag ein Sitzbad eine Minute lang.
Einzunehmen bekam der Kranke Absud von Foenum graecum mit Honig gekocht, womöglich jede Stunde einen Löffel voll.
Die Wirkung war: die Aufgüsse kräftigten den oberen Körper. Der Husten war anfangs noch stärker, Schleim ging jedoch sehr viel heraus. Nach drei Tagen verminderte sich Husten und Auswurf, und in zwölf Tagen war nur mehr ein kleiner[S. 208] Rest von Verschleimung übrig. — Dieser wurde beseitiget durch weitere Anwendungen von Oberguß, Knieguß und Tee von Brennnesseln und Spitzwegerich. Nach etwa drei Wochen trat vollkommene Besserung ein.
Entkräftung.
Ein Schmiedmeister, 46 Jahre alt, kommt und klagt: „Meine Hände haben seit etwa zwei Jahren so an Kraft abgenommen, daß ich mit dem Hammer nicht mehr zurechtzukommen weiß. Wie meine Arme zwei Drittel der Kraft verloren haben, so sind dieselben auch um mehr als die Hälfte dünner geworden; sonst wäre ich ziemlich gesund. Nur fühle ich seit einem halben Jahre auch meine Füße viel schwächer werden, und daß sie besonders gegen Abend wehe tun. Der Appetit ist ziemlich gut, jedoch nicht wie früher. Auf meinem Rücken, am oberen Kreuz merke ich oft eine gewaltige Spannung.“
An den mageren Händen sieht man nur mit Mühe, wo die Adern sind; man erkennt leicht, die Arme werden nicht genährt, daher die Schwäche, Steifheit und Kälte. Blutanstauungen im Nacken und in dessen Umgebung mögen die Ursache sein, daß das Blut nicht nach allen Richtungen hin gelangen kann.
Der Schmied hielt vierzehn Tage hindurch täglich einmal die ganzen Arme in ein Heublumenbad eine halbe Stunde lang und einmal zu anderer Tageszeit zwei Minuten in kaltes Wasser; dazu kam wöchentlich dreimal der Schal. Schon während dieser Kur wurden die Arme fester, die Adern schwollen an, die Anstauungen wurden aufgelöst. Nach 14 Tagen wurde täglich ein Ober- und Unterguß, in der Woche zweimal ein warmes Heublumenbad und zweimal ein Kaltwasserbad für die Arme genommen. Der Mann fuhr damit fort und wurde wieder fähig zu seinem Beruf. Innerlich gebrauchte er während der Kur täglich zwanzig Wermuttropfen in warmem Wasser.
Entzündung. (Allgemeines.)
Ein Knabe, der kaum recht gehen konnte, sieht, wie die Mutter Licht gemacht hat. Er gibt sich alle Mühe, so ein Hölzchen zu erwischen; er will auch Feuer machen. Es gelingt ihm, und der kleine Übeltäter zündet mit dem Streichhölzchen ein mächtiges Feuer an. Das ganze Haus brennt ab und alles, was darinnen ist.
Wie viele tausend Menschen liegen auf den Gottesäckern, bei denen sich gleichsam so ein kleiner Funken krankhaften Stoffes im Körper entzündet hat; der Funken wurde zur Flamme. Von[S. 209] allen Seiten drang das Blut zur entzündeten Stelle und gab neuen Zündstoff. Es goß Öl in die Flamme, und die Flamme wurde zum großen Feuer. Es waren vielleicht nicht die richtigen Anstalten zum Löschen getroffen worden, und die armselige Hütte der menschlichen Seele brannte elendiglich zusammen. Tausende von Tieren gehen so jährlich zugrunde. Abertausende von Menschen ereilt ein gleiches Schicksal. Wie schnell geht das oft? Dein Hals hat an einer Stelle Feuer gefangen, er ist entzündet. Es kommt zufällig ein rauhes Lüftchen und tut Blasbalgdienste; es bläßt das Feuerchen an, die Adern liefern neuen Brandstoff, und in wenigen Stunden steht der Hals in Brand. Ist’s nicht so? Was tun? Was tun die Leute, wenn’s brennt? Sie schreien Feurio und suchen zuerst zu retten, was zu retten ist. Dann entfernen sie, wenn es Zeit ist, von der Brandstelle in aller Eile alles, was dem Feuer nur Futter sein kann, und spritzen dann darauf los, bis der Feuersnot oft die Wassernot folgt. Diesen Wink wollen wir verstehen und ausnützen.
Wenn irgend eine Entzündung eintritt, so suche man möglichst bald das auf diese Stelle zuströmende Blut zurückzuleiten. Man rette das noch nicht entzündete Blut. Ebenso wirke man auf die entzündete Stelle ein, damit das zusammengeströmte Blut möglichst verteilt und abgeleitet werde.
Unlängst ging nachts, als ich eben einschlafen wollte, das Holz im Ofen an. „Fatale Geschichte!“ dachte ich; „bis dieser Scheiterhaufen abgebrannt ist und ausgeknistert und ausgeprasselt hat, geht die halbe Nachtruhe hin.“ Mein Nachbar war gescheiter. „Nicht das Knistern, meine Ruhe will ich haben,“ murmelte er. Und was tat er? Er nahm Scheit für Scheit, ob’s flammte, ob’s schon knisterte, heraus. Und aus war alles Feuer. Das ist doch klar.
Doch nun zurück zur Halsentzündung! Greif einmal die Füße an und fühle, ob sie nicht vielleicht eiskalt sind! Manchmal trifft dieses zu. Wo mehr Wärme ist, entstehe sie, wo sie wolle, strömt mehr Blut zu. Das Blut in den Füßen ist gleichsam davon- und dem Brande im Halse zugeeilt. Wickle die Füße ein in linnene Lappen, die in mit etwas Essig vermischtes Wasser eingetaucht sind! Bald schon wirst du große Wärme verspüren. Der Fußwickel zieht das Blut nach unten, und etwas Brennstoff ist dem Feuer schon genommen. Suche sodann das Blut weiter abzuleiten in den Unterleib! Dieses geschieht durch Auflegen eines größeren, in derselben Weise durchnetzten Tuches auf den Unterleib. Sollte es recht heiß[S. 210] werden, so tauche es von neuem in ein kaltes Wasser, und zwar so oft, als die Hitze groß und das Tuch warm wird! Mehr Brennstoff als durch die erste Anwendung wird durch diese zweite dem gefährdeten Halse entzogen. Und nun kannst du den Hals selbst angreifen, den eigentlichen Feuerherd. Tauche ein Tuch ins kälteste Wasser und binde es um; laß das Tuch aber nicht zu heiß werden;[33] erneuere vielmehr dessen Eintauchen, so oft es recht warm wird!
Lässest du es heiß werden, so entwickelt sich auch am und im Halse wieder mehr Wärme, und das Blut, das zum Teil abgeleitet ist oder noch vollends abgeleitet werden soll, strömt von neuem dem Halse zu und droht die Entzündung frisch anzufachen. Wer diesen letzten Punkt, über den schon soviel gestritten wurde, mit mir also auffaßt, wird nach kurzer Praxis bald sein eigener bester Wärter. Er fühlt am besten, wo Hitze weggetrieben, wann der Aufschlag oder Wickel erneuert werden soll. Darnach appliziert und wiederholt er die Wasseranwendungen. Der Hitzegrad wird ihm der Zeiger an der Uhr: zeigt jener auf Null, d. h. ist das Feuer gedämpft, so läßt er den Körper in Ruhe; zeigt er auf geringere oder höhere Zahlen, d. h. nimmt das Feuer zu, so eilt er ohne Säumen neuerdings zur Feuerspritze.
Entzündung edler Körperteile: Lungen-, Brustfell-, Zwerchfell- und Unterleibs-Entzündung.
Margareta liegt zu Bett. Sie hat heftigen, trockenen Husten, verbunden mit viel Brechreiz, und von Stunde zu Stunde nimmt die Hitze zu. Gewaltiges Stechen und Brennen peinigt die Brust und die eine Seite. Der Arzt erklärt, es sei eine Lungen-Entzündung im Anzug. Wie kann der Kranken geholfen werden? Jedes Kind weiß, daß ein Schwamm ungemein viel Wasser einsaugen und behalten kann. Sollte es nicht auch Mittel geben, welche, wie der Schwamm das Wasser, die Hitze an sich ziehen, gleichsam einsaugen und behalten? Ja, es gibt solche Mittel, und sie liegen nicht ferne. Jede Bauersfrau bei uns auf dem Lande[S. 211] kennt den Topfenkäs. Anderwärts nennt man ihn Zieger; er wird gewonnen aus der geronnenen (gestockten) Milch.[34] Solchen Topfenkäs rührt man mit Topfenwasser zu einer feinen Salbe an, streicht ihn etwas mehr als messerdick auf Leinwand und legt das Pflaster auf die stechende oder brennende Stelle, an der das Feuer der Lungenentzündung um sich greifen will. Ich kenne kein Mittel, welches mehr Hitze an- und einzuziehen imstande ist. Die stärksten Hitzen habe ich so dämmen und ganz auslöschen sehen, wenn man täglich zwei- bis viermal, je nach dem Grade der Hitze, so ein Pflaster auflegte. Viele kenne ich, die hauptsächlich bei Lungenentzündung ihr Leben allein dieser so einfachen Auflage verdanken.
Innerlich soll der Kranke jeden halben Tag zur Kühlung einen Löffel voll Salatöl einnehmen.
Reichen diese zwei Mittel nicht aus, d. h. sollte die Hitze noch groß bleiben, so können Wasseranwendungen folgen. Man wickle den ganzen Körper des Kranken von unter den Armen an in ein naßkaltes Tuch ein (Unterwickel) und wiederhole dieses täglich zweimal. Von der jedesmal notwendigen Umhüllung spreche ich nicht mehr. Man sehe vorn nach bei der Beschreibung der Anwendungen. Oder man umbinde beide Füße bis über die Knöchel mit in Wasser (eine kleine Beimischung von Essig kann nur gut sein) getauchten Tüchern und erneuere das Eintauchen so oft, als die Tücher recht heiß werden. Statt der Tücher kann man auch nasse Socken anziehen, darüber als Umhüllung trockene.
Wendet die kranke Margareta 3–5 Tage das Pflaster an, gleich beim Beginn der Krankheit, so kann sie in 6–7 Tagen, längstens in 9–10 Tagen wieder gesund sein.
Wie die Lungen sich entzünden, ebenso können auch andere edle Teile des Körpers entzündet werden. Wir sprechen von Brustfell-, Bauchfell-, Unterleibs- und anderen Entzündungen. Bei allen gelten dieselben eben berührten, allgemeinen Grundsätze und dasselbe Heilverfahren: Verteilung, d. i. Ableitung des Blutes, Kühlung der entzündeten Stelle, d. h. Entziehung der Hitze durch Einwirken von Kälte.
Mitternachts wurde ich einst zu einem Kranken gerufen. Er wußte nicht mehr zu atmen. Husten und Brechreiz waren groß. In der Brust, besonders auf der einen Seite — so klagte er — gehe es zu, wie[S. 212] wenn man sie mit Messern durchsteche; der ganze Körper glühe schrecklich. Ich providierte den Kranken nicht, wie die Angehörigen baten, und bereitete ihn nicht zum Tode vor. Aber ich ließ ihn von unter den Armen an in nasse Tücher einwickeln (Unterwickel) und auf die schmerzende Stelle ein Topfenpflaster auflegen. Zum Einnehmen erhielt er einen Löffel Salatöl. Das tat wohl. Sechs Tage wurde so fortgefahren, und der Todkranke war außer Gefahr.
Stirbt jemand an der Lungen- oder an einer anderen inneren Entzündung, was ist da im Inneren vor sich gegangen, wie haben wir uns dieses vorzustellen? Im Äußeren spiegelt sich das Innere. Du hast sicherlich schon hie und da bei anderen kleine Geschwüre gesehen — man nennt sie Karbunkel — oder solche an einem Arm, Fuß, einer Hand oder auf deinem Rücken, Magen, deiner Brust usw. vielleicht schon selbst empfunden. Wie entwickeln sich diese? Wenn sich so ein Geschwür irgendwo bildet, entsteht an der Stelle erst eine Röte, und man fühlt im Innern ein Brennen. Die Geschwulst nimmt zu, und nach einiger Zeit bemerkt man an jedem dieser spitzen Kegel, seien sie groß oder klein, einen erhöhten weißen Punkt. Man sagt: das Geschwür ist reif, zeitig, und schneidet es auf oder drückt es aus. Es kommt Eiter heraus und mit und nach dem Eiter in Fäulnis geratenes Blut. Gut ist’s!
So ein kleines „Blutschwär“ (Blutgeschwür), wie es die Landleute nennen, verursacht meistens große Schmerzen, nicht allein an der Hand, am Fuß usw., wo es sich ansetzt. Man „spürt’s in allen Gliedern“, der „ganze Körper tut weh“. Das ist der deutlichste Beweis, daß der ganze Körper selbst bei solchen unscheinbaren Übeln in Mitleidenschaft gezogen wird, so daß folgerichtig es dem ganzen Körper zugut kommt, wenn derlei Dinge gut ausheilen, und daß er leidet, und daß es sich rächt, wenn sie vernachlässiget werden.
Kommt ein derartiges größeres Geschwür nicht zur Entwicklung, zum Aufbrechen, „wills“ nach dem Volksmund „nicht heraus“, so färbt sich nach und nach die kranke Stelle blau und rotbraun. Das Blut steht ab, und das abgestandene Blut wird und wirkt giftartig. Ein Biß der unheimlichen Klapperschlange, ein Tropfen Schlangengift ins Blut, und nach einigen Minuten tritt der Tod ein. Solches Blut ist Gift. Mischt es sich mit dem gesunden Blute, so vergiftet es auch dieses, es beginnt eine Blutvergiftung. Kann sie nicht aufgehalten werden, so endet sie stets mit dem Tod. Nicht anders haben wir uns den Prozeß im Inneren zu denken. Die Vergiftung vollzieht an edlen Organen[S. 213] ihr Werk nur schneller und wütet unheilvoller und schrecklicher. „Er unterlag einer Blutvergiftung,“ wie die heutige Sprache sich ausdrückt, oder: „Er ist am Brand gestorben,“ wie die alten und gemeinen Leute sagen — das sind beides nur verschiedene Ausdrücke für dieselbe Sache.
Martin, ein schöner, starker Mann, bekommt heftiges Fieber. Zuerst schüttelt ihn entsetzlicher Frost. Dann quält ihn brennende Hitze. Der Kopf ist so heiß, daß der Arzt auf eine Gehirnentzündung schließt. Das ganze Innere steht in Flammen; diese schlagen durch den glühenden Atem gleichsam zum Munde heraus, oder besser: wie die innere Glut den Holzhaufen verbrennt, so arbeitet die Glühhitze schrecklich, die inneren Organe in raschem Tempo zu verkohlen. Die Vorboten des Übels waren Kopfweh, Abgeschlagenheit, Mattigkeit und Frost. Außer dem Fieber aber fühlt der Kranke jetzt an keiner einzelnen Stelle besonderen Schmerz. Nach 10 Tagen war der Mann eine Leiche, und beim Sezieren stellte es sich heraus, daß das Gehirn intakt, unverletzt, daß der Arme vielmehr an einer Lungenentzündung gestorben war.
„Wie hätten Sie diesen Fall behandelt?“ fragte man mich. Zuerst eine Vorbemerkung. Dieser Fall zeigt sonnenklar, wie leicht die Diagnose (die Kunst, nach den Erscheinungen die Krankheit zu unterscheiden und zu finden) täuschen kann. Bei Lungenentzündung ist fast regelmäßig Stechen, Brennen in der Lungengegend, Husten und Brechreiz vorhanden. Unser Kranker fühlte davon nichts. Wie hart tut in derlei Fällen — vielleicht komme ich später einmal in die Lage, davon mehreres zu sagen — der Allopath! Und wohlgemerkt, es ist oft die höchste Zeit, die Feuersbrunst hat schon große Dimensionen (Ausdehnungen) angenommen. Die Feuerspritze darf das Feuer nicht verfehlen, sonst ist’s geschehen. Auch tropfen- und löffelweise kann ich da nicht mehr zu Werke gehen, die Tropfen zehrt das Feuer augenblicklich auf. Mein einfacher Grundsatz in solchen verzweifelten Fällen — und es wird ihn wohl niemand anfechten — heißt: Wenn’s brennt, so lösche; lösche zuerst, wo es am meisten brennt; ist der ganze Körper ein Brand, so lösche auch am ganzen Körper! Vielleicht wirst du Herr des ganzen Feuers; jedenfalls schwächst du es und hast zu weiterer Überlegung Ruhe und ein freies Ausschnaufen.
Dem Kranken hätte ich während 3–4 Stunden jede halbe Stunde Rücken, Brust und Unterleib waschen lassen. Die Wut des Feuers wäre so um vieles gedämpft worden. Dann[S. 214] hätte ich weiter gelöscht mit Ober- und Unteraufschlägern — Unteraufschläger zum Daraufliegen recht dick (mehrfach zusammengelegt) — und mit nassen Socken oder Tüchern bis über die Knöchel, letztere nach jeder Stunde neu eintauchend. Hatte der Kranke sonst gesunde Lungen, — und mir scheint solches der Fall zu sein, wenn er im höchsten Stadium der Lungenentzündung keine Schmerzen fühlt, — so sollte er menschlich gesprochen, d. h. wenn Gott in seinen ewigen Ratschlüssen nicht anders bestimmt hat, gerettet werden.
Epilepsie.
Derart Heimgesuchte lasse ich nie berichten. Ich frage sie nur, wie lange sie dieses Übel schon haben, ob sie den Anfall, die Vorzeichen desselben jedesmal bemerken, wie alt sie seien, ob die Geisteskräfte noch frisch oder schon tief heruntergekommen seien.
Nach meiner Überzeugung hat auch diese Krankheit ihren Hauptsitz im Blut, sei es nun Blutarmut, krankhaftes, verdorbenes Blut oder ungeregelter Blutlauf. Meine Ansicht wird unterstützt durch die oft sich wiederholende Tatsache, daß hervorgelockte Ausschläge, gleichsam die Niederschläge, die Ausdünstungen des Blutes, solchen Kranken stets dauernde und sichere Hilfe gebracht haben, daß ferner sogenannte Unheilbare stets durch Aufgedunsenheit, blaue Farbe (das sind Anstauungen von verdorbenem Blute) sich kenntlich machen.
Lauten die Antworten auf sämtliche Fragen günstig, was in der Regel bei jungen Leuten im Alter von 8–20 Jahren bei mir zutraf, so betrachte ich das sogenannte hinfällige oder fallende Weh als krampfhafte Zustände, anschließend an den Veitstanz, und als heilbar. Recht vielen konnte ich Hilfe bringen, selbst solchen, welche das Übel von ihren Eltern geerbt hatten.
Wurde insbesondere die Frage nach dem Wahrnehmen der Vorzeichen verneint (Zeichen der geschwundenen Geisteskräfte), war das Übel alt und mehr oder weniger schon Blödsinn eingetreten, so hatten die bemitleidenswerten Kranken, die zum Glück ihr Unglück nie tief fühlen, von mir nie etwas zu erwarten.
Nach diesen Grundsätzen richtete ich jederzeit die Behandlungsweise ein, die stets auf Verbesserung des Blutes und Regelung des Blutumlaufes abzielte. Ich suchte die Kranken vor allem zur Abhärtung anzuleiten, besonders zu recht fleißigem Barfußgehen. Zur Sommerszeit ließ ich dieselben zuweilen[S. 215] ein kaltes Bad nehmen, nie länger als eine Minute; zur Winterszeit wurde dieses Bad (ein bis zwei Minuten dauernd) etwas erwärmt. Dazu kam in der Woche zweimal ein nasses Hemd, in Salzwasser getaucht.
Die durch letztere Anwendung oft zutage geförderten Ausschläge werden behandelt nach den an eigener Stelle (siehe Ausschläge) angegebenen Regeln. Junge Leute ermahne ich jedesmal, sich doch an einfache, vernünftige, nicht verweichlichende Kleidung zu gewöhnen, die Mädchen insbesondere, das verwerfliche, unnatürliche, krankhafte und krankmachende Einschnüren aufzugeben. Das tägliche Brot, das Essen sei einfach. Alle geistigen Getränke, wie Wein, Bier, Kaffee usw. müssen sorgfältigst gemieden werden. Die Arbeiten seien nie Kunststücke oder Kraftleistungen, sondern stets so, daß sie dem Vermögen und der Kraft angepaßt sind.
Fieber.
Anton kommt ins Zimmer und erzählt: „Ich bin nur mit Mühe noch über diese Stiege heraufgekommen. Meine Kraft ist ganz gebrochen; ich bin schon zweimal umgefallen. Auch habe ich schreckliches Kopfweh und bin bald wie eiskalt, dann folgt eine arge Hitze. Bisweilen fühlte ich ein Stechen, das wie der Blitz im Körper herumfährt. Ich merkte es schon einige Zeit; aber seit fünf bis sechs Tagen steigert es sich so, daß ich nichts mehr tun kann.“
Anwendung: Gehen Sie, Anton, nach Hause; legen Sie sich sogleich ins Bett, und wenn Sie ganz warm sind, waschen Sie sich mit kaltem Wasser den ganzen Körper, und ohne abzutrocknen legen Sie sich wieder ins Bett! So waschen Sie sich alle zwei Stunden, und wenn Sie stark in Schweiß kommen und der Schweiß eine halbe Stunde gedauert hat, waschen Sie sich wieder!
Anton kommt am dritten Tage und berichtet: „Mir ist’s schon ziemlich leicht; ich habe einigemal recht stark geschwitzt. Kälte und Hitze sind geschwunden; das Kopfweh hat aufgehört. Der Appetit will sich wieder einstellen. Ich fühle mich wohl, aber müde.“ Anton hat fernerhin ungefähr zehnmal innerhalb vierzehn Tagen sich gewaschen und erfreute sich dann voller Gesundheit. Er ist zirka 40 Jahre alt.
Flechten.
Viele Tausende von Menschen werden von Flechten gequält, ob sie es eingestehen oder nicht. Diese überaus lästigen Schmarotzer und Vampire verkriechen sich sehr gerne unter die Haare, auf den Rücken, die Brust usw. Sie scheuen aber auch das Tageslicht nicht und hängen sich wie Blutegel an die Arme, die[S. 216] Füße, und besonders gern zwischen die Finger fest. Diese Ausschläge können ein Erbteil sein, aber auch die Folgen schlechter Kost und schlechter Getränke, welche die Säfte ruinieren, nicht weniger die Folgen ungeordneter Lebensweise.
Sehr bedenklich und gefährlich ist’s, diesen unsauberen Gast mit scharfen Mitteln, seien dieselben zum Waschen oder Einreiben (grüne Seife usw.) oder zum Einnehmen (Quecksilber, Arsenik u. a.), anzugreifen. Gar leicht können die Flechten verdrängt werden; aber bei zurückgedrängten Flechten sind die letzten Dinge viel ärger als die ersten, ganz abgesehen von Zerstörungen, welche scharfe, ätzende Mittel an und in der Haut anrichten.
Als Regeln für die Heilung stelle ich folgende auf:
Äußerlich darf gar nichts angewendet werden als lauwarmes Wasser, um den Schmutz wegzuwaschen. Alles übrige ist vom und zum Übel.
Speise und Trank für solche Kranke seien leicht verdaulich, einfach, nicht wählerisch, aber so, daß sie gute Säfte abgeben und die vorhandenen verbessern. Alles Saure, scharf Gesalzene und Gewürzte, alle geistigen Getränke werden soviel wie möglich vermieden. Es sind wahrlich der Schärfen genug im Blute. Die eigentliche Wasserbehandlung sei folgende: Man lasse den Kranken am ersten Tage einen Kopfdampf nehmen und den spanischen Mantel anziehen, am zweiten Tage den Fußdampf und einen Unterwickel, am dritten Tage früh neuerdings den spanischen Mantel, nachmittags den kurzen Wickel. Am vierten Tag sei Ruhetag! Den fünften Tag hüte er das Bett und wasche nach je zwei Stunden den ganzen Körper schnell kalt ab! Im Verhinderungsfalle soll er außer Bett die Waschung morgens, mittags und abends vornehmen und sich darauf Bewegung machen oder an eine Handarbeit schreiten. Die Anwendungen lassen in dem Grade und in der Zahl nach, als die Flechtenbildung d. i. das Ausschwitzen und Ausströmen der unreinen Säfte von innen nach außen aufhört und die Neubildung der Haut fortschreitet.
Noch eine Bemerkung finde hier ihre Stelle:
Die Unterscheidung der Flechten in nasse und trockene hat auf deren Behandlung, beziehungsweise auf das Heilverfahren keinen Einfluß. Ich denke mir: beide Bezeichnungen werden ein und dasselbe Ding ausdrücken. Die trockenen Flechten sind jene, die weniger stark fließen, so daß die Flüssigkeit auf der Oberfläche der Haut[S. 217] sofort als Kruste vertrocknet. Die nassen Flechten sind die stark fließenden; deshalb lästiger, gefährlicher und schwerer zu heilen.
Die Folgen von zurückgedrängten Flechten (überhaupt kranker, giftiger Säfte) sind unberechenbar. Schwere Krankheiten, die nächsten Folgen, bereiten ein langsames Siechtum vor, das den Tod bringt oder, was noch schlimmer ist, sehr oft, wie die Erfahrung zeigt, zum Wahnsinn führt.
Ein Theologe hatte eine wie mit dem Zirkel gezogene runde Platte an der linken Wange. Die Platte bestand aus einer Kruste, welche gleich dem Deckel das rohe Fleisch zudeckte und sich öfters in einer Stunde öffnete, nur um zwei bis drei Tropfen Eiter ausfließen zu lassen. Das Gesicht des Herrn war voll; am Kopfe konnte man mehrere kleine Pusteln wahrnehmen. Der Patient hatte mehrere Ärzte befragt und verschiedenes angewendet, aber ohne Erfolg.
Meine Frage, ob er sich vielleicht verwundet habe, verneinte er; die Sache sei von selbst gekommen. Jetzt schien alles klar zu sein. Die blasse, kranke Gesichtsfarbe, noch mehr der Massenausfluß von Unrat benahmen den letzten Zweifel. Der Giftstoff kam aus dem Körper.
Noch vor 20–25 Jahren machten sich viele Menschen künstlich sogenannte Fontanellen, d. h. sie gruben sich an einem Arme oder an einem Fuße eine Quelle, richtiger Kloake (einen wunden Fleck, den sie nie zuheilen ließen), in welchen der Körper allen Abschaum, alle schlechten Säfte abführte, weshalb die Stelle auch immer eiterte. In unserem Falle hat die kräftige Natur sich selbst eine solche Öffnung gebohrt und mit dem passenden Deckel versehen.
Vierzehn Tage hindurch mußte der Kranke jeden zweiten Tag einen Kopfdampf nehmen, ebenso oft einen Fußdampf. Sodann kamen der kurze Wickel und der spanische Mantel zur Anwendung, so daß auf jeden Tag zwei, oft drei Anwendungen fielen. Tee von Salbei, Wermut und Minzen halfen innerlich zu raschem Erfolge mit. Unter der Kruste bildete sich schon bald ein zartes Häutchen, das sicherste Zeichen der vollendeten Auflösung und Ausleitung, d. i. der Heilung. Nach drei Wochen konnte man kaum mehr unterscheiden, auf welcher Wange die Kruste gesessen hatte.
Ein Mädchen, 25 Jahre alt, erzählt: „Ich habe am ganzen Kopfe einen starken Ausschlag, viele kleine Geschwüre unter den Haaren; meine Ohren sind voll großer Schuppen, und wenn sie von Zeit zu Zeit wegfallen, dann hat das Ohr keine Haut mehr.[S. 218] Kopfweh habe ich von Zeit zu Zeit stark, manchmal gar nicht. Die Augen brennen wie Feuer, und meistens läuft schmieriges Wasser heraus. Durch die Nase kann ich schon längere Zeit gar nicht mehr atmen. An meinem ganzen Körper habe ich ein so heftiges Beißen und Brennen, daß es mich im Schlafe oft aufweckt.“
Anwendung: 1) In der Woche zwei warme Bäder von gesottenem Haberstroh, 30 Grad, mit zweimaligem Wechsel; zuerst fünfzehn Minuten ins warme Bad, dann eine Minute ins kalte oder doch ganz mit kaltem Wasser waschen. 2) In der Woche zwei Kopfdämpfe, 20 bis 25 Minuten. 3) Zweimal in der Woche ganz waschen. 4) Täglich zweimal jedesmal 25 Wermuttropfen in acht bis zehn Löffel voll Wasser einnehmen.
In vier Wochen waren die Flechten und die ungesunden Stoffe im ganzen Körper so ziemlich beseitigt, und zur weiteren Ausscheidung und Kräftigung reichte aus, noch vierzehn Tage lang dieselben Anwendungen halb so oft vorzunehmen. (Siehe Kopfflechten.)
Ein ziemlich gut beleibter Gewerbsmann, zirka 40 Jahre alt, erzählt:
„Ich habe an den Vorderarmen und Händen, die Finger ausgenommen, seit zwei Jahren starke Flechten, auch an den Schenkeln, sowie Flecken auf Rücken und Brust und kann deshalb oft Nächte hindurch höchstens ein bis zwei Stunden schlafen. Sonst habe ich guten Appetit und Kraft.“
Die Anwendungen sind folgende: 1) In jeder Nacht ganz waschen. 2) In der Woche zwei warme Bäder von Haberstrohabsud, eine halbe Stunde lang, 28° R., nach je vierzehn Minuten ganz waschen und auch am Schluß des Bades. 3) Jeden Tag ein Oberguß und unmittelbar darauf ein Knieguß; dazu täglich zwei Messerspitzen voll weißes Pulver.
Nach vier Wochen kam der Mann vollkommen gesund zurück; um aber vorzubeugen, daß das Übel nicht mit der Zeit wiederkehren würde, mußte derselbe in jeder Woche sich zweimal in der Nacht ganz waschen und in jedem Monate ein oben genanntes Bad nehmen. Dazu erklärte er: „Wenn diese Anwendungen auch nicht notwendig sind, so werde ich sie doch vornehmen, um bei meiner dadurch gewonnenen Kraft und Frische zu bleiben.“
Fußgeschwüre.
Ein armer Taglöhner hatte viele Monate hindurch einen offenen Fuß, an welchem eine Öffnung war, so lang wie ein Finger und drei Finger breit. Dieser Mann, noch in den schönsten[S. 219] Jahren, hatte fast immer große Schmerzen und konnte nur selten einige Stunden schlafen. Sein Aussehen war recht krank und aller Mut verschwunden. Dem Patienten gab ich den Rat, er solle auf die wunden Stellen gekochtes Foenum graecum, auf Flecken aufgestrichen, wie ein Pflaster auflegen, darüberher den ganzen Fuß von ober dem Knöchel bis über die Waden mit frischen Huflattichblättern umlegen und darüber die Strümpfe anziehen. Jeden Morgen und jeden Abend mußte er Pflaster und Blätter frisch umwinden und vom Foenum graecum, zu Tee gesotten, nach je zwei Stunden zwei Löffel voll einnehmen. Dabei konnte er seinen Geschäften ohne Unterbrechung nachgehen. In vierzehn Tagen nach diesen Anwendungen waren zwei Dritteile dieser Wunde schon geheilt. Der Mann sah ganz gesund und frisch aus, hatte keine Schmerzen mehr und konnte gut schlafen. Drei Wochen später war der Fuß vollkommen geheilt. Zum Einnehmen des Foenum graecum wird ein kleiner Löffel voll in ungefähr einem Schoppen Wasser eine Minute lang gesotten, dann abgegossen und so löffelweise, wie bemerkt, eingenommen. Es nimmt die innere Hitze und wirkt heilend von innen heraus.
Fußleiden.
Ein Beamter klagt über einen lange schon offenen Fuß, der ihm im Berufe recht hinderlich sei. „Die Wunde unten an der Wade,“ so erzählt er, „ist bedeutend, und es fließt täglich viel Unrat aus derselben; schrecklicher noch als die Wunde und Entzündung kommt mir vor die Farbe des Fußes. Derselbe ist um und um schwarzblau. Ärzte befragte ich mehrere. Neben anderem ließen sie mich viel Mineralwasser trinken. Alles vergebens!“
Der Mann, gegen 45 Jahre zählend, zeigt kräftigen Körperbau, etwas Anlage zur Korpulenz. Das Aussehen ist ziemlich gerötet; ich erkannte sofort den Bierfreund. Die Augenwinkel waren trüb, die Augen selbst etwas gelb, die Ohren hochrot. Auf die Frage, ob er sich sonst gesund fühle, entgegnete er: „Mir fehlt gar nichts, ich habe den besten Appetit, ein Trinker bin ich nicht; es schmecken mir täglich meine zwei bis drei Glas Bier recht gut. Mein Leiden ist ein rein lokales, eines der so häufigen Fußleiden.“
Alle derartigen Kranken — eine Ausnahme ist so selten wie ein weißer Rabe — klagen stets nur über die wehtuende oder fließende Stelle und halten dafür, diese müsse zuheilen und so gesunden. Das umgekehrte Verfahren indessen ist das richtige. Erst muß man den Körper heilen, erst alle[S. 220] unreinen Säfte aus ihm entfernen, und die Mündung der Kloake, die Fußwunde heilt dann von selbst zu. In der Tat existiert nach meinem Dafürhalten keine verderblichere Blindheit und keine schädlichere Torheit, als einen Fleck, eine Öffnung heilen, eine Pforte verschließen zu wollen, durch welche der kranke Körper sich oft allein noch retten kann. In den Bergen sammeln sich die Wasser; sie brechen durch, und es fließt ein kristallheller Quell. Ähnlich geht es in manchem Körper zu; es strömen die ungesunden Säfte nach einer Stelle hin und drängen und treiben, bis ein Durchbruch geschehen ist.
Die Natur selbst zeigt an, wie sie sich helfen kann und will. Wir binden ihr sozusagen Hände und Füße, verstopfen und versalben ihr die Rettungswege. Wenn da das Ende Untergang und Verderben der Natur, des Körpers ist, wer will sich wundern?
Dem Beamten riet ich, er solle vierzehn Tage lang täglich einen Unterwickel nehmen, je 1½ Stunden lang, und zweimal im Tage den Oberkörper kräftig waschen; dazu wöchentlich einen Kopfdampf von 20 Minuten. Diese Anwendungen sollten den Körper reinigen, zugleich zur Ausscheidung der kranken Säfte kräftigen. Nach vierzehn Tagen kam der Kranke wieder; seine ersten Worte waren: „Ich habe das letztemal gesagt, ich sei nicht krank; jetzt aber weiß ich, daß ich recht krank war. Ich konnte nurmehr mit Mühe die Treppen steigen, so hart ging der Atem. Stets war ich ungewöhnlich aufgetrieben. Als ich dieses voll Angst dem Arzte sagte, meinte er, ich möge doch nur bedenken, daß ich allmählich älter werde. Jetzt aber,“ fuhr der Mann fort, „fühle ich mich ganz anders, wie neugeboren. Das Atmen geht leicht, und mir ist so wohl. Die Launenhaftigkeit hat mich früher fast zugrunde gerichtet; jetzt aber habe ich den heitersten Humor, und Essen und Trinken schmeckt mir wie nie zuvor. Daß man mir aber dieses früher nie gesagt hat! In diesen vierzehn Tagen,“ so schloß der Patient, „ging ungemein viel Urin ab; im Körper, besonders im Unterleib fühle ich mich viel leichter; schon lassen auch die Schmerzen im Fuße etwas nach, und der Schaden scheint gleichfalls zu heilen. Was muß ich weiter tun, damit der Fuß vollends heil werde wie der Körper?“
Der Beamte nahm wöchentlich noch zwei Unterwickel auf je eine halbe Stunde und täglich einen kräftigen Oberguß. Auf den Fuß legte er täglich ein drei- bis viermal in lauem Wasser neu angefeuchtetes leinenes Läppchen. Sonst durfte am Fuße absolut nichts geschehen. Wenn die Quelle nicht mehr gespeist[S. 221] wird, hört das Fließen von selbst auf, und sie versiegt. Nach weiteren 14 Tagen kam der erfreute Beamte wieder; am gesunden Körper hatte er auch wieder einen gesunden Fuß. Seitdem hat er nie aufgehört, die Heilkraft des Wassers zu loben. Ein so Geheilter soll (und dieses ist sehr wichtig), um die Ansammlung neuer Krankheitsstoffe zu verhüten, die eine oder andere der erprobten Anwendungen noch längere Zeit hindurch vornehmen. Er wähle unter den Übungen jene, deren Wirkung er als die wohltätigste verspürte.
Agatha litt seit Jahren an einem kranken Fuße, der von Zeit zu Zeit aufbrach, dann wieder von Zeit zu Zeit zuheilte. Über die unvermeidlichen Salbereien verliere ich kein Wort mehr, es würde mich nur aufregen. Der Arzt versprach der Kranken Heilung, wenn sie längere Zeit hindurch getreulich tun wolle, was er bestimme. Der Fuß wurde in ziemlich hohe Lage gebracht, so daß er im Bette etwas höher zu liegen kam als der Unterleib. Fast augenblicklich ließen die Schmerzen nach. Man brachte an die Wunde eine Kleinigkeit, ich weiß nicht was, und band sie gut ein. Der Kranken ging es vortrefflich; sie war ohne alle Schmerzen in dem kranken Gliede, und die Heilung machte große Fortschritte. Die Fußwunde war geschlossen. Plötzlich fühlte Agatha einen schweren Kopf und etwas Schwindel; doch sie machte sich nicht viel daraus. Nachts indessen überfiel sie eine solche Schwäche und Ohnmacht, daß der herbeigerufene Arzt erklärte, es trete schneller Marasmus ein, mit Agatha nehme es ein baldiges Ende. Nachts 12 Uhr noch mußte die Kranke versehen werden; fünf Tage lang lag sie regungslos da. Sie atmete mühsam und war geistesabwesend, wie betäubt. Am sechsten Tage kehrte die Besinnung wieder, mühsam brachte sie auch einige Worte zusammen. Ohne Geheiß legte sie selbst nasse Wickel um den Leib und den kranken Fuß. Den zweiten Tag schwoll der Fuß bedeutend an und begann heftiger zu schmerzen. Der Kopf aber und die Besinnung wurden besser. Agatha wickelte den Unterleib und den Fuß mutig weiter ein. Der halbe Fuß entzündete sich heftig, und nach fünf Tagen brach er auf. Die Heilung, wie oben angegeben, war ein leichtes. Agatha erhielt ihre frühere Gesundheit wieder.
Was aber hatte wohl der Anfall zu bedeuten? Am allerwenigsten einen Marasmus. Dem Knaben, der sich auf den Kopf stellt, muß das Blut zum Kopf strömen. Die vom Fuße gewaltsam (durch die erhöhte Lage) zurück und nach oben getriebenen[S. 222] Säfte stiegen der Brust und dem Kopfe zu und bewirkten die fatalen Erscheinungen. Die Wickel leiteten sie wieder nach unten, das Wasser öffnete die Wunde, und die kranken Stoffe, die ihre früheren Wege und Ausgänge offen fanden, ließen die Brust frei atmen und den Kopf frisch und leicht denken.
Daß jeder dieses recht beherzigte, der mit solchen „Bresten“ behaftet ist! Ich weiß gut: viele Ärzte der neuen Schule denken da ganz anders. Bei vielen Ärzten indessen, auch bei mir bleibt in dieser Beziehung alles beim alten. Ich halte und nenne jede offene Stelle, welche die Natur selbst sich gräbt, um das Ungesunde auszuwerfen, solange dieselbe fließt, eine Gesundheits- und Lebensversicherung. Wer kennt nicht Fälle genug, daß Leute nach zugeheilten Füßen schnell gestorben sind? Und wer weiß nicht, daß, wenn solche offene Füße im Alter sich schließen, der Sensemann kein ferner Gast mehr ist?
In einem mir vorliegenden Briefe steht wörtlich: „Mein Fußleiden ist wieder im Beginne. Das rheumatische Kopf- und Zahnleiden, an welchem ich vor vierzehn Tagen zum Rasendwerden litt, hat mich, seitdem ich am Fuße leide, gänzlich verlassen. Der eine oder andere Teil an meinem Körper ist immer leidend. Es herrscht bei mir ein doppeltes Leiden; entweder habe ich heftige Schmerzen im Körper, besonders in den Zähnen, oder wenn mich diese verlassen, arge Fußschmerzen, so daß ich nicht sagen kann, welches Übel ärger ist. Und ist eines von diesen zwei Leiden nicht in besonderer Stärke und Größe da, so bin ich am ganzen Leibe nicht gesund.“ Soweit der Bericht.
Wie das Quecksilber im Barometer steigt und fällt, so gibt es Leiden, die von einer Stelle im Körper zur andern eilen. Die Gicht, der wandelnde Rotlauf sind solche fahrende Schüler. Als Dritter im Bunde gesellt sich ihnen unser Übel bei mit dem Unterschiede, daß es nicht wie Gicht und Rotlauf sich äußerlich verrät, sondern seine Kreuz- und Querzüge stets auf verborgenen Wegen, im Innern, antritt.
Dreigeteilt muß stets der Angreifer gegen diese Wandergesellen vorrücken.
In unserem Falle greift der kurze Wickel die Plänkler an, d. h. er räumt mit all den Stoffen auf, die noch auf der Wanderung vom Kopf zu den Füßen oder von den Füßen zum Kopf begriffen sind. Öfter angewandt verleidet er ihnen durch Ausleitung alle Wanderlust. Sekundär wirkt er schon auf die leidende Stelle ein, indem Stoffe, die von ihr Reißaus genommen,[S. 223] unterwegs aufgefangen und so an der Rückkehr verhindert werden. Der Fußdampf mit dem abschließenden Unterguß richtet sich gegen den einen Flügel, die leidende Fußstelle. Er löst die kranken Stoffe auf und leitet sie aus.
Die kalten Waschungen, statt deren auch der spanische Mantel, rücken gegen das Zentrum, gegen den ganzen Körper vor, freilich zu freundschaftlichen Diensten. Sie kräftigen und stärken den Körper, daß er zu schneller Ausheilung mithelfe.
Sämtliche Angriffe wären somit der Reihe nach zu machen: der kurze Wickel, zwei Ganzwaschungen in einer Nacht, nochmals der kurze Wickel, der Fußdampf und zuletzt der spanische Mantel.
Als Hilfstruppen von innen könnte entgegenkommen Tee von Tausendguldenkraut, Salbei und Minze. Die ersten zwei wirken reinigend, die Minze mit ihrem Bitterstoff unterstützt die Magensäfte.
Noch zwei Arten von Heilung offener Füße will ich hier angeben; die erste kann manchem Bauern und einfachem Manne vielleicht Dienste leisten, der die Vorrichtung zum Baden nicht so leicht hat; die andere dürfte selbst Herrenleuten nicht übel anstehen.
Ein ziemlich wohlgenährtes Bäuerlein blinzelte, ob ernst, ob spöttelnd, ich weiß es nicht, gar klug mit seinen Augen und sagte: „Hochwürden, ich hab’ so einen offenen Fuß. Haben Sie nicht auch ein Wässerlein für mich?“ „O ja, guter Freund!“ sagte ich. „Jetzt machen Sie ’s so, Bauer: Sie gehen heim und breiten auf Ihrer Liegerstatt, auf dem Bett, einen wollenen Teppich oder ein recht grobes Tuch aus! Dann suchen Sie sich unter ihren Säcken einen recht alten, abgenutzten und deshalb nicht steifen aus! Den tauchen Sie herzhaft in kaltes Wasser, winden ihn etwas aus und schlüpfen dann in Adams Kostüm hinein! Oder wenn Ihnen das besser gefällt, können Sie den Sack wie elegante Hosen anziehen; darauf schnell einen Satz ins Bett und ein warmes Zudecken mit der Woll- oder rauhen Decke und dem gansfedrigen Oberbett.“ Die früher blinzelnden Augen wurden wie Pflugrädchen so groß und vor Wasserangst jetzt schon naß; dem Bauer kam’s schaurig vor. „Und dieses,“ so lautete der gestrenge Spruch weiter, „zum ersten Versuch täglich einmal, eine Woche lang; jeder Sackschlupf soll dauern zwei Stunden lang.“ Der Bauer schwitzte bereits beim Weggehen; dennoch tat er, wie ihm geheißen. Innerhalb fünfzig Tagen hat er fünfundzwanzigmal dies eigentümliche Sackschlupfen und Sackjucken probiert, und der Fuß war geheilt. Vor Freude hüpfte er auf, mehr noch als über den Fuß[S. 224] darüber, daß er in dem Sacke auch einen so trefflichen Humor bekommen. Ich riet ihm, die Übung noch zuweilen einmal vorzunehmen. Ich brauchte dieses nicht zweimal zu sagen. „Zum Dank und aus Freude,“ rief er mir zu, „will ich die Sackgeschichte ein ganzes Jahr lang treiben.“ Und er hat Wort gehalten.
So schauerlich diese Kur in manchem Ohre geklungen haben mag (in der Tat ist sie es nicht), so kurz und vornehm lautet die andere:
Man nehme: a) in der Woche zweimal ein warmes Bad mit dreimaligem Wechsel, am besten ein Haberstrohbad; desgleichen b) zweimal wöchentlich einen Unterwickel von 1½ Stunden oder statt dessen den spanischen Mantel in derselben Dauer.
Zur Warnung führe ich folgenden Fall an.
Ein ziemlich korpulenter, aber sehr gesunder Herr, der seinesgleichen suchte, bekam einen offenen Fuß, der ihm recht lästig war. Er nahm die Zuflucht zur Wasserkur und gebrauchte dieselbe auch zwölf Tage. Nicht genug konnte er erstaunen, wie leicht und wohl es ihm wurde. „Doch der leidige offene Fuß,“ sagte er, „heilen Sie den mir zu!“ „Wer es tut, kürzt Ihnen das Leben ab; ich tue es nie und nimmermehr,“ entgegnete ich entschieden. Das verdroß den Herrn, und er ging. Es war Herbstzeit; im Frühjahr besuchte er, wie ich hörte, ein Mineralbad und gebrauchte, nach Hause zurückgekehrt, verschiedene Mittel, die Wunde zuzuklabastern. Es gelang, und 6–8 Wochen freute er sich seines zugeheilten Fußes. Da bildete sich auf dem oberen Rücken, mitten auf dem Kreuze, ein gewaltiges Geschwür. Die Ärzte hielten dasselbe für einen Karbunkel und öffneten es durch einen kräftigen Kreuzschnitt. Doch statt des Unrates trafen sie auf eine große harte Platte. In zwölf Tagen hatte Blutvergiftung dem kräftigen Leben ein Ende gemacht. Solche und ähnliche Beispiele könnte man in großer Zahl sammeln und aufzählen.
Ich kam in ein Haus. Der junge Herr hatte eben seinen Fuß bis an das Knie herauf auf Verordnung des Arztes im heißen Wasser stehen. So heiß solle er das Bad nehmen, als er es nur ertragen könne. Die ohnehin großen Schmerzen wurden durch das heiße Wasser noch bedeutend gesteigert. Der Fuß war vom Knöchel bis an die Waden zur doppelten Stärke angeschwollen und die Geschwulst oberhalb des Knöchels so gefärbt und entzündet, daß ein baldiges Aufbrechen der brandigen Stelle nahe bevorstand.
Mir ist unbegreiflich, was bei einer so heftigen Entzündung eines Gliedes, das einen förmlich heiß anweht, noch heißes Wasser, das einen Gesunden halb verbrühen könnte, tun soll, und zwar nicht kurz und einmal, sondern länger und öfter genommen. Der Herr erklärte aufgeregt, er könne es nicht mehr aushalten, man solle ihm das Wasser aus den Augen bringen. Ruhig ließ ich seinen Befehl vollziehen und riet hernach, er möge statt des Brühwassers Krautwasser bringen lassen, einen weichen Fleck eintauchen und unmittelbar auf die am ärgsten entzündete Stelle legen, darüber ein größeres, recht weiches, in kaltes Wasser getauchtes Tuch umwinden, so daß es den ganzen Fuß vom Knöchel bis zu den Waden bedecke (darüber natürlich trockene Auflage), und beide Aufschläge zusammen so oft wiederholen, als der Fuß von neuem zu brennen und wehe zu tun anfange. Der junge Herr tat nach meinem Rate; in zwei Tagen konnte er wieder gehen. Das Geschwür brach auf. Um rascher die Materie aufzulösen und auszuleiten, umwand er die Geschwürstelle mit einem Linnensäcklein, das angefüllt war mit angeschwellten Heublumen. In acht bis zehn Tagen war der Fuß geheilt und diente als treuer Untertan mit alter, ja verjüngter Geh- und Tragkraft.
Ein Herr von Stand erzählt: „Jedes Jahr bekomme ich ein Fußleiden, welches zwei bis drei Wochen dauert; dann bin ich wieder auf ein Jahr gesund. Etwas empfindlich sind meine Füße immer. Ehe dieses Leiden kommt, brennen mich meine Füße, und mitunter spüre ich ein heftiges Stechen. Dann schwellen die Füße bis an die Knie ziemlich stark auf. Wenn das Anschwellen beginnt, läßt der Schmerz etwas nach; ich bin aber doch unfähig zu jeder Arbeit. Kann diesem Übel nicht vorgebeugt werden?“ Die Antwort heißt: „Ja, mit folgenden Anwendungen: 1) In der Woche ein- bis zweimal leinene Strümpfe, in Wasser getaucht, in welchem Haberstroh gesotten wurde, anziehen (angenehm warm); über die nassen Strümpfe ein trockenes Tuch winden und zwei Stunden lang diesen Fußwickel behalten. (Kann am Abend geschehen.) 2) In der Woche einen kurzen Wickel 1½ Stunden lang, in Wasser getaucht. Wer noch fünf bis sechs Wochen ein- bis zweimal wöchentlich die Anwendung vornimmt, beugt gewiß seinem Übel vor.“
Ein Landmann kommt und zeigt seine geschwollenen Füße, die von unten an bis an die Knie gleichmäßig hart anzufühlen und mit schwarzblauen großen Flecken bedeckt waren. Diese geschwollenen Füße schmerzten ihn sehr, so daß er oft ganze Nächte nicht schlafen konnte; zudem wurde er, seitdem die Füße so anschwollen, gemüts[S. 226]leidend schwermütig, so daß er nach seiner Angabe sich schon oft den Tod gewünscht hatte. Appetit schlecht, Aussehen recht krank.
Die Anwendungen waren folgende: 1) Jede Woche einen Fußdampf, in der ersten Woche aber zwei. 2) Zweimal in der Woche ein Hemd anziehen, in Haberstrohwasser getaucht, 1½ Stunden lang. 3) Zweimal wöchentlich von unter den Armen ganz hinunter sich einwickeln, 1½ Stunden lang. 4) In jeder Nacht werde der Fuß bis an die Knie eingewunden mit einem Tuch, in Wasser getaucht, in welchem zwei Löffel voll Foenum graecum abgesotten wurden. Gerade diese Einwicklung hat besonders zur Linderung der Schmerzen und zur Aufweichung gewirkt. Eingenommen wurde Absud von Foenum graecum, zwei Messerspitzen voll in einem Schoppen Wasser gesotten, — während des Tages in drei bis vier Portionen.
Fußleiden, anderes.
Eine Frau hatte Jahre hindurch Fußleiden. Von Zeit zu Zeit brach einer der Füße auf mit Entleerungen von viel Unrat, und nach mehreren Wochen heilte er wieder zu. Wie jeder gesund werden will, so wollte auch diese Frau für ihren Beruf von diesem Leiden befreit werden und wendete folgendes an: 1) Dreimal in der Woche in der Nacht vom Bett aus ganz waschen und gleich wieder ins Bett; 2) in der Woche einmal den spanischen Mantel; 3) die Füße wurden von Morgen bis Mittag oder bis Abend umwunden mit einem Tuch, das in Heublumenwasser getaucht war, aber ziemlich stark ausgewunden, und darüber ein Wollstoff gelegt. Auf die wunde, von Haut entblößte Stelle, die so groß war wie ungefähr drei Finger breit und lang, wurde gesottenes Foenum graecum, auf Flecken aufgestrichen, aufgelegt. Dasselbe zieht das Ungesunde heraus, nimmt die Hitze und den Schmerz und heilt, wenn der Krankheitsstoff ausgeleitet ist. Nach je zwei bis drei Tagen wurden über den kranken Fuß angeschwellte Heublumen, die ziemlich gut ausgetrocknet waren, warm, aber nicht heiß, direkt aufgetragen und umwickelt — zwei Stunden lang. Innerlich: täglich eine Messerspitze voll graues Pulver und täglich eine Tasse Tee, von vier bis fünf grünen Holunderblättern gesotten.
Geburten.
Ein junges Weib hatte drei tote Kinder geboren; sie wurde darob sehr betrübt und ganz entmutigt, zumal der Arzt erklärte, „sie werde nie ein Kind austragen können.“ Ich tröstete sie und machte ihr Hoffnung, falls sie sich bequemen wolle, Wasseranwendungen vorzunehmen; ihre Natur werde so erstarken, ge[S. 227]sunden, und wenn dieses eingetreten, habe sie weiter nichts zu fürchten. Der trostlosen Frau klang dieses wie frohe Botschaft.
Mit den leichtesten Abhärtungsübungen wurde begonnen; nach und nach gewöhnte sie sich an stärkere, abhärtende Wasseranwendungen, bis sie zuletzt bei Halb- und Ganzbädern stehen blieb. Innerhalb drei Jahren gebar sie dem erfreuten Vater drei gesunde, kräftige Kinder.
Eine Frau litt an Typhus; sie hatte Kopfschmerzen zur Verzweiflung. Ihre Verwandten brachten sie aus der Stadt aufs Land, damit sie dorten ruhig sterben könne. Die arme Frau sollte zudem Mutter werden. Man fragte mich; ich riet kurze Wickel an, die alsbald angewendet wurden. Das Kopfleiden ließ nach. Um sicher zu gehen, fragten die Angehörigen auch bei dem früher die Kranke behandelnden Arzte an, ob nicht vielleicht ein Wickel gute Dienste leisten würde. Dessen Verdikt lautete, der erste Wickel würde das Kind zu früh zur Welt bringen. Unterdessen waren bei Einlangung der Nachricht fatalerweise schon sechs Wickel genommen. Die Typhuskranke wurde selbst gesund und genas glücklich auch eines gesunden Kindleins.
Gehirnentzündung.
Wo immer eine Entzündung entsteht, dorthin drängt sich auch durch alle Adern das Blut. Es eilt der Wärme zu, und in den von der Entzündung entferntesten Körperteilen nimmt das Blut am meisten ab. Tritt eine Gehirnentzündung ein, so muß zu allererst das Blut in die äußersten Teile geleitet werden, aber auch auf die entzündeten Stellen muß hitzeableitend eingewirkt werden. Die Anwendungen sind folgende: Es sollen die Füße bis an die Knie mit Tüchern, welche in Wasser und Essig getaucht sind, eingewickelt werden. Sind die Füße recht kalt, so ist das Tuch anfangs in heißes Wasser zu tauchen. Sind die Tücher an den Füßen nach ungefähr einer halben bis einer Stunde recht heiß, dann sollen sie in kaltes Wasser getaucht und wieder umgelegt werden. Wie die Füße, so sollen auch die Hände eingewickelt werden, wenigstens bis an die Ellenbogen, und es soll gerade so verfahren werden wie bei den Füßen; dann kann ein Unteraufschläger genommen werden. Nach drei Viertelstunden tauche man das Tuch wieder in kaltes Wasser. Ist die Hitze immer noch stark, kann länger so fortgefahren werden. Um die Hitze recht stark abzuleiten, kann man ein zweifaches grobes Tuch, in Wasser getaucht, auf den Unterleib legen, wodurch das Blut mehr in den Unterleib geleitet wird. Auf den Kopf wende man weiter nichts[S. 228] an, als daß man einen Lappen auf die Stirne bindet und diesen nach je einer halben Stunde in kaltes Wasser frisch eintaucht. Fast noch günstiger wirkt ein Tuch, das um den Hals gewunden wird, oder ein Schal; beides darf jedoch nie länger als drei Viertelstunden an Ort und Stelle bleiben, ohne daß das Eintauchen von neuem besorgt wird. Diese Anwendungen werden, im Wechsel vorgenommen, die Entzündung nicht auf einen hohen Grad kommen lassen, und die ganze Entzündung wird einen ziemlich raschen Verlauf nehmen. Nach innen bleibt immer das Beste frisches Wasser, aber ja nicht viel, höchstens ein bis zwei Löffel voll, lieber öfter. Statt Wasser kann man auch einen Absud von Foenum graecum nehmen.
Gehirnleiden, schweres.
Ein ungefähr 33 Jahre alter Bräumeister ist seit elf Jahren schwer leidend. Im Mai 1877 stürzte er eines Morgens nach dem Aufstehen vom Bett plötzlich halb bewußtlos hin und blieb zwei Stunden in diesem Zustande liegen. Dies war die Einleitung zu einem schweren, sechs Monate dauernden Typhus. Schon damals stellte sich täglich starker Schwindel mit Erbrechen und Ohnmacht ein. Der Schwindel begann mit Klopfen im Gehirn; dann warf es den Mann zu Boden, oft auf Zimmerlänge hin. Dieser Zustand währte meist fünf bis zehn Minuten und wiederholte sich täglich fünf- bis acht- bis zehnmal. Nach diesen sechs Monaten wurde er wieder arbeitsfähig, aber nur auf zwei Monate. Darnach traten die Anfälle so häufig und stark auf, daß er weitere acht Monate das Bett hüten mußte. Im Verlaufe dieser elf Jahre war er alle Jahre sechs bis sieben, sogar acht Monate bettlägerig. Das Leiden steigerte sich so, daß die Anfälle von Schwindel und Hinfallen auch in der Zwischenzeit alle zwei bis drei Tage wiederkehrten, besonders auch nach geistigen Anstrengungen, nach raschen Bewegungen, bei jeder Drehung des Kopfes. Die Anfälle kündigten sich stets durch Klopfen im Kopfe an, und wenn er sich nun rasch genug anzuklammern vermochte an einen Tisch oder im Freien an einen Baum, so schüttelte und warf es ihn hin und her, bis er zu Boden kam. Das Bewußtsein verging ihm dabei nicht, wohl aber das Sehen. Neun Jahre lang war der Anfall stets von Erbrechen begleitet, welches seit dem letzten Jahre aufhörte. Die ganze Zeit über, seit 10½ Jahren empfand der Unglückliche einen fortwährenden Druck auf der Scheitelhöhe, wie wenn ein Zentnerstein droben liege. Seit fünf Jahren besteht fast anhaltend Ohrensausen und Schwerhörigkeit auf dem rechten Ohr. Der Schlaf stellte sich neun Jahre lang fast nie vor ein bis zwei Uhr[S. 229] nachts ein wegen Gefühl von Schwere und Vollsein im Kopfe. Von Mai 1886 bis Oktober 1887 war der Mann mit ganz geringer Unterbrechung bettlägerig. Von vierzehn Ärzten, die ihn im Laufe dieser langen Krankheit behandelten, und von denen ihn verschiedene für unheilbar erklärten, nahm er eine Masse Medikamente ein. Die meisten sprachen die Ansicht aus, es sei durch eine frühere Kopfverletzung — es war dem Bräumeister früher ein Faß auf den Kopf gefallen — die Hirnschale gesprungen, und seitdem drücke ein Knochensplitter auf das Gehirn, und hiedurch sei das Leiden verursacht. Einige Ärzte hielten es für chronische Hirnhautverdickung.
Nach meiner Meinung bestanden außerordentlich starke Kongestionen zum Kopfe und waren folgende Anwendungen angezeigt: Oberguß, Wassergehen, Rückenguß, Schenkel- und Knieguß, Fußdampf, sowie der spanische Mantel. Der Erfolg innerhalb der fünfwöchentlichen Kur vom 28. Juli bis 2. September war ein ganz vorzüglicher. Schon am fünften Tage erklärte sich der Patient frei vom Gehirndruck. Am zweiten Tage erfolgte noch ein Anfall nach einer längeren, geistigen Anstrengung (Briefschreiben), — es war der letzte. Von Tag zu Tag schritt die Besserung zu seiner größten Freude voran; die nächsten vier Wochen fühlte er sich „wie neu geboren, so frei und so leicht im Kopf“, und auch im Sehvermögen erleichtert. Schlafen konnte er seit diesen fünf Wochen anhaltend die ganze Nacht. Der Mann ist überglücklich und lebt nun neu auf. Zu Hause hat er täglich bloß noch eine der obigen Anwendungen fortzusetzen.
Geisteskrankheit.
Furchtbar muß es sein, wenn diese Geistesnacht über einen hereinbricht, wenn der Mensch nicht mehr Mensch ist, sondern gleichsam zum unvernünftigen Tiere wird. Noch vor 50, 40, 30 Jahren gehörten Geisteskrankheiten zu den Seltenheiten. Heutzutage mehrt sich deren Zahl (darin sind alle eins) in schreckenerregender Weise. Die Irrenhäuser, so zahlreich sie sein mögen, sind überfüllt, reichen nicht mehr aus. Man baut jetzt vielerorts außerhalb der Großstädte fast ganze Irrenstadtviertel. Unheimlich ist’s, diese Totenfelder von Lebenden zu durchwandeln. Also das ist der Mensch, der so groß tun kann! Gott bewahre uns vor solcher Heimsuchung! Derlei Gedanken umflattern bei solch düsteren Gängen die ernstgestimmte Seele. Das sind die Ganz-Irren. Wie viele hundert, ja wie viele tausend Menschen aber sind halbe Geisteskranke, die entsetzlich viel leiden und selten Hilfe bekommen! In Wahrheit darf ich sagen, daß eine sehr große Anzahl solcher Unglücklichen[S. 230] bei mir Linderung und Heilung suchte, und mit besonderer Liebe und Sorgfalt fühle ich mich jederzeit gerade zu diesen so arg verlassenen und so trostlosen Menschen hingezogen. Sie waren zu wenig krank fürs Irrenhaus, aber unfähig zu jedem Berufsleben. Unsagbar, unbeschreiblich, unzählig und mannigfaltig sind die Plagen solcher Geistesgestörten. Wie zur Sommerszeit in der heißesten Mittagsglut die Stechmücken am ärgsten schwirren, so treiben in dem heißen Gehirn dieser Armen die tollsten Gedanken ihr heillosestes Spiel. Die einen hassen ihren bisherigen, geliebten Beruf, andere wollen nicht mehr beten. Menschenscheu und Menschenhaß hat die einen erfaßt, Haß gegen sich selbst die anderen; sie wollen sich das Leben nehmen usw. Die Köpfe und deren Inhalt sind so verschieden als die armen Individuen selbst.
Bei allen Kranken, die mich aufsuchten, habe ich in den fünfunddreißig Jahren stets Ursachen der Krankheit gefunden. Entweder war das Übel angeerbt, also von Kindheit an grundgelegt, im Keime vorhanden; oder es rührte her von Körpergebrechen, von Krankheiten,[35] wohl auch von der Lebensweise.
Ein Punkt ist wohl zu beachten, weil da so gerne Täuschungen vorkommen. Man bleibe bei der Beurteilung solcher Zustände recht nüchtern, lasse sich selbst den Geist nicht einnehmen. Nicht genug kann ich warnen vor jenem voreiligen, so überaus törichten Gebahren, welches alsbald übernatürliche, besonders teuflische Einflüsse hellsehen will. In Fällen selbst, in denen jedermann fast hätte glauben müssen, der leibhafte Satan herrsche in dem Kranken, hat der einfache kalte Strahl ihn vertrieben.
Mir kam in meiner ganzen Praxis nicht ein einziger Fall vor, in dem natürliche Mittel, recht angewendet, nicht geholfen hätten. Ich klammere mich fest an den Glauben und an das Übernatürliche wie an ein Rettungsboot und möchte — Gott bewahre! — kein Strichlein und kein Pünktlein dieser Glaubens-Überzeugung aufgeben. Nie aber möchte ich den Glaubensfeinden eine Handhabe reichen zum Spotte oder Angriffe auf den Glauben.
Die es angeht, kennen und verstehen mich. Ein Beispiel: Ein Bruder bringt seine Schwester, welche behauptet, mitten in ihrer Brust wohne der böse Geist. Sie wisse vom Teufel viel, der Teufel aber wisse von ihr alles, auch die geheimsten Gedanken; er regiere, leite und beherrsche sie. Ein Narr sei ihr Bruder, noch dümmer sei der Pfarrer, der allerdümmste aber sei der Arzt. Warum? „Weil sie immer sagen, ich solle einen anderen Kopf aufsetzen, meine Torheiten ablegen und ihnen folgen. Wenn einmal der Teufel in einem herrscht,“ fügte die Kranke bei, „dann hat der eigene Kopf das Regiment verloren.“ Es ist nicht zu sagen, wie heftig und unbändig wild die Arme gegen die drei genannten Persönlichkeiten wütete.
Hätten dieselben ruhig geschwiegen — sie wußten ja, wen sie vor sich hatten —, sie hätten die Kranke nicht in so gewaltige Aufregung versetzt, und ich hätte leichter getan.
Bei derlei Kranken kommt alles, ja alles auf die Behandlung an. Ich widersprach ihr mit keinem Worte und sagte bloß: „Ja freilich, in deinem Innern steht es nicht gut.“ Damit war die Kranke zufrieden, und ich hatte sie auf meiner Seite. Sofort faßte sie Vertrauen, wie ihre Antwort bekundete. „Wenn mir einer nicht glauben will,“ so lautete diese, „daß ich den Teufel in mir habe, so wird er ihn auch nicht austreiben können.“
Dieses Vertrauen heißt bei mir jedesmal so viel als: die Kranke ist bereits zur Hälfte geheilt, und deine Arbeit ist mehr als zur Hälfte getan. Die Kranke nahm ein, was ich ihr gab; sie wendete pünktlich das Wasser an, wie ich es bestimmte. In sechs Wochen ward sie vollkommen geheilt. Gewiß interessiert es manchen, was der Person wohl gefehlt hat. Die Kranke sah stürmisch drein. Ihre Gesichtszüge waren eingefallen, die Hände kalt, die Füße noch kälter; auf der Brust fühlte sie einen schweren Druck und im Magen Widerwillen gegen jede Speise. Alles Blut war, so schien es, der Brust zugeeilt. Die erste Aufgabe bestand darin, die Zirkulation des Blutes zu ordnen, dadurch gleichmäßige Naturwärme und ein geordnetes Arbeiten des ganzen Organismus herzustellen. Zu dem Ende mußte die Kranke täglich zweimal bis über die Waden ins kalte Wasser stehen, je zwei Minuten lang, darauf tüchtig gehen, um die Füße so bald als möglich zu erwärmen; dann ebenso die ganzen Arme täglich zweimal ins Wasser halten, je zwei Minuten lang, darauf denselben in irgend einer Weise Bewegung verschaffen, um sie ebenfalls möglichst schnell warm zu bekommen. Zweimal des Tages[S. 232] ließ sie sich, zu Bette liegend, Rücken, Brust und Unterleib mit Wasser und Essig kräftig waschen. Die verhältnißmäßig schwachen Anwendungen mußten durch vierzehn Tage genau fortgesetzt werden. Die heftigste Aufregung ließ nach, wenn auch der Teufel in dem wirren Kopfe immer noch spukte. Die eingefallenen Züge belebten sich. Nach vierzehn Tagen ließ ich kräftiger einwirken. Die Kranke bekam Unterwickel im Wechsel mit Halbbädern (nur eine halbe Minute lang, und jedesmal folgte die Waschung des Oberkörpers) und dem spanischen Mantel; alle drei Anwendungen waren zirka drei Wochen fortzusetzen. Nach der dritten Woche beschlossen die Heilung wöchentlich eine Ganzwaschung und ein kurzer Wickel von einer Stunde. So wurde der vermeinte Teufel ausgetrieben, und die Aufregung wich großer Ruhe und ungestörtem Frieden.
Arme Eltern brachten ihren Knaben von zehn Jahren und erzählten folgendes: „So oft man zur Kirche läutet, fängt der Bube an zu toben und in der heftigsten und gräßlichsten Weise die entsetzlichsten Flüche auszustoßen, Flüche und Schwüre, die wir in unserem Leben noch nie gehört haben. Er flucht so lange, als er die letzte Person auf dem Kirchwege sieht. Dann hört er auf. Sobald aber nach vollendetem Gottesdienste der erste Andächtige die Kirche verläßt, fängt er auch schon wieder an, zu schwören, und er schwört und flucht fort, bis er niemanden mehr erblicken kann. Wenn wir beten, so flucht er; hören wir auf, so hört auch er auf. Hochwürden, es ist schrecklich. Man mag anwenden, was man will, helfen tut gar nichts, am wenigsten das Einreden; das macht ihn nur noch heftiger. Seine Mutter packte er einmal mit beiden Armen wie mit Krallen und schüttelte sie derart, daß man nicht glauben sollte, wie ein Knabe so viel Kraft entwickeln könnte. Ärzte sind mehrere befragt worden, geholfen hat nichts. Benediziert wurde er auch; da hat er noch am ärgsten geflucht usw.“
Der Knabe hatte ein ganz sonderbares Aussehen: abgestandene Gesichtsfarbe, im höchsten Grade wildaussehende Züge; die Haare standen, wie beim Igel die Stacheln, senkrecht in die Höhe. Ich unterstand mich, seine Hand anzufühlen; er wollte mir sofort ins Gesicht springen. Zwei Priester, welche den schrecklichen Zustand gesehen hatten, sagten: „Wer an eine Besessenheit glaubt, muß sagen: hier ist sie.“
Ich faßte das Leiden von Anfang an ganz natürlich auf und täuschte mich auch dieses Mal nicht; in sechs Wochen war das arme Kind vollständig geheilt. Ich ließ den Knaben täglich auf[S. 233] 1 bis 1½ Stunden ein Hemd anziehen, das in Wasser (mit etwas Salz) getaucht war, ebenfalls täglich einmal mit einer Mischung von Wasser und etwas Essig ganz waschen. Beides dauerte vierzehn Tage lang. In der dritten Woche bekam er den einen Tag ein (oben beschriebenes) Hemd angezogen, den andern Tag auf eine halbe Stunde ein warmes Bad von 28° R. im Wechsel mit einem kalten (eine halbe Minute), am dritten Tage eine Ganzwaschung. Dieses waren die Übungen der dritten und vierten Woche. In der fünften reichte aus ein nasses Hemd, in der sechsten und letzten ein warmes Bad mit rascher kalter Abwaschung.
Die Umänderung und Besserung vollzog sich rasch. Der ganz kalte Knabe wurde wieder warm, der verlorene Appetit kehrte wieder, und er ließ sich die Milch- und Mehlkost, welche die armen Eltern mit Freuden ihm reichten, trefflich schmecken. Aller Spuk war wie weggeblasen.
Einer der Leser wird vielleicht fragen: „Warum denn wendet der Pfarrer bei solchen Kranken keine Güsse an, da doch in unseren Irrenanstalten die Tobsüchtigen besonders mit Douchen usw. behandelt werden?“ Nach meiner unmaßgeblichen Meinung darf ein Jäger (doch vielleicht ist’s Jägerlatein?), der einen Fuchs aus seiner Höhle locken will, unmittelbar vor das Loch hin nicht schießen. Besser wird’s sein, den listigen Reinecke mit einer Lockspeise (etwa einem Huhn oder Spanferkel) zum gefälligen Herauskommen einzuladen. Nun höre, mein lieber Leser! Wo eine Krankheit drinnen steckt, da steckt auch Krankheitsstoff. Diesen auflösen und ausleiten, das heißt den Fuchs locken und fangen. Eine Douche aber löst nicht auf, leitet aber auch nicht aus. Ist einmal aufgelöst und ausgeleitet, dann hat die leichtere Douche einen Sinn, dann laß ich sie mir auch recht wohl gefallen.
Vor neun Jahren kam ein Mädchen zu mir und erzählte, wie folgt: „Mein Bruder ist schon mehr als ein Jahr im Irrenhause. Er wurde für unheilbar erklärt. Nun bekomme ich ganz dieselben Zeichen, die mein Bruder vor dem Ausbruch der Krankheit hatte. Ich hatte bisher gedient, mußte aber meinen Dienst verlassen; denn ich kann nicht mehr arbeiten. Wenn ich keine Hilfe erhalte, komme ich in Bälde zu meinem Bruder in die Irrenanstalt.“
Auf verschiedene Fragen erhielt ich den Bescheid, daß der Appetit sehr wechsle, manchmal gut sei, manchmal ganz fehle; daß ferner, sobald das heftige Gliederreißen nachlasse, ebenso heftige Brustschmerzen folgen, daß die früher dichten und langen Haare schon mehr als zur Hälfte ausgefallen seien. Sofort war mir klar, daß hier[S. 234] recht verdorbene Säfte ihr Unwesen trieben, und daß das sicherste Zeichen ihres gänzlichen Ausscheidens darin bestehe, wenn die Haare auf dem halbkahlen Schädel wieder festen Fuß faßten und in alter Stärke von neuem weiter wüchsen.
Die Kranke wendete nacheinander folgende Übungen an: zuerst täglich das nasse Hemd, getaucht in Salzwasser oder in Wasser mit Essig gemischt; ebenso täglich lauwarme Halbbäder mit kräftiger kalter Waschung des Oberkörpers (höchstens eine Minute). Es war Sommerszeit. So ging sie jeden Tag viel barfuß mit großem Erfolge, besonders im Morgentau. Dieses dauerte drei Wochen hindurch. Es folgten jetzt warme Bäder im Wechsel mit kalten, sodann der Unterwickel (die Kranke bediente sich des Sackes), in Absud von Heublumen getaucht. Die ganze Kur währte bis zu vollständiger Herstellung drei Monate. Der starke und solide Haarwuchs wies auf gründliche Heilung. Die Person hat später geheiratet und ist gesund bis zum heutigen Tage.
Ein Pfarrer, in seiner Gemeinde hochgeschätzt und geliebt, kam vom Ausland ganz entmutigt zu mir. Er könne, so meinte er, seiner Pflicht gar nicht mehr nachkommen. Dieser Zustand, der sich in großer Traurigkeit, in Mißmut, in Unfähigkeit zum Studieren äußerte, hatte früher schon einmal die Nachbarsgeistlichen veranlaßt, den Armen in eine Anstalt zu bringen. Daselbst verblieb er mehrere Wochen und kehrte ruhiger, aber ungeheilt in seine Heimat zurück. Er beriet mich, was doch zu tun sei, ob er die Pfarrei verlassen oder was er anfangen solle. Der Herr sah gesund, frisch und kräftig aus, was bei solchen Kranken so leicht täuscht und so viele harte, ungerechte und lieblose Urteile veranlaßt.[36] Wer näher zusah, konnte wohl bemerken, daß das Auge trüb, die Farbe verbleicht, die Haare erstorben waren.
Die Anwendungen waren dreifacher Art: der Kopf- und Fußdampf, kalte Ober- und Untergüsse, häufiges Gehen auf nassen Steinen oder ins Wasser stehen, drei bis vier Minuten lang. Nach einigen Tagen folgten warme Bäder im Wechsel mit kalten Ober- und Untergüssen. Am sechsten Tage der Wasserkur zeigte sich ein bläulicher Ausschlag[S. 235] auf dem Rücken. Je mehr dieser heraustrat, um so besser fühlte sich der Kranke. Als der Krankheitsstoff gänzlich ausgeleitet war, war der Pfarrer gesund. Das ganze Heilverfahren dauerte vierzehn Tage. Mit neuem Mut kehrte der seeleneifrige Priester heim in seine Gemeinde.
Gelbsucht.
Die Gallenblase liegt an der Leber und ist eine Art Sammelbehälter für die aus den Lebergängen herausfließende Galle. In den innerhalb der Leber gelegenen Gängen oder in der Gallenblase können sich Verhärtungen der Galle bilden, Gallensteine genannt, die entweder in der Leber oder bei der Weiterwanderung in dem Gallengange die Entleerung der Galle hindern. Aber auch durch Druck, durch Stoßen und ähnliche Übelstände können Zuschwellungen des Gallenganges eintreten, und dadurch kann die Galle ins Blut geraten. Dann entsteht die Gelbsucht. Sie entsteht auch gerne nach schweren Krankheiten, wie Typhus, starkem Fieber usw. Es kann aber auch die Leber krank sein und infolgedessen das Blut krankhaft oder gar nach und nach vergiftet werden. Kommt die Gelbsucht nur von Störungen her oder auch von anderen Krankheiten, so hat dies meistens wenig Bedeutung; kommt aber die Gelbsucht von einer Krankheit der Leber her, so bringt sie gerne den Tod. Die ersten Zeichen der Gelbsucht erblickt man im Weißen des Auges, dann in der Haut selber, im Stuhlgang und Urin; der Appetit läßt gewöhnlich nach, und auch der Geschmack ändert sich meistens. Ist die Leber gut, so hat diese Krankheit im Heilen keine Schwierigkeit. Nach innen ist besonders zu empfehlen: täglich drei- bis viermal, jedesmal drei bis vier Löffel voll, Wermuttee oder dreimal eine Messerspitze voll Wermutpulver in sechs bis zehn Löffeln voll warmen Wassers einnehmen. Salbei mit Wermuttee tut treffliche Dienste.
Täglich sechs Pfefferkörner mit der Speise verschluckt ist ebenfalls ein Mittel zu guter Verdauung. Im Essen und Trinken mäßig sein ist zu empfehlen. Die Milch als Nahrungsmittel ist vorzüglich.
Die besten Anwendungen mit Wasser sind: In der Woche zwei- bis dreimal ein kurzer Wickel und eine Waschung zur Nachtzeit vom Bett aus und gleich wieder ins Bett. Die gelbe Farbe bleibt oft Wochen hindurch, hat aber durchaus keine Gefahr. Wie man aus einem Stoffe nicht schnell eine Farbe herausbringt, so geht es auch bei der Gelbsucht. Geht aber die gelbe Farbe nach und nach über in braune und schwärzliche, nimmt der Appetit stets ab, ist ein allgemeines Beißen und Brennen in der Haut und steigert sich die Abmagerung mehr, dann ist aller Grund da, zu fürchten, die[S. 236] Leber sei unheilbar, und es trete Leberverhärtung, Leberkrebs oder eine ähnliche Krankheit ein.
Ganz besonders wirkt auf kranke Leber und Gelbsucht, jeden Morgen und jeden Abend eine Tasse Milch trinken, mit welcher ein Löffel voll Kohlenstaub mit Zucker vermischt ist.
Gelenkrheumatismus.
Es kommt ein Herr. Sein Aussehen ist krankhaft. Verschiedenes und schweres Unbekannte hat seinen Zügen eine tiefe Wehmut eingedrückt. Mir stieg beim ersten Anblick unwillkürlich der Gedanke im Kopfe auf: Der Mann leidet viel oder hat viel gelitten. Die ungesunde Gesichtsfarbe zeigt ein unheimliches Gelb, der Kopf nur mehr wenig (kaum den zwanzigsten Teil von früher) Haare. Der Mann selbst ist noch nicht vierzig Jahre; es ist ein Bild des Ernstes, großer Ruhe, aber auch, wie gesagt, ein Leidensbild. Sein eigener Bericht lautet also: „Es stellten sich bei mir öfters Unterleibsleiden mit heftigen Kolikanfällen und Diarrhöen ein. Später bekam ich eine Nierenkrankheit, wie die Ärzte es nannten. Wenn die unsäglichen Schmerzen kamen, drehte es mich um wie eine Spindel, wie einen Kreisel. Nach Jahren verlor ich dieses Übel, dafür aber bekam ich diesen Gelenkrheumatismus. Mir ist’s, als wenn die Summe alles früher erlittenen Schmerzes in die Glieder gefahren wäre und jedes Glied eigens gepeinigt werde. Ich gebrauchte viele ärztliche Mittel. Das Ende war stets nicht die ersehnte Hilfe, sondern das alte Leiden. Mit großer Überwindung und großen Opfern konnte ich meinem Berufe bis zuletzt vorstehen; geklagt habe ich niemandem, es verstand mich ja weder der Arzt noch sonst jemand. Derjenige, welcher den Leidenden die Krone versprochen hat, weiß allein, was ich gelitten. Eines noch wäre vielleicht meinen Worten beizufügen. Ich hatte Fußschweiß; die angeratenen und angewendeten Mittel vertrieben ihn, aber mir war nicht gut. Auch Mineralbäder habe ich auf Verlangen des Arztes gebraucht; doch sie steigerten mein Übel. Peinlicher fast als aller Schmerz quälte mich im Innersten die Wahrnehmung, daß mancher meinte, die Sache sei doch nicht so arg; die Empfindsamkeit spiele bei mir eine große Rolle, man müsse sich überwinden und über derlei Dinge hinwegsetzen. Leiden tragen ohne Teilnahme heißt doppelt leiden.“
Die Erzählung hat lange gedauert, freundlicher Leser; aber sie war und ist lehrreich. Daß wir gegen Kranke doch nie hart und ungerecht werden! Ein sonst tüchtiger Mann wird ja nicht plötzlich und ohne Grund wie eine feige Memme jammern.
Wer mag die Wurzel all dieser Übel uns nennen, das Innere dieses recht kranken Körpers uns erschließen? Das Geheimnis ist nicht schwer zu erraten. Die Vordersätze hat uns der Kranke selbst in seinem Berichte gegeben; wir brauchen nur den Schluß daraus zu ziehen. Die gelbe Farbe, die häufigen Kolikanfälle, der zurückgedrängte Fußschweiß lassen auf einen giftigen Stoff schließen, der, wie die Schlange im Versteck, im Körper lauerte, zuweilen züngelte und zischte, jetzt aber, bei dem letzten Anfall auf seine Beute schießt, d. i. alle Glieder erfaßt und sie mit seinem Biß bis hinein in die Gelenke und in das Knochenmark selbst vergiftet. Auch die Haare fallen von einem sonst dichten und starken Haarboden nicht ohne Grund aus. Es muß sie ein innerer Sturm ausschütteln, wie der Herbstwind die fahlen und dürren Blätter von den Bäumen schüttelt. Oder ein giftiger Wurm, d. i. ein Giftstoff, muß deren Wurzeln töten.
Eine solide Heilung wird nur möglich sein, wenn dieser Giftstoff, der alles durchfressen hat, aufgelöst, ausgeleitet und der Körper dergestalt gekräftigt ist, daß er solche fatale Säfte nicht mehr aufkommen läßt. Mäuse vertilgt man mit Mausgift. Und das Gegengift für unser Gift, in welcher Materialienhandlung ist es zu kaufen? Mancher würde es gut bezahlen. Für künstliche Mittel ja, besonders wenn sie noch neu und unbekannt sind, zahlt man sein teures Geld; für die natürlichen und besten Mittel aber weiß man dem Geber alles Guten oft kaum ein kaltes „Deo gratias“, „Gott sei Dank!“
Im klaren Quell, im Bache, im Brunnen fließt das vielvermögende Heilmittel, das wir meinen. Es ist das Wasser. Wie soll das Wasser heilen? So höre! Wenn die Hausmutter ihre Leinwand bleichen, d. i. ihr das blendende Weiße geben will, so taucht sie selbe ins Wasser, begießt sie öfters und läßt dann die liebe Sonne darauf scheinen. Das oftmalige Gießen weicht die sogenannten Rohstoffe auf, und die Sonne zieht sie alle aus. Das Linnen ist gebleicht auf der einen Seite, dasselbe Verfahren bleicht es auf der anderen. Durch und durch müssen zu gründlicher Bleiche der Wasser- und der Sonnenstrahl dringen, dann aber trübt das blendende Weiß, den Stolz der Hausfrau, auch nicht ein trüber Fleck. Das ist klar. Machen wir die Anwendung! Der Körper unseres Kranken mit seinem gelben Hautüberzug gleicht wahrlich so einem ungebleichten Linnenstück. Ein Teil der Wasseranwendung muß die Feuchtigkeit, welche die Roh- d. i. die Giftstoffe auflöst, nach und nach bis ins Innerste eindringen machen; der andere[S. 238] Teil muß Wärme entwickeln, welche der Sonnenwärme gleich das Aufgelöste herauszieht. Noch eines. Auch der Lauge bedient sich zuweilen die Hausfrau, welche nachhaltiger und schneller die Dienste des Wassers tut bei ihrem Linnen. Laugen können als stärkere Auflösungsmittel auch wir bereiten. Wir kochen im Wasser verschiedene Vegetabilien, Pflanzen, und die trefflichste Lauge für die Körperbleiche ist fertig.
Doch kehren wir zurück zu unserem Falle! Der kranke Herr mußte zuerst den spanischen Mantel anlegen. Diesem folgte ein Kopfdampf mit kräftiger Abwaschung, hernach ein Fußdampf. Beide Dämpfe ersetzten die beste Lauge (man kann mir glauben) und durften erst nach ordentlichen Zwischenräumen einander ablösen. Je schonender nämlich der Körper behandelt wird, um so leichter kann die Natur es aushalten und selbst mithelfen, die Krankheitsstoffe auszuleiten. Darauf nahm der Kranke einen kurzen Wickel und, um die Natur zu stärken, einen Ober- und Unterguß, von sämtlichen Anwendungen abwechselnd täglich eine; dazu jede Nacht vom Bette aus eine Ganzwaschung. So wurde drei Wochen fortgefahren. Die vierte und fünfte Woche erhielt er je zwei Halbbäder, einen Kopf- und Fußdampf und einen spanischen Mantel; die sechste Woche endlich zwei warme Bäder im Wechsel mit kalten, ein Halbbad und einen Ober- und Unterguß. Für die weitere Zukunft empfahl ich dem Patienten wöchentlich ein paar Ganzwaschungen, einen Ober- und Unterguß, monatlich ein warmes Bad ohne Wechsel.
Das Wasser strafte auch in diesem heiklen Falle das Vertrauen nicht Lügen. Das schwere Leiden, das ohne Zweifel einen frühen Tod gebracht hätte, verschwand. Das frische Aussehen, die verlorenen Kräfte kehrten wieder; an Stelle des gebrochenen Mutes trat neue Begeisterung zum Berufsleben. Die Stimme tönte klangvoll wie früher. Oft wiederholte sie mir das herzliche „Vergelt’s Gott!“ Demjenigen aber, von dem allein alles Heil und Gelingen kommt, sang sie ein freudiges und dankbares Gloria: die Ehre sei Gott!
Ein Mann von ungefähr 40 Jahren hatte im rechten Fuß solche rheumatische Schmerzen, daß er nur mit Hilfe eines Stockes ganz kurze Strecken gehen konnte. Zeitweilig hatte er auch Schmerzen in den Armen und Schultern. Angewendet wurde schon verschiedenes, jedoch ohne Erfolg. Er nahm die Zuflucht zum Wasser, und in sechs Tagen fühlte er sich so ziemlich befreit, setzte die Anwendungen noch fort und wurde vollständig geheilt.
Die Anwendungen waren folgende:
1) Sechs Tage hindurch täglich zwei Obergüsse und zwei Schenkelgüsse, einmal in der Woche ein Wickel unter den Armen. Täglich zweimal im Wasser gehen bis über die Waden 1–3 Minuten. Jeden Tag ein Rückenguß und Grasgehen.
2) Nach diesen sechs Tagen Oberguß mit Knieguß im Wechsel mit Halbbad, letzteres eine Minute lang.
Ein Bursche von 28 Jahren erzählt: „Ich habe bereits zwei Jahre keinen einzigen Tag, an welchem ich schmerzlos bin; der Anfang war auf dem Rücken, wo ich ein heftiges Brennen und Stechen empfunden habe, bald in schrecklicher Weise, dann erträglicher, nach und nach zog sich der Schmerz mehr in den rechten Schenkel bis hinunter; ich kann oft ganze Nächte nicht zwei Stunden ordentlich schlafen; bald peinigt mich die Hitze, bald kommt ein Kältegefühl, daß es mich schüttelt. Ich gebrauchte anfangs mehrere Ärzte ganz erfolglos; es wurden auch Einspritzungen vorgenommen, worauf die Schmerzen eine kurze Zeit gemildert wurden, aber gewöhnlich bald darauf viel ärger auftraten. Weil mir die Ärzte nicht helfen konnten, habe ich Pfuscher gebraucht; ich bekam Einreibungen, geistige Einwaschungen; aber alles, was ich getan, half mir nichts. Jetzt möchte ich den Versuch mit Wasser machen.“
Die Anwendungen waren folgende:
1. jeden Morgen um 8 Uhr ein Oberguß mit 2–4 Gießern voll kaltem Wasser,
2. um 10 Uhr ein Schenkelguß,
3. nachmittags 2 Uhr ein Schenkelguß und
4. abends im Wasser gehen.
So am ersten Tage. Am zweiten Tage: des Morgens Wassergehen, um 10 Uhr Schenkelguß, nachmittags 2 Uhr Rückenguß, abends 5 Uhr Sitzbad.
Am 3. Tage: Am Morgen Halbbad, um 10 Uhr Oberguß, nachmittags 2 Uhr Schenkelguß, um 5 Uhr Wassergehen.
Am 4. Tage: Am Morgen Schenkelguß, um 10 Uhr Halbbad, nachmittags Rückenguß und abends Wassergehen.
So wurde 12 Tage lang fortgemacht, und der Kranke war gesund. Um aber den Körper zu stärken, der durch die Schmerzen viel Kraft verloren hatte, mußte der Geheilte noch längere Zeit in der Woche ein- bis zweimal ein Halbbad nehmen und ein- bis zweimal im Wasser gehen.
Gelenkrheumatismus, chronischer.
Herr Graf N. leidet seit 35 Jahren an Rheumatismus. Im Jahre 1854 gebrauchte er die Bäder in Aachen, damals mit günstigem Erfolge. Im Feldzuge 1870/71 bekam er durch das viele Lagern auf freiem Felde wieder rheumatische Schmerzen am ganzen Körper in hohem Grade; auch diesmal erwies sich eine Badekur in Aachen recht günstig. Bald jedoch traten Rückfälle ein. Patient suchte berühmte Ärzte auf, aber ohne Erfolg; er machte eine Badekur durch in Aibling, später wieder in Aachen; diesmal wurde er indes durch die dortigen heißen, langdauernden Bäder außerordentlich geschwächt und ganz elend. — Zuletzt, nachdem alles Angewandte fruchtlos gewesen war, entschloß er sich zur Wasserkur.
Am 20. Juni 1887 kam der Kranke nach unmittelbar vorausgegangenem zweimonatlichen Krankenlager hier an mit Rheumatismus am ganzen Körper, in den Fuß- und Kniegelenken, Hand- und Schultergelenken. Der rechte Arm war von den Fingern bis über den Ellenbogen dick aufgeschwollen, die Gelenke ganz unbeweglich; die Knie, ebenfalls geschwollen, konnten nicht gebraucht werden. Den kräftig gebauten, stattlichen Herrn hatte das lange schmerzhafte Leiden ziemlich stark angegriffen.
Die Behandlung bestand in folgendem:
1. Zweimal in der Woche Wicklung von unter den Armen an bis zu den Füßen ganz hinunter, 1½ Stunden lang, das Tuch in 30° R. warmes Wasser getaucht, in welchem Haferstroh, Heublumen und Fichtennadeln gesotten wurden;
2. jeden Morgen und Abend den angeschwollenen Arm in solchem Absud eine bis zwei Stunden lang einwickeln;
3. in der Woche 2 Kräutervollbäder mit dreimaligem Wechsel;
4. dreimal wöchentlich einen Schal umlegen, eine Stunde lang.
Nach 14 Tagen war bereits wesentliche Besserung bemerklich.
Fernerhin gebrauchte Patient zu Hause:
1. Einwicklung des Armes wie bisher;
2. wöchentlich ein Kräutervollbad mit Wechsel;
3. dreimal in der Woche ein kaltes Halbbad, eine halbe bis eine Minute lang;
4. drei- bis fünfmal in der Woche ein Sitzbad von zwei Minuten Dauer.
Durch Gebrauch dieser Anwendungen erfolgte eine gänzliche Abschwellung des kranken Armes und der Knie und Wiederherstellung der Beweglichkeit.
Zur weiteren Ausheilung wurden im September 1887 angewendet:
1. ein warmes Handbad, Einwicklung der Hand in angeschwellte Heublumen und gleich darauf kalte Abwaschung der Hand;
2. in der Woche drei- bis viermal ein Halbbad;
3. viermal wöchentlich ein Oberguß.
Der Erfolg dieser Kur gestaltete sich sehr günstig. Die Gelenke wurden ganz frei von Schwellung und Schmerz und vollkommen beweglich; das Gesamtbefinden und der Lebensmut des Herrn Grafen waren seitdem ausgezeichnet. Derselbe befindet sich so wohl, daß er stundenlang ohne Ermüdung zu marschieren vermag, und nachdem er — ein passionierter Weidmann — Jahre lang krankheitshalber auf die Jagd hatte verzichten müssen, konnte er im nämlichen Herbst wieder neun Tage lang eine Jagd mitmachen zum Erstaunen der anderen hohen Herren.
Um gesund zu bleiben, ist täglich eine der Abhärtungsanwendungen vorzunehmen: ein Halbbad oder Vollbad oder Wassergehen.
Gemütsleiden.
„Seit mehreren Jahren leide ich an Gemütsverstimmungen, Kopfweh, krampfhaften Gesichtsschmerzen, viel Rheumatismus, viel Schwitzen am ganzen Körper. Mehrere Ärzte wollten mir Hilfe bringen, aber umsonst.“
In vierzehn Tagen waren diese traurigen Zustände beseitigt; um den Körper für die Zukunft zu stärken und abzuhärten, genügte in der Woche ein Halbbad und eine Ganzwaschung. Die Anwendungen der ersten vierzehn Tage waren: 1) In der Woche zweimal ein Hemd anziehen, in Salzwasser getaucht, um die krankhaften Stoffe auszuleiten. 2) Zweimal in der Woche ein Halbbad, um den Unterleib zu stärken. 3) Zweimal wöchentlich eine Ganzwaschung, um den Körper zur Tätigkeit zu bringen.
„Ich komme, um mich bei Ihnen wegen einer gemütskranken Person zu befragen. Ein Weib, 38 Jahre alt, mag nichts mehr tun und kann auch nichts mehr tun. Sie lebt so traurig dahin, bekümmert sich nicht mehr um ihren Mann und ihr ganzes Hauswesen. Sie flieht, wo möglich, alle Leute und geht gar nicht mehr aus dem Hause. Sie ist schon ziemlich abgemagert und was man ihr bisher eingegeben hatte, war ohne Wirkung.“
Anwendungen: 1) Jeden Abend, wenn die Kranke im Bett warm ist, den ganzen Körper mit Wasser und etwas Essig ganz waschen. 2) Täglich zweimal ein warmes Fußbad mit Asche und Salz, vierzehn Minuten lang. 3) Täglich zweimal jedesmal zwanzig Wermuttropfen in Wasser einnehmen. Nach drei Wochen war der Zustand ziemlich gut. Weitere Anwendungen: 1) In der Woche zwei kurze Wickel. 2) Zweimal wöchentlich eine Ganzwaschung. Vierzehn Tage später bloß in der Woche einmal ganz waschen und drei- bis fünfmal wöchentlich im Wasser gehen.
Geschwüre.[37]
Wie Entzündungen im Innern des Körpers entstehen können, so auch außerhalb am Körper. Sie sind insbesondere die fast unzertrennlichen Begleiter der verschiedenen Geschwüre. Wenn’s brennt, laufen die Nachbarn zusammen. Wenn ein Fleck oder auch nur ein Fleckchen am Körper brennt, so bleiben die benachbarten Stellen nicht gleichgültig. Rasch meldet es ein Blutkügelchen dem andern, und die vorwitzigen, die kommen, verbrennen sich dabei selbst die Finger und noch mehr. Entzündet sich an einem Gliedchen, z. B. an der Zehe, ein Geschwürlein, auch nur so groß wie ein Linsenkorn, so tut nicht bloß die ganze Zehe weh, sondern oft schon ein Teil des Fußes; manchmal sticht der Schmerz bis hinein in den Leib. Es kommt mir vor, wie wenn einer nachts nur ein Zündhölzchen anzündet. So ein kleines Ding wirft seinen Lichtschein weit hinaus in den Hof.
Anna hat schreckliches Weh am Daumen. Man sieht nicht viel. Der Finger ist nur ein klein wenig angelaufen und etwas roter als die anderen Mitgenossen. Nicht allein am Daumen, auch unter der Achsel schmerzt es heftig. Gib acht, in kurzer Zeit wird dein ganzer Körper nicht mehr wohl sein! „Da muß etwas dahinter stecken,“ meint der Vater. Ja freilich muß etwas dahinter und drinnen stecken. Das Mädchen bindet natürlich seinen Finger gut[38] ein und wartet drei bis sechs Tage zu, was das wohl abgeben möge. Der Finger wird dick, auch die Hand schwillt an. Es entsteht ein großes Geschwür; im Finger, im Arm und im Leib zuckt’s. Und es geht recht lange, bis aller Eiter heraus und der Finger an der kranken Hand geheilt ist.
Wie hätte das Mädchen den Finger in die Kur nehmen sollen? Sobald es merkt, daß der Finger, ohne irgend verletzt worden zu sein, schmerzt, so soll es tun, wie die Mutter tut, wenn sie auf dem Herde ein kleines Feuerchen nicht groß haben will, es ausblasend oder mit etwas Wasserspritzen auslöschend. Vielleicht mag’s so gut werden.
Wenn nicht allein der Finger, sondern auch schon die Hand wehe tut, so ist das Feuer größer, es hat mit dem Finger die Hand ergriffen. Darf nun das Mädchen die Hand unter das Brunnenrohr halten, um den Brand zu kühlen und zu löschen? Durchaus nicht! Das Übel besteht nicht allein im Brande, in der Hitze, die zu entfernen ist, sondern vielmehr in giftigen Säften, die aufzulösen und auszuleiten sind.
Dem Mädchen werden in einem kalten Armwickel Finger und Hand umwunden, und dieser Wickel werde so oft erneuert, d. h. neu eingetaucht, als er heiß zu werden beginnt. Der Finger muß zwar nach dem Volksmunde „ein böser Finger“ werden, d. h. er muß und wird aufbrechen; aber alles, was der Wickel auszieht, braucht nicht zu vereitern, und es ist doch ein großer Unterschied, ob das Geschwür die Größe einer Haselnuß oder einer Wallnuß oder noch größere Ausdehnung erreicht.
Sollte das Gefühl der Unbehaglichkeit, des Unwohlseins sich auf den ganzen Körper ausdehnen, so verordnen wir diesem eine Zeitlang täglich den spanischen Mantel. Das Allgemeinbefinden wird in Bälde wieder ein gutes sein.
Eine Art von Geschwür kennen die Landleute insbesondere unter dem Namen „Wurm am Finger“. Die Behandlung vielmehr Mißhandlung eines derart kranken Fingers gibt uns neue Beweise, wie verblendet und töricht die Menschen sind. Es ist, als ob sie für Zeiten der Verstand verlassen hätte, so gedankenlos benehmen sie sich. Mit so einem Wurm am oder im Finger (es wäre interessant, zu wissen, wie sich manche diesen Wurm vorstellen) wird aller mögliche Unsinn getrieben. Jedes Weib weiß eine neue Salbe, und wenn das Salben ausgeht, dann geht die Sympathie, wie sie’s nennen, an. Vorher noch suchen recht abergläubische Menschen einen lebendigen Maulwurf zu bekommen. Denn wenn sie diesen lebendig in der Hand oder nur zwischen dem Daumen und den anderen Fingern absterben lassen, dann ist’s mit dem Wurm aus! Und wenn dann genug gesalbt und geschmiert, geschwätzt und gelogen und sympathisiert und der Finger nach mehreren Wochen, nach unsäglichen Schmerzen reif geworden ist[S. 244] und aufbricht und der Eiter dicht und fest herausdringt, dann heißt’s: „Seht, der Wurm ist getötet, der Wurm geht ab.“ Weiter kann man es in der Torheit und Selbstverblendung nicht treiben.
Was ist denn so ein Wurm am Finger? Nichts anderes als ein größeres Geschwür, das nach obiger Methode zu behandeln ist. Meistens bekommen solche Leute diesen Wurm, die recht viele ungesunde Stoffe im Körper haben. Deshalb muß, wie auf Finger und Haut, so auch auf den ganzen Körper eingewirkt werden. Auf erstere geschieht die Einwirkung durch die Hand- und Armwickel. Den Finger umwinde man zwei- bis drei- bis vierfach am besten mit Absud von Zinnkraut, um das Angefressenwerden des Beinchens zu verhindern, Hand und Arme zweifach (statt einfachen Wassers ist gut Absud von Heublumen oder Kraut), und man erneuere das Eintauchen des Wickels, sobald die Hitze oder die Schmerzen sich mehren. Auf den ganzen Körper wirke man durch ein bis zwei kurze Wickel oder den spanischen Mantel, täglich je einen von einer Stunde Dauer. Nach der ersten Woche geschehen die Wickelungen nur jeden zweiten oder dritten Tag. Mit Ober- und Untergüssen sei man vorsichtig und wende sie erst später, wenn genügend aufgelöst und abgeleitet ist, zur Kräftigung an. Sobald der Finger „reif“ ist, d. i. sich bläulich färbt, und an einer Seite weich wird, dann soll man mit dem Öffnen und Ausdrücken nicht zögern und sich nicht fürchten, wenn mit dem Eiter Blut kommt. Dieses Blut müßte ja doch noch vereitern, und so ist’s gut, wenn ihm dieser Prozeß erspart und dem Finger die Sache erleichtert wird. Das Bangen vor dem zu frühen Öffnen eines Geschwüres ist bei Wasseranwendungen ziemlich überflüssig (große Reinlichkeit), bei Salbereien wohl begründet.
Die Heilung des Wurmes kann noch in folgender Weise geschehen. Bei mir war dieses oft das kürzere Verfahren. Man bade Finger und Vorderarm täglich zwei- bis dreimal in einem warmen (ja nicht heißen) Heublumenbad von einer halben Stunde Dauer. Die Finger-, Arm- und Körperwickel bleiben dieselben wie oben.
Andreas, einem Gärtner, war der Daumen der rechten Hand entsetzlich zugerichtet. Furchtbar angeschwollen zeigte der ganze Finger keine Haut mehr; er war rein wie eine abgestandene, mit Eiter überzogene Fleischmasse. Das Bein blinkte an mehreren Stellen durch. Der Arzt hatte schon erklärt, es müsse die Hand, um das Leben zu retten, abgenommen werden. Ich[S. 245] schaute mir die Hand an und dachte: „Gott, könnte ich dem armen Mann die Hand retten!“ Dann legte ich mir den Fall also zurecht: Das sichtbare Bein (das war die Hauptsache) sieht recht frisch aus, es ist also noch nicht angegriffen. Der schrecklich angeschwollene, ekelhafte Daumen ist wie eine Jauchengrube, in welche der Körper seine nichtsnutzigen Säfte ausschüttet. Diese scharfen Stoffe mehren die Geschwulst, zerfressen das Fleisch und vergiften alles, was sie angreifen. Somit muß ich einwirken auf den halbabgefaulten Daumen, noch kräftiger aber auf den Körper, daß er aufhöre, sein eigenes Glied zu morden. Der Überlegung folgte das Handeln.
Der Daumen und die ganze Hand bekam Wickel von Heublumen- und Zinnkrautabsud (beide Kräuter wurden zusammen abgebrüht), im Tage vier- bis fünfmal erneuert. Der kranke Leib erhielt täglich einen kurzen Wickel und wöchentlich dreimal den spanischen Mantel. An den wunden Finger ließ ich jeden Tag recht verdünntes Alaunwasser gießen, welches den Unrat wegwusch. Noch nicht vier Wochen waren vergangen, und alles, Finger und Hand, war wieder gewonnen. Um das in der Tat nicht angefressene Bein bildete sich eine neue Fleischmasse zu einem neuen Daumen, der, den Nagel ausgenommen, wie früher in den gesündesten Tagen aussah. Der Mann konnte als Gärtner seinem Beruf wie zuvor nachkommen. Er lebte nachher noch viele Jahre.
Gesichtsrose.
„Mein Mann bekommt die Gesichtsrose; das ganze Gesicht ist angeschwollen, sieht feuerrot aus; er hat ein heftiges Fieber; es verbreitet sich die Röte über das ganze Gesicht; es zeigen sich an allen Stellen viele kleine Bläschen, und der Jammer ist nicht anzuhören,“ — so klagte mir eine Gattin. „Schleunigst soll ein Schal umgelegt werden, in warmes Wasser getaucht,“ — verordnete ich; „drei Viertelstunden lang soll es dauern; dann soll das Tuch hinweggenommen, in frisches Wasser getaucht und wieder übergelegt werden; so dreimal wiederholt — macht ungefähr drei Stunden aus. Drei bis vier Stunden später soll ein vierfaches Tuch in frisches Wasser getaucht, ordentlich ausgewunden, auf den Unterleib gelegt werden, drei Stunden lang; aber nach jeder Stunde soll das Tuch weggenommen, in frisches Wasser getaucht und wieder aufgelegt werden. Drei Stunden später, nachdem die Wickel entfernt sind, läßt man den Kranken auf ein mehrfach zusammengelegtes Tuch, in kaltes Wasser getaucht, ganz gut ausgewunden,[S. 246] eine Stunde lang liegen. Diese drei Anwendungen können so der Reihe nach vorgenommen werden, bis die ganze Hitze gebrochen und der Krankheitsstoff ausgeleitet ist. Auf der leidenden Stelle im Gesichte wird nichts angewendet als von Zeit zu Zeit, wenn die Spannung der Haut gar zu empfindlich ist, Abwaschungen mit lauwarmem Wasser. Ist der Durst recht groß, so bleibt Wasser oder Zuckerwasser das beste Getränk, aber immer nur in recht kleinen Portionen.“
Gesichtsrose auf eine andere Art zu heilen:
Dem Kranken soll täglich zweimal ein Schal umgelegt werden, drei Stunden lang jedesmal, nach jeder Stunde wieder frisch eintauchen; in der übrigen Tageszeit, nach je drei Viertelstunden, Rücken, Brust und Unterleib, am besten den ganzen Körper mit Wasser und etwas Essig daran waschen; darf aber nicht länger als eine Minute lang dauern. Wenn das Fieber bedeutend abnimmt, so reicht es aus, nach zwei bis drei Stunden zu waschen, später nur mehr alle Tage; soll anfangs das Wasser, mit Essig vermischt, warm genommen werden, so gebraucht man später frisches Wasser. Den Schaden im Gesicht darf man immer nur mit lauwarmem Wasser von Zeit zu Zeit waschen. Auf diese zwei Arten sind schon mehrere geheilt worden, ohne daß irgend ein Nachteil zurückblieb.
Josepha, 22 Jahre alt, gesund und kräftig, bekommt nach schnell eingetretener Müdigkeit ein heftiges Fieber. Nach außen ist sie voll Hitze, im Innern voll Frost und Kälte; sie leidet großen Durst und ist ganz ohne Appetit. So oft die Hitze groß war, wurde sie anfangs mit warmem, dann mit kaltem Wasser am ganzen Körper gewaschen, und zwar drei Tage hindurch. Dann ließ der Frost nach, der ganze Kopf war angeschwollen, und die Gesichtsrose trat ungewöhnlich stark hervor; im Gesichte zeigten sich große Blasen, und der Mund besonders war stark geschwollen. Vier Tage hindurch, an jedem Tage sechs- bis zehnmal, wurden die Waschungen vorgenommen; auch legte man noch zweimal im Tage den Schal um, zweimal warm, dann kalt. Nach drei Tagen stellte sich großer Schweiß ein, der zwei Tage dauerte, und dann war Josepha geheilt; zweimal wurde im Tage während der Schwitzzeit die Waschung vorgenommen. Der Schweiß kam von selbst, und das Abwaschen beförderte denselben um vieles. Die ganze Kurzeit dauerte acht Tage; eingenommen hat sie gar nichts. Am Kopfe wurde nichts angewendet; nur an den letzten drei Tagen wurde das Gesicht täglich zweimal mit lauem Wasser gewaschen.
Gicht.
Wer zur Herbstzeit ins Allgäu kommt, sieht da und dort die Leute ihren Dünger ausbreiten. In neuerer und neuester Zeit haben sie auch eine neue Methode angenommen, die jedem wahren Landwirt die Galle kitzelt, das Blut aufrührt und in Wallung bringt. Sie verteilen dem hungrigen Boden die Nahrung nicht mehr gleichmäßig wie früher, sondern mit einem nie gesehenen Schlendrian werfen sie aufs Geratewohl der einen Scholle zwei bis drei Portionen hin, die andere lassen sie für ein neues, ganzes Jahr fasten. Die ganze Arbeit gleicht dem leidigen Spiele von Maulwürfen. Das muß ja im Frühjahr faule Moräste abgeben, auf denen die Wucherstellen die übelangebrachte Verschwendung zeigen, daneben armselige und verkümmerte Habenichtse, die infolge der stiefmütterlichen und ungerechten Behandlung auch nichts in die Scheunen tragen.
Dieses Bild paßt mir vortrefflich für die Gichtkrankheit.
Was dem Acker und der Wiese der Dünger, das ist dem Menschen die Nahrung. Ob da in all den verschiedenen Ständen und Lebenslagen Ungleichheit herrscht? Dem einen wird’s täglich und stündlich im Überflusse zugeworfen; ein anderer hat jahraus jahrein Quadragesimalzeit. „Was für eine Mahlzeit?“ fragte einmal einer. Nicht 40-, sondern 365tägiges Fasten! Wenn nun jemand täglich und stündlich seinem Felde (seinem Körper) zu viel, so viel zuführt, daß die Natur es nicht bewältigen, die Organe es nicht verarbeiten und verwerten können, was muß die Folge sein? Die Knochen z. B. brauchen zu ihrem Bau Schwefel und Kalk. Nun aber wird in kräftigen und starken Speisen vielleicht soviel Baumaterial eingeführt, daß es zu zwei, zu drei Körper-Neubauten ausreichte. Was wird, was muß geschehen? Da bilden sich Moräste (dickes Blut), dort Sümpfe (schlechte Säfte), um die Knochen herum Sand- und Schutt- und Kalk- und Steinhaufen.
Die Knöchel schwellen an, entzünden sich, und es ist eine langdauernde, entsetzliche Qual, bis diese verknorpelten und verknöcherten Gichtknoten durch den Schmerz selbst gleichsam verbrannt und anders entfernt sind. Und so arg das Leiden, so gering oft das Mitleiden mit so wohlbehäbigen Podagranern. Es ist nicht ganz christlich, aber manchmal sehr erklärlich. Die Leute sagen: „Er hat das Genießen gehabt; er habe nun auch die Schmerzen, die Folgen des übermäßigen Genusses.“ Indessen können auch arme Leute von der Gicht heimgesucht werden, ja selbst die Ärmsten.
Einmal stellte sich mir ein armer und überaus fleißiger Dienstbote vor; er bekam die Gicht im höchsten Grade. Ursache war bei ihm, daß er aus lauter Diensteifer die Pflege des Körpers vernachlässigt hatte. Ein windbrüchiger Blasbalg arbeitet den Blas, die Luft, nicht in die Orgelpfeifen, sondern zu den Löchern hinaus. Geschwächte, halbkranke Organe schaffen, arbeiten oftmals statt am Fleisch an der Geschwulst, statt am Bein am Überbein.
Weitere Ursachen können sein: allzu große Anstrengung, Vernässung, Erkältung u. a. Gicht im hohen Grade quält viele, Gicht im geringeren Grade unzählige Menschen. Sie quält die einen an den Zehen, die andern im Kopf, viele am Äußern, viele im Innern des Körpers.
Einfache, noch nicht allzusehr geschwächte Leutchen, die gerne folgen und nicht den Flohstich spüren, heile ich recht gerne und meistens sehr leicht. Bei den Podagranern der ersteren und vornehmeren Gattung gebe ich mich nie Täuschungen hin. Sie sind mir ein Kreuz und mit Wasser meistens nicht zu heilen; denn sie folgen nicht, weil sie bereits unter dem Doppeljoche der Verweichlichung und der Wasserscheu seufzen; heilbar wären sonst auch sie wie die anderen Gichtkranken.
Ein Herr von Stand litt seit vier Wochen an heftigen Fußschmerzen. Seine Bekannten nannten ihn scherzhaft ein weiteres Mitglied der Bruderschaft der Podagraner. Schwitzen kurierte ihn dieses Mal. Doch nach einem Jahre kehrte das Leiden wieder und fesselte ihn zwölf Wochen ans Bett. Es brannte tüchtig, und er schwitzte tüchtig; aber dieses Wasser allein heilte das zweite Mal nicht. Er ließ mich befragen und erklärte, er werde alles tun, was immer verlangt werde, wenn nur diese fürchterliche Krankheit nicht noch einmal wiederkehre. In wenigen Wochen war die Hauptkur vorüber. Wie wenn Wasser auf ungelöschten Kalk kommt und dieser aufschwellt und zerbröckelt, so vergingen die Gichtbeulen unter den verschiedenen Anwendungen. Später wiederholte der Patient von Zeit zu Zeit die eine oder die andere Wasserübung, und soviel ich weiß, hat das Übel seit den letzten Jahren ihn nicht weiter belästigt. Die Anwendungen selbst lerne der geneigte Leser beim folgenden Falle kennen.
Ein Priester sandte zu mir mit der Nachricht, seine Füße brennen ihn wie lebendiges Feuer, er müsse fast verzweifeln, was er doch tun könne? Ich riet, er solle in heißem Wasser angeschwellte und hernach ausgepreßte Heublumen auf ein Linnen bringen, die schmerzenden Füße mitten drein[S. 249] legen und den warmen Heublumenwickel gut zubinden. Nach zwei Stunden solle er die aufgelegten Heublumen von neuem in den Heublumenabsud eintauchen, auspressen und nochmals umbinden. Ob die Heublumen das zweite Mal lau oder ziemlich kalt oder ganz kalt umgebunden werden, bleibt sich ganz gleich. Der kranke Priester tat so die folgenden Tage. Nach dem ersten halben Tage schon waren die Hauptschmerzen entfernt, nach zwei bis drei Tagen war der Kranke ganz frei von Schmerzen.
Fehlen einem Kranken die Heublumen, so siede man Haberstroh und tauche die zu umwindenden Fußwickel in den Absud. Auch dieses ist bei unserem Übel von vorzüglicher Wirkung. Man beachte, wie ich bei diesem Leiden mit Vorzug erwärmend einwirke, vielmehr auflöse.
Vor einer Täuschung muß ich hier warnen. Sobald den Kranken die Füße nicht mehr schmerzen, so meint er natürlich, er sei schon völlig kuriert. Man beginge einen großen Fehler, wenn man jetzt nachgiebig wäre. Den Fußwickeln müssen wenigstens einige Anwendungen auf den ganzen Körper folgen, um wo möglich allen krankhaften Stoff daraus zu entfernen. Am besten dienen während der drei ersten Wochen wöchentlich zwei bis dreimal der spanische Mantel (je 1½–2 Stunden), im folgenden Monat einige Warmbäder mit Absud von Heublumen oder Haberstroh und dreimaligem Wechsel.
Ein Taglöhner hatte sich ein schweres Gichtleiden zugezogen. Er ging wöchentlich dreimal in den Sack, den man in heißen Haberstrohabsud eingetaucht hatte; dann wurden ihm in der Woche zwei Fichtenreis-Bäder bereitet von 33 bis 35° R. mit dreimaligem Wechsel. Jede zweite Nacht wusch er sich vom Bett aus kalt. Nach drei Wochen war er ziemlich geheilt, benützte jedoch noch für einige Zeit in der einen Woche zweimal den Sack, in der anderen das beschriebene warme Bad. Bald trat er neugekräftigt seinen Dienst an, den er bis heute gut versieht.
Ein Brunnenmacher zeigte mir die Gichtknoten an seinen Fingern und an seinen Zehen, die ihn bisweilen, wie er sagte, unausstehlich brannten, — Gicht durch Vernässung.
Jeden zweiten Tag ein eben beschriebenes warmes Bad, jeden dritten oder vierten Tag die Anwendung mit dem Sack haben den Mann in kurzer Zeit gänzlich von seinem Übel befreit. Die Hände hat er sich über die Nacht in angeschwellte Heublumen eingebunden.
Ein armer Hausvater bekam heftiges Gliederreißen. Ob es von der Gicht oder von einem anderen Übel herrührte, wußte er nicht; er fühlte nur entsetzliche Schmerzen, die ihn berufsunfähig machten.
Es war gerade die Heuernte. Ich riet ihm, er solle auf seinen Heustock gehen, der eben in Gärung sei, dort eine Art Grube in das heiße Heu machen und sich in das heiße Heugrab legen, mit heißem Heu auch sich zudecken, so daß nur mehr der Kopf herausschaue. Er tat’s und schwitzte in einer Viertelstunde schon dergestalt, daß der ganze Körper wie im Wasser schwamm. Sechsmal innerhalb zehn Tagen stieg der Bauer in so ein Heubad, und es hat ihn gründlich kuriert.
Nicht einem jeden würde ich solches raten. Aber nur derjenige, der es selbst probiert, kennt die große und auflösende Kraft solchen Heudampfes. Recht alte, tief eingewurzelte Übel können oft durch solchen unschädlichen Dampf ausgeleitet werden. Nach meiner Praxis würde derjenige diesen Heudampf am wirksamsten brauchen, der unmittelbar vom Dampfbade weg ganz rasch ein kaltes Halbbad nähme mit Waschung des Oberkörpers. Letzteres kräftigt zugleich ungemein.
Das ist nicht so dumm und überspannt, wie manchem dünken möchte. Das bewiesen neben vielen anderen einmal besonders zwei hohe Praktikanten. Zwei Herren aus hohem Stande haben sich durch ungefähr fünfzehn solcher Heudampfbäder dermaßen erholt, daß es ihnen unbegreiflich vorkam, wie durch so einfache Mittel, in so einfacher Weise eine Um-, gleichsam Neuschaffung im Organismus zustande gebracht werden könne.
Ich stehe nicht an, zu behaupten, daß schwächere Rheumatismen, Krämpfe, gewöhnlich Überreste und Überbleibsel nach schweren Krankheiten, leicht durch zwei bis vier solche Heudampfbäder vollständig zu entfernen wären.
Du siehst, mein lieber Landmann, was für Schätze du im Hause hast! Probier’s einmal! Im Sommer, im Heuet, wenn du recht müde bist, wirf ein paar Handvoll Heu oder Heublumen in heißes Wasser und laß es lau werden! So ein Fußbad von fünfzehn Minuten wird dir die Müdigkeit aus allen Gliedern ziehen.
Und wenn du einmal so ein Reißen oder Brennen verspürst, sei vernünftig! Du gönnst das Heilkraut jeden Tag deinen Vierfüßlern. Laß dessen Heilkraft auch mal deinen eigenen Körper kosten!
Ein Wirt erzählt:
„Ich habe oft so reißende Schmerzen im Kopfe, besonders wenn das Wetter anders wird, daß ich unfähig bin, meinem Berufe nachzukommen. Es kommen die Schmerzen in den Rücken, besonders auch in die Oberschenkel; wenn sie aber in die Füße kommen, kann ich nicht mehr gehen. Trinke ich ein Glas Bier, so kommt der Schmerz ganz schnell in den Kopf. Weil ich es schon Monate hindurch so stark habe, ist mir jede ordentliche Arbeit unmöglich, und das Leben wurde mir schon oft recht entleidet.“
Die Anwendungen waren folgende: 1) In der Woche zwei warme Haberstrohbäder, 30° R., von einer halben Stunde; darauf kräftig abwaschen oder ein kurzes kaltes Bad. 2) Jeden Tag einen Oberguß mit Knieguß. 3) In der Woche dreimal ganz waschen, so rasch als möglich, im Schweiß oder im Bette nachts. 4) Täglich am Morgen und am Abend eine Tasse Tee von fünf bis sechs frischen Holderblättern, fein zerschnitten, fünf Minuten lang gekocht.
In vier Wochen war dieser Wirt vollständig gesund, so daß seine Bekannten sein Aussehen als geradezu verjüngt erklärten.
Damit weiterhin diese Krankheit sich nicht wieder einniste, kann er alle Monate ein solches Bad nehmen und jede Woche ein- bis zweimal sich ganz waschen im Schweiß oder in der Nacht vom Bett aus.
Ein Gewerbsmann kommt und erzählt: „Bei mir sind beide Füße stark angeschwollen, ganz steif, und ich bin nie ohne Schmerzen, kann oft nicht eine Stunde in der Nacht schlafen; besonders in den Gliedern ist der Schmerz am heftigsten; meine Arme sind auch ganz steif und tun mir recht wehe; Appetit hätte ich; aber wenn ich esse, treibt es mich auf, so daß ich kaum mehr zu atmen vermag; ich kann fast gar nicht mehr gehen und bin so voll Schwindel, besonders beim Aufstehen, daß ich kaum mehr weiß, wo ich bin. Ärzte habe ich viele gehabt, habe recht viel eingenommen, aber soweit ich urteilen kann, hat sich meine Lage bei allem, was ich versucht habe, nur verschlimmert; ich habe mir schon oft den Tod gewünscht.“ Der Betreffende war ziemlich stark und sah mehr einem wohlgenährten Bräumeister gleich als einem Gewerbsmann, obwohl er nur einfache Kost hatte und nicht besonders viel Bier trank. Er war ungefähr fünfzig Jahre alt. Nach Aussage der Ärzte sollte Herzverfettung die erste Ursache zu diesem Elende sein.
In fünf Wochen war dieser Kranke von seinen vielen Übeln befreit, und er freute sich, seine Gesundheit wieder vollständig er[S. 252]langt zu haben. Was hat ihm geholfen? 1) Die Füße wurden zuerst jeden Tag, dann jeden zweiten und später jeden dritten Tag mit Heublumen eingebunden, nämlich die Heublumen kamen auf die bloße Haut, ein Tuch wurde darüber gewunden, und zwar warm, zwei bis drei Stunden lang. 2) Jeden zweiten und später jeden vierten Tag mußte er ein Hemd anziehen, in Heublumen-Absud getaucht. Als die Geschwulst an den Füßen großenteils verschwunden war, bekam der Kranke jeden Tag einen Oberguß und Knieguß und auch Halbbäder. Dies wurde fünf Wochen fortgesetzt.
Grieß- und Steinleiden.
Gar oft kommt es vor, daß Grieß und Stein sich bilden in der Blase und in den Nieren. Wer je einen solchen Leidenden gesehen oder solche Leiden selbst erduldet hat, kennt diese fürchterlichen Schmerzen. Die Heilung mit Wasser ist sicher und schmerzlos, somit die leichteste und beste.
Obenan stehen hier die Haberstrohbäder. Es wird Haberstroh (wer dieses nicht zur Hand hat, nehme Zinnkraut oder saures Pferdeheu) gesotten, gegen eine halbe Stunde lang, und der Absud zu einem warmen Bad bereitet mit ungefähr 30° R. In dem Bade bleibt der Kranke eine Stunde und wäscht sich, damit das warme Bad ihn nicht zu welk mache, unmittelbar nach dem Aussteigen aus der Wanne mit frischem Wasser kräftig ab. Solche Bäder können in der Woche drei genommen werden. Nebenbei dienen vortrefflich in der Woche zwei bis drei kurze Wickel oder statt derselben nasse Auflagen über die schmerzlichen Teile (ein Linnentuch vier- bis sechsfach zusammengelegt, darüber die gewöhnliche, luftabschließende Umhüllung). Beide Anwendungen sind selbstverständlich stets nur im Bette vorzunehmen. Sie lösen die Grießsteine in Blase und Nieren auf und leiten dieselben aus. Doch soll gerade bei diesen Leiden der Tee nicht vergessen werden. Obenan steht der Hafertee.[39] Hafer wird eine halbe Stunde lang gesotten, und von dem Absud werden täglich zwei Tassen getrunken. Stärker noch als Hafertee wirkt Tee von Haberstroh, der auf dieselbe Weise bereitet wird. Zinnkrauttee ist kaum von einem anderen übertroffen. Noch nenne ich die Hagebutten, die gesotten gleichfalls einen recht heilsam wirkenden Tee abgeben; nur muß er längere Zeit hindurch[S. 253] genommen werden. Die Erfahrung lehrte mich, daß er besonders vor weiterer Ausbildung solcher Steine schütze. Die oben genannten Anwendungen sollen zwei bis drei Wochen zur Hälfte vorgenommen werden. Das Leiden wird sich unter dem Segen des Arztes aller Ärzte sicher verlieren.
Ein Herr, der nach meiner Weisung verfuhr, erzählte mir, es seien bei ihm innerhalb einiger Wochen viele hundert Steinchen abgetrieben worden.
Ein anderer Herr litt dermaßen an Grieß und Steinen, daß die Salzschärfe von innen selbst in die Füße drang, an denen sich eine Unzahl kleiner Geschwüre bildete. Mitunter quälte den ganzen Körper ein höchst unangenehmes Kitzeln und Beißen und Brennen. Dreißig Bäder innerhalb eines Jahres, der spanische Mantel, wöchentlich ein paarmal angezogen, Tee von obigen Sorten entfernten das Leiden und seine peinlichen Folgen vollständig.
Zum Schlusse noch ein Wort an die jüngere Generation, die so gerne das Alte verwirft, weil es eben alt ist und auf Vorurteilen oder Ungewißheit oder Bigotterie beruht, wie sie meint, und die stets und mit Hast nach Neuem strebt und greift.
Für alle Leiden, die zahlreicher und schmerzhafter auftreten, — und dazu gehört das eben besprochene; denn die Zahl der Leidenden ist Legion, und die Schmerzen sind oft zum Rasendwerden, — hat der Schöpfer liebevoll und weise vorgesorgt. Auf der ganze Erde läßt er die verschiedensten Pflanzen und Pflänzchen wachsen, welche die Schmerzen lindern, das Übel bessern und heilen. Die Menschen zwar haben — und das hat der Fortschritt gebracht (ob das Fortschritt ist?!) — diese Heilpflanzen vielfach, ja meistens aus den sogenannten Pharmakopöen, d. i. den Büchern, welche sämtliche Heilmittel enthalten, als „unwissenschaftlich“ und als „veraltet“ ausgestrichen; der allweise Schöpfer aber führt alle, jedes mit Namen, jährlich im großen Buche der Natur wieder auf. Keines noch hat er gestrichen, keinen Strauch und kein Blatt am Strauch; des Menschen wegen sind sie da, zu seiner Freude, zu seiner Wohlfahrt. Wer hat recht? Merkwürdig! Jedes Tier, besonders jedes wilde Tier, entspricht, wenn auch naturnotwendig, den weisen Absichten seines Herrn und Schöpfers. Vom Instinkt, vom inneren Naturdrang getrieben weiß es bei jedem Schmerz, bei jeder Wunde das heilende Kraut aufzufinden. Unsere Altvordern und mancher, der bald in die Grube steigt, dessen[S. 254] Ansichten mit ihm selbst längst aus der Mode gekommen, taten ebenso.
Ich lobe den Fortschritt in vielen Wissenschaften und freue mich desselben. Aber nicht alles ist auch in Wahrheit Fortschritt, was diese modern klingende Aufschrift trägt.
Mein Büchlein ist in erster Linie für Arme und für Kranke auf dem Lande geschrieben, und ihnen sage ich: „Danket eurem Schöpfer auch für diese guten, ja oft besten Gaben und beneidet die anderen, die Reichen, nicht!“
„Bleibt ruhig bei euren unschuldigen Pflanzenmitteln! Ob dieselben innerlich oder äußerlich angewendet werden, ihr habt (selbst wenn sie in einem Falle nicht richtig gewählt werden) die Versicherung, daß sie euch nichts schaden können. Lasset den Reichen ihre Mineral- und Giftstoffe, mögen sie was immer für Namen führen und in der weiten Welt wo immer zu finden sein!“
„Das würde mich schmerzen, wenn auch ihr Gottes Gabe, die Heilpflänzchen, die der Herr vor eurem Hause, auf dem Acker, auf der Wiese wachsen läßt, mit Füßen treten würdet. Da könnte und möchte auch ich, der ich es sonst so gut mit euch meine, euch nicht mehr helfen!“
Hämorrhoiden.
Die Hämorrhoiden (Goldadern nennen sie die gewöhnlichen Leute) können teils mit zum Erbteil der Eltern gehören, teils in Folge der Lebensweise entstehen. Stubensitzer, Aktenmenschen, Studierte, Feinschmecker usw. werden viel von dieser Blindschleiche geplagt. Der Landmann, der jahraus jahrein Kartoffeln und einfache Mehlkost ißt und das Fleisch nur an den Sonn- und höheren Festtagen sieht, bei dem an Stelle des Bieres und starker Weine die Milch und der Apostelwein (Wasser) tritt, der täglich draußen und daheim schwere Arbeit tut, kennt diese Blutsauger oft kaum dem Namen nach.
Diese Hämorrhoiden sind ein lästiges, ein überaus lästiges, wenn auch im Beginne und oft Jahre, ja das ganze Leben hindurch ungefährliches Übel. Schon das Jucken und Brennen ist recht unangenehm, manchmal sehr peinlich, peinlicher noch die drückende Einwirkung auf das Gemüt; sie machen mißmutig, launenhaft, gereizt. Es gibt Fälle, in denen sie das Leben schrecklich verbittern und die Gereiztheit bis zum Wahnsinn steigern.
Daraus wird schon klar, daß Gleichgültigkeit und Mißachtung dieses Leidens schlecht am Platze ist. Man soll sorgen, daß sich das Übel nicht zu stark vermehrt, daß es mit der Zeit nicht einen bösartigen Charakter annimmt.
Doch was sind denn eigentlich Hämorrhoiden, wie entstehen sie? Sicherlich hat jeder Leser schon einen Truthahn gesehen, auch die häutigen Säcke, die ihm vorn am Halse hängen, bisweilen wie leere Taschen ohne jeden Inhalt. Wenn aber so ein Welscher zornig wird, dann füllen sich diese Säcke mit Blut, und die Taschen werden wie rote Kugeln. Solche Kugeln, blut- oder schleimgefüllte Taschen sind die Hämorrhoiden, mögen sie im oder am Körper auftreten, wo sie wollen, blinde oder sehende (fließende, blutende) Hämorrhoiden sein.
Die Adern sind elastische, dehnbare Röhren. Je mehr das Blut ungeregelt an eine Stelle dringt, desto mehr dehnen sich die Adern aus, am meisten da, wo das Blut sich sammelt, staut, gleichsam kleine Blutteiche bildet. Es entstehen kleine Knoten wie Warzen an der Hand oder im Gesicht, und diese Knoten sind mit Blut gefüllt. Treten dieselben innerhalb des Körpers im Mastdarm usw. auf, so heißen sie die blinden Hämorrhoiden; dagegen nennt man sie die sehenden, wenn die Knoten außerhalb am After erscheinen.[40]
Von Zeit zu Zeit brechen solche Knoten auf, und ihr Inhalt ist brauner Schleim, häufig jedoch reines Blut. Beim Aufbrechen der Knoten wird dem Leidenden leichter und wohler; gefüllt und in großer Zahl bereiten sie ihm viel Leid und manche Schwierigkeiten. Nicht bloß am After und im Mastdarm bilden sich diese Aderauswüchse. Bei großer Entartung kommen sie selbst im Innern des Körpers an den Blutgefäßen vor. Wie die Plünderer sich den regulären Truppen anschließen, so verfolgen diese Blutsauger die Adern, besonders die Hauptadern.
Je zahlreicher die Knoten auftreten, und je öfter sie aufbrechen, um so schadhafter müssen die von ihnen besetzten Teile werden. Daher kommt es nicht selten vor, daß an den betreffenden Stellen bösartige, unheilbare Geschwüre entstehen, wie Mastdarm-Krebs, -Fisteln, -Geschwüre usw.
Überaus peinliche Mehrung des Leidens können die sogenannten Madenwürmer bringen, kleine Würmchen im Innern des Mastdarmes. Wie die Zacken in die Haut, so bohren sich[S. 256] diese in den Mastdarm ein. Bei großer Anzahl zerfressen sie den Mastdarm, und die Folgen davon sind leicht bösartige Geschwüre.
Die Behandlung der Hämorrhoiden mit Wasser ist leicht und erzielt in den meisten Fällen sicheren Erfolg.[41] Die Zahl derer, denen so Hilfe ward, kann ich als sehr groß bezeichnen und beifügen, daß alle Fälle glücklich verliefen.
Greifen wir zuerst die Madenwürmer an, diese Afterblutegelchen, wenn solche vorhanden sind! Sie verraten sich meist durch ein Zwicken, Beißen, Nagen, Krabbeln in der Aftergegend (obgleich ein solches auch jedesmal die Neufüllung der Knoten begleitet). Man nehme ein, zwei oder drei kalte Klistiere schnell nacheinander und lasse dieselben gleich wieder abgehen. Kommt das kalte Wasser in den Mastdarm, so hängen sich die Madenwürmer vom After gleichsam aus, wie der Blutegel von der Blutstelle, wenn ich selbe mit Salz bestreue. Geht das Klistier gleich wieder ab, so schwemmt es die losgelösten Peiniger mit hinaus. Wiederholt man dieses zwei- bis dreimal, so gehen (das ganze Verfahren kann wöchentlich zwei- bis dreimal stattfinden) recht viele, zuweilen alle ab.
Haben wir es mit Hämorrhoidalknoten allein zu tun, so merke man sich folgendes: von Stellen, wo zu viel Blut hinströmt, muß dasselbe abgeleitet werden; Gefäße, die zu sehr ausgedehnt wurden und eben deshalb zu weit auseinandergehen, sind zu verengen, Unreinigkeiten und verlegene Ware auszuscheiden.
Für alle diese Zustände dient folgende Anwendung gut: Man bereite sich im Bette einen Unteraufschläger, d. i. in unserem Falle ein recht dickes, vielfach zusammengelegtes, ins kälteste Wasser getauchtes Linnen, so lang, daß es den ganzen Rücken bedeckt und am untern Ende bis über den After hinausreicht, so breit, daß es den Rücken deckt. Darauf lege man sich drei Viertelstunden lang und wiederhole die Anwendung wöchentlich drei- bis viermal. Sollte das Tuch vor den verflossenen drei Viertelstunden warm sein, so werde es entfernt und besser nochmals eingetaucht.
Als fernere Anwendung tut es sehr gute Dienste, wenn solche Leidende in der Woche drei- bis viermal ein Sitzbad[S. 257] nehmen, kalt und kurz. Man kann dasselbe an einem halben Tage oder auch nachts vom Bette aus zwei- bis dreimal wiederholen, nie länger als ein bis zwei Minuten. Auch diese Anwendung wirkt wie die obige zugleich auf die vorhandenen Hämorrhoiden und deren Entstehungsursachen im Unterleibe.
Wer bei vorhandenen Hämorrhoiden in jedem Vierteljahr innerhalb ein bis zwei Wochen eine der beschriebenen Kuren durchmacht, darf sicher sein, daß das Übel ohne alle erheblichen Folgen bleibt und, wenn es nicht ganz verschwinden sollte, gewiß nie lästig wird. Wem solches zu anstrengend erscheint und zu schwer, dem weiß ich in Gottes Namen keinen Rat.
Bezüglich der Nahrung mache ich nur auf einen Punkt aufmerksam, der nach meinem Dafürhalten nicht genug gewürdigt wird. Viele der Hämorrhoidarier haben angefangen, statt des modernen Hausbrotes Kleienbrot zu essen, und sie behaupten, seit dieser Zeit verspüren sie von dem Leiden durchaus keine erhebliche Belästigung mehr, wenn dasselbe auch nicht vollständig gehoben sei. Dieses Kleienbrot möchte ich sehr empfehlen, es sollte eine Zukunft haben. Nicht bloß bei einzelnen, allgemeine Verbreitung sollte es finden (auch aus anderen Gründen) als gesundes, kräftiges Nahrungsmittel. Aber wohl gemerkt, nur das echte Kleienbrot, nicht das verfälschte oder nachgeäffte! Die strafbare Verfälschungssucht hat sich leider auch schon dieses Artikels bemächtigt. In einer Großstadt des Auslandes fand ich einst Kleienbrot (dasselbe ist bekanntlich sehr schwer) so leicht wie anderes Brot. Ich durchschnitt den Wecken. Inwendig war es Brot wie anderes Brot; nur über die Rinde her hatte der kluge Bäcker die Kleie gestreut, wie man sonst Kümmel oder Anis streut. Ich fügte meiner Apotheke zum Schlusse das Rezept für Kleienbrotbereitung bei;S. 3$1 oben S. 159.
Halsbräune.
Ein Vater kommt und klagt, seine Tochter, vier Jahre alt, habe die Halsbräune. „Das Kind hat es,“ sagt er, „gerade wie die drei anderen Kinder, welche alle gestorben sind. Sie starben sehr schnell; auch dieses Kind wird schnell sterben. Schon kann es fast nicht mehr atmen und nicht mehr husten. Kopf und Leib sind ganz aufgetrieben. Was soll ich tun? Vier Stunden brauche ich, um den Arzt zu holen, und bis dahin ist mein Kind tot.“ Die Antwort lautete: „Hausvater, gehe gleich heim, mache etwas Wasser, das mit Essig gemischt ist, heiß, tauche ein Handtuch[S. 258] ein, winde dieses aus und wickle damit den ganzen Hals des Kindes gut ein! Darüber bringe noch ein trockenes Tuch und lasse den also übergelegten Wickel drei Viertelstunden lang liegen! Dann tauche das Tuch von neuem in Wasser und Essig! So fahre sechs Stunden lang fort, aber alle drei Viertelstunden den Umschlag von neuem naß machend! Nach Verlauf der sechs Stunden mache den Hals frei, ihn leicht bedeckend! Sodann appliziere dem Kinde mit demselben Handtuch, das du zu diesem Behufe wieder in Wasser und Essig eintauchst, einen kurzen Wickel! Darüber lege eine trockene Hülle und decke das kranke Kind gut zu, sorgfältig, aber nie zu stark! So soll die Kleine eine Stunde lang ruhen bleiben. Nach einer Stunde entferne die Hülle und lasse das Kind, nicht mehr als gewöhnlich bedeckt, im Bette liegen! Sollte nach sechs bis acht Stunden noch schweres Atmen und Husten vorhanden sein, so kannst du den Umschlag um den Hals nochmals, wie oben gesagt, erneuern und denselben ein bis zwei Stunden lang umlegen. Wenn er nach Verlauf einer Stunde recht heiß ist und dem Kinde recht bange werden sollte, so tauche das Tuch von neuem ein! Du wirst die Wirkung erfahren.“
Der Vater tat, wie ihm befohlen, und nach 30 Stunden war das verloren geglaubte Kind wieder gesund, frisch und munter.
Heilung wäre auch dann erfolgt, wenn man das Tuch in recht kaltes Wasser (mit halb Essig) eingetaucht und das Eintauchen alle drei Viertelstunden erneuert hätte. Bei Nichtabnahme der Hitze hätten noch die Füße bis über die Waden mit eingewickelt werden können.
Halsleiden.
Andreas fängt zu erzählen an, wie folgt: „Ich kann fast nicht mehr reden, manchmal will’s gar nicht mehr gehen. Ich hatte so einen arg bösen Finger. Damals habe ich’s das erstemal bekommen, daß ich nicht mehr reden konnte; jetzt wird mein Finger wieder bös. Sonst habe ich den besten Appetit, und es fehlt mir gar nichts. Der Arzt hat gesagt, das Halszäpfchen sei zu lang und müsse abgeschnitten werden. Das will ich aber nicht tun lassen.“
Das Aussehen des Mannes zeigt einen etwas gefüllten, aufgedunsenen Kopf; die linke Seite desselben, vom Ohre abwärts, zeigt eine kleine Anschwellung. Man sieht recht gut, daß das Normalgesicht etwas gestört ist, und Kopf und Hals sind mehr noch als im Äußeren im Inneren angelaufen, aufgedunsen, daher[S. 259] im allgemeinen Verengung in diesen Organen, daher die Halsbeschwerden. Unstreitig ist der kranke Finger das erstemal nicht gehörig geheilt, der Giftstoff nicht ganz entfernt worden. Wer den Krankheitsstoff jetzt völlig ausleitet, den Körper säubert, der hat auch dem Halse geholfen. Zu dem Zwecke wirke man ableitend zuerst auf den ganzen Körper ein, sodann im besonderen auf die Kopfteile. Ersteres geschieht durch die Anwendung des Sackes und die Umlegung des Schals. Der Sack steht dem Bauersmann am ehesten zu Gebote. Er schlüpfe in denselben, nachdem er ihn zuvor in Haberstrohabsud eingetaucht hat. Dieses tue er drei Tage nacheinander, je 1½ Stunden. Vom vierten Tage an beziehe er die nicht mehr ungewohnte Wohnung jeden dritten Tag. Den Schal trage er täglich eine Stunde lang. Nach vierzehn Tagen kann er Ganzwaschungen vornehmen zweimal in der Woche, und einmal in der Woche soll er den spanischen Mantel tragen. Wenn das Halszäpfchen noch Beschwerden macht, kann er ein paar Kopfdämpfe vornehmen, natürlich an verschiedenen Tagen. Dem Übel wurde gründlich gesteuert.
Ein Priester erzählt: „Im Laufe des Sommers 1887 verspürte ich zeitweilig ein leichtes Schmerzgefühl im Hals, das vorübergehend und mit leichtem Hustenreiz verbunden war. Bei längerem Reden in der Katechese, auf der Kanzel und im Beichtstuhl wurde die Stimme nach und nach kraft- und klanglos und drohte zu versagen. Das Übel steigerte sich in den Monaten September und Oktober; es entstand ein heftiger Rachenkatarrh, und der Arzt fand auch die obere rechte Lungenspitze affiziert. Ein drei monatlicher Aufenthalt in Meran, Pinseln und Gurgeln und Bergsteigen, nichts vermochte das Leiden zu entfernen. Um Neujahr herum war ein Arzt sogar in Versuchung, eine kleine Operation vorzunehmen, doch unterblieb sie. Endlich entschloß ich mich am 25. Januar, da mein Urlaub dem Ende zuneigte, in sehr gedrückter Stimmung Meran zu verlassen und Wörishofen aufzusuchen. Die Wasseranwendungen, täglich zweimaliger Oberguß und Wassergehen, brachten mir alsbald Erleichterung im Hals; der Schmerz nahm ab, die Stimme wurde kräftiger und bekam wieder Klang, und an Lichtmeß vermochte ich schon in D. eine kurze Homilie und ein Amt zu halten. Aber die Stimme war noch heiser, und ich hatte nachher auch eine ganz leichte Schmerzempfindung im Hals, die aber bald wieder aufhörte. Von acht Tagen zu acht Tagen verspürte ich Besserung. Nach drei Wochen war meine Stimme so kräftig und rein[S. 260] wie früher; ich konnte wieder in die Seelsorge eintreten und meinen Pflichten voll und ganz nachkommen.“
Harnbeschwerden.
Eiligst wurde ich einst zu einem 70jährigen Zimmermann gerufen, um ihn möglichst schnell für die Ewigkeit vorzubereiten. Er habe, hieß es, entsetzliche Schmerzen, er könne nicht mehr Wasser machen. Bald stand ich im Hause des Kranken. Allein als Seelsorger konnte ich nichts machen; denn der Mann lief in seinem Zimmer umher und schrie vor Schmerzen; keinen Augenblick konnte er ruhig bleiben. Mit ihm jammerte und weinte seine Frau, die ratlos dasaß. Ich gab ihr an, eiligst strudelndes Wasser zu machen und zugleich einen Leibstuhl herzurichten. In den Topf solle sie eine Handvoll Zinnkraut bringen. Ich bemerke, daß der Arzt zwei Stunden weit entfernt wohnte, und gewiß hätte derselbe den Mann nicht mehr unter den Lebenden getroffen. Das Wasser sprudelte, die Frau goß es in den Topf über das Zinnkraut. Der Kranke ging auf den Stuhl und ließ den heißen Zinnkrautdampf die schmerzenden Stellen beräuchern. So solle er, befahl ich, 20–30 Minuten sitzen bleiben und darauf ins Bett gehen. In einer Stunde, fügte ich bei, werde ich wieder kommen und ihn zum Sterben vorbereiten. Nach einer Stunde kam ich, fand den Mann aber ganz ruhig im Bette in großem Schweiße. Freudigst erzählte er mir, es seien schon zwei Liter Wasser abgegangen, und er fühle nicht mehr die geringsten Schmerzen. Die Vorbereitung zum Sterben konnte unterbleiben. Tags darauf nahm der Mann nochmals so einen Dampf zwanzig Minuten lang; am dritten Tag hielt er Rasttag, und am vierten ging er wieder an sein gewohntes Handwerk.
Der Mann hatte sich erkältet und so das Übel sich zugezogen. Unglaublich ist es, was so ein einfaches Kräutlein, schnell und richtig angewendet, in den bittersten Leidensstunden an Hilfe bringt.
Ein Bauer bekam ein ähnliches Leiden. Beim größten Drang und unter namenlosen Schmerzen wurde ihm vom Arzte mit dem Katheter Wasser abgezogen. Der Katheter brach, und zu dem alten Leiden kam ein neues, fast noch furchtbareres. Es war ein Martyrium, bis endlich das abgebrochene Stück aus dem Leibe war herausgebracht worden. Eine schreckliche Entzündung bildete sich, so daß an einen Katheter nicht mehr zu denken war. Der Arzt suchte durch ein Instrument in die Blase einzudringen. Doch[S. 261] der zweimalige Stich mißlang, und der Arzt ordnete an, der Kranke solle schleunigst auf den Tod vorbereitet werden, Rettung sei keine mehr möglich. Der betreffende Priester kam bald. Zufällig hatte dieser von dem Mittel gehört, mit dem ich den ersten Fall geheilt. Rasch wurde es auch hier angewendet, und die Wirkung blieb nicht aus. Die Blase entleerte sich, alle Entzündung hob sich, und der Kranke wurde vollständig gesund. Täglich nahm er zwei solcher Dämpfe.
Noch kann empfohlen werden, neben der äußerlichen Anwendung aus Zinnkraut einen Tee zu machen und diesen Tee (täglich eine Tasse auf zwei bis drei Portionen verteilt) zu trinken.
Ein armer Taglöhner hatte mehrere Wochen hindurch große Beschwerden der angegebenen Art. Das Übel steigerte sich von Tag zu Tag. Er wendete Zinnkraut-Dämpfe an; doch sie wollten dieses Mal so gute Wirkung nicht hervorbringen. Die Dämpfe allein waren zu schwach, ihre Wirkung mußte durch eine weitere Anwendung verstärkt werden. So wurde Zinnkraut ausgesotten, ein vierfach zusammengelegtes Linnen in den heißen Absud getaucht, dieses etwas ausgewunden und so auf die leidende Stelle gelegt. Täglich ein Zinnkrautdampf und täglich eine solche Auflage während zwei Stunden, das genügte. In wenigen Tagen war das Übel geheilt. Erkältung, wie beim ersten Fall, war auch hier die Ursache des Leidens, wenn auch nicht die einzige Ursache; Nebenumstände traten hinzu. Der freigewordene Urin ließ erkennen, daß viel „Krankes“ im Innern gelöst wurde.
Bei einem ähnlichen Falle habe ich statt des Zinnkrautes warmes Wasser, mit Essig gemischt, angewendet. Die also genetzten und übergelegten Tücher taten dieselbe gute Wirkung.
Eine Hausmutter lag schon neunzehn Wochen zu Bette und gebrauchte immer ärztliche Hilfe. Die Ärzte erklärten das Übel als Blasenkrebs. Die Schmerzen waren oft so groß, daß die Nachbarn die arme Frau schreien hörten. An ein Aufkommen wurde längst nicht mehr gedacht. Ich riet dem armen Weibe, es solle Zinnkraut sieden, ein Tuch in den Absud tauchen, in das etwas ausgewundene Tuch das ausgekochte Zinnkraut selbst legen, einbinden und so vorne auf die schmerzhafte Stelle legen oder binden. Nach der ersten Anwendung fühlte die Kranke Linderung. Sie tat so fünf Tage lang, drei- bis viermal täglich, jedesmal gut gemessene zwei Stunden. Dreimal täglich[S. 262] nahm die Frau auch innerlich Zinnkrauttee. Am fünften Tage ging ein Salzstein ab unter unsäglichen Schmerzen. An dem ausgeschiedenen Steine konnte man recht deutlich sehen, daß sich Teile davon abgelöst hatten. Das Übel war gründlich kuriert, der fatale Krebs mitsamt den Scheren richtig gefangen.
Ein 64 Jahre zählender Mann, sonst kräftig und gesund, konnte nicht mehr das Wasser lassen. Er ließ den Arzt rufen. Dieser gebrauchte den Katheter und erklärte, daß es für dieses Übel keine Medizin mehr gebe. In der Tat mußte er alle 24 Stunden zu der unliebsamen Operation geholt werden. Nach vier Tagen stellte sich im ganzen Körper des Mannes große Fieberhitze ein, und, was ganz fatal war, er sollte nichts trinken. Zwei Übel quälten so den armen Körper. Der Arzt hatte wenig, fast keine Hoffnung mehr. Ich wurde befragt und gab den Rat, der Kranke solle mit dem Rücken auf ein mehrfach zusammengelegtes, in warmes Wasser getauchtes Linnen sich legen, drei Viertelstunden lang, dasselbe Tuch sodann neu eingetaucht dem Unterleibe applizieren (Unter- und Oberaufschläger) in der Dauer einer Stunde. Schon nach der ersten Anwendung gingen 1½ Liter Wasser ab. Dieselbe wurde im Anfange täglich zweimal, nach einiger Zeit nur einmal erneuert. Nach innen nahm der Patient täglich in drei Portionen oder Absätzen eine Tasse Tee von Zinnkraut, Wacholderbeeren oder Attichwurzeln (fünf Minuten in Wasser gesotten). Rosmarin, in Wein angesetzt, selbst Wacholderbeeren allein, in Wasser gesotten und als Tee getrunken, hätten gleichfalls gute Dienste getan. Das erste Übel mit seinen Schmerzen ließ nach, auch die Hitze verschwand gänzlich. Der Mann fühlt sich seit dieser Kur gesünder als früher.
Ein Bauer, ungefähr 42 Jahre alt, erzählt:
„Ich bin seit vier Jahren leidend, und mein Leiden steigert sich von Monat zu Monat; ich habe Beschwerden beim Wassermachen. Über eine halbe Stunde auszuhalten ist mir unmöglich, und wenn es länger andauert, so steigert sich das Leiden derart, daß ich heftige Krämpfe bekomme, und erst wenn diese Krämpfe ausgetobt, geht nur wenig Wasser ab. Ich habe schon viele Ärzte gehabt, geholfen hat gar nichts; habe 80 Flaschen Mineralwasser getrunken auf Empfehlung eines Münchener Arztes; ein klein wenig half es, aber das Übel ist nicht im geringsten gehoben. Ich muß jede halbe Stunde die Nacht hindurch aufstehen, und dann geht ein wenig Wasser ab, und geschieht dies nicht, so mache ich das Leiden[S. 263] immer noch bitterer. Ich bin sonst ganz gesund, habe, wie jedermann sagt, ein gutes Aussehen, trinke selten Bier; es wird darauf nur noch schlimmer, und ich war nie besonders daran gewöhnt. Was ist zu tun?“
Anwendung: 1) In der Woche zwei warme Bäder von gesottenem Haberstroh, 30–32°; zehn Minuten ins warme, dann eine halbe Minute ins kalte, dann wieder zehn Minuten ins warme Bad, so dreimal. 2) Die übrigen Tage, an jedem Tag ein kurzer Wickel von unter den Armen bis an die Knie, ebenfalls in Haberstrohwasser getaucht, wenn’s geht, eine Stunde lang; so 12–14 Tage fortmachen. 3) Täglich drei kleine Tassen Tee trinken von Zinnkraut und Wacholderbeeren, zehn Minuten lang gesotten.
Ein Knecht bekam große Beschwerden im Urinieren. Es ging nur wenig und langsam Harn ab und unter heftigen Schmerzen.
Der Arzt erklärte, nicht anders helfen zu können als durch Entleerung mit Katheter einige Zeit hindurch jeden zweiten Tag. Das Übel nahm indes immer mehr zu, die Schmerzen steigerten sich.
Der Knecht nahm nun täglich zweimal je 25–30 Tropfen von Wacholder- und Hagebutten-Geist in einem Weinglas voll Wasser. Schon in einem halben Tage merkte er Besserung, nach zehn Tagen war das Übel ziemlich gehoben. Zur Abwechslung nahm er noch weiter den einen Tag Wermuttropfen statt der obigen und wurde so in kurzer Zeit befreit.
Recht empfehlenswert ist für solche Zustände, für Blasenleiden, überhaupt für Grieß, einen Absud zu trinken von Blättern des schwarzen Johannisbeerstrauches. — Solcher Tee hat selbst in ganz schwierigen Fällen schon vorzügliche Dienste getan.
Heiserkeit.
Ein Mädchen mit elf Jahren hatte die Stimme seit mehreren Monaten so verloren, daß sie nur mit größter Mühe auf krächzende Weise sich verständlich machen konnte. Die Farbe war ganz weiß, die Augen bläulich, und dabei bemerkte man hochgradige Abmagerung und Entkräftigung. Die Naturwärme war wie verschwunden, auch kein Appetit war mehr da außer zu etwas Bier und Wein.
Innerhalb zwei Monaten war das Mädchen gänzlich geheilt und gekräftigt, und zwar durch folgende Anwendungen: 1) Täglich zwei- bis viermal barfuß im Gras gehen. 2) In der Woche drei- bis viermal einen Schal umlegen. 3) In jeder Woche viermal[S. 264] ein Sitzbad. 4) Bei warmer Temperatur während der letzten drei Wochen im Sonnenwasser baden, dreimal wöchentlich.
Die Kost bestand in einfacher Hausmannskost, besonders in Milch, halbtageweise einen Eßlöffel voll jede Stunde.
Nach eingetroffener Nachricht ist das Mädchen jetzt ganz wohl und gesund.
Ein geistlicher Herr litt an Heiserkeit, und zwar stets vom Oktober bis Mai. Er versuchte alles, zog mehrere Ärzte zu Rate, aber umsonst. Das Leiden blieb das alte vierzehn Jahre hindurch. Endlich suchte er bei mir Hilfe, und in auffallend kurzer Zeit bekam er sie.
Der Herr mußte täglich bis an die Knie ins Wasser stehen und zugleich beide Hände in dasselbe halten. Außerdem mußte er Ganzwaschungen vornehmen, meistens beim Aufstehen oder während der Nacht beim Aufwachen.
Schon nach zwölf Tagen war das jahrelange Leiden gänzlich verschwunden, und seit 16 Jahren hat es sich nie wieder eingestellt.
Ein Beweis, wie gründlich das Wasser heilt.
Herzleiden.
Unzählig viele in unseren aufgeregten Zeiten lebende Menschen werden als nerven-, magen- und herzleidend bezeichnet. Das Herz, der Magen und die Nerven, das sind die Sündenböcke, die für gar vieles herhalten müssen. Wenn einer 20, 30 Jahre gesund war, wenn er bis dahin, ich möchte sagen, gar nie fühlte, wo sein Herz liegt, und er fängt zu kränkeln an, da soll’s auf einmal ein Herzleiden sein, vielleicht gar noch ein organischer, unheilbarer Herzfehler. Wohlfeile Ausreden! Meine ganze, bisherige Erfahrung — es sind mir unzählige solche Fälle vorgekommen — strafte die meisten dieser Herzfehler, ob sie nun an den Adern, an den Klappen oder anderswo liegen sollten, Lügen. Unter hundert Fällen, in denen die Betreffenden selbst sich entweder für herzleidend hielten oder dafür gehalten wurden, fanden sich ganz auffallend wenige mit wirklichen, ausgebildeten Herzleiden behaftete Patienten vor. Das Herz gehörte mit zu den gesündesten Organen; aber das ist wahr, es geschahen Einflüsse, Einwirkungen auf das Herz, die es für den Augenblick leidend machten. Die gesündeste Katze wird schreien, wenn man sie in den Schwanz kneift. Die beste Uhr wird nicht mehr gehen, wenn ich die Uhrgewichte aushänge. Torheit wäre es, zu sagen, die Uhr sei schlecht. Die wundervollste Flöte hat ausgeblasen, wenn ich die Klappen zubinde oder verrosten lasse.[S. 265] Das gesündeste Herz kann in seiner Tätigkeit gehemmt, gestört werden, wenn irgend ein Feind, der im Körper sitzt, ihm sozusagen den Hals zuschnürt. Man suche diesen Feind, man hebe gewisse Übelstände, und keine Spur eines Herzleidens wird mehr vorhanden sein. Mich bringt es immer auf, wenn es nur heißt: Herzleiden, Herzleiden! Man ängstigt ohne Grund die Leute und fügt Aufregung zu der leider schon in übergenügendem Maße vorhandenen Aufregung.
Ein Mann, in den besten Jahren stehend, klagte mir, er habe nach Aussage der Ärzte ein Herzleiden; das Herz dehne sich zu sehr aus. Ich erkundigte mich genau, ob er je krank gewesen sei. Er verneinte dieses, fügte aber nach einigem Besinnen bei, das müsse er sagen, er habe an einem Fuß (Bein) unter der Kniebeuge einen Ausschlag. Das war mir genug. Die kräftige Mannesnatur selbst hatte sich in der wunden Stelle sozusagen den Kanal gegraben, durch welchen sie die ungesunden Säfte aus dem Körper ausschied. Meine Aufgabe bestand einzig darin, der sich selbst heilenden Natur Kanal-Reinigungsdienste zu tun, d. h. mitzuhelfen, daß ja aller kranke Stoff recht rasch und gründlich hinausgeworfen werde. Auf das Herz geschah nicht die geringste Einwirkung. Der Kranke bemerkte noch: so oft der Ausschlag stärker auftrete, sei’s ihm um die Herzgegend herum ganz wohl; wenn der Ausschlag aber ganz oder größtenteils verschwinde, dann stelle sich jedesmal ein fürchterliches Herzklopfen ein. Das war alles Wasser auf meine Mühle. Der Mann erhielt in der Woche zwei kurze Wickel, einen Unterwickel, einen spanischen Mantel und einen Fußdampf. Wurde durch den spanischen Mantel auf den ganzen Körper auflösend und ableitend eingewirkt, so durch den kurzen Wickel hauptsächlich auf den Unterleib. Der Unterwickel vollendete die Arbeit des kurzen Wickels, und der Fußdampf zog den etwa noch vorhandenen Krankheitsstoff mit nachhaltiger Wirkung nach unten. In ungefähr drei Wochen schied der Körper überaus viel, ich hoffe, alles Ungesunde aus. Das Herzleiden war spurlos verschwunden. Wenn demnach in früherer Zeit und auch nach Heilung des kranken Körpers kein Herzleiden da war, kann und darf ich da nicht mit Fug und Recht behaupten, daß überhaupt niemals und zu keiner Zeit ein solches vorhanden gewesen ist?
Nachts 10 Uhr wurde ich zu einer Hausmutter gerufen, die nicht mehr reden konnte des schweren, harten Atems wegen. Der Herzschlag war so stark, daß man seine Bewegung auf der[S. 266] Bettdecke ganz gut bemerkte und sein Hämmern selbst in einiger Entfernung deutlich hörte. Im Gaumen der Kranken schmeckte es ganz süß; sie selbst fürchtete am Blutsturze zu sterben, woran auch ihre Mutter in demselben Jahre bereits gestorben war. Der behandelnde Arzt erklärte, es seien mehrere Leiden vorhanden, in erster Linie aber ein Herzleiden. Die Hände und die Füße waren ganz kalt, und fortwährend quälte ein Drang zum Husten.
Hände kalt, Füße kalt, ungewöhnlich starker Herzschlag! Was besagt dieses? Es muß wohl alles Blut von der Ferne (den Extremitäten) seiner ursprünglichen Heimat, dem Herzen, zugelaufen sein. Und es sucht wieder einen Ausweg. Daher das Klopfen und Hämmern, als wollte es gleichsam die Riegel (die Klappen) und die Herztore sprengen. Du hast ja schon gesehen, was für einen Spektakel es gibt, was für ein Brausen und Tosen, wenn bei starkem Regen das Wasser an einen Ort zusammenströmt und keinen Ausweg mehr findet. Mit Gewalt will es sich Bahn brechen.
Der fürchterliche Herzschlag der Frau wurde in fünf Minuten dadurch bedeutend vermindert, daß ein doppelt zusammengelegtes nasses Handtuch auf den Unterleib gelegt wurde, wohin das Blut, welches sich, gut behandelt, wie ein Kind an der Hand führen läßt, bald eine Ableitung fand. Nach zehn Minuten war der Herzschlag ruhig; dem Herzen, worin der Hauptfehler steckte, fehlte schon nichts mehr. Die Kranke nahm als weitere Anwendungen am ersten Tage im Bette zwei Ganzwaschungen vor; am zweiten Tage bekam sie den spanischen Mantel, am dritten einen Kopfdampf, am vierten einen Fußdampf. In dieser Reihenfolge setzte sie die Übungen eine Zeitlang fort. Der Unterleib, der am längsten nicht Vernunft annehmen wollte, war der Hauptübeltäter und bei dem heftigen Überfalle in der Nacht jedenfalls der Rädelsführer und Anstifter gewesen. Das Wasser indessen kühlte zuletzt auch ihm das Mütchen, und alles war wieder gut, sehr gut auch das Herz, dem, so viel ich weiß, auch später nie mehr etwas gefehlt hat.
Ein Herr von Stand war längere Jahre schon leidend und konnte nur mit großer Mühe seinem Berufe nachkommen. Eine ungewöhnliche Ängstlichkeit vermehrte seine Peinen. Das kleinste Vorkommnis brachte ihm Herzklopfen, Erregtheit, Furcht. Seine Umgebung mußte sehr vorsichtig sein im Berichterstatten: Freude und Leid bewirkten stets Störungen im Herzschlag. Zur Sommers- wie Winterszeit mußte geheizt werden, und es erheischte ein fortwährendes Aufpassen, daß die Zimmer ja stets ihren be[S. 267]stimmten Wärmegrad hatten. Die berühmtesten Ärzte wurden zu Rate gezogen; sie kamen bei den Beratungen darüber überein, der Patient habe, abgesehen von angegriffener Lunge, Leber und Hämorrhoiden, einen organischen Herzfehler, der wohl mit einem Herzschlage enden werde. Der Herr starb wirklich. Des merkwürdigen Leidens wegen wurde der Leichnam seziert. Und was stellte sich heraus? Daß Lunge, Leber und Herz mit zu den gesündesten Organen gehörten, daß sich nur um das Herz eine Masse von Speck angesetzt, desgleichen auf der Brust eine Schichte Speck gebildet hatte. Der Herr starb also eigentlich an Blutmangel. Das Blut ging aus, da es durch Muskel- und Speckbildung gänzlich absorbiert, aufgezehrt wurde. Ein Arzt selbst, der dabei war, hat mir dieses erzählt, und hat hinzugefügt: „Bei diesem Falle ist die Wissenschaft wieder einmal gründlich betrogen worden.“
Ein Mädchen klagt: „So oft ich schnell gehe oder über etwas erschrecke oder etwas fürchte, desgleichen so oft ein Unglück erzählt wird, fühle ich stets einen argen Druck in der Herzgegend, und das Herz klopft so heftig, daß ich Furcht bekomme, ich müsse plötzlich sterben. Dabei werden Hände und Füße kalt, und in das Herz kommt eine große Hitze. Ich habe eben, wie mir auch von zwei Ärzten gesagt worden ist, ein Herzleiden.“ Ein Herzleiden natürlich, was könnte es denn anders sein?
Wie klar, wie sonnenklar liegt hier die Sache! Wenn ein Kind unter der Haustüre sitzt, und es kommt ein großer Hund, da schreit es, springt auf und flieht erschreckt in das Haus hinein und ruft: „Mutter, Mutter!“ Und wenn das arme Herz durch besondere Ereignisse erschreckt wird, dann schreit und springt es gleichsam auf in heftigem Pochen, und das Blut flieht von den Haustüren, den Ausgängen des Körpers, den Extremitäten, ins Haus, ins Herz hinein, und dieses klopft dann noch mehr und schreit, daß man es streckenweit hört. Was ist da Auffallendes, wo ist da ein Herzleiden? Das Mädchen soll zu allererst alle unnützen und schädlichen Einmummungen und Einhüllungen usw. ablegen, dann mit leichteren Abhärtungsmitteln beginnen. Das zarte Wesen wird dann nicht mehr vor jedem Bellen eines Hundes, vor jedem Pfiff der Lokomotive scheu werden. Täglich dreimal je eine Minute ins kalte Wasser stehen bis über die Waden, ebenso oft die ganzen Arme ins kalte Wasser halten — das sind vortreffliche Stärkungsmittel. Sollte es zu kalt dünken, so kann das naive Ding ja etwas auf das kalte Wasser blasen, es wärmend anhauchen. Probatum est![S. 268] Diese Übungen währen eine Woche. Dann kann sich die Kranke dreimal in der Woche nachts vom Bette aus schnell mit kaltem Wasser ganz abwaschen und einmal wöchentlich bis unter die Arme ins frische Wasser gehen, nur eine halbe Minute lang, dabei den Oberkörper kräftig abwaschen. Diese Übungen füllen die zweite Woche. In der dritten und vierten Woche endlich soll die Kranke täglich zwei Ober- und Untergüsse sich geben lassen und darauf durch Bewegung oder Arbeit sich zu erwärmen trachten. In sechs Wochen war das Mädchen gesund, und alle Herzübelskrupel waren weggewaschen.
Ein Fräulein kommt und bittet um Hilfe. Es erzählt also: „Ich habe den Kurs als Musiklehrerin mit der ersten Note bestanden, und sechs Jahre lang habe ich Musik gelehrt in einem Ordensinstitute. Jetzt habe ich so viel Kopfleiden, daß ich kaum mehr ein Instrument hören kann, weder Orgel noch Klavier noch Violine. Selbst die Glöcklein am Altare geben mir heftige Stiche im Kopfe. Die Ärzte nennen meinen Zustand ein Nerven- und Herzleiden. Gesund wäre ich ins Kloster aufgenommen worden; so aber bin ich berufs-, selbst brotlos und leide unsägliche körperliche und geistige Schmerzen.“ Der Erzählerin entgegnete ich: „Ihnen kann ich nicht helfen. Sie müssen sich anderswo Hilfe suchen.“ Auf die Frage, warum ich denn gerade ihr eine so harte Antwort gebe, sagte ich rundweg: „Sie werden als Stadtfräulein mit höheren Studien, mit solchen Sprach- und Musikkenntnissen doch nicht tun, was ich haben will; im übrigen ist Ihr wenn auch tief beklagenswerter Zustand heilbar.“ Rasch entschlossen erklärte sie: „Um gesund zu werden, werde ich tun, was immer Sie verlangen.“ Und sie hat Wort gehalten. Ich schickte sie zehn Tage lang mit den weiblichen Dienstboten — es war März — auf die Wiesen hinaus, dort solle sie barfuß gehen. Täglich bekam sie zu allmählicher Überleitung ins Kalte ein warmes Fußbad und einen Oberguß. Statt des warmen Fußbades kniete sie nach sechs Tagen täglich ins Wasser, so daß das Wasser bis an die Magengegend reichte. Feldarbeit machte sie der Bewegung wegen mit, so weit Übung und Kraft es erlaubten. Nach zehn Tagen kehrte das Fräulein zu einem Wohltäter zurück, welcher ihm die Studien ermöglicht und auch die Wasserkur angeraten hatte. Sie setzte all die Übungen, aber auch mit Lust und Freude die liebgewonnenen Haus- und Feldarbeiten fort. Statt des Geigenbogens und der Klavier- und Orgelhefte nahm sie fleißig Spaten, Rechen und Gabel in die Hand. Je mehr der Körper aufhörte,[S. 269] schwach und siech zu sein, um so mehr, in demselben Grade schwanden auch das Nerven- und Herzleiden und alle sie begleitenden Beschwerden. Nach vier Monaten haben auch die letzteren aufgehört, und die Frische und die Gesundheit der Kindheit waren wiedergekehrt.
Ein Studierender der Theologie kam und fragte mich, was er anfangen solle; es gehe bei ihm nicht mehr so recht aufeinander, und die Ärzte sagten, er habe neben anderem ein Herzleiden. So gerne wäre er Priester geworden, aber bei solchem Kopfweh, bei solchem Herzklopfen und der damit verbundenen Beengung und Bangigkeit höre einfach alles auf. Alles, was er sehe und höre, komme ihm nur als Schein vor.
Ich riet dem Patienten, er solle seinen Körper vernünftig abhärten. Das tue ihm nichts, denn er sei gut gebaut. Später solle er das Fach wählen, welches ihm gefalle. Nach wenigen Wochen setzte er seine Studien fort und wurde nach zwei Jahren Priester, und wenige seiner Kursgenossen werden ihn an Gesundheit und Kraft übertreffen. Jeden Morgen ging der junge Herr über eine halbe Stunde barfuß im Morgentau, täglich stieg er ins Wasser bis an die Magengegend mit Waschung des Oberkörpers. Leichte Arbeiten ersetzten ihm die Bewegung, wenn ihm der Regen seinen Lieblingswunsch, die Wälder aufzusuchen, benahm. Zur Stärkung gebrauchte er später reichliche Obergüsse, täglich einen, oft zwei, im Wechsel mit Halbbädern. Kopf- und Herzleiden verschwanden mit der Zunahme der allgemeinen Körperkraft.
Hexenschuß.
Agatha kommt und erzählt: „Mein Mann hat heute nacht, ich weiß nicht wie, schreckliche Schmerzen auf dem Rücken zwischen den Schulterblättern bekommen. Der Schmerz reicht bis an die rechte Schulter. Er schreit oft vor Schmerzen, wenn er sich bewegen will. Es ist ihm gar nicht möglich, aufzusitzen. Diesen Hexenschuß hat er schon öfters bekommen, aber noch nie so stark. Was soll er wohl tun?“ Antwort: Wenn der ganze Rücken alle Stunden mit warmem Wasser und Essig gewaschen und ordentlich zugedeckt wird, so wird der Schmerz bald verschwinden. Es könnten auch warme Überschläge gemacht und nach jeder Stunde gewechselt werden. In drei bis vier Stunden ist gewöhnlich das Übel der Hauptsache nach gehoben. Man kann noch zweimal mit warmem Wasser und Essig den Rücken waschen.
Der Hexenschuß ist häufiger auf dem sogenannten Kreuze und verursacht große Schmerzen. Auch hier hilft wieder am ehesten: auf ein warmes Tuch sich zu legen, das in heißes, mit Essig vermischtes Wasser getaucht ist. Es reicht auch hier gewöhnlich aus, die Unterlage zwei- bis dreimal, nach je einer Stunde frisch einzutauchen.
Hüftnerven-Entzündung (Ischias).
Ein Beamter litt über ein Vierteljahr an heftigen Schmerzen im linken Schenkel bis hinunter zu den Knöcheln. Er hatte alles Mögliche angewendet; zuletzt wurde ihm empfohlen: Warmhalten und Ruhe, — das seien die einzigen Mittel zur Heilung. So suchte der Herr seine leidenden Stellen möglichst zu erwärmen durch warme Tücher, warme Platten, und zuletzt nahm er noch ganz warme Bäder, so warm er sie ertragen konnte.
Die Schmerzen jedoch steigerten sich, die Kräfte nahmen zusehends ab, das Körpergewicht verringerte sich um mehr als einen halben Zentner, und er konnte selten eine Stunde schlafen.
Endlich faßte er Mut, das Mittel zu gebrauchen, das er am meisten gefürchtet hatte: das kalte Wasser.
Täglich bekam er zwei oder drei Anwendungen: 1) einen Rückenguß am Vormittag, 2) nachmittags Oberguß; am zweiten Tag: am Morgen Oberguß, nachmittags Rückenguß; jeden zweiten oder dritten Tag ein Halbbad; mitunter auch Barfußgehen, also Abhärtung.
Gleich nach dem ersten Guß konnte der Patient nachts vier Stunden schlafen; so gewann er Schlaf, besseres Aussehen, mehr Appetit. In vier Wochen hatte seine Krankheit kaum noch Bedeutung, und in sechs Wochen war er vollständig geheilt.
Ein Professor aus Ungarn leidet seit sieben Jahren an Hüftnervenschmerzen und besuchte deshalb verschiedene Bäder: Ofen, Teplitz, Heviz u. a., jedoch ohne Erfolg, gebrauchte auch Dampfbäder. Seit zwei Jahren leidet er an Schlaflosigkeit. Appetit ist gut, Stuhl stets angehalten, Blähungsbeschwerden, Kopf eingenommen, am meisten in der Frühe. Besonders klagt der Patient über außerordentliche Empfindlichkeit gegen Temperaturveränderung und anhaltendes Kältegefühl am ganzen Körper, obwohl er seit drei Jahren immerwährend Jägersche Wollkleidung trug. Ferner bestanden talgartige Ausscheidungen auf der Haut und unangenehme Feuchtigkeit der Hände.
Er bekam hier folgende Anwendungen: Jede Nacht Ganzwaschung; vormittags Oberguß; nachmittags Rückenguß; alle[S. 271] zwei Tage ein Halbbad; Kniegüsse; auch Sitzbäder gegen die Verstopfung.
Der Erfolg war ein vortrefflicher innerhalb 24 Tagen. Nach dem vierten Tage schon trat ruhiger, die ganze Nacht anhaltender Schlaf ein und blieb seitdem gut. Das langwierige Ischiasleiden ist ganz gewichen. Die Haut ist auch wieder normal. Der Herr ist überglücklich.
Über seine jetzige Bekleidung rühmt er: „Ich trage so leichte Kleidung, auch an kühlen, regnerischen Tagen, als jemand im Hochsommer haben kann: leinenes Hemd, leichte Socken, und fühle mich dabei so warm und bin gar nicht mehr empfindlich gegen Witterungseinflüsse; es kommt mir alles wie ein Wunder vor.“
Hypochondrie.
Mit den Hypochondern wie mit den Skrupulanten habe ich stets inniges Mitleid. „Es ist eben ein Hypochonder, ein Skrupulant!“ Tausendmal kann man dieses hören. Eine wohlfeile und fade Rede! Und dann lacht man noch dazu und tut dem Armen in liebloser Weise oft recht wehe. Gerade diese Kranken verdienen unser größtes Mitleid und unsere regste Teilnahme. Ich frage mich immer: „War dieser Hypochonder (dasselbe tue ich bei Skrupulanten) einmal ein normaler Mann? Gab es eine Zeit, wo er vernünftig dachte und wacker arbeitete?“ Wenn ich nun bejahende Antwort erhalte, dann wäre es doch von meiner Seite unvernünftig, zu glauben, diesem Menschen fehle nichts, er treibe solche Torheiten, solches Selbst- und anderer Martyrium aus reinem Vergnügen. Ich muß mir vielmehr sagen: Mit diesem guten Mann muß im Innern, im Körper oder im Geist eine Veränderung vorgegangen sein, d. h. er muß recht krank sein, daher solche Erscheinungen. Und ich fahre also fort: Suche man das, was sich geändert hat, zu heilen, den früheren gesunden Verstand wieder herzustellen; das Hypochonderwesen hört dann von selbst auf. Gerade die tüchtigsten Leute, die sich durch Studium viel abmühen, verfallen oft in diese Art Gemütskrankheit. Es wird ihnen wie eingeblasen. Im bestgebauten Hause kann plötzlich was ausbrechen.
Nach meiner Ansicht ist bei der Hypochondrie, wie bei jeder Geistes- und Gemütskrankheit, die Wurzel des Übels stets im Körper, im kranken Körper zu suchen. Nur bei solcher Auffassung wird man sicher und mit Erfolg heilen. Man suche bei solchen Kranken das Schlaffe zu wecken, das Geschwächte zu[S. 272] stärken, das Untätige wieder in bessere Bewegung zu bringen; mit einem Worte: man bringe den Blutlauf in das richtige Geleise, und der Hypochonder wird geheilt sein.
Ich kannte einen Mann von herrlichen Geistesgaben. Viele, viele Jahre lebte er ganz glücklich in seinem Berufe und tat mit Leichtigkeit und Begeisterung Arbeit für Zwei. Auf einmal ward er Hypochonder und kam so weit, daß er um seine Berufsarbeiten sich nicht im mindesten kümmerte, alles scheute und fürchtete, jede Gesellschaft floh.
Statt der Hilfe, der Teilnahme, der er mehr als jeder andere bedurfte, hörte er täglich und stündlich das verachtende Urteil: „Sie sind eben Hypochonder, Ihnen kann man nicht helfen!“ Sollte das nicht einen Mann niederdrücken müssen?
Merkwürdig! Der Herr hatte (ich erfuhr es von ihm selbst) schon zwei Wasserheilanstalten besucht, sie verschlimmerten den Zustand. Die Anwendungen waren zu drastisch, zu stark, zu gewaltsam; sie halfen bei diesem halbzerstörten Bau mit, noch mehr einzureißen, nicht aufzubauen.
Gerade in diesem Falle hatte ich Gelegenheit, wieder aufs deutlichste zu sehen, wie das Wasser, aufs gelindeste angewendet, die besten und solidesten Erfolge sichert. Daß so ein Übel nicht in wenigen Tagen gehoben werden kann, ist klar.
Wer die gewöhnlichen Regeln für Gesundheits- und Körperpflege (vernünftige Nahrung, Kleidung, Lüftung, Erholung, Reinlichkeit) befolgt, wird diese fatale Laus nie in den Pelz bekommen. Bei etwaigen Meldungen, gleich im Beginne, kann ihr leicht der Abschied gegeben werden.
Die geeignetsten Wasseranwendungen bestehen in Ganz- und Teilwaschungen, in Bädern (Halbbädern), besonders dem Sitzbade, in kurzen Wickeln, zuletzt in kalten Ganzbädern.
Noch zwei Punkte, die mich drücken, mögen hier mit einem Worte stehen. Es ist ein Unglück unserer Zeit, daß man so viel auf geistige Getränke hält, daß selbst junge Leute sich an starke Weine so leicht gewöhnen. Alle diese scharfen Sachen gießen Öl ins Feuer; Blut und Säfte unserer jetzigen geschwächten Generation können derlei Zeug nicht brauchen. Bleibe man doch nüchtern und einfach, und manches Leiden, das eigentlich erst in der „Neuzeit“ und mit dem „Fortschritt“ auf die Krankheitsbühne trat, wird allmählich wieder hinter den Kulissen verschwinden.
Als einen weiteren Übelstand möchte ich es sodann bezeichnen, daß so viele Menschen sich fast ausschließlich von[S. 273] Fleisch nähren wollen, daß die trefflichen Milch- und Mehlspeisen, welche die besten Säfte, das beste Blut ohne alle Schärfen liefern, so sehr verachtet und gemieden werden. Das kann keine gute Folgen haben, ist auch Unnatur. Den Raubtieren allein hat der Schöpfer Magen und Gebiß nur fürs Fleisch zugerichtet. Dem Menschen, wegen dessen alles erschaffen ist, hat er sein Nahrungsgebiet nicht so enge begrenzt. Toren sind — zu ihrem eigenen Verderben —, die solches tun.
Vom Impfen und den schlimmen Folgen desselben.
Ein Bauer aus Altbayern erzählt: „Ich habe ein Kind zu Hause, das am ganzen Körper geschwollen ist. Die Füße sind ganz dick, der Leib ist doppelt so dick, als er sein sollte, der Kopf wie der Oberkörper, alles ist angeschwollen. Das Kind ist schon seit drei Vierteljahren nicht mehr gesund, das Elend steigert sich von Woche zu Woche. Es bekommt bald da, bald dort kleine Geschwüre, die schnell aufbrechen, jedoch alsbald wieder zuheilen, und ihnen folgen wieder an anderer Stelle solche Geschwüre. Ich war in München bei drei Ärzten, habe noch andere Ärzte gefragt und gesucht, wo ich glaubte, Hilfe zu finden, aber immer vergebens.“
Dem Bauern riet ich: „Sieden Sie Heublumen, eine halbe Stunde lang, tauchen in diesen Absud ein leinenes Hemd ein, winden es aus, legen es dem Kinde an und wickeln dies in eine wollene Decke, lassen es 1½ Stunden im Wickel und machen es so täglich zweimal. An jedem dritten Tage lassen Sie das Kind solch ein Heublumenbad nehmen, wobei möglichst viele Heublumen im Wasser bleiben. Das Wasser sei so warm, daß das Kind gerne hineingeht und gerne 25–30 Minuten darin verbleibt.“
Nach vierzehn Tagen war das Kind schon ziemlich normal, heiter, bekam Appetit, und die weiteren Anwendungen waren folgende: Jeden dritten Tag war das Kind wieder einzuwickeln, eine Stunde lang, am vierten Tag in ein warmes Bad zu bringen, aber vom warmen Wasser aus recht tüchtig abzuwaschen.
So wurde zehn bis vierzehn Tage fortgemacht, dann war das Kind ganz gesund.
Ein Herr erzählt: „Ich war in meinem Leben stets gesund. Vor zehn Jahren, als die Blattern in meiner Umgebung herrschten, ließ ich mich, wie viele andere, impfen. Ich bekam keine Blattern; aber es blieb die Impfstelle am rechten Arm immer etwas gerötet. Dazu kam ein kleiner Ausschlag um den Impfschnitt. Ich merkte acht Jahre hindurch bloß, daß die entzündete Stelle sich er[S. 274]weitere, und jetzt, nach zehn Jahren, habe ich die nassen Flechten so lästig, daß ich ganze Nächte keine Ruhe finde. Diese Flechten sind bald stärker am einen Arm, bald am andern, und so ist auch der Wechsel an den Füßen. Angewendet habe ich viel, die giftigsten Salben auf der Hautfläche; eingenommen habe ich auch viel, alles ohne Erfolg.“
Anwendungen: Sicher sind hier das Blut und die Säfte verdorben, und die Flechtenstellen dienen bloß zum Ausfluß der verdorbenen Säfte. Somit ist notwendig, daß auf den ganzen Körper eingewirkt werde, alles Krankhafte in Blut und Säften aufzulösen und auszuleiten.
1. In der Woche dreimal in der Nacht den ganzen Körper vom Bette aus waschen und, ohne abzutrocknen, gleich wieder ins Bett gehen.
2. Die Flechtenstellen mit einem Absud von Foenum graecum täglich zwei- bis dreimal gut auswaschen. Statt gesottenem Foenum graecum wird gut wirken Aloë, in heißem Wasser aufgelöst, zu einem Liter Wasser ein Kaffeelöffel Aloë.
3. Zweimal in der Woche den spanischen Mantel. So vierzehn Tage lang bis drei Wochen fortgemacht.
Weitere Anwendungen: in einer Woche oder innerhalb vierzehn Tagen ein warmes Bad mit kaltem gewechselt. (Siehe im ersten Teil.) Gut wäre während dieser Kur etwas Wermuttee, täglich zweimal je drei bis vier Löffel voll.
Katarrh.
Die zahlreichsten Katarrhe entstehen dadurch, daß man vom Aufenthalte in der Kälte und im Freien, vielleicht gar schwitzend, schnell in einen ziemlich geheizten und warmen Raum kommt. Auch kalte Zugluft, der man einige Zeit ausgesetzt war, kann schnell einen Katarrh reifen. Gewöhnlich fühlt man fast sofort eine Verengung auf der Brust, im Halse, in der Nase. Es ist, als stecke einem ein kleiner Knödel im Halse. Übersieht man diesen im Anfange des Katarrhs, so setzt er sich fest und breitet sich aus. Empfänglicher ist, wer zu warme Kleider trägt, wessen Körper und einzelne Organe infolge dessen sehr verweichlicht sind. Gar nicht schwer wäre es (ich sage es kühn), von jedem Katarrh frei zu bleiben, wenn man seinen Körper nicht „barbarisch“, sondern nur vernünftig abhärtete, wie dieses schon an so manchen Stellen betont wurde.
Wie muß man es anfangen, um verschont zu bleiben? Ein Beispiel soll uns darüber unterrichten. Ich bin eine[S. 275] Stunde weit stets in ziemlich starkem Tempo gegangen. Es ist draußen „hübsch frisch“, wie der Bauer die Hände reibend sagt; es hat gegen 12 Grad Kälte. Ich komme ohne Vermittlung in ein Zimmer von 14 Grad Wärme. Dieser plötzliche Temperaturwechsel von 26 Grad kann ja nicht ungerächt sich vollziehen, er muß Gefahr bringen. Am besten hätte ich getan, ich wäre die letzten 5–20 Minuten obiger Stunde um ein Weniges langsamer gegangen und dann noch einige Minuten in dem kühlen Hausflur geblieben, stets in einiger Bewegung. So hätte die durch das rasche Gehen erhöhte Wärme etwas abnehmen und der Schweiß sich verlieren können. Der Wechsel der Luft wäre so vermittelt und, wenn ich auch im Innern des Zimmers noch einige Zeit auf- und abgegangen wäre, völlig gefahrlos gewesen.
Spürst du die Folgen deiner Unvorsichtigkeit, den kleinen Knödel im Halse, wohlan, gehe nochmals ins Freie und mache dir eine leichte Bewegung in der frischen Luft! Diese wird in einer halben Stunde alles Überflüssige im Halse auflösen und entfernen.
Die Heiserkeit ist nichts anderes als die Ausdehnung des Katarrhs in den Sprechorganen. Das silberne Glöcklein gibt, wenn unterbunden, keinen Klang, die herrlichste Stimme bei durch Geschwulst belasteten Sprechorganen keinen Ton. Man hebe den Katarrh, und seine Gefährtin, die Heiserkeit, wird ihm ohne Säumen folgen![42]
Folgende Bemerkung noch dürfte manchem einen Dienst erweisen. Es gibt Leute, die Anlage haben, viel zu hüsteln. Jede Kleinigkeit, z. B. ein Kitzel der frischen Luft, ruft dieses Bellen hervor; es tut nicht wohl und tut nicht weh. Solche Menschen husten Jahre lang ohne den geringsten Schmerz. Gewöhnlich ist ein derartiger Zustand von den Eltern geerbt und dann schwer zu entfernen. Er hat indessen gar keine Bedeutung, rühre nun das Hüsteln aus dem Halse, rühre es von tiefer gelegenen Organen her. Solche Leute mag das Sprichwort trösten: Wer lang hustet, lebt lang. Andere Erbteile dagegen sind nicht so unschuldig, oft recht ernst und bedenklich und aller Beachtung wert. Dahin gehören z. B. die in irgend einer Familie oder Verwandtschaft herrschende Abzehrung, Schwindsucht usw.
Da gilt der Grundsatz: Principiis obsta! Gleich den ersten Anfängen entschieden und wirksam entgegen[S. 276]treten mit aller Umsicht und Vorsicht! Sonst kostet es Opfer früher oder später, leider oft recht früh. Ein kleiner vernachlässigter Katarrh kann, wo es sich in einer Familie um Schwindsucht handelt, der Borkenkäfer werden, der die stärkste Tanne, den kräftigsten Körper ruiniert und stürzt, ins Grab bringt. Vorsicht also! Durch kluges Verfahren können selbst ererbte Leiden ohne weitere schwere Folgen recht in die Länge gezogen werden.
Knieschwulst.
Ein Mädchen, 30 Jahre alt, bekam eine starke Geschwulst von oberhalb der Knöcheln bis über das Knie hinauf. Die Geschwulst war zeitweilig sehr schmerzlich, ganz fest und heiß. Die Kranke gebrauchte ein halbes Jahr ärztliche Mittel, unter anderem einen Gypsverband zwölf Wochen lang und einen zweiten acht Wochen lang. Der Zustand verschlimmerte sich so, daß der Fuß den Boden gar nicht mehr berühren durfte; besonders schmerzte das Kniegelenk. Weil alles nichts geholfen, wurden versuchsweise angeschwellte Heublumen aufgebunden, und zwar von oberhalb der Knöchel bis zur Mitte der Oberschenkel. Die Schmerzen ließen bald nach, und die Schwellung nahm ab; als die Geschwulst zur Hälfte verschwunden war, wurden auch Gießungen auf den leidenden Fuß vorgenommen (jeden zweiten Tag). Nach ungefähr acht Wochen war der ganze Fuß zum Gehen brauchbar, und nach einiger Zeit konnte das Mädchen wieder an seine sehr strenge Arbeit gehen.
Knochengeschwüre.
Oft treten rings um die Knochen harte Geschwülste auf, besonders gerne unten am Kinnbacken, an den Knöcheln, am Knie, auch an anderen Knochenstellen. Man könnte fast meinen, der Knochen sei selbst gewachsen. Daß die Sache nicht ohne Bedeutung sei, zeigt der meistens fiebernde Körper an und die Langwierigkeit der Heilung (oft 14 Tage bis drei Wochen). In der Tat erheischen solche Geschwülste stets große Vorsicht in der Behandlung und schnelles Eingreifen. Bei Vernachlässigung tritt gerne Knochenfraß ein, und dann ist die Hilfe nicht mehr leicht, oftmals unmöglich.
Die kräftigsten und schnellsten Heilmittel bestehen in einem zwei-, drei- bis vierfachen Wechsel mit Umschlägen an der geschwollenen Stelle. Am erprobtesten gelten mir Umschläge mit Absud von Heublumen, von[S. 277] Haberstroh, ferner Umschläge mit abgekochtem foenum graecum und mit Topfenkäs.
Bei einer Fußknöchelgeschwulst wird ein Unter- oder ein kurzer Wickel gute Dienste tun und die Heilung beschleunigen, bei einer Kinngeschwulst ein Schal oder Halswickel, auch der kurze Wickel, bei einer Kniegeschwulst ein Wickel des ganzen Fußes. Es genügt täglich eine der genannten Anwendungen.
Kolik.
Kolik mit Abweichen oder mit Erbrechen tritt oft plötzlich auf. Man kennt keinen Grund und keine Veranlassung. Es kann eine Erkältung, eine Erhitzung vorangegangen sein, oder irgend eine Speise, ein Trank hat der Natur den Spuk gespielt. Man bringe einen derartigen Kranken ungesäumt ins Bett, lege ihm ein warmes Tuch (vielleicht auch eine Bettflasche)[43] auf den Leib und decke ihn gut zu (ja nicht zu peinigend), so daß keine Luft zudringen kann. Als Linderungsmittel reiche man ihm einen Schoppen Milch, in der Fenchel oder Kümmel gesotten wurde. Das einfache Hausmittel wird genügen.
Was die Speise und das Getränk betrifft, solange der Zustand dauert, so wähle man recht einfache, wenig gesalzene, wenig gewürzte, leicht verdauliche Speisen. Wem als Getränk Wasser oder Milch ausreicht, den lobe ich mir. Wasser mit etwas Wein kann ich auch nur empfehlen.
Kopfflechten.
Eine Bauerstochter erzählte: „Ich habe schon ungefähr zwei Jahre stets Kopfausschlag, auch im ganzen Gesichte, bald stärker, bald schwächer; unter den Haaren bilden sich viele größere und kleinere Geschwüre, aus denen hitzige Flüssigkeit kommt. Ich habe häufig ein starkes Beißen am Körper, im Innern merke ich beständige Hitze; ich habe schon viel eingenommen, besonders Abführmittel, geheilt wurde ich nicht.
Die Wasserkur hat mich in sechs Wochen ganz hergestellt. Ich mußte folgende Anwendungen 3 Wochen hindurch gebrauchen: 1) In der[S. 278] Woche dreimal in der Nacht vom Bett aus ganz waschen und gleich wieder ins Bett; 2) in jeder Woche zweimal ein nasses Hemd anziehen, in Salzwasser getaucht; 3) in der Woche einen Kopfdampf nehmen. Zur vollständigen Ausheilung und Kräftigung weitere drei Wochen: einmal in der Woche ein nasses Hemd anziehen und ein- oder zweimal in der Woche ganz waschen. Zum Einnehmen täglich zweimal jedesmal 20 Tropfen Ginster-Extrakt in einem Glas Wasser.“
Kopfleiden (eigener Art).
Ein Herr von hohem Stande hatte ein Kopfleiden ganz eigener Art. Es begann regelmäßig morgens 7 Uhr, dauerte bis abends zum Sonnenuntergang und war derart schmerzlich, daß der Herr nicht einmal leichte Sachen lesen, viel weniger die Schreibereien seines Berufes besorgen konnte. Zur Nachtzeit fühlte er keine Spur von diesem Schmerz; dieser war wie weggeblasen, vorausgesetzt, daß er nicht geistig sich angestrengt hatte. Die Schmerzstelle befand sich an der Stirne links und hatte den Umfang ungefähr eines silbernen Fünfmarkstückes. Die Schmerzen griffen nicht den Kopf allein, sondern auch den ganzen Körper dergestalt an, daß der Herr zusehends abnahm; mit dem frischen Aussehen wich auch die Kraft. Die berühmtesten Ärzte wurden um Rat gefragt, auch eine Wasserheilanstalt war schon besucht worden, aber ohne sichtlichen Erfolg. Da sandten die Ärzte den Patienten zum letzten Versuch nach Meran, und von da kehrte derselbe, wie es schien, glücklich geheilt in die heimatliche Großstadt zurück. Seine Angehörigen begrüßten ihn mit Jubel und freuten sich innig seiner Genesung. Doch am andern Morgen Punkt 7 Uhr kehrte der alte unheimliche Gast wieder und faßte Posto an der früheren Leidensstelle. Ein Ach und Weh war im ganzen Hause, und guter Rat war teuer. Bekannte erinnerten den Herrn noch einmal ans Wasser, und zuletzt entschloß man sich zu einem Versuche. Der hohe Herr sah recht krank aus und war ziemlich abgemagert. Nachdem er sein Leiden geschildert, bemerkte er noch, er sei selten ohne Katarrh und besitze auffallend wenig Naturwärme. Man wolle all dieses einem viele Jahre früher erlittenen Unfalle zuschreiben. Sei dem, wie ihm wolle, so schloß er ab, ich kenne jetzt seinen Zustand und solle ihn heilen.
Das üble Aussehen, die schwache Naturwärme, die daraus folgende Empfindsamkeit gegen den Wechsel der Atmosphäre, das Abmagern, alle diese Symptome traten als ebenso viele vollgültige Zeugen auf, welche nicht den schmerzenden Fleck am Kopfe, sondern[S. 279] die ganze kranke Natur, den ganzen entkräfteten Körper anklagten. Darnach richtete ich mein Verfahren ein. Auf den Gesamtorganismus wurde eingewirkt und das lokale Kopfleiden nicht einer Anwendung gewürdigt. Die einfachen Abhärtungsmittel mit einigen Waschungen, wie sie im ersten Teil aufgezählt werden, bewirkten die Heilung, d. i. die gleichmäßige Transpiration der Haut, die richtige Zirkulation des Blutes, gute Verdauung und damit die Hebung der Naturwärme, besseres Aussehen, völlige Gesundung. Immer die alte Geschichte, und doch kann man sie nie genug von neuem erzählen!
Wie richtig mein Urteil bezüglich des Kopfleidens war, bewies der Erfolg. In zirka sechs Wochen erfreute sich der ganze Körper des besten Wohlseins. Auch das gefürchtete Stirnleiden brachte die 7 Uhr-Stunde nie wieder. Dessen Heilung hat das Wasser (wie gesagt, ohne jede Anwendung auf diese Stelle) bei Heilung des Gesamtkörpers umsonst obendrein gegeben.
Kopfleiden.
„Seit 6–7 Jahren,“ so berichtet ein Herr, „leide ich mehrere Wochen an einem Kopfweh, das mir die Erfüllung meines Berufes recht hart und oft unmöglich macht. Es verschwand mir oft aller Mut und alle Lebensfreude. Ich habe einen Druck in dem Kopf und das Gefühl, als ob etwas in einer Flüssigkeit umherschwämme. Jeder feste Fußtritt bewirkt neue Schmerzen im Kopf. Wenn ich durch Gehen oder Arbeiten warm werde, ist’s mir ungefähr, wie es einem recht Betrunkenen sein mag. Achtmal hatte ich schon Nierensteinkolik. Zwölf Ärzte, die ich wegen meiner Rückenschmerzen zu verschiedenen Zeiten konsultierte, haben das Übel nicht erkannt. Nur ein einziger hat mir etwas Hilfe bringen können. Nierenschmerzen bekomme ich, wenn ich etwas Saures esse, oder wenn sich zu viel Gase anhäufen; wenn ich länger gehe und warm werde, wenn ich länger sitze oder stehe, spüre ich das Übel gleich. Bald fühle ich eine Feuerhitze im ganzen Körper, und bald darauf bin ich durch und durch voll Frost. Der Sommer ist mir immer härter als der Winter. Früher habe ich viel an Schlafsucht gelitten. Gesund war ich, sehr kräftig, stark und gut gebaut. Ich glaube, daß man kaum noch elender sein kann, als ich zwanzig Jahre hindurch gewesen bin. Ich war auch schon einmal in Königstein in der Heilanstalt, bekam wohl Erleichterung, aber nicht Heilung.“
Die Anwendungen waren: 1) Täglich zweimal Oberguß, 2) Täglich im Wasser gehen und Knieguß. In der Woche drei-[S. 280] bis fünfmal Rückenguß, öfter Sitzbad, besonders fleißig die Abhärtungsmittel: im Gras und auf Steinen gehen, Tee trinken von Wacholderbeeren, Hagebutten, Zinnkraut, aber nur zeitweilig, täglich zwei Tassen.
Innerhalb vier Wochen war er gesund, und jetzt nach einem halben Jahre kann man sagen, er besitze die volle Gesundheit und auch die vollste Kraft, geistig und körperlich.
Ein Mann erzählt: „Ich bin 35 Jahre alt, habe beständig Kopfweh und manchmal eine solche Schwäche, daß ich es fast gar nicht aushalten kann. Auf der Brust habe ich meistens Schmerzen, gerade so auf dem Rücken. Am schmerzlichsten ist mir das Genick, wo ein beständiges krampfhaftes Zusammenziehen ist. Ganz auffallend ist, daß mir die Haare massenhaft vom Kopfe fallen; wenn es noch ein halbes Jahr so fortgeht, dann habe ich kein Haar mehr auf dem Kopfe. Füße und Hände sind meistens ganz kalt. Appetit habe ich gar keinen.“
Anwendungen: 1) Dreimal in der Woche ein nasses Hemd anziehen, in Salzwasser getaucht. 2) Dreimal in der Woche während der Nacht den ganzen Körper waschen. 3) Täglich eine Messerspitze voll weißes Pulver einnehmen.
Nach zwei Monaten zeigte sich dieser Mann und erklärte, daß er jetzt vollständig gesund sei; er verspüre nur da noch Nachwehen, wo er die ärgsten Leiden gehabt habe. Sein Körpergewicht hatte um 10 Pfund zugenommen.
Zwei Herren, Musiker von Beruf, erzählen folgendes: „Wir haben beide ein Leiden: Kopfweh beständig, manchmal fast unausstehlich, Schlaf ganz wenig und unruhig. Kongestionen und Schwindel belästigen uns fast zum Verzweifeln. Füße und Hände sind ganz kalt. Wir sind fast unfähig zu unserm Berufe.“ Beide waren über fünfzig Jahre alt.
Zwölf Tage hindurch gebrauchten diese beiden Leidensgefährten folgendes: Durch 6 Tage täglich zweimal Oberguß und zweimal Knieguß; die folgenden 6 Tage abwechselnd den einen Tag ein Halbbad, den andern Tag einen Rückenguß; außerdem einmal wöchentlich je einen Kopfdampf. Nach diesen 12 Tagen waren beide hergestellt und übernahmen wieder ihren Beruf.
Um die Gesundheit zu bewahren und an Kräften zu gewinnen, war weiter nichts mehr notwendig als täglich eine Anwendung zur Abhärtung und zweimal wöchentlich ein Halbbad. Zufolge neuerdings gegebenen Nachrichten hielt die Besserung vollkommen an.
Ein Herr aus Ungarn kommt mit folgenden Angaben: „Mehr als ein Jahr bin ich in meinem Berufe unfähig wegen heftiger Kopfschmerzen und starken Schwindels. Am ganzen Körper habe ich intensives Beißen und Brennen, das mir oft den Schlaf raubt. Infolge des Leidens bin ich teilweise schmermütig und recht ängstlich.“
Nach wenigen Wochen trat vollkommene Genesung ein unter Gebrauch folgender Wasserkur: 1) Oberguß, gleich darauf Wassergehen; 2) Halbbad täglich; in der zweiten und dritten Woche dreimal ein Halbbad, täglich Oberguß und Knieguß; 3) späterhin Vollbäder und Oberguß mit Wassergehen.
Kopfleiden, nervöses.
Zwei Studenten mußten die Anstalt verlassen, ehe das Schuljahr zu Ende war. Sie hatten beide so viel Kopfleiden und Blutandrang in den Kopf, daß sie nicht mehr studieren, selbst nur mehr einige Minuten lesen konnten. Beide haben durch alle angewendeten Mittel keine Hilfe gefunden. Ich gab diesen armen Studierenden den einfachen Rat, sie sollen die meiste Zeit des Tages mit Barfußgehen, besonders im Tau zubringen; sie sollen wo möglich im Wald oder in irgend einem Bächlein jede Stunde einige Minuten hineinstehen, dazu noch täglich zwei, bei warmer Witterung sich drei Obergüsse geben lassen.
Die beiden Jungen befolgten diesen Rat, taten noch mehr, als verlangt wurde. Das sichtliche Besserwerden machte ihnen Mut, und sie gingen am Schluß der Vakanz gesund und freudig wieder in ihre Lehranstalt.
Wenn doch in den Anstalten, wo so viel geturnt wird, auch ähnliche Turnübungen vorgenommen würden, bei denen die Natur nicht erhitzt und aufgeregt, sondern beruhiget wird! Es ist unglaublich, welche Wirkung das Barfußgehen auf nasser Wiese oder im Tau ausübt.
Ein Mann von 45 Jahren kommt klagend zu mir und beginnt: „Die Ärzte erklären mein Leiden für nervöses Kopfleiden. Ohne Kopfbinde bin ich gar nie; ich habe manchmal einen unausstehlichen Druck am Hinterkopfe, bald rechts, bald links. Kommt das Leiden auf den Rücken, dann bekomme ich starkes Herzklopfen, oft mehrere Stunden lang. Der Appetit vergeht oft ganz; ich habe einen solchen Schwindel, daß ich nicht mehr allein gehen kann; deshalb mußte meine Frau mitreisen. Über alle diese Leiden aber geht mein Gemütsleiden. Ich habe eine solche trostlose[S. 282] Schwermut, daß ich mir schon oft den Tod gewünscht habe.“ Der Herr war ziemlich beleibt, die Gesichtsfarbe gelblich und abgestanden, der Leib stark gefüllt.
In 13 Tagen war der ganze Zustand wieder in Ordnung. Das Körpergewicht hatte viel abgenommen; Kopfweh und Schwindel waren verschwunden; statt dessen aber waren heitere Stimmung, guter Schlaf und Appetit zurückgekehrt.
Die Anwendungen waren folgende:
1. den einen Tag ein Oberguß und Knieguß vormittags, Rückenguß und Wassergehen nachmittags;
2. den andern Tag vormittags Rückenguß, später Wassertreten, nachmittags wieder Rückenguß und später Knieguß;
3. am dritten Tage vormittags ein Oberguß und Knieguß, nachmittags Ganzguß, später Halbbad.
Der Patient, weil kräftig und stark, erhielt täglich vier Anwendungen.
Krämpfe.
Ich wurde zu einer Kranken gerufen; diese zitterte am ganzen Körper, und es warf sie im Bette bald in die Höhe, bald rechts, bald links; die Kranke selber konnte nicht reden; ihre Mutter erzählte:
„Meine Tochter hat stets schreckliche Kopfschmerzen, ein arges Drücken auf der Brust und in der Magengegend; Hände und Füße sind stets eiskalt und naß von einem schmierigen Schweiß; meine Tochter ist drei Vierteljahre verheiratet; zehn Wochen lang war sie ganz gesund; dann haben diese Zustände im kleinen begonnen und sich bis auf diese Höhe gesteigert; essen kann sie nichts oder höchstens einige Löffel voll leere Fleischsuppe oder Kaffee. Alles, was sie von Ärzten eingenommen, und auch Einspritzungen, und was man zu einem gezwungenen Schlaf angewendet, hat den Zustand nur noch mehr verschlimmert.“
Dieser Kranken gab ich folgenden Rat:
Täglich zweimal die Füße ins kalte Wasser bis über die Waden und nebenzu die Füße abwaschen mit Schwamm oder Handtuch; gleich darauf die Hände ins kalte Wasser bis an die Achseln eine Minute lang, und nebenzu auch die Hände waschen; Hände und Füße sollen dann unter die warme Bettdecke kommen; jeden Morgen und jeden Nachmittag soll die Kranke ungefähr zwölf[S. 283] Kamillen-Tropfen (siehe Apotheke) in 6–8 Löffel voll warmen Wassers einnehmen. Als Nahrung soll sie von Zeit zu Zeit 3–4 Löffel voll Milch essen oder Malzkaffee trinken; besonders empfiehlt es sich, mit Milch und Malzkaffee zu wechseln.
Nach 12 Tagen war die Person so weit voran, daß sich der Appetit zur gewöhnlichen Hausmannskost einstellte; die Krämpfe waren verschwunden, und der drückende Schmerz auf Brust und Magengegend hatte aufgehört; das Kopfweh war weg, Hände und Füße warm.
Die weiteren Anwendungen waren: jeden zweiten Tag die Füße ins kalte Wasser wie oben; zweimal in der Woche ein warmes Fußbad mit Asche und Salz, 14 Minuten lang, und einmal in der Woche vom Bett aus ganz waschen und gleich wieder ins Bett. Statt Kamillentropfen hat sie Wermut- und Salbeitropfen genommen, jedesmal 10–12 Tropfen im warmen Wasser; die Kranke war so weit hergestellt, daß sie wieder in die Kirche gehen und ihre Hausarbeit verrichten konnte, und braucht sich, um vollständig gesund und kräftig zu werden, nur zweimal in der Woche kalt zu waschen; Halbbäder würden noch kräftigere Dienste tun.
Krätze.
Das verabscheute Übel der Krätze kann am und noch mehr im Körper viel Unheil anrichten. Am meisten zu beklagen ist, daß man, um (es sei das triviale Wort gestattet) diese Laus aus dem Pelz zu treiben, vielfach seine Zuflucht zu Mitteln nimmt, welche, statt zu heilen, grenzenlos schaden und den mißhandelten Körper ins größte Elend bringen können. Wer kennt alle die fettigen Salben mit Schwefel-, Branntwein- und, wer weiß, mit welch anderen Beimischungen? Eines tun diese ekelhaften Schmierarzneien: Sie verschließen gründlich die Poren der Haut, verbarrikadieren der zum Wohlbefinden des Körpers absolut notwendigen Transpiration durch fettige Krusten gründlich ihre Luft- und Wasserkanäle, treiben Schweiß und Ausdünstung in den Körper zurück, vergiften so Blut und Säfte und bereiten schwere Krankheiten vor, manchem die Todeskrankheit. Das ist nicht übertrieben, aber sehr betrübend, wenn man weiß, wie leicht und schnell und ungefährlich die Krätze zu heilen ist.
Bei mir suchte einmal ein 28jähriger, gutgewachsener Mensch Hilfe, dessen Aussehen mich sofort an ein durch und durch wurmstichiges Brett erinnerte. Nirgends fand er Rat; man wußte[S. 284] eigentlich nicht, was ihm fehle. Ich fragte ihn: „Haben Sie in der Jugend vielleicht einmal die Krätze gehabt?“ Er bejahte meine vorwitzige Frage, indes mit dem Aber: „Sie ist in drei Tagen geheilt worden.“ — So will ich nicht heilen. Gott bewahre!
Gerade bei derlei ekelhaften Krankheiten, die deutlicher als alles andere auf Giftiges schließen lassen, muß bei der Heilung obenanstehend der Grundsatz gelten: Was drinnen ist im Körper und nicht hinein gehört, das muß hinausgetrieben werden. Das Gegenteil praktizieren wollen hieße etwa ebensoviel als Ungeziefer in die Kleider und Haare, Erdkrebse in die Mistbeete, Mäuse in den Acker einpflanzen. Nach dem Grundsatze richten sich die Anwendungen, die das Ungesunde, Giftige hervorlocken, ausziehen, entfernen, nebenbei den ganzen Organismus zu kräftiger Mithilfe stärken müssen.
Erst nahm unser Kranker drei Tage nacheinander je ein warmes Bad (33° R.) mit Absud aus Fichtenreisern[44] mit dreimaligem Wechsel. Eine Seife tat ihm vortreffliche Dienste, die Poren allseitig zu öffnen und den Schmutz zu entfernen. Man muß einmal die Dinge mit ihrem Namen nennen, — ich kann nicht dafür, — wenn es auch manche Nerven etwas unangenehm affiziert. Nach den Bädern folgten als stärkende Anwendungen noch in der ersten Woche nächtliche Ganzwaschungen vom Bette aus und ein viertes warmes Bad mit kalter Abwaschung; in der zweiten Woche ein warmes Bad mit kalter Waschung und ein kaltes Halbbad mit Waschung des Oberkörpers; in der dritten Woche ein kaltes Ganzbad; in der Folge je innerhalb eines oder zweier Monate ein paar warme Bäder. Sollte die Heilung sich in die Länge ziehen, so kann mit den zwei letztgenannten Anwendungen fortgefahren werden. Selbst ein warmes Bad wöchentlich könnte nur gute Wirkungen haben.
In 6 Wochen war unser recht armseliger Patient geheilt und konnte sich endlich einen Beruf wählen. Bis heute dauert seine kräftige Gesundheit an; von dem früheren lästigen Übel hat er nie mehr das geringste verspürt.
Also behandelt man die nach innen gedrungene Krätze.
Wird jemand äußerlich von der Krätze befallen, so nehme auch er ein warmes Bad von 33–34° R. und reibe sich mit scharfer Seife, am wirksamsten mit „grüner Seife“, die er in jeder Apotheke bestellen kann, kräftig ein. Nach ¼stündigem Bade wasche er sich mit reinem Wasser (kalt oder warm) und mit anderer, gewöhnlicher Hautseife ab. Trefflich würde es wirken, wenn der Kranke sofort in ein zweites derartiges Bad, jedoch mit erneuertem warmen Wasser steigen könnte (am Schlusse ebenfalls kalte oder warme Abwaschung).
Da die Krätze in sehr vielen Fällen durch Kleidungsstücke, Bettwäsche usw. ansteckt und vererbt wird, so ist es eine Hauptsache, nach den Bädern sowohl die Leibwäsche und Kleidung als auch die Bettwäsche gründlich zu wechseln. Alle Anwendungen würden sonst nichts nützen.
In 3–4 Tagen kann auf diese Art die Krätze geheilt werden.
Krebs.
Eine gar häufige Krankheit unserer Zeit sind die verschiedenartigsten Krebse. Es ist wohl kaum ein Teil des Körpers, der nicht vom Krebs oder krebsartigen Schäden zerstört werden könnte. Hat dieses Übel einmal weiter um sich gegriffen, so wage ich mit Wasser nichts mehr anzufangen; Blut und Säfte sind schon zu verdorben.
Die Krebskrankheit ist erblich, zumal wenn bei einem Individuum Blut und Säfte bereits zu einer derartigen Zersetzung hinneigen.
Mir sind Eheleute bekannt, die eine an Zungenkrebs leidende Base besuchten. Ohne Ahnung von einem so schrecklichen Übel entsetzten sich beide, als sie die schauderhaften Verwüstungen wahrnahmen. Bei der Frau schwoll die halbe Zunge innerhalb drei Tagen krankhaft an; dem Manne wurde die Unterlippe entzündet und wund. „Wir haben die Krankheit geerbt,“ — so klagend kamen sie zu mir. Ich suchte die bis zum Tode Erschrockenen zu ermutigen und ihnen nach Können ihr steifes Behaupten auszureden. Zugleich riet ich ihnen, sie sollten den einen Tag mit Alaunwasser den ganzen Mund, besonders die angegriffenen Stellen ungefähr viermal gut auswaschen, den zweiten Tag mit Aloëwasser die Waschung wiederholen, zudem jeden zweiten Tag einen Kopfdampf nehmen und im Wechsel mit dem Kopfdampfe einen Wickel um den Hals anlegen.
Die zwei Personen wurden von dem Übel ganz befreit. Ich selbst hätte nie geglaubt, daß bloßer Schrecken die Wirkung habe,[S. 286] eine so entsetzliche Krankheit zu vererben. Später erfuhr ich, daß sich ein Arzt wirklich dahin ausgesprochen habe, die Leute hätten das Übel geerbt.
Von beginnenden Krebsübeln, auch von fortgeschrittenen kleineren Krebsschäden sind mir mehrere Fälle vorgekommen. Sie konnten leicht geheilt werden. Alle Anwendungen zielten lediglich hin auf Reinigung des Blutes und der Säfte.
Leibschaden.
Ein Herr, ungefähr 40 Jahre alt, klagte über Schwindel, Kongestionen und heftige Kopfschmerzen; er hätte einen guten Appetit, aber wenn er nach Appetit esse, müsse er es büßen. Wie sein Aussehen blühend rot, so ganz widernatürlich stark war sein Leib, obwohl Arme und Füße unverhältnißmäßig dünn waren.
Er trug ein Bruchband auf Anraten der Ärzte, weil zwei Leibschäden im Entstehen waren. Das Hauptübel bestand in Auftreibung des Unterleibes durch Gase.
Als durch die Anwendungen des Wassers die Gase beseitigt und die Organe gekräftigt waren, verschwanden die hervorragenden Erscheinungen von Leibschäden; es wichen die Kongestionen samt dem Kopfschmerz, und so war der Kranke nach 4 Wochen vollständig hergestellt.
Die Behandlung bestand in folgendem: 1. Tag: Oberguß mit Knieguß vormittags, dann Oberguß mit Wassergehen nachmittags. 2. Tag: Oberguß mit Wassergehen bis an die Knie vormittags, nachmittags Oberguß mit Wassergehen. 3. Tag: Oberguß mit Wasserknien; nachmittags: Rückenguß. 4. Tag: Oberguß und Wasserknien; nachmittags: Rückenguß. 5. Tag: Halbbad, später Oberguß; nachmittags: Oberguß und zwei Stunden später Sitzbad. 6. Tag: Oberguß und zwei Stunden später Halbbad; nachmittags: Bad bis unter die Arme. 7. Tag: Wassergehen bis über die Knöchel und zwei Stunden später Rückenguß.
In dieser Weise wurde fortgefahren, bis in vier Wochen die vollständige Gesundheit wieder erlangt war; besonders merkwürdig ist, daß sowohl sein aufgedunsenes Gesicht, sein ungewöhnlich ausgedehnter Leib, als auch die Leibschäden gänzlich verschwunden waren.
Lungen-Entzündung.
siehe oben Seite 210.
Lungenleiden.
Eine Hausfrau erzählt folgendes: „Die Ärzte sagen, ich habe Lungen- und Rachenkatarrh, meine Lunge sei stark angegriffen, und zwei Ärzte erklärten, es sei mir nicht zu helfen. Ich möchte[S. 287] nur noch den Versuch machen mit Wasser; wenn auch dies nicht hilft, so füge ich mich in Gottes Willen.“ Durch 20 Tage hat das Weib täglich zwei Obergüsse erhalten und gleich darnach Knieguß und zweimal in der Woche einen kurzen Wickel; ferner täglich zwei Tassen Tee, in kleinen Portionen, von gesottenem Fenchelsamen, Brennesseln und Spitzwegerich. Nach dieser Zeit war der Husten verschwunden, alle Verschleimung gehoben, das Aussehen frisch, und die Kräfte waren wiedergekehrt.
Magengeschwüre.
Vieles Erbrechen, Brennen im Magen usw. sind noch keine entscheidenden Zeichen für Magengeschwüre. Daß indes solche manchmal vorkommen, ist leider nur zu wahr.
Solche Leidende sollen ja nichts Ätzendes einnehmen, wenig salzen, wenig pfeffern, wenig würzen. Recht einfache Kost und noch einfachere Getränke, besonders Milchkur, haben sich schon als die allerbesten Heilmittel erwiesen für die beginnenden kleinen Geschwürchen.
Im übrigen gibt uns das Heilverfahren bei kleinen äußerlichen Geschwüren einen Fingerzeig für die Heilung von Geschwüren im Innern. Am Finger kann ich ein Geschwür recht leicht heilen, wenn ich einen kleinen Lappen fleißig ins Wasser tauche und naß umwinde; er reinigt und heilt. Warum sollten innere Geschwüre nicht auch heilen, wenn man längere Zeit jede halbe Stunde einen Löffel Wasser einnimmt, oder wenn man aus erprobten Heilkräutern einen Tee sich machen läßt und, statt die gewohnte Tasse auf einmal zu trinken, jede halbe Stunde oder jede Stunde ebenfalls sich mit einem Löffel voll begnügt? Mache man einmal den Versuch mit Wermuttee oder mit Salbeitee oder mit Tee von beiden Kräutern zugleich (halb und halb)!
Oder man nehme eine kleine Messerspitze Aloëpulver, löse es in einem Viertelliter Wasser auf und genieße die Arznei wiederum arzneiweise, d. h. alle Stunden einen Eßlöffel voll; wohlgemerkt, letztere Medizin nur immer einen halben Tag lang und mit Ausständen von je 2–3 Tagen.
Ein treffliches Hausmittel, das selbst dem Ärmsten nicht abgeht, ist das Krautwasser (in jeder ganz oder teilweise gefüllten Krautstande genügend zu bekommen). Das Sauerkrautwasser heilt die ältesten Schäden. Man vermische zu dem Zwecke einen Eßlöffel Krautwasser mit 6–8 Löffeln gewöhnlichen Trinkwassers und nehme jede Stunde einen Eßlöffel voll. In der Regel[S. 288] hat nach meiner Erfahrung diese Trinkkur gewirkt, und sollte einmal die vorteilhafte Wirkung ausbleiben, Schaden bringt das Hausmittelchen nie. Immer ist solche Medizin ratsamer und sicherer als diese und jene Giftpräparate.
Tee von Spitzwegerich wäre auch nicht zu verschmähen.
Als äußere Anwendungen empfehle ich solchen Kranken jeden zweiten Tag eine 2–4fältige Linnenauflage auf den Unterleib, je 1½–2 Stunden zu tragen. Vorteilhafer als ein Eintauchen in einfaches Wasser hat sich ein Benetzen mit Absud von Heublumen, Zinnkraut, Fichtenreisern bewährt.
Sitzen einmal große, bösartige Geschwüre im Magen, gleich gefräßigen Raub- und Nagetieren, so ist an eine Heilung nicht mehr zu denken. Das Zerstörungswerk schreitet weiter und endet stets mit dem Zusammensturze des Ganzen, mit dem Tode.
Magen- und Darmkatarrh.
Eine Frau, 40 Jahre alt, klagte über folgende Leiden: „Auf der linken Seite unterhalb der Rippen habe ich immer Schmerzen, bald schwächer, bald stärker; ich kann oft die Schmerzen nicht mehr aushalten. Gerade so leide ich an Wasserbeschwerden; manchmal geht bereits nichts ab, und geht es auch oft besser, so habe ich doch immer Schmerzen. Recht oft wird der Schmerz so stark, daß ich mir den Tod schon gewünscht habe. Dann bin ich auch so aufgetrieben, daß ich mir nicht zu helfen weiß; mein Hals wird oft so dick und aufgedunsen, daß ich kaum zu reden vermag. Ich habe schon viel gebraucht von Ärzten und Nichtärzten; manchmal bekam ich etwas Linderung, aber bald war wieder die alte Geschichte da.“
In vier Wochen wurde diese Frau von ihren Leiden befreit durch folgende Anwendungen:
1. jede Woche viermal angeschwellte Heublumen warm auf den Unterleib und Magen in einem Tuche aufbinden, 1½ Stunden lang;
2. dreimal in der Woche in der Nacht vom Bette aus sich ganz waschen, mit Wasser und etwas Salz daran, eine Minute lang, und gleich wieder, ohne abzutrocknen, ins Bett;
3. jeden Tag eine Tasse Tee von 20 zerstoßenen Wacholderbeeren und etwas Zinnkraut, 10 Minuten lang gesotten, während des Tages in 3 Portionen trinken; so 12 Tage lang.
Nach diesen 12 Tagen folgende Anwendungen:
1. einmal in der Woche die Heublumen aufbinden;
2. dreimal in der Woche in der Nacht sich ganz waschen und
3. zweimal in der Woche ein Halbbad, eine halbe Minute lang;
4. den Tee forttrinken. So drei Wochen lang.
Um den Körper in Gesundheit zu erhalten, reicht aus, in der Woche drei Halbbäder zu nehmen.
Magenkrampf.
Herr N. hat sich öfters erkältet und dadurch Leibschmerzen bekommen; er mußte infolge Anhäufung von Gasen sich oftmals erbrechen. War viel Luft abgegangen, und hatte er sich stark erbrechen können, fühlte er sich wieder wohl und hatte besten Appetit. Das Übel steigerte sich aber mit der Länge der Zeit und begann ziemlich schnell nach jeder Mahlzeit derart heftig, daß er vor Schmerz zuweilen aufschreien mußte. Dabei waren Hände und Füße eiskalt und der ganze Körper in leichtem Frost.
Der Magen ist in solchen Fällen gewöhnlich ganz schuldlos, und der heftige Druck der Luft auf denselben verursacht Brechreiz und Erbrechen. Letzteres selbst lindert das Übel nur auf kurze Zeit. Völlig beseitigt wird es nur dann, wenn im ganzen Körper gleiche Wärme und gleiche Transpiration wie auch Zirkulation des Blutes hergestellt ist. Dies wurde dadurch erreicht, daß der Kranke am ersten Tag dreimal mit ganz warmem Wasser und Essig im Bett gewaschen und, ohne abgetrocknet zu werden, gut zugedeckt wurde. Am zweiten Tage geschah dies nur zweimal und von da ab täglich nur einmal. Dies Verfahren genügt, so oft man durch Erkältung sich Fieber, verbunden mit Aufstoßen der Luft und Erbrechen, zugezogen hat.
Magenleiden.
Armer Magen, was sollst du nicht alles verschuldet haben! Neben dem Herzen und den Nerven bist du wohl der Hauptsündenbock! Frage hundert Menschen, ob sie nicht magenleidend seien! Ganz wenige antworten mit einem entschiedenen Nein. Und doch ist in den allermeisten Fällen der Magen so unschuldig wie ein neugeborenes Kind und so gesund wie ein spielender, heiterer Knabe. Beispiele mögen meine Behauptung erhärten.
Amalie hat ein ganzes Jahr hindurch das meiste, was sie genossen, erbrechen müssen. Nichts konnte sie bei sich behalten als täglich 3–4 Löffel lauwarmer Milch. Sie befragte mehrere berühmte Ärzte. Der Apotheker erklärte zuletzt, er habe in seiner[S. 290] ganzen Apotheke kein Mittel mehr, welches nicht schon versucht und angewendet worden sei.
Man brachte die Kranke, ohne anzufragen, auf einem Wagen vor meine Wohnung. Fortschicken konnte ich die armen Leute doch nicht. Die Arme war sehr abgemagert, die Züge eingefallen, die Stimme gebrochen, — ein Jammerbild. Husten indessen (das war mir das wichtigste) war nicht vorhanden, nur ein fatales Magenleiden; ich sollte ihr doch, meinten die Leute, etwas geben für den Magen. Sofort erklärte ich, sie sollen ruhig sein und nicht so über den Magen herfallen und schimpfen, da fehle es ganz anderswo; zu den gesündesten Teilen an und in dieser Person gehöre der Magen. Die einen ärgerten sich, die anderen lachten; die Kranke selbst stutzte zweifelnd, ob ich auch recht bei Sinnen sei. Soweit hergefahren, mochte sie denken, unter solchen Schmerzen, und jetzt diese mitleidslose und harte Aussage eines Geistlichen! Mir war das alles eins.
Was brachte mich zu solchem Urteile?
Die Person hustete nicht, aber es stieß ihr die Luft (die Gase) beim Munde heraus. Der Magen und der Unterleib waren mit Gasen bis aufs äußerste, bis zum Übermaß gefüllt. In solcher Umgebung kann es niemand mehr aushalten, selbst nicht der sonst so geduldige Magen; er muß seine geregelte Tätigkeit ganz oder zum größten Teile einstellen. Das Übel vergrößerte sich dadurch, daß die Haut ganz trocken und jede Transpiration gehemmt war.
Die Aufeinanderfolge der Anwendungen war diese: Lauwarme Unterwickel, Waschung des Oberkörpers, kurzer Wickel, Ganzwaschung, Knieguß (eine halbe Minute), abermaliger Unterwickel, Oberguß, ins Wasser knien (eine halbe Minute) bis an die Magengegend, Ganzwaschung, Ober- und Unteraufschläger. Jeden halben Tag sollte die Kranke eine dieser Anwendungen der Reihe nach gebrauchen, dazu täglich ein paarmal auf nassen Steinen gehen.
Durch laue Unterwickel suchte ich die Haut erst wieder wärmer, feuchter und weicher zu machen, dann durch Ganzwaschungen und all die anderen Übungen insbesondere auf den Unterleib einzuwirken. Es gelang; die Luft, die Gase suchten die richtigen Auswege, und die Transpiration, die normale Tätigkeit der Haut kam in Gang. Mit dem Schwinden der Gase rückte in den luft- und gasleeren Raum der Appetit ein; Blut und Säfte mehrten sich, und in der kurzen Zeit von 5 Wochen war die Kranke gesund.
Rosa leidet seit langen Jahren am Magen, seit einigen Monaten an besonders heftigen Magenkrämpfen. Sehr oft muß sie das Bett hüten, und wenn das Aufsein auch leidlich ist, kann sie nur mit großer Not und Anstrengung ihrem Berufe teilweise vorstehen. Mehrere Ärzte haben erklärt, es fehle ihr weiter nichts, sie besitze nur einen recht schlechten Magen. Die arme Geplagte brauchte viel in tropfbar-flüssiger und fester Form, in Pulver- und Pillen- und anderer Gestalt, zum Teile scharfe Sachen.
Das Aussehen läßt auf arge Leiden schließen: die Gesichtszüge sind eingefallen, die Farbe ist blaß, der Körper nur mehr Haut und Knochen. Ihr Unterleib — so ergänzte sie das Krankheitsbild — sei stark aufgetrieben, und sogar das anliegende Kleid verursache ihr Schmerzen. Oft habe sie sich erbrochen, und Füße und Hände seien stets ganz kalt.
Mein Gutachten lautete wie im vorhergehenden Falle. Rosa hatte sich den Unterleib gründlich dadurch verdorben, daß sie oft plötzlich von der Hitze in die Kälte, vom heißen Herde weg in den Eiskeller kam und nicht wußte, wie sie sich gegen die schon bald fühlbaren schädlichen Einflüsse schützen könne. Dazu hatte sie niemanden, dem sie sich anvertrauen wollte, und sie trug die vermeintlichen kleinen Übel, solange sie diese ertragen konnte, bis endlich der Druck vom Unterleib aus so heftig wurde, daß dem Magen, eingeengt und eingezwängt, wie er war, alles, was er an Speisen aufnahm, förmlich wieder ausgepreßt wurde.
Zu den allgemeinen Anwendungen, die Tätigkeit in den ganzen Körper zu bringen hatten, mußten besondere für den Unterleib (nicht den Magen) hinzukommen, das Angesammelte, besonders auch die Gase, zu lösen und auszuleiten. Als Anwendungen folgten (jeden Tag eine derselben):
der spanische Mantel (allgemeine Anwendung);
Überlagen mit angeschwellten Heublumen auf den Unterleib, jeden Tag 2 Stunden lang;
der kurze Wickel (auflösend und ableitend);
Ober- und Unteraufschläger;
wiederum der spanische Mantel.
Als Nebenanwendungen dienten das Gehen auf nassen Steinen oder im nassen Grase, mitunter der Knieguß. Nach 4 Wochen reichten aus ein Wechsel zwischen dem spanischen Mantel und dem kurzen Wickel, jeden zweiten Tag eine dieser Anwendungen. Daneben mußte die Kranke, wie oben bemerkt,
häufig barfuß gehen. Rosa wurde ganz gesund und ist es heute noch. „So gesund bin ich,“ äußerte sie sich bei einer jüngsten zufälligen Begegnung, „wie noch nie in meinem Leben.“
Friedrich erbrach anfangs viel Magensäure, später alles Gegessene und Getrunkene. Alle Mittel halfen nichts, und der Arzt definierte das Übel als Magenverhärtung mit Magenschluß.
Das Aussehen des Patienten war gar nicht schlecht, die Züge wohl etwas alt und die Gesichtsfarbe gelb. Luft stoße es ihm viel aus dem Magen, meinte er; der Unterleib sei vor Blähungen oft wie eine Trommel, und dann zeige sich auch regelmäßig heftiges Weh im Kopfe. Wiederum haben wir Untätigkeit im unteren Revier, Schlaffheit der Gedärme. Daher der ungeregelte Stuhlgang, die Häufung der Gase und daher der Druck auf Magen und Kopf. Der Kranke mußte 10 Tage hindurch täglich ein Tuch, getaucht in Wasser und Essig, 2 Stunden lang auf den Unterleib binden, täglich ein warmes Fußbad nehmen mit Asche und Salz und den Rücken sich in jeder Nacht zweimal kalt abwaschen lassen. Nach 6 Tagen schon verbesserte sich der ganze Zustand. Nach 10 Tagen wandte der Patient wöchentlich zweimal den kurzen Wickel, einmal den spanischen Mantel an und nahm jeden zweiten Tag ein Fußbad mit Asche und Salz. Die dritte Verordnung bestimmte für die letzten 2 Wochen wöchentlich je 3 Ober- und Untergüsse und 2 Halbbäder (bis an die Magengegend). In 6 Wochen war der Kranke vollständig hergestellt.
Unzählige solcher Fälle könnte ich noch anführen; das Gesagte mag indes genügen.
Das muß und will auch ich gerne konstatieren und zugeben: Wenn solche Übelstände nicht beseitigt, wenn der fortwährende Druck und die stete Pressung mit der Hand in Hand gehenden Entzündung des Magens nicht gehoben werden, dann freilich müssen nach und nach die berüchtigten und gefährlichen Magengeschwüre entstehen, die meistens in die entsetzliche Krebskrankheit (Magenkrebs) ausarten.
Selbst da noch können Täuschungen und Irrungen vorkommen. Ein Beispiel will ich nur andeuten. Ein Familienmitglied habe, so meldete man mir einstens, nach dem Ausspruche verschiedener Fachleute den ausgebildeten Magenkrebs, und man lasse bei mir nur anfragen, welche Vorsichtsmaßregeln in diesem Hause zu treffen seien, daß die schreckliche Krankheit nicht ansteckend wirke. Ich gab Regeln an, darunter auch für den
Kranken selbst solche, welche ihn in 4 Wochen vollkommen heilten und dem Krebs zum Rückzuge bliesen. Die Mittel bestanden in einfachen Teen von Schafgarbe, Wermut und Salbei und in kurzen Wickeln im Wechsel mit Fußbädern.
Kongestionen nach dem Essen, sowie Aufstoßen der Speisen, besonders 2 Stunden nach dem Essen und weiterhin den ganzen Nachmittag, wiederholten sich ungefähr alle 4–5 Minuten; außerdem träger Stuhlgang, völlige Schlaffheit der Gedärme, starker Fußschweiß (starker, ekelhafter Geruch). Dieser Zustand dauerte 5 bis 6 Jahre. Verschiedene Mittel wurden angewendet, aber ohne Erfolg. Das Aussehen ist recht krankhaft, wie Porzellanfarbe; die Ränder um die Augen sind ganz grau und blau, recht wenig Blut, wenig Naturwärme, schlechte Verdauung, deshalb Blut und Natur nur krankhaft genährt.
Die Anwendungen müssen folgende sein: 1) die faulen Stoffe auflösen, 2) die Naturwärme vermehren, 3) durch Kräftigung der Organe eine bessere Verdauung bewirken, daß Blut und Säfte besser werden und die ganze Maschine in guten Gang bringen. Denn dieser Organismus ist doch einer Maschine gleich, die fleißig geschmiert wurde, aber kein gutes Material hatte, und deshalb muß die Maschine überall gereinigt werden.
Anwendungen: 1) Warmes Fußbad zur Ausleitung der faulen Stoffe in den Füßen, ungefähr drei- bis viermal, bis der Fußschweiß aufhört. 2) Ganzwaschungen, die eine allgemeine Transpiration bewirken und zugleich die Naturwärme erhöhen. 3) Ober- und Unterguß.
Mit diesen Anwendungen soll man ungefähr 8–10 Tage fortfahren, an jedem Tag zwei Anwendungen. Als zweite Kur kommt die Ganzwaschung, Ober- und Unteraufschläger, ins Wasser knien, Rückenguß, wieder 10 Tage lang. Als dritte Kur folgen Halbbäder und Ganzwaschungen. In 3–4 Wochen kann so ein Organismus wieder hergestellt werden. Zur Erhaltung und weiteren Befestigung aber ist notwendig, in der Woche noch ein paar Anwendungen beizubehalten, wozu eine Ganzwaschung oder auch ein Ober- und Unterguß ausreicht.
Ein Weib, 64 Jahre alt, hat heftiges Brennen im Magen, Aufstoßen und Erbrechen; oft kommt dazu kaltes Fieber und manchmal auch starker Schweiß. Wochen hindurch nimmt das Übel immer zu trotz aller angewandten Mittel. Die beste Wirkung wird hervorbringen: Täglich zweimal jedesmal 20 Wermuttropfen in einer kleinen Tasse ganz warmen Wassers; dazu täglich einmal ein
warmer Unteraufschläger eine Stunde lang; ferner jeden zweiten Tag ein doppeltes Tuch, in warmes Wasser getaucht, auf den Unterleib gebunden, eine Stunde lang. Jeden zweiten Tag ein warmes Fußbad mit Asche und Salz, 14 Minuten lang.
Eine Person, 40 Jahre alt, klagte über häufige Magenschmerzen, Schmerzen im Unterleib, Appetitlosigkeit, saures Aufstoßen und Entkräftung. Besonders waren Hände und Füße meistens kalt. — Die Anwendungen waren folgende: 1) Jeden Morgen und jeden Abend Brust und Unterleib mit halb Wasser und halb Essig kräftig einreiben. 2) Täglich 6–8 Wacholderbeeren essen. 3) In der Woche dreimal vom Bett aus ganz waschen und, ohne abzutrocknen, wieder ins Bett gehen. In 14 Tagen war die Kranke geheilt, und um gesund zu bleiben, wird selbe gut tun, wenn sie längere Zeit hindurch wöchentlich einmal sich ganz wäscht.
„Längere Zeit hindurch habe ich ein hartes Magenleiden. Es treibt mich gewaltig auf, und unter großen Schmerzen muß ich oft alles erbrechen. Meine Füße tun mir meistens weh und zeigen dabei krampfhafte Zuckungen. Meine Lippen sind beständig weiß; ich magere am ganzen Körper ab. Ich habe mehrere Ärzte gehabt; die haben mir aber nichts als zum Laxieren gegeben, und dieses hat mich wohl recht angegriffen und geschwächt.“
Anwendungen: 1) In der Woche dreimal angeschwellte Heublumen auf den Unterleib binden, eine Stunde lang. 2) Jede zweite Nacht vom Bett heraus ganz waschen und, ohne abzutrocknen, wieder ins Bett gehen. 3) Jeden Morgen 25 Wermuttropfen in Wasser einnehmen, jeden Nachmittag 25 Tropfen von Hagebutten.
Eine Hausfrau klagt: „Ich bin gar nie frei von Schmerzen im Unterleib; derselbe ist oft aufgetrieben, und wenn es recht arg ist, habe ich einen Druck auf den Magen, daß mir viele Säure aufstößt, oft auch die Kost erbrochen wird. Mein Kopf ist recht eingenommen, und nicht selten habe ich großen Schwindel. Es gibt Zeiten, wo ich alle halbe Stunde Harn lassen muß, dann wieder Tage, wo höchstens einmal Wasser abgeht. Drei Ärzte erklärten, ich habe Magenkatarrh.“
Diese Kranke wurde geheilt innerhalb 4 Wochen auf folgende Weise: Die erste Woche bekam sie bloß täglich 2 Obergüsse und 2 Kniegüsse und täglich eine Tasse Tee von Wacholderbeeren und Zinnkraut; in der zweiten Woche täglich einen Oberguß und Knieguß, zweimal einen Wickel von unter den Armen an; in der dritten Woche einmal den spanischen Mantel, dreimal ein Sitzbad und einmal ein Halbbad; in der vierten
Woche Halbbäder, dreimal den spanischen Mantel, einmal Wassergehen täglich.
Magen-Säure.
Kreszentia erzählt: „Ich bin 45 Jahre alt, habe fast täglich starkes Magenleiden; es hört von Zeit zu Zeit auf, aber immer nur auf kurze Zeit; recht oft stößt es mir Säure und Bitterkeit oben heraus, und ich weiß mich oft gar nicht zu erwärmen; je mehr Säure und Bitterkeit, um so größer die Kälte.“
Das Aussehen dieser Person war recht leidend, sie selber recht mager; die Gesichtszüge waren eingefallen; die Kälte scheint die Wärme gänzlich verdrängt zu haben. Hier ist sicher durch schlechte Verdauung eine große Blutarmut eingetreten.
Ich verordnete ihr: „Schütten Sie siedendes Wasser an Heublumen, bringen Sie diese so warm wie möglich in ein Tuch oder noch besser in ein Säcklein und legen Sie dieses ganz warm, wie Sie es gut ertragen können, auf die Magengegend und den Unterleib! Bringen Sie über das Ganze ein Tuch über den Körper, daß das Säcklein auf den Leib aufgebunden ist, und lassen Sie es dann eineinhalb Stunden lang liegen; so 3 Tage lang! Nehmen Sie drei Tage nacheinander jeden Abend ein warmes Fußbad mit Asche und Salz, 14 Minuten lang, dann jeden 3. oder 4. Tag, und waschen Sie sich in der Woche drei- bis viermal in der Nacht vom Bett aus ganz und gehen Sie dann gleich wieder ins Bett! Nehmen Sie dann täglich zweimal 4–6 Löffel voll Wermuttee, und machen Sie so 14 Tage fort; dann wird ausreichen in der Woche einmal ein Fußbad und einmal eine Waschung in der Nacht oder auch ein Halbbad.“
Migräne.
Die Migräne, das halbseitige Kopfweh, ist vorherrschend eine Frauenkrankheit, die aber auch geistesstarke Männer recht oft befallen kann, besonders solche, die viel und anstrengend geistig beschäftigt sind. Man kann manchmal den Trost eines Arztes hören: „Seien Sie ruhig, einen Dummkopf befällt keine Migräne!“ Leicht kann dieses Leiden von gestörtem Blutlaufe herkommen, noch häufiger aber von störenden Einflüssen aus dem Magen und Unterleib. (Gänzlicher Mangel an Appetit und Widerwille gegen alle Kost.) Wenn der Unterleib im ganzen etwas geschwächt ist, wenn sich häufig Gase sammeln und die Stuhlentleerungen nicht regelmäßig sind, so üben gar zu leicht und oft diese Beschwerden eine Rückwirkung auf den Kopf und verursachen an einzelnen Stellen diese Schmerzen. Oder es kann das Blut bei einem unregelmäßigen
Lauf auf eine Stelle besonders hindrängen. Oft meldet sich das unheimliche Leiden, indem sich’s wie Nebelflor auf die Augen legt. Bei manchem spukt es in den Augenecken, bei anderen wird das Augenlicht selbst ganz gestört, und es ist ihnen, als ob verschiedene Figuren vor den Augen tanzten.
Migräne kommt gerne nach Krankheiten, wenn die Natur sich noch nicht vollständig erholt hat und die Tätigkeit der Organe keine ganz normale ist. Migräne kann auch ein Erbteil sein. Leute, die oft an Migräne leiden, erzählen dann, wie schon die Mutter oder der Vater daran gelitten.
Besagtes Kopfleiden ist unschwer zu heilen. Rührt die Migräne von Gasen her, — und diese sind nach meiner Ansicht die Hauptursache, — so kann es ausreichen, wenn man 2–3 Tage nacheinander täglich zwei- bis viermal den Unterleib mit recht kaltem Wasser kräftig wäscht. Nicht nur die Gase werden durch diese einfache Anwendung oft vollständig ausgeleitet, sondern diese wirkt sogar auf den Stuhlgang und bringt nicht selten allein alles in Ordnung. Kräftiger noch ist die Wirkung, wenn ins Wasser, das man zur Waschung benützt, etwas Essig oder Salz gemischt wird.
Sollte diese Anwendung nicht ausreichen, dann können innerhalb einer Woche 2–3 Halbbäder genommen werden. Diese sollten genügen. Nebenzu mag der Patient Tee verwenden, der die Gase aufzehrt oder löst. Kümmel oder Fenchel, als Tee bereitet und getrunken, wirkt vortrefflich. Auch kleine Hausmittel sind nicht zu verachten. Jeden Morgen und Nachmittag 5 Tropfen Spicköl auf Zucker tut denselben Dienst. 6–8 Wacholderbeeren, im Tage nacheinander zu verschiedenen Zeiten gekaut, haben schon manchem geholfen.
Brausepulver halten viele für ein Radikalmittel gegen dieses Leiden. Dieselben leiten vielfach Gase aus, das gebe ich zu; aber man übertreibe nicht. Radikalmittel sind sie nicht. Derlei Leute erinnern mich mit ihren Anpreisungen immer an jenes amüsante Geschichtchen, worin einer mit einer Rakete einen Hasen totschießt. Als das Nonplusultra für Migräne gilt heutzutage der Migränestift, ein feines und fein gearbeitetes Holz, in dem die Wundereichel steckt, die stark nach Kampfer riecht. Kein Gebildeter und keine feine Dame gehen mehr aus ohne dieses kleine Vademekum. Die Wurzel des Übels (der Migräne) sitzt, wie wir gesehen, zumeist und hauptsächlich im Unterleib. Mit dem Stifte braucht man aber nur eine gewisse Anzahl Striche auf die Stirne
(glaube ich) zu machen, und gut ist’s. Helfe, was helfen mag! Ich will mir darüber kein weiteres Urteil erlauben; aber ich müßte lächeln, wenn ein Patient, dem Klistier verordnet ist, statt dieses zu nehmen, sich in das Ohr spritzen ließe.
Nasenbluten
siehe oben Seite 189.
Nervenerschöpfung.
Ein Pfarrer gab an, er habe zeitweilig fast unausstehliches Kopfweh, und wenn dieses sich bessere, solche Halsbeschwerden, daß er vor Müdigkeit und Schmerzen kaum reden könne. Auch im Rücken bestehe oft schmerzhaftes Zusammenziehen und Mattigkeit. Nach dem mitgebrachten Zeugnisse seines Arztes leide er an „ausgebildeter Nervenerschöpfung, und es sei nahe daran, daß Gehirn und Rückenmark angegriffen würden“. — Außerdem waren hochgradige Reizbarkeit und Angstgefühle vorhanden.
Anwendungen: Täglich ein schwacher Oberguß in der Frühe und nachmittags; täglich einmal im nassen Grase und auf nassen Steinen 4 Minuten lang gehen; so 5 Tage lang. Darnach täglich ein stärkerer Oberguß, ein Knieguß und zweimal im Wasser gehen; so 5 Tage lang. Dazwischen Sitzbäder.
Die weiteren Anwendungen waren: Täglich ein Rückenguß, ein Halbbad, ein Oberguß und Wassergehen. Diese Anwendungen beseitigten alle Leiden, und gesund und heiter ging der Geheilte wieder an sein Berufsleben.
Nervenleiden.
Ein Geistlicher berichtet also:
„Infolge gewaltiger Aufregung, Angst und Schrecken bekam ich Ende Juli 1884 ein Leiden, welches sich anfangs durch häufiges, sehr beängstigendes Herzklopfen und beständige Atmungsbeschwerden mit allgemeiner Schwäche äußerte. Das Herzklopfen hörte nach einigen Monaten wieder auf. Aber nun erschienen andere Übel: mitunter sehr heftige beängstigende Anfälle von Asthma, häufiges Drücken mit Schmerzen und Spannen bis in den Unterleib hinab. Hauptsächlich spürte ich den Druck in der ganzen Rippengegend, zuweilen auch im Rückenmark. Oftmals fühlte ich sehr große Mattigkeit und Abgeschlagenheit in allen Gliedern mit Schmerzen in den Gelenken. Nebenher quälten Verstopfungen mit Blähungen stets den Unterleib. Die Stimme war ganz geschwächt, so daß mir oft schon das einfache Sprechen Schmerzen, Beklemmungen und Asthma verursachte; ein anhaltender, starker Gebrauch der Stimme war ganz unmöglich geworden. Während der ganzen Zeit habe ich auch Be[S. 298]schwerden im Kopfe, nämlich Schwindel, starke Eingenommenheit, zu Zeiten heftige Kopfschmerzen, so daß ich manchmal kaum zu denken imstande und zu jeder geistigen Anstrengung unfähig bin. Jede Kleinigkeit regt mich ungemein auf und steigert nicht selten die Beschwerden in Brust und Kopf aufs äußerste. Dazu hat eine unsägliche Melancholie meinen Geist eingenommen, manchmal ist’s fast zum Verzweifeln. Die Ärzte erklärten mein Leiden für ein Nervenleiden. Zwei derselben, ein Allopath und ein Homöopath, beide berühmte Männer, verschrieben mir Mittel (Duschebäder, Diät, Bromkali, Zincum oxydat., Natr. phosph. u. a.), die aber sämtlich ganz erfolglos blieben, ja das Übel zuweilen noch ärger machten. Am ehesten schien noch zu wirken, was ein dritter Arzt anriet: kalte Vollbäder und fleißige Bewegung in der Luft. Das dauerte so ein halbes Jahr, bis ich endlich ganz zum Wasser meine Zuflucht nahm.“
Soweit der Kranke. Schauen wir ihn selbst näher an! Sein Aussehen ist ungewöhnlich gerötet, die Augenränder sind etwas gelb, Ohren und Lippen hochrot, mit blau untermischt. Die Haare sind dem jungen Herrn, der kaum mehr als 30 Jahre zählt, bis auf einen kleinen Rest gänzlich ausgefallen. Worauf lassen diese Anzeichen schließen? Gewiß auf allzu heftigen Drang des Blutes gegen Kopf und Brust. Der Schmerz auf der Stirne zeigt die Heftigkeit des Blutandranges zum Kopfe an, und das zu viele Blut im Kopfe bewirkt eine Ausdehnung der Adern. Kann da geheilt werden und wie? Die zwei hauptsächlichsten Leidensstellen, Kopf und Brust, sind vor allem ins Auge zu fassen. Beide werden gleichsam erdrückt unter der Überfülle des Blutes. Dieses muß allererst gegen die Extremitäten abgeleitet werden. Dann kann ich an die Auflösung alles Abnormalen (Anstauungen, Erweiterungen der Adern, Ausbuchtungen nach innen usw.) an Kopf und Brust gehen und zuletzt allgemein auf den ganzen Körper einwirken.
Als Anwendungen werden sich der Reihe nach am besten eignen: Fußdampf, Kopfdampf, kurzer Wickel, spanischer Mantel, auf nassen Steinen gehen, Ober- und Untergüsse, spanischer Mantel, Barfußgehen, zur Winterszeit am besten im frischgefallenen Schnee.
Innerhalb 3 Wochen hatte sich der Zustand bedeutend gebessert. Bis zur vollen Erholung indessen dürften bei so fortgeschrittenem und tiefgewurzeltem Leiden noch Monate vergehen.
Aus der mehr oder minder guten Wirkung jeder einzelnen Anwendung lernt der Patient selbst am sichersten urteilen, welche[S. 299] derselben von den besten Folgen begleitet ist und deshalb öfters wiederholt werden soll. Nur lasse man sich ja nie und nimmer verleiten, den Willen stets nur auf diese besondere Anwendung hinzurichten. Mit den besonderen Anwendungen sind jederzeit, um den Einklang und den gesunden, reellen Fortschritt in der Heilung nicht zu stören, die gemeinsamen, d. i. die auf den ganzen Organismus wirkenden, pünktlich zu verbinden.
Ein Priester aus Böhmen berichtet:
„Vor 8 Monaten trat bei mir infolge von Überanstrengung heftiges Herzklopfen ein sowie auch Schlaflosigkeit, späterhin starkes Aufstoßen, Auftreibung des Unterleibes, auch Atmungsbeschwerden. Es bestanden zuweilen perverse Empfindungen, Schmerzen in Händen und Füßen, Unruhe, später auch Zittern in denselben, dabei hochgradige Abspannung und Müdigkeit. Appetit fehlte zuletzt auch, ebenso Stuhl.“
Bei seiner Ankunft schien Patient sehr erschöpft und zeigte eine blaßgelbe Gesichtsfarbe. Nach siebenwöchentlicher Kur war er wieder frisch, gesund und munter. Auch der Schlaf hatte sich langsam wieder eingestellt.
Die Wasseranwendungen bestanden in folgendem: In den ersten drei Wochen: 1) nachts vom Bett aus ein Halbbad; 2) vormittags Oberguß und Wassergehen; 3) nachmittags Rückenguß und Halbbad; 4) täglich fleißig Grasgehen. Späterhin: Oberguß mit Knieguß, auch Halbbäder, zweimal Fußdampf. Zum Einnehmen täglich 8–10 Wacholderbeeren, auch Tee von Wermut und Salbei.
Nervenüberreizung.
Zwei Studierende kamen in die Osterferien und erzählten: „Wir haben Kopfleiden, Blutandrang nach dem Kopf, schlechten Schlaf und große Müdigkeit, mangelhaften Appetit, und wir sind somit unfähig, weiter fortzumachen. Könnten wir nicht die Vakanz benützen zur Wiederherstellung unserer Gesundheit durch die Wasserkur?“
Ich gab den Rat, sie sollten, weil es Frühling, der Boden feucht und es noch ziemlich kalt war, diese Vakanztage wo möglich im Freien, im Walde, auf den Wiesen barfußgehend zubringen und rasche Bewegungen machen, wenn sie sich kalt fühlten; auch von Zeit zu Zeit in einen mit Wasser gefüllten Graben 2–3 Minuten stehen und darin hin- und hergehen.
Ebenso mußten sie täglich zwei- bis dreimal ihre Arme ganz ins Wasser halten. Diese Anwendungen behagten den jungen[S. 300] Leuten sehr; es kam ihnen Mut und Freude; sie gingen wieder neugestärkt an ihre Studien, konnten ihre Aufgabe gut lösen und freuten sich auf die Herbstferien, um ihren Körper aufs neue abzuhärten und zu kräftigen.
Bemerkt jedoch sei hier, daß beim Gehen auf naßkalter Wiese und beim Stehen im Wasser jedesmal nach Bekleidung der Füße so viel Bewegung gemacht werden muß, daß die Naturwärme bald wieder eintritt; diese wird bei jungen Leuten unschwer durch rasches Gehen bewirkt.
Ein ähnliches Beispiel traf bei einem Alumnus zu, welcher mit folgenden Klagen hieher kam: „Ich habe einen solchen Druck im Kopf, daß ich oft kaum mehr weiß, wo ich weile, und was ich tue; ferner habe ich oft erheblichen Schwindel, bin unfähig zu geistiger Tätigkeit; ich mußte die Anstalt 3 Monate vor Erreichung meines Zieles verlassen.“
Es war warme Augustzeit, und dieser Kandidat brachte während 10 Tagen die meiste Zeit in Gärten und Wäldern zu, barfußgehend vom Morgen früh bis Abend spät. Zudem bekam er täglich 2–4 Obergüsse. Innerhalb 12 Tagen waren seine Krankheitserscheinungen gehoben; er fühlte sich heiter und gekräftigt und brauchte bloß noch zur weiteren Kräftigung seine Herbstferien ebenso durchzumachen.
Nervenzerrüttung.
Ein Herr von Stand hatte durch ungewöhnlich viele Berufspflichten Geist und Körper so zugerichtet, daß nicht zu beurteilen war, ob Geist oder Körper mehr zerrüttet sei.
Man hatte Grund, zu fürchten, die Geisteszerrüttung könnte mit den traurigsten Folgen ein erbarmungswürdiges Ende nehmen. Monate hindurch hatte er weder Schlaf noch Ruhe, die peinlichsten Leiden und Schmerzen am ganzen Körper; alle ärztlichen Mittel waren wirkungslos. Das Wasser sollte hier noch Rettung bringen, und wirklich war der Unglückliche nach dreizehn Wochen in der Lage, in seinem Berufe frisch und gesund wieder aufs neue zu beginnen.
Ein solcher Zustand kann nur durch die einfachsten Anwendungen behandelt werden. Erster Tag: Den oberen Körper vormittags mit Wasser und Essig ganz waschen. Auf diese Waschung folgt ein Knieguß (eine Minute lang). Die zweite Anwendung am Nachmittage wie die erste. Zweiter Tag: Eine Gießung auf den Oberkörper mit einem halben Gießer voll Wasser; gleich darauf auf nassen Steinen Bewegung machen und nebenzu einen Gießer voll Wasser auf die Knie, nachmittags dasselbe. Dritter Tag: Oberguß (1 Gießer[S. 301] voll) und Knieguß, nachmittags: Oberguß (1 Gießer voll), daraufhin ins Wasser stehen (3 Minuten lang). Diese Anwendung war so schmerzlich, daß dem Patienten Tränen in die Augen kamen. So wird ungefähr eine Woche hindurch fortgefahren. Die zweite Woche waren Obergüsse jeden Tag mit verstärktem Knieguß im Wechsel mit Wasserstehen, soweit es die empfindlichen Füße zuließen, verordnet; diese Obergüsse steigerten sich während der Woche von 1–3 Gießer. Auch das ins Wasserstehen wurde verstärkt bis an die Knie, aber immer nur 2, höchstens 3 Minuten. In der dritten Woche wurden Obergüsse mit Knieguß und Wasserstehen weiter gesteigert und jeden zweiten Tag ein Sitzbad genommen, gewöhnlich nachmittags. In der vierten Woche: Oberguß mit Wasserstehen, je vormittags, nachmittags ein Halbbad. In der fünften Woche am Morgen ein Rückenguß mit Wasserstehen oder mit Knieguß, nachmittags Oberguß. So wurde fortgefahren, jeden halben Tag eine Anwendung: a) Oberguß mit Knieguß, b) ein Halbbad, c) Rückenguß bis zur vollständigen Heilung.
Innerlich wurde gegeben: a) weißes Pulver, täglich eine Messerspitze voll, im Wechsel mit b) Wacholderbeeren, täglich 6–8 Beeren, und c) Tee von Wermut und Salbei.
Nervöses Leiden.
Ein Kandidat im Alter von 34 Jahren berichtet: „Vor 11 Jahren fing durch übertriebene Beschaulichkeit, körperliche Strenge und jahrelange furchtbare Skrupeln der Kopf an, an Kongestionen, heftigem Schmerz und Schwerfälligkeit zu leiden. Da ich fortfuhr, für einen, ja oft für zwei Gesunde geistig und körperlich zu arbeiten, wurden die Nerven total irritiert und schließlich der Kopf vor zwei Jahren ganz unfähig zu geistiger Anstrengung, selbst nur einen Rosenkranz z. B. auf einen Zug zu beten. In Wörishofen blieb es acht Tage beim alten trotz Schenkel-, Ober- und Rückenguß und Barfußlaufen; dann bekam ich Malefiz-Öl und mußte dabei die Wasseranwendungen noch 3 Tage fortmachen, aber das Übel wurde nur schlimmer; dann durfte ich für 3–4 Tage keine Wasseranwendungen vornehmen; das Malefiz-Öl wirkte; der Kopf wurde plötzlich frei, klar und stark, und dabei blieb es bis heute.“
Diesem Berichte muß ich hinzufügen, daß der betreffende Herr schon geraume Zeit, ehe er zu mir kam, nach meinem Buche selbst sich zu helfen gesucht hatte und durch eine glückliche oder vielmehr vernünftige Auswahl des für ihn Passenden sowie auch durch sehr pünktliche und genaue Befolgung des Vorgeschriebenen der bei[S. 302] mir gemachten Kur schon bedeutend vorgearbeitet hatte. Als er ankam, war er in einem noch elenden und trostlosen Zustande und um so beklagenswerter, als wegen seines äußern, scheinbar guten Aussehens nur ein gründlicher Kenner von seinem Leiden wissen konnte. Gott sei es gedankt, daß er jetzt wieder mit freudigem Mute seinen höheren Studien obliegen kann.
Nierenleiden.
Ein Bauer erzählt: „So stark und korpulent ich aussehe, geradeso elend bin ich. Ich kann nicht mehr arbeiten, bin beständig aufgedunsen; die Atemnot wird oft so groß, daß ich glaube, ich müsse ersticken. Ich wälze mich in der Nacht im Bett umher, ohne schlafen zu können. Mein Urin ist meistens recht dick und mit Blut vermischt. Ich habe oft ein sehr heftiges Brennen in der Blase; Ärzte habe ich mehrere gehabt. Einer sagte, ich sei leberleidend und habe Gallensteine. Ein anderer hat behauptet, es fehle mir in den Nieren, und es werde Nierenvereiterung eintreten. Ein dritter glaubte, mein Magen verdaue nicht, und deshalb sei ich immer verschleimt, weil im Munde immer sehr viel zäher Schleim vorhanden ist.“ Dem fast Trostlosen wurden Anwendungen geraten: 1) In der Woche zwei warme Bäder von gesottenem Haberstroh mit dreimaligem Wechsel, 30–32 Grad. (10 Minuten im warmen, 1 Minute im kalten Wasser.) 2) In der Woche zwei kurze Wickel, ebenfalls von Haberstrohwasser, eineinhalb Stunden lang. 3) Täglich 2 Tassen Tee von Zinnkraut und Wacholderbeeren trinken, 10 Minuten lang gesotten. In 6 Wochen war der Mann vollständig gesund. Sein Körper ist normal, der große Bauch ist verschwunden, das braungelbe Aussehen ist entfernt, und wie die Farbe frisch und gesund ist, so ist auch seine Kraft wiedergekehrt.
Ein armer Arbeiter schreibt: „Ich erkrankte an einem Nierenleiden ungefähr im November 1887, arbeitete aber dabei bis Mitte Januar 1888. Meine Kraft war indessen so herabgesunken, daß ich nunmehr 11 Wochen das Bett hüten mußte. Der Arzt, welcher mich behandelte, erklärte mir, das Leiden komme nur von Erkältungen und zurückgeschlagenem Schweiße her und sei eine langwierige Sache. Im Urin war stets ein großer, rötlich-brauner Satz. Man ließ nun den Urin in der Apotheke chemisch untersuchen, und es stellte sich heraus, daß dieser Satz in Blut bestehe. Durch diesen immerwährenden Blutverlust kam ich so herunter, daß der Arzt eine Wassersucht befürchtete. Er untersuchte deshalb Tag für Tag die[S. 303] Füße und das Herz; es zeigte sich aber nirgends etwas von Wassersucht. Als ich mich nach einiger Zeit besser fühlte, ging ich wieder an die Arbeit, mußte aber, als das Leiden nach 20 Wochen wieder eintrat, die Arbeit abermals einstellen. Da ich nun schon so viel mediziniert und allerlei eingenommen hatte ohne anhaltenden Erfolg, so entschloß ich mich auf Anraten einiger Bekannten, nach Wörishofen zu gehen. Ich wandte nun die Kaltwasserkur an, die mir vortrefflich behagte.“
Durch folgende Anwendungen wurde dem Manne geholfen:
1. den einen Tag Oberguß und Knieguß vormittags, Halbbad eine halbe Minute lang nachmittags;
2. den andern Tag des nachts Ganzwaschung vom Bett aus in der Frühe, dann Wassergehen, nachmittags Oberguß und Knieguß;
3. Oberguß, später Schenkelguß vormittags, Rückenguß und Wassertreten nachmittags; so abwechselnd drei Wochen lang; ferner
4. täglich eine Tasse Tee von 10 zerstoßenen Wacholderbeeren und etwas Zinnkraut, morgens und abends in je zwei Portionen trinken.
Ohrenkrankheit.
Wer möchte die vielen Ursachen aufzählen, durch die ein Körper krank werden kann, und wie Krankheiten auf einzelne Organe so einwirken können, daß sie krank bleiben, wenn auch die ursprüngliche Krankheit entfernt ist? Und je edler ein Organ ist, um so nachteiliger wirkt auch eine Krankheit, und um so härter ist sie zu heilen. Einer der edelsten Teile am menschlichen Körper ist das Ohr, und sehr häufig kann das Gehör verloren gehen durch eine Krankheit oder auch durch eine unglückliche Lebensweise.
So kommt eine Mutter und erzählt: „Meine Tochter hat das Scharlachfieber gehabt, von dem sie wohl ganz geheilt wurde. Seit dieser Zeit ist sie nie mehr ganz wohl. Bald klagt sie über dieses, bald über ein anderes Leiden; aber das härteste ist, daß sie das Gehör fast ganz verloren hat. Alles, was angewendet worden ist, hat nichts geholfen.“
Dieses Mädchen ist mithin nicht ausgeheilt, und müßte es an anderen Teilen hören, so würde man auch dort noch Reste der Krankheit bemerken. Wird das Mädchen von allen nachteiligen Folgen des Scharlachfiebers geheilt, dann wird auch das Gehör[S. 304] wieder eintreten. Es muß somit, wie aufs Gehör, so auch auf den ganzen Körper eingewirkt werden.
Folgende Anwendungen werden die beste Wirkung hervorbringen: 1) Ein nasses Hemd anziehen, eineinhalb Stunden lang. 2) Einen Schal umlegen, eineinhalb Stunden lang, und denselben nach drei Viertelstunden nochmal frisch eintauchen. Während dieser eineinhalb Stunden um jeden Fuß vom Knöchel an bis über die Waden ein Handtuch umwinden, in warmes Wasser getaucht, also Fußwickel, eineinhalb Stunden lang. 3) Vom Bett aus ganz waschen und, ohne abzutrocknen, gleich wieder ins Bett, besonders den Hinterkopf und die Ohren gut waschen. 4) Über die Ohren und deren Umgebung einen Lappen binden, in warmes Wasser getaucht, zwei Stunden lang; nach jeder halben Stunde wieder frisch eintauchen. 5) Einen Kopfwickel nehmen (siehe Wickel).
Diese fünf Anwendungen sollen durch längere Zeit vorgenommen werden, jeden Tag wenigstens eine Anwendung. Recht gut wird noch wirken in der Woche ein warmes Haberstrohbad, 25 Minuten lang, 28–30° R., gleich darauf mit kaltem Wasser schnell abwaschen, daß die Natur durchs warme Wasser nicht zu empfindlich wird. Diese Anwendungen werden die Natur in den besten Zustand bringen; dann kann noch länger fortgefahren werden mit warmen Umschlägen über die Ohren.
Ohrensausen.
Eine Person hat sehr oft heftiges Ohrensausen, schwache Nerven, oft Zittern an den Händen und Füßen, blasse Gesichtsfarbe, eingefallene Augen. Diese Person hat mehrere Ärzte gehabt. Der eine sagte, das Ohrensausen rühre von den Nerven her, der andere, es komme von einem zurückgegangenen Schnupfen her, ein dritter, das Trommelfell sei etwas eingegangen usw.
Anwendungen: 1) Täglich im Wasser gehen, 2–4 Minuten, darauf Bewegung im warmen Zimmer oder, wenn nicht zu kalt, im Freien. 2) Jede zweite Nacht vom Bett aus ganz waschen mit Wasser und Essig. 3) Zweimal in der Woche einen Schal umlegen, eine Stunde lang. So 14 Tage bis 3 Wochen fortmachen. Wenn noch weiter etwas notwendig ist, jeden zweiten Tag im Wasser gehen und in der Woche einmal waschen.
Rheumatische Zustände.
Wer möchte es versuchen, all die verschiedenen rheumatischen Zustände aufzuzählen, über die man klagen hört! Den einen quält der Schmerz im Kopfe, den anderen in den Zehen, diesen im[S. 305] Arme, jenen in den Beinen, sie auf dem Rücken, ihn auf der Brust usw. Der Rheumatismus ist wahrlich der ewige Jude unter den Krankheiten.
Der arbeitsame Bauer, der Holzhacker, alle diejenigen, die recht angestrengt arbeiten, wissen weniger, an manchen Orten nichts von dieser Krankheit, nach meinem Dafürhalten deshalb, weil diese Leute oft in der einen Stunde Rheumatismus bekommen, in der andern ihn bereits wieder vertrieben haben. Es zeigen sich vielleicht die Anfänge am Morgen, nachmittags dagegen arbeiten sie dieselben wieder hinaus.
Letztere Beobachtung gibt uns klare Winke, wie Rheumatismus geheilt werden kann und soll.
Ein Tierarzt jammerte mir einst vor, er sei unfähig, seinem Berufe weiter vorzustehen; ein abscheulicher Rheumatismus habe sich wie eine Katze in sein rechtes Schulterblatt eingekrallt. Schwitzend sei er unklugerweise in die Kälte gekommen, und er wisse recht gut, er werde, wie jedesmal, die lästige Katze 6 Wochen lang zu tragen haben.
„Wenn Sie wollen, Herr Tierarzt,“ entgegnete ich ihm, „so sind Sie in 24 Stunden frei; ich werde meinen Hund auf Ihre Katze hetzen.“ Er lachte, und es gab eine kleine Wette. Mit Manneswort und Handschlag versprach er indessen, genau zu tun, wie der gestrenge Herr befehle. Er ging heim und ließ sich von seiner Frau den Rücken zuerst kräftig trocken reiben, dann einen kalten Oberguß applizieren. Nach ungefähr 8 Stunden nahm er einen Kopfdampf mit darauffolgendem Guß. Die 24. Stunde hatte noch lange nicht geschlagen, die Katze war längst über alle Berge, und die Wette war gewonnen. — Von trockenem Reiben wurde diesmal gesprochen, was doch sonst nie vorkommt!
Ja, und der Grund ist folgender:
Entsteht der Rheumatismus infolge raschen Wechsels von der Kälte in die Wärme und umgekehrt, so sind die Schmerzen, die zuweilen nur auf der Oberfläche der Haut, zuweilen aber auch tief im Innern, ja, wie man meinen könnte, im Marke der Knochen wurzeln, meist zurückzuführen auf Störungen in der Zirkulation des Blutes, sei es nun ein langsameres oder rascheres Tempo des Blutlaufes, seien es Blutstauungen oder kleine Entzündungen etc. an der betreffenden Stelle. Die dadurch entstandenen Reibungen, Pressungen usw. verursachen den Schmerz und müssen durch Auflösung, Ausleitung und Stärkung der leidenden Teile entfernt werden. Wenn der Taktstock allein die Sänger nicht mehr im richtigen Tempo[S. 306] halten will, dann fuchtelt der Gesangmeister noch mit der freien Hand, mit dem Kopfe den Ungelehrigen zu. Wenn die Gans oder Ente sich in die junge Hühnerfamilie mischt und das „Gehscht weg, du...“ der Futterbringerin nichts helfen will, dann wirft sie einen Stein nach der dummen Gans oder Ente. Wenn der Rheumatismus tief sitzt, schon länger währt, besonders schmerzt und weit ausgedehnt ist, so rufe ich zum Wasser noch die Reibung zu Hilfe. Sie entwickelt rascher Wärme und bewirkt eine schnellere Verteilung des Blutes usw. Wäre die kranke Stelle etwas kühl, und würde ohne weiteres, ohne vorherige Erwärmung ein Guß darauf kommen, so wiche der Rheumatismus wohl etwas weiter im, aber nicht aus dem Körper.
Ein Bauer bekam so heftige rheumatische Zustände in beiden Füßen, daß er nicht mehr gehen konnte; am meisten schmerzten ihn die Schenkel. Der Mann wußte nicht, wie er zu dem Übel gekommen war.
Der Bauer wickelte sich täglich zweimal von unter den Armen an ganz in ein Tuch ein (Unterwickel), das in heißen Heublumenabsud eingetaucht war, und legte sich jedesmal zwei Stunden ins Bett mit guter Zudecke. Zehn solcher Anwendungen wickelten den Rheumatismus vollkommen aus und ab.
Ein anderer Bauer konnte vor lauter Schmerzen in den Hüften gar nicht eingewickelt werden. Er wurde in ein Haberstrohbad mit 33–35° R. und mit dreimaligem Wechsel gesetzt, täglich zweimal, je 25 Minuten lang. In 3 Tagen war er geheilt.
Fälle von Kopfrheumatismus könnte ich eine Unzahl nennen. Sie wurden am leichtesten dadurch entfernt, daß man möglichst wenig am Kopfe selbst, dagegen warme Bäder und Dämpfe an den Füßen anwandte. Kommt man dem Kopfe mit Kälte, so wird’s ärger; kommt man mit Wärme, so strömt noch mehr Blut zu. Die Reihenfolge der besten Anwendungen wäre etwa folgende:
das warme Fußbad (mit Asche und Salz),
die Überlegung eines Schals,
der Fußdampf,
der Kopfdampf mit kaltem Abguß und wieder
der Schal.
Diese Anwendungen, täglich eine derselben, heilen den stärksten Kopfrheumatismus, der gewöhnlich durch Zugluft, Verkühlung und sehr oft durch zu raschen Wechsel von Hitze und Kälte entsteht.
Kein Rheumatismus darf vernachlässigt werden, ein jeder könnte der Anfang zu vielen und schweren Krankheiten sein: zu Krankheiten der Lungen, der Augen, Ohren etc., zu Entzündungen, Blutvergiftung, zu Geschwüren usw.
Ein Student, der ziemlich viel getrunken hatte und in diesem Zustande in die kalte Luft gekommen war, bekam plötzlich Rheumatismus auf der Brust. Er meinte, seiner Jugend und seiner Tapferkeit könne so etwas nicht schaden; die „leidige Geschichte“ werde sich von selbst wieder verlieren. Aber es wurde für die Eltern und deren Angehörige eine leidvolle Geschichte. Es entstand trockener Husten, der schnell einen bösartigen Charakter annahm. Nach zwei Monaten war das blühende und hoffnungsvolle Leben ausgelöscht. Hätte der junge Mann nur täglich vier- bis fünfmal Brust und Unterleib mit kaltem Wasser kräftig abgewaschen, in 1–2 Tagen wäre die Brust frei und der Arme außer aller Gefahr gewesen.
Anna Maria, die viel und streng arbeiten mußte, erhielt rings um das Knie herum eine Geschwulst. Sie beachtete dieselbe mehrere Wochen gar nicht und machte später, als sie heftig schmerzte, in ihrem Unverstande dichte kalte Umschläge. Das Knie wurde nicht besser, sondern schlimmer, und sie befragte einen Arzt. Dieser gab eine Salbe zum Einreiben, die indessen ohne Wirkung blieb. Zu allem Unglück bog sich der Fuß unter dem Knie am Schienbein abwärts. Um die Steifheit zu verhindern, verordnete der Arzt, während 14 Tagen jeden Tag den Fuß mit Schweinefett kräftig einzureiben, später mit Karbolsäure zu waschen. Das Knie wurde immer schlimmer. Zuletzt wandte er einen Gipsverband an und verhieß der Kranken, nach dessen Wegnahme könne sie sicherlich gehen. Nach neun Wochen wurde der Gipsverband weggenommen; aber die arme Magd konnte auf dem Fuße weder stehen noch gehen. Dieser elende Zustand währte fort bis vor wenigen Wochen.
Derlei Verhärtungen an und um die Knochen können nur aufgelöst werden durch längere Zeit fortgesetzte Überschläge mit geschwellten Heublumen, die stets ganz warm aufgelegt werden. Ist die Auflösung geschehen, so wird das Blut auch wieder nach diesen Teilen dringen, dieselben nähren, und die Kraft wird wiederkehren.
Nach achttägiger Anwendung besagten Umschlages konnte die Kranke bereits auf dem Fuße stehen. In 8 bis 10 Wochen konnte sie auch wieder gehen.
Ein Herr von Stand kommt und erzählt: „Ich bin vom Kopf bis zum Fuß voll von Rheumatismen und Krämpfen, habe beständig Katarrh, bald schwächer, bald stärker, ich mag im Zimmer oder im Freien sein; ich weiß mir nicht zu helfen. Ich bin meistens fast ohne Schlaf, ohne Appetit, und wenn ich nicht besser werde, muß ich in Kürze mein ganzes Berufsleben einstellen. Ich trage schon lange ein Jägerhemd und ein Jäger-Unterbeinkleid. Über dieses Jägerhemd trage ich ein zweites Hemd von Wollbarchent, dem stärksten Stoff, den ich bekommen konnte. So trage ich auch noch eine zweite Jäger-Unterhose vom stärksten Wollstoff, dann ein Gilet von Tuch mit dickwollenem Unterfutter, auch eine Buckskinhose, endlich einen Rock und einen Überwurf. Mein ganzer Körper ist vorherrschend kalt und wie mit Teer von übelriechendem Schweiß bedeckt. Es kann kaum noch ein unglücklicheres Geschöpf geben, als ich bin.“ Nun zur Wasserkur!
Zuerst wurde ein Oberguß genommen und die schmierige Haut abgewaschen, ebenso ein Knieguß mit Waschungen. So wurde drei Tage täglich zweimal diese Anwendung vorgenommen. Am dritten Tage wurde das Jägerhemd und die Jägerhose entfernt und gleich darauf ein Halbbad und eine Stunde später ein Oberguß genommen. Am fünften Tage wurde die Doppelunterhose ausgetauscht mit einer leinenen. Am siebenten Tag wurde das Hemd mit einem leinenen ausgewechselt, und so wurde auch das mit Ärmeln versehene Gilet entfernt; dann wurden täglich zweimal Oberguß und Unterguß im Wechsel mit Halbbädern genommen. Nach 14 Tagen war der ganze Organismus von jedem Rheumatismus und Krampf frei; die Haut transpirierte wie bei einem Gesunden, Schlaf und Appetit stellten sich vortrefflich ein, und der gute Herr freute sich, wieder neu hergestellt, am Schluß der Ferien seine Berufstätigkeit wieder aufnehmen zu können. Über das Ganze äußerte er sich mit folgenden Worten: „Hätte ich mein kleines Übel, meinem eigenen Urteil folgend, so verschlimmert, könnte ich mir nur gram sein. Doch ich tat nichts ohne Anleitung der berühmtesten Ärzte.“
„Mein ganzer Oberkörper,“ berichtet jemand, „ist voll Rheumatismus; an der rechten Seite im Oberkörper bin ich gar nie ohne große Schmerzen, und läßt der Schmerz etwas nach, dann kommt er auf eine oder auf beide Schultern. Ich werde dann so steif, daß ich die Schultern nicht mehr zu rühren vermag; kommt aber der ganze Schmerz auf den Magen, dann ist es, wie wenn sich alles umdrehe; ich kann dann auch gar nichts essen. Am allerärgsten aber ist der Schmerz am Hinterteil des Kopfes, besonders[S. 309] auf der linken Seite. Die Füße werden mir gar nicht mehr warm. So ist mein Leben recht elend, und ich kann meinem Berufe gar nicht nachkommen. Für das, was ich verbraucht habe an ärztlichen Mitteln und sonstigen Medikamenten, habe ich eine große Summe aufgewendet; geholfen hat mir gar nichts. Seit mehr als einem Jahr trage ich auf Befehl eines Arztes Wollhemden, bin aber dadurch noch viel empfindlicher geworden.“
Die Anwendungen waren: 1) In der Woche dreimal ein grobes Hemd anziehen, 1½ Stunden lang, in Wasser getaucht, in welchem Heublumen gesotten wurden. 2) Zweimal in der Woche ein Wickel von unter den Armen an bis ganz hinunter, das Tuch ebenfalls in warmes Heublumenwasser getaucht. 3) In der Woche zweimal in der Nacht vom Bett aus ganz waschen mit kaltem Wasser und, ohne abzutrocknen, gleich wieder ins Bett. So 14 Tage lang, dann als weitere Anwendungen: 1) Täglich ein Oberguß und Knieguß. 2) Täglich Wassergehen, 2–4 Minuten lang, dann Bewegung. 3) Zweimal in der Woche ganz waschen.
Nach 4 Wochen war der Patient von seinem Leiden frei und nimmt jetzt noch in der Woche zwei Halbbäder.
Ein Vorstand einer öffentlichen Lehranstalt erzählt:
„Ich leide fast Unsägliches an meinen Armen, Schultern und Füßen; bald bin ich wie in Rheumatismus gewickelt, bald sind wieder einzelne Stellen um so empfindlicher, wenn der Schmerz von anderen gewichen ist. Atemnot besteht fast fortwährend, oft so stark, daß ich fürchte zu ersticken; zudem leide ich auch an Kongestionen und habe so selten eine frohe Stunde.
Ich wurde magnetisiert, elektrisiert und gebrauchte vieles andere — ohne Erfolg. — Die Wasserkur hat mir in 10 Tagen allen Schmerz genommen, und von meinem Leiden fühle ich nur noch unbedeutende Spuren. Ich habe die Überzeugung, eine Fortsetzung von leichteren Anwendungen wird mir auch den letzten Rest nehmen.“
So der Kranke.
Die Anwendungen waren: Täglich ein Oberguß und zwei Schenkelgüsse, am zweiten Tag der spanische Mantel; vom vierten Tag an ein Halbbad täglich statt Oberguß und einmal wöchentlich Kopfdampf.
Ein Mann, 46 Jahre alt, erzählt: „Irgendwo habe ich immer Schmerzen, entweder auf der rechten Seite oder oben auf der Schulter; es bleibt der Schmerz nie lange an einer Stelle; kommt aber das Leiden in den Kopf, dann bin ich voll Schwindel;[S. 310] aus dem rechten Auge läuft viel Wasser heraus; fährt mir aber der Schmerz in den Fuß hinunter, dann wird dieser ganz steif; kommt er mir auf die Brust, dann weiß ich kaum mehr zu atmen. So leide ich schon Jahre hindurch und habe, wenn auch nur auf kurze Zeit Erleichterung, doch nie Hilfe gefunden.“
Dieser Kranke wurde in fünf Wochen geheilt durch folgende Anwendungen:
1. In der Woche dreimal einen kurzen Wickel, 1½ Stunden lang;
2. viermal in der Woche ganz waschen vom Bett aus;
3. zweimal den Oberguß; so 14 Tage lang. Dann:
1. einmal den kurzen Wickel,
2. zweimal die Ganzwaschung,
3. jeden Tag Oberguß und Knieguß.
So geheilt nahm der Patient als zeitweilige Fortsetzung der Kur, sowie zur Erhaltung seiner Gesundheit jede Woche ein Halbbad und zweimal Oberguß und Knieguß.
Rotlauf (Gesichtsrose)
ist ein giftiger Krankheitsstoff, der sich zwischen Haut und Fleisch sammelt und lagert und an irgend einer Stelle einen Ausgang sucht. Er kann entstehen an einem Fuße, an einem Arme, am Kopfe oder an jeder anderen Stelle des Körpers. Wo er sich zeigt, tritt große Spannung ein, als ob die Haut zu eng sei, als ob sie auseinanderspringen möchte. Manchmal tritt er lange nicht auf die Oberfläche, und der davon Befallene leidet oft große Schmerzen. Beim Ausbruche zeigen sich zuerst einzelne Bläschen mit bräunlicher Flüssigkeit, nach und nach eine Unzahl derselben, kleinere und größere, die so giftig sind, daß sie ganze Teile der Haut auffressen. Der Rotlauf kann gefährlich werden und leicht den Tod bringen, wenn er nicht imstande ist, nach außen sich zu entfalten, wenn er im Inneren eine Blutvergiftung bewirkt, die sich rasch verbreitet, da nach der entzündeten Stelle viel Blut hinströmt. Gar oft kommt noch der Fall vor, daß der Rotlauf, wenn er sich nach außen entwickelt, von der ursprünglichen Stelle weicht und im Inneren an eine Stelle tritt. Derlei Fälle haben meistens einen tödlichen Ausgang.
Ich kannte einen Knecht; der bekam den Rotlauf am Arme. Er wollte dem Übel kein Gewicht beilegen; „das sei eine Weiberkrankheit“, meinte er. Der Rotlauf verschwand, faßte aber nach kurzer Zeit Posto im Gehirn, und in Bälde war der Kranke unterlegen.
Desgleichen ist mir ein Priester bekannt; diesem setzte sich der Rotlauf an einen Fuß. Wie er den leidenden Fuß gepflegt hat, weiß ich nicht. Der Rotlauf verschwand, und der Patient glaubte sich von dem Unhold befreit. Doch bald zeigte sich der unliebe Gast von neuem, jetzt am Oberarm. Wiederum verschwand er, aber nur, um sich zuletzt im Kopfe festzusetzen. Nach 4 Tagen war der Priester eine Leiche.
Jeder, der diese Krankheit aufmerksam beobachtet hat, wird von einer Reihe von Todesfällen erzählen können, die eintreten durch Vernachlässigung des Rotlaufs.
Bei der Heilung ist vor allem darauf zu achten und muß dem vorgebeugt werden, daß der Rotlauf nicht auf Wanderung gehe. An der Stelle, wo er zutage tritt, muß er so bald wie möglich geschwächt und der Giftstoff ausgeleitet werden. Auch die Zuströmung des Blutes soll man nach Möglichkeit verhindern, d. h. mindern.
Wer Rotlauf am Fuße hat, soll am besten einen kurzen Wickel nehmen. Dieser schneidet der Rotlaufstelle die Zufuhr ab. Nach dem kurzen Wickel kann er den Fuß oberhalb der Rotlaufstelle gegen den Körper zu umwinden (Fußwickel). Man kann aber auch den Rotlauf direkt angreifen. Dieses geschieht, indem man ein recht weiches, ausgenütztes linnenes Tuch in warmes Wasser taucht, damit die brandige Stelle überlegt und mit einem trockenen Tuche oder mit Wolle jenes nasse einhüllt. Dieses verteilt und leitet aus.
Bekommt jemand den Rotlauf am Arm, so kann er wieder zuerst durch einen kurzen Wickel die Strömung des Blutes von oben her ableiten. Dann soll er einen Schal umlegen und diesen öfters erneuern je nach der Stärke der Hitze. Auch gegen das direkte Einwirken auf die kranke Stelle läßt sich (wie oben beim Fußrotlauf) nichts einwenden.
Sollte der Rotlauf am Kopfe entstehen, so wird ein Oberaufschläger kräftig nach unten ableiten und ein Halswickel rasch den Rotlaufstoff vermindern. Sind diese Anwendungen ein paarmal vorausgegangen, so kann man direkt auf die Rotlaufstelle selbst einwirken, anfangs mit warmem und, wenn ein großer Teil des Krankheitsstoffes abgeleitet ist (was das Nachlassen der Röte und der Geschwulst angibt), auch mit kaltem Wasser. Die Anwendungen geschehen stets in Form von Linnen-Auflagen oder Wickeln, im letzteren Falle in Form des Kopfwickels.
Ein Geistlicher aus M. berichtet: „Vielleicht infolge einer Erkältung trat ein heftiger Rotlauf (Gesichtsrose) bei mir ein. Die Hitze des Körpers war groß, der Schweiß heftig, das Gesicht bedeutend geschwollen. Es wurde mir in diesem Zustande täglich vier- bis fünfmal die Brust, der Unterleib, der Rücken und die Arme, zuweilen auch die Beine, aber nicht das Gesicht mit kaltem Wasser abgewaschen und zwar in vollem Schweiß. Später waren die Waschungen weniger. Dies hatte den besten Erfolg zur Heilung der Krankheit und war zugleich sehr wohltuend. Nach 4 Tagen war das Fieber vorüber, und am neunten Tage konnte ich das Zimmer wieder verlassen. Da noch eine kurze Zeit hindurch nachts Schweiß sich einstellte, stand ich auf, wusch denselben mit kaltem Wasser am ganzen Körper ab, zog ein frisches Hemd an und legte mich wieder zu Bett. Ich habe bereits früher dieselbe Krankheit gehabt. Bei dem damaligen Heilverfahren dauerte es vier Wochen, bis ich wieder hergestellt war, jetzt durch Anwendung des Wassers nur neun Tage.“
Rückgrat.
Ein hochgestellter Offizier hatte sich beim Fahren einen Wirbel des Rückgrates eingedrückt und, wie die Ärzte behaupteten, das Rückenmark so verletzt, daß er meistens die gräßlichsten Schmerzen zu dulden hatte und sein Zustand nur zeitweise erträglich war. Das Leiden wirkte noch mehr auf das Gemüt, als es Schmerzen verursachte. Kein Arzt konnte ihm Hilfe bringen, obwohl er die ersten und berühmtesten Ärzte der Großstadt aufsuchte. Auf die Erklärung des berühmtesten Arztes der Gegend, daß da keine Heilung mehr eintreten könne, und daß mit der Zeit die Schwindsucht sich einstellen werde, suchte der Herr seine Hilfe beim Wasser. — In 6 Wochen war er hergestellt und erfreut sich heute noch guter Gesundheit, obgleich die Heilung bereits vor mehr als 25 Jahren stattgefunden hat. Auch das Gemütsleiden verschwand mit dem körperlichen Leiden vollständig.
Welche Anwendungen in unserem Falle vorgeschrieben waren, weiß ich genau nicht mehr zu sagen. Aber wenn du, lieber Leser, an genanntem Übel leiden solltest, so würde ich dir folgendes raten: Laß dir dreimal in der Woche den spanischen Mantel umlegen; nimm dreimal in der Woche ein Halbbad mit Waschung des Oberkörpers und zweimal einen Ober- und Unterguß! Dieses setze mehrere Wochen pünktlich fort! Der ganze Organismus muß sich kräftigen und er[S. 313]starken, und die von der verletzten und kranken Stelle ausgegangenen Gebrechen werden eines nach dem andern schwinden. Auch der eingetriebene Wirbel wird Ruhe geben und verknöchern, wie wenn nach einem Beinbruch der wunde Teil vernarbt. Abermals wiederhole ich: Wenn ein Teil am Körper schwer leidend ist, so kränkelt der ganze Körper. Der ganze Organismus nimmt gleichsam teil an dem Schmerze des Gliedes oder Gliedchens. Wirf einen Stein ins Wasser, und die ganze Oberfläche des Baches oder Teiches wird bewegt und zeigt Wellenkreise. Der Stein ist der eingedrückte Wirbel. Die Schmerzenskreise durchziehen den ganzen Körper.
Dieses sind treffliche Winke für das Heilverfahren. Sonach muß man beim Heilen immer auf den ganzen Körper einwirken, damit er stark werde, und damit die gesunden Teile des Körpers die kranken und geschwächten unterstützen, gleichsam hegen und pflegen; die Organe stehen ja untereinander in innigstem Zusammenhange. Sie sind die nächsten Glieder einer Familie, die sich nur wohl befinden in einträchtigem, friedlichem Zusammenwirken.
Ruhr.
Die Ruhr ist eine Schwester der Cholera. Beide sehen einander überaus ähnlich. Diese Krankheit beginnt in der Regel mit gräßlichen Krämpfen im Unterleib und mit starkem Abweichen. Neben anderem geht viel Blut ab.
Am schnellsten heilt man die Ruhr, indem man ein doppelt gefaltetes Tuch in recht warmes Wasser mit Essig eintaucht und auf den Unterleib bindet. Ganz auffallend wirkt nach innen ein Gläschen Heidelbeergeist, den man sich selbst leicht machen kann, und der in keiner noch so kleinen Hausapotheke fehlen sollte. Zweimal im Tage kann man zwei Eßlöffel dieses Geistes in heißes Wasser gießen; der Labetrunk wird vortrefflich munden. Sollte der Zustand am zweiten Tage nicht wesentlich besser sein, so erneuert man die Auflage auf den Unterleib und nimmt nochmals eine Portion Heidelbeergeist.
Joseph krümmte sich im Bett wie ein Wurm. Manchmal drehten ihn die Krämpfe herum wie eine Kugel. Er schrie vor Schmerz. Im Stuhl war mehr als ein halbes Liter Blut. Zwei Löffel des oben erwähnten Heidelbeergeistes, am Morgen und am Nachmittag genommen, haben in kurzem alles wieder gut gemacht.
Anna, eine Frau von über 50 Jahren, jammerte in entsetzlichen Krämpfen. Abweichen mit viel Blut ließ sie befürchten,[S. 314] es sei die ausgebildete Cholera. Das Essigtuch am Leibe, der Heidelbeergeist nach innen haben die Kranke in einem Tage wieder hergestellt. Sollten keine Heidelbeeren zu finden sein, so tut Milch, mit Fenchel abgekocht, gleichfalls recht gute Dienste.
Säuferwahnsinn.
Ein Mann, 36 Jahre alt, hatte viel Bier getrunken, wenig gegessen und sich so ziemlich vom Bier genährt. Hatte er Bier im Leib, so fühlte er sich kräftig; war aber der Bierdampf verraucht, so jammerte er über Entkräftung.
Bei dem armen Manne war bereits der Säuferwahnsinn so stark entwickelt, daß selbst junge Leute merkten, er sei nicht mehr recht. Dabei klagte er besonders viel über rheumatische Schmerzen, Krämpfe und zeitweilige Kopfschmerzen. Ist die Trunksucht auch äußerst schwer heilbar, so hatte dieser Patient doch guten Willen und wollte auch mit allen Opfern von seinem Elende frei werden.
Innerhalb drei Wochen haben nachfolgende Anwendungen den Mann vollständig hergestellt. Jeden Tag bekam er zwei bis drei Anwendungen, und zwar der Reihe nach, wie sie hier folgen: 1. Tag: a) Oberguß und Knieguß, b) Wasserstehen, Wassergehen und die Arme ins Wasser, c) Rückenguß. 2. Tag, a) Halbbad, b) Oberguß mit Knieguß. 3. Tag: a) Sitzbad, b) Oberguß. 4. Tag: a) Halbbad, b) Vollbad. So wurde fortgefahren bis zur Heilung; alle krankhaften Zustände hörten auf, das Aussehen hat sich vollständig gebessert, guter Appetit sich eingestellt, und die Lust zum leidenschaftlichen Trinken hatte ganz nachgelassen. Besonders muß betont werden, daß während der Kur an den verschiedensten Stellen des Körpers Ausschläge mit Ausscheidung der giftigen Stoffe auftraten.
Scharlachfieber.
Der Scharlach tritt meistens ein- oder auch zweimal im Jahre auf und verlangt nicht selten zahlreiche Opfer. Gewöhnlich trifft er die Kinder, verschont aber auch die Erwachsenen nicht. Die Zeichen vor dem Eintreten sind Kopfweh, Drücken auf Magen und Brust, Müdigkeit, Wechsel von Hitze und Frost. So viele Kinder diese Krankheit wegrafft, so leicht ist mit Wasser zu helfen. Kinder sind meist schon in zwei Tagen vor Gefahr gesichert; bei Erwachsenen geht es etwas langsamer. Scharlach kann auf zweierlei Weise recht leicht geheilt werden. Sind bei einem Kinde, gleichviel ob es noch auf den Armen getragen wird[S. 315] oder schon in die Schule geht, alle Zeichen dieser Krankheit vorhanden, so tauche man ein Hemd in heißes Wasser, in das man etwas Salz geworfen, winde es aus, so daß es nicht mehr träufelt, und ziehe es dem Kinde, das im Bette liegt, an. Dann wickle man es gut in eine Decke ein, so daß jeder Luftzutritt verhindert ist, und lasse es so eingehüllt eine Stunde liegen. Dann ziehe man das Hemd aus, und der ganze Körper des Kindes wird übersät sein mit dem Scharlachausschlage. Sollte die Hitze übergroß werden, so wasche man das Kind ganz, aber schnell ab und lege es wieder ins Bett. In schwierigen Fällen, in denen die Hitze sich steigert und es dem Kranken bange wird, kann in einem Tage das Hemd zwei- bis dreimal, seltener auch viermal angelegt werden müssen. Es kommt lediglich auf die Hitze und Stärke des Fiebers an. Nimmt die Hitze und das Fieber ab, so kann der Zwischenraum zwischen den Neueintauchungen des Hemdes verlängert werden. Man merke sich nur, daß bei diesen späteren Anwendungen stets kaltes Wasser (mit Essig) gebraucht wird. Zudem sei man recht sorgsam bei der Umhüllung und dem Zudecken, — gut, aber nie übermäßig. Nach Entfernung des nassen Hemdes bekleide man das kranke Kind mit einem sauberen Hemdchen. Bei solcher Behandlung wird in vier, höchstens in sechs Tagen der Scharlach völlig geheilt sein.
Eine Bemerkung sei hier beigefügt. Selten ist Appetit vorhanden. Dränge man dem Kinde ja keine Nahrung auf! (Wie der Ausschlag nach außen dringt, so ist er auch im Innern.) Der Durst ist gewöhnlich stark. Das Wasser bleibt das beste Linderungsmittel. Etwas Zucker, auch ein wenig Wein (roter oder weißer) kann gut beigemischt werden. Landkinder trinken am liebsten Milch. Als Grundsatz gilt: wenig trinken, aber öfter. Ich glaube nicht, daß ein Kind, das so behandelt wird, stirbt.
Ludwig, ein Knabe von 10 Jahren, kann vor Hitze kaum mehr reden. Das Gesicht ist gerötet, und er klagt, alles tue ihm weh. Ludwig wird, weil die Hitze stark und die Bangigkeit groß ist, jede Stunde gewaschen, und dieses zwei Tage lang. Am dritten Tage fängt der Knabe schon an zu essen. Das Waschen geschieht nur noch zweimal während des Tages. Am fünften Tage fühlt sich Ludwig wohl; am sechsten geht er im Zimmer umher, und bald spielt er wieder im Freien mit anderen Kindern.
Maria, 20 Jahre alt, kann nicht mehr gehen, hat heftigen Kopfschmerz, fühlt sich wie zerschlagen in allen Gliedern; dazu[S. 316] hustet sie immer ganz trocken, und es drückt sie schrecklich auf der Brust. Sie weiß vor Bangen nicht, was tun, kann keinen Augenblick aus dem Bette sein. Ekel quält sie vor jedem Essen, aber sie kann nicht genug trinken. Maria wird in einem hohen Grade das Scharlachfieber bekommen. Was tun? Alle Stunden soll ihr der Rücken kräftig mit kaltem Wasser, in das etwas Salz gemischt wurde, gewaschen werden, ebenso die Brust und der Unterleib. Ist sie auf diese Weise gewaschen, was aber so schnell als möglich geschehen soll, dann decke man sie ordentlich zu, aber ja nicht zu stark.
Zwei Tage hindurch wurde die Kranke derart gewaschen. Gegessen hat sie gar nicht, um so fleißiger getrunken. Der Hals brennt fort und fort schrecklich. Fleckenweise steht der Scharlach ab (verschwindet, Häute und Krusten bildend). Der Durst läßt etwas nach. Noch 2–4 Tage lang soll die Kranke täglich zwei- und, wenn die Hitze noch nicht nachgelassen hat, dreimal gewaschen werden.
Nach weiteren 3 Tagen war Maria vom Scharlach befreit.
Johann, ein Knabe von 13 Jahren, hat seit einigen Tagen kein Leben und keine Liebe mehr zur Arbeit, die sonstige Fröhlichkeit ist geschwunden. Da fängt auf einmal der ganze Leib an zu schwellen; Kopf und Füße werden dick, den Unterleib bläht es in ganz unheimlicher Weise auf. Das Kind bekommt die Wassersucht. Woher das? Johann ist vor kaum sechs Wochen vom Scharlach aufgestanden, und dieser war nicht zur rechten Entwicklung gekommen.
Der Kranke hat sechsmal innerhalb 8 Tagen ein Hemd, das in warmes Salzwasser eingetaucht wurde, angezogen und sich jedesmal gut in eine wollene Decke einwickeln lassen. Nach 10 Tagen war er wieder munter, frisch und gesund. Bei dieser Gelegenheit sei gesagt: Wenn der Scharlach nicht ganz ausheilt und kranker Stoff im Körper zurückbleibt, so tritt gern die Wassersucht ein. Auf die angegebene Weise ist sie aber auch jedesmal zu heilen.
Kreszentia, eine Frau von 65 Jahren, liegt bereits zwei Tage zu Bett. Sie klagt über gewaltiges Stechen auf dem Rücken, über Brennen und Stechen auf der Brust. Weil sie so schrecklich gefroren habe, sagt sie, habe sie sich ins Bett gelegt und fühle sich jetzt ganz heiß. Essen kann sie nichts. Durst leidet sie viel. „Waschet,“ so lautete mein Rezept an den Fragesteller, „der Kranken einen Tag lang alle Stunden den Rücken mit kaltem Wasser; Brust und Unterleib kann sie selbst jede[S. 317] Stunde waschen. Am zweiten Tag braucht sie dieses nur noch viermal zu tun, am dritten Tag werden zwei Waschungen genügen.“ Die Kranke befolgte meine Weisung. Am vierten Tage war die Frau bedeutend besser und, nachdem sie innerhalb dreier weiterer Tage noch ein paarmal die Prozedur wiederholt hatte, gesund wie früher. Getrunken hat sie Wasser und geronnene Milch, gegessen sehr wenig.
Ein Mädchen, ungefähr 24 Jahre alt, bisher recht gesund, frisch und ziemlich stark, bekommt einen Ausschlag, den Scharlach. Der Ausschlag steigerte sich innerhalb 8 Tagen in einer Weise, wie nur wenige Fälle werden aufgewiesen werden können. Die Kranke verlangte als Heilmittel sofort das Wasser, auf das sie alles Vertrauen setzte, hauptsächlich weil ihre Schwester durch Wasser von einer bedenklichen Krankheit geheilt worden war. Der Hilfesuchenden wurde geraten, Rücken, Brust, Unterleib, sodann Arme und Beine (Füße) allstündlich entweder selbst sich zu waschen oder waschen zu lassen. Der Zwischenraum von einer Stunde war ihr zu groß. Die Hitze steigerte sich dermaßen, daß mehr als fünf Tage lang nie über eine halbe Stunde das Waschen ausgesetzt werden durfte. Gegessen hat das Mädchen fast gar nichts, getrunken nur wenig in kleinen Portionen. Erst nach 10 Tagen, bei dem gewissenhaftesten Gebrauche des Wassers brach die Hitze; der Ausschlag ließ fleckenweise ganz nach, bis er am 14ten Tage gänzlich entfernt und das Mädchen vollständig gesund war.
Ich frage: Wie wäre es dem armen Wesen ergangen, wenn bei solcher Glühhitze, bei einer derartigen förmlichen Feuersbrunst im Körper nichts angewendet worden wäre als löffelweise kleine Gaben nach innen zur Kühlung? Jeder gebe sich die Antwort selbst und erwäge noch, daß bei solchem Fieber der innere Organismus ganz und gar untätig ist! Von dieser Heilung eines der höchsten Grade von Scharlach kann man schließen auf geringere Grade desselben. Das Wasser, richtig angewendet, hilft sicher und leicht.
Schlaflosigkeit.
Ein Pfarrer litt seit 9 Wochen an Schlaflosigkeit. Seine Kräfte nahmen täglich ab, und der Geist wurde zur Denkarbeit mehr und mehr unfähig. Gedrücktheit, Müdigkeit, Mutlosigkeit traten an Stelle des früheren Fleißes und der gewohnten Berufsfreudigkeit.
Große Anstrengung und widrige Verdrießlichkeiten hatten den guten Herrn in heftige Aufregung, das Gemüt in große Bitterkeit[S. 318] versetzt. So etwas rächt sich immer. Der Arme befand sich beständig wie in einem hitzigen Fieber. Das gehetzte Blut wollte wie ein verfolgtes Reh in wilder Flucht davonrennen. Man brachte dasselbe zur vollen Ruhe durch den Kopfdampf, den spanischen Mantel, den Oberguß mit dem Knieguß, den Fußdampf, den kurzen Wickel, den Ober- und Unteraufschläger, welche Übungen man 12 Tage hindurch in täglich zwei, öfters drei Anwendungen wirken ließ. Schon am dritten Tage schlief der Herr drei Stunden. Heute noch lebt er unter uns als einer der Gesündesten.
Die Schlaflosigkeit, diese aufsässige Verfolgerin vieler, kann in mancherlei Ursachen ihren Grund haben: in Störungen des Blutumlaufes, in unterdrückter oder mangelhafter Transpiration, in Gasen, welche Magen und Unterleib quälen, usw.
Sie belästigt mit Vorzug solche Menschen, welche oft den lieben langen Tag mit angestrengter Kopfarbeit zubringen und hierin des Guten zu viel tun.
Die zuerst angeführten Ursachen sind an anderer Stelle zur Genüge behandelt worden.
Ob wohl auch für die letzteren, die Kopfarbeiter, ein Kräutchen wächst oder ein Wässerchen fließt, das als Schlaftrunk dienen kann?
Ich kenne einen vornehmen Herrn, dessen Körper wenig, dessen Geist sehr viel Arbeit tut. Am liebsten hätte er gar keinen Magen und keinen Leib und keine Füße. Solchen Herren ist oft der Kopf nicht gut, nicht leicht zurechtzusetzen. In unserem Falle ging es. Der Mann gönnte dem armen Genossen der Seele, dem verkümmerten Leibe, wenigstens einige Brosamen. Er machte es sich zur Gewohnheit, wöchentlich ein- bis zweimal den spanischen Mantel anzuziehen. Die Schlaflosigkeit ließ bald nach, auch all die kleinen Übel, gleichsam die Störenfriede, die sie verursacht hatten.
Ein anderer Herr ließ jeden Abend in sein Schlafzimmer ein Gefäß mit frischem Wasser bringen. Dieses stellte er auf einen Stuhl neben das Bett. Kam in einer halben Stunde oder in einer Stunde der ersehnte Freund noch nicht, dann wusch er sich den ganzen Körper und stieg, ohne je sich abzutrocknen, wieder ins Bett. Er nickte ein. Die nächste Stunde fand ihn vielleicht wieder wach. Sofort griff er neuerdings zum Wasser und dieses ein drittes Mal, wenn er zu frühe aufwachte. Ich habe den Herrn später über Schlaflosigkeit nie mehr klagen hören.
Kinder können oft nur mit großer Mühe in Schlaf gebracht werden und erwachen bald wieder. Man hat ihnen zu viel Nahrung gegeben; der kleine Körper seufzt unter der Last, und die Blähungen lassen mit dem Leibe auch das Köpflein nicht zur Ruhe kommen. Man nehme ein kleines Handtuch und lege es naß in Form eines kurzen Wickels um. Das Kleine wird bald schlummern.
Landleute hört man oft sagen: ein warmes Fußbad schließt die Augen, wenn Anstrengung und Müdigkeit nicht einschlafen lassen. Bei geistiger Ermüdung wird jenes kaum ausreichen.
Wer von letzterer betroffen ist, ebenso allen jenen, welche wegen Hämorrhoiden, eingebannten Gasen und anderen Unterleibsbeschwerden nicht zum Schlafe kommen, rate ich kalte Sitzbäder, 1–2 in einer Nacht, von je 1–2 Minuten Dauer.
Eine letzte Ursache der Schlaflosigkeit kann sein die ungleiche Erwärmung des Körpers, rühre dieselbe von was immer her. Im Kopf und auf der Brust hat man zu viel Blut, deshalb Hitze, in den Extremitäten zu wenig, deshalb Blutarmut und kalte Hände und Füße. Wie diesem Übelstande abzuhelfen sei, wurde schon an verschiedenen Stellen gesagt.
Niemandem rate ich, zu künstlichen, betäubenden Schlafmitteln zu greifen. Sie gelten mir, um es mit einem Worte zu sagen, als unnatürlich, und was unnatürlich ist, kann der Natur niemals förderlich sein.
Schlaganfälle.
Paulus hat der Schlag gerührt. Die rechte Seite ist zur Hälfte gelähmt, der Mund schrecklich verzogen, das rechte Auge eingefallen, der Augendeckel gelähmt, mit der gebrochenen Sprache auch aller Mut gebrochen. Der rasch gerufene Arzt erklärte, es lasse sich vorläufig nichts machen, man müsse abwarten, ob nicht ein zweiter Schlag folge; indessen könne der Kranke täglich etwas Bitterwasser trinken. Mit dieser Antwort gab sich der Patient nicht zufrieden; sofort machte er Versuche mit dem Wasser, und in 12 Tagen war er wieder hergestellt. Dieses geschah vor 13 Jahren, und der rüstige, wenn auch ältere Herr hielt noch manches Jahr seine Vorlesungen.
Wie kam die Heilung zustande? Wird das in Eintracht zusammenwirkende Räderwerk einer Uhr durch was immer,[S. 320] durch Fall, Schlag oder Stoß verschoben und in seiner Ordnung gestört, so tritt ein Stillstand ein. Alle Rädchen bis zum kleinsten mögen unverletzt sein; aber es ist vielleicht etwas dazwischen gekommen, oder sie spannen und drücken sich gegenseitig, und so kann es nun einmal nicht weitergehen. Man muß sie neu zurechtrichten oder den Störenfried herausnehmen, dann werden alle Teile in gewohnter Untertänigkeit dem Ganzen dienen. Geradeso kann es gehen mit dem lebendigen Uhrwerk des menschlichen Körpers. Ein innerer Störenfried, vielleicht eine jener Anstauungen, wie sie im Alter, in welchem die Räder, d. i. die Organe, ohnedies fast von selbst aus den Fugen gehen wollen, so leicht vorkommen, hat den Mund, das Auge, die Zunge usw., diese feinen Rädchen, zwar nicht verletzt, aber aus ihrem ordentlichen und angewiesenen Platze weggetrieben. Entferne den Friedensstörer, und alles wird wieder in Ordnung und Frieden kommen. Ich will mithelfen.
Ein Kopfdampf mit folgendem Guß wird in den oberen Partien des Körpers auflösend wirken, ein Fußdampf in den unteren Partien. Der Kranke nehme alsdann ein warmes Bad im Wechsel mit kaltem Bade oder kalter Abwaschung. Auch diese Anwendung wird lösend wirken und den Blutandrang zum Gehirn vermindern. Sind so die Anstauungen gehoben und der Blutlauf geordnet, dann öle man die ganze Maschine durch eine kräftige, nahrhafte Kost — ja nie zu viel auf einmal —, vermeide aber sorgfältig alles Reizende, wie starke Weine, Spirituosen, Gewürze usw. Auch alle geistigen Reizmittel (Anstrengungen, Aufregungen) sollen weislich vermieden werden.
Ein Pfarrer wurde vom Schlage getroffen. Eine Hand, ein Fuß, die eine Seite waren total gelähmt, die Sprache und alle Besinnung geschwunden. Mehrere Tage hindurch wurden ärztliche Mittel angewendet ohne Erfolg. Der Arzt erklärte zuletzt, die eine Seite sei lahm und bleibe lahm, die andere Seite werde durch einen zweiten Schlag auch gelähmt werden und damit das Leben zu Ende sein. Ein Versuch mit Wasser, dachte ich, kann also auf keinen Fall etwas schaden. Gedacht, getan! Der kalte Fuß und der kalte Arm wurden kräftig mit kaltem Wasser gewaschen; zwei warme Fußbäder mit kräftigen Waschungen der Füße und vier Waschungen des Oberkörpers waren die Anwendungen des zweiten Tages. Am dritten Tage schon konnte man bemerken, daß in beiden gelähmten Gliedern noch Gefühl und Leben sei. Das gab Mut. Dem unbehilflichen Körper[S. 321] legten wir am vierten Tage mit Mühe einen Unterwickel um auf eine Stunde und stellten die halbtoten Füße zweimal in ein warmes Fußbad mit Asche und Salz. So ging es 14 Tage fort. Nach 14 Tagen unterstützte uns der Kranke durch die wieder brauchbare gesunde Hand und den gesunden Fuß, und mit Freude zeigte er, wie er auch die gelähmte Hand schon etwas in die Höhe zu heben imstande war. Es folgten nun Ganzwaschungen im Wechsel mit Kopf- und Fußdampf, wöchentlich je einer der Dämpfe, und täglich eine Waschung des Ober- und Unterkörpers. So drei Wochen. Neue Kraft erfüllte den niedergeschmetterten Lebensbaum, der Appetit wuchs. Warmbäder im Wechsel mit kalten, in der Woche eins, wöchentlich ein Kopfdampf, ein Fußdampf und drei Halbbäder mit Waschung des Oberkörpers (eine Minute lang) füllten die folgenden drei Wochen aus. Den Schluß des Heilverfahrens bildeten Ober- und Untergüsse im Wechsel mit dem spanischen Mantel. Freilich war’s eine langwierige, schwere und recht anstrengende Arbeit; aber der Herr erholte sich insoweit, daß er täglich die heilige Messe lesen, die Kranken besuchen, Ämter halten, alle Schreibereien besorgen konnte. Das Einzige, was ihm nie wieder gegeben wurde, war das Predigen. Die Zunge hatte zu stark gelitten und konnte manche Worte nur mehr recht schwer aussprechen.
Ein Mann, 45 Jahre alt, wurde plötzlich vom Schlage getroffen. Die rechte Hand und der rechte Fuß waren ganz lahm und ohne alles Gefühl; der Appetit fehlte gänzlich. Dem Kranken wurden täglich der Oberkörper und die Füße mit halb Wasser und halb Essig ganz warm gewaschen. Dreimal täglich nahm der Kranke 30 Tropfen von Wermut, Salbei und Bitterklee. Nach 14 Tagen hatten Hand und Fuß wieder die gehörige Wärme und das rechte Gefühl; auch war der Mann wieder imstande, im Zimmer zu gehen. Der Appetit nahm zu, die gelähmte Seite bekam wieder nach und nach Kräfte, und nach einigen Tagen war der Körper wieder in Ordnung. Bemerkt sei hier, daß dieser Kranke viel Schnaps getrunken hatte und daher sein Übel gekommen war. Zur vollständigen Heilung und Kräftigung gehören noch 8–10 Bäder von gesottenem Haberstroh oder auch von gesottenen Fichtenreisern. Die Wärme betrage 30° R. 10–15 Minuten lang; darauf folge eine kräftige kalte Abwaschung oder kaltes Halbbad mit Waschung des Oberkörpers.
Eine allgemeine Bemerkung könnte vielleicht manchem einmal dienen. Wird jemand vom Schlage gerührt, ist[S. 322] teilweise Lähmung eingetreten, so nehme man ungesäumt und zuerst kräftige kalte Waschungen vor auf Rücken, Brust und Unterleib, täglich zwei-, drei- bis viermal. In das Wasser kann etwas Salz oder Essig gemischt werden. — Ebenso wasche man die Füße und Arme, damit das Blut allseitig und gleichmäßig sich verteile, die Körperwärme eine allgemeine werde. Sämtliche Waschungen (ich kann dieses nicht streng genug einschärfen) geschehen so schnell wie möglich; keine dauere über eine Minute.
Ist die Lähmung nur eine kleine, und vermag der Kranke zu sitzen, so ist ein Kopfdampf von 20 Minuten mit nachfolgender kräftiger Abwaschung des Oberkörpers die erste, trefflichste Anwendung. Nach ungefähr 4–6 Stunden geschehe die zweite: Fußdampf, gleichfalls von 20 Minuten mit folgender Abwaschung oder Unterguß. Diesen können sodann die oben angegebenen Waschungen folgen.
Man hüte sich besonders anfangs vor ganzen Wickeln; die Naturwärme ist zu schwach und kann nicht ersetzt werden. Mir ist ein Fall bekannt, in welchem ein Arzt den Kranken durch Einwickelungen retten und heilen wollte. Der erste Wickel tat gut. Beim zweiten Wickel blieb der Kranke kalt, und der ganze Körper wurde blau. Nur durch Wärmezufuhr konnte er wiederum zurechtgebracht werden.
Ein Mann wird vom Schlage getroffen. Eine Seite ist ganz gelähmt, ebenso die Zunge. Derselbe ist im bewußtlosen Zustande. So blieb er 10 Tage — behandelt von einem Arzt; der erklärte, es lasse sich nichts mehr machen, ein zweiter Schlaganfall werde nicht mehr lange ausbleiben. — Auf dringendes Bitten machte ich den Versuch und ließ allererst einen Kopfdampf anwenden. Der Kranke lag im Bett; auf einem Schemel wurde ein mit strudelndem Wasser (ein paar Hände voll Heublumen daran) halb gefülltes Gefäß aufgestellt, der Oberkörper an den Rand des Bettes gebracht und mit einer Decke zugedeckt, so daß der Dampf unter der Decke auf den Oberkörper und Kopf drang. Der Kranke kam in 10 Minuten in Schweiß und schwitzte so ungefähr 15–20 Minuten am ganzen oberen Körper, daß das Wasser tropfenweise hinunterlief. Gleich darauf wurde der Oberkörper und Kopf mit frischem Wasser und Essig daran kräftig gewaschen und der Patient zum Ruhen ins Bett hineingebracht. Am selben Tage wurde die Waschung ohne Dampf nochmals vorgenommen. Am zweiten Tage wurde ein Fußdampf angewendet (25 Minuten lang) im bewußtlosen Zustande. Der ganze Körper kam in den größten Schweiß[S. 323] und wurde daraufhin wieder gewaschen. Am dritten Tag folgte Kopfdampf, am vierten Fußdampf; am fünften Tage kam wieder Bewußtsein und Leben in die Seite, der gelähmte Arm und Fuß konnte wieder bewegt werden. An den nächsten drei Tagen wurde er täglich zweimal mit Wasser und Essig gewaschen am ganzen Körper. Jetzt kehrte auch die Sprache teilweise zurück; bis zur vollkommenen Wiedererlangung derselben gingen drei Wochen vorbei. Von da an wurden dreierlei Anwendungen vorgenommen: a) Ganzwaschungen, b) Ober- und c) Unteraufschläger abwechselnd vormittags und nachmittags. In wenigen Tagen hatte sich der Kranke so erholt, daß jeden Morgen ein Knieguß und nachmittags ein Oberguß vorgenommen werden konnte. Neben diesen Anwendungen wurde gewechselt mit einer Ganzwaschung. Als der Kranke zum Gehen gekommen, wurden Halbbäder und Oberguß mit Knieguß — im Wechsel jeden halben Tag — genommen.
Die Heilung war so glücklich, daß der Herr jetzt volle 17 Jahre seit dem erlittenen Schlaganfalle noch rüstig seinen Beruf versieht.
Anmerkung. „Bei jedem Schlaganfalle soll sobald als möglich ein mit der Wasserkur schon gut vertrauter Mann (am besten Arzt) gerufen werden. Nur ein Erfahrener kann für den Fall das Rechte treffen. Bis zum Eintreffen solcher Hilfe kann und soll ohne Ausnahme, ohne Bedenken die Waschung des Rückens, der Brust, des Unterleibes, der Füße und der Hände der Reihe nach kalt und kurz vorgenommen werden. Diese Teilwaschungen sollen in 2–3 Stunden wiederholt werden.“
Schleimfieber.
Dürfte ich den Katarrh mit einem kleinen Kinde vergleichen, so wäre das Schleimfieber das ausgewachsene Kind. Schleimfieber entsteht regelmäßig aus Katarrhen, und aus beiden kann alles werden, wie an anderer Stelle gesagt ist. Die Heilung, also auch die Anwendungen sind bei beiden Übeln dieselben. Wer Katarrh schnell und leicht kurieren will, der lege sich ins Bett, wasche sich selbst alle Stunden Brust und Unterleib, den Rücken lasse er sich von einem andern kräftig abwaschen. Drei bis vier solcher Waschungen in einer Nacht heilen einen erst begonnenen Katarrh. Macht der Katarrh Fortschritte, d. h. entzünden sich Teile im Halse, im Kopfe, in der Brust, so haben wir das ausgebildete Schleimfieber, welches demnach nichts anderes ist als ein den ganzen Körper quälender Katarrh. Dabei bleiben jene Stellen, an denen der Katarrh begonnen, sei es die Rachenhöhle, sei es die Brust, bis zu eingetretener völliger Heilung stets die empfindlichsten.
Schweiß.
„Ja, das ist ein Kreuz, dieser Fußschweiß, der sich nun schon so lange an meine Sohlen heftet und mich überallhin auf der Ferse verfolgt!“ So klagen manche, ja sehr viele. „Was ist doch das?“ fragen sie, „häufig ganz kalte Füße, dann wieder ein Brennen und Stechen, und — dieser Geruch!“
Wahr ist’s; aber noch größeres Kreuz, die traurigsten Folgen bringt nicht selten, sogar meistens vertriebener Fußschweiß. Mir ist ein Herr bekannt, dem geraten wurde, er solle täglich ein paarmal die Füße mit kaltem Wasser waschen; der Schweiß werde schon nachlassen. Freilich der Fußschweiß ließ nach, er hörte zuletzt ganz auf. Die Folgen? Die letzten Dinge wurden ärger als die ersten; eine lästige und gefährliche Krankheit rächte den vertriebenen Fußschweiß. Jeden Vernünftigen frage ich: Ist’s denn auch anders möglich? Wer den Fuchs aus seinem Erdverstecke treiben will, darf die Höhle, das Fuchsloch doch nicht zustopfen. Einen solchen Jäger würden die Spatzen auspfeifen, und die Hasen würden ihm zum Spott Männchen machen.
Der Fußschweiß besteht in nichts anderem als in faulen Säften, welche auch die Gefäße, die sie anfüllen und verpesten, halbfaul machen. Dieses die Ursache des schrecklichen Geruches, der Menschen, selbst Tiere aus dem Hause treibt, den Fußschwitzern zur großen Plage gereicht und sie zu gemiedenen Menschen macht.
Was ist da zu tun? Ein Kleid, das in Teer gefallen ist und weithin üblen Geruch verbreitet, wird niemand zu reinigen suchen, indem er von Zeit zu Zeit es mit einem Schwamme abwischt. Die Wäscherin wird eine gute Lauge machen, das schmutzige Stück einbeizen und so den harzigen Teer ausziehen. Ein guter Wäscher des Fußschweißes wird sein, wer alle faulen und faulenden Säfte, so tief dieselben dringen mögen, auflöst und aus- und abwäscht resp. ausleitet. Nebenbei muß er die Haut und die Gefäße, soweit sie durch Fäulnis gelitten haben, heilen und kräftigen.
Am besten und sichersten werden beide Füße ganz eingewickelt in Tücher, die in Heublumenabsud oder in Absud von Fichtenreisern getaucht sind. Diese Umschläge saugen die faulen Stoffe auf, und die beiden Kräuter haben zugleich kräftigende und heilende Wirkung. Man nehme 5–6 solcher Wickel innerhalb zehn Tagen; hernach vierzehn Tage lang täglich ein warmes Fußbad (das bis an die Waden hinausreicht) von je zehn Minuten mit dreimaligem Wechsel und jedesmaliger[S. 325] kalter Abwaschung (höchstens eine Minute dauernd). Schließlich wird ausreichen in der Woche ein obenbeschriebener Fußwickel oder ein solches Fußbad. Nach gestillten Fußschweißen ist’s vortrefflich, zuweilen eine Viertelstunde im nassen Grase barfuß zu gehen. Wer das nicht kann, gehe vor dem Schlafengehen einige Minuten in seinem Zimmer barfuß auf und ab. Man sollte nicht glauben, wie vorteilhaft, wie erfrischend, kräftigend und abhärtend die frische Luft auf so entblößte, dem Wollstrumpfzwange entrissene und einige Minuten der goldenen Freiheit sich freuende Füße wirkt. Probatum est! d. i. Übung macht den Meister!
Körperschweiß, ungesunder.
Nicht bloß Fußschweiße gibt es, es gibt auch ungesunde Körperschweiße. Ein Herr von Stand schwitzte jede Nacht so, daß am Morgen die ganze Matratze durchnäßt war und das Kopfkissen und das Oberbett trieften, ein nächtliches schweres Kreuz, das ihn immer mit Angst vor dem Schlafengehen erfüllte.
Zu dieser Last gesellte sich noch eine zweite, nicht geringe Unannehmlichkeit. Bei der größten Sorgfalt und der sorgfältigsten Einhüllung und Vermummung nämlich konnte der Herr im Winter des ewigen Katarrhs nie los werden. Dazu das stete Schwitzen; man roch die Kleider selbst schon von weitem. Ein lästiges Übel in der Tat! Und nun das Mittel aus der Apotheke?
An schnelle Heilung darf bei diesem Leiden nie gedacht werden, nur an allmählige Kräftigung, Stärkung des durch so vieles Schwitzen entkräfteten Körpers und an fortgesetzte Ausleitung der krankhaften Säfte. Ungeduldig darf so ein Patient nicht werden. Der unsrige hat bewiesen, was bei Ausdauer und Pünktlichkeit die Anwendung von Wasser vermag. Als Lohn seiner Treue erhielt er die volle Gesundheit wieder. Doch das genügt mir nicht, sagt ein barscher Leser. Wenn ich so ein Leiden bekomme, was müßte ich tun? Ziehe dreimal in der Woche, so gebe ich ihm zur Antwort, den spanischen Mantel an. Hindert dich während des Tages dein Beruf, so lege ihn beim Schlafengehen als Nachthemd um auf 1½–2 Stunden. Wasche dich zwei- bis dreimal wöchentlich, oder wenn du, wie unser Patient, schlaflose Nächte hast, zwei- bis dreimal in der Nacht vom Bette aus! Solltest du gerade im Schweiß sein, so wasche dich doppelt kräftig, aber schnell, gehe gleich wieder, ohne dich abzutrocknen, zu Bett und decke dich gut zu; habe indessen, wenn möglich, das Bett nicht in einem ganz kalten Zimmer! Merke[S. 326] dir gut: mit dem spanischen Mantel mußt du die Anwendungen beginnen. Und wenn du seine wohltätigen Wirkungen erfahren hast, wirst du — es ist dein eigenster Vorteil — schon aus Dankbarkeit es nicht verabsäumen, ihn wöchentlich wenigstens einmal auf 1½–2 Stunden zu tragen. Auch eine einmalige Ganzwaschung in der Woche als weitere Zugabe sollte dir den Wasserappetit nicht verderben. Eine große Zahl von Leuten könnte ich nennen, die nach Ablegung des Vorurteils, „man könne sich durch solche Anwendungen nur schaden,“ aus wasserscheuen Individuen ebenso große Wasserfreunde geworden sind. Wie stemmt sich das Schoßhündchen, und wie winselt und keucht es, wenn ich’s ins Wasser werfen will! Wie viel solcher Helden habe ich gesehen! Doch die früher nur „hundelten“ (eine verpönte Art des Schwimmens), sind allmählich prächtige und gewandte Schwimmer geworden.
Viel- und Leichtschwitzen.
Es gibt Naturen, die sehr leicht und viel in Schweiß kommen, die bei jeder, selbst der geringsten Anstrengung wie im Schweiß gebadet und deshalb, abgesehen von der Mattigkeit und Müdigkeit, den Katarrhen, Erkältungen, Entzündungen usw. recht ausgesetzt sind.
Ein Beamter, der mich eines schönen Tages aufsuchte, klagte mir, er sei eben nicht gesund, er leide viel an schwerem Atem, und die Ärzte halten ihn für leber- und nierenleidend. Das größte Unglück aber bestehe darin, daß er keine Medizin ertragen könne; jeden Löffel voll müsse er stets wieder herausbrechen. „Das größte Glück, wollen Sie sagen,“ unterbrach ich den Herrn, dessen Leiden sich durch einen scharfen, peinlichen Schweißgeruch schon verraten hatte. Und ich begann als Wahrsager zum Staunen des Beamten: „Sie schwitzen viel beim Gehen, auch morgens beim Aufstehen.“ „Ja, so ist’s! Woher wissen Sie das?“ Statt der Antwort gab ich den Rat, er möge sich eine Badewanne mit kaltem Wasser anfüllen lassen. Wenn er, in Schweiß gebadet, heimkomme, dann solle er sich rasch ausziehen, bis an die Magengegend sich in diese Wanne setzen und den Oberkörper schnell und kräftig abwaschen; das Ganze dürfe höchstens eine Minute dauern. Schnell, ohne abzutrocknen, solle er seine Kleider wieder anziehen und auf seinem Zimmer zirka eine Viertelstunde sich Bewegung machen. „Was,“ rief der Herr Beamte aus, „Ew. Hochwürden treiben bittern Spott mit mir! Gott bewahre! Da würde mich ja augenblicklich der Schlag treffen! Wie oft bin ich vor der geringsten[S. 327] Vernässung und Verkältung gewarnt worden, und Sie heißen mich in eine Badewanne steigen, in kaltes Wasser!“ Ich blieb ruhig, aber ich mußte alle Beredsamkeit aufbieten, dem Herrn das Unschädliche dieses Verfahrens begreiflich zu machen. Unter anderem fragte ich ihn. „Wenn Sie so im Schweiße nach Hause kommen, schwitzend, daß Ihnen das salzige Wasser über Gesicht und Stirne rinnt und die Finger aneinander kleben, haben Sie Furcht und nehmen Sie den geringsten Anstand, sofort die Hände und das Gesicht zu waschen?“ „Nein, das tue ich jedesmal.“ „Haben Sie je den geringsten Nachteil verspürt?“ Der Herr besann sich — er fürchtete meine Folgerung —, sagte alsdann aber ein kräftiges: „Nein.“ „Nun gut,“ erwiderte ich, „lassen Sie diese Wohltat auch einmal dem ganzen schwitzenden Körper zukommen; versprechen Sie mir, es auch nur einmal zu tun.“ Nach kurzem Schweigen gab er das Versprechen. Nach 14 Tagen begegnete ich ihm wieder. „Nun, leben Sie noch? Wie ist’s gegangen?“ „Wie dankbar bin ich Ihnen, Herr Pfarrer!“ sprach er. „Alle Furcht ist mir nun benommen. Kann ich’s denn nun öfter so machen? Es tut gar so gut!“ Ja, es tat gar so gut: alle Armseligkeiten und körperlichen Übelstände wurden allmählich beseitigt. Der Herr lebt noch; er wird zu 80 Jahren nicht mehr weit haben. Wären alle, denen ich schon freundschaftlich geraten, so folgsam gewesen (leider ist oft Spott und Hohnlachen der Lohn), sie hätten sich selbst viele bittere Stunden und das zu frühe, schmerzensvolle Ende ihres Lebens erspart, sie lebten vielleicht heute noch. Die Konservierung eines Gebäudes ist nicht schwer, wenn man jedes Jahr das Ganze durchmustert und jeden Fehler an Dach- und Mauerwerk gleich ausbessert. Die täglichen Launen, verkehrten Stimmungen und Unaufgelegtheiten sind Schäden am Mauerwerk unseres oft recht armseligen Seins, und wie viele hundert solcher Launen und Unaufgelegtheiten schleppt der beladene Mensch mit sich jede Woche, wie viele tausend jeden Monat und jedes Jahr!
Vielfach, ja meistens haben all’ diese Dornen und Brennesseln, oder wie sie heißen, ihre Wurzel in kleinen Indispositionen, Störungen des Körpers. Es sind Dachmoose oder Mauerfresser an der gebrechlichen Hütte deiner Seele, nicht gefährlich, aber lästig; sie rauben vielfach die Heiterkeit, die Fröhlichkeit, die innere Zufriedenheit. Manche können dem Körper und Geiste mit der Zeit auch schädlich werden, sie können einem das Leben verleiden. Die einzige Anwendung, wie sie der Beamte machte, reicht oft aus, dem[S. 328] Menschen einen neuen Humor, eine andere Stimmung zu geben. Mancher verhöhnt vielleicht diese Bemerkung. Das ist mir gleich. Der Hohn benimmt ihr nicht die Wahrheit.
Noch eine Bemerkung schulde ich an dieser Stelle. Wohl kaum etwas wird im Leben, selbst von einsichtsvollen Menschen, so sehr gefürchtet, als wenn sie im Schweiß das kalte Wasser anwenden sollen. Diese Meinung mag von der Wahrnehmung herrühren, daß solche, die im Schweiß gebadet plötzlich an die Kälte kommen oder sich der frischen Luft, besonders der Zugluft aussetzen oder sich gar vernetzen, sich schon oft gründlich verdorben haben. Das gebe ich alles gerne zu. Es kommt eben hier wie sonst im Leben nicht allein und nicht in erster Linie auf das „Was“, sondern auf das „Wie“ an, wie die Leute die Anwendung mit Wasser vornehmen. Meine nach so langer Erfahrung und Übung gewonnenen Grundsätze sind:
a) Wer naß ist durch Schweiß, Regen usw., darf sich nicht der Kälte oder Zugluft aussetzen; das würde sich rächen.
b) Wen friert, der soll ja nichts mit Wasser anfangen.
c) Wer vom Regen usw. durchnäßt worden, soll sich so rasch als möglich trocken umkleiden.
d) Wer aber schwitzt, sei es krankhaft oder durch Gehen oder durch Arbeit, darf ganz kurz (wie bei der Beschreibung der Anwendung genau besagt ist), ein kaltes Bad nehmen oder eine kalte Ganzwaschung vornehmen; er muß aber (ohne abzutrocknen) schnell trockene Kleidung anziehen und sich Bewegung machen, bis auch der Körper trocken ist. Dieses sollte doch einmal selbst die heißblütigsten Sanguiniker beruhigen und befriedigen!
Schwermut.
Ein Herr zog sich durch Überanstrengung und Geschäftssorgen folgendes Leiden zu: Ohrensausen, anhaltendes Eingenommensein des Kopfes, Abnahme des Denkvermögens sowie auch des Gedächtnisses, so daß er für seine Berufstätigkeit ganz unfähig war. Dabei befand er sich in unbeschreiblich trüber Gemütsstimmung, und häufig traten Angstzustände auf. Schlaf meistens schlecht. Die Körperkräfte des sonst robusten Mannes schwanden, das Körpergewicht verminderte sich erheblich. Der äußerst schwermütige Kranke unterzog sich in Wörishofen folgender Behandlung: Oberguß, Rückenguß, Wassergehen, in der Woche zwei Wickel, einen spanischen Mantel und zum innerlichen Gebrauche Wermuttropfen, teils[S. 329] allein, teils mit Arnika und auch mit Tausendguldenkraut gemischt. Von diesen Tropfen rühmt er eine ganz besondere Wirkung. Nach achtwöchentlicher Kur fühlte er sich vollkommen gesund und arbeitsfähig; seine Gemütsstimmung war wieder gehoben und heiter und ist es auch geblieben. Das Körpergewicht hatte jetzt 22 Pfund zugenommen.
Schwindel.
Ein Priester in den besten Mannesjahren fühlte eine fortschreitende Abnahme der Kräfte, besonders in den Beinen. Nur mit der größten Anstrengung konnte er eine Viertelstunde weit gehen und hatte das Gefühl, seine Beine brechen zusammen. Außer diesem Leiden hatte er sehr viel Schwindel, so daß er in einem offenen Raum gar nicht auf längere Zeit stehen konnte, ohne sich an einem festen Gegenstande anzuhalten. Wollte er sich am Altare umwenden, so mußte er sich stets festhalten. War der Schwindel etwas leichter, so fühlte er gewaltigen Druck in der Brust und eine Bangigkeit, als treffe ihn ein Schlaganfall.
Patient gebrauchte viel Mineralwasser und Medikamente; alles ohne Erfolg. Sein Aussehen war nach dem allgemeinen Urteile sehr gut, Appetit in Ordnung, aber Schlaf mangelhaft.
Erfolg: Bereits drei Wochen lang von seinem Berufe entfernt ging er täglich viel barfuß (im Gras, auf nassen Steinen und im Wasser bis unter die Knie), bekam anfangs täglich zwei Obergüsse und einen Knieguß, später Halbbäder und Bäder im Schweiß. Am Schlusse seiner Kur machte er den Versuch, in einem Tage 4 Stunden weit zu gehen, was gut gelang ohne Ermüdung. Er fühlte sich nun ganz gesund und war freudig gestimmt für seine Berufstätigkeit.
Schwindel bei einem Greis.
Ein Herr, 74 Jahre alt, erzählt:
„Ich habe häufig starken Schwindel und mitunter einen gewaltigen Druck auf dem Kopf; zeitweilig sind meine Füße ganz kalt, und wenn’s im Kopf gut ist, so habe ich regelmäßig große Beschwerden im Unterleib. Stuhlgang ohne Hilfsmittel habe ich gar nie. Das Buch „Meine Wasserkur“ hat mich veranlaßt zur Fragestellung, ob man in meinem hohen Alter auch noch Wasser anwenden könne mit Erfolg; wenn nicht, dann übergebe ich mich ruhig meinem Schicksale in diesem Alter. Wenn es noch anwendbar ist, gehe ich ins kalte Wasser wie der Jüngste.“
In drei Wochen war der alte Herr so gut, daß er bereute, seine Berufstätigkeit schon einem anderen übergeben zu haben.
Die Anwendungen bestanden in folgendem: Erster Tag: am Morgen den oberen Körper mit Wasser und Essig waschen, nachher einen Knieguß nehmen; am Abend ein warmes Fußbad mit Asche und Salz, 14 Minuten lang. Zweiter Tag: am Morgen wieder Oberguß mit einem Gießer, gleich darauf auf nassen Steinen gehen (5 Minuten lang); nachmittags: ein kaltes Sitzbad, eine Minute lang. Dritter Tag: am Morgen im Wasser gehen, zwei Minuten lang; gleich darauf die ganzen Arme ins Wasser halten; nachmittags: ein Oberguß, gegen Abend ein Sitzbad. Vierter Tag: in der Frühe im Wasser gehen bis an die Knie (drei Minuten lang); gleich darauf die Arme ins Wasser (zwei Minuten lang); am Nachmittag: ein Rückenguß. Fünfter Tag: am Morgen einen Rückenguß, am Nachmittag ein Halbbad (eine Minute lang). So wurden die letzteren stärkeren Anwendungen fortgesetzt. Der Schwindel verlor sich ganz, der Stuhlgang kam in Ordnung, die schlechten Gase waren beseitigt, die allgemeine Naturwärme war wieder hergestellt, und so war die Maschine wieder in Ordnung. Der Greis bekam geradezu jugendliche Frische und den besten Humor.
Es mag vielleicht auffallen, warum man bei diesem hochbetagten Mann nur eine einzige warme Anwendung vorgenommen hat und nicht länger mit warmen Anwendungen verfahren ist.
Der Grund ist einfach dieser, weil noch ziemlich viel Kraft und Naturwärme vorhanden war; sonst hätte er durch Waschungen vom Bett aus und wieder ins Bett entweder mit warmem Salzwasser oder mit Essig und Wasser zu einer größeren Naturwärme gebracht werden müssen. Wird die Naturwärme bei alten Leuten durch warme Waschungen erhöht, und man nimmt dann versuchsweise eine kalte Waschung vor, so verschmähen sie recht bald das warme Wasser und ziehen das kalte vor, weil sie dadurch bessere Wirkung und vermehrte Naturwärme verspüren.
Ein 78jähriger Priester hatte solchen Schwindel, daß er gar nicht mehr in die Höhe schauen und nicht sicher auf dem Wege gehen konnte; er war ziemlich beleibt. Das ganze Aussehen machte den Eindruck, daß der arme Greis keine Naturwärme mehr habe. Trotz all dieser Gebrechen, die zu der Annahme verleiten konnten, es sei doch mit dem Wasser nichts mehr anzufangen, verjüngte sich sein Aussehen ganz auffallend. Der Schwindel verschwand, sowie alle Furcht beim Gehen, kurz, der Hochbetagte wurde einer Lampe gleich, welche Aufguß zum Weiterbrennen bekommt.
Wenn ein Hochbetagter es liest, wird er fragen: Was geschah mit ihm? Die Antwort lautet:
Am ersten Tage von unter den Armen ganz einwickeln, das Tuch in heißes Wasser eingetaucht, in welchem Heublumen gesotten wurden, 1½ Stunden lang; am nachmittag: eine Waschung mit Wasser und Essig, ganz warm. Am zweiten Tag: in der Frühe einen Fußdampf, 20 Minuten lang; gleich darauf mit frischem Wasser ganz kurz abgießen; am nachmittag: wieder eine Ganzwaschung wie am ersten Tage. Am dritten Tag: einen Kopfdampf (20 Minuten lang), gleich darauf einen Oberguß. Am vierten Tag: in der Frühe einen kalten Oberguß, darauf einen Knieguß; nachmittags: ein nasses Hemd anziehen, 1½ Stunden lang. Am fünften Tag: am morgen ein warmes Fußbad mit Asche und Salz; nachmittags: einen Oberguß und Knieguß. Von dieser Zeit an nur mehr kalt, und zwar im Wechsel: Oberguß und Knieguß vormittags; zwei Stunden später: im Wasser gehen und die Arme ins Wasser halten; nachmittags: bloß Oberguß. So ungefähr 6 Tage fortfahren, und es reicht aus, in der Woche ein oder zweimal in der Nacht vom Bett ganz waschen und wieder ins Bett. Zu Haus ist nichts mehr notwendig, als in der Woche zweimal im Wasser gehen und die Arme ins Wasser halten. In der Woche ein Sitzbad nehmen, dies kann auch warm genommen werden. — Innerlich einen Tee von Fenchel, Schafgarbe und Salbei.
Schwindsucht.
Wie eine Schlange im Grase oder Gerölle versteckt auf ihre Beute lauert, so steckt und herrscht oft schon lange die Schwindsucht im Körper, ehe sie sich zeigt. Ihr Anfang ist eine Fäulnis, die an irgend einer Stelle entsteht, nach und nach durch Vereiterung um sich greift und Organe des Körpers zerstört. Es kann dieses geschehen in der Brust: in der Lunge, im Rippenfell; im Unterleib: im Darm und in den Nieren; im Hals: in der Luftröhre, im Kehlkopf usw., an den edelsten und wichtigsten Organen. An jeder Stelle, an der solche Fäulnis sich zeigt, treten alsbald auch Störungen ein im Blutumlauf, im Blute und in den Säften. Dem Menschen, den es trifft, ergeht es wie dem Baume, dessen Blätter anfangen, zur Unzeit gelb zu werden und abzustehen. Seine Lebensadern haben aufgehört, den Lebenssaft zu geben. Der Baum wird nicht mehr recht genährt, daher das Welken und Absterben. Und da hilft keine Sonne und keine frische Luft. Dasselbe können wir vom Schwindsüchtigen[S. 332] sagen. Das Blut, dieser Lebenssaft, nimmt ab, der Kranke „fällt ab“, wie der Volksmund sagt, und erlischt am Ende wie ein Licht, lebensunfähig.
Hat die Schwindsucht einmal tief sich eingefressen und bereits ein Organ des Körpers zerstört, dann ist der Mensch verloren. Hat sie sich aber an dem einen oder anderen Teil des Organismus angesetzt, so kann gerade mit Wasser eine Heilung ganz leicht eintreten. Das Traurigste bei solchen Kranken ist, daß die ersten Zeichen scheinbar so unbedeutend sind. Der Kranke hat nur ein Hüsteln, das ihm auch gar nicht besonders wehe tut. Nicht einmal ausspucken muß er oder doch höchst wenig. Kommt von Zeit zu Zeit der Husten stärker, so tröstet sich der Kranke: „Es ist nichts weiter als ein gelinder Katarrh, hab’s schon oft gehabt, wird bald wieder nachlassen.“ Selbst wenn der Körper welker wird, der Schwindsüchtige eine Abnahme der Kräfte spürt, immer hat er seine Entschuldigung. „Der Katarrh dauert diesesmal etwas länger; aber ich kann ja meinem Beruf doch noch vorstehen.“ Gewöhnlich haben derlei Kranke bei diesem Stadium der Krankheit schon mehr gelitten, als sie selbst glauben: die Blutbildung hat abgenommen, die Säfte haben sich vermindert, die kranken Stellen dehnen sich immer weiter und weiter aus. Sucht dann der Kranke nach Hilfe, so ist er sicher schon zu spät daran, und was er tut und anwendet, das tut er meistens nur zur Abkürzung seines Lebens. Ich bemerke all dieses zur Warnung, solche Zustände, die unter dem Namen „Katarrh“ die ganze Welt erfüllen, nicht zu vernachlässigen. In Fällen, in denen die Schwindsucht vorangeschritten ist, einen höheren Grad erreicht hat, versuche ich (erkläre dieses auch von vornherein jedem Patienten) mit Wasser nichts mehr anzufangen;[45] denn die Natur vermag den Kampf mit dem frischen Wasser nicht mehr aufzunehmen. Das wäre ebenso töricht, wie wenn ein Schwächling es versuchen wollte, einen robusten, kräftigen Mann zu meistern. Die fortgeschrittene Schwindsucht erkennt man daran, daß der Kranke ziemlich häufig hustet, mit dem Husten sehr viel Auswurf abgeht; ferner, daß derselbe schwer atmet, der Appetit nachgelassen hat usf. Solange der Auswurf noch oben auf dem Wasser schwimmt (man stelle[S. 333] die Probe an), braucht man nicht alle Hoffnung aufzugeben. Sinkt er zu Boden, dann ist’s meistens bei Matthäus am Letzten, zu Ende mit aller Hoffnung und Hilfe. Der Kranke soll sich in Gottes Willen ergeben und sich ruhig auf das letzte Stündlein vorbereiten.
Dagegen behaupte ich — und ich könnte dafür eine Reihe von Beispielen anführen —, daß beim Beginne der Schwindsucht das Wasser als das erste und sicherste Heilmittel sich bewährt. Es erfrischt und belebt den welk werdenden Körper, wirkend wie Öl, das man in das Räderwerk der Maschine gießt; es bringt einen lebendigen Blutumlauf hervor und weckt so in dem schlaff gewordenen untätigen Organismus neues Leben. Dann rüttelt es, wie ein Sieb die Mohnkörnchen, die faulenden Säfte auf und scheidet sie aus. Man beachte indessen wohl: es dürfen gar nie stark auflösende und stark ausleitende Anwendungen vorgenommen werden. Man muß vorherrschend auf Stärkung des Organismus abzielen, auf daß die wieder kräftig gewordene Natur selbst die faulen Stoffe ausscheide. Vor allem erheischt die Vorsicht, daß die Naturwärme nicht geschwächt, erschöpft, vollends ausgesogen werde. Das hieße der Krankheit in die Hände arbeiten. Nur ganz kurz dauernde Anwendungen sind hier am Platze; sie sollen, wie gesagt, anregen, stärken, beleben. Ich möchte es nicht wagen, mehrere totale Anwendungen, die auf den ganzen Körper sich erstrecken, vorzunehmen, falls die Zeichen ein Fortschreiten der Schwindsucht andeuten.
Hat das Leiden im oberen Teile des Körpers seinen Sitz, so ist der Oberguß eine vorzügliche Anwendung, verbunden mit dem Knieguß, letzterer höchstens eine halbe Minute lang. Bei günstiger Jahreszeit wird kaum eine Anwendung und Übung übertroffen von dem Barfußgehen im nassen Grase. Das kräftigt den Körper am meisten, und nie darf man Furcht hegen, sich in irgendeiner Weise zu schaden. Auch das Gehen auf nassen Steinen ist gut; es leitet das Blut nach unten und fördert den rascheren Blutumlauf und so die Blutbildung überhaupt. Noch sei hier ein Wort gesprochen über die Kost solcher Kranken, die mehr als andere und zum Widerwillen stets den Refrain hören müssen: „Nur gut essen und trinken.“ Die einfachste Kost ist die beste; nichts Hitziges, Gewürzhaltiges, keine Säuren; jene Kost, welche das Kind am leichtesten ertragen kann und bei[S. 334] der es im Wachstum am besten gedeiht. Eine merkwürdige Erfahrung möchte ich nicht für mich behalten. Das sicherste und oftmals für das Vorhandensein der Schwindsucht den Ausschlag gebende Zeichen war mir, wenn der Kranke recht gern Gesalzenes aß, Salz auf Brot streute, Fleisch in Salz tauchte, mit Vorliebe nach Saurem, nach Gewürz haschte. Ein sehr gutes Nahrungsmittel ist die Milch, die vor allem empfohlen werden soll, aber ja nicht Milch allein: sie würde dem Kranken bald widerstehen. Auch die Kraftsuppen sind sehr zu empfehlen, wieder im Wechsel, selbst wenn die eine oder andere dem Kranken besonders zusagt. Nicht zuletzt verdienen genannt zu werden recht einfache bürgerliche Mehlspeisen ohne alle komplizierte, gekünstelte Zubereitung. Das natürlichste und am wenigsten Widerwillen erzeugende Getränk bleibt stets das Wasser, vielleicht untermischt mit etwas Wein. Auch Milch, gestockte Milch, dient gut. Für Bier und Wein trete ich nicht ein. Noch eine Bemerkung möge hier Platz finden. In den höheren und höchsten Stadien dieser Krankheit treten heftige Fieber ein mit stärkerem Schweiße und darauffolgendem Frost. Es läßt sich mit Erfolg nichts dagegen tun. Dem Kranken indessen geschieht Erleichterung, wenn man nach dem Schweiße ihm Rücken, Brust und Unterleib mit frischem Wasser kräftig abwäscht.
Eine tüchtige Lehrerin wurde längere Zeit von einem berühmten Arzte behandelt ohne Erfolg. Da sie zuletzt in ihrem Berufe nicht mehr arbeiten konnte, erhielt sie vorläufig auf drei Vierteljahre Pension. Nach Verlauf dieser Frist war der Zustand nicht viel besser geworden; der Arzt erklärte sie in seinem Zeugnisse für „unheilbar“, also auch künftig als untauglich für ihren Beruf. Freunde rieten ihr das Wasser an, und sie logierte sich in einem Nachbarorte meiner Pfarrgemeinde ein. Der Patientin war es anfangs kaum möglich, eine halbe Stunde weit zu gehen, so entkräftet und geschwächt fühlte sie sich. Sie gebrauchte nach Vorschrift Wasseranwendungen, und in 4–5 Wochen war sie vollständig hergestellt. Sie hat dann um Reaktivierung angehalten, und es kostete sie nicht geringe Mühe, wieder auf ihre Stelle zu kommen. Man wollte an die Heilung nicht recht glauben. In Person stellte sie sich dem Minister vor, der über ihre kräftige Gesundheit staunte, noch mehr aber über das im Zeugnis des Arztes stehende fatale Wort: „unheilbar.“ Schon ist sie 11 Jahre wieder auf ihrem Posten, erfreut sich der besten Gesundheit und kann ihrem Berufe[S. 335] ungestört nachkommen. Welches Leiden die Ärzte an dieser Kranken gefunden, ob Abzehrung, ob Schwindsucht, ich hatte es nie erfahren. Alle Anzeichen indessen sprachen dafür, daß sie schwindsüchtig werde. Der Bruder des Fräuleins war an diesem Übel gestorben, und ganz ähnliche Leiden seien, erklärte sie, dessen Tode vorausgegangen. Es war hohe, aber noch die rechte Zeit, der Krankheit zu steuern, und das Wasser hat ihr gesteuert. Als Heilmittel wurden angeordnet: viel Aufenthalt in frischer Luft, häufiges Barfußgehen im Morgentau, Bäder, von den kleinsten und schwächsten bis zu den letzten und stärksten, alle stets kalt. Dazu kam Kräutertee und eine einfache, kräftige Landkost.
Ein Herr von Stand erzählt: „Ich war nie fest und erfreute mich zu keiner Zeit einer solchen Gesundheit, wie sie manchem das ganze Leben hindurch geschenkt ist. Gleichwohl konnte ich meine Studien glücklich beenden, auch meinem Berufe bislang gut vorstehen. Seit ein paar Jahren ist dieses anders geworden. Wo ich hinkomme, werde ich von jedermann bedenklich angeschaut, und oft schon drang zu meinem Ohr das leise Flüstern der Freunde: Der lebt auch nicht mehr lang. Der Gedanke an den Tod ist mir selbst kein fremder Gast mehr, ich müßte ja blind sein für all die Anzeichen. Wie die frische Gesichtsfarbe, so sind die Kräfte geschwunden. Der Appetit, dieser beste Uhrenzeiger, deutet zur Genüge an, daß im Körper die Feder, die Lebenskraft ausgegangen, am Springen ist. Schon peinigt der recht schwere Atem, mehr noch ein Husten, der selbst andere schreckt, sichere Boten in die ewige Heimat. Die Ärzte erklären, ich sei schwindsüchtig. Sie haben mich seit einiger Zeit aufgegeben, raten mir aber noch, nach Meran zu reisen in ein milderes Klima. (Armer Schelm, dachte und fühlte ich, nicht einmal zu Hause, in der Fremde sollst du sterben!) Auf der Reise nach Meran hörte ich von den Wirkungen des Wassers, und ich erkundigte mich, ob dasselbe auch für meine gebrechliche Natur etwa noch Heilkraft hätte. ‚Sie können es versuchen,‘ lautete die Antwort. Der Anfang war nicht leicht. Ich trug sehr warme Kleidung, und doch fror mich noch immer. Nun hieß es auf einmal: Das wollene Hemd, das Sie auf dem bloßen Leib tragen, der wollene Halsbund, doppelt geschlungen, müssen nach und nach wegfallen. Es beschlichen mich ganz eigenartige Gedanken. Wie wird’s mir gehen mit einer Kleidung, die mehr kühlend als wärmend ist? Dazu machte mich das kalte Wasser erschauern. Und es war schon so nahe. Vorsichtig und überaus maßvoll begannen die Übungen,[S. 336] ganz anders, als man es sich denkt und davon sprechen hört. Und merkwürdig! Nach zwei Tagen schon konnte ich ein Wollkleid ablegen, ohne nachteilige Folgen zu verspüren; nach 5 Tagen opferte ich mein zweites. Nach 6–7 Tagen war der wollene Halsbund auch schon gefallen. Durch die Wasseranwendungen bekam ich eine sehr angenehme Naturwärme, die sich von Tag zu Tag steigerte. Mit der zunehmenden Naturwärme nahm das schwere Atmen ab, der Husten ließ nach. Wie die Besserung, so nahm zu die freudige Stimmung der Seele. Hörte ich früher sagen: ‚Wie lange wird der noch leben?‘ so jetzt: ‚Aber der gedeiht!‘ Sechs Wochen dauerte die Behandlung. Wider Erwarten und zum Staunen aller, die mich früher gesehen hatten, trat ich nicht den Weg zur ewigen Ruhe, sondern mit neuem Leben den alten Berufsweg wieder an. Ich dankte Gott, meinem Schöpfer, für meine Heilung und auch dafür, daß er uns im Wasser ein so kräftiges und naheliegendes Heilmittel gegeben. Allen Menschen möchte ich zurufen: Lernet das Wasser und seine Wirkungen kennen und schätzen, ihr werdet vielem Ungemach auf eurer Wanderung durchs Leben entgehen und viel glücklicher und zufriedener euere Berufsaufgabe lösen. Und nach dieser Aussaat im Berufe richtet sich ja die Ernte drüben im Jenseits.“
„Du bist begierig, lieber Leser, zu hören, wie das Wasser bei mir angewendet wurde? Wie ein Hirtenknabe oft unter den Regen kommt, manchen Tag Guß auf Guß aushalten muß und dadurch abgehärtet wird, so bekam mein Oberkörper täglich zwei Güsse (Obergüsse). Anfangs spielte der Wasserstrahl nur eine halbe Minute, nach einiger Zeit eine Minute lang. Täglich mußte ich sodann im nassen Grase gehen oder auf nassen Steinen. Nach allgemeinem Vorurteile meinte auch ich mir dadurch alle möglichen Beschwerden zuzuziehen. Recht bald indessen fühlte ich das größte Behagen, und ich wäre am liebsten Barfüßler geworden. Es nahte der Spätherbst, es fiel Schnee. Ich ging eine Minute lang im frischgefallenen Schnee. Das hört sich schauerlich an. Auch mich durchfuhr ein schauerliches Rieseln, da ich langsam Schuhe und Strümpfe ablegte. „Mutig voran!“ rief ich mir selbst zu. Und einmal gewagt war ganz (nicht halb) gewonnen. Ich überzeugte mich von der wohltätigsten Wirkung, welche ich nie erwartete. Ich durfte auf mein Begehren dieses öfter wiederholen und kann jedem Wasserscheuen hoch und teuer versichern, daß ich in meinem Leben nie solche Naturwärme empfunden habe wie nach diesen Schneepartieen. Es brennen die Füße[S. 337] zwei, höchstens drei Minuten von der Schneekälte; dann aber entwickelt sich eine Wärme, die den Schnee nicht mehr achten läßt. In wenigen Tagen brachte ich es dahin, daß ich nicht mehr eine, sondern 10 Minuten bis eine Viertelstunde den Schneelauf fortsetzte. Gerade das Schneegehen brachte eine außerordentliche Zunahme der Kräfte und Verminderung des harten Atems. Von Katarrh zeigte sich keine Spur. Hätte man mir so etwas früher erzählt, ich hätte es für Torheit, ja Wahnsinn, für den Ruin der Gesundheit gehalten. Während 14 Tagen verfuhr ich also. Dann hörte das Barfußgehen auf, und es blieben nur die Ober- und Untergüsse in stärkerer Form ein- bis zweimal täglich. Nach ungefähr drei Wochen war der Organismus in Ordnung. Bis zu völliger Erstarkung vergingen wieder drei Wochen. Statt nach Meran zu gehen und dort zu sterben, kehrte ich zurück in die liebe Heimat, um dort von neuem tüchtig in meinem Berufe zu arbeiten.“
Es kommt ein Mann und erzählt: „Mir fehlt es im Hals und in der Brust. Anfangs hatte ich einen recht starken Katarrh; dann habe ich meine Stimme fast ganz verloren, hatte Wochen hindurch ein heftiges Brennen im Hals und in der Brust, zudem häufig Fieber. Habe mehrere Ärzte gehabt, mußte vielerlei und viel inhalieren. Kleine Linderung habe ich bekommen, aber keine Hilfe. Jetzt bin ich ganz abgemagert und kann schon lange nichts mehr tun; doch Gehen paßt mir noch am besten. Meine Füße sind immer kalt, Appetit besser als früher.“
Anwendungen: 1) Täglich zweimal einen Knieguß oder im Wasser gehen. 2) Täglich am Morgen und Nachmittag einen Oberguß. 3) Täglich zwei kleine Tassen Tee trinken von Foenum graecum. 4) Jeden zweiten Tag ein kaltes Sitzbad, eine Minute lang. So drei Wochen fortmachen.
Star
siehe oben S. 172 unter „Augen-Star“.
Steinleiden.
Ein Herr K. in D. schreibt: „Ich war bereits sechs Monate sehr krank und wurde behandelt an Stein- und Nierenleiden, auch war ich stark mit Hämorrhoiden geplagt. Drei Ärzte gebrauchte ich; allein keiner konnte mir helfen. Da ich absolut keinen Dienst mehr machen konnte, stellte ich mir einen Stellvertreter ein auf ein halbes Jahr. Nun erfuhr ich indirekt, daß der Arzt sich ge[S. 338]äußert habe, daß mein Leiden nicht zu kurieren sei. Ein anderer Arzt gab mir den Rat, ich solle mich in Heidelberg operieren lassen an Stein; allein ich dachte, lieber zu Hause sterben als in einer fremden Stadt. Ich tat also nichts; mein Leiden wurde immer ärger, und ich sage Ew. Hochwürden, daß ich statt Wasser mindestens vier Schoppen Blut uriniert habe. Ich sah ganz getrost meinem Ende entgegen und fügte mich in das schwere Schicksal. Zu Ehren der Mutter Gottes ließ ich hl. Messen lesen und dachte oft, wenn in der Nacht arge Schmerzen mich nicht schlafen ließen: Ach, wann werde ich wohl von meinem Leiden erlöst werden? Endlich hat mich der liebe Gott erhört, nachdem ich für 113 Mark 30 Pfg. Medizin und Mineralwasser schon getrunken usw. Ich hörte an meinem Krankenbette von Ihrem Buche, ließ mir dasselbe kommen, begann sofort mit der Kur — in acht Tagen spürte ich keine Schmerzen mehr, mein Urin wurde so klar wie ein Brunnenwasser (vorher war er so trüb wie ein verdorbenes Bier), und heute, nach 4 Wochen, bin ich trotz meines Alters von 60 Jahren so gesund und munter wie ein 18jähriger Bursche; ja, wenn es keine Schande wäre, so würde ich auf Fastnacht tanzen. Trotzdem der Arzt nicht mehr an meine Genesung glaubte, bin ich jetzt vollständig gesund. Wäre mir Ihr Buch nicht in die Hände gefallen, ich wäre wohl schon im Grabe.“
Stimme, Verlust derselben.
So wichtig ist für uns Menschen die Stimme, daß wir schon etwas ausführlicher von ihr reden dürfen.
Es kommt im Leben häufig vor, daß die Stimme teilweise oder ganz verloren geht. Man weiß oft keine Ursache. Manche können noch heiser sprechen, manche aber müssen die Zuflucht zur Feder oder zum Griffel nehmen.
So kam vor 17 Jahren ein Priester zu mir, der lange Zeit Papier und Blei mit sich tragen mußte, um zu notieren, was er anderen mitteilen wollte. Er war ganz und gar unfähig, seinem Berufe als Priester nachzukommen. Überall, wohin man ihm geraten, hatte er Hilfe gesucht. Er bekam Gurgelwasser, er wurde magnetisiert, elektrisiert, man setzte Schröpfköpfe an, vierzehnmal brannte man mit Höllenstein den Hals aus, so daß ein Arzt erklärte, er werde die Sprache nie wieder bekommen; solches Unheil, Narben usf. hatte der Höllenstein angerichtet. Als nichts mehr helfen und kein Arzt Heilung bringen konnte, da wurde das kalte Wasser das Heilmittel, dem der Priester nächst Gott seine[S. 339] Hilfe verdankte. Dieser Priester schien ganz gesund zu sein. Die Gesichtsfarbe indessen war nicht frisch, vielmehr trübe und krankhaft. Schmerzen fühlte er im ganzen Körper keine besonderen; er meinte, ihm fehle nichts außer der Stimme. Wie kann ein Sprachorgan zum Sprechen unbrauchbar sein, wenn es weder verletzt ist, noch irgendwelcher Schmerz empfunden wird? Wenn ich einem ein Tuch über den Mund binde, so ist kein Sprachorgan verletzt, und doch kann der Betreffende nicht mehr reden. Torheit wäre es, suchte ich das Übel im Halse. Ich muß das Tuch wegnehmen, und die Rede hat wieder ihren Fluß. Die Sprachorgane können ganz gesund sein, aber verschiedene Einwirkungen, gleichsam Über- und Unterbindungen derselben, hindern zu sprechen. Was sind das für Einwirkungen?
Wenn ein Bächlein durch ein Tälchen läuft, und werfen die losen Hirtenbuben Steine in sein Bett und verstopfen den Lauf mit Schlamm und Erde, so ist das Wasser gehindert, seinen geregelten Lauf fortzusetzen; es muß nach rechts und links aus dem Bette weichen, Auswege suchen, Vertiefungen, in denen es weiter fließt oder sich aufhält. Gerade so geht es oft im menschlichen Organismus. Könnte man hineinschauen in dieses vieladrige Stromgebiet, so würde man sehen, daß dem Blutlaufe oft gerade solche Hindernisse gelegt werden. Die Folgen sind Blutstauungen, Schleimhautschwellungen. Wer hat noch nie ein sogenanntes Überbein an einer Hand, am Fuße gesehen? Denke dir nun eine solche Anschwellung, oder was immer sie sei, nach innen gebildet, wie sie drückt. Muß das gedrückte Organ nicht in seiner Tätigkeit beeinträchtigt, gestört werden? Hänge der klangvollsten Glocke einen Quersack an, aller Ton ist dahin. Und da hilft kein Brennen und kein Hämmern. — Doch zurück zu unserem stummen Herrn! Der erste Oberguß ließ mich die gewaltigsten Anstauungen, fast schon Geschwulstbildungen, erkennen. Das waren die Missetäter, die mit ebenso vielen Fesseln die Sprachorgane, die Stimmbänder, gefangenhielten und an ihrer Tätigkeit hinderten. Wurden jene entfernt, so waren diese gelöst. Die Entfernung der Anstauungen geschah durch auflösende und ableitende Wasseranwendungen. Als auflösende Anwendung steht in erster Linie der Kopfdampf. Dieser erzeugt Schweiß über den ganzen Oberkörper hin. Ein kalter Abguß unmittelbar darauf wird das Aufgelöste wegschwemmen und die Natur kräftigen. Da der Patient ziemlich beleibt ist und bei solchen Personen gewöhnlich Blutandrang nach oben stattfindet,[S. 340] so leite man das Blut mehr nach unten durch einen Fußdampf mit folgendem kalten Abguß. Diese zwei Anwendungen (die in unserem Falle zusammengehören) können in jeder Woche einmal, wenn die Korpulenz ziemlich stark ist, auch zweimal genommen werden.
Eine zweite Anwendung, die in ähnlicher Weise im ganzen Körper auflösend wirkt, ist der spanische Mantel. Dazu kommen kalte Bäder (1–2 in der Woche, höchstens eine Minute lang), Halbbäder (bis an die Magengegend) mit kräftigen Waschungen des Oberkörpers; ein Ober- und Unterguß statt des Bades tun ähnliche Dienste. Diese Anwendungen, pünktlich vollzogen und verbunden mit einer geregelten Lebensweise — nicht viel zu sitzen, Bewegung im Freien, kleine Handarbeiten — machten alles gut. Die ganze Maschine kam wieder in den richtigen Gang, und das Rädchen der Stimme lief ohne Pinseln und Brennen und Elektrisieren von selbst mit in der alten trefflichen Weise. Niemand hatte geglaubt, daß dieser Priester je seine Stimme wieder erhalte. In sechs Wochen war er vollkommen hergestellt, und heute noch, nach 17 Jahren, hat seine Stimme einen Wohlklang und eine Kraft, die jeden erfreut, der sie zu hören bekommt.
Ein Priester im Queistale hatte seine Stimme dermaßen eingebüßt, daß er zur Pastoration seiner Gemeinde fünf Jahre hindurch einen Hilfspriester halten mußte. Innerhalb dieser fünf Jahre suchte er die berühmtesten Ärzte auf. Er inhalierte viel, die Mandeln wurden ihm ausgeschnitten, alles vergebens. Man suchte das Leiden natürlich nur stets im Halse, bis endlich der letzte Arzt, der ihm den Hals untersuchte, erklärte, er finde im Halse absolut kein Übel, wisse aber auch nicht, warum er nicht reden könne. Erst auf diese Erklärung hin nahm der Patient die Zuflucht zu der immer so gescheuten und gefürchteten Wasserkur. Er bekam die Stimme, noch bevor ein halbes Jahr vorüber war, und eine so starke Stimme, wie er sie früher nicht stärker hatte; er meinte, eine halb so starke würde auch ausgereicht haben.
Auch bei diesem Herrn fehlte in den Sprachorganen nicht das Geringste. Dagegen fand ich den Hals, wenn auch nicht in besonderer Weise, doch stärker als normal, den Oberkörper aber unverhältnismäßig stark im Vergleiche zu den ziemlich abgemagerten Händen und Füßen. Früher hatte der Herr, wie er erzählte, öfters die Kolik, die regelmäßig nicht lange dauerte. Die Natur suchte auf diese Weise sich immer selbst zu helfen; doch konnte sie die krankhaften Stoffe nie gänzlich auswerfen. Die Koliken hörten später auf, und der Kranke fühlte bloß von Zeit zu[S. 341] Zeit Beengungen auf der Brust, die aber nicht besonders lästig waren. Es erging da, wie es in manchem Haushalte zu gehen pflegt. Wenn vom untern Stock des Hauses einer in den obern Stock zu einer andern Familie einzieht, dann gibt es Einschränkungen; die beiden Hausherren finden sich nicht mehr zurecht. Da hilft kein Inhalieren, auch kein Ausschneiden der Mandeln, nicht einmal das Abschneiden des Zäpfchens, — da hilft allein das Ausziehen. Hat man den gesamten Organismus in Ordnung gebracht, dann wird die Stimme auch wieder kommen.
Dieser Kranke mußte in der Woche einmal oben und unten kräftig schwitzen (Kopf- und Fußdampf) und gerade so kräftig gießen (Ober- und Unterguß). Damit sodann die aufgedunsenen Körperteile durch die Kälte zusammengezogen würden, stieg er jede Woche viermal ins kalte Wasser bis unter die Arme, so kurz als möglich, nie mehr als eine Minute; dabei wusch er den Oberkörper kräftig ab. Dazu kam zuletzt ein spanischer Mantel. Nach vier Wochen genügte die Hälfte der Anwendungen, d. i. in der Woche ein Ober- und Unterguß und ein Halbbad mit Waschung des Oberkörpers. Später durfte er nicht plötzlich aussetzen; er mußte längere Zeit hindurch die eine oder andere Anwendung noch vornehmen, und zwar der Reihe nach, wie er sie bei der Heilung selbst vorgenommen hatte. Dazu bedarf es meist keiner besonderen Anregung.
Mit dem Gefühle der Kraftsteigerung wächst das Verlangen nach der Wasseranwendung und das Vertrauen zu derselben. Man staunt nur mehr über die wasserscheuen, empfindsamen Mitmenschen, die wohl Gesicht und Hände waschen, aber einen Höllenlärm anschlagen, wenn aufs Wasser die Rede kommt. Habeant sibi! Sie mögen es selbst büßen.
Bei unserm Herrn kam die Stimme wieder, wie sie besser nie gewesen. Das alte Übel kehrte nie wieder. Seit der Heilung sind heute mehr als 16 Jahre verstrichen.
Ein Studienrektor in den schönsten Jahren konnte drei Vierteljahre seinem Berufe als Lehrer nicht mehr vorstehen; es fehlte ihm die Stimme. Er suchte bei den nächsten Ärzten Hilfe; dann wandte er sich an namhafte Spezialärzte. Nach wochenlangem Inhalieren, Elektrisieren usw. wurde ihm erklärt, die Stimmbänder hätten ihre Elastizität gänzlich verloren. Und weil alle Einwirkung umsonst gewesen, so könne man vorläufig nichts tun als abwarten, wie sich die Sache weiter gestalte; er solle wenigstens ein Jahr[S. 342] frei von aller Tätigkeit sein und sein Sprachorgan ruhen lassen. Dieses war dem Herrn zu arg, und er nahm die Zuflucht zur Wasserkur. In sechs Tagen hatte er seine Stimme wieder, in sechs Wochen war sie so klangvoll und stark wie in den besten früheren Zeiten. Dieses geschah vor 4½ Jahren, und der Herr darf keine Sorge haben; seine Stimme wird ihm bleiben. — Die Antwort auf die Frage: „Was hat da gefehlt?“ will ich nicht schuldig bleiben. Das Aussehen des Patienten war wohl etwas welk, aber im ganzen nicht krankhaft. Eines hätte etwas auffallend sein können, daß nämlich der sonst gut gewachsene Herr den Kopf etwas vorwärts geneigt hielt. Er hatte den besten Appetit, besaß die volle Naturkraft; einzig und allein die Stimmbänder sollten von der Mutter Natur so stiefmütterlich behandelt worden sein, daß sie jetzt so elendiglich verkümmerten und alle Elastizität verloren? Das ist nicht denkbar. Meine Behauptung, es fehle den Sprachorganen gar nichts, verletzte den Herrn nicht wenig, und meine Praxis, nach welcher ich kein einziges Mal in seinen Hals schaute, in dem allein doch er sein Hauptgebrechen vermutete, brachte ihn fast außer Fassung und wollte ihm alles Vertrauen rauben. Ich dagegen wollte dem Herrn beweisen, daß dem Halse gar nichts fehle, daß deshalb auch kein Mittel für den Hals anzuwenden sei, wie auch faktisch keines angewendet wurde. Wo lag die Wurzel des Übels? Auf der oberen Seite der Schulterblätter, quer über dem oberen Rücken, zu beiden Seiten des siebenten Halswirbels hatte der Herr ganz kleine Erhöhungen wie kleine Pölsterlein. Wer aber nicht gesucht hätte, hätte sie auch nicht gefunden. Sie drangen etwas einwärts und drückten so auf die Sprachorgane. Der noch junge Mann wurde kräftig begossen; er bekam den Schal, Halbbäder und den spanischen Mantel. Zuletzt reichten Halbbäder mit Waschungen des Oberkörpers aus. Die Scheu vor Wasser verwandelte sich später in ein fast zur zweiten Natur gewordenes Bedürfnis nach Wasser. Keine Woche verging mehr ohne einige Anwendungen, die frisch und wohl erhielten. Wie oft kann ich die Bekräftigung hören: Jetzt weiß ich selber, daß die Anwendungen mir gut tun; ich werde sie im Leben nie mehr aufgeben.
Gräfin N., 15 Jahre alt, erzählt: „Ich hatte vor zwei Jahren Diphtheritis, wie der Arzt sagte, im höchsten Grade. Auf diese Krankheit bekam ich Kopfleiden zum Verzweifeln. Nach einigen Wochen verlor ich nach einem heißen Bade die Stimme, so daß ich keinen Laut mehr geben konnte und jede Mitteilung durch Aufschreiben machen mußte. Meine Eltern suchten mir die ersten Ärzte.[S. 343] Ich mußte Monate hindurch inhalieren, verschiedene mineralische Stoffe einnehmen; ich wurde elektrisiert, mehrere Wochen hindurch alle Tage; mir wurden Blutegel an den Hals gesetzt, daß ich öfters in Ohnmacht fiel. Am Halse herum wurde schrecklich operiert. Mit Grausen denke ich an die Einzelheiten. Was ich alles eingenommen, will ich nicht schildern. So ging es fort über zwei Jahre, und schließlich erklärten einige Ärzte, ich werde an Schwindsucht sterben. Darin kamen alle überein, die Stimme könne und werde ich nie und nimmer erhalten. Wie ich fühle und was ich leide? Ich habe das ganze Jahr nicht eine Stunde warme Füße, eiskalt sind meine Hände, eiskalt mein Kopf. Ich weiß seit Monaten kein Mittel, weder im warmen Zimmer, noch mit wärmenden Kleidern, mich zu erwärmen. Ich mag nicht essen und kann nicht essen. Was ich genieße, peinigt mich; ich möchte oft verzweifeln. Ich bin erst 15 Jahre alt, kenne aber kein so unglückliches Geschöpf wie mich.“
Daß dieses arme Kind das kalte Wasser scheute, läßt sich denken. Auch die Eltern mochten nicht für das Wasser eintreten, wohl um das frostige Kind nicht auch noch damit zu quälen. Nur eine Seele nahm sich des bemitleidenswerten Geschöpfes an, und sie suchte Hilfe beim Wasser. Ich konnte ihr solche in Aussicht stellen — wenn auch nicht in nächster Zeit, bei maßvollem Gebrauche und pünktlicher Anwendung, und zugleich mit Sicherheit erklären, daß den Sprachorganen nicht das Mindeste fehle. Hier gelte es vor allem, den übermäßig geschwächten Körper, der nur mehr eine Ruine sei, neu zu beleben und zu kräftigen. Sobald die Normalkraft zurückkehrt, werde die Sprache nicht lange mehr auf sich warten lassen.
Das Mädchen ist im höchsten Grade blutarm; dieses beweist die Kälte am ganzen Körper; nur auf der Brust allein fühlte es noch eine gewisse Wärme. Es muß eingewickelt werden, daß Blutbildung und richtige Zirkulation eintritt. Die Kranke soll bei einfacher Kost täglich zwei- bis dreimal die Hände bis an die Ellenbogen, die Füße bis über die Knöchel ins Wasser halten oder, noch besser, im nassen Grase oder auf nassen Steinen barfuß gehen. So widersinnig es manchem scheinen mag, es sind dieses vortreffliche Mittel, wieder Wärme in die kalte, halbabgestorbene Natur, besonders in die blutarmen Extremitäten, die Hände und die Füße zu bringen. Geradeso muß am Körper Wärme erzeugt und neue Tätigkeit angebahnt werden. Es soll deshalb die Kranke täglich ein-[S. 344] bis zweimal Rücken, Brust und Unterleib kräftig mit kaltem Wasser waschen. Die ersten Versuche kosteten Überwindung; mit dem Erwachen der Wärme kam neuer Mut; es war gleichsam ein Frühlingswehen, das dem armseligen Körper nochmals ein Wiedererstehen ankündigte. Die Kranke tat einen Schritt weiter, sie rückte mit den Füßen tiefer ins Wasser und hielt die Arme längere Zeit in das nasse Element. Aus einer halben Minute wurde eine ganze. Diese Übungen währten zirka 9–10 Tage. Ihnen folgten gelinde Knie- und Obergüsse, je einer jeden zweiten oder vierten Tag, der eine vormittags, der andere nachmittags. Mit diesen Anwendungen wurde zirka 14 Tage fortgefahren. Dann kamen täglich ein Halbbad (bis an die Magengegend) eine Minute lang und ein Oberguß. Die Verteilung, welche Anwendung vormittags, welche nachmittags genommen wurde, blieb sich gleich. Bezüglich der Kost mußten leichtverdauliche, für Blut- und Säftebildung günstige Nährstoffe gewählt werden: einfache, unverfälschte, durch scharfe Gewürze usf. nicht verdorbene Hausmannskost. Das beste Getränk bildet Milch, wenig Bier; Hitziges sollte gar nicht genommen werden. Kraft und Stimme kamen bei unserer Patientin wieder. Um die Gesundheit und die Kräfte zu befestigen, sollen obige Übungen noch längere Zeit fortgesetzt werden. Sie können indessen nach und nach wegfallen, je nachdem die Kräfte langsamer oder schneller wiederkehren.
Ein Mädchen von 16 Jahren verlor ohne jede Veranlassung seine Stimme und konnte bei seiner Heiserkeit nur mit der größten Anstrengung sich verständlich machen. Es befragte Ärzte; diese verordneten Mittel, aber selbe wirkten nicht. Das Mädchen sah bei gutem Appetite blühend aus, der Kopf war voll und rund, der ganze kurze Hals ziemlich, fast zu stark gefüllt. Man merkte, daß das Atmen etwas schwer ging. Die Füße waren immer kalt. In sechs Wochen war das Mädchen vollständig geheilt. Durch welche Anwendungen? Die blühende Farbe, der volle und heiße Kopf, sowie die kalten Füße zeigten klar an, daß der Blutandrang allzu stark nach oben zielte. Daher die stärkere Ausbildung der oberen Körperteile, vielleicht auch Anstauungen von Blut. Bei der Heilung mußte allererst gesorgt werden, daß eine gleichmäßige Naturwärme im ganzen Körper eintrete, nicht am Kopfe Hitze herrsche und an den Füßen Kälte. Das Mädchen nahm täglich zwei- bis dreimal ein kaltes Fußbad, höchstens eine Minute lang, mit darauffolgender Bewegung im Freien. Da[S. 345]zu ging es recht fleißig barfuß in dem durch Tau oder Regen genäßten Grase oder auf nassen Steinen. Leiteten diese Anwendungen das Blut und damit die Wärme nach den unteren Extremitäten, so mußte durch neue Wassermittel alles Angestaute und Aufgedunsene am Kopf, Hals und Oberkörper aufgelöst und abgeleitet werden. Dazu taugt am besten und während der ersten Woche täglich ein spanischer Mantel, der in der zweiten und dritten Woche nur jeden zweiten oder dritten Tag, noch später jede Woche nur einmal appliziert wurde. Nach ca. vierzehn Tagen wurde zur Stärkung und Kräftigung wöchentlich ein Halbbad genommen, höchstens eine Minute lang dauernd, mit Waschung des Oberkörpers. Statt des Halbbades und der Waschung ließe sich mit gleichem Erfolge ein Ober- und Unterguß anwenden. Bildung der Wärme war somit der erste, Auflösung und Ausleitung aller überflüssigen Stoffe der zweite, Kräftigung der Natur der dritte Teil des Heilverfahrens. Der Körper nahm zu an Kraft, die Stimme wurde reiner und klangvoller, als sie früher gewesen, für den Gesang, worin das Mädchen sich in besonderer Weise übte, geradezu ausgezeichnet.
Typhus und seine Folgen.
Wie bei der Blatternkrankheit die Blattern, die Geschwüre nach außen dringen, so bilden sich beim Typhus Geschwüre nach innen. Je nach dem Sitze dieser Krankheit spricht man von Kopftyphus und von Unterleibstyphus. In manchen Erkrankungsfällen setzen sich zwar Geschwüre an; sie kommen aber nicht zur Entwicklung, wie es ja auch z. B. Blutgeschwüre gibt, welche eine zeitweilige Entzündung zeigen, dann aber wieder gänzlich verschwinden. Diese Art Typhus hat einen eigenen Namen, auf den bei Landleuten aber nicht viel ankommt. Ich lasse ihn deshalb weg.
Was die Heilung betrifft, so hat man vor allem ein Dreifaches zu merken:
fürs erste, daß man die Fieberhitze nicht zu weit kommen lasse, es könnte sonst alle Kraft und aller Saft des Körpers elendiglich verbrannt werden;
fürs zweite, daß die Geschwüre, wenn schon solche vorhanden sind, ich sage am besten aufgelöst werden, oder daß, wenn sich noch keine Geschwüre gebildet haben, der Bildung derselben vorgebeugt werde, mit anderen Worten, daß der die Geschwüre füllende Giftstoff ausgeleitet werde;
fürs dritte, daß dieser Giftstoff möglichst schnell seinen Abschied aus dem Körper erhalte.
Kein Mittel wird sich zu dem dreifachen Zwecke tauglicher erweisen und sicherer als das Wasser: es kühlt, es löst auf, es wäscht aus.
Johann ging zur Beerdigung seines Bruders, der am Typhus gestorben war. Unvorsichtigerweise zog er ein Kleidungsstück des Verstorbenen an, und nach wenigen Tagen erfaßte auch ihn der Typhus im höchsten Grade. Groß war die Hitze, noch größer die Bangigkeit. Neben die Bettlade hatte sich Johann rasch eine Wasserkufe stellen lassen. Sobald die Hitze und die Bangigkeit recht fühlbar wurden, ging der Kranke ins Wasser auf höchstens eine Minute. Er setzte sich in die Kufe, so daß das Wasser bis in die Magengegend reichte, wusch schnell mit einem groben Handtuche den Oberkörper, zog rasch, ohne abzutrocknen, ein frisches Hemd an und legte sich wieder ins warme Bett. Drei Tage tat er also, jeden Tag drei- bis fünf- oder sechsmal. Eine Uhr hatte er zu diesem Zwecke nicht nötig. Die Fieberhitze war ihm die Badeuhr: den ersten Tag zeigte sie auf sechs, den zweiten auf drei, zuletzt auf ein einmaliges Eintauchen. In fünf Tagen war alle Gefahr vorüber. Doch jetzt ergriff der Typhus die Frau des Genesenden. Sie wandte dieselbe Kufe, welche der Mann gebraucht hatte, als Badewanne an. In wenigen Tagen war auch bei ihr das Übel geheilt.
Das Getränk beider Kranken bildete das Wasser, auch gestandene (geronnene Milch). Gegessen wurde gar nichts, bis geweckter Appetit eintrat. Dann spazierte bei den armen Leutchen auf: Brotsuppe, Milchsuppe, Brennsuppe, auch ein Kartöffelchen, selbst zwei schadeten nicht im geringsten. Nach wenigen Tagen erfolgte die Rückkehr zur gewöhnlichen Kost.
Max, ein halber Riese, besuchte den am Typhus erkrankten Schwager Johann; er glaubte, so eine Krankheit könne ihm nichts anhaben. Nach acht Tagen indessen bricht die Riesenkraft, und der Heldenmut macht sich Luft in Jammertönen. „Ich kann nicht mehr gehen, nicht mehr stehen; mich drückt’s, und nach allen Seiten tut’s mir weh.“ Er hat den Typhus gefangen.
Eine Badewanne besaß Max nicht, wohl aber ein größeres Holzgefäß. Da kniete er hinein und wusch sich mit einem rauhen Handtuche und dem kältesten Wasser (in zirka einer Minute) den ganzen Körper, so oft die Hitze einen hohen Grad erreichte.
Acht Tage setzte er diese Kur fort. Nach sechs Tagen verlangte er schon nach der Suppe; nach zehn Tagen stand er auf und hatte in kurzer Zeit die verlorenen Kräfte wieder erlangt. Der Genesene ward später andern gleichfalls an Typhus Erkrankten ein kundiger Lehrmeister.
Zu einer Zeit, in welcher innerhalb fünf Wochen ungefähr 20 Personen durch die oben beschriebenen Anwendungen geheilt und gerettet wurden, erbte auch ein zweijähriges Kind den Typhus. Niemand hatte geglaubt, daß das zarte Geschöpflein dem Tode entrinnen würde. So oft es recht jammerte und weinte, tauchte es die Mutter bald in etwas (durch warmes Wasser) gemildertes Wasser mit folgender Abwaschung, oder sie wickelte das Kleine in Linnen ein, welches in lauwarmes Wasser getaucht war. Nach zwölf Tagen war das kleine Wesen wieder frisch.
Solchen Kranken, die leicht ein erstes Erschrecken ganz von dem kalten Wasser abwendig machen könnte, gestatte ich sehr gerne gemildertes, etwas gewärmtes Wasser zu den Anwendungen, lediglich aus dem soeben angegebenen Grunde. Immer bleibt im allgemeinen das frischeste Wasser das zur Anwendung beste, sei es Brunnen-, Bach- oder Quellwasser.
Ein Mädchen wird aus dem Institute heimgeschickt. Es klagt über heftiges Kopfweh, raschen Wechsel von Hitze und Kälte und ziemlich starkes Abweichen. Zum Arbeiten, Gehen ist das Kind unfähig.
Am ersten Tage wusch man der Kranken dreimal Rücken, Brust und Unterleib und band einmal zwei Stunden lang ein nasses Handtuch auf den Unterleib. Den zweiten Tag nahm sie Halbbäder mit Waschung des Oberkörpers, so oft die Hitze dieses verlangte. Am dritten Tage genügten bereits zwei, am vierten ein solches Halbbad. Das Kind war außer Gefahr und schnell wieder frisch.
Mehr denn ein Dutzend Fälle könnte ich aufführen, in denen Kranke, die nach allopathischen und anderen Methoden behandelt wurden, schließlich so armselig, so blut- und säftearm, so ausgezehrt wurden, daß sie sich gar nicht mehr recht erholten. Die fatalen Betäubungsmittel, das teure Chinin usw. hatten den Magen insbesondere in den miserabelsten Zustand gebracht.
Solchen überaus geschwächten Typhus-Rekonvaleszenten rate ich gewöhnlich, sie sollen drei- bis viermal im Tage eine kleine Tasse Wermuttee trinken, bald werden[S. 348] sich reichliche und gute Magensäfte bilden; dann mögen sie sich täglich drei- bis viermal Rücken, Brust und Unterleib kräftig mit Wasser und Essig waschen lassen.
Freilich gehört eine große Entschlossenheit dazu, besonders wenn der Herr Patient den sogenannten gebildeten Kreisen angehört, das allgemein gefürchtete Wasser anzuwenden. Zarten Seelen, welchen diese mit gewisser Vorliebe sogenannte „Roßkur“ leise Ohnmachtsanfälle bereiten könnte, gebe ich den Rat, sie mögen einen Schwamm nehmen, ihn in kaltes Wasser eintauchen und sich damit Brust und Unterleib waschen, wie sie jeden Morgen sich Gesicht und Hände waschen. Tun sie dieses nur einen Tag lang, sie werden recht bald die wohltuenden Wirkungen verspüren und mit Mut und Vertrauen auch ihren Rücken und die anderen Körperteile dem Wasser anbieten.
Wem auch solches zu hart, zu arg und zu mühsam ist, der tue, wie er wolle. Die Folgen hat der Patient selbst allein zu tragen.
Große Angst befällt die Vorsteher einer Anstalt, wenn in einem Hause oder gar in einem Institute so eine ansteckende Krankheit aufkommt. Ohne Übertreibung behaupte ich: Wenn in einem Schlafsaale 10 Kinder liegen, und es bekommt eines den Typhus, sicher wird bei dieser Behandlungsweise mit Wasser kein zweites Kind angesteckt werden. Die Ansteckung geschieht ja meistens durch die ungesunde Ausdünstung des Körpers. Nach unserer Methode aber saugen die nassen Tücher diese ein und ersticken so die Ansteckungsstoffe im Keime. Bei stets erneuter reiner Luft ist der Atem nicht besonders zu fürchten. Daß die Exkremente solcher Kranken stets so schnell als möglich entfernt und, wenn immer tunlich, an separaten Orten ausgeschüttet werden müssen, versteht sich von selbst.
Ein Franzose von Stand schreibt wörtlich: „Während mehrerer Jahre litt ich an Rheumatismus und hatte einen sehr starken Nasen- und Rachenkatarrh, der mir die eustachische Röhre angriff und dadurch das Gehör beschädigte.
In den Jahren 1877 und 1878 nahm ich während zweier Monate Douchen von Schwefelwasser in Aix-les-Bains in Frankreich, aber ohne den geringsten Erfolg.
Im Jahre 1879 riet man mir, den Lebenswecker von Baunscheidt zu probieren; ich folgte diesem Rat und unterzog mich 5–6 Wochen[S. 349] lang einem wahren Martyrium; denn jede Woche setzte man mir diesen Lebenswecker auf den ganzen Rücken, ins Genick und hinter die Ohren. Dieses brachte die schöne Wirkung hervor, daß mein nervöser Zustand und mein Katarrh wenigstens um die Hälfte zunahm!!
Im Juli 1879 ging ich zum besten Ohrenarzt in Straßburg, auch dieser fand kein Mittel, meinen Nasen- und Rachenkatarrh zu beseitigen. Da mein Gehör krank war und der Katarrh sich immer mehr fühlbar machte in der eustachischen Röhre, so suchte ich überall nach einem Arzt, der mir helfen sollte. Durch eine besondere Gelegenheit kam ich nach Aachen, wo Dr. Schw. (Kehlkopfarzt) mir angeraten wurde. Dieser versuchte, binnen 3–4 Wochen mich zu heilen durch Ätzen mit Höllenstein. In der dritten Woche bekam ich den Typhus, wie ich meine, infolge der allzu großen Nervenreizung, welche das Ätzen des Höllensteins mir verursachte. Es war der schlimme Fleckentyphus, der mich so heftig angriff, daß ich 41,2 Grad Fieber bekam. Als Blutungen eintraten, verzweifelte man an meiner Rettung. Von den vielen Einspritzungen verschiedener Giftmittel will ich hier gar nicht reden.
Nach sechs Wochen kam ich wieder zum Leben zurück, aber eine vollständige Genesung trat nicht ein. Seit dem Typhus (Spätjahr 1879) war ich in einem fortwährend leidenden Zustande; Magen und Unterleib waren sehr angegriffen. Die leichtesten Speisen taten mir wehe, und Stuhlgang hatte ich nie ohne Klistier. Ich war so reizbar, daß ich mir bei der geringsten Aufregung nicht zu helfen wußte. Nie konnte ich vor 12 Uhr nachts zur Ruhe kommen. Infolge des Typhus hat auch mein Katarrh und die Ohrenkrankheit sehr zugenommen. Fast war ich taub geworden.
Im Jahre 1880 ging ich nach Paris zu dem berühmten Ohrenarzt Dr. D. — ohne Erfolg. Von Paris ging ich nach Lyon zum Ohrenarzt Dr. I., alles ohne den geringsten Erfolg.
Alles Inhalieren, alles Ätzen, das ich wieder während 5–6 Wochen anwandte, half nichts. Im Jahre 1881 brachte ich fünf Monate im Spital zu Straßburg zu. Der Arzt wollte vor allem den Magen und Unterleib heilen. Aber man wußte mir schließlich nichts weiter zu verordnen als eine Milchkur, mit der ich viele Jahre lang erbärmlich durchkommen mußte.“
Soweit der Kranke, der, als er bei mir ankam, nur noch einer wandelnden Leiche glich. Mag wohl das Wasser in solchen verzweifelten und veralteten Fällen noch Hilfe, wenigstens Linderung bringen?
Wir antworten mit einem kühnen „Ja“. Die ersten Anwendungen müssen selbstverständlich auflösender Natur sein und besonders auf Kopf und Füße wirken. Nebenbei muß auf Auflösung im Innern eingewirkt werden. Auch stärkende Anwendungen können dazwischen hineinfallen. Die Anwendungen waren der Reihe nach ungefähr folgende: Kopfdampf, 24 Minuten lang, mit darauf folgendem Ober- und Unterguß, Fußdampf, Ober- und Unterguß, kurzer Wickel, Kopfdampf, Ober- und Unteraufschläger, kurzer Wickel, warmes Bad mit einem Wechsel ins kalte Bad, Kopfdampf, Ober- und Unteraufschläger. Auf jeden Tag fiel eine oder (je nach Befinden des Patienten) zwei Übungen. So wurde 3–4 Wochen lang fortgefahren. Darauf folgten einige Zeit hindurch wöchentlich noch zwei Ganzwaschungen, am besten nachts vom Bette aus, außerdem jede Woche ein Halbbad, ein bis zwei Minuten lang. Nach innen beschleunigten die Heilung zwei bis drei verschiedene Tees, die abwechselnd genommen wurden.
Die Tees bestanden aus Mischungen von Schafgarbe, Salbei, Johanniskraut, drei bis viermal in der Woche eine Tasse; von Wacholderbeeren, Spitzwegerich (ebenso genommen).
Zwei Bemerkungen erachte ich an dieser Stelle noch für angebracht. Bei unserem Falle war besonders auf reichliche Transpiration zu sehen, da viele der im Krankenbilde erwähnten Störungen, wie die verzerrten Gesichtszüge und die aufgedunsene, schwammige Masse, klar auf Anstauungen und Verhärtungen schließen ließen, die zum Teil nach außen sichtbar zu Tage traten, zum Teil versteckt im Innern lagerten.
Bei den Anwendungen findet sich der Fußdampf nur einmal, der Kopfdampf öfters. Warum das? Der Kopf war aufgedunsen, die Füße der Hünengestalt spündeldürr. Auf den Kopf durfte der Dampf, ohne Schaden fürchten zu müssen, wiederholt wirken — er fand sein Arbeitsfeld. An den Füßen war nichts zu tun, sie waren schon mager genug, und die verlorene Wärme an denselben mußte durch andere Mittel wieder hergestellt werden. In derlei Fällen läßt sich mit den Dämpfen, die stets Vorsicht erheischen, nicht spassen. Bis zur Schwindsucht haben derlei geschwächte Naturen ohnedies nur einen Schritt.
Der Herr schied mit großem Danke und in sichtlicher Besserung.
Unterleibsentzündung
siehe oben Seite 210.
Unterleibsverschleimung.
Es kommt ein Herr und erzählt: „Ich habe beständig große Schmerzen in der Nierengegend; es wird mir oft fast unerträglich. Die Ärzte, deren ich mehrere hatte, erklären es als Nierenleiden und Anschoppungen im Unterleibe; ich fühlte auch stets mehr oder weniger starken Drang nach oben, hatte viel Reiz zum Erbrechen, heftiges Kopfleiden, viel Schwindel, weiß mich oft kaum recht zu halten, viel Säure im Magen; es geht sehr wenig Urin ab; ohne Fußschmerz bin ich gar nie, und stehen kann ich nur ganz kurze Zeit. Ich habe viel Schweiß und große Müdigkeit; meine Gesichtsfarbe ist stets abgestanden. Ich bin etwa vierzig Jahre alt.“
Der gute Herr hatte wirklich allen Mut verloren, und weil alle Medikamente ihm nichts nützten, suchte er Hilfe durchs Wasser.
Die Anwendungen waren folgende: 1) Täglich zwei Obergüsse und zwei Kniegüsse; späterhin 2) täglich ein Rückenguß und zwei-, auch dreimal täglich im Wasser gehen, öfter ein bis zwei Stunden lang auch im nassen Gras. Es war warme Sommerszeit; deshalb konnten die Anwendungen verdoppelt werden. Es ging außerordentlich viel Urin ab; der Brechreiz ließ schon am zweiten Tage nach; die Farbe änderte sich, und wie neue Frische, so trat auch neuer Mut und neues Leben ein. In 14 Tagen war er vollständig hergestellt. Wäre die Sommerszeit nicht gewesen, hätte die Kur vielleicht 14 Tage länger gedauert.
Veitstanz.
Ein Vater erzählt: „Ich habe eine Tochter, die jetzt 10 Jahre alt ist, und die von klein auf nie ganz gesund war. Das Zahnen war für das Mädchen so hart, daß man glaubte, sie müsse sterben. Zudem wurde ein Fuß dünner als der andere. Jetzt hat dieses Mädchen den Veitstanz; es kann nicht essen und nicht schlafen, und es ist schauerlich anzusehen, wenn die Krämpfe kommen. Ich habe bei vielen Ärzten Hilfe gesucht, aber der Zustand wurde immer schlimmer.“
„Guter Mann, siedet Grummet eine halbe Stunde lang mit Wasser, nehmt ziemlich viel, so daß das Wasser recht dick wird, tut etwas Salz daran, taucht ein grobes Hemd in das Wasser, windet es aus und zieht es so dem Kinde an; wickelt dann das Kind in eine Wolldecke gut ein und laßt es eineinhalb Stunden darin liegen; wenn es schläft, bis es aufwacht, auch wenn die zwei Stunden vorüber sind. Macht es acht Tage hindurch täglich zweimal so, dann bringt Nachricht!“
Nach acht Tagen kam der Mann und erzählte: „Das Mädchen hat einen fürchterlichen Ausschlag am ganzen Körper, besonders auf dem Rücken und auf der Brust, aber es wird ganz heiter, es tut ihm nichts mehr weh, die Krämpfe sind beseitigt, und das Mädchen kann gut schlafen, bekommt schon Appetit. Was soll ich jetzt noch weiter tun?“
Antwort: Gebt dem Kinde alle drei Tage das Hemd nochmal an wie bisher; und noch vierzehn Tage so fortgemacht, wird das Kind gesund sein. Gebt ihm auch noch diese Tropfen, jeden Tag ungefähr zwanzig Tropfen in Wasser, wie bisher. (Die Tropfen sind aus Wermut, wie in der „Apotheke“ oben S. 115 angegeben ist.)
Verbrennungen.
Ein Bauernhaus brannte nieder. Der Bauer fiel bei der Rettungsarbeit ins Feuer und verbrannte sich Gesicht und Hände derart, daß er jedermann unkenntlich wurde. Der Arzt überlegte die Brandstellen, auch den total verwüsteten Haarboden mit mehreren Pflastern. Von den Fingern und dem halben Arm hingen Haut und Fleisch in Fetzen herunter. In halber Verzweiflung und in rasenden Schmerzen flehte der Unglückliche um den Tod, daß er doch erlöst würde. Der Arzt erklärte eine Heilung für ein Ding der Unmöglichkeit.
Der Zustand wollte, daß der zuständige Pfarrer gerade verreist war. Für ihn übte ich während dreier Tage die Pastoration in der Gemeinde aus, und dieses führte mich zu dem verunglückten Manne. Ich konnte den Jammer nicht ertragen, sann hin und her, das überaus traurige Schicksal zu erleichtern und dem jungen Verunglückten wenigstens insoweit zu helfen, daß er ruhiger sterben könne. Ich ließ all die kleinen, steif angepappten Pflästerchen entfernen, rührte rasch mit einer Feder aus rohem Eiweiß, Leinöl und saurem Rahm einen Brei an und trug, um den Zutritt der äußeren Luft abzuschließen, diese Salbe möglichst dicht auf die leidenden Stellen auf. Darüber legte ich abgenutzte, leinene, deshalb recht weiche, nasse Lappen und als Zudecke obendrauf, ebenfalls gut aufliegend und anschließend, ein trockenes Tuch. Nach je zwei Stunden wurde das trockene Tuch sachte weggehoben, mit einem Schwamme das nasse Tuch von neuem schonend, aber kräftig angefeuchtet, um das Trocknen und überaus wehtuende Ankleben zu verhindern. Morgens und abends mußte stets auch der feuchte Lappen entfernt und so schnell wie möglich zum alten Brei neuer aufgetragen werden. Kaum glaublich ist es, in welch kurzer Zeit[S. 353] der Verunglückte wieder hergestellt wurde. Die erste Anwendung schon bot mir viel Trost und ließ den Hoffungsstern von ferne leuchten; doch behielt ich’s für mich. Nach einer Viertelstunde nämlich legten sich schon in etwas die fürchterlichen Schmerzen, und die drohenden Krämpfe, welche jenes bekannte unheimliche Zucken am ganzen Körper als bevorstehend ankündigte, wurden abgewendet.
Nach innen ließ ich täglich zweimal einen Löffel kühlendes Baumöl geben. Salatöl hätte dieselben Dienste getan. Unter der luftdicht abschließenden Decke bildete sich merkwürdig schnell eine frische Haut. Die streng gehandhabte Reinlichkeit — nach den ersten Leidenstagen schon wurde täglich ein paarmal mit lauem Wasser aller Eiter sorgfältig entfernt — half mitarbeiten. In 14 Tagen war der Bauer fast hergestellt. Der Arzt selbst erklärte, er halte die Heilung fast für ein Wunder. Nie hätte er an die Möglichkeit geglaubt, derlei gewaltige Brandschäden zu heilen.
Einem Dienstboten wurde von einer Kamphinflamme die eine Hälfte des Oberkörpers, wie mit dem Zirkel abgemessen, so entsetzlich verbrannt, daß ein Arm, die halbe Brust und eine Seite des Kopfes nur mehr schwarze, mit gelben und roten untermischte Brandflecken zeigten und die Haut überall weggestreift werden konnte. Der Anblick war schrecklich, und der Unglückliche litt verzweiflungsvolle Schmerzen. Genau das Verfahren wie oben rettete ihn und schenkte ihn in 4 Wochen seinem Berufe und Hausherrn wieder.
Abschluß der äußeren Luft, Feuchterhalten der aufgelegten Tücher, neues Auflegen der kühlenden Masse, große Reinlichkeit sind die Haupterfordernisse und Hauptbedingnisse zu sicherer und schneller Heilung von Brandwunden.
Als Hausmittelchen bei kleineren Brandwunden (für Köche und Köchinnen ist dieses besonders wichtig) gelten in erster Linie Sauerkraut und Krautwasser. Ersteres wird frisch von der Krautstande weg auf die verbrannte Stelle gelegt und überbunden. In letzteres tauche man drei- bis viermal im Tage den überlegten Lappen und binde denselben gut zu. Sollte reines Krautwasser zu scharf sein (zu stark beißen, brennen), so verdünne man es mit gewöhnlichem Wasser. Manche geben Kartoffeln, die gerieben aufgebunden werden, manche dem Lein- oder anderem Öl, das einmal aufgetragen und mit Wollwatte luftdicht abgeschlossen wird, den Vorzug. Alle diese Mittelchen sind gut.
Eine beim Kochen beschäftigte Person hatte das Unglück, mit siedendem Wasser und durch das von unten auflodernde Feuer[S. 354] die Hand und den Arm bis zum Ellenbogen sich zu verbrennen. Ärztliche Hilfe war alsbald zur Stelle, aber trotz der sorgfältigsten Behandlung konnte nach vielen Wochen die Wunde nicht geheilt werden. Nun griff die Person zu den von mir angegebenen Mitteln, welche schon fast nach einem Tage die Schmerzen stillten und die Heilung einleiteten und allmählich herbeiführten.
Die Anwendungen waren: 1) Die ganze Brandwunde wurde mit Eierklar (Eiweiß) und Öl so dick wie möglich aufgetragen und mit einem feuchten Lappen überbunden; die ersten Tage zweimal frisch wiederholt. 2) Alle Verbrandung, Säfte und Unrat wurden durch angeschwellte Heublumen ausgeleitet und aufgelaugt. Es bildeten sich bei der Heilung mehrere Geschwüre; um diese auszuleiten, wurde gekochtes foenum graecum angewendet. Mit diesen Mitteln im Wechsel wurde die Hand, die man für verloren hielt, wieder in den rechten Zustand gebracht.
Vergiftung des Blutes.
Joseph schlachtete eine Kuh und schnitt sich mit dem blutigen Messer eine tiefe Wunde in den Daumen. Er achtete nicht darauf, bis sich heftige Schmerzen einstellten und die Hand so anschwoll, daß er die Finger nur mehr mit großer Mühe bewegen konnte. Die Hitze stieg, und bald zeigten sich gelbliche und bläuliche Flecken an Finger und Hand. Ein Arzt gab ihm Mittel zum Waschen und Überschlagen. Allein die Schmerzen, die schon bis zum Ellenbogen reichten, wurden immer unausstehlicher, und der Arme fühlte recht gut, daß eine krampfartige Entzündung im Innern immer weiterfresse wie Feuer.
Man rief mich. Ich riet Hand- und Armdämpfe viermal des Tages, je eine halbe Stunde lang zu nehmen. Außer dieser Zeit wand er die Hand bis über die Ellenbogen in angeschwellte Heublumen.[46]
Alle eineinhalb bis zwei Stunden, d. i. jedesmal, so oft der Schmerz sich in besonders fühlbarer Weise steigerte, wurden die Heublumen erneuert, d. i. neu angeschwellt und neu aufgelegt. Dieses Verfahren brachte nicht allein Linderung, sondern gänzliche Heilung. Das Umsichgreifen des unheilverkündenden Brandes hörte am Abende[S. 355] des ersten Tages auf. Die ganze Entzündung war nach vier Tagen beseitigt.
Ein Herr schnitt sich ein Hühnerauge aus, das entzündet war, und ahnte nicht das Geringste. In wenigen Tagen war die Entzündung derart, daß offenbare Zeichen und Schmerzen einer Blutvergiftung vorhanden waren. Viele, die Ähnliches mitangesehen, hielten den Armen für verloren.
Der Patient nahm täglich zwei Fußbäder von abgebrühten Heublumen (dieselben sollen im Fußbade mitgegeben werden), und täglich wurden die Füße ein paarmal, je auf zwei Stunden, mit Tüchern, in Absud von Zinnkraut getaucht (jede Stunde neu einzutauchen), umwunden. Da am Körper schon Spuren der Vergiftung offenbar wurden (schlechtes Aussehen, Appetitlosigkeit), kamen zu obigen Partialanwendungen täglich eine Waschung des Oberkörpers und ein Unterwickel von eineinhalb Stunden. In wenigen Tagen war der Herr außer Gefahr, in 10 Tagen gesund. Er trank täglich zwei Tassen Wermut- und Salbeitee (beide Kräuter gemischt).
Auch derlei kleine Fußgebrechen erheischen große Vorsicht. Als Vorbeugemittel kenne ich keine besseren als öfteres Barfußgehen (wenn es im äußersten Falle auch nur im Zimmer geschähe, z. B. 15–30 Minuten vor Schlafengehen) und häufigere kalte, für schwächere Leute lauwarme Fußbäder. Die Reinlichkeitspflege der Füße ist ein wichtiges Kapitel in der Gesamt-Gesundheitspflege des Körpers.
Ein korpulenter Pfarrer wollte seinen dicken Hals durch Jodsalbe, die ihm der Arzt verordnet hatte, wieder in die normale Verfassung bringen. Um schneller zum Ziele zu kommen und dem Kropfe sobald als möglich zu entrinnen, griff er viel zu tief in den Jodsalbentopf. In kurzer Zeit magerte der kräftige Herr so ab, daß er kaum mehr die Hälfte Körpergewicht hatte. Der Arzt erklärte ihn für aufgegeben, weil das Jod das Blut vergiftet habe.
In solchen Fällen war der „Wasserpfarrer“ dann immer gut genug; ich sage dieses ohne alle und jede Anzüglichkeit und ohne jede Bitterkeit. Es soll ein Scherz sein! Der Kranke bekam warme Bäder mit Absud von Fichtenreisern von 28–30° R. mit folgender kalter, aber rascher Abwaschung, Ober- und Unteraufschläger, den Ober- und Unterguß, den Unterwickel in Absud von Fichtenreisern getaucht, jeden Tag zwei Anwendungen in der bezeichneten Reihenfolge. Daneben mußte er barfuß gehen im betauten Grase. Nach innen wirkte gut[S. 356] täglich eine Messerspitze Kreidemehl oder gelöschten Kalkes, in einem Schoppen Wasser gut ausgelöst, auf zwei bis viermal zu trinken; gleichfalls täglich ein bis zwei Löffel Provencer-Öl, daneben einfache, kräftige Hausmannskost. — Das Wasser hat auch in diesem Falle seine Dienste gut getan.
Verstopfung.
Gibt es viele Leute, die häufig an Diarrhöeen leiden, so gibt es noch eine weit größere Anzahl von solchen, die mit hartem Stuhlgang geplagt sind, daher zu Mitteln ihre Zuflucht nehmen müssen, welche freilich auf den Stuhlgang wirken, deren Ende aber meist Verderben ist. Kühn kann man sagen: Je länger jemand solche Mittel gebraucht, umsomehr leidet die ganze Natur. Wer möchte die Unzahl von Mitteln nennen, die zum Laxieren und zur Beförderung des Stuhlganges verwendet werden? Ich kannte einen Bader, der weit und breit den Ruf hatte, die Leute gut auszureinigen. Was tat er? Er nahm sehr häufig Gansdr..., sott ihn ab, und mit diesem Absud bediente er die geehrten Kunden. Noch anderes könnte ich auf Verlangen berichten. Mundus vult decipi! Die Welt will einmal betrogen werden! Doch das galt hauptsächlich den „dummen Bauern“. Die vornehme Welt wird schon anders behandelt. Unzählige Fläschchen mit verschiedenem Mineralwasser werden da täglich durch den Körper gejagt, und in der Tat, sie bewirken die reichlichsten Stuhlgänge. Mir brachte einst ein Kranker ein gewaltiges Quantum Quecksilber, das er eben aus dem Leibstuhle genommen. Es wurde ihm eingegeben, um Stuhlgang zu bewirken. Wie viele Morrisonspillen wurden seinerzeit verschluckt, und wie viele Menschen haben viel zu früh ihr Grab gefunden! Kaum wird an irgend einer Krankheit so mannigfaltig und so unglücklich operiert und probiert, als wenn es sich um harten Stuhlgang handelt. Und meistens ist die Folge, daß, je mehr und je länger man anwendet (und zuletzt erfolgt kein Stuhlgang mehr ohne Abführmittel), die Not stets um so größer wird. So klagte mir auch einmal ein von der Medizin gänzlich verlassener Mann, daß nicht ein Tag vorübergehen dürfe, wo er nicht ein Klistier oder sonst drastische Mittel nehmen müsse, um den notdürftigsten Stuhlgang zu haben. So weit haben ihn diese leidigen Hilfsmittel (?) gebracht, und der Mann zählte noch lange nicht 40 Jahre.
Es ist ein großer Fortschritt der Medizin unserer Zeit, daß sie all die gewaltsamen Mittel verpöne, und viele Ärzte — man[S. 357] muß es zu ihrem Ruhme sagen — haben Hunderte von sogenannten Geheimmitteln chemisch zerlegt und allen Vernünftigen den Betrug aufgedeckt. Dennoch schleicht das Gespenst der Geheimmittelei noch in tausend Familien ein und richtet Schaden an.[47]
Wem es an Stuhlgang fehlt, dem fehlt es meistens im ganzen Organismus, nicht bloß im Magen oder in einem anderen besonderen Körperteil, und ich lebe der festen Überzeugung, die eine große Anzahl von Fällen mir stets bestätigte, daß wieder das Wasser das allersicherste und das unschädlichste Heilmittel ist, das auf Gottes Erde gefunden werden kann. Es hilft, indem man es nach innen anwendet und von außen wirken läßt.
Eine der ersten Fragen, die der Arzt an den Kranken stellt, lautet: Wie ist’s mit dem Stuhlgang bestellt? Ist der Stuhlgang geregelt, so hat man das erste Zeichen der Gesundheit; ist der Stuhlgang ungeregelt, so ist’s ein Zeichen einer beginnenden Krankheit, und wird einem ungeregelten Stuhlgang nicht abgeholfen, so geht man früher oder später einer schweren Krankheit entgegen, vielleicht dem frühen Tode.
Wenn es im Sommer lange nicht mehr regnet, wird die Erde trocken und spröde. Wenn im Körper die notwendige Feuchtigkeit, Flüssigkeit nicht ordnungsgemäß verarbeitet ist und sich irgendwo Hitzen bilden, so tritt auch im Körper gleichsam Trockenheit ein und deren unausbleibliche Folgen.
Vor vielen Jahren schon nahm man zur Heilung dieses Übels seine Zuflucht zur Wasserkur, zum Wassertrinken. Ich selbst habe Leute gekannt, die täglich 3, ja 4–6 Maß Wasser tranken. War das gut? Es war des Guten zu viel, und der größere Teil der sich brüstenden „Wasserhelden“ hat sich mehr geschadet als genützt. Der Körper hielt diese unvernünftige Wasserkur nicht lange aus. Mein Grundsatz ist: Wer am gelindesten mit Wasser einwirkt, kuriert am sichersten und besten.
Wer an hartem Stuhlgang leidet, nehme morgens vom Frühstück an bis Mittag jede halbe Stunde einen Löffel Wasser. Er wird bessere Wirkungen erzielen mit diesem kleinen Quantum, als wenn er einen halben Schoppen oder noch mehr auf einmal[S. 358] trinkt. Am Nachmittag kann der Patient ebenfalls jede halbe Stunde oder jede Stunde einen Löffel voll Wasser nehmen. Das stetige, wenn auch sparsame Aufgießen wirkt kühlend und mehrt die Säfte. Nebenher kann der Leidende Wasser trinken, wenn’s ihn dürstet.
Statt des Wassers dienen auch eine größere Anzahl von Teen, die aus leicht zu findenden Pflanzen gewonnen werden. Wer kennt nicht die Dornschlehblüte? Ihr Tee wirkt trefflich. Tee von Hollunderblüten wirkt kühlend, lösend und benimmt die innere Hitze; wenn 3–4 Körnchen Aloë daran gemischt, ist er ein reinigendes, kühlendes, auflösendes und ableitendes Arzneimittel; 6–8 Hollunderblätter, grün zur Frühlings- und Sommerszeit gepflückt und als Tee gesotten, sind ebenfalls kühlend. Man trinke morgens eine halbe Tasse und abends eine Tasse. Keine Hausapotheke sollte diese schuldlosen Arzneipflänzchen verwerfen, zumal sie der liebe Herrgott, der oberste Doktor und Apotheker, uns allen umsonst wachsen läßt.
Zur Anwendung des Wassers nach innen kommen nun die äußeren Anwendungen. Der Patient wasche beim Aufstehen oder Schlafengehen kräftig den Unterleib mit einer Hand voll Wasser. Das Mittel ist höchst einfach und wirkt doch recht gut, bei manchen (schwächeren Naturen) genügend.
Wenn diese Anwendung zu leicht ist, dem gieße man von Zeit zu Zeit frisches, kaltes Wasser auf die Kniee, ein bis drei Minuten lang (Knieguß), eine vorzügliche Anwendung, um Stuhlgang zu erzeugen.
Ist dieses nicht ausreichend und große Hitze im Innern vorhanden, so lege sich der Patient in der Woche ein paarmal auf einen Unteraufschläger, auch der Oberaufschläger tut gute Wirkung. Desgleichen wirkt kräftig ein kaltes Sitzbad, in der Woche zwei- bis dreimal zu nehmen. Ein kaltes Vollbad, wenn es ganz kurz genommen wird, ist auch nicht zu verschmähen.
All die genannten Anwendungen werden den trägen, schlaffen Organismus wecken, beleben, in neue Tätigkeit bringen, stärken. Die Rädchen sind neu geölt, die ganze Maschine läuft wieder gut, und der ergiebige Stuhlgang wird sicherlich nicht ausbleiben.
Nichts geht über die unschädlichen und sicheren Wassermittel, und was ist leichter, als Wasser zu trinken, sich mit Wasser zu waschen?
An dieser Stelle sei noch ein Wort über die Brechmittel gesagt. Widernatürlich schon kommt mir das drastische Abführen[S. 359] mit Mineralien und Giften vor, seien es nun Pulver oder Pillen oder anderes. Noch weit widernatürlicher aber ist alles, was zum Erbrechen reizen soll, oftmals leider wiederum Gifte. Erbärmlich ist’s, einen so mißhandelten und gemarterten Menschen leiden zu sehen. Mir will dabei jedesmal das Blut, vielmehr die Galle in den Kopf schießen. Man wird bemerkt haben, daß ich die so bekannten und allgemein benutzten Abführmittel, wie Rhabarber, Sennesblätter, Bittersalz, Glaubersalz usw., oben nicht aufgeführt habe. Und der Grund? Diese an sich unschädlichen Mittel sind mir dennoch viel zu stark; es kann ja noch auf gelindere Art geholfen werden.
Auf eine Mücke oder einen Floh macht niemand Jagd mit der Flinte. Um so mehr verwerfe ich ganz entschieden die unausstehlichen Brechmittel, heißen sie nun Brechwasser oder Brechweinstein, führen sie was immer für Titel. Will einmal alles oben hinaus — es gibt ja solche Fälle — so mache es am Ende wie jener Bauer, der, als er großen Brechreiz spürte, in kurzem Verfahren den Finger in den Hals steckte und so dem Reize gründlich abhalf. Stets wirke man auch beim heftigsten Brechreiz nur auf geregelten Stuhlgang. Mein stärkstes Mittel zu diesem Zwecke ist der Wühlhuber. Dieser Tee hat das Merkwürdige, daß er, wie er einerseits reichlichen Stuhlgang bewirkt, andererseits selbst Diarrhöen stillt (man probiere es mit einer halben Tasse). Er sucht die kranken, verlegenen Stoffe im Körper auf und leitet sie aus. Sind keine mehr vorhanden, sind alle ausgeschieden, so hört seine Wirksamkeit von selber auf. Daher die Doppelwirkung. Charlatanerie — mag mancher naserümpfend sagen! Ob er’s sage oder nicht, das ist mir einerlei. Die Tatsache bleibt fest bestehen. Gerade deshalb sind alle scharfen Laxiermittel so schwächend, so arg und so schädlich in ihren Folgen, weil nicht kranke Stoffe allein hinausgejagt werden, sondern alles ohne Unterschied. Die Treibjagd beginnt und endet mit der Niederlage auch der edelsten, zur Fortpflanzung der Kräfte notwendigen Säfte. Wer hat dieses nicht selbst schon empfunden? Daher die große Schwäche, die schnelle und riesige Abnahme der Kräfte nach solchen Kuren. Wie töricht, wie folgenschwer! Sapienti sat! Schaden macht klug oder sollte wenigstens klug machen.
Wassersucht.
Wenn der Regen längere Zeit anhält und die Sonne wenig scheint, wird auf manchem Grunde das Wasser nicht in die Tiefe[S. 360] sickern, auch von der Sonne nicht aufgesogen werden. Es entstehen so kleine Pfützen von stehendem Wasser, das später absteht, sauer und faul wird und nicht am besten einwirkt auf die Pflanzen, die in seiner Umgebung gedeihen sollen.
So ungefähr geht es in einem menschlichen Körper zu zur Zeit, da sich die Wassersucht ansetzt, die hauptsächlich in solchen Organismen sich entwickeln kann, in denen Blut und Säfte zu wässerig sind, die kein normales, lebenskräftiges Blut mehr besitzen. Vom Blute zehren alle Organe und Bestandteile des Körpers; es ist der Kraft- und Lebensquell, aus dem jedes das für seinen Zweck Brauchbare schöpft. Aus dem Moraste, aus ungesunden Pfützen, aus krankem Blute aber kann nichts Kraft und Leben Gebendes geholt werden; daher das schlaffe Fleisch, die welken Gefäße, daher die Anstauungen — lauter Vorboten der Wassersucht!
Schon im Äußern sieht man es solchen Menschen an: junge Leute erscheinen plötzlich alt (der oder die, hört man sagen, hat rasch gealtert), die Gesichtsfarbe steht ab, die Muskeln und Nerven hängen wie gesprungene Saiten welk an den Knochen, verschiedenerorts, besonders um die Augen, bilden sich bereits Wassersäcke. Man braucht sie nur anzutasten, und die Wasserkügelchen springen einem unter den Fingern weg. Der ganze Körper trägt bald eine Menge solcher Zwerchsäcke, als ob er gleichsam um gutes Blut bettelte; er bekommt aber nur Wasser.
Die Wassersucht zählt verschiedene Arten. Entstehen die Anstauungen zwischen Haut und Fleisch, so haben wir die Hautwassersucht. Wird der Unterleib an einem oder mehreren Orten gleichsam ein See, so nennt man es Bauchwassersucht. Wird die Körper-Blutpumpe, das Herz, bezw. der Herzbeutel wassersüchtig, so heißt es die Herzwassersucht usw. Auch nach vielen Krankheiten entsteht gerne die Wassersucht, und es geht dann in der Regel nicht mehr lange. Gar vielen ist sie die Bötin zu Tod und Grab geworden, oder sie war gleichsam die letzte Sturzwelle, die das Lebensschifflein, nur mehr ein Wrack, in den Grund bohrte. Nach Scharlach erscheint sie besonders häufig, wenn er nicht gut ausgeheilt wird, wenn noch Giftstoff drinnen bleibt und der geschwächte Körper nicht die Kraft hat, ihn hinauszuwerfen. Der ganze Körper fängt dann an zu schwellen.
Hat die Wassersucht schon weit um sich gegriffen, einen hohen Grad erreicht, so ist meistens nicht mehr zu helfen wegen des Blutmangels. Im Beginne (bei noch nicht fortgeschrittener Zersetzung) kann oft recht schnell geholfen[S. 361] werden, wenn man von innen und von außen zugleich das faule Wasser auszupumpen sucht. Beispiele sollen dies klar machen.
Einer Bäuerin, ca. 48 Jahre alt, beginnt der ganze Körper anzuschwellen, sie kann kaum mehr gehen. Die Entkräftung ist schon groß, das Atmen eine große Last. Ich riet ihr, sie solle sogleich Rosmarin in Wein ansetzen und täglich zwei Weingläser Rosmarinwein trinken, im ganzen ungefähr ein Viertelliter. Der Wein stärkte die Kranke ungemein, wie sie sagte, und trieb sehr viel Wasser ab. Äußerlich gebrauchte sie täglich während mehrerer Tage den kurzen Wickel, je eineinhalb Stunden, längere Zeit hindurch (ungefähr 4 Wochen) täglich zwei Halbbäder von je einer Minute Dauer mit Waschung des Oberkörpers. Die Bäuerin gesundete und konnte ihrem Berufe wieder ganz und ungehindert vorstehen.
Ein Knabe von 12 Jahren hatte Scharlach und wurde nach aller Meinung gesund. Nach 6 Wochen bekam er die Wassersucht. Der ganze Körper schwoll an. Ein Hemd, in Salzwasser getaucht, drei Tage nacheinander je eineinhalb Stunden vorschriftsmäßig getragen, hat den Knaben vollständig geheilt.
Bei einem Weibe von 54 Jahren setzte sich die Bauchwassersucht an. Die Füße und der Leib seien, wie mir berichtet wurde, entsetzlich geschwollen. Die Kranke soll durch ihre Tochter täglich zwei Messerspitzen Attichwurzelpulver in einem Schoppen Wasser drei Minuten lang sieden lassen und den Tee in zwei bis drei Intervallen (Zwischenräumen) trinken. Dazu bekomme sie acht Tage lang täglich einen Unterwickel von je einer Stunde. Die folgenden 10 Tage werde der Wickel jeden zweiten, die weiteren 14 Tage jeden dritten Tag gegeben. — Die Kranke genas vollkommen, und zwar schon nach drei Wochen. Das Wasser sei, erfuhr ich später, in großen Quantitäten als Urin abgegangen.
Attichwurzel hat sich mir bei der Bauchwassersucht[48] wie Rosmarin bei der Herz- und Brustwassersucht als das beste innere Mittel erwiesen.
Bei der Herzwassersucht kann als vortreffliche äußere Anwendung täglich ein Ober- und Unteraufschläger angewendet werden. Nach innen gebe man täglich zwei Gläser Rosmarinwein zu trinken.
Georg, ein junger Mann von 36 Jahren, ist innerhalb acht Tagen am ganzen Körper in auffallender Weise angeschwollen, Kopf, Hals, Hände, Füße zeigen Geschwülste und unter der Haut eine Menge Wasser. Acht Tage lang zog er zweimal im Tage den spanischen Mantel an, weitere 9 Tage einmal, die letzten 10 Tage nach je drei Tagen. „Ich bin ein ganzer Spanier geworden,“ scherzte der Mann. „Das Klima, wenn auch nicht gar besonders spanisch, hat mir gut getan. Ich bin wieder ganz hergestellt.“
Eine Notiz darf ich hier nicht vergessen, da gerade bei dieser Krankheit jeder Anfänger mit Wasser leicht sich und andere täuschen könnte. Bei der Wassersucht darf das Wasser nie warm angewendet werden, weder in Form von Dämpfen, noch in Form von warmen Bädern. Das Übel gewänne dadurch außerordentlichen Vorsprung, da das warme Wasser schlaff und welk macht und die Schlaffheit der Organe, die Untätigkeit derselben bei dieser Krankheit nachgerade das Hauptübel ist. Die kältesten Anwendungen sind hier die besten; nur sollen sie nie zu lange und nicht anders als vorgeschrieben gebraucht werden; bei schwachem Blute ist auch die Naturwärme eine schwache.
Ein Gastwirt, 50 Jahre alt, erzählt: „Mein ganzer Leib ist schon ziemlich stark geschwollen. Der Arzt behauptet, ich bekomme die Wassersucht. Ich habe schon viel eingenommen, es wird aber von Tag zu Tag schlimmer. Mein linker Fuß, besonders der Oberschenkel, ist sehr stark angeschwollen. Der rechte Fuß fängt auch schon an, dicker zu werden. Durst habe ich viel; beim Bier wird der Durst noch ärger; auch das Wasser hilft nichts. Muß ich sterben, oder gibt’s für mich noch eine Hilfe?“
Ich erwiderte: „Gebrauchen Sie folgendes: 1) Jeden Tag einen Oberguß und Knieguß; 2) in der Woche dreimal einen kurzen Wickel, das Tuch vier- bis sechsfach, eineinhalb Stunden lang; 3) in jeder Nacht einmal ganz waschen vom Bett, nicht abtrocknen, gleich wieder ins Bett; so drei Wochen lang, dann Bericht.“
Dieser lautete sehr günstig. Darauf verordnete ich folgende Anwendungen: 1) In jeder Woche drei Halbbäder, eine Minute lang; 2) in der Woche drei Rückengüsse; 3) zweimal den spanischen Mantel, eineinhalb Stunden lang; 4) täglich eine Tasse Tee trinken in drei Portionen von zerstoßenen Wacholderbeeren und etwas Zinnkraut, 10 Minuten lang gesotten, während des Tages zu trinken.
Nach sechs Wochen war der Kranke vollständig gesund. Es stellte sich außer Schlaf der beste Appetit und die volle Kraft[S. 363] wieder ein. Diese Erklärung sendete mir der Geheilte drei Monate nach der Kur.
Wirbelleiden.
Ein 16jähriger Knabe war mit Verkrümmung der Wirbelsäule behaftet. Er wurde von mehreren berühmten Ärzten als Rückenmarkleidender ohne Erfolg behandelt. Sie schickten den Kranken in eine Heilanstalt, wo ihm verschiedene Streckverbände angelegt wurden. Der Erfolg war, daß er, während er noch mit großer Mühe eine kurze Strecke in die Anstalt gehen konnte, dieselbe nach 17 Wochen mit zwei Krücken verlassen mußte mit dem Urteil der Ärzte, es lasse sich nichts Weiteres mehr machen. Ein edler Menschenfreund gab dem Vater des kranken Sohnes „Meine Wasserkur“, und aus dieser nahmen sie die Waschungen mit Wasser und Essig vor und brachten den Kranken so weit, daß derselbe mit Hilfe eines Stockes ziemlich gut gehen konnte. Hierauf brachte man ihn zu mir in der Erwartung, daß er hier vollends geheilt werde. In 17 Tagen war die Hauptkur vorüber. Der Kranke ging wie jeder andere in diesem Alter, wenn auch nicht mit derselben Kraft, so doch mit großer Sicherheit ohne Stock und ohne allen Schmerz. Die Behandlung bestand in folgendem: Aus recht grobem leinenen Stoff wurde ein Leibchen (Weste) gemacht, dieses, in Wasser getaucht, in welchem Haberstroh gesotten wurde, angezogen; über das nasse Leibchen kam ein trockenes und endlich darüber eine wollene Decke. Über Nacht wurde es liegen gelassen. So jeden zweiten, später jeden dritten Abend. Jeden Tag bekam der Kranke zwei Obergüsse und einen Knieguß oder Wassergehen und ein Halbbad. Die weiteren Anwendungen (nach den 17 Tagen) waren: In der Woche zwei Halbbäder, zwei Obergüsse und einmal das Leibchen noch anziehen.
Würmer.
Wie sich im menschlichen Körper viel Ungeziefer aufhalten und die menschliche Natur schwächen oder krank machen kann, so sind vor allem die Spulwürmer und noch andere Gattungen von Würmern dazu angetan, den Organismus in Unordnung zu bringen und zu schädigen. Schon bei den Kindern zeigen sie sich auffallend, und wenn eine Mutter nicht klug ist und beobachtet, so können sie den Kindern sehr nachteilig sein. Sie entwickeln sich im Darm; sicher, wenn etwas zu schwere Mehlkost und besonders Schwarzbrot die Hauptnahrung bildet. Die Würmer gehen gewöhnlich nach unten,[S. 364] aber auch nach oben ab. Die Kennzeichen sind: großer Appetit, Unbehaglichkeit und Schmerzen um die Nabelgegend. Ein Hauptzeichen ist auch, daß die Kinder meistens in der Nase bohren. Die Kinder sehen auch krankhaft aus, weil die Würmer der Natur die Nahrung entziehen.
Mittel dagegen sind: 1) Man zerschneidet eine Zwiebel, setzt sie in einem Quart Wasser an und läßt sie über Nacht stehen. Am Morgen werden die Zwiebelteilchen gut ausgepreßt und dieses Wasser nüchtern getrunken. Wendet man dieses Mittel drei bis vier Tage an, dann sind die Würmer sicher getötet und abgetrieben. 2) Man nimmt einen Löffel voll Honig und siedet ihn in einem Quart Wasser und trinkt es. Mit diesem Wasser saufen sich die Würmer voll an, und wenn man später eine Tasse Wermuttee trinkt, was ihnen Gift ist, dann werden sie getötet und gehen ab. 3) Am allerstärksten wirkt der Wurmsamen, der Samen einer Pflanze, die Wurmkraut (Wurmfarn, Aspidium Filix mas Sw.) heißt, wegen ihrer außerordentlichen Wirkung.
Einer Person kamen eines Tages drei dicke, lange Würmer aus dem Mund heraus. Sie war schon längere Zeit krank und nahm Medizin ein. Zwei Löffel voll Wurmsamen zwei Tage nacheinander eingenommen, jedesmal darnach zwei Stunden gefastet, bewirkten, daß innerhalb drei Tagen nicht weniger als 78 lange Würmer abgingen.
Der Wurmsamen ist nicht teuer, kann in jeder Apotheke gekauft werden.
Unter allen Würmern ist der nachteiligste der Bandwurm. Diesen abzutreiben hat man in neuerer Zeit ein ganz sicheres Mittel, das jede Apotheke mit Anweisung besorgen kann.
Fußnoten:
[1] Landleuten, welche mit Taschenuhren nicht versehen sind oder mit denselben auf gespanntem Fuße stehen, rate ich immer, sie sollen auf 1 Minute 2 Vaterunser rechnen.
[2] Das Gehen im nassen Grase ist bei weitem vorzuziehen dem Gehen auf nasser Erde.
[3] Manche Ärzte kenne ich, welche diese Übung durchaus billigen, wenn sie nur mit der gehörigen Vorsicht geschieht. Andere, welche zum Vorwurf der Schroffheit Neigung haben, erinnere ich an die viel schroffere Verwendung des Eises.
[4] Bei einem hohen Herrn bildete sich anstatt der Nägel an den Zehen nur mehr eine weiche Masse. Die Kniegüsse reichten hin, das Blut also zu treiben, daß es auch den Nägeln wieder gab, was ihnen gehörte. Sie wurden fest wie früher.
[5] Unter Heublumen sind alle Abfälle von Heu und Grummet, als: Stengel, Blätter, Blüten und Samen zu verstehen, ja Heu und Grummet als solche selbst schon.
[6] Wer durch Regen oder sonst etwas durchnäßt wurde, soll mit dem Wasser nichts zu tun haben; es bekäme ihm nicht gut. An dieser Stelle warne ich auch davor, nach solchem Bade irgend nasse Kleider anzuziehen. Diese müssen vollständig trocken sein.
[7] Man vergleiche im dritten Teile den Aufsatz, der über den „Schweiß“ handelt.
[9] D. i. man wirft soviel Wasser über die Schultern hinweg, daß es den Rücken hinunterläuft und ihn abspült.
[10] Manches amüsante (heitere), auch manches recht traurige Stückchen aus so einem Badeleben ließe sich hier anfügen. Doch ich denke, besser ist schweigen als reden, wenn diese Geschichtchen auch recht viele gute Lehren enthielten. Möglich, daß ich später einmal damit dienen kann.
[11] Wiederholt steht sonst an verschiedenen Stellen, daß der Kopf nicht naß werden solle. Der Hauptgrund liegt darin, daß Landleute insbesondere mit dem notwendigen Abtrocknen es nicht genau nehmen und so sich leicht ein Übel zuziehen. Im übrigen zählt gerade der besonders bei Männern jeder Witterung ausgesetzte Kopf zu den abgehärtetsten Teilen.
[12] Kurze Haare haben für die Gesundheit, z. B. bei Anlage zu Kopfleiden, auch bezüglich der Kopfhautpflege, große Vorteile. Langes Haar ist ein schöner Schmuck, eine schöne Beigabe des Schöpfers; aber sie sollen recht gut gepflegt, reinlich gehalten und Haarbürste und Kamm nicht geschont werden. Die Nachteile kennt jede Hausmutter.
[13] Statt der beiden Holzstäbe genügt ein in der Mitte etwas zum Auflegen der Füße bereitetes Holzstück (b, Fig. 10), dessen Enden so bearbeitet und in die Öhren eingefügt werden, daß ein Drehen des Holzstückes und ein Ausgleiten der Füße unmöglich ist. Einfacher vielleicht stellt man in das mit heißem Wasser gefüllte Gefäß ein kleines, bis zum Rande desselben reichendes Fußschemelchen.
[14] Wer lange, fast bis zur Erde reichende Kleidung hat, umhülle damit das dampfende Holzgefäß. Dieses ist die einfachste und leichteste Art der Vornahme des Fußdampfes. Nur muß man sich nachher neu bekleiden.
[15] An dieser Stelle muß ich doch ein Wort sagen über das Trinken bei Tisch, hauptsächlich während des Mittagessens. Bei Landleuten kommt es kaum oder wenigstens nicht in ausgedehntem Maße vor. Die Sache betrifft mehr die Stadt- und Herrenleute. „Unter das Essen hineintrinken“ wie man sagt, ist nicht gut. Ich kenne manche Ärzte, besonders der älteren Schule, welche den Gesunden dieses abraten und ihren Kranken solches entschieden verbieten. Wer ein Auge hat und etwas Erfahrung, weiß, daß alle, welche während des Essens viel Wasser, Bier oder anderes genießen, mit einem Worte, daß alle Vieltrinker stets über Mangel an Verdauung klagen.
Es kann gar nichts anderes sein. Wieso?
Während man die Speise im Munde kaut, wird sie oder soll sie gemischt, ganz durchdrungen werden von Speichel, der ja zu diesem Zwecke von eigenen Organen, den Speicheldrüsen, bereitet wird. Es wäre unklug, irgend etwas Festes zu schlucken, d. i. es in den Magen, diese lederne Maschinerie, zu bringen, bevor jene erste wichtige Vorarbeit der Verkleinerung und Erweichung gut und recht getan ist. — Im Magen werden sodann die also vorbereiteten Speisen mit dem Magensafte getränkt. Je reiner, je besser, je ursprünglicher, d. i. je unvermischter dieser wichtige Saft, desto besser die Verdauung und ihre Resultate, d. h. desto besser auch die durch die Verdauung bereiteten und der Natur zur Ausarbeitung und Vervollkommnung der verschiedenen Bestandteile des Körpers vorgelegten Säfte und Nährstoffe.
Wenn jemand nun eine Speise ißt und das Genossene mit fremder Flüssigkeit, sei es Wasser, Wein oder Bier, übergießt, so wird diese Speise schon nicht mehr von reinem Magensafte durchdrungen, sie wird, zum Teile wenigstens, durchtränkt von dem zugeschütteten Wasser, Bier und Wein.
Wer während einer Mahlzeit das besagte Überschütten sechs- bis achtmal vornimmt, verdünnt einmal den Magensaft derart, daß er als Verdauungsessenz nicht mehr dient, und bewirkt sodann, daß sein Magen von einem auf sechs- bis achtfache Art gemischten Speisebräu erfüllt, vielmehr gequält ist. Wer will da noch klagen, daß der arme Magen Ach und Weh schreit; daß die Verdauung eine schlechte ist, wie so oft die Klage lautet!
Wie soll man demnach sein Trinken einrichten?
Wer vor dem Essen Durst hat, der trinke! Durch den Durst zeigt sich die Dürftigkeit der Säfte an; die Magensäfte sind zudem dick und erleiden eine Verdünnung.
Bei Tisch soll womöglich nicht oder sehr wenig getrunken werden, damit der reinste Magensaft auch noch den letzten Bissen tränke und durchdringe.
Ist eine längere Zeit nach dem Essen vorüber, verlangt der Speisebrei zu seiner weiteren Verarbeitung vom Magensafte wieder Flüssiges, mit anderen Worten, stellt sich nach 1, 2, 3 Stunden wieder Durst ein, dann kann mäßig auch wieder getrunken werden.
Ich habe mit manchem tüchtigen Arzte gerade über diesen Punkt eingehend gesprochen. Alle teilten vollkommen meine Ansicht und schrieben die Unzahl der Magenleiden zum großen Teil den diesbezüglichen Überschreitungen der Menge zu.
[16] Das Rezept des Ausscheidungsöles allein, welches in einzelnen Fällen zum äußerlichen (niemals innerlichen) Gebrauche angewendet wird, habe ich um Mißbräuchen vorzubeugen, mir vorbehalten. Und selbst wenn ich es bekannt geben würde, hätte davon das Volk keinen Nutzen, weil die Apotheke ohne jedesmaliges Vorlegen desselben das Öl nicht abliefern darf; und von mir kann und darf es nicht versendet werden, weil ich weder Arzt noch Apotheker bin.
[17] Es gibt viele Patienten, welche meinen, recht viele Medizin und Pillen u. a. müssen gesund machen. Ich erinnere mich gut an einen sehr tüchtigen Arzt, der möglichst wenig verschrieb und oft über die Unvernunft der Leute klagte, welche trotz des ärztlichen Ausspruches stets nach Medikamenten schreien. „Wenn mir solche unausstehliche Toren kamen und nicht Ruhe gaben,“ sagte er einst, „dann gab ich ihnen Brotpillen mit einer kleinen, gleichgültigen Mischung, welche den — Apothekengeruch brachte. Sie nahmen die Pillen, und wenn ich wieder kam, so hatten diese „besten Pillen, die sie im Leben genommen,“ fast regelmäßig geholfen!“
[18] Hier ein Wort über die Süßigkeiten und Schleckereien. Wenn ich von Männern höre, die derlei Kindereien treiben, so ärgere ich mich; wenn ich von Kindern solches höre, so bemitleide ich die Armen und bedauere die Kurzsichtigkeit oder die mangelhafte Wachsamkeit der Eltern.[19] Absolut und entschieden spreche ich mich gegen all diese Schleckereien aus, mögen dieselben was immer für einen Namen und Ruf haben, aus was immer für einer Apotheke kommen und für Katarrhe, Husten, Magenleiden, alles Denkbare und Undenkbare, Mögliche und Unmögliche angepriesen werden. Man kann damit gründlich den Magen und anderes verderben.
[19] Kranken derlei Zeug zu reichen, wäre ein unverantwortlicher Frevel.
[20] Bei jedem einzelnen Heilmittel steht auch genau, in welchen Formen es gebraucht werden kann, ob als Extrakt, Pulver, Tee, Öl usw.
[21] Sämtliche Kräuter, Beeren usw., die zu Extrakten dienen, können auch in Wein angesetzt werden, wie dieses an Ort und Stelle stets bemerkt ist. Dieser Wein dient indessen nur zum sofortigen, wenigstens ziemlich schnellen Gebrauche, nicht zum Aufbewahren.
[22] Zur Erleichterung des Aufsuchens der in diesem Abschnitte aufgeführten Heilpflanzen hat die Verlagshandlung einen „Pflanzen-Atlas zu Seb. Kneipp’s Wasser-Kur“ in drei verschiedenen Ausgaben veröffentlicht: man vergleiche hierüber die bezüglichen Ankündigungen in den Prospekten und der sog. Gratis-„Kneipp-Broschüre“.
[23] Patienten, die schon Wasserheilanstalten besucht haben, behaupten, man erblicke im Erscheinen eines Ausschlages ein sicheres Zeichen vom guten Gelingen der ganzen Kur.
[24] Das darf nicht befremden. Bekannt ist ja auch oder dürfte es sein, daß z. B. in den Schalen (schwäbisch „Schelfen“) der Äpfel, Birnen etc. mehr Kraft steckt als in dem Fleisch der Früchte selbst. Die Essigprobe (aus den Früchten oder den Schalen) wird meine Behauptung sicherlich nicht im Stiche lassen.
[25] Siehe auch „Kreidemehl“ unten Seite 140.
[26] Siehe auch „Knochenmehl“ oben Seite 138.
[27] Wer bei größerem Verbrauche von Kleienbrot sich eine der extra hierzu bestehenden Schrotmaschinen kaufen kann, ist am besten daran, er kann nie betrogen werden. — Ich kannte in Tirol einen Professor, welcher ein schweres Magenleiden hatte. Da er die wenigsten Speisen vertragen konnte, kamen seine Kräfte sehr herunter. Man riet ihm das Kleienbrot und eine solche kleinere Maschine. Alsbald ließ er diese von Wien kommen und machte in den Stunden der Handarbeit selbst den Müller und den Treibesel. Er hat sich sein Mehl selbst gemahlen, und seine Frau hat ihm das Brot gebacken. Er wurde so gesund und sein Magen mit ihm, daß dieser fortan bei keiner Speise mehr den Dienst verweigerte.
[28] Diese Anwendungen darf sich nicht jeder zu machen erlauben, der an Atembeschwerden leidet; sie könnten manchen zu stark sein. Im allgemeinen warne ich vor zu vielen Anwendungen.
[29] Dem wildesten Stier wird die Kraft gebrochen durch den kleinen Ring, den man in seine Nüstern bringt. Man kann ihn führen, wohin man will. Die gelindeste Anwendung ist der Ring, den ich der gefährlichsten Krankheit sozusagen in die Nüstern schlage.
[30] Der Fenchel, in Milch gesotten, wirkt außerordentlich bei Kolik und choleraartigen Anfällen; er erwärmt, leitet die Gase aus und ist zugleich Nahrungs- und Kräftigungsmittel.
[31] Wer im Frühjahre oder Herbst, fast zu jeder Jahreszeit, die Zeitungen durchgeht, sieht, welche Rolle die Frühjahrs- und Herbst-Blutreinigungs-Pillen, -Kräuter usw. spielen. Nie werde ich zu so etwas raten. Wer absolut einnehmen will (es gibt einmal solche Leute), der nehme in der Woche den einen oder anderen Tag 5–6 Stunden lang jede halbe Stunde einen Eßlöffel voll frischen Brunnenwassers ein. Das unterstützt die Natur, das andere kann sie verderben.
[32] Es liegt mir eben ein Brief vor, worin ein Patient klagt und die Gifte aufzählt, die er in verschiedenen Krankheiten hat verschlucken müssen. Ich will die Aufzählung auf ein andermal versparen.
[33] Meine 35jährige Erfahrung und Praxis berechtigt mich zu dieser Behauptung. Jeder, der die Prießnitzschen Umschläge die ganze Nacht über liegen läßt, wird schon die unliebe Probe gemacht haben, daß am Morgen statt Besserung eine Verschlimmerung eingetreten ist. „Es war eben nicht recht zugebunden,“ lautet die fade Entschuldigung, die man gleich bei der Hand hat. Nein, der Grund ist meistens ein ganz anderer und liegt tiefer. Das Nähere lese man beim Halswickel!
[34] Geronnene (gestockte) Milch wird auf den warmen Herd gestellt, die Masse scheidet sich in Festes und Flüssiges. Das Flüssige bildet das Topfenwasser, das Feste den Topfen, auch Topfenkäs (Zieger) genannt.
[35] „Mens sana in corpore sano“ sagten die Alten. Ein gesunder Geist kann nur wohnen in einem gesunden Körper. Man mag hier beherzigen, welchen großen Einfluß das Land auf die Leute, der Palast oder die feuchte, nasse Hütte auf deren Inwohner ausübt. Sollte es bei Leib und Seele anders sein, zumal beide so innig zusammenhängen und zusammen nur ein Ganzes bilden?
[36] Die gleiche Torheit ist es, wenn man jederzeit von Korpulenz auf das Vielessen und Vieltrinken (bekanntlich sind solche hart genug Gepeinigte die genügsamsten Menschen), wie von dem guten Aussehen geistesgestörter Individuen auf gute Beschaffenheit ihres Geistes und nur auf Gesundheitsskrupel schließen will.
[37] Siehe auch „Entzündungen“ oben S. 208 ff. und „Knochengeschwüre“ unten S. 276.
[38] Das Zubinden hält warm und erwärmt noch mehr. Der Blutzufluß zur entzündeten Stelle wird dadurch gefördert, und es dauert lange, bis alles sozusagen an dem Brandorte hängengebliebene Blut vereitert ist.
[39] Ich gebe vier Sorten an, von denen zum mindesten eine jedermann leicht zu Gebote steht.
[40] Manche verstehen unter den blinden Hämorrhoiden die nicht fließenden, unter den sehenden die fließenden.
[41] Mir ist ein Fall bekannt, in dem einem Unglücklichen die Hämorrhoiden zollweit aus dem After hingen; er mußte, um Brand zu verhüten, sie stets in kühlendes Wasser halten. Da ist freilich guter Rat teuer und kommen meine Anwendungen zu spät.
[42] Was ich betreffs der Vernachlässigung des Katarrhs gesagt habe, lese man in dem einleitenden Teile über die Augen.
[43] Der Arme bereitet sich eine Bettflasche sehr leicht also: Er macht einen Ziegelstein heiß und wickelt ihn in eine Wolldecke oder in ein Tuch ein. — Jedermann kennt auch die Mineralwasserkrüge von Steingut (die sogenannten „steinernen Schlegel“); man fülle einen solchen mit heißem Wasser und verhülle ihn, und die vortrefflichste Wärmeflasche ist fertig.
[44] Auch Fichtennadelextrakt wäre gut. Mir und jedem Landwirt und jedem Armen ist das naheliegende, unverkünstelte Fichtenreis selbst ganz ausreichend.
[45] Zahllose Versuche haben stets zu denselben Resultaten geführt: man kann lindern, den Zustand erleichtern, aber nicht helfen. Hier siegt immer der Sensenmann.
[46] Heublumen werden mit siedendem Wasser angeschwellt, gut ausgedrückt und auf ein Tuch gebreitet; darauf legt der Patient die Hand, und diese wird so umbunden, daß sie mitten in die feuchtwarmen Heublumen zu liegen kommt.
[47] Mehrere Kalender, auch Zeitungen und Zeitschriften der letzten Jahre brachten Verzeichnisse von und Warnungen vor Hunderten solcher Mittel. Viele derselben sind als Schwindel gebrandmarkt, die den Käufern beziehungsweise Betrogenen vielfach teuer zu stehen kommen an Geld und an der Gesundheit.
[48] Als Hausmittel gelten Wacholderbeeren, gesotten und wie Tee getrunken. Dieser Tee wirkt gut, aber stets zu schwach. Die Wirkungen der Attichwurzel sind viel kräftiger und nachhaltiger.
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