The Project Gutenberg EBook of Der Engländer, by Jacob Michael Reinhold Lenz Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. 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We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- which requires a binary transfer, or sent as email attachment and may require more specialized programs to display the accents. This is the 7-bit version. This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. That project is reachable at the web site http://gutenberg2000.de. Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg2000.de erreichbar. Der Englaender Jakob Michael Reinhold Lenz eine dramatische Phantasterei Personen Robert Hot, ein Englaender Lord Hot, sein Vater Lord Hamilton, dessen Freund Die Prinzessin von Carignan ein Major in sardinischen Diensten verschiedene Soldaten Tognina, eine Buhlschwester ein Geistlicher verschiedene Bediente Der Schauplatz ist Turin. Erster Akt Erste Szene (Robert Hot spaziert mit einer Flinte vor dem Palast auf und ab.) (Es ist Nacht. In dem einen FlUegel des Palasts schimmert hinter einer roten Gardine ein Licht durch.) ROBERT. Da steck ich nun im Musketierrock, ich armer Protheus. Habe die Soldaten, und ihre Knechtschaft, und ihre Puenktlichkeit sonst Aerger gehasst, wie den Teufel.--Ha! was taete man nicht um dich, Armida? Es ist kalt. Brennt doch ein ewigs Feuer in dieser Brust, und wie vor einem Schmelzofen glueh' ich, wenn ich meine Augen zu jenen roten Gardinen erhebe. Dort schlaeft sie, dort schlummert sie jetzt vielleicht. O, der Kissen zu sein, der ihre Wange wiegt.--Wenn der Mond, der so dreist in ihn Zimmer darf, sie weckte, wenn er sie an's Fenster fuehrte!--GOetter!--Mein Vater kommt morgen an, mich nach England zurueckzufuehren--Komm, schoene Armida, rette mich! Lass mich dich noch einmal demuetig anschauen, dann mit diesem Gewehr mir den Tod geben; meinem Vater auf ewig die grausame Gewalt nehmen, die er ueber mich hat. Mich nach England zurueckzufuehren! Mich zu den oeffentlichen Geschaeften brauchen! Mich mit Lord Hamiltons Tochter verheiraten! (schlaegt auf sein Gewehr) Kommt nur! Eher moechtet ihr mich mit dem Teufel verheiraten. (geht lange stumm auf und ab.) O wie ungluecklich ist doch der Mensch! In der ganzen Natur folgt alles seinem Triebe, der Sperber fliegt auf seine Beute, die Biene auf ihre Blume, der Adler in die Sonne selber--Der Mensch, nur der Mensch--Wer will mirs verbieten? Hab ich nicht zwanzig Jahre mir alles versagt, was Menschen sich wuenschen und erstreben? Pflanzenleben gelebt, Steinleben? Bloss um die toerichten Wuensche meines Vaters auszufuehren; alle sterbliche Schoenheit hintan gesetzt, und wie ein Schulmeister mir den Kopf zerbrochen; ohne Haar auf dem Kinn wie ein Greis gelebt, ueber nichts als Buechern und leblosen, wesenlosen Dingen, wie ein abgezogner Spiritus in einer Flasche, der sich selbst verraucht. Und nun, da ich das Gesicht finde, das mich fuer alles das entschaedigen kann, das Gesicht, auf dem alle Glueckseligkeit der Erde und des Himmels, wie in einem Brennpunkt vereinigt, mir entgegen winkt, das Laecheln, das mein ganzes unglueckliches, sterbendes, verschmachtendes Herz umfasst, und meinen ausgetrockneten, versteinerten Sinnen auf einmal zuzuwinken scheint: Hier ist Leben, Freude ohne Ende, Seligkeit ohne Grenzen--Ach! ich muss hinauf,--so wahr ein jeder Mensch einen Himmel sucht, weil er auf Erden nicht zufrieden werden kann. (Er schiesst sein Gewehr ab, das Fenster oeffnet sich, die Prinzessin sieht heraus.) ROBERT. (kniet.) Sind Sie's, goettliche Armida?--O zuernen Sie nicht ueber diese Verwegenheit! Sehen Sie herab auf einen Ungluecklichen, der zu sterben entschlossen ist, und kein anderes Mittel wusste, Sie vor seinem Tod noch einmal zu sehen, Ihnen zu sagen, dass er fuer Sie stirbt. Die Sonne zuernt nicht, wenn ein dreister Vogel ihr entgegen fliegt und, von ihrem Glanz betaeubt, sodann tot herab ins Meer faellt. ARMIDA. Wer spricht dort mit mir? ROBERT. Erlauben Sie mir, dass ich herauf komme, Ihnen meinen Namen zu nennen, meine Geschichte zu erzaehlen. Das tote Schweigen der Natur, und die feierliche Stille dieser meiner Sterbestunde floesst mir Mut ein. Ich gehe zum Himmel, wenn es einen gibt, und einem Sterbenden muss alles erlaubt sein.--(will aufstehen.) ARMIDA. Verwegner! Wer seid ihr? ROBERT. Ich bin ein Englaender, Prinzessin; bin der Stolz und die Hoffnung meines Vaters, der Lord Hot, Pair von England. Auf der letzten Maskerade bei Hof hab ich Sie gesehen, hab ich mit Ihnen getanzt; Sie haben es vergessen, ich aber nicht. Ich kann und darf nicht hoffen, Sie jemals zu besitzen, doch kann ich nicht leben ohne diese Hoffnung. Morgen kommt mein Vater an und will mich nach England zurueckfuehren, und mit Lord Hamiltons Tochter verheiraten. Urteilen Sie nun, wie ungluecklich ich bin. Er darfs nicht wissen, dass ich Soldat bin, sonst kauft er mich los; und wo denn Schutz finden; was denn anfangen, wenn mich dieser heilige Stand vor ihm und Lord Hamilton nicht mehr sicher stellen kann?--Bedauern Sie mich, Prinzessin; ich sehe, ich sehe das Mitleid aus ihren schwarzen Augen zittern; ich kann diesen suessen Seufzer mit meinen Lippen auffangen, der ihren Busen mir so goettlich weiss entgegen hebt.--O in diesem Augenblick zu sterben ist alle Glueckseligkeit des Lebens wert. ARMIDA. Mein Herr! ich sehe wohl, dass Sie was anders sind, als Sie zu sein scheinen--dass Sie Bedauern verdienen--Sie sind damit zufrieden, wenn ich Sie bedauere? Ist Ihnen diese Versicherung nicht genug, so bedenken Sie doch, dass mehr verlangen, mein Unglueck verlangen hiesse. ROBERT. Ach, schoene Prinzessin! Nichts als bedauern? Und wenn auch das Sie nicht gluecklich macht, so will ich den Urheber Ihres Ungluecks strafen. (springt auf, nimmt sein Gewehr wieder, und geht herum. Die Runde kommt.) ROBERT. Wer da? RUNDE. Runde! ROBERT. Steh, Runde! (heimlich mit dem Major.) MAJOR. (laut.) Was ist vorgegangen, dass ihr geschossen habt? ROBERT. Ich habe einen Deserteur ertappt. MAJOR. Es hat doch niemand beim Appell gefehlt. Wer war's? ROBERT. Ich. MAJOR. Kerl, habt ihr den Verstand verloren? Loest ihn ab, fuehrt ihn in die Hauptwache. Zweiter Akt Erste Szene (Der Prinzessin Palast. Major Borgia. Prinzessin von Carignan.) MAJOR. Eure Hoheit verzeihen, dass ich mich untertaenigst beurlaube. Es wird Kriegsrat ueber einen Deserteur gehalten, bei dem ich unumgaenglich gegenwaertig sein muss. ARMIDA. Eben deswegen, Herr Major, habe ich Sie rufen lassen. Er ist unter meinem Fenster in Verhaft genommen worden, ich war wach, als der Schuss geschah. Der Mensch muss eine verborgene Melancholie haben, die ihn zu dergleichen gewaltsamen Entschliessungen bringt. MAJOR. Man will sagen, dass er nicht von geringerem Herkommen sein soll. Einige haben mir sogar behaupten wollen, er sei ein Lord, und von einem der ersten Haeuser in England. PRINZESSIN. Desto behutsamer muessen Sie gehen. Erkundigen Sie sich sorgfaeltig nach seiner Familie bei ihm. MAJOR. Es ist schon geschehen. Er will aber nichts sagen, und die Strenge der koeniglichen Verordnungen-- PRINZESSIN. Ich gelte auch etwas bei dem Koenig, und mein Bruder; und ich will, dass Sie ihm das Leben nicht absprechen, Herr Major, wenn Ihnen Ihr zeitlich Glueck lieb ist. MAJOR. Nach dem Kriegsreglement hat er das Leben verwirkt-- PRINZESSIN. Ich gehe, mich dem Koenige deswegen zu Fuessen zu werfen, unterdessen erkundigen Sie sich aufs sorgfaeltigste nach seinen Eltern, und sehen Sie, dass Sie ihnen, so geschwind es sein kann, Nachricht von diesem Vorfall geben. Ich bitte mirs von Ihnen zu Gnaden aus, Herr Major! MAJOR. Eurer Hoheit Befehle sind mir in allen andern Stuecken heilig--(sie gibt ihm noch einen Blick, und geht ab. Der Major gleichfalls von der andern Seite.) Zweite Szene (Roberts Gefaengnis. In der Daemmerung.) ROBERT. (spielt die Violine und singt dazu.) So geht's denn aus dem Weltgen 'raus, O Wollust, zu vergehen! Ich sterbe sonder Furcht und Graus, Ich habe sie gesehen. Brust und Gedanke voll von ihr: So komm, o Tod! ich geige dir; So komm, o Tod! und tanze mir. Nur um ein paar Ellen hAett' ich ihr naeher sein sollen, ihre Mienen auf mich herabscheinen zu sehen--ihren Atem zu trinken--Man muss genUegsam sein--Das Leben ist mir gut genug geworden, es ist Zeit, dass ich gehe, eh es schlimmer wird. (spielt wieder.) O Wollust--o Wollust, zu vergehen! Ich habe--habe sie gesehen. (Die Prinzessin von Carignan tritt ins GefAengnis, verkleidet als ein junger Offizier. Ihr Bruder als Gemeiner.) ROBERT. Himmlisches Licht, das mich umgibt! (laesst die Geige fallen, kniet.) PRINZESSIN. Stehen Sie auf, mein Herr! ich bring Ihnen Ihr Urteil--Ihre Begnadigung vielmehr. Ich war die Ursache der unglUecklichen Verirrung Ihrer Einbildungskraft, ich musste dafuer sorgen, dass sie nicht von zu traurigen Folgen fuer Sie wuerde. Sie werden nicht sterben. Stehen Sie auf. (als ob sie ihn aufrichte.) ROBERT. (bleibt kniend.) Nicht sterben? Und das nennen Sie Gnade! --Oft ist das Leben ein Tod, Prinzessin, und der Tod ein besseres Leben. PRINZESSIN. Das Leben ist das hOechste Gut, das wir besitzen. ROBERT. Freilich hoert mit dem Tod alles auf, aber im hoechsten Genuss aufhoeren heisst tausendfach geniessen. Goennen Sie mir dieses Glueck, Prinzessin, (ihr einen Dolch reichend, der auf einem Sessel liegt,) lassen Sie mich den Tod aus diesen Haenden nehmen, von denen er mir allein Wohltat ist. Ich will meinen entfliehenden Atem in diese Haende zurueckgeben, die ihn schon lange gefesselt hatten, die zu beruehren, meine scheidende Seele schon tausendmal auf meinen Lippen geschwebt ist. PRINZESSIN. (setzt sich.) Mein Freund!--(knoepft sich ein Armband ab.) Hier haben Sie etwas, das Ihnen das Leben angenehmer machen soll; nehmen Sie es mit in Ihre Gefangenschaft, versuessen Sie sich die Einsamkeit damit; und bilden Sie sich ein, dass das Urbild von diesem Gemaelde vielleicht nicht so fuehllos bei Ihren Leiden wuerde gewesen sein, als es dieser ungetreue Schatten von ihm sein wird. (gibt ihm das Portrait, und eilt jaehlings ab.) ROBERT. (in die Knie sinkend, das Bild am Gesicht.) Ach, nun Ewigkeiten zu leben!--mit diesem Bilde!--Wesen! wenn eins da ist, furchtbarstes aller Wesen! koenntest du so grausam gegen einen handhohen Sterblichen sein, und mir dies im Tode nehmen--Wenn ein Leben nach dem Tode waere--dies ist das erstemal, dass mich der Gedanke bei den Haaren fasst, und in einen grauenvollen Abgrund hinabschuettelt--Ein Leben nach dem Tode, und ohne sie--Nein, sie wusste, was sie mir brachte, Leben und ihr Bild. Es ist ihr daran gelegen, dass ich sie nicht aus diesem Herzen verliere, und wenn ich verginge, verging ein Teil ihres Gluecks mit. Ich will also die Begnadigung um ihretwillen annehmen. (steht auf, nimmt das Urteil von dem Tisch und liest,) "in eine lebenslaengliche Verweisung auf die Festung." Lebenslaenglich! das ist genug--aber sie wird vor mir stehen, ihre Hand wird mir den Schweiss von der Stirne trocknen, die Traenen von den Backen wischen--die Augen mir zudruecken, wenn ich ausgelitten habe. Ueberall werd ich sie hoeren, sie sehen, sie sprechen, und die Kette, an der ich arbeite, wird ihre Kette sein. (faehrt zusammen.) Wen seh ich! (Der alte Lord Hot tritt herein.) LORD. Unwuerdiger! ist das der Ort, wo ich dich anzutreffen hoffte? ROBERT. (faellt ihm zu Fuessen, eine Weile stumm.) Lassen Sie mich zu mir selber kommen, mein Vater-- LORD. (hebt ihn auf, und umarmt ihn.) Armer, wahnwitziger, kranker Schulknabe! du ein Pair im Parlement?-- ROBERT. Hoeren Sie mich an.-LORD. Ich weiss alles. Ich komme von der Prinzessin von Carignan (Robert zittert.) Du hast die Dame ungluecklich gemacht, sie kann es sich und ihre Reizungen nicht verzeihen, einen Menschen so gaenzlich um seinen Verstand gebracht zu haben, der jung, hoffnungsvoll, in der Bluete seiner Jahre und Faehigkeiten, seinen Vater und Vaterland in den groessten Erwartungen hintergeht. Hier ist deine Befreiung! Willst du der Prinzessin nicht auf ewig einen Dorn in ihr Herz druecken, so steh auf, setz dich ein mit mir, und kehr nach England zurueck. ROBERT. (eine Weile ausser Fassung. dann faehrt er ploetzlich nach der Ordre in des Vaters Haenden, und will sie zerreissen.) LORD. Nichtswuerdiger!--deine Begnadigung!-- ROBERT. Nein, die Begnadigung meiner Prinzessin war viel gnaediger. Ich habe die Festung verdient, weil ich mich unterstanden, ihre Ruhe zu stoeren. Aber ich blieb ihr nah; derselbe Himmel umwoelbte mich, dieselbe Luft wehte mich an--es waren keine Laender, kein ungetreues Meer zwischen uns; ich konnte wenigstens von Zeit zu Zeit Neuigkeiten von ihr zu hoeren hoffen--Aber nun auf ewig von ihr hinweggerissen, in den Strudel der oeffentlichen Geschaefte; vom Koenig, und Ihnen, und Lord Hamilton gezwungen, in den Armen der Lady Hamilton--sie zu vergessen!--Behalten Sie Ihre Begnadigung fuer sich, und gehen in die Waelder, von wilden Tieren Zaertlichkeit fuer ihre Jungen zu lernen. LORD. Elender! so machst du die menschenfreundlichsten Bemuehungen zu nichte, und stoessest die Haende, die dich von dem Sturze des Abgrundes weghaschen wollen, mit Undankbarkeit von dir. Wisse! es ist nicht meine Hand, die du zurueckstoesst, es ist die Hand deiner Prinzessin selber. Sie hat dir diese Befreiung ausgewirkt, und damit sie deine unsinnige Leidenschaft und diese Grossmut nicht naehrte, hat sie mich gebeten, ihr meinen Namen dazu zu leihen, hat sie sich gestellt, dir eine zweideutige Begnadigung ausgewirkt zu haben, um sich dadurch in deiner Phantasie einen widerwaertigen Schatten zu geben. Aber deine Raserei ist unheilbar; wenigstens zittre, ihren grossmuetigen Absichten entgegen zu stehen, und wenn du nicht willst, dass sie dich als den Stoerer ihres ganzen Gluecks auf ewig hassen soll--flieh! sie befiehlt es dir aus meinem Munde-ROBERT. (lange vor sich hinsehend.) Das ist in der Tat fuerchterlich! diese Klarheit, die mich umgibt, und mir die liebe Dunkelheit, die mich so gluecklich machte, auf immer entreisst. Also die Prinzessin selber arbeitet dran, dass ich fortkomme, dass ich nach England gehen, und sie in den Armen einer andern auf ewig vergessen soll. LORD. Sie hat mich in ganz Turin aufsuchen lassen, da sie unter der Liste der Durchreisenden meinen Namen gefunden. Sie muss von meiner Ankunft unterrichtet gewesen sein. ROBERT. Das ist viel Sorgfalt fuer mein Glueck, fuer meine Heilung.--Ich bin freilich ein grosser Tor--Aber wenn Sie sie gesehen haetten, Lord Hot,--und mit meinen Augen--das erstemal, als ich sie auf der Maskerade sah--wie sie so da stand in ihrer ganzen Jugend, und alles um sie lachte, und gaukelte, und glaenzte, die roten Baender an ihrem Kopfschmucke von ihren Wangen die Roete stahlen, die Diamanten aus ihren Augen das Feuer bettelten, und alles um sie her verlosch, und man, wie bei einer goettlichen Erscheinung fuer die ganze Natur, die Sinne verlor, und nur sie und ihre Reize aus der weit verschwundenen Schoepfung uebrig behielt. Und was fuer ein Herz diese Schoenheit bedeckt. Jedermann in Turin kennt sie, jedermann spricht von ihr mit Bewunderung und Liebe. Es ist ein Engel, Lord Hot! ich weiss Zuege von ihr, die kalte Weltweise haben schaudernd gemacht.--Mein Vater, ich kann noch nicht mit nach England. Ich werde heilen, ich muss heilen, aber ich muss mich erst noch erholen, eh ich so stark bin, es selber zu wollen. LORD. (fasst ihn an der Hand.) Komm! so bald du vernuenftig wirst, wirst du gluecklich sein, und mich und uns alle gluecklich machen, am meisten aber die, die du anbetest. ROBERT. (legt beide Arme ueber einander, den Himmel lang ansehend.) Ich gluecklich? (zuckt die Achseln, und geht mit Lord Hot ab.) Dritter Akt Erste Szene (Robert in einem Domino ganz ermuedet nach Hause kommend, und sich in Lehnstuhl werfend. Es ist Mitternacht, mehr gegen die Morgenstunde.) ROBERT. Sie wollen mich durch Mummereien und Vergnuegen durch Raserei wieder zu meinem Verstand bringen. Sie haben recht gehabt, sie haben mich wenigstens so weit gebracht, dass ich durch eine verstellte Gleichgueltigkeit ihr Argusauge betruegen, und ihren bittern Spoettereien ueber die schoenste Torheit meines Lebens ausweichen kann. Ha, unter allen Foltern des Lebens, auf die der Scharfsinn der Menschen gesonnen haben kann, kenn ich keine groessere, als zu lieben und ausgelacht zuwerden. Und die Marmorherzen machen ihrem Gewissen diese Peinigung ihrer Nebenmenschen so leicht, weil sie ihnen so wenig Muehe kostet, weil sie ihrem Stolz und eingebildeten Weisheit so sehr schmeichelt, weil sie die schlechteste Erdensoehne mit so geringen Kosten ueber den wuerdigsten Goettersohn hinaus setzt. Ha! sie sollen diese Freude nicht mehr haben.--Mich auslachen!--mich duenkt, ein Teil von dem Hohn faellt auch auf den Gegenstand zurueck, den ich anbete--(springt auf) und das ist aerger, als wenn Himmel und Erde zusammen fielen, und die Goetter ein Spiel der Saeue wuerden--Ruhig, Robert! da kommen sie. (wirft sich wieder in den Lehnstuhl und scheint zu schlummern.) (Lord Hot und Lord Hamilton kommen. Sie habens gesehen, und laecheln einander zu.) LORD HOT. Es laesst sich doch zur Besserung mit ihm an. LORD HAMILTON. Wenn nur ein Mittel waere, ihm den Geschmack an Wollust und Behaeglichkeit beizubringen; er hat sie noch nie gekostet; und wenn das so fortstuermt in seiner Seele, kann er sie auch nie kosten lernen. LORD HOT. Wenn ich ihn nur in England haette! LORD HAMILTON. Hier! Hier! Die italienische Augen haben eine grosse Beredsamkeit, besonders fuer ein britisches Herz. ROBERT. (zwischen den Zaehnen.) Der Verraeter! LORD HOT. Es tut mir leid, dass ich ihm keine mitgegeben, als er von Hause ging. LORD HAMILTON. Ich kenne hier eine, die einen Antonius von Padua verfuehrt haben wuerde. Augen, so jugendlich schmachtend, als Venus zum erstenmal aufschlug, da sie aus dem Meerschaum sich loswand, und die Goetter bruenstig vom Himmel zog. Es ist ein so vollkommenes Meisterstueck der Natur, dass alle Pinsel unserer Maler an ihr verzweifelt sind. Ihre Arme, ihr Busen, ihr Wuchs, ihre Stellungen--Ach wenn sie sich einladend zurueck lehnt, und tausend zaertliche Regungen den Schnee ihres Busen aufzuarbeiten anfangen-ROBERT. (wirft ihm seine Uhr an den Kopf.) Nichtswuerdiger! LORD HOT. (laeuft ganz erhitzt auf ihn zu, als ob er ihn schlagen wollte.) Nichtswuerdiger du selber! Du verdienst, dass man dich in das tiefste Loch unter der Erde steckte. LORD HAMILTON. (der sich erholt hat, fasst Lord Hot an.) Geduld, Lord Hot! ich bitte dich. Geduld, Mann! Es wird sich alles von selber geben. Ich billige diese Hitze an Roberten, er hat sie von dir. Du haettest es nicht besser gemacht, wenn du in seinen Jahren waerst--Es wird sich legen, ich versichere dich. Ich hoffe noch die Zeit zu erleben, da Robert ueber sich lachen wird. ROBERT. (kniend.) Goetter! (beisst sich in die Haende.) LORD HAMILTON. Wir wollen ihn seinem Nachdenken ueberlassen, er ist kein Kind mehr. (fuehrt Lord Hot ab.) ROBERT. Das mein' ich, dass er kein Kind ist. Wie hoch diese Leute ueber mich sind, wie sie ueber mich wegschreiten! wie man ueber eine veraechtliche Made wegschreitet--Und ihr Vorzug! dass sie kalt sind; dass sie lachen koennen, wo ich nicht lachen kann--Nun, es wird sich alles von selbst geben, Robert wird ein gescheuter, vernuenftiger Mann werden! Es wird schon kommen, nur Geduld!--Unterdessen (oeffnet ein Fenster und springt heraus.) Vierter Akt Erste Szene (Robert Hot, als ein Savoyard gekleidet, unter dem Fenster der Prinzessin von Carignan in der schoensten sternhellen Nacht.) ROBERT. Hast du kein Mitleiden mit mir, Unbarmherzige? Fuehlst du nicht, wer hier herumgeht, so trostlos, so trostlos, dass die Steine sich fuer Erbarmen bewegen. Was hab ich begangen, was hab ich verbrochen, dass ich so viel ausstehen muss? Womit hab ich dich beleidigt, erzuernter Himmel, ihr kalten und freundlichen Sterne, die ihr so schoen und so grausam auf mich niederseht? Auch in dem Stueck ihr aehnlich. Muss denn alles gefuehllos sein, was vollkommen ist; nur darum anbetenswert, weil es, in sich selbst gluecklich, seine Anbeter nicht der Aufmerksamkeit wuerdig achtet.--(Wirft sich nieder auf sein Angesicht, dann hebt er sich auf.) Ja, Hamilton hat recht weisgesagt, ich bin so weit gekommen, dass ich ueber mich selbst machen muss. Ist es nicht hoechst laecherlich, so da zu liegen, dem Spott aller Voruebergehenden, selbst dem Geknurr und Gemurr der Hunde ausgesetzt; ich der einzige meiner Familie, auf dessen sich entwickelnde Talente ganz England harrte? Robert, du bist in der Tat ein Narr. Zurueck! zurueck! zu deinem Vater, und werd einmal klug. (leiert auf seiner Marmotte.) a di di dal da a di didda dalli di da. Ach, gnAedigste Prinzessin, einen Heller! allergnaedigste kOenigliche Majestaet. a di di dal da di di didda dallidida. O--o! geben Sie mir doch einen Heller, Eure kaiserliche MajestAet--Eure paepstliche Heiligkeit--O--o! (Das Fenster geht auf, es fliegt etwas heraus in Papier gewickelt. Robert faengts begierig auf.) O, das Geld kommt von ihr--(kUesst es.) In Papier--Wer weiss, was darauf geschrieben steht. (Macht das Papier auf,) und tritt an eine Laterne.) Nichts!--Robert!--weiss--ganz weiss!--Du hast nichts, Robert, du verdienst nichts.--Wer weiss, warfs ein Bedienter heraus.--Ja doch; es kam nicht aus ihrem Fenster; es kam aus dem obern Stock, und wo mir recht ist, sah ich einen roten Aermel. Geh zurueck in deines Vaters Haus, Robert! es ist eben so gut--Wenn nur die Bedienten meines Vaters ihm von diesem Aufzug nichts sagen, sonst bin ich verloren. Ich schleiche mich noch wohl hinein.--(ab.) Fuenfter Akt Erste Szene (Robert in seinem Zimmer, krank auf seinem Bette. Lord Hot tritt herein.) LORD HOT. Nun, wie stehts? Haben die Kopfschmerzen nachgelassen? ROBERT. So etwas, Mylord. LORD HOT. Nun, es wird schon besser werden; ich hoff, ich vertreib sie dir. Steh auf, und zieh dich an, du sollst mit mir zur Prinzessin von Carignan. ROBERT. (fasst ihn hastig an beide Haende.) Was sagen Sie? Sie spotten meiner. LORD HOT. Ich spotte nicht; du sollst dich zugleich von ihr beurlauben. ROBERT. Hat sie mich verlangt. LORD HOT. Verlangt--sie hat wohl viel Zeit, an dich zu denken. Sie empfaengt gegenwaertig die Glueckwuenschungen des ganzen Hofs, und du wirst doch auch nicht der letzte sein, vor deiner Abreise nach London ihr auch die deinige abzulegen. ROBERT. Glueckwuenschungen--und wozu? LORD HOT. Sie vermaehlt sich-- ROBERT. (schreit.) Vermaehlt sich! (faellt zurueck und in Ohnmacht.) LORD HOT. Wie nun, Robert?--was ist dir, Robert?--Ich Ungluecklicher! --Huelfe! (sucht ihn zu ermuntern.) LORD HAMILTON. Wie stehts? hats angeschlagen? LORD HOT. Er ist tot.-HAMILTON. (naehert sich.) Nun er wird wieder aufleben, (ihn gleichfalls vergeblich zu ermuntern suchend.) Man muss ihm eine Ader schlagen. (streift ihm den Arm auf.) Geschwind, Bediente, ein Lanzett, oder einen Chirurgen, was ihr am ersten bekommen kOennt. ROBERT. (erwacht, und sieht wild umher.) Wer ist da? LORD HOT. (bekuemmert.) Dein Vater--deine guten Freunde. ROBERT. (stoesst ihn von sich.) Weg mit den Vaetern!--Lasst mich allein! --(sehr hitzig.) Lasst mich allein! sag ich! HAMILTON. Wir muessen ihn allein lassen, dass er sich erholen kann; der Zwang, den er sich in unserer Gegenwart antut, ist ihm toedlich.--Es wird sich alles von selbst legen. LORD HOT. Du bist immer mit dem alles von selber--Wenigstens alles Gewehr ihm weggenommen. (greift an den Tisch und um die Waende umher, und geht mit Lord Hamilton ab.) ROBERT. Also vermaehlt! Das Schwert, das am letzten Haar ueber meinem Kopfe hing, faellt.--Aus!--alles aus. (springt auf, und tappt nach einem Gewehr.) Ich vergass es--O deine elende vaeterliche Vorsicht! (rennt mit dem Kopf gegen die Wand, und sinkt auf den Boden.) Also ein anderer--ein anderer--und vermutlich ein junger, schoener, liebenswuerdiger, vollkommener--einer, den sie lang geliebt hat, weil sie so ernstlich auf meine Heilung bedacht war.--Desto schlimmer, wenn er vollkommen ist, desto schlimmer!--er wird ihr ganzes Herz fesseln, und was wird fuer mich uebrig bleiben? nicht einmal Mitleid, nicht ein einziger armer verirrter Gedanke fuer mich--Ganz aus ihrem Andenken verschwunden, vernichtet--Dass ich mich nicht selbst vernichten kann!--(springt auf, und will sich zum Fenster naus stuerzen, Hamilton stuerzt herein, und haelt ihn zurueck.) HAMILTON. Wohin, Wahnwitziger? ROBERT. (ganz kalt.) Ich wollte sehen, was es fuer Wetter gaebe--Ich bin dein Herzensfreund, Hamilton; ich wollt, ich haette deinen Sohn, oder deine Tochter hier. HAMILTON. Was wolltest du mit ihnen? ROBERT. (sehr gelassen.) Ich wollte deine Tochter heiraten.--Lass mich los! HAMILTON. Ihr sollt euch zu Bette legen. Ihr seid in einem gefaehrlich fiebrischen Zustand. Kommt, legt euch! ROBERT. Zu Bette?--Ja, mit deiner Tochter!--Lass mich los! HAMILTON. Zu Bette! oder ich werd euch binden lassen. ROBERT. Mich binden? (kehrt sich hastig um, und fasst ihn an der Kehle.) Schottischer Teufel! HAMILTON. (wind't sich von ihm los, und schiebt ihn aufs Bett.) He! Wer ist da! Bediente! Lord Hot! ROBERT. Ihr seid der staerkere. Gewalt geht vor Recht. (legt sich freiwillig nieder, und faengt an zu rufen.) Georg! Johann! Eduard! He, wer ist da! Kommt, und fragt den Lord Hamilton, was er von euch haben will? (Bediente komen herein.) HAMILTON. Ihr sollt mir den jungen Herrn hier bewachen. Seht zu, dass ihr ihn zum Einschlafen bringt--ihr sollt mir Red und Antwort fuer ihn geben. ROBERT. Hahaha! und bind ihm nur die Haende, ich rat es euch, denn er hat einen kleinen Fehler hier. (sich auf die Stirn schlagend.) HAMILTON. Gebt Acht auf ihn; ihr sollt mir fuer alles stehen, ich sags euch! und wenn ers zu arg macht, so ruft mich nur--und ich will den Junker an sein Bett schliessen lassen. ROBERT. (sieht ihn wild an, ohne ein Wort zu sagen.) (Hamilton geht ab.) ROBERT. (zu den beiden Bedienten.) Nicht wahr, William, der Mensch ist nicht gescheut. Sagt mir aufrichtig, scheint er euch nicht ein wenig verrueckt zu sein, der Lord Hamilton? Er bild't sich wohl ein, dass ich ein Kind, oder ein Narr, oder noch was schlimmers bin, weil ich nicht (sich ehrerbietig bueckend) Lord Hamilton sein kann. WILLIAMS. Halten Sie sich ruhig, junger Herr. ROBERT. Maulaffe! bist du auch angesteckt?--Komm du her, Peter, du bist mir immer lieber gewesen, als der weise Esel da. Sagt mir doch, habt ihr nichts von Feierlichkeiten gehoert, die in der Stadt angestellt werden sollen, von Illuminationen, Freudenfeuer?-- PETER. Wenn Sie doch koennten in Schlaf kommen, mein lieber junger Herr! ROBERT. Immer dieselbe Leier; wenn ich nicht naerrisch waere, koenntet ihr mich dazu machen.--Die Prinzessin von Carignan soll morgen Hochzeit halten, ob was dran ist! Habt ihr nichts gehoert? (Peter und William sehen sich mit verwunderungsvollen grossen Augen an.) ROBERT. Seid ihr denn stumm geworden, ihr Holzkoepf. Ists euch verboten, mirs zu sagen? Wer hats euch verboten? Geschwind! PETER. Lieber junger Herr, wenn Sie sich zudeckten, und saehen in Schweiss zu kommen. (er will ihn anfassen, Robert stoesst ihn von sich.) Wenn Sie nur in Ruh kommen koennten, allerliebster junger Herr. ROBERT. Dass dich Gott verdamm, mit deiner Ruh!--Setz dich! (er setzt sich aufs Bett, *Robert* fasst ihn an den Kragen.) Den Augenblick sag mir, Bestie, wie heisst der Gemahl der Prinzessin von Carignan? WILLIAMS. (kommt von der anderen Seite, fasst ihn gewaltsam an, und kehrt ihn um.) Will er wohl ruhig sein, oder ich nehm ihn augenblicklich, und bind ihn fest ans Bett. ROBERT. (schweigt ganz stille.) PETER. (zu Williams.) Gott und Herr! er phantasiert erschrecklich. ROBERT. (nachdem er eine Weile stille gelegen.) Gut, dass ich mit dir reden darf, mitleidige Wand. Es ist mir doch, als ob du dich gegen mich bewegtest, dich herab zu mir neigtest, und stumm, aber gefuehlig zu meiner Verzweiflung zittertest. Sieh, wie ich verraten da liege! alles, alles verraet mich--(zieht das Bild der Prinzessin aus seinem Busen, und macht das Futteral auf.) Auch dies. Auch diese schwarzen Augen, die keinen Menschen scheinen ungluecklich sehen zu koennen, die Liebe und Wohltun wie die Gottheit selber sind. Sie hat alles das angestellt.--Sie will mich wahnwitzig haben--Sie, heiraten! koennte sie das, wenn ihr Herz weich und menschlich waere. Nein, sie ist grausamer als alle wilde Tiere, grausamer als ein Tyrann, grausamer als das Schicksal selbst, das Weinen und Beten nie veraendern kann. Sie kann mich leiden sehen, und an Hochzeitsfreuden denken--Und doch, wenn sie muss! wenn sie gluecklicher dadurch wird--Ja, ich will gern leiden, will das Schlachtopfer ihres Gluecks sein--Stirb, stirb, stirb, *Robert*! es war dein Schicksal, du musst nicht darueber murren, sonst wirst du ausgelacht. (Bleibt mit dem Bild ans Gesicht gedrueckt eine Weile stumm auf seinem Kissen liegen.) (Tognina, eine Buhlerin, schoen geputzt, tritt leise herein. Peter geht ihr auf den Zehen entgegen.) PETER. Still, er schlaeft!--das ist ein Glueck. Wir dachten schon, er sollt uns zum Fenster heraus springen. Die Hitze ist gar zu gross bei ihm. TOGNINA. Lasst mich nur! ich werd ihn nicht wecken. Ich werd an seinem Bett warten, bis er aufwacht. (setzt sich ans Bett.) ROBERT. (kehrt sich hastig um.) Wer ist da? TOGNINA. Schoener junger Herr! werden Sie nicht boese, dass ich so ungebeten herein komme. Ich bin hierher gewiesen, ich bin eine arme Waise, die Vater und Mutter verloren hat, und sich kuemmerlich von ihrer Haende Arbeit naehren muss. ROBERT. Das sieht man euch nicht an. TOGNINA. Alles, was ich mir verdiene, wend ich auf meine Kleidung. Ich denke, es steht einem jungen Maedchen nicht so uebel an, als wenn sie das bisschen Schoenheit, das ihr der Himmel gab, nicht einmal sucht an den Tag zu legen. Ich will nicht gefallen, gnaediger Herr, (ihn zaertlich ansehend) ich weiss wohl, dass ich nicht im Stande bin, Zaertlichkeit einzufloessen; aber zum wenigsten bin ich hochmuetig genug, dass ich niemand durch meine Gestalt beleidigen mag. ROBERT. Was wollt ihr von mir? TOGNINA. (etwas verwirrt.) Von Ihnen?--was ich von Ihnen will?--Das ist eine seltsame Frage, die ich Ihnen so geschwind nicht beantworten kann. Ich hoere, dass Sie krank sind, schoener junger Herr, Sie brauchen Pflege, Sie brauchen Aufwartung. Sie brauchen vielleicht auf die Nacht eine Waerterin. ROBERT. (die Zaehne knirschend.) Wer hat euch gesagt, dass ich krank sei? TOGNINA. Niemand, guetiger Herr--die Frau vom Hause hat es mir gesagt--und in der Tat, man sieht es Ihnen an; (seine Hand fassend.) Dieser Puls will mir nicht gefallen. (streift ihm den Arm auf.) Was fuer einen schoenen weissen Arm Si ehaben--und wie nervigt! dieser Arm koennte Herkules Keule tragen. ROBERT. (reisst ich los von ihr, richtet sich auf, und sieht sie starr an.) Wer seid ihr? TOGNINA. Ich bin--ich habe es Ihnen ja schon gesagt, wer ich bin. ROBERT. Ihr seid eine Zauberin; aber (auf sein Herz weisend) hier ist Stein, Kieselstein. Wisst ihr das? TOGNINA. Das gesteh ich.--Haben Sie noch nie geliebt?--Ich muss Ihnen doch sagen, hier ward gestern eine neue Oper gegeben--Die Scythen, oder der Sieg des Liebesgottes--Unvergleichlich, Mylord; gewiss--Es war auch so ein junger Herr drinne, wie Sie, der alles Frauenzimmer verachtete. Aber was meinen Sie wohl, womit die Liebesgoettin und die Amors ihn bekaempften? Raten Sie einmal, ich bitte Sie, was fuer fuerchterliche Waffen sie seiner knotigen Keule entgegen setzten? ROBERT. Vergiftete Blicke, wie die eurigen. TOGNINA. Blumen, junger Herr, nichts als arme Blumen--(reisst sich eine Rose von der Brust, und wirft ihn damit.) Sehen Sie, so machten sies--Spielend (eine aus ihrem Haarputze) Spielend. (wieder eine andere von ihrer Brust.) spielend ueberwanden sie ihn. Hahaha, (ihn an die Hand fassend) ist das nicht lustig, mein kleines Herzchen? ROBERT. (verstohlen, die Zaehne knirschend.) O unbarmherziger Himmel! --Armida!--(Tognina ans Knie fassend.) Ihr seid gefaehrlich, Kleine! voll Luesternheit! voll Liebreiz! Lasst uns allein bleiben, ich habe euch viel zu sagen. (Sie winkt den Bedienten, die gehen heraus.) ROBERT. (zieht das Portrait aus dem Busen.) Seht, hier hab ich ein Bild, das allein ist euch im Wege. Wenn ihr Meisterin von meinem Herzen werden wollt, gebt mir eine Schere, dass ich es von diesem Halse loese, dan den ich es damals leider, ach, auf ewig knuepfte! Ich bin nicht im Stande, euch in eurer zauberreiches Auge zu sehen, eure weiche Hand gegen mein Herz zu druecken, euren gluehenden Lippen meinen zitternden Mund entgegen zu strecken, so lang dies Bild an meinem Halse haengt. TOGNINA. Gleich, gnaediger Herr! (zieht eine Schere aus ihrem Etui, und sett sich aufs Bett, ihm das Bild abzuloesen.) ROBERT. (reisst ihr die Schere aus der Hand, und gibt sich einen Stich in die Gurgel.) Grisette! hab ich dich endlich doch ueberlistet. TOGNINA. Ich in des Todes! Huelfe!--(laeuft heraus.) ROBERT. Ists denn so weit--(breitet die Arme aus.) Ich komme, ich komme!--Furchtbarstes aller Wesen! an dessen Dasein ich so lange zweifelte; das ich zu meinem Trost leugnete, ich fuehle dich--Du, der du meine Seele hierher gesetzt! du, der sie wieder in seine grausame Gewalt nimmt. Nur nicht verbiete mir, dass ich ihrer nicht mehr denken darf. Eine lange, furchtbare Ewigkeit ohne sie. Sieh, wenn ich gesuendigt habe, ich will gern Straf und Marter dulden; Hoellenqualen dulden, wie du sie mir auflegen magst; nur lass das Andenken an sie sie mir versuessen. (Lord Hot, Lord Hamilton, Bedienten und Tognina kommen.) LORD HOT. Ich ungluecklicher Vater! HAMILTON. Er wird sich nur geritzt haben. LORD HOT. Verbindt ihn; er verblutet sich. (reisst ein Schnupftuch aus der Tasche, und sucht das Blut aufzuhalten.) Kommt denn der Wundarzt noch nicht? So lauft denn jemand anderswo nach ihm! lauft alle miteinander nach ihm!--Das sind die Folgen deiner Politik, Hamilton. HAMILTON. (zu Tognina.) Ihr ward rasend, dass ihr ihm das Messer in die Hand gabt. TOGNINA. Er tat so ruhig, gnaediger Herr. LORD HOT. Moerder! Moerder! allezusammen! ihr habt mich um meinen Sohn gebracht. HAMILTON. Es kann unmoeglich so gefaehrlich sein. ROBERT. (im Wundfieber.) Nein, Armida! nein!--so viel Augen haben nach mir gefunkelt! so viel Busen nach mir sich ausgedehnt! ich haette so viel Vergnuegen haben koennen--nein, das ist nicht dankbar. LORD HOT. Kommt denn der Wundarzt nicht? ROBERT. Nein, das ist nicht artig--Ich war jung, ich war schoen! o schoen! schoen! ich war zum Fressen, sagten sie--Sie wurden rot, wenn sie mit mir sprachen, sie stotterten, sie stammelten, sie zitterten--nur eine, sagte ich, nur eine--und das mein Lohn! LORD HOT. Geschwind lauft zu meinem Beichtvater! (Bediente ab.) (Wundarzt kommt; naehert sich, und untersucht die Wunde.) LORD HOT. Nun, wie ists? ist Hoffnung da? WUNDARZT. (blickt auf, und sieht ihn eine Weile bedenklich an.) LORD HOT. (faellt auf einen Stuhl.) Aus! WUNDARZT. Warum soll ich Ihnen mit vergeblicher Hoffnung schmeicheln?--die Luftroehre ist beschaedigt. LORD HOT. (legt die Hand vors Gesicht und weint.) ROBERT. Nun--nun--nun--meine Armida! jetzt gilt es dir zu beweisen, wer unter uns beiden Recht hat--jetzt--jetzt--Lass meinen Vater sagen! lass die ganze Welt sagen-LORD HOT. (sthet auf, zu Lord Hamilton.) Du hast mich um meinen Sohn gebracht, Hamilton--Dein waren alle diese Anschlaege!--du sollst mir dran glauben, oder ich-HAMILTON. Besser ihn tot beweint, als ihn wahnwitzig herum geschleppt. (geht ab.) (Lord Hot zeiht den Degen, und will ihm nach. Sein Beichtvater, der herein tritt, haelt ihn zurueck.) BEICHTVATER. Wohin, Lord Hot? LORD HOT. Der Moerder meines Sohns-BEICHTVATER. Kommen Sie! der Verlust tut Ihnen noch zu weh, als dass Sie gesund davon urteilen koennen. LORD HOT. So helfen Sie uns wenigstens seine junge Seele retten. Es war sein Unglueck, dass er in der Kindheit ueber gewisse Buecher kam, die ihm Zweifel an seiner Religion beibrachten. Aber er zweifelt nicht aus Libertinage, das kann ich Ihnen versichern. Reden Sie ihm zu, Mann Gottes, da er am Rande der Ewigkeit steht. BEICHTVATER. (tritt naeher, und setzt sich auf sein Bett.) Lord Robert, ich weiss nicht, ob Sie mich noch verstehen, aber ich hoffe zu Gott, der Sie erschaffen hat, er wird wenigstens einige meiner Worte den Weg zu Ihrem Herzen finden lassen, wenn Ihr Verstand sie gleich nicht mehr fassen kann. Bedenken Sie, wenn Sie noch Kraefte uebrig haben, welchem entscheidenden Augenblick Sie nahe sind, und wenden Sie die letzte dieser Kraefte an, das, was ich ihnen sage, zu beherzigen. ROBERT. (nimmt das Bild hervor, und kuesst es.) Dass ich das hier lassen muss. BEICHTVATER. Sie gehen in die Ewigkeit ueber! Lord Robert, Lord Robert, machen Sie Ihr Herz los von allem Irdischen. Sie sind jung, Sie sind liebenswuerdig, Sie haben Ihrem Vaterlande die reizendste Hoffnungen vernichtet; aber Ihr Herz ist noch Ihre; wenden Sie das von den Geschoepfen, an denen Sie zu sehr hingen, zu dem Schoepfer, den Sie beleidiget haben, der Ihnen verzeihen will, der Sie noch liebt, wenn Sie ihm das Herz wieder ganz weihen, das Sie ihm entrissen haben. ROBERT. (kehrt sich auf die andere Seite.) BEICHTVATER. Ungluecklicher! Sie wollen nicht? Bedenken Sie, wo Sie stehen, und vor wem.--Wollen Sie mir die Hand drauf reichen, dass Sie sich seinem Willen unterwerfen wollen--noch ist es Zeit--Sie bewegen die Lippen.--Sie wollen mir etwas sagen. ROBERT. (kehrt sich um, der Beichtvater haelt ihm das Ohr hin, er fluestert ihm unvernehmlich zu.) BEICHTVATER. Unter Bedingungen!--Bedenken Sie, was Sie verlangen--Bedingungen mit Ihrem Schoepfer? (Robert haelt ihm die Hand, er reicht ihm das Ohr noch einmal hin)--Dass er Ihnen erlaube, Armiden nicht zu vergessen--O lieber Lord Robert! in den letzten Augenblicken!--Bedenken Sie, dass der Himmel Gueter hat, die Ihnen noch unbekannt sind; Gueter die die irrdischen so weit uebertreffen, als die Sonne das Licht der Kerzen uebertrifft. Wollten Sie nicht mehr besitzen koennen; zu Ihrer Marter auf ewig im Gedaechtnis zu behalten. ROBERT. (hebt das Bild in die Hoehe, und drueckt es ans Gesicht, mit aeusserster Anstrengung halb roechelnd) Armida! Armida.--Behaltet euren Himmel fuer euch. (er stirbt.) Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Der Englaender, von Jakob Michael Reinhold Lenz. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER ENGLäNDER *** This file should be named 7engl10.txt or 7engl10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7engl11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7engl10a.txt Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. Please be encouraged to tell us about any error or corrections, even years after the official publication date. Please note neither this listing nor its contents are final til midnight of the last day of the month of any such announcement. 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